Preusßzischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
76. Sitzung vom 16. Juni 1899.
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Verlesung der Interpellation der Abgg. Roe ren und Dr. Hitze:
Aus welchen Gründen bat die Königliche Staatsregierung den in der Thronrede am 18. Januar d. J angekündigten Gesetzenfwurf, betreffend die Besteuerung der Waarenbäuser, dem Land⸗ tage noch nicht vorgelegt, und für wann ist die Vorlegung ju erwarten?
Der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz Minister Dr. von Miau el erklärt sich bereit, die Interpella⸗ tion sogleich zu beantworten.
Zur Begründung der Interpellation erhält das Wort
Abg. Roeren (Zentr); Ich will bei der Geschäfis lage des Hauses die ganze Frage nicht aufrollen. Die Interpellanten beabsichtigen nur, Klarheit darüber zu schaffen, weshalb dieser Entwurf trotz der außer⸗ gewöhnlichen Aufdehnung der Session noch immer nicht vorgelegt sst. Bei Beginn der Session war bereits ein Entwurf ausgearbeitet, der sich an die unwirksame französische Steuer anschloß. Die Handel⸗ und Gewerbetreibenden des Mittelstandes versprechen sich nur von der Einführung einer Umsatzsteuer etwas Ersprießliches, wie sie auch in dem baverischen Gesetz vorgesehen ist. Die Riesengeschäfte und Bazare haben in den letzten Jahren einen immer größeren Umfang angenommen, sie umspannen das ganze Land mit einem Netz von Filialen und verkaufen jetzt schon Kolonialwaagren, Romane, Semmel u. f. w. Sie errichten Restaurants mit regelmäßigen Kon⸗ zerten. Bei dem riesigen Umsatz dieser Geschäfte werden Tausende von kaufmännischen, soliden und altrenommierten Geschäften ruiniert. Diese Geschäftskreife sind in einer sehr gedrückten Stimmung, und sie befürchten, daß die Vorlage auf die lange Bank geschoben werden kann. Will die Staatsregierung diese Kreise berubigen, so mag sie eine beffimmte Erklärung abgeben, daß die Sache hei ihr, wie ich überzeugt bin, nicht ruht, sondern daß sie den Gesttzentwurf in der nächsten Session vorlegen wird.
Vize⸗Präsident des Staais⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Der Herr Interpellant will wissen, wie es mit der beabsichtigten Gesetzgebung auf dem fraglichen Gebiet augenblicklich steht. Er sagt es wäre in der Thronrede versprochen, den Gesetz⸗ entwurf über die Besteuerung der Waarenhäuser noch in dieser Session vorzulegen. So bestimmt drückt die Thronrede sich aber nicht aus, sondern sie sagt, es werde hoffentlich gelingen, noch in dieser Session einen Gesetzentwurf, betreffend die Besteuerung der Waarenhãäuser, dem hohen Hause vorzulegen. (Sehr richtig! rechts) Meine Herren, diese Hoffnung ist leider, wie ich wohl sagen kann, auch für die Zukunft die ser Session nicht erfüllbar gewesen, und diese Thatsache beruht lediglich auf der außerordentliche Schwierigkeit dieser Gesetzgebung. Wir haben im Finanz ⸗Ministerium, schon ehe das hobe Haus durch den auf Grund des Antrags — von Brockhausen, glaube ich — gefaßten Be⸗ schlusses und der verschiedenen Anschauungen, die bier im Parlamente hervortraten, vor allem aber auf Grund unserer eigenen NUeberjeugung, daß die bestehende Gewerbeordnung auf diese neue Entwickelung im Kaufmannkstande nicht vollständig genügend zugeschnitten sei, einen Entwurf ausgearbeitet, welcher aber dieses Stück der Gewerbesteuer nicht verstaatlichen sollte, sondern eventuell in denjenigen Gemeinden, welche — wozu die Gemeinden vollkommen befugt sind — nach dem Kommunalabgabengesetz in einer bestimmten Zeit nicht eine nach ihren besonderen Verhältnissen zugeschnittene Besteuerung der Waarenhãuser mit dem Zweck, den die Regierungevorlage verfolgte, eingefũhrt haben würden, in Kraft treten sollte.
Meine Herren, das hohe Haus erinnert sich ja, aus welchen Gründen bei der Steuerreform die staatliche Gewerbesteuer gänzlich aufgegeben und den Gemeinden überlassen wurde; das hobe Haus erinnert sich auch, daß nach dem Kommunalabgabengesetz die Gemeinden nicht bloß die Freibeit baben, die staatliche Gewerbesteuer zu einer wirk⸗ lichen Kommunalsteuer umzugestalten, was sie gegenwärtig nach unserer Meinung, wie ich das bier oft ausgesprochen habe, nicht ist, sondern daß auch die natürliche Aufgabe der Kommunalbesteuerung und der Bildung der Formen dafür den Gemeinden nach dem Gesetz geradem obliegt. Das hohe Haus weiß aber, daß von diesen Befugnissen und kommunalen Aufgaben in den Gemeinden Preußens wenigstens nur ein sehr geringer Gebrauch gemacht ist und in den großen Städten auf dem Gebiete des Kauf⸗ mannswesens überbaupt nicht. Auch alle Versuche der Staats⸗ regierung, durch Aufstellung von Musterbesteuerungen die Ge⸗ meinden anzuregen, auf diesem Gewbiete legislatorisch thätig zu sein, baben sehr wenig gefruchtet. Es sind nur ein paar Gemeinden, namentlich eine in Oberschlesien, die in dieser Benehung, selbstverftändlich mit Genebmigung des Staats ⸗Minifteriums, vor⸗ gegangen ift. Daraus haben wir allerdings mit dem hohen Hause, weniastens im Finanz ⸗Ministerium, die Ueberzeugung schöpfen mässen, daß auf diesem Wege nicht weiter zu kommen sein würde, daß es eines staatlichen Einschreitens bedürfe. Aber mit Rücficht auf die kommunale Natur der Gewerbesteuer und die eigenartigen Verhältnisse in den einzelnen Kommunen wollten wir doch durch eine Staatssteuer nicht mechanisch egalisieren, sondern den Ge⸗ meinden, namentlich den Städten noch die Zeit lassen, innerhalb einer bestimmten Frist ibrerseits sich den Bestimmungen des Staats- gesetzes zu entzieben, wenn sie selbst annähernd auf kommunalem Gebiet ibren besonderen Verhältnissen entsprechend das Erforderliche leisten. =
Meine Herren, diese Steuer beruhte allerdings nicht auf dem Prinzip, das, wie der Hert Vorredner eben ausgefübrt hat, in Bavern persucht ist: auf dem Prinzix der Umsatzsteuer. Meine Herren, der Herr Vorredner ist der Meinung, daß wirksam nur durch die Ein⸗ fübrung einer Umsatzsteuer gebolfen werden könnte. Wir baben aber auch aus den Kreisen des Kleingewerbes die dringendsten Bitten erkalten, mit einer Umsatzsteuer nicht vorzugehen, weil sie auch dem Kleingewerbe in vielen Benehungen höchst gefährlich sei. (Sehr richtig! Hört, bört ) Aber, meine Herren, gan; abgesehen daren — denn die Ansichten laufen derartig auf diesem Gebiete auseinander, daß man auf solche einzelne Meinungtäußerung über⸗ baurt nicht viel geben kann — ist die Einführung einer Umsatz steuer kei uns viel schwieriger als in Bayern. Das ganze bayrische Stenersystem, namentlich die Gewerbe⸗ fteuer ist eine grundsätzlich verschiedene von der jetzigen preußischen Gexwerbesteuer, und ich glaube nicht, wenn ich Ihnen einen Gesetz entwurf vorlegte, genau wie der bayerische Gesetzentwurf, wo es beißt: Mit einer Umsatzsteuer sind ju belegen Betriebe von auÿßergewõhnlich großem Umfange, und solche, die eine ungewöhnliche Art des Ge-
schãftsbetriebes baben — daß dieses bohe Haus dem preußischen Minister eine solche unbeschriebene Latitude und diskretionãre Gewalt in die Hand geben würde. Aber, melne Herren, wenn es geschähe, welche Kriterien hätte das Ober · Verwaltungegericht, die Streitfragen zu entscheiden, die sich daraus entwickeln wärden? In Bayern ent scheidet meines Wissens der Minister, aber bei uns würde das Ober⸗ Verwaltungegericht entscheiden. Meine Herren, der ungewöhnliche Umfang ist für jede Gemeinde, richtig behandelt, eigentlich ver⸗ schieden. (Sehr wahrt) Was in Berlin ein gewöhnlicher Umfang des Geschäftebetriebes ist, ist es entfernt noch nicht in Liegnitz. Wie würde da wohl ein Gericht die Frage entscheiden können, ob ein der Steuer unterworfenes Geschãft überhaupt vorliege, geschweige denn, mit welcher Steuer es zu belegen ist? Also dieses baverische Vorgehen will ich nicht kritisteren, aber es hat sich in der Praxis noch nicht bewährt, vorläufig steht es noch auf dem Papier — die Einstimmigkeit des Landtages wurde wabhrscheinlich auch dadurch bedingt, daß hiervon das Zustandekommen der ganzen bayerischen Steuerreform abhing.
Meine Herren, diese Umsatzsteuer ist an und für sich — man kann den Ausdruck wohl gebrauchen — eine etwas rohe Steuerform, es giebt sehr viele Geschäfte, die mit vollem Recht, ohne daß man sie irgend als unsolide und verwerfliche Geschäfte behandeln kann, es vorziehen, einen großen Umsatz mit geringem Verdienst im einzelnen zu haben als einen kleinen Umsatz mit hohen Preisen für das Einzelne. Das ist durchaus nicht immer tadelnewerth, kommt auch durchaus nicht allein vor auf dem Gebiet der als unsolide bezeichneten großen Ramschbazare oder wie die Bezeichnungen sonst lauten.
So haben wir den Versuch gemacht, denselben Zweck auf andere Weise zu erreichen, indem wir uns klar machten: worin liegen die großen Vortheile dieser Verwendung des Großkapitals auf dem Gebiet des Kleinhandels? — sie liegen nach unserer Ueberzeugung u. a. in der Höhe des Lokalpreiset. Der große Bazar, der bis in den vierten Stock hineingeht, wird, wenn man die Kosten seines Lokals ver⸗ gleicht mit der Summe der Ausgaben derjenigen kleinen Geschäfte, welche an der Straße theure Läden mietben müssen, ganz kolossale Vortheile haben.
Aehnlich liegt es aber mit der Verschiedenheit der Branchen. Gerade die Ausdehnung des Großgeschäfts auf alle möglichen Arten von Waaren, alle möglichen Arten von Waarenbranchen macht sehr viele Mißbräuche möglich, die ich hier nicht näher zu schildern brauche.
Endlich, meine Herren, kommt die Zahl der Personen in Betracht, die als abhängige Diener an die Stelle selbständiger Geschäfte treten. Das ist auch in Beziehung auf die Besteuerung, wenn das Eingeben einer Summe selbständiger kleiner Geschäfte infolge der Unmöglichkeit der Konkurrenz mit den großen Bazaren eintritt, von sehr erheblicher Bedeutung für die kommunale Besteuerung und für die Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb.
An diese Merkmale hat unser Entwurf vorzugsweise an⸗ geknüpft, er ist aber allerdings recht ungünstig beurtheilt worden. Wir laben eine Reihe Sachverständiger gehört: sie waren nur theilweise einverstanden! Der Herr Handels- Minister hat entsprechend dem Handelekammergesetz die Handelskam-⸗ mern gehört. Der Herr Vorredner hat schon ziemlich richtig dar⸗ gelegt, wie diese Handelskammern sich geäußert haben: nur ein mäßiger Theil hat allerdings die Berechtigung des Staates und der Kommunen anerkannt, eine besondere Besteuerung der großen Waaren⸗ bäuser eintreten zu lassen — sie baben dann theilweise eine Umsatz⸗ steuer gefordert, theilweise sich allerding auf den Boden des Entwurfs gestellt. Der bei weitem überwiegende Theil der Handelskammern hat jede besondere Besteuerung auf diesem Gebiet verworfen, welche Stellungnahme nach Maßgabe der Anschauungen der Handelekam mern auch nicht allu sehr zu verwundern war. (Oho! links; sehr richtig! rechts) Anderntheils haben die kleinen Gewerbe⸗ betriebe im großen Ganzen sich auch nicht befriedigt durch den Ent⸗ wurf erklärt, sie baben meistens die Umsatzsteuer gefordert, und auf diesem Boden stehen sie auch wobl noch beute.
Diese Stellungnahme der Nächstinteressierten zum Entwurf hat denjenigen Anschauungen Boden gegeben, welche nunmehr sagen: der Entwurf bat keinen Theil für sich; er wird von allen Seiten ver worfen, und infolge dessen ift es wobl das Klügste, man steht von dieser Besteuerung überhaupt ab. In Frankreich hat sich obendrein gezeigt, daß sie unwirksam ist. In Deutschland ist noch keinerlei Er⸗ fahrung gemacht, daß sie wirksam wäre. Bedenken in der technischen Ausführung sind in großem Maße vorhanden; die einen verweisen sogar auf die Reichsbefteuerung, indem sie ausführen, die Besteuerung in einem einzelnen Staate würde nicht viel helfen, sogar für den be⸗ treffenden Staat gefäbrlich sein, indem diese Geschäfte sich dann in solchen Bundes staaten niederließen, wo eine Besteuerung nicht existierte. Mit einem Worte: die Schwierigkeit der Ausführung der ganzen Sache sei immer größer geworden.
Diese Schwierigkeiten, die allerdings, wie man unbedingt an⸗ erkennen muß, in der Sache selbst liegen, führen nun auch innerhalb der Regierung zu Meinungeverschiedenheiten und zu einer Neigung, wie ich garnicht bestreiten will, entweder andere Wege zu suchen, oder ganz von der Sache abiugehen. (Bravo! links. Heiterkeit.)
Aber so liegt die Sache im Staats. Ministerium doch nicht. Das Staats⸗Ministerium bleibt bei der Anschauung, daß an und für sich ein Gebot der ausgleichenden Gerechtigkeit in dieser Besteuerung liegt, und daß eine besondere Heranziebung in stärkerem Maße, wie das die allgemeine, staatliche Gewerbesteuer zuläßt, dieser großen Betriebe ein treten zu lassen sei.
Was mich versönlich betrifft, so sage ich allen diesen Meinungk⸗ verschiedenbeiten gegenüber: man sell doch einmal die Sache ver⸗ suchen. Viele sind der Meinung, daß eine Umsatzsteuer erft recht ein Drängen, eine nech stärkete Ausdehnung des Umsatzes in diesen groß⸗ kapitalistischen Betrieben herbeiführen würde, um dadurch die Steuer auf den einzelnen Umsatz za erleichtern. Ich bedauere im Interesse der kleinen Kaufleute, waz sie heute zum theil auch einsehen, daß sie den ausgearbeiteten Entwurf so scharf kritisieren. Sie hätten das größte Interesse gehabt, einen Gesetzentwurf überhaupt mal in dieses Haus eingebracht zu sehen; dann konnten die Meinungen sich klaren, Tann hatte das Haus die Möglichkeit, bestimmte Stellung jur Sache ju nehmen; das wäre nach meiner Meinung volitisch klüger ge⸗ wesen. Wie gesagt, fallen gelassen ist die Sache keineswegs. Die Staatsregierung wird die Erörterungen und Verhandlungen, um zu einem gedeiblichen Resultat zu kommen, fortführen, und dann wird schließlich ja auf diesem Gebiet die durchaus natürliche Meinungsverschiedenheit
auf die
unter den einzelnen Ressorts im Staats. Ministerium zur Erledigung kommen. Daß das in der gegenwärtigen Session nicht mehr möglich ist, werden die Herren mir zugeben; das Haus ist ja doch noch so sehr mit hochwichtigen anderen Vorlagen belastet, daß das schon aus diesem Grunde nicht rathsam sein würde. Wir wollen boffen, daß es gelingt, in der nächsten Sesston gleich in der ersten Zeit des Zusammentritts des Hauses einen Gesetzentwurf hier zur Berathung vorzulegen. Ich halte wenigftens diese Hoffnung fest.
Meine Herren, ich möchte aber noch einen Gesichtspunkt zum Schluß hervorheben. Das bobe Haus, wenn es an die Berathung eines Gesetzentwurfs gebt, muß sich die Konsequenzen klar machen eines Gesetzes, welches den Zweck verfolgen würde, durch Gestaltung der Besteuerung soziale und wirthschaftliche Entwickelungen zu ändern (Zuruf des Abg. Gothein: Sehr bedenklich), und welche schließlichen Konsequenzen das auf allen denkbaren Ge⸗ bieten haben könnte. (¶Ibg. Gothein: Sehr richtig) Es ist daher rathsam, soweit es irgend mözlich ist, als Grundlage einer solchen Besteuerung die in unserer Gesetzgebung generell angestrebte ausgleichende Gerech⸗ tigkeit festjustellen, und da bleibe ich allerdingZs immer bei der Mei- nung stehen, daß unsere heutige, allerdings ja mehr oder weniger progressive Gewerbesteuer, die die Kommunen gar nicht verändert haben, die sie einfach meist wobl aus Bequemlichkeit — man kann es kaum anders ausdrücken — lsehr richtig! rechts) pure acceptiert haben, diesem Gebote einer gleichmäßigen, gerechten Besteuerung des Großen und des Kleinen gegenwärtig noch nicht gerecht geworden ist, und daß man durchaus berechtigt ist, in dieser Beziehung, wenn die Kommunen nicht frei⸗ willig vorgehen, durch eine solche Vorlage einen staatlichen Druck auszuüben. Man kommt nach meiner Meinung sehr wohl zum Ziel, wenn man die bezeichnete Grundlage wefentlich festhält. Wenn man durch eine richtige, gleichmäßige Besteuerung gegenüber einer ungleichmãßigen Besteuerung, die die großen Unternehmungen gegen die kleinen privi⸗ legiert, die Konkurrenzmöglichkeit der kleinen mehr wiederherstellt oder wenigftens erleichtert, so ist das eine ganz berechtigte Folge. Aber die Vorlage darf nicht unmittelbar und allein den sozialen Zweck haben.
Meine Herren, wir baben unsere ganze Besteuerung in Preußen auf dem Prinzip der Leistungefähigkeit eingerichtet: wir haben die wohlhabenden Klassen infolgedessen fogar progressiv oder degressiv — wie man das nennen will — schärfer herangezogen als die kleinen. Wir sind dann weitergegangen, dieses Prinzip der Leistungs⸗ fähigkeit auch anzuwenden auf die indirekte Besteuerung, so⸗ weit das thatsächlich möglich ist, namentlich aber auf unsere Verbrauchtsabgaben im Reich. Sie brauchen sich nur die Besteuerung der Branntweinbrennereien zu denken. Ein solches Prinzip ist durchaus berechtigt, vor allem auf dem Gebiete der Besteuerung der Gewerbe⸗ betriebe, und ich glaube daher, daß man die grundsãtzlichen Bedenken, die namentlich die Handelskammern und namentlich die großen Handelskammern gegen dieses Prinzip der Besteuerung erhoben haben, in keiner Weise tbeilen kann.
So halten wir die Hoffnung fest, daß es doch gelingen wird, auf diesem Gebiete den Wünschen und Hoffnungen der Kleingewerb⸗ treibenden und der kleineren Kaufleute, die zu erbalten ja offenbar ein großes Staatsinteresse ist, einigermaßen wenigstens entsprechen ju können. (Bravo! rechts.)
Auf Antrag des Abg. Hausmann (ul.), dem sich der Abg. Dr. von Heydebzand und der La sa (kons.) anschließt, tritw das Haus in eine Besprechung der Interpellation ein.
Abg. Hausmann (sebr schwer verständlich'; Die Form und Höhe der Steuer muß sich nach der Lage jedes einzelnen Geschäfts fichlen. Auf diesem Standpunkt stehen auch die Handelskammern in tbrer überwiegenden Wöebrheit. Wir werden abwarten, was die nächste Session uns bringt.
Abg. von Breckbausen (kons. ): Daß der Entwurf der Regierung auf Widerstand stoßen würde, war vorauszuseben. Eine eingebende Prüfung der Frage ist e r,, Wir hatten erwartet, daß die Zusage der Thronrede, wenn nicht in dieser, so doch in der nächsten Sesston erfüllt werden würde, und wir freuen uns über die heutige Erklärung des Finanz · Ministers, daß wir uns in dieser Erwartung nicht getäuscht haben. Daß irzend etwas geschehen muß, um die großen Waarenhäufer unschädlich ju machen, darüber berrscht kaum ein Zweifel. Sie schaden der Industrie, dem Grundbesitz, dem Staat, dem sie Steuern entzleben, den Angestellten und dert ganzen Volke. Die Sossaldemokratie hat ein Interesse daran, daß der Mittelstand ver⸗ nichtet wird durch die großen Bazare, und die freisinnige Partei leistet ibr in der Stärkung des Großkapitals Heeresfolge. In der bayerischen Fammer haben nur die Sosialdemokrgten gegen das dortige Waaren- häuserBesteuerungsgesetz gestimmt. Wir müssen zugeben, daß es sebr schwer sst. die Merkmale für die Besteuerung herauszufinden. Mit dem Maßstab des Entwurfs der Regierung könnte sch mich bis auf die Zahl der Ängestellten einverstanden erklären. Die Räume der großen Bazare sind äußerst feuergesãhrlich. Sie sollten wie die Theater behandelt erden. Bei grolen Anfammlungen, namentlich wäbrend der Weib. nacht? zeit, steben Tausende von Menschenleben in Gefahr. Auch mit der Branchesteuer in Verbindung mit der Umsatzsteuer könnte ich mich einverstanden erklären. Ich würde dabei den Gemeinden eine gewisse Latitude einräumen. Die Besteuerung nach der Zahl der Angestellten dagegen könnte leicht zu einer Verminderung des Personals füßrèn, wie das Beispiel Frankreichs zeigt. Dle Lage dieser Angestellten ist nicht günstig. Sie müssen sich verpflichten, in kein anderes Waarenhaus einzutreten und finden sehr schwer in anderen Geschãften Stellung. Wüänschengwerth wäre es, wenn die Einzelstaaten in der Besteuerung der Waarenbäuser möglichst übereinstimmen? ver fübren. Ron sum,. und Offiziervereine, die verschiedene Waaren führen, würden ebenfallt unter das Gesetz fallen müssen. Ich babe ju dem Vije⸗Praͤsidenten des Staats. Ministeriums das Vertrauen, daß er seinen ganzen Einfluß aufbieten wird, um etwas Ersprießliches zu stande zu bringen, und daß er uns schon beim Beginn der nächsten Session einen Gesetzentwurf vorlegen wird.
Abg. Gothein (fr. Vgg.): Das Haus scheint an der Sache kein großes Intereffe zu haben, denn es bat sich während der letzten und der anderen Reden laut unterbalten. Man hat gemeint, daß es fein Wunder sei, wenn die Handelskammern gegen den Entwurf seien, denn fie beständen aus Vertretern der Industrie und des Groß⸗ kapitalz. Die Handelskammern werden aber doch von den Kauf⸗ leuten gewählt. Auch diese sind großentheils gegen die Umsatz⸗ steuer und die anderen Formen der Besteuerung, 3. B. die vielen Detaillisten des kaufmännischen Vereins in Breslau. Es ist nicht abr, daß die Handelskammern leine Gegendorschläzgzt gemacht baben. Sie dürfen leider ihre Berichte nicht veröffentlichen. Die östlichen Fandelskammern, auch die Breslauer, sind darin einig, daß die jetzige Gewerbesteuer eine ausgleichende 2 in der Heranziehung der großen Waarenhäuser nicht enthält. Die Anrechnung der Miethe
Steuer j. B. wirkt böchst ungleich. Die 1 muß nich bloß nach dem Ertrag, sondern nach dem Umfang bon den. Veranlagungetommissignen berechnet werden, nicht schematisch, sondern individuell. ir wollen alle dasselbe Ziel, aber keine Tendenfsteuer. Der Vorredner hat berelts die Sozial demolrratze herangezogen. Soll eine Steuer sozialpolitische Zwecke verfolgen, so kann auch die Grundsteuer dazu benutzt werden, um den enen Grund⸗ besitz ir . zu machen. Will man die Waarenhäuser in gerechter Weise heranziehen so darf dies nicht auf dem Boden einer Umsaß⸗ steuer, sondern muß im Rahmen der Gewerbesteuer geschehen. z
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Vize⸗ rãsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Pr. von iquel: fi 3s
Meine Herren! Ich möchte auf die Einzelheiten auch nicht ein geben. Ich möchte nur nach den Ausführungen des Herrn Vorredners unf einen inneren Widerspruch aufmerksam machen, der namentlich auch in dem Gutachten der Handelskammer von Breslau und in deren ganzen Vorschlaͤgen liegt und von Herrn Gothein bier wiederholt ist (bort, bört h. sonst würde ich mir natürlich nicht erlauben, hierauf jurückiukommen. Auf der einen Seite sagt der Abg. Getbein: Diese Frage ist ganz verschieden zu beantworten nach der Verschiedenheit der einzelnen Gemeinden (Widerspruch des Abg. Gothein), und jweiteng sagt er: sie muß im Rahmen der allgemeinen Gewerbesteuer generell geregelt werden. Beides ist nach meiner Meinung nicht richtig. Ich beklage allerdings, daß die Thätigkeit unserer Kommunen so unfruchtbar gewesen ist in der Umwandlung der staat⸗ lichen, ibnen überwiesenen Gewerbestener in eine wirkliche Kommunalsteuer. Da ist gerade deswegen zu beklagen, weil eine allgemeine Gewerbesteuer, auch wenn sie reformiert wird, diese Aufgabe gar nicht lösen kann, weil eben die Verhältnisse in Beziehung auf die gewerbliche Ent⸗ wickellung und auf die Grundlagen einer verständigen Gewerbe⸗ besteuerung in den einzelnen Kommunen so verschieden sind, daß eine allgemeine, überall gleiche Gewerbesteuer diese Aufgabe niemals er⸗ füllen kann. Das ist ja der Grund gewesen, warum wir auf die staatliche Gewerbefleuer verzichtet haben, weil wir sie naturgemäß alt Kommunalsteuer betrachten und diese Kommunalsteuer sich nach den besonderen Verhältnissen der einielnen Kommunen richten muß. Daher kann ich von diesem Vorschlage keinen Gebrauch machen. Ich bin der Meinung: in einer allgemeinen zerctellen Aenderung der Gewerbesteuer würde die hier fragliche steuerliche Aufgabe niemals gelöst werden können. Wir haben des halb ju einem generellen Gesetz gegriffen, welches sich aber auf das hier porliegende besondere Verhältniß im Kaufmannsstande beschränkt, nelchez sich aber sehr vorsichtig nicht als ein allgemeines zwangsweise einführen will, sondern den Kommunen es überläßt, nach ibren be⸗ sonderen Verhältnissen auf diesem Gebiete vorzugehen und Lokalgesetze ju machen und nur einen Druck insofern ausübt, daß in allen Kommunen wenigstens etwas auf diesem Gebiet geschehen muß. Die Kommunen sollen in einer bestimmten Frist befugt sein, tine kommunale Besteuerung nach ihren besonderen Berhältnissen ein zuführen. Thun sie aber gar nichts, dann soll erst subsidiär das Staatsgesetz in Kraft treten, und wir hoffen, dadurch die Altion der Kemmunen, die bis jetzt gleich Null gewesen ist, auf diesem Gebiet zu beleben.
Meine Herren, in den Kommunen sind Manche auch wohl in der Verwaltung thätig, welche ein eigenes persönliches Interesse gegen diese Art von Besteuerung haben. (Sehr richtig!) Das ist auch schon ein Grund, warum man diese Frage nicht allein der jeweiligen Majorität in einer Kommune überlassen kann. Wenn da nun ein Gesetz dahintersteht, welches in Kraft tritt, wenn jede Thätigkeit der Kommunen auf diesem Geblet abgelebnt wird, dann wird das doch sehr erheblich dahin wirken, daß in den Kommunen iberbaupt in dieser Beniehung etwas geschieht.
Meine Herren, mit solchen allgemeinen Begriffen, die in con— ereto nicht viel bedeuten, wie z. B. die Handelskammer in Breklau es vorgeschlagen hat, — es sollen alle möglichen Gesichts punkte bei der Besteuerung in Betracht kommen, — mit solchen allgemeinen Be⸗ grifen, worunter der eine dies, der andere jenes verstehen lann, kann man keine Steuergesetze machen (sehr richtig), aber wenn und soweit es möglich wäre, ist es eben nur auf lekalem und kommunalem Boden möglich, kann aber in einem allgemeinen Landesgesetz nicht gebraucht werden. Das wird, wenn hier mal die Sache zur Verbandlung kommt, nach meiner Meinung ganz klar werden.
Mit der Branchenbesteuerung, die wir in unserem Entwurf haben, und jwar nach der Zahl der Branchen progressiv, bat sich auch Herr Breckhausen ganz einveistanden erklärt, wenn ich ihn recht verstanden habe. Ebenso scheint es ihm richtig zu sein, nach dem Raum, der für das Handel geschãft dient, die Besteuerung eintreten zu lassen, und das ist auch ganz klar; denn der Umfang eines Detailgeschãfts, welches unmittelbar gegen Baarzahlung an den Liebbaber verkauft, wird am besten durch den Rauminhalt charakterisiert, auf dem sich das Geschäft volliiebt. (Zu⸗ muf bei den Freisinnigen: Absolut nicht!) — Ja, man kann sagen, der Raum in einem Laden bestimmt zugleich die Personenzabl, welche im Laden bedient. Deswegen kann man vielleicht verzichten auf das Merkmal det Zahl der beschäftigten Personen, weil sie indirekt schon in einer Berücksichtigung des Raumes liegt; aber ich halte den Ein⸗ wand, den man so viel gemacht hat, namentlich auch seitens der kleineren Gewerbtreibenden, daß die Besteuerung nach der Personen⸗ nabl dabin führen würde, die Zabl der beschäftigten Personen zu ver⸗ ringern und außerdem vielleicht sogar einen Theil der Steuer auf die unglücklichen Kommis zu werfen, für irrig; denn das Bedürfniß an Personenhilfe richtet sich naturgemäß und wingend nach der Autdehnung des Geschäfts. Auch heute baben diese großen Geschäfte nicht mehr Personal, als sie brauchen, and daz würde in Zukunft auch nicht der Fall sein.
Im übrigen bat sich eine kommunale Besteuerung nach der Zahl der von den besteuerten Unternehmungen beschäftigten Personen bei spielsweise in den großen Industriebezirken nach unserer Erfahrung recht gut bewährt. Die rheinischen und westfälischen Kommunen haben einfach deduziert: was ein großes Werk, ein Hüttenwerk oder eine große Zeche an Ausgaben verursacht, charakterisiert sich nach der Zahl, der Personen. Daher kommen die Schullasten, die Armenlasten, und wir besteuern daher diese Werke nach der Befugniß, die uns das Kommunalabgabengesetz gewährt, wesentlich nach der Zahl der beschäftigten Personen. Diese Werke haben sich größtentheils selbst damit einverstanden erklärt, weil das ein gan klares, greifbareö Merkmal ist, und die Sache hat auch des. wegen eine große Bedeutung, well dann die Besteuerung nicht abängt von der Höbe der Dividenden, die jeweilig be lahlt werden, sondern eine dauernde Thatsache repräsentiert, auch in ungünstigen Zeiten der Industrie, wo dann diese Lasten der Kommune aug diesen großen Gewerbebetrieben gerade die aller⸗ größten sind. ;
Aber ich will darauf nicht tiefer eingehen. Man kann, wie gesagt, verschledener Meinung darüber sein. Ich werde, wenn dieser
setzentwurf zur Verhandlung kommen, und ich ihn vertreten sollte, auf diesem Gebiete, welches so viele verschiedene Meinungen zuläßt, durchaus nicht eigensinnig sein, sondern das Votum des hohen Hauses wird nach dieser Richtung die allergrößte Bedeutung haben.
Nun hat Herr von Brockhausen noch gefragt, wie die Staats regierung sich zu der Frage der Feuersicherbeit dieser großen Etablisse⸗ ments stellt. Ich kann ihm sagen, daß nach den Erfahrungen, namentlich in Braunschweig, wo ein schweres Brandunglück eingetreten war, der Minister der öffentlichen Arbeiten sofort die Frage in die Hand genommen hat, um auch in der Beziehung besondere sichernde Bestimmungen ähnlicher Art zu treffen, wie bei den Theatern und sonstigen großen Versammlungslokalen, und daß der Entwurf, den der Minister der öffentlichen Arbeiten aufgestellt hat, jetzt zur Be- rathung in den Ministerlen liegt, also wohl in dieser Beniebung das Erforderliche bald geschehen wird. Allerdings bei einem so großen Lagerbause mit 4 Stockwerken, wo eine ungezäblte Masse Menschen sich befindet — wir haben hier Fälle gehabt, wo gewissermaßen die Polizei im Laden einschreiten mußte — und bei der doch leicht brenn- baren Stoff masse, die sich da befindet, ist es wohl klar, daß diese Art von Häusern eine besondere Feuersgefahr enthalten, und daß eingehende Bestimmungen nach dieser Richtung nothwendig sind. (Sehr richtig! rechts.)
Abg. Fuchs (gentr): Die Gegner des Mittelstandes und elner Besteuerung der Waarenhäuser geben von dem Grundsaß aus: Wasch mir den Pelz, aber mach ihn nicht naß. Die Gewerbe⸗
freiheit ist für sie etwas AUnantastbares, und darum bleiben sie auf halbem Wege stehen. Nicht die kleinen
Kaufleute sind gegen die Besteuerung, sondern die großen Fabriken,
die für die großen Waarenbäuser arbeiten. Die Waaren⸗ bäuser drücken auf den Preis der Waaren und damit auf den Arbeitslohn. Gehen aber bei der Konkurren; Waarenhäuser ein, so werden Tausende von Gxistenzen brotlos. Selbst die allergrößten, die leine großen Mittel baben, werden sich auf die Dauer nicht halten können. Von den Kommunen ist eine Besserung nicht zu erwarten, denn in ibnen besteht keine Vertretung des Mittelstandes. Darum sollte die Regierung schon in der nächsten Session eine Vorlage einbringen, die sich als ein Mittelstandsgesetz charakterisiert. An dem guten Willen der Regierung zweifle ich nicht.
Abg. Roeren weist darauf hin, daß die Vorlage keine finanziellen Zwecke derfolgen dürfe, ondern nur die Nachtheile beseitigen solle, die der Großbetrieb dem Kleinbetriebe zufüge. Die Zabl der kleinen felbständlgen Gewerbetreibenden nebme beständig ab und werde noch mehr abnehmen, wenn die großen Waarenhäuser ihre volle Wirkung ausüben würden.
Abg. Gothein: Ich habe nur verlangt, daß die Verschiedenheit der einzelnen Geschäfte von der sachverständigen Einschãtzungskommissien berücksichtigt werden soll. Die Größe des Raumes tann man nicht als Maßstab der Steuer annehmen. Ein Möbelbändler mit kleinem Umsatze braucht ein viel größeres Lokal als ein Juwelier mit großem Umsaße. Durch eine so schematische Behandlung würden die größten Üngleschheiten geschaffen. Durch die Umsatzsteuer werden gerade die Kokonialwaarenkändler getroffen, und darum haben sich die meisten Detaillisten gegen dieselbe erklärt. Der soziale Nachtheil der großen Geschäͤfte ist auch nicht sebr groß. Die Ingenieure der industriellen Unternehmung und die Angestellten der Waarenhäuser stehen sich besser, als die kleinen Kaufleute und Gewerbetteibenden.
Vize⸗Präsident der Staats⸗-Ministeriums, Finanz ⸗Minister Dr. von Miquel.
Meine Herren! Ich werde auf die kurze Rede des Herrn Abg. Gothein mich bemühen, noch kürzer zu antworten, indem ich ihn ein⸗ lade, den Versuch zu machen, — er ist ja in der Kommunal verwaltung ein bedeutendes Mitglied — die Gesichtepunkte, die er uns hier entwickelt bat, in Breslau zur Durchführung zu bringen. Wenn die Stadtgemeinde Breslau uns einen formulierten Entwurf vorlegte nach den von ihm bezeichneten Gesichtspunkten, würden wir ihn gern prüfen. Aber, meine Herren, das sage ich im voraus: wenn Sie nichts weiter haben als die allge⸗ meinen Begriffe ohne feste Merkmale, die Herr Gothein mechanische nennt, wird ein solcher Entwurf schwerlich in Breslau durchgehen und nie vom Staat genehmigt werden können, und wenn man es ver— suchsweise thäte, würde das wahrscheinlich die größten Beschwerden hervorrufen. Wenn die Gewerbesteuer veranlagt werden soll in einer Kommune ohne alle festen Anhaltspunkte, ohne gesetzliche Kriterien, bloß nach allgemeinen Gefühlen der Veranlagungskommission, so kann ich mir nicht denken, daß man in Preußen, wo wir gewohnt sind, daß nach klaren Gesetzen regiert wird, sich das gefallen lassen wird. Aber man kann es ja in einer einzelnen Gemeinde mal versuchen. Ich würde garnicht abgeneigt sein, soweit es irgend möglich ist, einen solchen Entwurf für eine bestimmte Zeit wohlwollend zu prüfen. Wenn nun der Herr Abg. Gothein den Begriff des Ladenraums als unbrauchbares Kriterium bezeichnet, (Zuruf des Abg. Gothein) — oder als eine schematische Handhabung, und das beweisen will durch ein Beispiel in Bezug auf einen Möbelbandler, der einen großen Raum braucht, so sage ich bier: ein Möbelbändler, der sich nur mit dem Möbelhandel beschäftigt, bat eben keinen Großbazar; er kommt gar nicht in Betracht, er wird überhaupt nicht besteuert. Dasselbe gilt von einem Uhrenbändler oder Diamantenhãndler. Das also will nicht viel beweisen. Das aber ist doch klar: stellen Sie sich tausend kleine Kaufleute vor, die ihren Laden unmittelbar parterre an der Straße baben müssen, und stellen Sie sich dem gegenüber ein Geschäft vor, welches bis in den vierten Stock hinauf jeden kleinen Raum ausnutzt, so werden Sie finden, welche großen Vortbeile durch die geringere Belastung mit Raum— kosten der Großbajar hat gegenüber diesen tausend kleinen Kauf⸗ leuten zusammen. Daß die Großbazare also in dieser Art des Geschästsbetriebes einen ganz eminenten Vorjug nicht bloß in der Konkurren im Allgemeinen, sondern obendrein in der Besteuernng baben, und daß dieser Vorzug zu einer ungleichen und ungerechten Besteuerung führt, kann mir kein Mensch bestreiten.
Meine Herren, der Herr Abg. Roeren hat soeben einen Grundsatz aufgestellt, der doch in seinen Konsequenzen sehr weit führen würde, wenn wir ihn in die Gesetzgebung einführen, wenn wir die eigentlichen steuerlichen Gesichts punkte, die Leistungs fähigkeit, gänzlich bei Seite ließen, sondern nur fragten: schadet der Größere dem Kleineren? — um dadurch sozialpolitische Gestaltungen entweder ju verhindern oder zu fördern, wohin würde dies führen? Wenn das im Kaufmanns— stande richtig ist, dann könnte man auch gleich behaupten: es ist überhaupt, in der Industrie, unter verschiedenen Konkurrenten richtig. Das kann man in maßvoller Weise thun, so⸗ weit man es namentlich rechtfertigen kann durch ein richtiges steuer⸗ liches Prinzip der größeren Leistungs fähigkeit. Man ist vollkommen berechtigt, eine Gewerbesteuer progressiv zu gestalten, weil bei der Gewerbesteuer das Geschäft selbst zur Besteuerung kommt, und zwar nach seinem Umfang. Früher war unsere Gewerbesteuer, die Herr Gothein jetzt wieder zum theil einführen will, so mangelhaft, daß sie progressiv nach unten wirkte; während das Maximum der Gewerbesteuer in den heutigen Großbetrieben geradezu ein Minimum war, mußte der kleine Handwerker von seinem Umsatz,
von seinem Ertrage oft bis zu 4000 bezahlen. Heute ist unsere Gewerbesteuer umgekehrt progressiv nach oben, und wenn man genau jusiebt, so ist es gar nicht einmal eine Progression, weil der größere Betrieb so bedeutende Vorzüge vor dem kleineren hat, daß es ungerecht wäre, sie nicht progressiv zu gestalten.
Nun ift der ganje Gedanke, der unserem Gesetz⸗˖ entwurf zu Grunde liegt, der, dieses allgemeine Prinzip der Gewerbeordnung auszudehnen nach Maßgabe der besonderen Natur dieser neuerdings — möchte ich sagen — erfundenen Groß⸗ betriebe im Kaufmannsstand. Dazu genügen die allgemeinen Regeln unserer Gewerbeordnung nicht. Die Kommunen hätten besondere Regeln machen sollen; sie mußten diese allgemein staatlichen Grund⸗ sätze nach der Lage der einzelnen Kommunen umändern. Dag haben sie unterlassen, und wir wollen daher ibnen dazu durch ein allgemeines Gesetz, welches subsidiär in Kraft tritt, die nöthige Anregung geben. Das ist der Grundgedanke dieses ganzen Gesetzes.
Ich glaube, wir werden, wenn ein solches Gesetz einmal hier ver⸗ handelt wird, uns doch wohl untereinander verständigen, welche Ferm Sie auch wäblen, ob Umsatz oder feste Merkmale — aber der Umsatz würde ja auch nur durch eine Deklaration festgestellt werden können, und welche Nachtheile es für viele Gewerbe hätte, den Umsatz zu deklarieren (sehr richtig! linke), will ich zur Zeit nicht weiter erörtern. Ich meine, wir werden uns über den Weg wohl verständigen, weil wir im Ziele ja vollständig einig sind.
Damit schließt die Besprechung.
Es folgt die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Anstellung und Versorgung der Kom⸗ munalbeamten.
Abg von Dallwitz (kons.) berichtet über die Kommissionsverband⸗ lungen und beantragt die Annabme der von der Kommission nur in un wesentlichen Punkten abgeänderten Vorlage.
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa schlägt mit Rück. sicht auf die Uebereinstimmung der Meinungen des Hauses und im Interesse eines schnellen Zustandekommens der Vorlage vor, dieselbe en bloc anzunebmen.
Abg. Wintermeyer (fr. Volksp.) will diesem Vorschlage nicht widersprechen, obwobl er einen Antrag eingebracht hat; auch die Abgg. irn Zentt ). Ehlers (fr. Vg) und. Dr; Böttin ger (ul) ellen ihr? Wünsche zurück und schließen sich dem Antrage Heyde⸗ brand an.
Die Vorlage wird einstimmig en bloFs angenommen.
Schluß A, Uhr. Nächste Sitzung Montag 11 Uhr. (Kommunalbeamtengesetz; Antrag Langerhans wegen der Rirchenbaulast; Antrag Kanitz wegen der Rentengüter; Petitionen.)
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 16. d. M. gestellt 15 018, nicht recht⸗ zeitig gestellt log Wagen. — In Oberschlesien sind am 16. 8. M. gestellt 460, nicht recht⸗ zeitig gestellt 2 Wagen.
Zwangtversteiger ungen.
Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Petersburger⸗ straße 30, der Att. Ges. Dorotheenstädt. Kreditbank ge⸗ börig; Fläche 49 a; Nutzungswertb 12 950 ½ ; für das Meistgebot von 195 000 M wurde Kaufmann Eduard Bam berg, Oberwall⸗ straße 19, Ersteher. — Theilungsbalber Kochstraße 33/34, dem Schlächtermeister Hermann Röder und dem Tischlermeister Gu stav Enders gehörig; Fläche 1,41 a; Nutzungswerth 18 900 3; Ersteher wurde Rentier Gustav Enders, Linlenstraße 242, für das Meistgebot von 340 000 M — Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangs⸗ versteigerung des in der Bautzenerstraße 2 belegenen Grundstuücks der Firma R. Heckert u. Co.
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin stand das Grundstuͤck Florastraße 61 in Pankow, dem Kaufmann Gustav Potolowsky in Berlin gebörig, zur Versteigerung; Fläche 10,68 a; Nutzungswerth 560 ; Ersteberin wurde Frau Sophie RaLtke, geb. Kaulitz, in Charlottenburg, Gutenbergstraße 4, für das Meist⸗ gebot von 131 000 6 — Auf geboben wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung des in Steglitz, Schloßstraße 85, belegenen, dem Jimmermeister Karl Kosinskv gehörigen Grundstücks.
Berlin, 16. Juni. Marktpreise nach Ermittelungen des Königlichen Polizei⸗-Präsidiums, (Söchste und niedrigste Preise.) Per Doppel ⸗Itr. für: Weizen 16,45 6; 15,20 466 MMoggen 15,10 4; 3 S M — Futtergerste 135,509 ; 12,80 66. — Vaser, gute Sorte 15,60 M, 15.10 M. — Mittel⸗Sorte 15,00 M; 14,50 ; — geringe Sorte 14,40 M; 14,09 Richtstroh 3, 82 6; 3.32 ; — Heu 6,60 1 4.90 60 Erbsen, gelbe, zum Kochen 0 50 16; 2560 M½ — ** Speisebohnen, weiße 50,00 M; 25, 090 MÆ — eLinsen 70,00 M; 30 00 S — Kartoffeln 6,00 M!; 400 66 m. Rindfleisch von der Keule 1 Eg 1669 46; 120 A.-. dito Bauchfleisch 1 kg 120 ; 1,00 6 — Schweinefleisch 1 Kg 160 6 1, 10 M0 — Ralbfleisch 1 Rg 1,0 0; 100 . — Hammelfleisch 1 Rg 1,60 ; 106 ½ — Butter 1 kg 2,40 46 1,80 6 — Eier 60 Stück 360 0; 2,20 M — Karpfen 1 kg l, S0 M; 1,20 6 Aale 1 Kg 2330 M6; 1620 0 — Zander 1g 2.60 60; 1,20 60 Hechte kg 40 W 120 M — Barsche 1 kg 1,69 M; O, Sʒp M Schleie kg 250 M; 1,20 M6 — Bleie 1 kg 140 ƽ; 0, So M — Krebse 60 Stück 1400 ; 2,50 0
Ermittelt pro Tonne von der Zentralstelle der preußischen Land- wirthschafts kammern — Notierungsstelle — und umgerechnet vom Polizei⸗Präsidium für den Doppelzentner.
* Kleinhandelspreise.
(Bericht über Speisefette von Gebr. Bunter? Bei der anbaltend starken Nachfrage r e
rotz semlich großer Zufuhren wurden der Marktlage entsprechend höhere Preise gefordert und bewilligt, und der Markt schließt in fester Stim⸗
Berlin, 16. Juni.
Gause. Butter wurde die Einlieferung wieder vollständig geräumt.
mung. Die heutigen Notierungen sind; Dof und Genossenschaftsbutter La. Qualität S6 , dito IIa. Qualität 8d , Landbutter nominell. — Schmalji: Wenngleich hier das Geschäft der Jahreszeit entsprechend als ruhig bejeichnet werden kann, so machte sich doch an den Märkten in Ümerika eine festere Tendenz bemer bar und die Pri ile berfolgten eine langsam steigende Richtung, sodaß die kleine Ab- schwächung am Beginn der Woche bald überholt wurde; die Woche chi ßt zu den böchsten Notierungen sehr sest, Die heutigen Notierungen sind: Choice Western Steam 335 - 33, 30 M, ameri⸗ kanisches Taseischmalz 35 „M. Berliner Stadtschmal! 36 , Berliner Bratenschmalß 37 — 40 , e en fl . 52 M — Speck: . Oil zeigte mehr Leben, zumal auch Amerika festere Preise meldete.
Berliner Wollmarkt. 16. Juni, Abends. Vorbericht J. Der Berliner Wollmarkt wird, wie im Vorjahre, auf dem städtischen Jentral · Vlehhof abgehalten werden und nimmt am 20. d. M. seinen Anfang. Dle gil agerung der Wollen beginnt am 18. 8. M. früb, doch ist die Besichtiqung erst am 26. Jun gestattet. Bis Mittag den 16. d. M. waren etwa 1700 Ztr. zum offenen Markt angemeldet.