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vorgelegt und nachgewiesen, daß vom iehnten Jahre der Beitragk⸗
leistung an die gezahlte Zusatzrente höher ist als der Reichszuschuß.
Ich babe ihnen ferner nachgewiesen, daß der Durchschnitt dieser
Zusatzrente, der für die höheren Jahre der Beitragsleistung über
IJö60 M fteigt, weit höber ist als der Reichszuschuß. Die
Frage, ob es. nun opportun wäre, in dieser Weise,
wie bitt een ficht t wird, den Allgemeinen Knappschafts⸗
verein zu jn gen, sein Statut ju ändern, muß doch sehr bezweifelt werden. Diejenigen Herren, die mit den Verhältnissen des Ruhr— reviers bekannt sind — und das ist ja beim Herrn Abg. Stötzel der
Fall — werden sich doch erinnern, welche Schwierigkeiten das Zu⸗
standekommen des jetzigen Statuts gemacht hat. Von einer Unzu—⸗
sriedenheit mit den Sätzen der Zusatzrente kann nicht die
Rede sein. Ich, möchte, den Herrn Abg. Stötzel bitten,
zu sagen, wo, in welchen Arbeiterkreisen und in welchen
Versammlungen Klagen gegen das System und die Höbe der
Zusatzrenten erboben worden sind. Da kann ich ibm vorher sagen,
das kann er nicht; denn es ist allseitig Zustimmung zu der
Zusatzrente ausgesprochen worden. Wenn Sie also den Knapp⸗
schaftg verein zwingen wollen, sein Statut wiederum zu ändern,
so dürfte das zu recht großen Erresungen und Schwierigkeiten
Anlaß geben, und es ift sehr fraglich, ob Ihr Wunsch,
diese Zusatzrente für immer festgelegt zu sehen, die Anwendung eines
solchen¶ Mittels rechtfertigt. Ich möchte dem Herrn Abg.
Stötzel insbesondere iu erwägen geben, daß der Rechtsweg
bezüglich der. Zusastzrente nicht ausgeschlossen ist. Es findet
allerdings kein schiede gerichtliches Verfahren statt, sondern das im allgemeinen Berggesetz vorgesehene Verfahren vor den Verwaltungsbehörden. Hinsichtlich der beiden anderen
Kasseneinrichtungen würde der Antrag b, wie ich noch kurz sagen will,
ohne auf die Details einzugeben, gar keine Wirkung haben. Unter
diesen Umständen bedarf die Frage, eb es nöthig ist, in der Weise, wie die Herren Antragsteller das verlangen, in die Verhälinisse der
Kasseneinrichtungen einzugreifen, sehr ernster Prüfung, und ich muß mit der Bitte schließen, den , abzulehnen.
Abg. Hilbck (nl. : Für die Behauptung, daß keine Klarheit in den Knappschaftefassen herrscht, fehlt es mir an einer parlamentarischen Widerlegung. Die Unternehmer können allein garnichts machen; sie müssen immer die Zuftimmung der Arbeitervertreter haben.
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Bei der Schaffung des Sesetzes war der Reichstag der Meinung, daß die Knappfchaften so eingerichtet seien, daß man ihnen die Invaliden versicherung übertragen könnte; bätte man damals solche Anträge gestellt wie jeßt, so bätten sich die Knappschaftsvereine für das Pri⸗ vilegium bedankt. Die Anträge würden zur Folge baben, daß ent⸗ . dem Knappschafteprinzip die Arbeiter mehr Vertreter in der zerwaltung haben als die Arbeitgeber. Besonders überflüssig ift die Einführung der geheimen Wahl, die nur zur Agitation führt, zumal es sich bei den Knappsckaften um eine landesgesetzliche Ein⸗ richtung handelt. Schon die gestrige Ablehnung meines Antrages zu S 9 macht es uns schwer, uns fuͤr das Gesetz noch weiter zu interessieren; würde der Antrag Stötzel angenommen, s würden wir wohl gegen das ganze Gesetz stimmen mũssen.
Abg. Sachse (Soz.) behaurtet, daß die Arbeiter für die Knapp— schaften mehr Geld zahlten als die Arbeitgeber, und trotzdem in der Verwaltung nicht vertreten seien, weil bei den Wablen nicht eigent⸗ liche Arbeiter, sondern Obersteiger 2c. als Arbeitervertreter gewäblt würden. Wenn ein eigentlicher Arbeiter als Kandidat aufgestellt werde, so werde er sicherlich gemaßregelt. Redner erklärt sich des halb für den Antrag Stötzel.
Abg. Dr. Hitze tritt ebenfalls für den Antrag ein.
Gebeimer Oker. Bergrath Dr. Fürst: Ich muß Herrn Dr. Hitze noch auf einige seiner Bemerkungen kurz erwidern. Er erläuterte die Absicht seines Antrages dabin, die Versicherten, welche in zuge⸗ lassenen Kasseneinrichtungen ihrer Versicherungspflicht genügen, sollten nicht schlechter gestellt werden als die anderen Versicherten, die den territorialen Versicherungsanstalten angehören. Er erläuterte das an den Absätzen a und b. Ich muß gefteben, ich kann das nicht recht einsehen, zunächst bezüglich des An⸗ trages a. Wo steht im alten Gesetz und im neuen Entwurfe, daß unter allen Umständen diejenigen, welche in territorialen Verficherungs⸗ anftalten versichert sind, an der Verwaltung der Anftalt theilnebmen vach Maßgabe des Verbältnisses ihrer Beiträge zu den Beiträgen der Arkeitg-ber und in gebeimer Wabl zu wählen sind? Der Inhalt des
alten Gesetzes ist jetzt übergegangen in, den 5 40f, der Die Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten werden Borständen der im Bezirk der unteren Verwaltungs vorbandenen Orts-,, Betriebs. (Fabriks ),. Bau- un
nge krankenkafsen, Knappschaftskassen u. s. w. gewählt.“
s die Wabl eine gebeime sein soll, fteht nicht darin. Soweit es uicht reichsgesetzlich geordnet ist, wie z B. bei den Krankenkassen,
en binsichtlich der hier genannten Kassen lediglich die landes gesetz⸗
n oer statutarischen Bestimmungen. Es kann, was den Wahl
sein Es werden nicht, wie Herr Hitze den Sinn des Antrages erläutert, die schlechter gestellten versicherten Personen in den zugelassenen Versiche⸗ rungsanstalten Feffer gestellt, sondern es wird ibnen ein Recht gegeben, das die arderweit Verficherten zum tbeil ebenfalls nicht haben. Was den Antrag b betrifft, se sagt Herr Pr. Hitze, es müsse jeder Rentenempfãnger in ker Genuß des Reichszuschuses kreten, das sei Sinn und Absicht des Gesetzes gewesen. Ich habe das schon in der Kommissien beftritten und beftreite es auch bier. Die Materialien und Berathungen ju 85 des Gefetzes ergeben, daß daran nicht gedacht ist Das Peivilegium ist diglich das Wenn eine der hier als Kasseneinrichtungen erwähnten ganisationen den aufgeführten Minimalansprüchen genügt und zu⸗ affen wird, so wird ibr zu den von ibt zu leistenden Invaliden · en — nämlich zu allen insgesammt; das ergeben die „die damaligen Verhandlungen — der Reichs zuschuß zört. Sie ändern mit Ibrer Auslegung völlig das stem, nech dem die zugelafsenen Kasseneinrichtungen J. 3. begründet d. Nun fagt Herr Dr. Hitze: die zugelassenen RKassenein richtungen ben es ja in der Hand, ob sit von dem Privileg Gebrauch machen. aß das kein Grund ist, wird er bei nochmaliger Prüfung selbst ageben wüssen. Sie sind ja zugelassen und seit Jabren tbãtig. Glaubt Heir Dr. Hitze, daß sie sich auflösen können, daß die geschaffenen Verkältruffe wieder zurückgeführt werden können auf den Zustand, der Festand, ebe sie jzugelassen wurden? Das ist kaum durchfübrbar. Ich muß daber bebaurten, daß die für den Antrag gegebene Begründung nicht zutreffend ist.
Abg. Stötzel emrfieblt nochmals dringend die gebeime Wabl, die nach den Ausführungen des Abz. Hilbck im Bochumer Verein schon lange bestebe. -
S5 wird mit dem Antrage Stötzel angenommen.
Nach dem von der Kommission e ingeschalteten 8 72 kann durch Beschluß des Bundesraths der Seeberufs⸗ genossenschaft gestattet werden, die Invalidenversicherung für Seeleute zu übernehmen, jedoch nur, wenn leichzeitig für die Hinterbliebenen der darin versicherten Personen eine Witwen- und Waisenversicherung eingerichtet wird.
Die Sozialdemokraten beantragen, für die Er⸗ richtung dieser Invalidenversicherung auch die Zustimmung des Reichstages vorzuschreiben und ferner zu bestimmen, daß die Vittwe mindestens 25 v. H, jede? Find 20 v. H. des Tagelohns als Rente erhalte.
Ang. Dr. Hahn (b. F. S) weist darauf hin, daß diese Vorschrift den schen large ausge vrochenen Wünschen der seemaännischen Be⸗ relkernng entspreche. Die Unfall oersicherung habe für dieselbe nickt e Bert wie far andere Arbeiter. Denn die Seeleute verunglũckten nicht n dem Maße wie Induftrtearbeiter durch Betriebsunfälle im eigentlichen Sinne, sondern mehr durch Berufs krankbeiten; namentlich erkrankten fie vielfach unter den Einwirkungen des Klimas. Die
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er, nnn mn, unter Ablehnung der solsialdemokratischen ntrãge. Abg. Mol kenbuhr behauptet, daß die Seglente selten zum Bezuge von Renten känien, weil die meisten von ihnen nach kurzer Dienstzeit aus dem Seemannsberuf ausschieden und sich anderen Berufen zuwendeten. Die Renten der Seeberufegenossenschaft seien auch sehr niedrig bemessen, denn der Reichskanzler habe die Durch- schnittsfätze der Heuer um 26 0g niedriger festgesetzt als sie wirklich eien. Dadurch würden natürlich die Renten fowohl für die Seeleute selbst cis auch für die Hinterbliebenen um so viel niedriger. Diese Beruftgenessenschaft verdiene nicht das Vertrauen, daß man ihr ohne weiteres die Invalidenversicherung übertragen könnte; man müßte gewiffe Vorschriften über die Höhe der Wittwen und Waisenrenten gleich in das 64 aufnehmen. Direktor im Reichsamt des Innern Dr, von Woedtke: Ja, meine Herren, ich glaube, daß die verbündeten Regierungen daraus, daß die Kommission den 57a in den Gesetzentwurf aufgenommen hat, einen Anlaß nicht entnehmen werden, dem Entwurf in seiner Gesammtheit ihre Zustimmung zu versagen. Ich glaube also, daß der Zustimmung zu dem 5 7a seitens des hohen Hauses erhebliche Bedenken nicht entgegensteben. Dagegen kann ich die Anträge des Herrn Abg. Molkenbuhr, welcher Finfügungen in den Paragrabhen machen will, nicht befürworten und kann 'nicht umhin,. seinen Ausführungen in einigen Beziehungen entgegen zutreten. Der Herr. Abg. Molkenbuhr bat gesagt: weshalb foll denn gerade die Seeberufegenofenschaft so viel Vertrauen! verdienen, daß der Reichstag dem Bundesrath die Ermächtigung geben will, der Seeberufsgenossenschaft die Erlaubniß zu ertheilen, unter gewissen Voraus setzungen eine Wittwen? und Wajsenversicherung einzurichten? Warum, fragt der Herr Abgeordnete, ist die Seeberufsgenossenschaft in einer fo günstigen Situation? Und wag hat sie gethan, um sich diefe; Vertrauen zu verdienen? Ich babe darauf zu erwidern, daß die Sceberufsgenossenschaft nicht die letzte in der Zahl der Berufs · genossenschaften ist, die ales thut, was in ihren Kräften stebt, um das Boos der bei ibr versicherten Personen zu verbessern Zwischenruf inks), und das Gelächter des Herrn Abg. Molkenbuhr ändert daran nicht bas Allermindesfe. (Zwischenruf link — Das ist wohl eine Thatsache, Herr Abg. Siadthagen. (Glocke des Präsidenten.) Der Herr Abg. Molkenbuhr hat der Seeberufsgenossenschaft zwei Dinge nachsagen zu können geglaubt und daraus wobl abletten wollen, daß die Seeberufsgenoffenschaft ein Ver trauen nicht verdiene. Cinmal, sagt. er, habe die Seeberufs.⸗ genossenschaft verhältnißmäßig geringe Renten feftgesetzt für die Ber⸗ letzten und für die Hinterbliebenen von getödteten Seeleuten, und zwar um degwillen, weil, so fübrte er aus, die Durchschnitts⸗ beuer, die der Reichs kan ier festgefetzt habe, zu niedrig sei. Ja, meine Herren, das scheint mir doch nicht der See berufsgenossenschaft zur Last ju fallen, wenn sie die Rente auf Grund einer Feftsetzung des Reichs⸗ kanzlerg, die der Herr Abgeordnete für zu niedrig hält, auszablt. Ob die Fefifetzung zu niedrig ift, das ist eine andere Frage. Herr Molken⸗ buhr dat diefe Frage bereitz zum vierten Mal angeschnitten, einmal im boben Hause, zweimal in der Kommission und jetzt wieder. Ich kann dem Serrn Abgeordneten darauf nur erwidern, daß nach wie vor feitens des Serrn Reichskanzlers und der Reichs verwaltung daran fest⸗ gebalten wird, daß nach den bisherigen Grundlagen die Durchschnitts⸗ heuer richtig bemessen war. Indessen hat Herr Molkenbuhr bereits in der Kommifsion von meinem Herrn Chef gehört, daß dieser Beran, lassung genommen bat, in die Erörterung dieser Frage noch einmal einzutreten, und wenn sich herausstellt, daß die Festsetzung die that⸗ fächlichen Löhne zu niedrig greift, diese Feftsetzung zu revidieren. Ich erkläre das noch einmal, und hoffe, daß die Angelegenheit damit endgültig erledigt fein wird, damit das hobe Saus nicht nech zum fü-r fen Male mit bieser Frage befaßt wird. Sodann hat Herr Molken⸗˖ buhr gemeint, die Seeberufsgenossenschajt sei um des willen nicht vertrauen würdig, weil sie in einem einzelnen Falle ihr Recht bei dem Reichs⸗ Versicherungsamt gesucht habe; es habe sich um einen Fall gehandelt, in dem das Schiedsgericht eine Rente zugesprochen habe, die die Ser- berufsgenossenschaft geglaubt habe nicht zahlen zu brauchen, und das Reichs. Versicherungs amt, welches von der Seeberufsgenossenschaft an⸗ gerufen wurde, habe ihr Recht gegeben. Je nun, dann hat eben die Seeberufesgenossenschaft Recht, und eg war eben zicht recht, daß man von ihr verlangte, eine Rente zu bewilligen. Die Seeberufsgenoffen⸗ schaft bat auch ibre Interessen zu wahren und ste muß bei der Ber waltung der Geschäfte dieselbe Sorgfalt anwenden, wie der Vormund bei der Verwaltung des Mündelpvermögens. Das ist gesetzliche Vorschrift. Ich sage, die Seeberafsgenossenschaft bat gar nicht das Recht, ox aequo et Fond nach Billigkeitsrücksichten zu entscheiden; wenn sie nach Pflicht mäßiger Prüfung zu der Ueberreugung kommt, dak sie nicht verpflichtet ift, (ine Rente zu zahlen, so hat fie die Sache nöthigenfalls bis an das Reichs. Versicherungsamt zu bringen, um zu sehen, ob ihre Auf— faffeng in dieser Beniebung richtig ist. Thatsächlich hat das Reichs; Bersicherungsamt nun ihr Recht gegeben und befstätigt, daß die See⸗ Ferufszenoffenschaft nicht zu zahlen hat. Wie man der letzteren daraus einen Vorwurf machen kann, ist mir völlig unerfindlich. Das thut jede Berufsgenossenschaft und muß es thun, daß, wenn sie eine Rente nicht zu zablen braucht, sie dieselbe eben verweigert. Nun, sagt der Herr Abg. Molkenbuhr weiter, die Seeberuft⸗ genossenschaft werde, auch wenn sie sich bereit erklärt habe, eine Wittwen⸗ und Waisenversicherung einzurichten, nichts Ordentliches leisten, fondern zan wolle sich damit nur ein Mäntelchen umhängen, damit die Sache nach Außen einen guten Schein habe. Ich glaube, der Herr Abgeordnete täuscht sich sehr. Die Seeberufe genossen schaft ist die einzige Genossenschaft gewesen, welche sich bereit erklärt hat — allerdings unter gewissen Vorausseßungen — eiae Wittwen.! und Waisenfürsorge einzuführen. Daraus folgt nach meinem Dafürhalten die Thatsache, daß die Seeberufsgenossenschost, soweit dies möglich ist, bestrebt ist, die Interessen der bei ihr versicherten Personen zu fördern, alfo auch in dieser Beziebung etreas tüchtiges leisten wird. Ob sich die Seebrrufsgenossenschat in der finanziellen Tragweite irrt, ist eine andere Frage, und wird demnächst zur Erörterung lommen, wenn es sich darum handelt, oh die Cinrichtung, die bier im Prinzip zugelassen ist, in di; Praxis übergeführt werden soll. Darin irrt aber Herr Moltenbuhr weiter, wenn er auf Grund der früheren Eingaben der Seeberufsgenossenschaft etwa annehmen sollte, es würde ihr eine Wittwen. Und Waisenversorgung nur für diejenigen gestanet werden, deren Ehemann als Vater noch dann, wenn sie Wütwen resp. Waisen werden, im Seemannsberuf steht. Diese Möglichkeit ist in der Kommissionsfa fung beseitigt, wo es im Abs. 6 beißt, daß den Versicherten beim Auscheiden aus der versicherungẽ⸗ yflichtigen Beschãftigung die Weiter versicherung gemäß den Be⸗ stimmungen dieses Gesetzes gestattet sein muß. Ich nehme an, daß damit gleicheitig hat gesagt worden sollen, daß auch das Verbleiben bei der Winwen⸗ und Waisenfürsorge denjenigen See⸗ leaten gestattet werden soll, welche aus der Invalidenversicherungè⸗ pflicht ausscheiden. Nun möchte ich aber noch auf eine unbestrittene Thaisache biaweisen. §z 7a sagt, die Wittwer⸗ und Waisenversiche⸗ rung der Seeleute dürfe nur eingeführt werden mit Genehmigung des Bundes taths und das Herausbleiben aus der all gemeinen territorialen Versicherungsanstalt dürfe der Seeberufsgenossenschaft nur gestatniet werden, wenn sie gleichzeitig eine Wittwen. und Waisendersicherung einführt. Also die Seeberussgenossenschaft kann diese Maßregel nicht nach Belieben treffen; sondern, wenn sie den Wunsch hat, die ihr Angehörenden aus der territorialen Versicherungsanstalt herauszu⸗ nebmen, so kann sie das nur erreichen, wenn sie gleichzeitig eine Wütwen⸗ und Waisenversicherung einführt. Der Bundesrath be⸗ stimmt, ob diese Voraus setzungen zutreffen, ob das, was diese Wittwen⸗ und Waisenversicherung bietet, ausreichend ist. Ich glaube, das sind so ausreichende Garantien, daß man kaum von Maßregeln sprechen tann, welche die Seeberufsgenoffenschaft völlig nach eigenem Belieben und Gutdünken ergreift. Hierzu aber noch die Zustimmung des Reichztags zu verlangen, das gebt meines Erachtens viel zu weit. Wollte man das, so brauchte man nur die Vorlegung
Serberusegenoñfenschaft konne daher ihre reichen Mittel zweckmäßiger. weise anderreenig verwenden. Redner empfiehlt die Annahme des
eines Gesetzes zu verlangen, wonach die Seeberufsgenossen⸗
es sich nicht um sprzielle Ausführungsmaßregeln, sondern um ein neues Gesetz, für welches wir allerdings gegenwärtig Ihnen die Grund⸗ lagen nicht würden liefern können. Und weil wir das jetzt nicht können, weil uns einstweilen eine ausreichende Grundlage feblt, um die Wittwen und Waisenpersorgung auch nur für die Seeleute zu basieren, deshalb ist es nicht annehmbar, bestimmte Rentenböhen hier einzusetzen, welche die Seeberufsgenossenschaft leisten müsse. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die von Herrn Molkenbuhr verlangten Renten werden vorgesehen werden; aber einstweilen läßt sich dar ber Be⸗ . nicht sagen. Ich bitte Sie, den Antrag Molkenbuhr ab⸗ zulehnen.
Abg. Roe sicke. Dessau (b. k. F.): Es ist in der That so, daß die See⸗ leute von der Unfallversicherung nicht den Vortheil haben, wie andere Arbeiter, daß sie an der Invaliden versicherung, an der Versicherung gegen die Folge von Berufskrankbeiten mehr Interesse haben. Auch an der Wittwen⸗ und Waisenversicherung haben sie ein erhebliches Interesse, denn die Zahl der Wittwen und Waisenrenten ist schon jetzt, wo nur bei Unfällen solche Renten gewährt werden, eine sebr grohe Ein besonderes Vertrauen ist zur Uebertcagung dieser Last an die Seeberufsgenossenschaft nicht erforderlich, denn sie wird bei ihrer Thätigkeit von den Aufsichts behörden kontroliert. Ein Nachtheil ent⸗ steht für die Seeleute nicht, denn die Bedingungen der Invaliden⸗ versicherung gelten auch für sie und sie erhalten noch die Wittwen⸗ und Waisenrenten obendrein.
Abg. Fisch beck (r, Volkep) hält es für zweckmäßig, mit der Uebertragung der Invalidenversicherung auf die Seeberussgenossen⸗ schaft zu warten, bis überhaupt die Unfallversicherung revidiert sein werde; denn es beständen gerade auf dem Gebiete der Unfallversicherung, der Berechnung des Jabresarbeits verdienstes und der Rentenberechnung manche Mißftaͤnde. Man sollte dann die Frage überhaupt für alle Berufsgenoffenschaften regeln. Jedenfalls müßte der Reichstag seine Zustimmung geben, ebe die Uebertragung der Invalidenversicherung auf die Seeber ufs genossenschaft erfolgen könne, Für den anderen An⸗ trag der Sozialdemokraten könne er aber nicht stimmen,
Abg. Stadt hagen (Sor) behauptet, die Wittwen. und Waisententen der Seebernfegenossenschast eien. viel zu niedrig bemessen, weil bei der Feftsetzung des Durchschnittsbetrages der Heuer ein Fehler gemacht worden sei. Die Durchschnittssätze der Heuer sollten von 5 zu d Jahren revidiert werden. Seit dem Jahre 1885 sei jedoch eine neue Festsetzung nicht erfolgt, nachdem 1893 und seitdem wiederum eine Erhöbung der Heuersätze stattgefunden habe. Im Jahre 1893 sei aber bekannt gemacht worden, daß eine aus reichnde Veranlassung zur Aenderung der Durchschnittssätze nicht vor⸗ liege. Wenn man nicht den 8 Ta ganz ablebnen, wolle, dann sollte man die Frage für alle Berufsgenossenschaften gleichmäßig regeln und in jedem Falle die Zustimmung des Reichstages vorschreiben.
Abg. Pr. Hahn hält dafür, daß ein Grund zum Mißtrauen gegen die Seeberufegenoffenschaft nicht vorliege. Wenn auch manches bezüglich der Festsetzung der Heuer noch zu wänschen lasse, so sei doch der Gedanke, eine Wittwen und Waisenversicherung einzuführen, nicht von der Hand zu weisen.
Abg. Mö ller⸗ Duisburg (ul) bittet, den Antrag anzunehmen. Die Seeberufsgenossenschaft bahe feit Jahren den Wunsch ausgesprochen, die Invaliden versicherung zu übernehmen. Daß manche Mißstände bei der Unfallversicherung der Seelente beständen, sei richtig. Es könne auch in dieser Beziehung eine Aenderung leicht herbeigeführt werden. Wenn dieser erste Versuch gemacht sei, werde es möglich sein, für andere Berufegenossenschaften, die mit Berufgkrankbeiten zu kämpfen bätten, z. B. die chemische Industrie, die Glaeindustrie ꝛc., ein ähnliches Verfahren einzuschlagen. 3
3 7a wird nach dem Kommissionsvorschlage unter Ab⸗ lehnung der sozialdemokratischen Anträge unverändert ange— nommen. .
Um 6 Uhr wird die weitere Berathung bis Montag 1 Uhr vertagt.
Preuß ischer Landtag.
Herrenhaus. 12. Sitzung vom 13. Mai 1899.
SHerr von Wedel erstattet den Bericht der IX. Kom⸗ mission über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Charfreitag.
Der einzige Paragraph der Vorlage lautete:
Der Eharfreitag hat für den ganzen Umfang des Staats gebiets die Geltung eines allgemeinen Feiertags.“ Die Kommission hat folgende Fassung beschlossen, die für diejenigen Landestheile, in welchen der Charfreitag nach den bestehenden Gesetzen nicht die Eigenschaft eines allgemeinen Feiertags hat, noch gelten soll:
8 1. Der Charfreitag gilt in Bezug auf die Vornahme von Amtshandlungen und Rechtsgeschäften, sowie den Lauf von Friften als bürgerlicher, allgemeiner Feiertag.
§5 2. Durch Provinzial oder Bezirks. Polijeiverordnungen können am Charfreitage, sofern es die konfessionellen Verbältnisse erheischen und es die örtlichen und gewerblichen Gewohnheiten zu⸗ lassen, Handlungen verboten werden, welche geeignet sind, die äußere Feier des Charfreitags oder den Gottesdienst oder andere kirchliche Feierlichkeiten zu stören. In Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung soll die bestehende herkömmliche Werktagsthätigkeit am Cbarfreitage nicht verboten werden; es sei denn, daß es sich um oͤffentlich bemerkbare oder geräuschvolle Arbeiten in der Nähe von dem Gottesdienst gewidmeten Gebäuden handelt.
Der Referenz faßt die Gründe, welche die Regierung jur Ein—⸗ bringung der Vorlage veranlaßt baben, nochmals jzusammen. Er erinnert daran, daß in vielen nicht rein evangelischen Gegenden vielfach, namentlich von seiten der Sozialdemokraten, Störungen der Feier dieses höchsten kirchlichen Feiertages verurfacht worden seien, denen die Regierung machtles gegenübergesftanden habe. Der Vorlage sei nan unerwartet energischer Widerstand in den katholischen Kreisen erwachsen. Der Charfreitag sei kein katbolischer Feiertag; in den Rheinlanden seien alle Fabriken an diesem Tage in Arbeit. Wenn ihnen verboten würde, an einem Tage zu arbeiten, der für sie kein Feiertag sei, würden sie dies, so führen sie aus, als einen Ge—⸗ wissensjwang empfinden. Zwischen diesen entgegenstehenden An⸗ schauungen bahe die Kommission ein Kompromiß herzustellen gesucht. und die Kommissionsanträge trügen deutlich den Stempel davon., In Bezug auf Rechts geschafte aller Art solle der Tag ganz allgemein als Feiertag gelten; in Beiug auf. die sonstige Feier solle Rücksicht auf die bisherigen örtlichen Verhältnisse, soweit angängig, genommen werden. Die Vertreter der Katholiken glaubten aber, selbst in dieser Einschränkung noch keine genügende Garantie zu baben, und diesen Be⸗ denken solle die Bestimmung über die herkömmliche Uebung der Werktagsthãtigkeit begegnen.
Kardinal Fürstbischof Kopp; Um die Arbeit der Kommission richtig zu würdigen, wird ein Räckblick auf die Geschichte dieser Ver⸗ handlungen nicht überflüssig sein. Die Berichte über Schmähungen, welchen die evangelische Charfreitagsfeier in einigen epangelischen Gegenden autgesetzt se, baben zu der Bitte geführt, dem Char freitage dagegen Schutz zu gewähren. Wenn nun die Regierung, dieser Anregung nachgebend, in ihrem Entwurf eine durchgehende Geltung der Cbarfreitagefeier vorschrieb, so hat sie sich doch wobl über die Tragweite der hervorgetretenen Wünsche getäuscht. Der Minister hat auch bereits zugegeben, daß die Absicht, der Regierung nur dahin ging, für die Charfreitags feier den gesetzlichen Anordnungen eine Basis zu geben, daß es ihr aber durchaus fernlag, zu schablonisieren, und das jede Rücksckt auf örtliche Ver haͤltnisse ge⸗ nommen werden sollte. Diefer Ertlärung des Minifters hat sich die Kommission bei ihren Arbeiten angeschlossen und deshalb die all⸗ gemeine Fassung der Regierung durch besondere konkrete Bestimmungen ersetzt. Wenn Herr von Bemberg die Kommission bat, mit gegen.
schaft die Wittwen und Waisenversicherung übernimmt; dann handelte
seitlgem Wohlwollen die Angelegenheit zu fördern, so glaube ich, in
en Kommissionsanträgen ist dieses Entgegenkommen auch latholischer⸗
. Zum Augdruck gekommen. Der Charfreitag ist nicht der hbochste. überhaupt nicht ein Festtag sondern ein Trauergedenk jag. Dieser Charakter kommt bei den Katholiken in dem Verstummen der Orgel, in der Schmucklosigkeit der Kirche und dergl. zum Aus⸗ druck; die Werktagsthätigkeit aber wird nicht ausgesetzt. Soll diese ausgeschlofsen werden, so wird für die Katholiken der Charfreitag zu einem festlichen Feiertag gemacht, und dieses widerstrebt dem latbolischen Bewußtsein. Darum werden die Katholiken mit einiger Sorge erfüllt. Sie können die Verpflichtung nicht ver⸗ fennen, die religiösen Empfindungen der katholischen Mit bürger zu schonen. Dankbar ist anzuerkennen, die Rommission in geschickter Weise der Aufgabe, beide Stand⸗ punkte zu vereinigen, nach kommen ist. Trotz dieser For⸗ nulietung. haben kie kathostschen. Kreise noch manche Bedenken, aber ich gebe von Herzen zu, daß die Formulierung der Kommissions⸗ anträge wenigstens die Rücksicht auf die Gefühle der Katholiken nicht außer Acht läßt. Ich gebe ferner zu, daß die ausführenden Organe der Staalsregierung eine gewisse Grenze für ihre Verordnungen in dem Gesctze felbst finden, und ich hoffe, daß in den Zentralinstan en für iwalge Irrthümer Remedur geschaffen wird. Des halb stimme ich dem Anfrage der Kommisston bei und bitte, ihm auch seitens des Hauses möglichst einstimmig beizutreten.
Professor D. Bevschlag: Nicht die Anregungen aus dem Ab⸗ geordnetenhause, sondern die langjährigen Wünsche, Bitten und Be⸗ schwerden der ebangelischen Synoden find es gewesen, welche die Re⸗ gierung zur Einbringung der Borlage bewogen haben. Mit Hun—⸗ derten hochverehrter Genossen habe ich stets den Standpunkt vertreten, daß der Cbarfreitag, der aller höchste evangelische Feiertag, der dem ganzen Volke besonders theuer geworden sst, auch jedem evangelischen Foristen als Feiertag dort, wo ihm solcher Schutz nicht zustand, gesetzlich geschützt werden müsse. Die Vorlage bot uns also nur etwas Selbst · verständliches. Der Entwurf rief aber, wie man geltend machte, Be⸗ unrubigung in der katholischen Bevölkerung hervor. Der Kommissions˖ bericht ergiebt nicht viel von einer gründlichen Prüfung der Gründe für diese Beunruhigung. Sie sind nur gestreift, aber nicht daraufhin unterfucht, ob sie vielleicht nichts Anderes sind als die Früchte der Thängkeit einer verhetzenden Presse, oder ob ihnen moralische Momente zu Grunde liegen. Man sagt, es solle den Katholiken ein evan—= gelischer Feiertag aufokttroviert werden. Das ist nicht der Fall. Es ird nut ie Kufrechterbaltung der äußeren Rube wie an jedem Sonntage gefordert. Wenn die Regierung das nicht dürfte, bätte sie auch keine Sonntagsgesetze geben können. Die. gebotene Sonntagsruhe am Charfreitag kann ja allerdings die Gefüble der Katholiken tangieren; aber darf eine solche passive Mitfeier nicht verlangt werden? Giebi es eine lirchliche Konfession, die sich nicht beugte vor der Todesfeier Christs. Der Charfreitas, sei kein katkolischer Festtag, köre ich. Die Charfreitagsfeier ist meines Wiffens im Zusammenhang mit Ostern die alteste Festverork nung der kathölischen Kirche, schon eit dem zweiten Jahrhundert. Die Feier eines folchen heiligen Tages umschließt doch beides, die heilige Freude und den heiligen Ernst. Alle Meinungsverschiedenheiten ũber die Frage würden zerrinnen, wenn es den Herren Bischöfen gefiele, ein Wort in dieser Richtung zu den Katholiken zu sprechen. In ssieben Achteln der Monarchie besteht doch das Gesetz. Rein Katholik hat dort Klagen darüber geführt. Und jetzt soll in diesem letzten Achtel der ö solche Erregung hervorrufen? Die kathölische Kirche hat doch sonst nicht so energisch die Werktags thätigkeit betont. Die Regierung aber hat leider einen Rückzug an⸗ getreten, der innerhalb der Kommission noch weiter fortgesetzt wurde, sodaß nichts mehr übrig geblieben ist. Wir wollten vom Cbarfreitag fort haben die Wochenmärkte, die Lustbarkeiten, sompte gewisse Unsitten, Unarten, die sich im katholischen Volke ausgebildet haben, den Evangelischen ibren Charfreitag zu beschimpfen und zu verleiden. Es ist ein offenes Geheimnis, daß in katholischen Ge⸗ genden alles aufgeboten wird, um den Gyangelischen ihren Feiertag zu verunglimpfen. (Freiherr von Solemacher⸗Antweiler: Ab⸗ folut unrichtig) Ich spreche aus Erfahrung. Gerade die lärmendsten Beschäftigungen werden dort am Charfreita ge vorgenommen; ich be⸗ rufe mich auch auf den Bericht eines Landraths, der auf die gerade am Charfreitage vorgenommenen Dung und Kloakefuhren binweist, welche den schlimmsten Anstoß hervorgerufen haben. Diese geflissent⸗ liche Herabwürdigung des Charfreitags bat sich in vielen katholischen Gegenden eingenistet; sie muß gesetzliche Remedur erfahren. Es foll' aber kein gesetzlicher Schutz für uns gegeben werden, sondern wir kerden? auf kas* Gutdünken der Behörden verwiesen, die sich bie Sache Überlegen können. Wenn gesagt wird: „seweit es die gewerblichen Gewohnheiten zulassen“, so ist die gute Absicht des Ent— wurfs direit in ibr Gegentheil verkehrt. Der letzte Absatz des 82 bebt schließlich alles, was vorher noch etwa konzediert war, gãnzl ich auf. Ber' Schutz für die Cwangelischen kann,. gewährt werden, der Schutz für den Unfug in Gemeinden mit übeiwiegend katholischer Bevölkerung soll gewährt werden. Daß man mit den Dung⸗ fuhren ung vor die Kirche fährt, das thut man denn auch schon bel der bieberigen Rechtslage nicht. Die bestehende herkömm⸗ liche Werktagsthätigkeit wird hier unverbietbar in Schutz ge—⸗ nommen. Tamit wird dem Gesetze auch der letzte Rest von Boden geraubt. Wenn sie es so machen wollen, dann sagen Sie doch lieber offen? nein! Nur mit 4uferster Dialektik wird man aus ihm einen Schutz für das evangelische Gefühl herguslesen können. Der Tag, an dem das Größte zwischen Himmel und Erde ge⸗ schehen ift, 6 ein Tag der Einkehr sein, den gehässig zu stören nicht erlaubt fein darf. Ich glaube nicht, daß meine Vorst lungen Sie in Ihrer vorgefaßten Meinung umstimmen werden; ich würde mich aber als evangelischer Cbrist vor mir selbst geschämt haben, . ich diese nichtssagenden Anträge nicht aufs ãußerste bekãmpft
ãtte.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:
Meine Herren! Wenn Herr Dr. Beyschlag, wie ich dringend ge⸗ wänscht hätte, in der Kommission gewesen wäre, so würde er zu dieser Ablehnung der Vorschläge der Kommission, wie wir sie eben gebört haben, nicht gekommen sein. Die Vorschläge der Kommission bieten doch etwas mehr, als was Herr Dr. Beyschlag angenommen hat. Ich für meine Person stehe auch auf dem Standpunkt, daß mir die liebste Fafsung die der Regierungsvorlage, die ich selbst gemacht habe, gewesen sein würde. Wenn man aber die Sache bei Licht be sieht und sich das Zustandekommen der Kommissionsvorschläge klar macht, so wird sich ergeben, daß die ursprüngliche Regierungs vorlage rechtlich und thatsächlich im wesenilichen gar nichts Anderes gewollt hat, aber auch gar nichts Anderes erreicht haben würde als das, was jetzt die Kom⸗ mission formuliert hat.
Meine Herren, die Fassuna:
„der Charfreitag hat für den ganzen Umfang des Staats gebietes die Geltung eines allgemeinen Felertages“
bätte zwei rechtliche Folgen gehabt: einmal die absolute Sicherung des Tages in Bezug auf Fristen und Rechtsgeschäste — das ist die unmittelbare Folge, die Zwangsfolge — und sodann zweitens hãtte auch diese Fafsung gar keine andere Bedeutung gehabt, als daß sie uns die Ermächtigung für polijeiliche Verordnungen gegeben hätte. Nun mußten wir, als wir in die Kommission traten und als inzwischen von katholischer Seite und zwar von der autoritativsten Stelle, von den Bischöfen diese erheblichen Gewissensbeunruhigungen geltend gemacht wurden, selbstverständlich in der Kommission darlegen, welche recht⸗ lichen und thatsächlichen Wirkungen die Annahme des Gesetzes haben würde, und da die Kommission nur von einem Geiste beherrscht wurde, nämlich dem des Friedens: wir müssen unter allen Umständen
bei dieser Gelegenbeit jeden Gewissenszwang vermeiden, so hat sich
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daraus diese Formulierung ergeben. Man hat die unmittelbaren Folgen, die Wirkang auf Friften und Rechtegeschäfte in den 5 1 hineingeschrieben und die Ermächtigung für Polizeiverordnungen in den § 2. Nun kann ich versichern und nachweisen, daß in dem Votum, mit dem ich den ersten Entwurf im Jahre 1897 an das Königliche Staats. Ministerium gebracht habe, ich schon dieselben Gedanken aus gesprochen habe, die ich hier eben zur Geltung gebracht habe. Schon damals habe ich gesagt, es bestehe nicht die Absicht, nun für alle Gemeinden unterschiedslos alles zu verbieten, namentlich die Arbeiten zu verbieten; das würde ja in einer ausschließlich katholischen Gemeinde garnicht einmal möglich sein, auch keinen Sinn haben, son⸗ dern es bestehe die Absicht, daß, wenn wir die Ermächtigung zum Erlaß einer Polijeiverordnung bekommen, wir dann unter Berück⸗ sichtigung der örtlichen und konfessionellen Verhältnisse in verständiger Weise die Sache regeln, um überall Frieden zu halten und denjenigen Schutz berbelzuführen, der nöthig wäre, um den Anstoß zu beseitigen. So lag es bereits 1897. In dieser Beziehung hat sich nichts ver⸗ andert. ꝰ Nun ist allerdings eine Einschränkung in dem Schlußabsatz des §z 2 hinjugekommen, nämlich die, daß in überwiegend katholischen Ge⸗ meinden die die äußere Ruhe des Charfreitags störenden Handlungen nur in gewissen Schranken verboten werden sollen. Was das Verbot des ersten Absatzes anlangt, so gewährt das alles, was Herr Dr. Bey⸗ schlag verlangt. Wochenmärkte können selbstverstãndlich verboten werden. Es können die äußerlich bemerkbaren, also auch die schmutzigen uud geräuschvollen Arbeiten verboten werden, kurz, es kann die volle Rube des Charfreitags, wie sie Herr Dr. Beyschlag als wünschent⸗ werth hingestellt hat, von diesem Standpunkt aus vollkommen erreicht werden. Nur in überwiegend katholischen Gemeinden soll auf die katho⸗ lische Bevölkerung die Rücksicht genommen werden, daß hier äußerlich bemerkbare oder geräuschvolle Arbeiten nur in der Nähe der Gotteshãuser perboten werden dürfen. Nun, meine Herren, auch das läßt der Polizeibehörde noch immer ein ziemlich weites Maß von Ermessen, und wenn ich durch diese Konzession erreiche, daß sowobl die katho⸗ lische Bevölkerung als die evangelische im wesentlichen befriedigt und das Bedürfniß gedeckt wird, dann, muß ich sagen, ist das ein so großer Gewinn, daß wir dafür auch diese Einschränkung mit in den Kauf nehmen können. Das ist die Stellung, die ich persönlich im wesent⸗ lichen auch in der Kommission dafür eingenommen habe. Meine Herren, was wir vermeiden mußten, war das, daß man den Charfreitag gerade zum Ausgangspunkt für die Erregung eines großen Kampfes zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche machte. Das wäre schon an sich etwas jedem frommen und edlen Gefühle Widerstrebendes und Widersprechendes gewesen. Wir haben pon Anfang an nie daran gedacht, irgendwie in die Gewissen unserer katholischen Mit bürger einzugreifen. Ueberbaupt hat die kirchliche Seite der Sache uns ganz ferngelegen. Wir haben uns lediglich auf die bürgerliche und staatliche Seite beschränkt. Wenn ich also das Wesentliche, was ich erreichen wollte, durch diese Fassung der Kom⸗ mission erreiche und dadurch die katholischen Gewissen beruhige und damit vermeide, daß ein Gewissenszwang geübt oder doch empfunden wird, dann kann ich, glaube ich, auch diese Einschränkung zugeben, selbst dann zugeben, wean ich nicht überzeugt bin, daß alle die Folge⸗ rungen, die von katholischer Seite aus dem allgemeinen Verbote ge⸗ zogen werden, logisch vertreten werden können. Das sind die Empfin⸗ dungen, von denen ich ausgegangen bin, und darin ist die ganze Kom⸗ mission einig gewesen. Ich würde es tief beklagen, wenn jetzt in letzter Stunde die ganze Sache daran scheitern sollte, daß wir diese verhältnißmäßig sehr geringfügige Einschränkung der Kommission nicht annehmen wollten. Ich bitte um Annahme der Kommissions⸗ antrãge.
Freiberr von Dürgnt de San sgas hebt hervor, daß in seiner 2 (Schlesien) auch von der katholischen Bevölkerung der Char⸗ reitag mitgefeiert wird, und spricht die Hoffnung aus, daß die katho⸗ lischen Oberen diesen Zustand nicht alterieren lassen werden, wozu sie auf Grund des Schlußsatzes des 8 2 vielleicht berechtigt wären.
Ministerial⸗Direkkor D. Schwartz k opff legt im einzelnen dar, welche Fortschritte gegen den bestehenden Zustand für die Cvangelischen und die Katbolischen durch die Vorlage erreicht würden.
Dber . Bürgermesster Struckmann ⸗ Hildesheim: Die Landeg⸗ gesetzgebung kann die gesetzlichen Fristen nicht anders bestimmen als bas Vürgerliche Gesetzbuch. Ist der Charfreitag, wie er durch die Kommissionsbeschlüßse hingestellt wird, ein allgemeiner Feiertag im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs? Isft er es nicht, dann wäre der ganze § 1 hinfällig. In Hannover ist der Eharfreitag nach meiner Meinung auch kein allgemeiner Feiertag. Das Gesetz würde also auf die Provinz Anwendung finden;
zie soll es mit den jetzt dort geltenden Bestimmungen gehalten werden,
welche theilweise über die Vorschriften des Entwurfs hinausgehen? Treten sie. außer Kraft oder nicht? Treten sie nicht ohne weiteres außer Kraft, fo muß das im Gesetz auch ausgedruckt werden. Nach dem Schlußsatz des 52 würde es endlich auch nicht möglich sein, in den überwiegend katholsschen Bezirken den Protestanten die Gewerbs thätigkeit zu verbieten. Sollte das wirklich beabsichtigt sein?
Ministerial. Direktor B. Schwartzkopff: Die Vorschrift in § 1 macht den Charfreitag ju einem allgemeinen Feiertag im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die ijweite Frage ist für Hannover nicht einkeitlich zu beantworten. In dem überwiegenden Theile gist der Charfreitag schon als gesetzlicher Feiertag. Die im übrigen gel. tenden Vorschriften werden durch das Gesetz nicht berührt. Damit erledigt sich auch die dritte Frage. —
Graf von Pfeil ⸗Hausdorf beantragt, im Schlußsatz des 8s? die Worte: in der Nähe von dem Gottesdienst gewidmeten Gebäuden zu streichen. .
Kardinal-Fürstbischof Kopp: Ich bin in großer Versuchung, dem Professor Beyschlag zu erwidern, aber ich will keinen Kulturkampf treiben, und so verzichte ich auf das Wort im Interesse des Friedens.
Freiherr von Manteuffel; Die Angriffe des Professors
Beyschlag treffen auch die epangelischen Mitglieder der Kommission. Diese bestand aus 6 Katholiken und 2 Evangelischen. Ich bin auch ein gläubiger evangelischer Christ und pflanze die Fahne des evangelischen Christenthums auf, aber wir sebnen nicht Zu⸗ stände zurück, welche in unserem Vaterlande wieder auftreten müffen, wenn seinen Anregungen Folge gegeben wird. In den Verhandlungen ist sein Standpunkt bisber von keiner Seite Dertreten worden. Wir wollten ein Werk zu stande bringen, welches den konfesstonellen Frieden nicht stört. Es ist das leidige Schicksal alles parlamentarischen Wesens, daß man ohne Kompromiß nicht weiter kommt. Deshalb haben wir Opfer bringen müssen. Aber wat gefchaffen ist, ist besser als der gegenwärtige Zustand. Die Störungen durch kirchen feindliche Elemente, insbesondere durch Sozial⸗ demokraten, follen und werden beseitigt werden; auch den geflissent⸗ lichen Störungen durch gewisse Katholiken wird durch die Kommissions⸗ fassung entgegengetreten werden können. ; ; Herr von Bemb erg Flamersbeim: Mein evangelisches Herz ist durch die m n be bd h uff nicht befriedigt, aber ich nehme das Erreichbare. Ein schroffes Auftreten im Hause würde wieder gan unleidliche Zustände über unser Vaterland heraufbeschwören.
Damit schließt die Generaldiskussion.
; 86 erklärt
ber ⸗ Burgermeister Bender ⸗ Breslau, daß durch die Fassung der KFommission nach seiner Meinung keineswegs dem Charfreitag der Charakter eines allgemeinen Feiertags in Ansehung der Fristen u. s. w. beigelegt wird; das Reichsgericht werde unzweifelhaft das Haus mit mik diefer Auffassung im Stiche lassen.
seine vorhergegangenen Erklärungen bezogen hat, wird § 1 angenommen. . Zu 8 2 begründet ; Graf von Pfeil⸗Haus dorf seinen oben mitgetheilten Antrag. Die Vorlage sei dadurch hervorgerufen, daß die Evangelischen sich darch die geräuschvolle Werktagstbätigkeit am Charfreitage schwer beläsftigt fäblten. Was die Kommission jetzt biete, sei in der That nicht die Abwehr dieser Belästigung; darin müsse er dem Professor Beyschlag Recht geben. Dieser habe freilich nicht unterschieden zwischen gutzläublgen frommen Katholiken und solchen, die das nicht sind; 53 e,. e 3 . Rur gegen die letztere ategorie richte auch sein Antrag. . Profeffor Dr. Loersch. Bonn bekämpft den Antraz, Am Rbein finde die Fabrikarbelt in den industriell so hoch entwickelten Gebieten am Charfreitag seit hundert Jahren statt. Die Fabrikarbeiter und die Mehrzahl der Besitzer seien katbolisch. Die Verhãͤltnisse hãtten fich, anfchließend an das französische Recht und das französische Kon= kordat, dort fo herausgebildet. Das Wort geräuschvoll! würde alle diese Betriebe treffen. ᷣ Sber. Bůürgermeister Struckmann: Wir haben doch wohl gerade bei dieser Vorlage Ursache, unser evangelisches Empfinden zu betonen. Der Schlußsatz des 5 2 bedeutet einen Räckschritt gegen den heutigen Zustand, indem den Protestanten in überwiegend katho⸗ lischen Gegenden jetzt nicht mehr die Werktagsarbeit soll verboten werden können. Ich beantrage, diese Möglichkeit durch einen be⸗ sonderen Zusatz auszuschließen. — WMindterial, Ditektor B. Schwarkopff bemerkt, daß Lie be= stehenden Vorschriften so lange in Kraft bleiben, bis sie durch neue Polizeiverordnungen ersetzt werden. Die hannoversche Sabbathordnung sleibe formell also auch bestehen, wenn auch ihre Durchführbarkeit, insofern sie in gemischten Gegenden dem einen Theil zu arbeiten 1 anderen gestattete, längst nicht mehr zu erlangen ge— wesen sei. Kardinal ⸗‚Fürstbischof Kopp: Die Beunruhigung ist gerade in den Gebieten, ven welchen 5 2 im Schlußsatz spricht, eine ganz be⸗ deutende und wärde sich durch die Annahme des Antrags des Grafen Pfeil noch steigern. Gegen den Antrag Struckmann habe ich nichts; z könnte aber auch noch der Eingang des Schlußsatzes, um feinen Bedenken entgegenzukommen, dahin geändert werden, daß es heißt: in Femeinden mit' überwiegend katholischer Bevölkerung soll der letzteren die bestehende herkömmliche Werktagethätigkeit nicht verboten werden u. s. w. J . Minifterial, Direktor D. Schwartz kopff erklärt sich gegen die letztere Anregung, das Gesetz solle fär Alle gelten. In dubio sei ihm der Antrag Struckmann, wonach die bestehenden Bestimmungen unbe⸗ rührt bleiben, lieber. ; ö Kardinal-Fürstbischof Kopp zieht mit Rücksicht auf die Er— klärung des Regierungékommifsars seinen Antrag zurück. ; Ber Antrag des Grafen von Pfeil-Hausdorf wird mit 39 gegen 36 Stimmen angenommen und mit dieser Aenderung s 2 im Ganzen. . Der Antrag Struckmann, einen 83 des Inhalts anzu⸗ fügen, daß die bestehenden weitergehenden Bestimmungen un⸗ berührt bleiben, wird abgelehnt. Ueberschrift und Einleitung gelangen nach der Kommissionsfassung zur Annahme, alsdann auch die Vorlage im Ganzen. . . .
Es folgt der Bericht der Matrikelkommission über die im Personalbestande des Hauses erfolgten Veränderungen. Die Fommission hat über die Frage berathen, ob Fürst Blücher von Wahlstatt, der die preußische Staatsangehörigkeit nicht mehr besitzt, noch befugt sei, das erbliche Recht auf Sitz und Silmme im Hause auszuüben. Sie stellt dem Hause anheim, zu beschließen, daß er dazu aus dem angegebenen Grunde nicht mehr befugt ist. .
Von Freiherrn von Solemacher⸗-A Antweiler liegt der Antrag vor, zu beschließen, daß der Fürst aus diesem Grunde die Eigenschaft als Milglied des Herrenhauses verloren hat und in der Matrikel zu löschen ist. . .
Der Bericht wird mit diesem Antrage an die Kommission zurũckverwiesen.
In einmaliger Schlußberathung wird der 50. Bericht der Staalsschul denkommission erledigt; das Haus ertheilt der k. der Staatsschulden für 1. April 1897/98
echarge.
Die Nachweisungen der bis zum Schluß des Jahres 1898 bewilligten oder in Aussicht gestellten Staatsbeihilfen aus den
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zsörderung des Baues von Kleinbahnen bereitgestellten
zur J Fonds, sowie die Nachweisung der zur Errichtung von land⸗ wirthschaftlichen Getreidelagerhäusern bis ebendahin bewilligten Beträge werden durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Ueber die Petition des Magistrats zu Schönsee um Er⸗ richtung eines Amtsgerichts daselbst geht das Haus zur Tages⸗ ordnung über. .
Die Petition des Mühlenbesitzers Georg Münder in Hann⸗Münden, enthaltend Beschwerden über Maßnahmen der Wasserbaubehorden gegen ihn, wird auf Antrag der Petitions⸗ kommission der Regierung „zur Berücksichtigung und Einleitung des Entschädigungsverfahrens von Amtswegen unter thun⸗ lichster Vermeidung weiterer polizeilicher Maßnahmen“ über⸗ wiesen.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. 3 Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt, nicht vor uni.
Handel und Gewerbe.
Konkurse im Auslande.
Galizien.
Konkurserõff nung über das Vermögen des Gutsbesitzers Grafen Kasimir Rostworowski in Hrchorsw mittels Bescheides des RK. K. Kreisgerichts, Abtheilung LTV, in Briesand vom 8. Mai 1899 — Nr. cz. S8. J/95. Provisorischer Konkursmasseverwalter. Adpolat Dr. Mankoweki in Robatyn. Wahbltagfahrt (Termin zur Wahl des definitiven Konkursmasseverwalters] 25. Mai 1889, Vormittags 16 Uhr. Die Forderungen sind bis zum 23. Juni 1899 bei dem K. K. Rreisgericht in Przegany oder bei dem K. K. Bezirksgericht in Rohatyn anzumelden. Liquidierungstagfahrt (Termin zur Feststellung der An- sprüche) 7. August 1899, Vormittags 10 Uhr.
! Rumänien. Pineu Faingold in Socea ⸗Cindesti, Bentk Neamtz.
Tägliche Wagengestellung für Keblen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 13. d. M. gestellt 15 001, nicht recht- zeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 12. d. M. gestellt 5270, nicht recht= zeitig gestellt keine Wagen; am 13. d. M. sind geftellt bo2s8, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
Nachdem Min!sterial⸗ Direktor PD. Schwartzk opff sich auf
Wa e dee, e ee, e nnn.
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