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Funke als Obmann der Obmänner⸗-Konferenz der Linken eine Einladung zur Konferenz ergangen sei, deren Zusammentritt unmittelbar bevorstehe. Wie das „Fremdenblatt“ weiter meldet, erfolgte die Aktion mit Wissen und unter vollständiger Zustimmung des Ministeriums. Die Konferenz soll unter en . eines hervorragenden Mitglieds des Polenklubs thätig sein.
Das ungarische Unterhaus nahm gestern eine Vor— lage, betreffend die der heimischen Industrie zu gewährenden staatlichen Vergünstigungen, an.
Großbritannien und Irland.
Die Königin besichtigte, wie ‚W. T. B.“ meldet, gestern in Windsor das Erste Garde⸗Grenadier⸗Regiment und richtete dabei au den Obersten des Regiments eine Ansprache. Allerhöchst⸗ dieselbe gab darin ihrer Bewunderung der glänzenden Hal⸗ tung der Garde-Brigade in Süd⸗Afrika und ihrer üiefen Trauer über die Verluste, welche die Brigade erlitten habe, Ausdruck. Später besuchte die Königin die Frauen und Familien von Lesb-Gardisten und Reservisten, die sich bei den Truppen in
Süd-Afrika befinden, und drückte denselben ihre Sympathie aus,
Der Staatssckretär für die Kolonien Chamberlain hielt gestern in Leicester eine Rede, in welcher er ausführte:
Der Krieg mit der Sübafrikanischen Republik sel der größte, den die jc ß üge Generation erlebe. Großbritannien babe direkt vom Kriege nichts zu gewinnen. Wenn der Unton Jack morgen über Trans vaal und dem Ocanje-Freistaat wehte, dann würde dag einzige Ergebniß fein Daß dort ute Verwaltung, Gerechtigkeit und Gedeihen herrschten, woran Großbritannien mit der ganzen zivilisterten Welt theilnebmen würde. Die auswärtigen Kritiken, die von einem Kriege der Habysucht und der Raubaier sprächen, kennten weder Großbritannien noch dessen Grundsatz, niemals veluntäre Wohlthaten von seinen Kolonien zu verlangen. Groth britann en lämpfe für Gerechtigkeit. Freiheit, für die Achtung feierlich abgeschlossener Konventionen und schließlich, um einem Angriff gegen die Oberherrschaft der Königin Widerstand zu leisten und um Feine Stam mezangehörigen gegen Unbill. und Ungerechtigkeit zu schützen. Rian spreche von Transoaal als einem schwachen Staat; im Augen blick, als der Krieg ausgebrochen, sei Transvaal aber der mächtinste Stat Süd⸗Afrikas gewesen. Großbritannien müsse seine Truppen 6600 Meilen zur See und dann noch 1500 Meilen zu Lande befördern. Unter diesen Umständen müsse man den Kriegsereignissen mit Gleichmuth folgen und hereit sein, Niederlagen hinzunehmen; Siege dürfe man nicht übertreiben, und mit fest'm Vertrauen müss⸗ man das Ende des Krieges abwarten. Die Armee in Süy, Afrika werde binnen kurzer Zeit auf 80 000, vielleicht 90 000 Mann gebracht werden. Der Redner schloß, nachdem er die Haltung und die Politik der Regierung im Einselnen vertheidigt batte: Was die Zukunft betrifft, so werden gewisse, nicht kleinliche Grundsaͤtze die Haltung der Regierung be— stimmen. Die Buren haben durch ihr eigenes Vorgehen eine ganz neue Lage geschaffen, die Fonvertionen zerrissen und uns ein un. beschrieb nes Blatt in die Hand gegeben, auf das wir niederschreiben können, waz wir wollen. Jede Regierung, welche es nochmals in die Macht der Republiken legte, ibre Intriguen gegen die Vormacht zu erneuern, würde die Reichsinteressen berrathen. Auf beiden Stellen, im Sudan und in Süd. Afrika, hoffe ich, wird die Zukunft die Opfer rechtfertigen, welche wir bringen müssen.“
Frankreich.
Der Minister der Kolonien Decrais hat, wie W T. B.“ berichtet, von dem Gouverneur des französischen West⸗Afeika eine Depesche erhalten, in welcher gemeldet wird, daß nach Mittheilungen von Eingeborenen, die aus Sokota gekommen seien, die Expedition Faureau⸗Lamy sich nach Bezini südwestlich von Air begebe.
In der gestrigen Sitzung des Staatsgerichtshofes wurden die e iter und die mit Eisen beschlagenen Fensterläden des „Fort Chabrol“ in den Sitzungesaal ge⸗ bracht. Gusrin wies darauf hin, daß dieselben nicht eine Befestigung bildeten. Der Sachverständige erkannte dies an. Der Polizei⸗Inspektor sagte aus, als er vor dem „Fort Chabrol“ postiert gewesen, habe ihn Gusrin mit einem Kara— biner bedroht. Während der Aussage dieses Zeugen wur⸗ den auf der Tribüne für das Publikum Protestrufe laut, worauf der Vorsitzende Fallires die Tribüne räumen lüß.
Der Angeklagte Barillier rief: Das ist schmachvoll!“ Der
Staatsanwalt beantragte, Barillier wegen Beleidigung zu bestrafen. Der Gerichtshof zog sich zur Berathung zurück, die öffentliche Sitzung wurde unterbrochen. Nachdem dieselbe wieder aufgenommen war, verlas der Vorsitzende den in geheimer Sitzung gefaßten Beschluß, wonach der Angeklagte Barill ler wegen seiner beleidigenden Aeußerung zu einem Monat Gefängniß verurtheilt wird. Dann setzte der Polizei⸗Inspektor seine durch den Zwischenfall unterbrochene Zeugenaussage fort. Nach ihm wurde ein anderer Polizeibeamter vernommen, welcher aussagte, er habe ebenfalls gesehen, wie Gusrin im „Fort Chabrol“ einen Karabiner geladen habe. Nachdem Guérin hierüber weitere Erklärungen abgegeben hatte, wurde die Sitzung geschlossen. Italien.
Der Bürgermeister von Rom, Senator Fürst Rus poli
ist, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern Abend gestorbeu.
Türkei. Der französische Admiral Fournier ist, wie W. T. B.“ berichtet, gestern Nachmittag an Bord der „Cosmao“ in Konstantinopel eingetroffen. ; ö.
Serbien.
Die „Politische Correspondenz“ meldet aus Belgrad: Die Verhandlungen zwischen Serbien und der Türkei, be— treffend die Sicherung der serbisch⸗türkischen Grenze, hätten zu einem Uebereinkommen geführt, dessen Hauptpunkte eine beständige Ueberwachung der Grenzlinien durch gemischte , , sowie die Ausrodung der Waldungen in den
renzmarken bildeten. Auf serbischer Seite sei damit bereits begonnen worden.
Afrika.
Eine Depesche des Generals Sir Redvers Buller an das Kriegsamt besagt: Lord Methuen berichtet in einem Telegramm aus Modder River vom 28. d. M., daß seine Streitmacht an diesem Tage um 5H Uhr früh vor den Stellungen des Feindes angelangt sei. Die Buren seien am Modder River stark verschanzt und hinter Vertheidigungswerken gedeckt gewesen. Da der Fluß hoch ging, sei es nicht möglich gewesen, ihre Stellung zu umgehen. Der Kampf habe um hi/ Uhr mit dem Vorrücken der Artillerie, der berittenen Infanterie und der Kavallerie begonnen; die Garde⸗Infanterie hahe rechts, die 9. Brigade links von der feindlichen Stellung gestanden. Um 6G / Uhr habe der allgemeine Angriff in weit ausgedehnter Formation mit Unterstüͤtzung a die Artillerie seinen Anfang ge⸗ nommen. Die gesammte Streitmacht der Buren in der Stärke von 8000 Mann habe an dem Gefecht mit zwei
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Kampf sei sehr erbittert gewesen und habe zehn Stunden ge⸗ währt. Die britischen Truppen hätten ohne Wasser und ohne Nahrung in der Sonnenhitze gekämpft und den Feind ge⸗ wungen, seine Stellung . Dem General Carew * es gelungen, eine kleine Äbtheilung den Fluß üherschreiten zu lassen. Lord Methuen spende allen an dem Gefecht be⸗ theiligten Truppen und namentlich der Artillerie warmes Lob.
6 Kriegsamt veröffentlicht ferner folgende Depesche des „Reuter'schen Bureaus“ aus Pretoria, den 27. d. M.: Der General Du toit berichte: Die Engländer hätten am Sonnabend früh einen Ausfall aus Kimberley gemacht und in der Dunkelheit Geschütz und Gewehrfeuer auf die Buren abgegeben, und zwar an der Stelle, wo 300 Mann des Kom⸗ mandos von Bloemhof aufgesiellt gewesen seien. Der General Dutoit, der 9 Meilen entfernt gestanden habe, sei mit 100 Mann dem Kommando zu Hilfe geeilt,9 Buren seien ge⸗ tödtet und 17 verwundet worden; einige würden vermißt. Die Engländer hätten einen Gemeinen und einen Sergeanten todt auf dem Kampfplatz zurückgelassen. Es heiße, die Engländer versuchten, Kimberley auf der Ostseite zu verlassen, um die von Belmont heranrückenden Truppen zu unterstützen.
Eine weitere, aus Louren go Marques datierte Depesche des „Reuter 'schen Bureaus“, weiche das Kriegsamt veröffentlicht, besagt: der Kommandant Lubbe sei leicht verwundet worden. Die Engländer hätten die Eisenbahn ausgebessert. Die Frei⸗ staatbaren seien durch das numerische Uebergewicht der Gegner überwältigt worden. Nachdem sie bis Nachmittag wacker Stand gehalten, hätten sie in eine andere Stellung auf der anderen Seite der Eisenbahn gehen, müssen. Der General Delarey sage, es sei ihm nicht mög⸗ lich, die Zahl der getödteten und verwundeten Buren anzugeben, der Verlust sei aber jedenfalls nicht groß. Die Buren hätten nur 4 Geschütze gegen 24 der Engländer gehabt. Wie der General Delarey hinzufüge, seien die Freistaatburen voll guten Muths. (Das „Reuter'sche Bureau“ bemerkt hierzu, diese Depesche beziehe sich augenscheinlich auf den Kampf bei Belmont oder Graspan)
Nach einer weiteren offiziellen Verlustliste betragen die britischen Verluste bei Belmont im Ganzen: 4 Offiziere todt, 22 verwundet, 465 Mann todt und 225 verwundet.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tages befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (113) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗-Minister Dr. Graf von Posadowsky beiwohnte, wurde zunächst der schleunige Antrag der Abgg. Albrecht und Genossen 66 betreffend die Einstellung des gegen den Abg. Thiele (Soz.) bei dem Amtsgericht Halle schwebenden Privatklage⸗ verfahrens für die Dauer der Session, ohne Debatte ange— nommen.
Darauf wurde die zweite Berathung des Gesetzent⸗
wurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbe— ordnung, bei dem 8 1396 und dem von der Kommission r nn §z 13966, welche den Ladenschluß betreffen, ortgesetzt. t 3416 der Debatte über diese Paragraphen, zu welchen die Abgg. Freiherr von Stumm (Rp.), Bebel, Albrecht und Genossen (Soz.) Abänderungsanträge gestellt haben, bethei⸗ ligten sich bis zum Schluß des Blattes die Abgg. Blell (fr. Volksp), von Tiedemann (Rp), Münch-Ferber (nl.), Cahensly (Zentr) und Bebel (Soz.).
Nr. 48 der ‚Veröffent lichungen de⸗s Kaiserlichen Ge⸗ sandbeitsamts“ vom 29. Nodember hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankbeiten. — Zeitweilige Maßregeln gegen Pest — Desgl gegen Cholera. — Desgl. gegen Pocken. — Medizinal. statistische Mittheilungen aus Baden, 1897. — VDesgl. aus Kopenhagen,. 1393. — Gesetz e bung u. f. w. (Deutsches Reich.) Gewerbliche Anlagen. — (Preußen. Reg. Bez Orpeln.) Viebbeiörderung auf. Eisenbahb nen. — (Reg Bez. Wiesbaden;) Arjneimittel. — (Schwarzburg⸗Sonders hausen.) Schlacht vie b⸗ Versicherungaanstalt. — (Lübeck) Medizinalordnung. — (Dester⸗ reich. Galizien) Infettionekrankheiten. — (Ungar) Apo⸗ tbefker Tarif. — (Schweiz. Kanton Zürich) Irrenveipflezung. — (Großbritannien.) Hundeeinfuhr. — Sang der Thierseuchen in Däne mark, 3. Vierteliahr. — Zeitweilige Maßregeln gegen Thier seuchen. (Deutsches Reich, Preug. Reg. Sezirte Gumbinnen, Brom⸗ berg, Anhalt, Egvpten.) — Vermischtes. (Deutsches Reich) Franken⸗ versicherung, 188297. — Volkebäder. — (Bayern.) Tuberkulin⸗ impfungen, 1898. — (Raßland, Kiew) SanitätsKommission, 1838. — Bevölkerungsvorgänge in deutschen Orten mit 15 090 und mehr Ginwobnern, 18983. — Geschenkliste. — Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 090 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Stärten des Auslandes. — Grkrankungen in Krantenhäusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung.
Statiftik und Volkswirthschaft.
Im Ersatzjahr 1893/98 wurden für das Landheer und die Marine im Bereich der preußischen Monarchie ine gesammt I5I 643 Mannschaften ausgehoben. Von diesen hatten Schul⸗ bildung in der deutschen Sprache 151 529, nur in einer nichtzeutschen Muttersprache 119, während 134 oder O, 09 9 (gegen 2,3790 im Giatejahre 1880/81) ohne Schulbildung waren.
Zur Arbeiterbewegung.
Die Porzellan ⸗ und Glasmaler Berlins haben, der Volks Ztg. zufolge, an die Arbeingeber folgende Forderungen gestellt: I) Gin führung eines Minimallohns von 27 * und der stũndigen Arbeits. zeit für alle Hen ce, 2) für Ueberstunden im Lohn 30 0½ Aufschlag, bei Accord 20 3 Aafschlag vro Stunde; 3) Abschaffung der Accord⸗ arbeit, soweit sie sich mit der Natur des Betriebes vereinbaren läßt. Dazu kommen noch einige kleinere Forderungen. Nach den Fest— stellungen der Lohnakommission beträgt der Lohn für Glas- und Galanteriemaler im Durchschnitt pro Woche 20 356 6, bei den , 1250— 2) Æ und bei den weiblichen Hilfskräften
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Aus Köln berichtet die Frankf. Itg.“, daß der Formstecher⸗ verband die Aussperrung der Formstecher mit der Eiklärung auf⸗ gehoben hat, die Ausgesperrten zu den früheren Bedingungen wieder zuzulassen. Dieselben lehnten jedoch das Anerbieten ab und beschlossen,
im Ausstande zu verharren (vergl. Nr. 264 d. Bl).
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. velsberg (Reg.Beij. Arnsberg) ist, wie die Rhein. pesd g.“ i mn Former ⸗ Aus stand beendet. Die Arbeiter haben die Arbeit bedingungslos wieder aufgenommen.
In Rheydt (Reg.-Bez. Tüßeldorf) macht sich, wie dasselbe Blatt weiter meldet, eine größere Arbeiterbemegung bemerkbar. In einer Reihe von öffentlichen Versammlungen beschlossen zunächst die Maurer und Handwerker, sich ju organisieren und einen Stunden lohn von 45 3 zu verlangen.
Wie aus Gent berichtet wird, baben sich die Vertreter der belgischen Bgumwollweber versammelt und perlangen im Namen ihrer Auftraggeber bon den Fabrikanten die Festsetzung eines Normaltarifs fr sämmtliche Baumwollwebereien des Landes. Die e ngen sollen in den nächsten Tagen noch genauer festgestellt werden.
Den bei der Leipziger elektrischen Straßenbahn beschäftigten Führern und Schaffnern ꝛc. hat, der Lpü. Zig zufolge, die Direk⸗ tion, wenigstens zu einem Theil, aus eigener Initiatide die Forde⸗ rungen bewilligt, derentwegen unlängst der ergebnißlose Ausstand statt- gefunden bat (vergl. Nr. 257 d. B.). Es wurde ihnen eröffnet, daß der neue Dienstplan fertig sei, wonach die tägliche Dienstzeit der Angestellten um durchschaittlich eine Stunde verkürzt werde; serner, daß jeder achte Tag als Rahetag gelte und jwar so, daß nicht, wie früher, die Angestellten an ihren freien Tagen jum Dienste heran gezogen werden können. Jeder achte freie Tag soll auf einen Sonntag fallen. Die Gehaltafrage aber hat folgende Regelung erfahren: die Führer erbalten als Anfanasgebalt monatlich 8ß M, nach zjähriger Dienstzeit 90 M, nach 2jäbriger Dienstzeit 0 S6 und nach 33 jähriger Dienstzeit 100 6 Die ent prechenden Zablen stellen sich für die Schaffner auf 70, 75, 80 und 85 é. Im Weiteren soll dann das Gehalt von 3 zu 3 Jahren um je 85 M pro Monat bis zum Höchstgehalt von 120 6 für die Führer, von 105 4 für die Schaffner steigen, sodaß das Höchst gehalt bei beiden Beamtenkategorien nach 18 Jahren eintritt. Dieie Regelung der Dienst.! und Gebaltsverbältnisse soll mit dem 1. Jnuar 1960 in Kraft treten und rückwirkende Geltung insofern haben, als die zu diesem Termin bereits abgeleistete Dienstzeit an⸗ gerechnet werden soll.
Kunst und Wissenschaft.
Die von der Deutschen Orientgesellschaft unter der Leitung Dr. Koldewey's nach Babylon entsendete Expedition hat während der letztvergangenen Monate in dem Trümmerhügel Kafr, und zwar an der Nordostecke der Hauptburg, zwei bedeutsame Funze gemacht.
Am X22. August warde eine vollständig erhaltene Stele aus Dolerit von 1,28 m Höhe und G53 m Breite gefunden, welche auf der flachen Vorderseite das Bildniß eines heititischen Gottes trägt. Die vom Regierungs⸗Bauführer Andrä, einem Mitalied der Expedition, gezeichnete Sti zeigt den bärtigen Gott in nach rechts schreiten er Haltung. Die beiden Vorderarme sind erhoben, die linke Faust hält den Dreizack, die rechte den wuchtigen Hammer, während ein Schwert die linke Seite umgürtet. Vom Kopfe, der mit einer phrygischen Mütze bedeckt ist, wallt ein langer Zopf bis auf den Ruͤcken, das mit Fransen besetzte Gewand reicht nur bis oberhalb der Kniee, die Füße sind mit Schnabelschuhen bekleidet. Lassen schon Haartracht und Gesicht, Kopf⸗ und Fußbekleidung, Schwertgriff und Hammer keinen Zweifel daran, daß das Relief einen Hettitergott, wohl den hettitischen Donnergott, darstellt, so wird dies, wenn möglich, noch untrüglicher dadurch bewiesen, daß die Rückseite der Stele eine hettitische Inschrift trägt von eiwas mehr als sechs Zeilen Länge. Obwohl bereits früher eine Schale in Babylon ge⸗ funden worden ist, welche ebenfalls hettitische Schriftzeichen umrahmen, so war doch kaum zu erwarten, daß gerade ein hettitischer Gott und eine hettitische Inschrift den ersten Fund in Nebukadnezar's Palaststadt bilden würde, noch dazu ein hettitischer Goit, wie er sich fast genau so, vom Kopf bis zu den Zehen, . Jahren im Berliner Museum befindet: stellt doch eines der 1888 in Sendschirli gefundenen Reliefs, welche als Wand⸗ verkleidung eines Thorgebäudes dienten, ganz den nämlichen Gott dar, in der gleichen äußeren Erscheinung und mit den gleichen Attributen — ein werthvoller Hin⸗ weis auf das Ländergebiet, aus welchem das aufgefundene Relief wohl als Beutestück nach Babylon verschleppt worden ist. Mit Spannung darf der von Koldewey für demnächst in Aussicht gestellten Äbzeichnung der Inschrift entgegengesehen werden, welche der Entzifferung der hettitischen Hieroglyphen einen neuen und nachhaltigen Anstoß zu geben berufen sein dürfte.
Der zweite Fund wurde am 14. September gemacht, etwa zehn Meter westlich von der Hettiterstele, bestehend in einer FKalksteinplatte von 1,33 m Lange, L21 m Höhe. Auch sie trägt ein Relief, welches fein und sorgfältig ausgeführt ist. Auf Andrä's Zeichnung sieht man links zuerst die Göttin Istar, weiche, nach rechis gewendet, die Rechte emporhebt und mit der Linken den Bogen auf die Erde stemmt. Vor ihr steht ein größerer Gott, gleichfalls nach rechts hin gekehrt: es ist der Gott Fed oder Ramman mit je zwei Blitzen in jeder Hand.
or ihm und die rechte Hand anbetend zu ihm erhoben steht ein viel kleinerer Mann und hinter diesem eine dritte, an Größe dem Gott Ramman gleichkommende, ö nur unvollständig erhaltene Gottheit. Kurze, diese Relief⸗ darstellungen begleitende Beischristen unterrichten vollkommen über das Wesen der betreffenden Personen: „Bildniß der Göttin Istar“, „Bildniß des Gottes Hadad“, und über dem anbetenden Mann: „Bildniß des Samas-⸗satnu, des Mannes der Länder Suchu und Maru“̃. Zwischen dem Mann aber und dem Gott Hadad stehen die Worte: „Ein Maß Mehl, 1Maß Wein Fixum habe ich durch diese Steintafel fest⸗ gesetzt: wer den Palast bewacht, soll es genießen!“ Links vom Relief und unterhalb bdesselben befinden sich fünf neubabylonische Schriftkolumnen, in welchen Samas-⸗salnu — nach Pr. Meißner's Umschrift und Uebersetzung — alles aufzählt, was er für die Sicherheit und Wohlfahrt seines Landes gethan. Eines seiner Hauptwerke war, daß er den Kanal des Landes Suchu wieder herstellte, von Rohren säuberte und 22 Ellen breit machte. Er legte ferner Wehre an, sowie Palmenpflanzungen, diese insonderheit hei dem Palast seiner Hauptstadt Gabbarini und den Palãästen der übrigen größeren Städte seines Landes. Zum Schlusse rühmt er sich, daß er einen besonders kostbaren Baum aus dem Gebirge etwa beim heutigen Diarbekr in das Land Suchu verpflanzt habe. Dieses Land lag, wie vor allem die Denk⸗ maler des assyrischen Königs Asurnazirpal lehren, an beiden Ufern des Euphrat, stromaufwärts vom eigentlichen Babylonien, es wart das Babylonien nächstbenachbarte Land nach Mesopotamien zu und stand von altersher ganz unter babylonischem Einfluß. Schon um S650 v, Chr. lesen wir von Statthaltern mit habylonischen Namen und unterstützt von den Truppen bes Königs von Babylon. Welches das 13. Jahr des Samas⸗saknu gewesen, aus welchem die Inschrift datiert ist, laßt sich zunächst nicht feststellen, ebenso
weng, wie die Steinplatte nach Babel gekommen sein mag. Aber die Inschrift ist wichtig wegen der vielen geographischen
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Neuheiten, die sie enthält, und interessant überdies dadurch, daß sie dem Land entstammt, welches auch im . Hiob 6. sein dürfte als die Heimath von Hiob's Freund ildd⸗ . . . VBVBauwesen.
Die neu begründete Schiffbautechnische Gesellschaft“, eren Protektorat Seine Majestät der Kaiser huldvollst übernommen hat, wird am 5. und 6. Dezemher in der Aula der Tichnischen Hoch⸗ schule zu Charlottenburg ihr erste ordentliche Hauptversamm⸗ lung abhalten. Auf der Tagesordnung stehen folgende Vorträge: Geheimer Regierungzsrath, Professor Busley: „Die modernen Unterseebooter; Geheimer Regierungsrath, Professor Dr. Slaby: Die Anwendung der Funkentelegrapbie in der Marine“; Lechnischer Vireltor des Ge manischen Lieyd Middendoff: Dis Steuervorrichtungen der Seeschfffe, insbesondere der neueren großen Dampfer“. Am zweiten Tage findet zunächst eine geschäftliche Sitzung statt Tann folgen Vorträge des Geheimen Marine. Bauratbs Rudloff über „die Entwickelung des heutigen Linienschiffes' und des Dr. G. Bauer, Ingenieurs des Stettiner „Vulkan“: ‚„Unter—⸗ suchungen über die Veriodischen Schwankungen in der Umdrehungs—⸗ geschwindigkeit der Wellen von Schiffsmaschinen. Am Nachmittag finden technische Ausflüge zur Besichtigung der Werke der Allge⸗ meinen Elektrizttäts⸗Gesellschaft in Nieder ⸗Schöneweide sowie in der Bunnen und Ackerstraße statt, ferner die Vorführung der Nernst⸗ lampe im Saale der Berliner Elektrizitätswerke, Luisenstraße 35, und eine Besichtizung der Zentrale daselbst.
Verkehrs⸗An stalten.
Laut Telegramm aus Köln hat die zweite englische Post von London über Ostende vom 29. November in Köln den Anschluß an Zug 31 nach Berlin über Hildesheim wegen Nebels auf See nicht erre icht.
Bremen, 29. November. (W. T. B. Norddeutscher Llovd; Dampfer ‚„Kaiser Wilhelm der Großen 28. Nov. v. New Voꝛt n. Bremen abgeg. „Dregden“ 28. Nov., v. Baltimore kommend, in Bremerhaven ee m,.
— 30. November. (W. T. B) Dampfer „Bayern., v. Ost⸗ Asten kommend, 28. Nov. in Suez, ‚Aller' 29. Nop, in New Vork angek. Karleruhe“ 29. Nov. Reise v. Genua n. Neayel, ‚Trier 29. Nov, Reise v. Rotterdam n. Antwerpen fortges. „Saale“ v. New Vork kommend, 29. Nov. in Southampton angek. und Reise . Bremen fortges. Der Dampfer überbringt 170 Passagiere und volle Ladung. „Trave“ 29. Nov. Reise v. Southampton n. New York fortgesetzt.
Dam burg, 29. November. W. X. B.) Ham oäarg⸗Amerifa⸗ Linie. Dampfer ‚Phoenicla“ 23. Nov. auf der Elbe angek. „Graf Waldersee', v. New Jork n. Hamburg, 29. Nov. Dover pass. Bulgaria“ 28. Nov. in New Jork angek. „Palatia'. v. Hamburg n. New Jork. 28. Nob. v. Boulogne sur mer, „Rhenania. v. Hamburg n. Westindien, 27. Nop. v. Pavre, . Allemannia“, v. West⸗ indien n. Hamburg, 28. Nop. v. Havre abgeg. Francia“ 28. Nov. in Colon angek. ‚Bengalia“ 25 Nov. v. Baltimore n. Hamburg abgeg. „Sicilia“, v. Buenos Aires n. Genua, 28. Nov. Gibraltar pass. „ Westphalia“,. v. Hamburg n. Westindien, 28 Nov. v. Ant⸗ werpen, ‚Andalusia“ 29. Nov. v. Shanghai n. Amoy abgegangen.
London, 25. November (W. T. B.) Ca stle - Lin te. Dampfer Norham Caftle“ heute auf Ausreise Madeira . ert.
Rotterdam, 29. November. (W. T. B.) Holland ⸗Am erika linie. Dampfer Statendam“ v. New York heute in Rotterdam angekommen.
Theater und Musik,
Königliches Opernhaus.
Die gestrige Aufführung von Verdi's Oper Rigolgtto' gewann durch die Mitwirkung zweier Gäste ein erhöhtes Interesse. In der Titelrolle stellte sich der hier wohlbekannte und beliebte Herrd' Andrade nach längerer Abwesenheit wieder vor. Mit welcher Virtuosität der Künstler gerade die tragische Gestalt dieses Hofnarren in Ton, Miene und Bewegung zu veranschaulichen weiß, bedarf E 1um von neuem der Bestätigung, da er schon so oft diese Aufgabe vor dem Berliner Publikum gelöst hat. Seine Leistung bleibt sich immer völlig gleich und übte auch gestern wieder ibre fesselnde Wirkung auf die Zuschauer und Zuhörer aus. Weniger konnte man sich mit der Darstellung und dem Gesange des Herrn Marconi einderstanden erklären, welcher — ebenfalls in italienischer Sprache — den Herzo gab. Seiner Stimme fehlte die erforderliche Frische, sie klang namentli in der höheren Lage gequält und durch das fortwährende Tremolo, dessen sich der Sänger befleißigte, im Ganjen unschön. Sein em Spiel mangelte die Eleganz und Gewandtheit, welche zur Verkörperung des den Frauen gefährlichen Herzogs unerläßlich erscheint. Vorzügliches boten dagegen unsere einheimischen Künstler, namentlich Frau Herzog, welcher die schwierige Partie der Gilda anvertraut war, sowie Fräu⸗ lein Rothauser (Maddalena) und Herr Mödlinger (Sparafueile).
Theater des Westens.
Eine Aufführung der komischen Dper Fra Diavolo“ von Auber fand am Montag in neuer , und mit theilweise veränderter Rollenbesetzung statt. Die auf die Einübung des Werks verwendete Sorgfalt machte sich überall bemerkbar und war wohl in erster Linie Herrn Kapellmeister Doebber als Verdieust anzurechnen. Frellich wollte es trotz seiner gewandten Leitung bei den Chören immer noch nicht recht stimmen. Das übrige Ensemble war jedoch tadellos zu⸗ sammengefügt. — Herr Braun sang die Titelpartie durchaus zufrieden stellend, hätte aber das Wesen des galanten Räubers schauspielerisch noch etwas mehr ausgestalten können. Das neuverpflichtete Fräulein Grosz sang die Partie der Zerline mit Temperament und entwickelte im Spiel viel Anmuth. Auch die anderen Mitwirkenden boten be— friedigende Leistungen und ernteten mit den Genannten von seiten des zahlreich erschienenen Publikums wohlverdienten Beifall.
Residenz · Theater.
Thilo von Trotha's einaktige LSomödie Die Richtige“ und der Schwank in drei Akten: ‚Busch und Reichenbach“ von H. Lee und Wilhelm Meyer -Förster wurden gestern vor aus— verkauftem Hause zum ersten Male aufgeführt. Es war außer⸗ ordentlich interessant, auch einmal zu sehen, wie deutsche Autoren den innerlich gleichen Stoff ausgestaltet hatten, der bisher meist nur in französischer Bearbeitung an dieser Bühne zur Dar— stellung gelangt war. Der Vergleich fiel nicht zu Ungunsten der erftgenann ten aus. Beide Stücke waren nach altem Rezept ver⸗ faßt. Im Einakter erfährt der Maler Ferrier (Herr Brandt), der feine Freundin Rosa (Fräulein von Gordon) loswerden will, an sth die alte Wahrheit: Wer Andern eine Grube gräbt. fällt selbst binein. Das Werkchen ist tro mancher Unwahr⸗ scheinlichkeit in einem so harmlos lustigen Plauderton ge⸗ halten und bietet eine solche Fülle feiner Komik, daß eg den durchschlagenden Erfolg, der ihm zu theil wurde, vollauf ver⸗ diente. Bie Darsteller spielten ganz im Stile des Stückes mit außerordentlicher Gewandtheit. — Die darauf folgende Aufführung des Schwanks Busch und Reichenbach“ hatte jwar gleichen Grfolg, erreichte denselben aber durch weit gewaltsamere Mittel. Das dezente Gewand, in welchem sich der Stoff präsentierte, engte die allzu zwanglose Verwerthung desselben in wohlthuender Weise ein. Es war das Thema: Schwiegervater und Schwiegersohn werden durch die plößliche Rückkehr ihrer Gattinnen von der Badereise un— angenehm überrascht. Der Schwiegervater Busch (Herr Pansa) weiß 9 schließlich nur dadurch vor dem Zorn seiner ergrimmten Frau
uguste (Frau Becker) ju retten, daß er seine während ihrer Abwesenbheit begangenen GExtrapaganzen mit einer plötzlich ausgebrochenen Rervenkrankheit des Schwiegersohns Reichenbach . Alexander) zu erklären sucht, was dann die Aufnahme des etzteren in eine Kaltwasserheilanstalt zur Folge hat. Hier erreicht
nun die draftische Situationskomik ihren eigentlichen Ausgangs. und Höbetpunkt und zieht sich in ihren Folgen bis zum alles wieder ausgleichenden befriedigenden luß hin. Ehe dieser aber eintritt, bat der unfreiwillige Patient zur allgemeinen Erheiterung des Publikums noch alle die Martern zu erdulden, die der fanatische Kaltwaßser⸗ Arzt zu ersinnen vermochte, und geräth in die lächerlichsten Lagen So grobkörntg diese auch bisweilen gestaltet sind, fo halten sie sich doch stets in solchen Grenzen, daß sie nie verletzend, sondern nur komisch wirken. So war denn auch der Heiterkeit kein Ende. Die Darsteller wie die Autoren wurden wiederholt nach allen Aktscklüssen hervorgerufen. — Mit diesem durchschlagenden Erfolsß hat die Bähne in der Blumenstraße die Scharte wieder augewetzt, welche durch den mißlungenen Versuch der Aufführung eines ernsten Stücks am Todtensonntag entstanden war. Das Werk betitelte sich „Die Schlußrechnung“ und hatte Pierre Newsky, den Autor des vor einigen Jahren aünstig aufgenommenen Schauspiels Die Danischeffs“, zum Verfasser. Es schilderte, wie ein polnischer Rebell, welcher durch den Vertalh seiner Gattin, die sich seiner entledigen wollte, in die Ver— bannung geschickt wird, bald aber wieder begnadigt zurückkehrt und die
Untreue seines Weibes blutig rächt. Das Schauspiel machte den Ein«
druck eines ohne jeden Sinn für die dramatische Wirkung in Dialog- form gebrachten Romang. Fräulein von Gordon sowie die . Rickelt, Burg und Martini gaben sich vergebens Mühe, es durch ihre Dat stellung zu beleben.
Konzerte.
Das vierte Philharmonische Konzert, das am Montag unter Herrn Arthur Nikisch's Leitung stattfand, bot ein zwar sehr mannigfach geartetes, aber doch im hohen Grade anmuthendes Pro- gramm, darunter jwei Neuheiten, die dier noch nicht zu Gehör gebracht worden sind. Die eine von diesen bestand in jwei Orchesterstücken von Alexander Ritter, ‚Charfreitag? und „Fronleichnam“ hetitelt, die zwar thematisch mit einander garnichts gemein hatten, aber in ihrem Grundcharakter wie in ihrer musikal sch. dichterischen Ausdrucksform eng verbunden erschienen; im ersten tiefer Schmerz und dumpfe Traueraccorde, im zweiten beseligende Freude und die Klänge eines ernst feierlichen Reigens. Beide Werke brachten in klarer Ein— fachheit des Tondichters Empfindungen deutlich jur Anschauung und wurden seitens der Zuhörer mit großer Wärme und reichem Beifall aufgenommen. Die onrere Neuheit, die von H. Esser für Orchester übertragene Fedur-Toccata von Sebastian Bach, würde besser dem Instrument zugewiesen geblieben sein, für das sie komponiert ist, der Orgel; jedenfalls ruft sie in der orchestralen Uebertragung keinen nachhaltigen Eindruck hervor, auch wenn sie noch so vortrefflich, wie es am Montag der Fall war, vorgetragen wird. Der Mittel, und Glanjpunkt des Abends war die maeisterhafte, temperamentvolle Wiedergabe des Mendelssohn'schen Klavierkonierts durch den solistisch mitwirkenden Herrn Fritz Kreisler, die von der Zubörerschaft durch geradezu begeisterten Befall belohnt wurde. Die Einleitung des Konzerts bildete die Faust“. Ouverture von R. Wagner, den Schluß die bekannte „Symphonie pathsétique“ Nr. 6 in H-moll (op. 74) von Tschaikowsky, die infolge der feinsinnigen, geistvollen Auffassung des Dirigenten und der fünstlerischen Ausführung seitens des Orchesters einen Kunst genuß gewährte, wie er selten gebolen wird. Wohl nicht ganz ohne Absicht schien dieses Werk gewählt zu sein, um einen Vergleich mit der Maseagni'schen Auf⸗— sassung anstellen zu können. Der anhaltende und stürmische Beifall, welcher dieser Glanzleistung des Orchesters folgte, ließ die gehobene Stimmung der Zuhörer am besten erkennen.
Ein Nachtragsbericht über einige Konzerte der vergangenen Woche sei hier angefügt. Einen genußrelchen Abend bot der Königlich sächsische Kammersänger Herr Carl Scheidemantel am Donners tag im Beethopen⸗Saal. An diesem, seinem ersten diesjährigen Lieder⸗Abend brachte der Sänger nur Schubert'sche Kompesitionen zu Gehör, in denen sein schönes Organ vortrefflich zur Geltung kam. Namentlich verstand er es, mit der Kopfstimme reizvolle Effeftte zu erzielen. Die Intonation blieb stets rein, und der Vortrag war echt künstlerisch⸗ maßvoll, niemals übertrieben. Am Klavier wirkte Dr. Göhler aus Leipzig, leider nicht immer diskert genug. — In der Philbarmonte gab zur selben Zeit die Königliche Kammer sängerin Frau Lili Lehmann ihren zweiten Liederabend. Sie brachte lediglich Franz'sche Gesänge zum Vortrag:; eine ebenso inter⸗ essante wie dankenswerthe Aufgabe, die die Künstlerin, welche vorzüglich bei Stimme war, mit ihrer gewobnten Meisterschaft löste. Am Klavier befand sich auch diesmal Herr WilUhelm Berger, der die Begleitung feinfühlig durchführte.
Herr Edouard Risler, der in Berlin rühmlichst bekannte
Pianist, gab im Saal Bechstein am Freitag den ersten seiner drei angekündigten Beetboben. Abende. Er brachte zunächst die Fis-ur- Sonal! (9p. 78), sowle „Les Adieu“ 2ꝛc. (op. 8Sla) zum Vortrag, die ja an das Verstaäͤndniß des großen Publikums nicht allju hohe Anforderungen stellen. Eine umfangreiche und schwierige Auf⸗— gabe hatte sich der unge Künstler dagegen init der, großen Hammer— klavier ⸗ Sonate in B dur (op. 106) gestellt und sie in überraschend ge⸗ lungener Weise gelöst. Freilich wird es dem Laien fast unmöglich sein, dieses Wunderwerk zu verstehen und richtig zu würdigen; aber eine Ahnung von der Fröße des Tonwerks wird wohl Jeden an diesem Abend erfaßt haben, da es nur wenige Pianisten giebt, die eine solche Aufgabe in so glänzender Weise zu lösen vermöchten, wie Herr Risler. — In seinem zweiten Konjert, welcheß am Freitag in der Sing⸗Akademie stattfand, brachte der Geiger Herr Henry Verbrugghen außer drei Soli vsn Paganint, Wieniawskli und Lauterbach, zwei Konzerte für die Violine von Bruch und Vieuxtemps mit Begleitung dez Philbarmonischen Orchesters zu Gehör. Der Künstler gebietet, wie bereits an dieser Stelle erwäbnt wurde, über eine vorzügliche Technik; die schwierigsten Doppelgriffe, Trlller, Tonlelterpassagen gelingen ihm scheinbar mühelos, selbst bis in die höchsten Regionen der Flageolettöne hinein. Sein allerdings nicht allzu großer Ton ist weich und immer schlackenfrei. Was Herrn Verbrugghen aber noch fehlt, ist Temperament und Tiefe der Empfindung; das machte ö besonders bei dem Adagio des Bruch'schen Konzerts fühlbar. — Im Saale der Philharmonie gab die Berliner Liedertafel (Chormeister: A. Zander) zu gleicher Zeit eines ihrer Konzerte, für deren Beliebtheit der gänzlich gefüllte Saal wieder beredtes Zeugniß ablegte. Der Abend wac für, die Freunde des Vereins ein besonders anregender, da sämmtliche Chorlieder zum ersten Mal zur Aufführung gebracht wurden, darunter solche von PVembaur, Fuchs, Goldmark und Zander, sowie der durch den Gesang— wetistreit in Gassel populär gewordene „Choral von Leuthen“ von Reinbold Becker. Den solistischen Theil des Konzerts führte die Königliche Hofopernsängerin Frau Emilie Herzog aus, welche für eine Reihe in bekannter vortrefflicher Weise gesungener Lieder ebenfalls reichen Beifall erntete. Die am Sonntag veranftaltete Aufführung zweier Kantaten von Bach und des Requiem (As-dur) von Friedrich Kriel durch den Chor der Sing -⸗Atademie hatte wieder eine große Schar an. dächtiger Zuhörer versammelt und nahm im allgemeinen einen durchaus y Verlauf. Die Chöre waren sorgsam eingeübt, wurden sicher und feinfühlig geleitet und exatt vorgesührt. Namentlich . die Sopranfilmmen durch Klangfülle und sicheren Ginsfatz angenehm auf. Besonders schön und er greifend wurde der Choral Dann woll'st Du hei mir bleiben“ ge⸗ ungen. Die Instrumental Begleitung paßte sich zwar sonst dem Gesang verständnißboll an, hätte jedoch bei den Sopran Soli etwas die kreter sein können. Die augführende Sängerln drang mit ihrer nur kleinen Stimme auch bei dem begleitenden Cbor schon zu wenig durch; doch gelan ihr dafür manches Andere ganz vortrefflich Die Tenor und Alt⸗Solisten genügten durch weg. ie Baß ⸗ Soli waren vornehmlich in dem Vestelle Dein Haus“ in Bach's „Aetus tragicus“ außerordentlich wirkungsvoll. err Musikdirektor Rawerau, der stellvertretend die Auffübrung eitete, kann mit Befriedigung auf den Erfolg seiner für die Ein studierung aufgewandten Mühe zurückblicken.
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Im Königlichen Opernhause geht morgen zum ersten Male Die Grille, Oper in drei Aufjügen unter Benutzung einer Grund⸗ sjdee der George Sand von Erich Speth. Musik von Johannes
VDoebber, Ballet von Emil Graeb, in Scene. Die Besetzung
lautet: Balbo: Herr Wittekopf; Frau Balbo; Fräulein Kopka; Landry: Herr Berger; Mutter Fadet: Frau Goetze; Franziska Fader, ihre Enkesin, genannt Die Grille: Frau Herzog; Feanet, ihr Bruder, genannt „Grathüpfer“: Fräulein Rothauser; Kalljo: Herr Stammer;
Madelon, seine Tochter: Fräulein Krainz; der Pfarrer: Herr Krasa; der
Schneider: Herr Lieban; der Schmied? Herr Grün. Ort der Hand= lung; Elsaß. Zeit: die e,, Im II. Akt (Erntetanz) tritt Fräulein dell' dra auf. Dꝛirigent ist Kapellmeister Schalk. Das Weik ist vom Ober-⸗Regisseur Tetzlaff in Scene gesetzt, die dekorative Einrichtung hat der Ober⸗Inspektor Brandt besorgt. — Der Tenorist Herr Marconi wurde, wie er der General⸗Intendantur mittheilen läßt, in den ersten Akten von „Rigoletto“ von einer plötz⸗ lichen Heiserkeit befallen, die den Künstler erst im vierten Atte verließ. Herr Marconi, der direkt aus Rom hierhergekommen ist, wird am Montag anläßlsch des ersten Auftretens der Frau Melba in Lucia von Lammermoor“ den Edgardo singen und hosst, bis dahin sich an den jähen Wechsel des Klimas gewöhnt zu haben.
Im Königlichen Schau spielhause gelangt morgen Die Geier Walli. Schauspiel in 5 Aufzügen, und einem Vorspiel: „Die Klötze ven Rosen? von Wilhelmine von Hillern, nach ihrem. Roman gleichen Namens, jur Auf führung. Die Besetzung ist folgende: Wallburga Stro⸗ minger: Fräulein Poppe; Bäͤren⸗Joseph: Herr Negper; Klettenmaier: . Pohl; Gellner: Herr Arndt; der Vorfälteste: Herr Winter;
enedikt Klotz: Herr Keßler; Marianne Gestrein: Frau Stoll⸗ berg; der Pfarrer: Herr Eichholz; der Lammwirth: Herr Krüger; die Lammwirthin; Frau Pagay 4. G.; Afra; Fräultin Sperr; Nikodemus Klotz: Herr Häbener; Leander: Herr Hertzer; Strominger: Herr Oberlaender. Herr Charles Lamoureuxs der Leiter des ersten der im Neuen Königlichen Opern⸗Theater stattfindenden Sub skriptiong⸗Konzerte (4. Dezember), ist aus Paris hier ein getroffen und hat das Orchester von Herrn Kapellmeisters Robert Erben, der die Vorproben leitete, übernommen.
Im Schiller -Theater beginnt am Montag die Ausgabe der seit einigen Jahren mit Erfolg eingeführten Weihnachts- Abonnements. Diese Abonnements werden jeßt in zwei Serien ausgegeben, die erste wird nur Billets für Abendborstellungen enthalten, die andere nur Billets für die Ende Dezember beginnenden, an Wochentagen Nach- mittags stattfindenden Schülervorstellungen.
Der hiesige Verein, Nederland en Oran e- veranstaltet am Sonntag, Mittags 12 Uhr, im Beethoven-Saal ein Wohl⸗ thätigkeitt Konzert zum Besten der Invaliden und der Hinter bliebenen seiner in Süd⸗Afrika kämpfenden bezw. gefallenen Stammes⸗ genossen. Mitwirkende sind:; das Symphonie ⸗Orchester, die Damen Tilly Koenen, Anna Corver und W. Arendts (Gesang), Frau van Lier Coen (Klavier), Herr van der Berg (Gesang) und das Hollaändische Trio der Herren C. V. Bos, van Veen und van Lier.
Jagd.
Morgen, Freitag, findet Königliche Parforce⸗Jagd statt. Stelldichein: 125, Uhr am Jagdschloß Grunewald, L/ Uhr am Saugarten.
Mannigfaltiges.
Berlin, den 30. November 1899.
Das Königliche Polizei⸗Präsidium giebt bekannt, daß an Stelle der Polizeiverordnung vom 11. März 1896, betreffend die An⸗ gabe des Namens der Geschäftsinhaber auf den Laden- schildern, am 1. Januar 1900 laut Artikel 9 des Einführungs gesetzes zum Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 die folgenden FS§ 15a und 118 Ne. 14 der Reichs⸗Gewerbeordnung treten:
§ 15a. Gewerbetreibende, die einen offenen Laden haben oder Gast, oder Schankwirthschaft betreiben, sind verpflichtet, ibren Fa—⸗ miliennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen an der Außenseite oder am Eingange des Ladens oder der Wirtbschaft in deutlich lesbarer Schrift anjubringen. Kaufleute, die eine Handels firma führen, haben zugleich die Firma in der bezeichneten Weise an dem Laden oder der Wirthschaft anzubringen; ist aus der Firma der Familienname des Geschäftsinhabers mit dem ausgeschriebenen Vor⸗ namen zu ersehen, so genügt die Anbringung der Firma. Auf offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und Kommandit⸗ gesellschaften auf Attien finden ditse Borschriften mit der Maßgabe Anwendung, daß für die Namen der persönlich baftenden Gesellschafter gilt, was in Betreff der Namen der Gewerbetreibenden bestimmt ist. Sind mehr als zwei Betheiligte vorhanden, deren Namen hiernach in der Aufschrift anzugeben wären, so genügt es, wenn die Namen den zweien mit einem das Vorhandensein weiterer Beibeiligter andeutenden Zusatz aufgenommen werden. Die Polieibebörde kann im einzelnen Falle die Angabe der Namen aller Betbeiligten anordnen.
z 1435 Nr. 14. Mit Geldstrafe bis zu ein bundertundfünzig Mark und im Unvermögenssall mit Haft bis ii vier Wochen wird bestraft, wer den Vo schriften des §5 1852 juwider bandelt. Sewerbe⸗ treibende, welche einen offenen Laden baben, und diejenigen, welche Gast⸗ oder Schankwirtbschaft betreiben, werden aufgefordert, die dier nach erforderlichen Aenderungen in der Aufschrift ibrer Ladenschilder zur Vermeidung der Bestrafung rechtzeitig vorzunebmen.
A. F. — Die voltkswirtbschaftliche und soziale Be⸗ deutung einer starken Flotte für Deutschland * dedandelte Professor Dr. Schmeller am Mittwoch Abend im Oberlichtsaal der Philharmonie vor emer jzablreichen Zubörerschaft. Den Zasammen⸗ ang zwischen Wirtbschafts«, Handels und Kolonialpolitik einerieins und den großen Fragen der Bevölkerun gs junabmen andererseits nach zuweisen, erklärte der Redner für die Aufgabe seines Vortras. Gm großer deutscher Nationalökonom und scharfer Denker Roc Waere hat in einem gewissen Gegensaß zu Darwin die Entitedang der Raffen in Bejlebung gesetzt zu den Wanderungen der Bevölkerungen. Nach ibm ist das Wandergesez das Grundgeseß der Welt zeschtckte, nend Wagner bebält nach Meinung des Vortragenden Recht mit dieser Ansicht, wenn man seinen weiteren Ausführungen des Gedanken folgt, wonach sich in dem Wanderprezeß drei große O wochen unterschelden lassen, eine jede dom entscheidend ten Einfluß auf die Entwickelung der Measchbeit Die umfaßt die großen Stammerwandernngen n deren letzter Accord die Völkerwanderung ans Ning folgt eine Gpoche von überwiegendem Stilstand, die idren Oö depnr kt in der Zeit von 1800 bit 150 fiadet Sie wird adgelsst don der Zeit der großen Wasserwanderungen, in der wir mittentnae Feber. Vatiert diese jängfte Cpoche auch weiter zur durch die Entdeckung deg Seewegd nach Duindten nnd Amertkaz empfing, so waren ihre Lebensdaßerungen doch in den ersten swei Jabrbhunderten noch verbältnißmäßtg gering. Die Zabl der de 1 M aus Europa Ausgewanderten ist mit J bis 1 MiNdion doch dersn Raagt. Erst mit den großen Erfindangen der Technik begann die Gdoche der Wasserwanderungen großen Stils. Mit idnen im engsten Jalammen hang stebt das Wachttbhum der Bedölferungen, das n der Lzten 200 Jahren einen Umfang angenommen Dat wie, mee, fare, in der Entwickelung der Wenschdeit. Za Larder d Jetken derne ganz Europa kaum mehr als & - 0 Milte aen Cinwednet, odzel Tem- wie bel der Geburt Cbhrtsti, nur in anderer Bertdei ang At dens d Bis Loo batte sich diese Berölkeruang anf 1M. di auf 189 Milllonen bermebtt, im Jadre 1M wied dee nde seßene Bevdlkerungz Europas 330 - 880 Nintentn betragen. Seitn hn Zeir der 8 Blütde des römischen Reicoht; de deand nich dm näbernd eine Dichtigkeit der Beddlkerung wie deute aut der glenhen Gebiet. er Orbis terrarum des Wasustuß war Diemen, Feber als Deutschland, und wie dedor ugt derch lime and Bederd deafsen.
beit! Troßdem Üüderstieg seine Beddkerung nickt d — * Men wdnen.