2 Verdäe
6 ,, n in der gleichen Liebe zum Reichskanzler Fürst zu Hohen lohe⸗Sch illingsfürst: Ich muß meinem lebhaften Bedauern Ausdruck geben, daß eine Rede Seiner Majestät des Kaisers einer solchen Kritik unterzogen worden ist. (Unruhe links) Jene Rede, welche durch die politische Lage hervorgerufen wurde, enthält dasselbe, was gestern von diesem Tisch aus näher dargelegt worden ist. Sie ist der Ausdruck der Sorge des Monarchen für die Macht und das Ansehen des Vaterlandes. Bel der großen Stellung, welche der Deutsche Kaiser, der gleich- zeitig König von Preußen ist, einnimmt, kann es Ihm nicht verwehrt werden, für große Ziele das deutsche Volk zur Einigkeit zu ermahnen und Seinen Wünschen einen kräftigen prägnanten Ausdruck zu geben. (Lebhaftes Bravo rechtz. Lebhafte Zurufe linkg. — Glocke des
Prãsidenten.)
räsident Graf von Balle strem: Ich habe schon früher erklärt, daß Reden Seiner . welche in authentischer Form, also z. B. im „Deutschen Reichs ⸗ ĩ rührung in den Üeußerungen der Reichstagsmitglieder nicht verwehrt werden kann. Ich würde der hohen Bedeutung, die der Deutsche Kaiser im politischen Leben einnimmt, glauben ju nahe zu treten, wenn ich ben bedeutsamen Aeußerungen, die Er thut, nachdem sie in authen⸗ tischer Form bekannt gegeben worden sind, eine so geringe Wichtigkeit beimessen würde, daß ich sie hier nicht erwähnen ließe. Natürlich muß dies in pasfender Form geschehen, und ich habe zu erklären, daß der Herr Abg. Pr. Lieber diese Form nach meiner Ansicht beobachtet hat. Das muß ich gegenüber dem Herrn Reichskanzler sagen.
Abg. Graf zu Limburg Stirum P. kons.): Ich halte eine Kritik der Worte des Herrschers durch die Parlamente für unzulässig und werde an dieser Auffassung festhalten. Ich stimme aber mit Herrn Lieber darin überein, daß die Finanzlage keineswegs eine glänzende ist und zu äußerster Vorsicht auffordert. Wenn wir in den nächsten 16 Jahren eine dauernde Steigerung der ordentlichen Ausgaben um gz Millonen aus der neuen Flottenvorlage haben werden und dem gegenüber nur die Hoffnung auf entsprechende Besserung der Einnahmen steht, so ist Vorsicht doppelt geboten. Der Grund⸗ satz, den Herr Lieber von dem preußischen Finanz⸗Minister adoptiert hat, ist ein richtiger. Zum Etat übergehend, hebe ich hervor, was ich schon öfter erwähnt habe: die Parlamente sind in ihrer Finanzkontrole unfähig, wirkliche Sparsamkeit in der Finanzverwaltung zu fördern. Die politische Tendenz entscheidet, wir können wohl ein⸗ mal sparsam sein, wo es sich um einen Bau handelt; aber die wahre Sparsamkeit können wir nicht üben, wir sind nicht im stande, zu beurtheilen., ob eine Verwaltungsorganisatign richtig ist oder nicht. Es fehlt im Reiche an einer kräftigen Finanz- instanz. Der Schatzsekretär soll es sein, aber diese Per⸗ sönlichkeit ist nicht mit den genügenden Machtbefugnissen ausgestattet. Der preußische Minister hat auch einen Etat zu balancieren; das braucht der Schatzsekretär nicht, der hält sich schließlich an die Matrikularbeiträge. Es könnte ja der Reichskanzler, wenn er seine Macht dem Staatssekretär zeigt, diese Befugniß ausüben; aber Sie haben doch nicht die Garantie, daß wir immer eine potente Person in der Stelle des Kanzlers haben. Wir müssen also organische Ein⸗ richtungen haben, welche dem Schatzsekretär den Rücken stärken. eine feste Abgrenzung der Finanzen des Reichs von den Finanzen der Einzel⸗ staaten. Ich glaube, daß Ihnen (zum Zentrum) der jetzige Zustand an ⸗ genehmer ist, daß das Reich kein Defizit haben kann. Aber auch Sie werden einmal im eigenen Interesse zu dieser festen Abgrenzung kommen, und ich hoffe um so mehr darauf, weil das auch den föderativen Grundsätzen des Zentrums entspricht. Welche Gefahr liegt in der steten Gefährdung der Finanzen der Einzelstaaten durch die Matrikular⸗ beiträge! Zur Jeit des Fürsten Bismarck hieß es, das Reich solle nicht Kostgänger bei den Einzelstaaten sein. Es müßte doch auch für das Zentrum besser sein, sich eine neue Garantie für eine sparsame Wirthschaft im Reiche durch solche festen, organischen Ginrichtungen zu beschaffen. Der Post⸗Stat wirft einen bedeutenden r. ab. Aus dem Zustand einer Zuschußverwaltung ist er im Laufe der Jahre herausgekommen. (Dieser Theil der Ausführungen des Redners geht großentheils unter der Unruhe im Hause für die Tribünen verloren.) Das Auswärtige Amt hat seinen Etat in sehr vortrefflicher Weise aufgestellt. Das Bedürfniß nach neuen Legations⸗Sekretären ist aber doch wohl nicht so dringend, wie im Etat, namentlich mit Hinweis auf andere Staaten, geltend gemacht wird; die Deutschen arbeiten immer mehr als Andere. Auch das neue Haus für das Kolonialamt konnte mit einer Million , gespart werden. Sonst wird an dem Stat nichts abzustreichen sein. Außerdem steht der Etat des Auswärtigen Amts unter dem Schilde des Wohlwollens, welches ihm der Vertrag mit Samoa ein⸗
etragen hat. Haben die diplomatischen Verhandlungen unter den . Zuständen, die nicht mehr über das Prestige des Fürsten Bismarck gebieten, zu solchen Erfolgen geführt, so ist das mit doppelter Freude zu begrüßen. Samoa ist ein Ländchen, nicht groß, aber para—⸗ diesisch schön; wir bekommen den einzigen guten Hafen, den die Inseln aufzuweisen haben. Das Entscheidende sind hierbei überhaupt nicht die nackten Zahlen. Hätte im Jahre 1880 der Reichstag die Samoa⸗ vorlage des nut Bismarck angenommen, so wären alle die Schwierig⸗ ast 20 Jahre lang unsere auswärtige Politik kom⸗ pliziert haben, nicht entstanden. Für die Verwaltung wird die Entsendung des richtigen Mannes dorthin, der auch die Ein⸗ eborenen richtig zu * , weiß, von besonderer Bedeutung ö Hoffentlich sind beim Samoavęertrage nicht noch geheime Nebenabreden getroffen worden, die den . des Ganzen beeinträch⸗ 66 unter diesem Vorbehalt stimme ich dem Vertiage zu. Auf⸗ fallend ist, daß die für die neue Gesellschaft im Hinterlande von Kamerun gegebene Konzession Veranlassung gab, daß die Konzessionäre r damit an die Börse gingen und sie in klingende Münze um⸗ etzten; um so mehr will h offen, daß nicht Aehnliches im Hinter⸗ e,, des Samoavertrags spielt. Die Meistbegünstigungspolitik der merikaner ist dem deutschen Volk höchst ungünstig gewesen, jede Reziprozität wurde verweigert; wir sollen immer Extrakonzessionen geben. Das können wir nicht. Es nützt uns auch garnichts, wenn wir den Amerikanern . sie gehen deshalb in ihren Prätensionen nur weiter. ir haben uns aus Besorgniß vor noch stärkeren Chikanen diese . Behandlung gefallen lassen. Die Botschaft des Praͤsidenten Meginley enthalt a herzliche Worte für un, wie der Stgattsekretär meint; mir scheint, es sind die Worte des Mannes, der bekommen hat, was er bekommen wollte; es scheint, altz ob wir uns in der Frage der Fleischeinfuhr mit den Kontrolen zufrieden geben sollen, welche die Amerikaner gewähren wollen, denn wir sind auf die gemeinsame Kommission eingegangen. Der Kanjler hat auf dem Diner des „ Geographischen Kongresses geäußert, Deutsch⸗ land wäre auf dem Wege zum Industriestaat, und er als Agrarter empfinde das mit. Ein Agrarier ist noch nicht der, der großen Besitz hat, ondern ein Agrarier ist ein Politiker, welcher die Wichtigkeit der andbevölkerung und deß platten Landes für das Ganze anerkennt und zur Grundlage . Pelitik macht. Wir stimmen darum mit dem Motto: ‚Deutschland Industriestaat“ nicht überein. Die In⸗ dustrie arbeitet mit kolossalen Mitteln und erzeugt viel größere Reichthümer alg die Landwirthschaft; aber die Statistit kann solche 3 nicht entscheiden. Ohne die landwirthschaftliche Bevöllerung Fnnen wir den Kern unserer Bevölkerung nicht aufrecht er⸗ ß auch die Industie es immer schwerer aben, ihre Arbeiter zu erhalten. Darum muß vor einem solchen ndustrie laat ewarnt werden. Wir sind nicht davon überzeugt, daß der Reichskanzler den Ernst der Situation vollkommen 5. Wir konnten von dem UÜberalen süddeutschen Polltiker, als er als Reichskanzler ans Ruder kam, nicht erwarten, daß er ganz unserer
keiten, welche
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den letzten Jahren die über ele er fl Schwierigkeiten hinwe
nzeiger“, verkündet werden, eine passende Be⸗
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nicht, daß er eine kraftvolle Initiative ergreifen en wenigsteng, daß er an dem status quo nichts emgegenüber müssen wir leider konstatieren, daß in rng bei verschiedenen Gelegenheiten, um ukommen, von ihren Machtbefugnifsen brockenweise weggegeben bat. Die Flottenfrage hängt aufs engste mit unserer , ,. zusammen. Vom Standpunkt des Parlamentarlerg könnte man sagen, wir sind in der Sache festgelegt. Nachdem wir vor 15 Jahren die Sache so gemacht haben, müssen wir dabei bleiben. Ich muß anerkennen, daß Herr Lieber sich auf diesen Standpunkt nicht gestellt, sondern anerkannt hat, daß mit der Entwicklung der Dinge auch die damaligen Anforderungen möglicher Weise hinfällig werden können. Die Verhältnisse haben sich seit zwei Jahren nicht an fi . Dir Beziehungen der Staaten und deren Macht- verhältnisse waren damals genau dieselben wie heute. Aber eg sind Thatsachen uns vor Augen gekommen, die uns gezeigt haben, daß wir damals die Verhältnisse nicht ganz vollkommen Üüberschauten und voll⸗ kommen richtig erkannten. Wir müssen auch als Parlamentarier, die sich sonst sehr 2 eine gewisse Unfehlbarkeit zulegen, zugestehen, daß auch unser Wissen im höchsten Grade Stückwerk ist, daß wir die damalige Situation nicht bollkommen überschaut haben. Der spanische Krieg und der jetzige Krieg in Afrika giebt uns zu bedenken, ob wir nicht verpflichtet sind, den Vorschlägen der Regierung zu folgen und unsere Flotte erheblich zu verstärken. Seit Gruͤndung des Reichs ist die Wichtigkeit des Seeverkehts ganz kolossal gestiegen. Ich erinnere nur an die Blockade. Stellen Sie sich vor, was heute eintreten würde, wenn unsere sämmtlichen Handelsschiffe auf See weggenommen, unsere Häfen blockiert würden, wir würden dadurch aufs schwerste ge⸗ schädigt werden. Anders wäre es, wenn das Seerecht nicht fo elastisch wäre, wie es jetzt der Fall ist. Das See recht der anderen Staaten, z. B. Englands, ist darauf be⸗ rechnet, im Fall eines Krieges nicht allein den Gegner voll—⸗ ständig zu vernichten, sondern auch die neutralen Staaten zu schädigen. Darum müssen diejenigen Staaten, welche sich nicht unterdrücken lassen wollen, sich selbst die erforderlichen Machtmittel verschaffen. Dazu kommt die Wichtigkeit der überseeischen Kabel. Würde nicht ein mächtiger Feind zur See sagen können: ebenso wie wir den Schiffsverkehr abschneiden, ebenso fühlen wir uns berechtigt, auch den Kabelverkehr zu verhindern? Daher kann ich nur sagen, ich bin mit meinen politischen Freunden sehr gern bereit, mitzuwirken an einer Verstärkung der Flotte. Der Hauptgrund für unsere Besorgniß bei einem eventuellen Kriege zur See ist die Stellung, welche England uns gegenüber in den letzten Jahren eingenommen hat. Es ist völkerpfychologisch merkwürdig zu beobachten, wie die Antipathien unter beiden Völkern von Jahr zu Jahr gestiegen sind. Dies ist ge⸗ schehen . der großen Sympathien, welche die einzelnen Engländer bet uns finden, und der Verwandtschaft unter den Staatsoberhäuptern. Die englische Politik ist uns gegenüber eine sehr mangelhafte; seit⸗ dem wir in wirklich bescheidener Weise versucht haben, unseren An⸗ theil am Kolontialbesitz zu erhalten, ist man dem von englischer Seite immer wieder und wieder in unrichtiger Weise ent- gegengetreten. Das englische Volk hat eben das Gefühl, daß die englische Politik berechtigt sei, alles das zu nehmen, was es noch nicht besitzt, und sich dort festzusetzen. Unsympathisch ist da⸗ bei noch, daß das Alles unter der Firma von Religion und Zivili⸗ sation geschieht. Der Cant wird für diese Politik benutzt, und das hat große Antipathien erzeugt, auch in Bezug auf die Haltung der Engländer gegenüber den Buren. Wir haben nicht so sehr Sympathien für die Buren selbst, als für die Art, wie sie den Kampf führen. Das Beispiel der Geschichte zeigt, was große einfache Frömmigkeit bei solchen Leuten zu Wege gebracht hat. Ich erinnere an den Krieg der Holländer gegen die Spanier. Dasselbe Element macht sich jetzt auch bei den Buren geltend. Bei gleichen Waffen wird immer das fromme Volk das Uebergewicht haben. (Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten.) Auch Ste (links) werden das lernen, wenn Sie einmal in die Lage kommen. Von den Reden einzelner englischer Staatsmänner wird in der deutschen Presse eigentlich zu viel Aufhebens gemacht; es sind vielfach Wahlreden ꝛe. Ich erinnere z. B. an die Gladstone'sche Rede in der Herzegowing⸗Frage. Die Rede detz Staatssekretärs Grafen von Bülow hat mich insofern gefreut, als sie in altbewährte Politik einlenkt und auf unsere guten Be—⸗ ziehungen zu Rußland zurückgreift. Was unsere Marine betrifft, so müäfsen wir alles leisten, was unsere Werften in gutem Stand halten und die Bemannung der Schiffe auf der alten Höhe erhalten kann. Die deutsche Flotte ist augenblicklich so gut, wie deutscher Fleiß und deutsche Intelligenz ein Institut nur machen können. Ich halte es aber für nöthig, dem hinzuzu— fügen, daß wir auch unser Landheer in derselben Güte erhalten müssen. Ihm verdanken wir die großen Erfolge in den sechziger und siebziger Jahren. Es ist Manchem doch sehr zweifelhaft, ob mit der zweijährigen Dienstzeit in Wirklichkeit das Landbeer so ausgebildet werden kann, wie es nothwendig ist, wenn wir es einmal mit einem ,. zu thun haben, der eine langjährige Dienstzeit eingeführt hat. as Volk theilt nicht die Ansicht, daß unsere Zukunft auf der See liegt. Unsere Zukunft ist und bleibt immer auf dem Lande, sowohl in der Entwickelung der Landwirthschaft wie der Armee. Wirkliche Verbindungen mit Anderen können nur auf dem Lande stattfiaden. Wenn wir uns aber allen diesen Verpflichtungen nicht entziehen können, dann müssen wir das Reich sparsam verwalten und dafür sorgen, daß man auch in den Einzelstaaten mit den vorhandenen Ein— nahmequellen vorsichtig umgeht.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Graf von Bülow:
Meine Herren! Ich möchte aus den Gründen, die ich gestern vor dem Eintritt in die Tagesordnung angedeutet habe, jetzt nicht auf das Samoa · Abkommen eingehen. Das aber kann ich schon jetzt mit aller Bestimmtheit erklären, daß die Abkommen wegen Samoa keinerlei ge⸗ heime Klauseln noch geheime Bestimmungen enthalten, weder politischer noch wirthschaftlicher Natur und daß mit diesen beiden Abkommen keinerlei Verpflichungen irgend welcher Art übernommen worden sind, weder politischer noch wirthschaftlicher Natur, weder gegenüber England noch gegenüber Amerika. (Beifall rechts.)
Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe⸗Schillingsfürst: Der Herr Graf zu Limburg⸗Stirum hat gesagt — ich war damals nicht im Saale anwesend — ich hätte ihn und seine Freunde enttäuscht, indem ich das Verbindungsverbot zur Aufhebung gebracht hätte. (Widerspruch rechts) Ich glaube für diese Aeußerung die Erklärung in einem Organ der konservativen Partei gelesen zu haben. Jenes Organ sagte: Wenn Fürst Hohenlohe nicht die Aufhebung des Verbindungsverbots bringt, muß er zurücktreten. (Hört, hört! links.) Das war eine Erwartung, die ich allerdings getäuscht habe. Daß ich damit den Herrn Grafen enttäuscht habe, thut mir leid (Heiter⸗ keit); daß ich alle seine Freunde enttäuscht haben sollte, das kann ich nicht glauben. Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Freiherr von Thielmann: . Der Herr Abg. Dr. Lieber hat im Verlaufe seiner eben gehaltenen Rede auf die Schätzungen der Ginnahmen fur das kommende Jahr angespielt und hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe — diese Kautel will ich vorausschicken — gesagt, es schiene ihm, als ob die Ginnahmen mit Absicht hoch angesetzt seien, um die Deckung der erhöhten Ausgaben leichter zu ermöglichen. Ich kann dem Herrn Abgeordneten die Versicherung geben, daß die Schätzung der Ein⸗
ändern würde.
ziffern. Und wenn der Herr Abgeordnete bi. iat bat, die Budget ˖ kommission werde sich dlese Zahlen 9e = müssen, so stimme ich dem aus vollem Herzen bet; l n der Kommission das, was ich soeben gesagt habe, benin vn ⸗⸗ *
Ferner haben die Herren bg. Dr. Lieber und Graf zu Limburg Stirum bemängelt, daß von den geschätzten Einnahmen der Post nicht gleich ein Abzug gemacht worden sei für die demnächst in Kraft tretenden Tarifermäßigungen. Es ist ein alter Grundsatz unsere Etatgrechts und dieses hohen Hauses, daß solche Gesetze, welche zur Zeit der Etatsvorbereitung noch nicht verabschiedet sind, bei der Etats. vorbereitung auch nicht berücksichtigt werden. Es wird möglicherweise bei der Post durch die Tarifermäßigungen elne kleine Verringerung der Mehreinnahmen eintreten; ich gebe aber zu bedenken, daß jede
Tarifermäßigung auf Verkehrsgebieten, namentlich in diesem Falle, wo
die Privatvosten zu Gunsten der Reichspost in Wegfall kommen, auch erhöhten Verkehr und damit wieder höhere Einnahmen nach sich zieht. (Sehr richtig! und Hört, hört! links.) ;
Abg. Bebel (So)) erklärt zunächst, er werde auf die vier Reden von gestern im Zusammenhange seiner Ausführungen näher zurück⸗ kommen; zunächst gelte es, den Etat etwas schärfer zu kritisieren, als es bisher gescheben sei. Die Finanzen ständen nach Ansicht des Schatz sekretärs in vollster Blüthe. Die Prosperitätsepoche aber, in der man lebe, dauere schon weit länger an als sonst, es könne plötzlich ein Rück schlag und eine Ebbe eintreten. Die Ueberschüsse zerflössen außerdem dem Reichs · Schatzsekretär unter den Fingern, sie verwandelten sich unter seinen Händen in Defizite; trotz des Ueberschusses solle wieder eine Anleihe von 76 Millionen aufgenommen werden. In ken letzten 12 Jahren habe man nur zwei schlechte Finanzjahr et die Schuldenlast sei aber von 750 auf 2360 Millionen gestlegen. Die Matrikularbeiträge seien in diesen Etat init 526 Millionen, die Ueberweisungen nur mit 514 Millionen eingestellt. Die Finanzgebarung der letzten 12 Jahre, insbesondere der letzten 6 Jahre, habe gerade die Zentruͤmspartes auf dem Gewissen; sie habe mit Scheffeln gemessen, wo früher die Nationalliberalen nur mit Metzen gemessen hätten; und auch in Bezug auf die neue Flottenvorlage sei ibr Bewilligungseifer weit größer als ihre Ablehnungtentschlossenheit; und die Erwartung, daß der Reichstag wegen der Ablehnung werde nach Hause geschickt werden, scheine nicht in Erfüllung zu gehen, weil die Floltenvorlage durch das Zentrum bewilligt werden würde. In diesen 12 Jahren seien die Ausgaben für Heer, Marine, Reichsschuld in ganz kolossaler Weise prozentual gestiegen; die Bevölkerung sei um 14 06ü0, die Aus- gabe für Heer um 40, für Flotte um 100, für Reichsschuld um 160 060 gestiegen. Der Reichtbum der Nation sei lange nicht in dem Ver⸗ hältniß gestiegen, um diese ungeheure Ausgabensteigerung zu recht- fertigen. Die Pensionelast steigere sich bei Militär und Marine in noch erheblicherem Maße, waͤhrend der Pensions ⸗ Etat für die Zivilbeamten gefallen sei. Die Kolonien spielten in den neuen Flotten plänen eine große Rolle; man thue so, als ob da Wunder was zu holen sei. Würde man eines Tages sämmtliche Kolonien los, so verlöre man nicht so viel, als schon für dieselben bezahlt sei. Das sei alles nach seiner (Redners) festen Ueberzeugung weggeworfenes Geld. Die Kolonien kosteten in diesem Etat 143 Millionen, abgesehen von Kiautschou; dazu 2 Millionen Nachträge aus früheren Jahren; dazu die Kosten füc dle Dampferlinien u. s. w., kurz, im Ganzen 30 Millionen Mark, während der ganze Handel mit diesen Kolonien, außer Kiautschou, die Einfuhr nach Deutschland 4617 000, die Ausfuhr 10 Millionen be⸗ trage, darunter noch das Silber und die Lebensbedürfnisse, welche für die Beamten nach den Kolonien geführt würden. Der Gesammt⸗ handel Deutschlands habe sich i. J. 1898 auf 94 Milliarden belaufen; davon sei der Kolonialhandel der 700. Theil. Der Handel nach Kiautschou solle schon sehr erfreulich zugenommen haben. Zahlen habe aber der Staatssekretär von Thielmann nicht ang sübrt. Man hahe dort eine Garnison von 1700 Mann und Beamte und Kaufleute, also herrsche in Schantung ein relanio erheblicher Umfatz und Verkehr, aber leider auf Reichskosten. Im Gegensatz zu den günstigen Schilderungen des dortigen Klimas stelle sich jetzt heraus, daß Kiautschou ein wahres Fiebernest sei, daß von 100 Deutschen nur 20 Aussicht hätten, heil und gesund nach Deutschland zurückzukehren. Amtlich werde zu freiwilligem Eintritt in die Feldbatterie Klautschon durch ein Zirkular aufgefordert, welches auch aa ein Parteiblatt ge⸗ langt sei, der Andrang zu diesen Kommandos könne also doch nur ein mäßiger sein, und die Ersatzmannschaften seien nicht mehr auf dem gewöhnlichen Wege zu erlangen. Der deutsche Handel in Ost⸗Astien habe sich in den letzten Jahren nur mit Mühe und Noth auf seiner bisherigen Höhe erhalten lönnen bei der großen Konkurrenz, die sich dort entwickelt habe, und diese Lage werde sich in Zukunft nicht bessern. Der deutsche Handel habe allerdings riesen hafte Fortschritte gemacht, ein Zeugniß für die Tüchtigkeit der deutschen Kaufleute und Arbeiter, aber die Flotte habe zu diesem Wachsthum so gut wie garnichts beigetragen. Baher sei es wohl gekommen, daß die Hamburger, Bremer u. s. w. Kaufleute sich sehr lange besonnen hätten. für die Kolonien Propaganda zu machen. Heute schon klagten die Rhedereien, daß ste kein Maschinenpersonal, keine Heizer, keine Beamten mehr bekommen könnten, weil die Marine ihnen alles wegnehme. Die ganze seemännische Bevölkerung sei schon derart in die Marine eingereiht, daß er (Redner) nicht wisse, woher die Flottenverstärkung das nöthige Material bekommen solle; aber bekomme 6. et, dann gehe es der Handeleflotte verloren. Schon am 15. Dezember v. J. habe er (Redner) darauf aufmerksam gemacht, daß ein neuer Flottenplan im Werke sei, man habe nur Fiemanden gefunden, der die Verantwortung tragen wollte. ‚Daß ein solcher Plan kommt, steht für mich felsenfest ?, habe er (Redner) damals hinzugefügt. Der Abg. Lieber habe darauf erwidert, ein solcher Plan könne nicht existieren, weil er nicht existieren dürfe, nachdem die bündigslen Erklärungen der Regierung in Bezug auf die Bindung abgegeben seien. Der Staaktgsetrefär Tirpitz habe damals ge⸗ schwiegen und erst in der Budgetkommission vom 11. Januar erklärt, daß big jetzt an keiner Stelle die Absicht hervor⸗ getreten sei, einen neuen Flottenplan vorzulegen, sondern daß an allen in Betracht kommenden Stellen die feste Absicht bestehe, an dem Gesetze festzuhalten. In seiner gestrigen Rede habe er dagegen ausgeführt, daß auf seinen . Dezember die Entscheidung getroffen worden sei, daß zwar einer Vermehrang näher getreten, aber vorher der Versuch gemacht werden sollte, daz Gesetz durchzuführen. Davon habe der Staatssekretär damals im Januar nichts gesagt. Er habe vielmehr damalz gesagt, wir erhielten mit dem Flottengesetz eine Macht, gegen die offenfiv vorzugehen selbst eine Seemacht ersten Ranges sich dreimal bedenken würde. Die deutsche Flotte würde im europäischen Konzert ein Machtfaktor sein, die i. J. 1904 aufgehört haben würde, eine quantité négligeable zu sein. Derselbe Staatssekretär, der hier nachzuweisen versucht hätte, welche geradezu enormen Vortheile die Bindung habe für die Macht des Deutschen Reichs, habe gestern, zwanzig Monate später, in einer elnzigen Spalte seiner Rede nicht weniger als dreimal mit Be⸗ dauern von der Fessel der Limitierung des Flottengesetzes ge⸗ sprochen. Man sei nunmehr glücklich bei den uferlosen Flotten ⸗ plänen! angelangt. Ohne daß eine Vorlage gemacht worden fei, also streng genommen gegen die Geschäftsordnung, hätten die Herren Bundesrathsvertreter von der garnicht vorhandenen Flotten⸗ vorlage gesprochen. (Prästdent Graf von Ballestrem: Nach der Verfafsung, welche über der Geschäftgordnung stehe, müßten die Vertreter der verbündeten Reglerungen stets gehört werden; dies be⸗ merke er (der Praͤsident) zu seiner Rechtfertigung. Er (Redner) er. kenne das vollständig an. Ez sei eine „Marinekorrespondenz ins Leben gerufen; der Flottenverein habe in auggiebigster Weise sär die Erweiterung der Flotte mit Feuerelfer, besonders seit dem 18. Oktober agitiert, wobei felbst amtlicher Zwang nachdrücklich auggeübt worden sel.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
nahmen, wie sie im Etat für 1900 hier vorliegt, genau nach be⸗ rühmten Mustern geschehen ist, nach den bekannten Durchschnitts⸗
zm M 294.
(Schluß aus der Ersten Beilage) ,
Höhere Postbeamte hätten ihren ganzen Einfluß aufgeboten unter Mißbrauch ihrer Stellung, die Unterbeamten in den Flotten« verein zu zwingen. In dem kleinen rheinischen Städtchen Beeck habe sogar die Pollzeibebörde amtlich die Einwohner zum Eintritt in den Flottenverein veranlaßt. Das sei in der That neu. Erst nach der Rede vom 18. Oktober habe der Staatssekretär Tirpitz seine Rundreise nach Süddeutschland angetreten, um an den süd⸗= deutschen Höfen Vortrag zu halten. So selen auch die lex Heinze die Umsturj⸗, die Arbeitswilligenvorlage aus einer solchen impussiven Ein⸗ gebung hervorgegangen. Die deutschen Regierungen hätten ditser Thatsache gegenüber ihre verfassungsmäßige Stellung in merkwürdiger Weise gehandhabt. Der Bundeszrath sei ein Faktor, der nicht das sei, was er auf Grund der Verfassung sein sollte. Wenn die Flottenvorlage erledigt sein werde, werde wieder eine Militärvorlage kommen. 7900 Mann der letzten Vorlage rückständig. Dann werde man auch vielleicht die jweijährige Dienstzeit wieder beseitigen wollen. Von der U masse kostspieliger Einrichtungen und Bauten, welche mit der Flotten verdoppelung nothwendig zusammenhänge, habe keiner der Vertreter der verbündeten Regierungen und auch der Abg. Lieber nicht gesprochen. Da würden schließlich wieder die Steuern auf die nothwendigsten Lebensmittel der Massen herhalten müssen. Wenn heute eine Krise ausbreche, würden gerade die einheimischen Arbeiter aufs Pflaster geworfen; denn die Unternehmer hätten ja aus— ländische Arbeiter in Menge hereingezosen, um die Löhne zu drücken, die Organisationen zu zerstören. Das sei der Patriotismus der deutschen Unternehmer in seiner wahren Gestalt. Der „Vulkan“ habe die Arbeiterzahl vermindert und beute die verminderte Zahl durch unerhörte Ausdehnung der Arbeite zeit aus. Der ostpreußische landwirthschaftliche Zentralverein wolle bei der Regierung um die Einführung der Halbiageschule petitinnieren. Ihnen gehe ja die Bildung des Arbeiters viel zu weit. Nach der Meinung der Sozial demokraten fehlten aber in Deutschland Zehntausende von Lehrern und Schalhäusern, dafür seien die Mutel jetzt nicht da. Der Tuberkulose⸗Kongreß, der in diesem Saale getagt habe, babe Maß⸗ regeln vorgeschlagen, die für die Kultur weit mehr bedeuten würden als die Flottenvorlage; aber dafür habe man nichts übrig, nichts für die Arbeiter, nichts für die Organisation der Arbeiter, für ein Reichs⸗ Arbeitsamt. Die gläubige Christenbeit werde in einigen Wochen singen: „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“ Aber das Christenthum sei in diesem christlichen Staat längst eine elende Phrase geworden.
Staatesekretär des Reichs⸗Marineamts, Staats⸗Minister, Vize⸗Admiral Tirpitz:
Meine Herren! Ich werde der großen Zahl von Vorwürfen und irreleitenden Behauptungen des Herrn Vorredners nicht in gleichem Umfange erwidern können. Ich glaube aber doch verrflichtet zu sein, dieselben nicht ganz unwidersprochen in die Welt hinaus gehen zu lassen.
Der Herr Vorredner hat zunächst eine Reihe von Vorwürfen gegen mich persönlich ausgesprochen. Er hat unter anderem gesagt, ich hätte gewissermaßen mein Manneswort eingesetzt, daß wir in den nächsten sechs Jahren (Zurufe von den Sozialdemokraten — Glocke des Präsidenten) —
Ich habe dle Rede des Herrn Abg. Bebel zwei Stunden lang angehört, und ich glaube wohl das Recht zu haben, daß ich hier auch von Ihnen angehört werde, wenn auch nicht zwei Stunden lang, so doch einige Minuten. (Sehr gut! rechis) Meine Herren, der Herr Ang Bebel hat gesagt, ich hätte gewissermaßen mein Mannes wort eingesetzt, daß in den nächsten sechs Jahren keine weitere Flottenvorlage eingebracht werden solle. Ich weise die In— sinuation, die darin liegt, mit Entrüstung zurück. (Zuruf von den Sozialdemokraten — Glocke des Präsidenten Ein parla⸗ mentarischer Ausdruck dafür steht mir nicht zur Verfügung. Ich habe im Januar dieses Jahreß in der Budgetkommission nach bestem Wissen die Verbältnisse auseinandergesetzt, und ich hätte dort sicherlich nicht eine Erklärung abgegeben, so wie ich sie abgegeben habe, wenn ich geglaubt hätte, eg könnte schon jetzt eine Vorlage kommen. (Zuruf von den Sozialdemokraten) Die Verhältnisse haben sich aber, wie ich gestern die Ehre hatte, dem hohen Hause darzulegen, rapide entwickelt. Es ist mir, wie ich bereits ausgeführt habe, schwer genug geworden, an die Bearbeitung einer Novelle heranzutreten, aber ich nehme die volle Verantwortung dafür auf mich. (Zuruf von den Sozialdemokraten; sehr gut! rechte.) Wir sind durch den Druck der politischen Verhältnisse zu der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der Verstärkung der Flotte gekommen und mußten deshalb vorgehen, wie wir vorgegangen sind. Der Herr Abg. Bebel hat mir dann eine andere Bemerkung vorgeführt, die ich bei der ersten Lesung des Flottengesetzes hier gebraucht habe. Ich habe damals gesagt, daß, wenn wir diese Flotte hätten, auch eine See— macht ersten Ranges sich bedenken würde, offensiv gegen unsere Küsten vorzugehen. Das ist, wie ich ganz offen eingestehen will, kein glücklich gewählter Ausdruck gewesen. Dieser Punkt ist indeß in der Budget⸗ kommission eingehend behandelt worden. Ich habe dort auseinander⸗ gesetzt, — und das müßte der Herr Abg. Bebel genau wissen, — daß für eine Offensive gegen unsere Küste — rein numerisch betrachtet — nach meiner Ansicht die 15 bis 19 fache Stärke unserer Flotte erforder⸗ lich wäre. Der Herr Abg. Bebel braucht nur einen Flottenalmanach zur Hand zu nehmen, um sich zu informieren, welche Flotte im stande ist, gegen unsere Flotte, auch nachdem sie ihre jetzige Sollstärke erreicht hat, vorzugehen,
Der Herr Abg. Bebel hat unser Vorgehen ferner so darzustellen versucht, als ob wir von der Industrie geschoben worden wären. Das ist denn doch eine sehr elgenartige Behauptung. Als ich vor 2 Jahren das erste Flottengesetz ausarbeltete, war ich mir über die
Leistungsfähigkeit unserer Industrie nicht ganz im klaren. Als später
die Verhältnisse dringlicher wurden und ich es kommen sah, daß wir möglicher Weise sehr viel schneller zu einer Verstärkung der Flotte gezwungen werden könnten, als ich vor 2 Jahren angenommen hatte, bin ich persöalich herumgereist und habe mich über diese Frage bei den verschledenen Industrlen, die dabei in Betracht kommen, zu orientieren versucht. Ich habe bel dieser Gelegenheit in diskreter Weise die Leiter der besonders in Betracht kommenden Industtien
darauf aufmerksam gemacht, daß wir möglicherweise früher zu einer Verstäͤrkung unserer Marine gejwungen werden könnten, als ich es
seien ja noch von
Lire chen Reichs⸗ Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Am zeiger. ö.
Berlin, Mittwoch, den 13. Dezember
bisher angenommen hatte, und daß sie sich darauf einrichten möchten. (Aha! und hört! hört! links.) — Das war im Frübjahr und Soinmer dieses Jahres, als sich allmählich eine andere Auffassung über die Nothwendigkeit der Flottenverstärkung bei uns herausbildete.
Ich habe noch mehr gethan! Ich habe später eine Enquste veranstaltet über die Beziehungen unserer Schiffbauindustrie zu den Hilfsindustrien, die die Halbfabrikate für die Schiffbauindustrte liefern, und ich habe mich besonders dafür interessiert, in—⸗ wieweit man ein besseres Zusammenarbeiten herbeiführen könnte, als es bisher der Fall ist. Ich habe das sowohl für die Kriegs⸗ marine gethan als auch in dem Gedanken, daß es für die Entwicke⸗ lung unserer Seeinteressen von der allerzrößten Bedeutung ist, daß wir nicht nur diejenigen Schiffe bauen können, die wir selbst brauchen, sondern daß wir auch noch für daz Ausland zu bauen vermögen. Ich habe die erfteuliche Thatsache konstatiert, daß die Leistungsfähigkeit in jeder Beziehung erheblich höher ist, als ich früher angenommen hatte, und daß die Entwickelung in den letzten Jahren eine sehr starke ge⸗ wesen ist.
Meine Herren, die Auffassung ist grundverkehrt, die Marine—⸗ verwaltung wäre von der Industrle geschoben worden. Ich stehe in dieser Beziehung genau auf demselben Standpunkt, wie mein hoch— verehrter früherer Chef, General von Stosch, daß es Aufgabe der Marineverwaltung ist, die Schiff bauindustrie vorwärts zu schieben, nicht aber sich schieben zu lassen.
Es berührte mich auch eigenartig, daß der Herr Abg. Bebel immer nur die Interessen der Leiter der Industrie hervorhebt. Ich möchte glauben, es giebt im ganzen deutschen Volk keine Beruf klasse, die so große Interessen an der Flotte hätte, wie die Arbeiter. (Sehr richtig! rechts) Zunächst finden die Arbeiter beim Bau von Kriegsschiffen wie in den mit dem Bau von Kriegsschiffen jusammen⸗ hängenden Hilssindustrien reiche und gute Arbeitsgelegenheit. Es werden in diesen Berufen eine ganze Reihe von Millionen Ar— beitern beschäftigt. Weiter aber giebt es vielleicht nichts, was in dem kommenden Jahrhundert die Erhaltung, Blüthe und Aus— dehnung unserer Industrie so sehr bestimmen wird, wie die See⸗ geltung Deutschlands, und diese Blüthe der Industrie kommt «wieder den Arbeitern zu gute. Kommt es nun aber gar zu einem Seekriege, so würden wiederum die Arbeiter diejenigen sein, die am meisten unter dem Kriege zu leiden hätten, da sie bei einer Blockade in großem Umfang ihre Arbeitsgelegenheit verlören.
Vielfach herrscht die Auffassung, als ob ein moderner Krieg nur kurze Zeit dauern könnte. Ich will mich des Urtheils über diese Frage bezüglich eines Landkrieges enthalten. Aber der Natur des reinen Seekrieges widerspricht die Kürze der Dauer durchauß. Im Gegen. theil, ein reiner Seekrieg trägt die Wabrscheinlichkeit einer langen Dauer in sich, denn die Absicht eines solchen See— krieges, den Welthandel des anderen Staats zu vernichten, wird um so sicherer erreicht, je länger der Krieg dauert. Eine solche Vernichtung des Welthandels wird gerade durch eine Blockade in hohem Maße erreicht. Dieselbe läßt sich von dem Gegner mit verhältnißmäßig geringen Opfern aufrecht erhalten, so bald nur erst einmal die kleine deutsche Schlachtflotte vernichtet ist. Die Blockade würde zur Folge haben, daß viele Millionen von Ar⸗ beitern feiern müßten. Dies Feiern von Millionen Arbeitern in tausenden von bisher blühenden Industriejweigen würde die größten sozialen Mißstände herbeiführen.
Meine Herren, man hat es so dargestellt, als ob die Zufuhr von Rohmaterialien während einer solchen Blockade dadurch erreicht werden könnte, daß der nothwendige Import aus den Nachbarstaaten über Land ginge Es ist aber doch einfach unmöglich, solche Quantitäten von Rohmaterial wie die, um welche es sich hier handelt, auf den Eisenbahnen durch die Nachbarländer zu transportieren. Es ist ebenso wenig möglich, daß die Hafenplätze der kleinen neutralen Staaten diesen Durchgangkverkehr aufnehmen. Ganz abgesehen davon, daß ein mächtiger uns blockierender Seegegner sicherlich Mittel und Wege finden würde, dies zu verhindern, sind Rotterdam und Antwerpen heute bereits so überfüllt, daß sie außerdem noch den Riesenverkehr von Hamburg und Bremen garnicht zu bewältigen im stande wären. Nach Beendigung des Krieges, wenn unsere Absatzgebiete und Handelsverbindungen von den übrigen Rationen in Beschlag genommen sind, würden es wiederum die Arbeiter sein, welche den Hauptschaden trügen. Man kann sich die Folgen einer lange andauernden Blockade für einen Staat, der industriell so entwickelt ist wie Deutschland, garnicht schlimm genug vorstellen. Dann würde mit Sicherheit die Ver elendung der Massen eintreten. Ich enthalte mich des Urtheils, ob die Herren etwa glauben, daß eine solche Verelendung politisch günstig für Sie sei.
Meine Herren, ich habe vor einigen Tagen in einer sozialdemo⸗ kralischen Broschüre gelesen, daß die deutsche Sozialdemokratie sich
darüber wundert, daß die englischen Arbeiter der trantozeanischen Politik Englands ein so großes Interesse entgegenbrächten. Die Herren werden sich vielleicht auch darüber wundern, daß die englischen Arbeiter stets mit großer Energie für jede Flottenrerstärkung eingetreten sind. Was mich wundert, ist, daß gerade die Führer derjenigen Partei, welche die Inter- essen der Arbeiter zu vertreten behaupten, in so schroffer Weise gegen die Nothwendigkeit einer Verstärkung unserer Flotte agitieren. Meine Herren, man soll in politischen Dingen nicht prophezeien, aber ich wäre beinahe versucht, es in diesem Falle doch zu thun: es wird der Tag kommen, wo die deutschen Arbeiter (Lachen links) eine ähnliche Eikenntniß über die Bedeutung dieser Frage gewinnen, wie die englischen Arbeiter. Die älteren von den Herren mögen das vielleicht nicht mehr erleben, die jüngeren Herren werden es sicherlich thun. Die Arbeiter, für deren Wohl ich persönlich ein warmes Herz habe und für deren Wohl ich in meinem Ressort eintrete, soptel es mir möglich ist, werden hoffentlich sehr bald erkennen, daß ihre
3 we i te Beilage .
Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Dritte Beraihung des Telegraphenwege⸗Gesetzes, ö der Etatberathung.)
Literatur.
Im Verlage von Justus Perthes in Gotha sind soeben die . genealogischen Kalender für das Jahr 1900 erschienen. ⸗
Der neue ( 137.) Jahrgang des Genealogischen Hofkalenders nebst diplomatisch / statistischem Jahrbuche, der alljährlich auch in französischer Sprache unter dem Titel ‚AImanaeh de Gotha, Annuaire gönsalogique, diplomatique et statistique“ zur Aus- gabe gelangt, ist mit den Porträts Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen und Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Prin⸗ zelsin Ludwig von Bayern, des Fürsten Ernst ju Löwenstein. Wertheim Freudenberg und des Prästdenten der Franjösischen Republik Emile Loubet geschmückt. Im e, , n. Theile des Hofkalenders hat die Redaktion insofern eine Neuerung eingeführt, als sie, wie im Vorwort bemerkt mird, bei den . Regentenhäusern, bei den Familien der deutschen Standegherren und auch bei manchen anderen, nicht souperänen Fürstlichen Häusern Europas am Schlusse der histo4 rischen Einleitung, die sich über dem Personalbestande findet, angegeben bat, wie jedes der jüngeren Mitglieder des betreffenden Hauses heiße und welchs Prädikat (Hoheit, Durchlaucht ze) ihm jukomme. Eine weitere Inhaltsbereicherung bat dieser Theil dadurch erfahren, daß in den dritten Abschnitt auch die Genealogie derjenigen nicht souveränen Fürstlichen Häuser Europas, deren Namen in den letzten
Waben lediglich ein Hinweis auf frühere Jahrgänge beigefügt worden
ar, weil diese Familien der Redaktion keine Nachricht gegeben oder die Korrekturblätter nicht zurückgeschickt hatten, in diesem Jahre vollständig aufgenommen worden 6 Mit gleicher Sorgfalt wie der geneglogische ist unter Benutzung der amtlichen Veroͤffentlichungen der diplomatisch⸗statistische Theil behandelt, der in diesem Jahre durch die Aufnahme der Telephonstatistik bereichert ist, soweit über dieselbe zuverlässige Nachrichten zu erlangen waren. Die Ausstattung gleicht derjenigen der früheren Jahrgänge; nur das Format ist, um der durch das stetige Anwachsen des Inhalts drohenden Un- handlichkeit vorzubeugen, erheblich vergrößert worden.
Im 73. Jahrgang erschien das Gothaische Genealogische Taschenbuch der Gräflichen Häuser. Auch im Tt dieseg Bändchens sind alle seit der Herausgabe des letzten Jahrgangs eingetrétene! Veränderungen von der Redaktien mönlichst berück= sichligt. Die geschichtliche« Notizen haben vielfach Berichti⸗ gung, Ergänzung oder Vermehrung erfahren. Bei verschiedenen, sich verzweigenden Familen. (ö.. B. bei der Familie Moltke konnte die verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit durch bei gefügte Stammreihen nachgewiesen werden. An neuen Familien fanden die folgenden Aufnahme:; Bülow (.), Buttlar auf Branden- fels genannt Treusch, Dziedug; ycki (wiederaufgenommen), Faber Castell, Hagenburg, Holck⸗Winterfeldt, Trampe. Das Bändchen ist geschmückt mit dem Biloniß des Grafen Bernhard von Bülow, Staatesekretärg des Auswärtigen Amts des Deutschen Reichs und Königlich preußischen . zo. Zah ;
uch der neue 50. Jahrgang des Gothaischen Genealogischen Taschenbuchs der Freiherrlichen Häuser ist e ,. vermehrt, ergänzt und berichtigt. Neu wurden in diesen Jahrgang aufgenommen die Familien: Amelunxen, Blomberg (II. Linie), Ditfurth (A), Gangs zu Putlitz, Hanstein (K), gie , Knöringen (Knoeringen), Lepel (A.). Mandelsloh, Münchhausen (, erster Ast Neuhaus - Leitzlͤu und zweiter Ast, erster Zwelg: Perrengosserstedt von der Osten genannt Sacken, Restorff, Seidlitz (Seyrlitz B.), Senfft von Pilsach, von Wenge⸗Wulffen, von Witten⸗ borst . Sonsfeld. Vor dem Titel sieht man das Porträt des Freiherrn Georg von Rheinbaben, Königlich preußischen Staats. Ministerg und Ministers des Innern.
Das deutsche Vaterland im 19. Jahrhundert. Eine Darstellung der kulturgeschichtlichen und polirischen Entwickelung, für das deutsche Volk geschrieben von Albert Pfister. Mit 6 Karten. Stuttgart, Deutsche Verlags⸗Anstali Elegant gebunden, Pr. 8 A — Unter den in jüngster Zeit erschienenen Werken, die an der Wende des Jahrhunderts einen Rückblick auf dasfelbe werfen, ver= dient das vorliegende, eine besondere Beachtung. Der Ver fasser, der sich durch ö. militärischen Spezialforschungen einen ge⸗ achteten Namen erworben hat, zeigt darin seine Begabung von einer neuen Seite, von der eines kernigen, volksthümlichen Geschichtsschreibers. Seine Art, die geschichtlichen Ereignisse als die natürlichen Folgen bestimmter Zustände und Verhältnisse erscheinen zu lassen und fo die auch wissenschaftlich unhaltbare Schranke zwischen polttischer und Kulturgeschichte zu beseitigen, giebt stets ein klares und faßliches Zeit. . . , . 2 en 6 erscheint. a erk, ta t die weitesten Leserkreise bestimm wird alt Gabe jum Weihnachtsfest Vielen willkommen sein. ö — Unter der Kriegsflagge des Reichs. Eine Studie über Entwickelung und Aufgaben der deutschen Marine von Freiherr von Beaulieu Marcon nay, Oberleutnant im Infanterle Regi⸗ ment von . (3. Hessisches) Nr. 83, kommandiert beim Gr Generalstabe. n farbigem Umschlage, mit zahlreichen Text⸗ Illustrationen und Farbendrucken nach Aquarellen des Martme= malerg Professorg H. Bobrdt. Verlag von George . in Braunschweig. Pr. geh. 1,50 M — Bei dem jetzt in Deutschland mehr und mehr erwachenden Interesse für unsere Kriege flotte wird das vorliegende, auch äußerlich sehr gefällig ausgestantete Heft einer freundlichen Aufnahme begegnen. Der Verfasser hat nach zuder⸗ ag, Quellen in großen 7 gen das Entsteßen, Werden und Wachsen der deutschen Kriegsflorte dargestellt, schildert aber in enger
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Verbindung mit ihrem Werdegang zugleich a ie ö.
wickelung des Kriegeschiff baues ö . n,, . In leicht gersiand.
6 die der Panzerschiffbau durchlaufen hat.
Interessen nicht international, sondern mit dem Gedeihen ihres
Vaterlandes aufs engste verknüpft sind. (Unruhe links.)
icher Form führt er alle wissenswerthen Ei Var mannigfachen Schiff tztypen der e aber n ng über