1899 / 305 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 28 Dec 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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. § 98.

Dieselben Strafvorschriften G97) finden auf den Schiff smann Anwendung, welcher es unternimmt, dem Schiffer, einem Schiffs- offijier pber einem anderen Vorgesetzten durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand zu leisten oder den Schiffer, Einen Schiffsoffizier oder einen anderen Vorgesetzten thätlich

anzugreifen.

§ 99.

Wird eine der in den N, 98 bezeichneten Handlungen von mehreren Schifft leuten auf Verabredung gemelnschaftlich begangen, so kann die Strafe bis auf das Doppelte des angedrohten Höchstbetrags erhöht werden.

Der Rädelsführer sowie diejenigen, welche gegen den Schiffer, einen Schiffsoffizier oder einen anderen Vorgesetzten Gewalt thätigkeiten verüben, werden mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängniß von gleicher Dauer bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Poltzelaufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vor⸗ handen, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein.

§ 100.

Ein Schiffsmann, welcher solchen Befehlen des Schiffers, eines Schiffsoffiziers oder eines anderen Vorgesetzten den Gehorsam verweigert, welche sich auf die Abwehr oder auf die Unterdrückung der in den 7, 88 bezeichneten Handlungen beziehen, ist als Gehilfe

bestrafen. zu bestrafen .

§ 101. Mit Geldftrafe bis zu sechrzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft ein Schiffsmann, welcher 1) bei Verhandlungen, die sich auf die Ertheilung eines Seefahrts⸗ buchs, auf eine Eintragung in dasselbe oder auf eine Musterung beziehen, wahre Thatsachen entstellt oder unter⸗ drückt oder falsche vorspiegelt, um ein Seemannsamt zu täuschen; . unterläßt, sich gemäß § 10 zur Musterung zu stellen; im Falle eines dem Dienstantritt entgegenstehenden Hinder⸗ nssses unterläßt, sich hierüber gemäß § 16 gegen das See⸗ mannsamt auszuweisen; Gegenstände der im § 82 Abs. 2 bezeichneten Art oder solche Gegenstände, deren Mitnahme nach ar! verboten ist, an Bord bringt oder bringen läßt; 5) der vorläufigen Entscheidung eines Seemanns⸗— amts (5 115 AÄbs. 3) zuwiderhandelt; 6) vor den Seemannsamte sich ungebübrlich ben immt.

Durch die Bestimmung des Ab. ] Nr. 1 wird die Vorschrift

des 5 NI des Strafgesetzbuchs nicht berührt. § 102.

Wer wider besseres Wissen eine auf unwahre Behauptungen ge⸗ stützte Beschwerde über Seeuntüchtigkeit des Schiffes oder Mangel- bastigkeit des Proviants bei einem Seemannsamte vorbringt (8 53) und hierdurch eine Untersuchung veranlaßt, wird mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft.

Wer leichtfertig eine auf unwahre Behauptungen gestützte Be— schwerde über Seeuntüchtigkeit des Schiffes oder Mangelhaft gkeit des Proviants bei einem Seemannsamte vorbringt und hierdurch eine Kntersuchung veranlaßt, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert

Mark bestraft.“ § 103.

Ein Schiffmann, welcher vorsätzlich und rechttz⸗ widrig Theile des Schiffskörpers, der Maschine, der Takelung oder Ausrüstungsgegenstände oder Vor⸗— richtungen, welche jur Rettung von Menschenleben dienen, zerstört oder beschädigt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu ein⸗— tausendfünfhundert Marxk bestraft.

Der Ver such ist strafbar.

Die Berfolgung tritt nur auf Antrag des Schifers oder des Rheders ein.

§ 104.

Die Verhängung einer in' diesem Abschnitt oder durch sonstige strafgesetzliche Vorschriften angedrohten Strafe wird dadurch nicht ausgeschlosen, daß der Schuldige aus Anlaß der ihm zur Last gelegten That bereitz disziplinarisch bestraft worden ist. Jedoch kann eine erlittene Disziplinarstrafe, sowohl in dem Strasbescheide des See⸗ manntzam e ( 111), wie in dem gerichtlichen Strafurtheile bei Ab⸗ messung der Strafe berücksichtigt werden.

S 106. Der Schiffer, Schiffsoffizier oder sonstige Vorgesetzte, welcher einem Sch ff manne gegenüber seine Dis zplinargewalt mißbraucht, wird mit Geldftrafe bis zu eintausend Mark oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. §5 106.

Der Schiffer, welcher die gehörige Verpreviantierung des Schiffes por Antritt oder während der Reise vorsätzlich unterläßt, wird mit Gefängnsß bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu eintaufendfünfbundert Mark sowie auf Verlust der bürgerlichen Ghrenrechte erkannt weren kann.

Ist die Unterlassung aus Fahrlässigkeit geschehen, so triti, wenn infolge dessen der Schiffsmannschaft die gebührende Rost nicht gewährt werden kann, Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder Gesängniß bis zu einem Jahre ein.

§ 10.

Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark, mit Haft oder mit Gefängniß bis zu drei Monaten wird bestraft ein Schiffer, welcher

I) den Verpflichtungen zuwiderhandelt, welche ihm durch dis gemäß 51 vom Bundesrgth erlassenen Vorßschriften über die mindest mitzunebhmenden Heilmittel und über die Größe und Einrichtung des Logisraums auferlegt werden;

27) einem Schiffe manne grundlos Speise oder Trank vor⸗ enthält oder ohne Noth verdorbenen Proviant ver- abreicht;

3) einen Schiffsmang abgesehen von dem Falle des 5 78 Abs. ? im Ausland ohne Genehmigung dez Seemann samts zurückläßt.

§ 108. Mit Geldftrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft ein Schiffer, welcher

i den ihm in Ansehung der Musterung obliegenden Ver⸗ pflichtungen nicht genügt, oder unterläßt, dafür zu sorgen, daß die Musterrolle sich während der Reise an Bord befindet;

2) bei Veihandlungen, welche sich auf eine Muflerung oder eine Eintragung in ein Seefahrtsbuch beziehen, wahre Thatsachen entstellt oder unterdrückt oder falsche vorspiegelt. um ein Seemannsamt zu täuschen;

3) den Vorschrifren der 55 42, 44, betreffend die Auszahlung der Heuer und der Vorschüsse, zu— widerhandelt;

I unterläßt, für die Erfüllung der im §5 45 vor gesehenen Obliegenheiten Sorge zu tragen;

s) die ihm obliegende Fürsorge für die Sachen und daß Heuerguthaben des erkrankten oder für den Nachlaß des verstorbenen Schiffsmanns ver absäumt (55 58, 60);

6) eine der in den 65, S4, 87 vorgeschriebenen Eintragungen oder entgegen dem Antrag eines Verletzten die im 5 g3 vorgeschriebene Eintragung in das Schlifft⸗ tagebuch unterläßt;

7) den ihm bei Vergeben und Verbrechen nach den 55 112, 113 obliegenden Verpflichtungen nicht genügt;

8) dem Schisfsmann ohne dringenden Grund die Gelegenheit

ef 3 e le. des Seemanngamts nachzusuchen

der Anordnung eines Seemannsamts wegen Vollstreckung eines Strafbescheids C 111 Abf. 5) nicht Folge leistet oder der vorläufigen Entscheidung eines Seemannsamts S 115 Abs. 3) zuwiderhandelt;

10 unterlaͤßt, dafür Sorge zu tragen, daß die im § 119 vor⸗ geschriebenen Abdrücke und Schrift st ücke im Volks⸗ logis zugänglich sind; .

1h vor dem Seemannsamte sich ungebührlich be⸗

nimmt.

Durch die Vorschrift des Abs. 1 Nr. 2 wird die Vorschrift

des 5 NI des Strafgesetzbuchs nicht berührt. § 109.

Wer als Rheder, oder als Vertreter eines Rheders vorsätzlich den gemäß § 51 vom Bundesrath erlafsenen Vorschriften über die Größe und Einrichtung des Logis⸗ raums zuwiderhandelt, oder den Schiffer außer Stand setzt, für die genügende Verproviantierung des Schiffes oder bi? RMitnahme der vorschriftsmäßigen Heilmittel zu forgen, wird, sofern nicht in den letzteren Fällen nach an⸗ beren Vorschriften eine schwerere Strafe verwirkt ist, mit Geldstrafe bis zu eintaufend Mark oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft.

§ 110.

Die Vorschriften der S5 88 bis 109 finden auch dann An— wendung, wenn die strafbaren Handlungen außerhalb des Reichs⸗ gebiets begangen sind.

Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt in diesem Falle erst mit dem Tage, an welchem das Schiff, dem der Thäter zur Zeit der Begehung angehörte, zuerst ein Seemannsamt erreicht.

§ 111.

In den Fällen des 88 Abf. 1, 2 und der SS 90, gl, 101, 108 erfolgt die Untersuchung und Entscheidung durch das Seemannsamt, im Falle des 5 88 Abs..? jedoch nur, wenn dieses seinen Sitz außerhalb des Reichsgebiets hat. Das Seemanns⸗ am? hat den Angeschuldigten verantwortlich zu vernehmen und den Thatbestand fummgrisch festzustellen. Eine Vereidigung von Zeugen findet nicht statt. Nach Abschluß der Untersuchung ist ein mit Gründen versehener Bescheid zu ertheilen, welcher dem Angeschuldigten im Falle fejner Anwesenheit zu verkünden, im Falle seiner Abwesenheit in Aus- fertigung zuzustellen ist Wird eine Strafe festgesetzt, so ist die Dauer ber für den Fall des Unvermögens an Stelle der Geldstrafe trete den Freiheits frrafe zu bestimmen. Der Bescheid wirkt in Be⸗ treff der Unterbrechung der Verjährung wie eine richter⸗ liche Handlung.

Gegen den Bescheid kann der Beschuldigte innerhalb einer zehn⸗ tägigen Frist von der Verkündigung oder der Zust llung ab auf gerichtliche Entscheidung antragen. Der Antrag ist bei dem Seemannt⸗ amte zu Protokoll oder schriftlich anzubringen.

Hat das Seemannsamt seinen Sitz im Auslande, so ist für des weitere Verfahren dasjenige Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirke der Heimathshafen und in Ermangelung eines solchen derjenige deutsche a , ist, welchen das Schiff nach der Straffestsetzung zuerst erreicht.

Der Bescheid des Seemannsamts ist in Betreff der Beitreibung der Gelbstrafe und der daneben einzuziehenden Kosten vor⸗ läufig vollstreckbar.

Die Vollstreckung der Strafbescheide der inländischen Seemannsämter erfolgt durch die landesgesetzlich hierzu bestimmten Behörden. Die Vollstreckung der von einem Seemannsamt im Ausland erlassenen Strafbescheide er⸗ folgt durch dieses selbst, wobei der Schiffer den Anord⸗ nungen des Seemannsamts Folge zu leisten hat,

Die im ÄÜbf. 5 bezeichneten inländischen Vollstreckungs⸗ behörden haben auch auf Ersuchen die von dem Seemanns— amt eines anderen Bundesstaats oder von einem See⸗ mannsamt im Ausland erlassenen Strafbescheide gegen die innerhalb ibres Amtsbereichs befindlichen Personen zu vollstrecken. Auf das Ersuchen finden die Vorschriften des Gefetzes über den Beistand bei Einziehung von Ab— gaben und Vollstreckung von Vermögensstrafen vom 5. Fun 1895 Reichs ⸗Gesetzbl. S. 256) entsprechende An⸗ wendung.

§ 112.

Begeht ein Schiffmann, während das Schiff sich auf der See oder im ' Auslande befindet, ein Vergeben oder Verbrechen, so hat der Sch ffer unter Zuziehung von Sch ffzoffizieren und anderen glaub⸗ haften Personen alles dasjenige genau aufzuzeichnen, was auf den PHeweis der That und auf deren Bestrafung Einfluß haben kann. Insbesendere ist in den Fällen der Tödtung oder schweren Körper⸗ verletzung die Beschaffenheit der Wunden gengu zu beschreiben, auch u vermerken, wie lange der Verletzte etwa noch gelebt hat, ob und welche Heilmittel angewendet sind, und welche Nahrung der Verletzte zu sich genommen hat. .

§ 113.

Der Schiffer ist ermächtigt, jederzeit die Sachen der Schiffs⸗ leute, welche der Beiheiligung an einer strafbaren Handlung verdächtig sind, zu durchsuchen.

Ber Schiffer ist ferner ermächtigt, denjenigen Schiffsmann, der sich einer der im S 65 Nr. 3 und im § 88 Abs. 2, 3 bezeichneten strafbaren Handlungen schulbig macht, festzunehmen. In den Fällen des § 66 Nr. 3 ist er hierzu verpflichtet, wenn das Ent⸗ weichen des Thaters zu besorgen stebt. In den Fällen des 5888 Abs. 2, 3 ist von einer Einsperrung abzusehen, sofern sich das Schiff auf hoher See befindet.

Der Thäter ist unter Mittheilung der aufgenommenen Ver— handlungen an dasjenige Seemanngamt, bei welchem es zueist geschehen kann, abzuliefern. Wenn im Auslande das Seemanntamt aus be⸗ fonderen Gründen die Uebernahme ablehnt, so hat der Schiffer die Ablieferung bei demjenigen Seemannsamte zu bewirken, bei welchem es anderweit zuerst geschehen kann.

In dringenden Fällen ist der Schiffer, wenn im Ausland ein Seemannsamk nicht rechtzeitig angegangen werden kann, ermächtigt, den Thäter der fremden Behörde . dessen Uebermittelung an die zuständige Behörde des Heimathshafens zu übergeben. Hiervon hat er bei demsenigen Seemanntzamte, bei welchem es zuerst geschehen kann, Anzeige zu machen.

Sechster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften.

§ 114.

Jedes Seemannsamt ist veipflichtet, die gütliche Ausgleichung der zu feiner Kenntniß gebrachten, zwischen dem Schiffer und dem Schiffs manne bestehenden Streit gkeiten zu versuchen. Insbesondere hat das Seemannsamt, vor welchem die Abmusterung des Schiff⸗ mannz erfolgt, hir sichtlich solcher Streitigkeiten einen Güteversuch zu veranstalten. 8 116

Der Schiffgmann darf den Schiffer vor einem ausländischen Gerichte nicht belangen. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so ist er nicht allein für den daraus entstehenden Schaden verantwornlich, sondern er wird außerdem der bis dahin verdienten Heuer verlustig.

Er kann in Fallen, die keinen Aufschub leiden, die vorläufige Entscheidung des Seemannsamts nachsuchen. Die Gelegenheit hierzu darf der Schiffer ohne dringenden Grund nicht versagen. Auch dem Schiffer steht unter den selben Voraussetzungen, wie dem Schiffksmanne, die Befugniß zu, die Entscheidung des See⸗ manntzamts nachzusuchen.

Jeder Theil bat die Entscheidung des Seemannsamts einstweilen zu befolgen, vorbehaltlich der Befugniß, seine Rechte vor der zu⸗

ständigen Behörde geltend zu machen.

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Im Falle eines Zwangsverkaufs des Schiffes finden die Vor— schrfften des Abf. ü auf die Geltendmachung der Forderungen des Schiffgmannse aus dem Heuervertrage keine Anwendung.

§ 116.

Im Inlande wird der Streit zwischen dem Schiffer und dem Schiffs mdnne, welcher nach der Anmusterung über den Antritt oder die Fortsetzung des Dienstes entsteht, von dem Seemannsamt, in dessen Bezirke das Schiff liegt, unter Vorbehalt des Rechtz. wegs entschieden. 811

Die nach den 115, 116 getroffene Entscheidung dez Seemannsamts steht einem für vorläufig vollstreckbat erklärten Urtheile gleich. Der Extheilng der Voll. streckungsklausel bedarf es nicht. Ist die zuständige Be⸗ börde angerufen oder der Rechtsweg beschritten, so findet §S 707 der Zivilprozeßordnung entsprechende Anwendung.

§ 118.

Die nach den Vorschriften des V. Abschnitts festgesetzten oder erkannten Geldstrafen flleßen der Seemannskasse und in Ermangelung einer folchen der Ortz⸗Armenkasse des Heimathshafens des Schiffes, welchem der Thäter zur Zeit der Begehung der strafbaren Handlung angehörte, zu, sofern sie nicht im Wege der Landesgesetzgebung zu anderen ähnlichen Zwecken bestimmt werden.

§ 119.

Ein Abdruck dieses Gesetzes, der für das Schiff über Kost und Logis geltenden Vorschriften (5 51) und einer amtlichen Zu⸗ fammenstellung der Bestimm ungen über die Militär⸗ verhältnifse der seemännischen und halbseemännischen Bevölkerung (5 5) sowie eine Abschrift der in der

Musterrolle enthaltenen Bestimm ungen des Heuervertraat

ein schließlich aller Nebenbestimmungen müssen im Voltz— logis zur jederzeitigen Einsicht der Schlffszleute vorhanden sein. § 120.

Die Anwendung der 5. bis 24, des § 35 Abs. 1, der 6c bis 55 und des J 60 Äbs. 2, 3 auf kleinere Fahrzeuge (Küsten⸗ fahrer u. s. w.) kann durch Bestimmung der Landesregierungen im Verordnungsweg ausgeschlosfen werden.

§121. Dieses Gesetz tritt am 1. April 1901 in Kraft. Die See⸗

mannorbnung vom 27. Dezember 1872 tritt mit demselben Tage

außer Kraft. 122.

Wenn in anderen Gesetzen auf Vorschriften verwiesen wird, welche durch dieses Gesetz außer Kraft gesetzt sind, so treten die entsprechenden Vorschriften dieses , f. an deren Stelle.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Begründung. J. Allgemeine Bemerkungen.

Seit dem Erlasse der Seemannsordnung vem 27. Dejember 1872 (Reichs⸗-Gesetzbl. S. 409) haben sich die Verhältnisse der Seeschiff⸗ fahrt, inzbesondere der deutschen Hanteleschiffahrt, in augenfälliger Wesse verändert. Mit einer außerordentlichen Ausdehnung der Dampf— schiffahrt ist ein merklicher Rückgang der Segelschiffahrt Hand in Hand gegangen; Schiffbau und Schiffs maschinenbau sowie die Technik der nautischen Hilfemittel haben sich in hohem Maße entwickelt. Wie auf anderen Erwerbegebieten bewegt sich die Entwickelung in der Richtung zunehmenden Großbetriebs bei Abnahme des Kleinbetriebs. In der Zeit vom 1. Januar 1873 bis dahin 1899 hat sich in der deutschen Bandeleflotte die Zahl der Dampfschiffe von 216 auf 1223 vermehrt, während die Zahl der Segelschiffe von 4511 auf 2489 gesunken ist. Vom 1. Janlar 1873 bis dabin 1896) ist die Zahl der Schiffe von mehr als 1060 Registertons Netto⸗Raumgehalt von 76 auf 74 ge, stiegen, die Zahl der Schiffe bis zu 1000 Registertons von 4451 auf 3018 zurückgegangen.

Infolge der hieraus ersichtlichen Zunahme der Schiffsgröße hat sich denn auch von 1873 zu 1899 der Gesammtraumgebalt der deutschen Handelsflotte, ungeachtet der Abnahme der Zahl der Fahrzeuge um glb, von Isg 158 Registertons Nette auf 1 6398 529 Registertons Vetto erböht. Dagegen ist der Besatzungsstand bei 49239 Köpfen im Jahre 1573 und 45 144 Köpfen im Jahre 1899 nicht erheblich gestiegen. Die völlig veränderte Betrlebsweise, insbesondere die Zunahme der durchschnittlichen Größe der Schiffe und die Verwendung von Maschinen, nicht nur zur Fortbewe ung des Schiffes, sond ern auch zur Ausführung der verschiedensten Schiffsarbeiten ermöglicht es, mit einer nur wenig vergrößerten Schiffsmannschaft die nach dem Raum⸗ gehalte fast verdoppelte deutsche Handelsflotte in Betr eb zu halten.

Die Veränderungen in den Betriebsverbältnissen üben einen wesentlichen Einfluß auf. die Gestaltung des Schiffsdienstes und die Zusammensetzung der Sch ffsmannschaften, wobei sich das Anwachsen des Maschinenversonals und des Bedienungspersonals für die Neisenden der großen P. ssagierdampfer, die Abnahme des eigentlich seemãanischen Personals und für die Haftnarbeiter dessen theilweiser Ersatz durch Landarbeiter besonders geltend machte.)

Ferner steht mit der Veränderung der Betriebsverhältnisse auch die stetige Vermebrung der regelmäßigen Linien, gegenüber der soge⸗ nannten wilden Schiffahrt, im Zusammenhange. Beides wirkt wiederum auf die Lage der Seeleute, und zwar auf die Vertrags⸗ und Lohnverhältnisse nicht minder wie auf die sozialen und dis ziplinaren Verhältnisse in vielen Beziebungen zurück. Es ist deshalb aus einem wirklichen Bedürfnisse des Verkehrslebens zu er'llären, wenn während der letzten Jahre in den deutschen Schiff ahrtskreisen die Auffaslung zur Geltung gelangt ist, daß das die Rechtsperhältnisse der Schiffe leute regelnde Gesetz, die Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872, deren Grlaß vor der neuesten Entwickelungsperiode der Seeschiffahrt liegt, der Revision bedürftig sei.

Nachdem die sozialdemokratische Partei des Reichstages durch den Antrag Schwartz (Druckfachen des Reichstages von 1892s93 Nr. 120) eine solche Nepision in Anregung gebracht und in dem von ihrem Standpunkt aufgestellten Entwurf einer neuen Seemann ordnung weitgehende Forderungen im Interesse der Schiffsleute gestellt hatte, ist die Frage ia lebhaften Fluß gekommen und in den betheiligten Vereinen und Korporationen eifrig erörtert worden. Die zahlreichen Vorschläge der einzelnen Gruppen hat der deutsche nautische Verein durch eine Kommission sichten und prüfen lafsen. An der Hand dieser Unterlagen hat sich sodann im Auftrage des Reichskanzlers die Tech⸗ ö für Seeschiffahrt‘ eingehend mit dem Gegenstande eschäftigt.

Um bei der Vorbereitung der für den Stand der seemännischen Arbeitnehmer so bedeutungsvollen Gesetzesrevision auch diese zu Worte

) Von 1897 ab sind in der Reichsstatistik die Größenklassen nach dem Brutto⸗Raumgehalt aufgestellt und daher mit den na ,, aufgestellten Klassen der Vorjahre nicht ver⸗ gleichbar⸗

) Nach den Anschreibungen der See⸗Beruftzgenossenschait entstelen im Jabre 1899 von der Gesammtbesatzung, der zur Genoffenschast gebörigen Fahrzeuge in Höhe von 42387 Köpfen [2 683 au Segel schiffe und 29 704 auf Dampfschiffe und von der Besatzung der Damp schiffe gehörten:

zum Deckpersonal .... 12068, Maschinenpersonal! !..., 11 842, AufwartepersonallIl !.... . 65 80.

(Fortsttzung in der Zweiten Beilage.)

3weite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗ Anzeiger.

M 3 Hö.

Berlin, Donnerstag, den 28. Dezemher

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)

kommen zu lassen, hat die Kommission eine Anzahl durch Vermittelung der Regierungen der Bundesseestaaten in Vorschlag gebrachter Vertreter des unteren seemännischen und Maschinenpersonals über die ein schlägigen Verhältnisse und die Wünsche dieses Berufsstandes ver— nommen. Die hierüber stenographisch aufgenommenen Verhandlungen sind als Anlage A beigefügt. Unter. Berücksichtigung des Ergebnisses ist von der Kommission der Entwurf einer neuen Seemanngtordnung, und auf Grund ihrer Vorschläge ein Entwurf von Vorschriften zur Regelung der Stellenvermittelung für Sch ffsleute aufgestellt worden. lieber diese Entwürfe sowie einige anschließende Fragen, inshesondere über die durch daz Handelsgesetzö'uch (Artikel 51, künftig 8 749) ge— regelte Vertheilung des Hilsß. und Bergelohng zwischen Rheder, Schiffer und Schiffsmannschaft, siad sodann die Regierungen der Bundesseestaaten und durch deren Vermittelung pie dem Seewesen nachstehenden Behörden, ferner eine Reihe von überseeischen Konsulaten gehört, auch sind die Entwürfe den Schiffahrtekreisen zugänglich , und von ihnen zum Gegenstande von Aeußerungen gemacht worden.

Dem so zesammelten Material traten dann noch die im Anschluß an den Hamburger Hafenarbeiterstrike durch eine hamburgische Senats— kommissiton veranstalteten Erhebungen!) hinzu.

Vas Ergebniß aller dieser Vorarbeiten bilden

1) der vorliegende Entwurf einer neuen Seemannsordnung sowie die anschließenden Entwürfe zu Gesetzen, betreffend

2) die Verpflichtung deutscher Kauffahrteisch ffe zur Mitnahme heimzuschaffender Seeleute,

3) die Stellenvermittlung für Schiffsleute,

4 die Abänderung seerechtlicher Voischriften des Handel s⸗ gesetzbucht.

Schon die dargelegte Entstähungeg schichte der Entwürfe ergiebt, daß nicht bezweckt wird, die Verhälinisse der Seeleute auf einer völlig neuen Grundlage aufzubauen. Vielmehr handelt es sich nur darum, unter Beibehaltung des Bewährten, zum wesentlichen Theil schon aus dem Seerecht des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (Buch V Titel : Von der Schiffsmannschaft“) Ueberkommenen, die bestehenden Vorschristen dem heutigen Stande des Seeschiffahrtsbetriebs und der sozialen Verbältnisse der Seeleute anzupassen.

Dies gilt nicht nur von der Seemannsordnung selbst, sondern auck von dem mit ihr in nahem Zusammenhang stehenden Gesetz, be⸗ treffend die Veipflichtung deutscher Kauffahrteischiffe zur Mitnahme hilfsbedürsttéaer Seeleute, vom 27. Vesember 187? (Reichs Gesetzbl. S 432), dessen Revision der zweite der vorgelegten Entwürfe bezweckt.

Daneben bedurfte eine bisher gesetzlich noch nicht erfaßte Frage der Regelung, welche jwar die Rechte verhälinisse der Seeleute nicht unmittelbar angeht, aber sich doch mit ihren Berufsverhältnissen aufs innigste berührt.

Es ist dies die Stellenvermitilung für Schiffsleute, welche bis her in der Hauptsache gewerbsmäßig von den sogenannten Heuerbaasen betrieben wird. Die auf riesem Gebiete hervorgetretenen Mißstände erheischen dringend eine Abhilfe. Solche im Rahmen der Seemanns—⸗ ordnung zu gewähren, erschien wegen der wesentlich gewerbepolizeilichen Ratur des Gegenstandes nicht iweckmäßig. Vielmehr verdiente es den Vorzug, diese Frage nach dem Vorgange der dänischen Gesetzgebung in einem besonderen Gesetzentwurf ju behandeln. Duich die Bestimmung im § 10 des hierauf bezüglichen Entwurfs ist dafür Sorge getragen, daß ein Abdruck des Gesetzes sowie nach § 119 des Entwurfs der Sremannzordnung ein Abdruck der letzteren im Volkslogls jedes Kauffahrteischiffz den Sch effsleuten zuganglich ist.

Endlich empfahl es sich, die bereits erwähnte Bestimmung des Handelsgesetzbuchs über die Vertheilung des Hilfs- und Bergel ohns in Verbindung mit der Seemannsortnung einer Abänderung zu unterzieben. Berselben schließen sich einige weitere Aenderungen von Vorschriften des Handelsgeseßbuchs über Ansprüche des Schiffers in Fällen der Erkrankung und der porzeiligen Entlassung an, welche mit hen durch den Entwurf der Seemanngerdnung neu geordneten An⸗ sprüchen der Schiffsleute in Uebereinstimmurg zu bringen waren. Diese Aenderungen bilen den Gegenstand des vierten der vorgelegten Gesetzentnürfe.

Die Entwürfe sind, wie die o'igen Darlegungen ergeben, in unmistelbater Füblung mit den einheimischen an der. Seeschiffahrt betheiligten Berufskreisen zu stande gekommen. Indessen sind auch die Verbältnisse im Auslande nicht unberücksichtigt geblieben. So weit fremde Gesetzgebungen für Einzelbestimmungen zum Vorbilde gedient haben (vergl. Anlage B), ist vornehmlich auf die neuen nordischen Seegesetze zurückgegongen worden, weiche zu Anfang der 9g0er Jahre für Schweden, Dänemark und Norwegen im wesentlichen einheitlich, unter Berüchsichtigung der gegenwärtigen Verhältnisse des Schiffahrt betrie bs erlassen sind2j. Eine Anlebnung an das Seerecht der skanding⸗ vischen Länder erschlen nicht nur um eswillen angebracht, weil diese Lander eine hervorragende Stellung im Se verkehr einnehmen, sondern auch weil die Lebensgeweohnheiten und die gesammten Verhältnisse der skandinapischen Sceleute mit denen unserer Seeleute im Gang gleichartig sind, was für die remanischen Nationen nicht zutrifft. Dis viederländische im Handelsgesetzbuche vom 10. April 1838 Artilel 305ff. enthaltene Seerecht kannte die neuere Entwickelungdes Schiffahrte betrtebs noch nicht, und auch sür Gio: brilannien berubn die Regelung der Ver⸗ hältnisss der Schiffsmaunschaft im wesentlichen auf. der Kauffahrtei⸗ schiffahrtsakte von 1854 und einzelnen Ergänzungegesetzen, die in dem Nerchant Shipping Act 1894 eine neue Kodifikatlon, nicht aber eine sachliche Aenderung erfahren haben. ö

Von den im vorliegenden Entwurf einer Seemanntordnung enthaltenen bedeuterderen Aenderungen sind die folgenden hervor- zuheben; ö I) die thunlichste Festlegung der wichtigeren Vorꝛschriften durch

ras Gesetz unter Ausschluß der nur zu. häufig zum Nach⸗ theile des Schiffsmanns ausfallenden freien Vereinbarung zischen ibm und dem Sch ffer (Rheder) 25 Abf. 2); die Heraushebung der Schiff soffisiere aus der Schiffe⸗ mannschaft“ unter Zuweisung einer ihren Aufgaben und sozialen Verhältnissen entsprechenden Son reistellung G68 . bie Aufffellunz von Geunvsätzen über das Verhällniß der Mannschaft zu den Vorges'tzten G6 3) die weitergebende Berücksichtigung der. Musterung auf Zeit, neben der in den bisherigen Vorschtiften fast aus⸗ schließlich berücksichtigten Musterung für die Reise 8 36. 83; . . 5) die Regelung der Arbeitszeit im Calen und des dohnes ür Ueberstunden; die Sicherstellung von Ruhezeiten im Hafen wie auf der Fahrt; die Regelung der Verpflichtung zur Sonn und Festtagsarbeit (68 33 kis 365);

) Protokolle der Senate kommission für die Prüfung der Arbeiksverhältnisse im Hamburger Hafen über die Urnehmung Pon Arbeitgebern und Arbeinnehmern (Hamburg 1893) S. 129 bis 222. Bericht derselben Kommission S. 82 bis 9b.

2) Schwer isches Gesetz vom 12 Juni 1831, dänischet Gesetz vom I. April 1892, norwegisches Gesetz vom 20. Juli 1993. Deutsche Autzgabe desz norwegischen Seegesetzes, unter e ge chu mit den beiden anderen, von Pappenheim und Johannsen, Stuttgart nke) 18965.

6) die thunlichste Sicherung des Schiffsmanns vor Entziehung seines Acheitsverdienstes durch Dritte und vor Uebervor— theilung bei der Lohnjahlung (65§ 42, 44, 45); die Anbassung der Ansprüche in Grkrankungöfällen (85 54 bis 58) und bei vorzeitiger Entlassung (68 67, 6*) sowie der Rückbeförderungsansprüche an die heutigen Verhältnisse vergl. 5 56); die Festlegung der Fälle, in welchen jeder Theil zur als— baldi; en Auslösung des Pienstverhältnisses berechtigt ist S5 66, 69);

9) Kenderungen der Vorschriften über die Digziplinargewalt und der damit im Zusammenhange stehenden Straf⸗ vorschriften (585 79 ff.).

Als nicht wohl ausführbar erwies es sich, zwei weiteren Forderungen der Schiffsleute oder doch eines großen Theils dersel ben zu entsprechen. Es sind dies

I) die Einführung von sogenannten Seeschöffengerichten unter Betheiligung der Schiffalcute an der, zur Zeit den See⸗ manntämtern zustehenden, vorläufigen Entscheidung über Dienstvergehen;

2) die Gewährleistung der Koalitionsfreiheit.

Die auf Einführung von Seeschöffengerichten abzielenden Be— strebungen gehen, wie die vor der Technischen Kommission für Ste⸗ schifffahrt erfolgte Vernehmung von Auskunftspersonen (Anlage A S. 137 ff) ergeben hat, nicht etwa dahin, daß zu den ordentlichen Schöͤffengerichten, welche erst auf Einspruch gegen die vorläufigen Strafbescheide der Seemannsämter (5 101 der S. O. vom 27. 12. 82) erkennen, Personen aus dem Stange der Schfsffsleute als Beisitzer zugejogen werden, wat sich auch mit den Vorschriften des Gerichts verfasfungsgesetzegz nicht wohl vereinigen ließe. Was in den Kreisen der Schiffsieufe erstrebt wird, ist eine Betheiligung ihres Standes an der ersten Entscheidung. Es steht fest, daß von der Befugniß zum Einspruche gegen die Straffestsetzungen der Seemann ämter wenig Gebrauch gemacht wird, zweifeizohne zum theil aus dem Grunde, weil es den Seeleuten vielfach an Zeit mangelt, die im oldentlichen Gerschtsverfahren ergehende Entscheidung abzuwarten, vielleicht aber auch desbalb, weil sie bei den Schöffengerichten für eine ausreichende Kenntniß der einschlägigen Verhältnisse keine Gewähr erblicken. Liegt hiernach der Schwerpunkt des auf der Seemannt— orbnung beruhenden strafrechtlichen Verfahrens in der ersten, wenn auch formell nur vorläufigen Entscheidung, so ist das Bestreben erllärlich, für diefe Entscheidung eine Mitwirkung von Standesgenossen zu erreichen. In einzelnen Schiffahrtvereinen ist vorgeschlagen worden, diese Entscheikung den Sermannzämtern, denen dann nur das Musterungswesen und die priwatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Schiffer und Schiffsmann verbleiben würden, zu entziehen und einem besonderen Seeschöffengericht zu übertragen, welches nach dem Vorbilde der zur Untersuchung der Seeunfalle der Kauffahrteischiffe berufenen Seeämter i) aus einen rechtskundigen Beamten als Vo sitzenden und aus schiffahrtskundigen Beisitzern zusammenzusetzen wäre. Für eine solche Einrichtung kann ein Bedürfniß nicht anerkannt werden. Muß es schon grundsätzlich bedenklich erscheinen, neben Len ordentlichen Gerschten neue Sondergerichte zu schaffen, so würden derartige See⸗ schöffengerichte, wenn sie leicht erreichbar und dementsprechend in größerer Zahl vorhanden sein sollen, zweifelles keine genügende Be⸗ schäftigung haben und einen Kostenoufwand verursachen, der mit dem Erfolge nicht im richtigen Verhältnisse stände. Eine organische Ver⸗ bindung mit den Secaͤmtern aber, deren zur Zeit je eines in den preußischen Küstenprovinzen und in den außerpreußischen Bundesz⸗ feestaaten besteht, würde wegen ihrer verhältnißmäßtig schwierigen Erreichbarkeit unzulänglich sein. Denn es ist klar, daß für die Aus⸗ tragung von Strafangelegenheiten, die im wesentlichen an Verstöße gegen die Schlffsdisziplin anknüpfen, und die sich alltäglich abspielen, die Untersuchungsstelle näher liegen muß, als für die Untersuchung der doch nur selteneren Seeunfälle ?). Auch die Beschaffung von Bei⸗ sitzern würde schwierig sein.

Um den Wünschen der Schiffsleute nach Thunlichkeit R chnung zu tragen, ist bei der Vorbereitung des Gesetzentwurfs ein anderer BVorschlag' zur Erörterung gestellt worden, wonach für die Straf⸗ entscheidungen auf Grund der Seemanngordnung die inländischen Seemannzämter stets mit drei Mitgliedern zu besetzen wären, zu denen ein befahrcner Schiff r oder Schiffsoffizier und ein befahrenen Schifft mann zählten, während im Auslande solche Beisitzer wenigstens nach Möglichkeit zuzuziehen wären. Der Vorschlag stützte sich auf die Thatfache, daß in Preußen?) und in Oldenburg)) die Seemanne⸗ amter vermöge landes rechtlicher Vocschrift schon gegenwärtig kollegialisch jusammenges'tzt sind, wenngleich eine Mitwirkung von Schiffs⸗ leuten als Beisitzec nicht vorgeschrieben ist. Bei näherer Erwägung stellten sich jedoch auch diesem Vorschlag ernste Bedenken entgegen. Im Auslande würde es nach überein stimmender Meinung der gehörten Fonsulate nicht möglich sein, Beisitzer mit den geforderten Gigen⸗ schaften ohne un zulässige Verzögeruagen des Schiffahrtsb triebs heran⸗ zuziehen, und dieselbe Schwierigkeit ist von der Mehrzahl der Bundes regierungen auch für den Schiffsverkehr in den inländischen Hafen⸗ plätzen geltend gemacht worden. Sodann aber er scheint es aus Rück- sichten der Dit ziplin und der Autorität des Schiffers nicht rathsam, auch bei der Enischeidung über dieziplinare Zuwiderhandlungen Schiffs leute als Richter mitwirken zu lassen. Jedenfalls muß unter diesem Gesichtspunkté von der Mitwirkung von Schiffsleuten desselben Schiffe abgesehen werden; die Hrranziehung anderer deutscher Schiff sleute aber würde in der Regel nicht ausführbar sein und über diz des Vorzugs entbehren, daß der Beisitzer mit den Verhältnissen und Emnsschturgen auf dem Schiffe vertraut ist, an dessen Boed die Zuwiderhandlung geschab.

In Würdigung diese? Bedenken hat der Entwurf von einer reichsgesetzlichen Regelung der Frage abgesehen, es vielmehr (im § 4) bei der Vorschrist belassen, daß die Einrichtung der See manns ämter im Inlande den Landesregterungen nach Maßgabe der Landesgesetze usteht. 2. Für die aus dem Dienstrerhältyisse (Heuervertrag) entstehenden Strestigkeiten privatrechtlicher Natur v ird nach ausdrücklicher Giklärung der Auskünftspersonen (Anlage A S. 137) eine etwa den Gewerbe erichten entsprechende besondere Stelle von den Schiff⸗ leuten nicht gewünscht. In dieser Besiehung wird vielmehr den bestehenden Seemanntämtern, auch mo sie, wie in den Hanmiestädten, nur aus einem Eirzelbeamten (Wasserschou) bestehen, Vertrauen entgegengebracht.

Der von der sozialdemokratischen Partei des Reichstages unterm 9 Dezember 1895 eingebrachte Entwurf einer Seemann ocdnung (Drucksachen des Reichstages 1895/93 Ne. 60) nahm im § 80a die

1) Cg betreffend die Untersuchung don Seeunfällen, vom

277. Juli 1877 (Reicht⸗Gesetzbl S. 549) 87. 2) Zur Zeit beflehen im Reiche 17 Secämter, dagegen 109 See⸗ manntämter. Das Hamburger Seeamt untersuchte im Jahre 1898: 129 Sceeunsälle, während das Hamburger Sermannsamt 337 Straf⸗ fälle erledigte.

) 5 12 des Gesetzet, betreffend die Rechte ver bältnisse der Schiffs⸗

mannschaͤft auf den Seeschiffen, vom 26. Mär 1864 (Gescß-Samml.

S. 693). I F 2 der Verordnung, betreffend die Errichtung von Seemanns-

ämtern, vom 26. Februar 1873 (Gesetzbl. für das Herjogthum Olden⸗ burg S. 611). U

1899.

Gewähr des freien Koalitionsrechts für Schiffer und Schiffsleute in Anspruch und sah im 5 80 die Wahl eines Obmanns aus der Schiffsmannschaft vor, welcher Beschwerden der Schiffsleute entgegen zunehmen und dem Schiffer vorzutragen hätte. Die Beschwerde⸗ führung durch Vermittelung dieses Ohmanns sollte jeder Strafe enlzogen sein. Auch diese Anregungen sind reiflich geprüft worden. Vabel ergab sich zunächst, daß für die Bestellung einer Mittels person zwischen Sch ffsleuten und Sch ffer auch von den Aus kunftepersonen us dem Stande der Schiffsmannschaft ein Bedürfniß nicht anerkannt wurde (Anlage A S. 186), daß vielmehr im Inieresse der Aufrecht⸗ erhaltung det Vertrauens zwischen den Schiffslenten und ihren Dienst⸗ vorgesetzken der unmittelbare Verkehr auch in Beschwerdeangelegen⸗ heit'n uicht zu entbehren sei, was nicht ausschließ, daß eine Beschwerde RMehrerer auch durch einen Beauftragten an zuständiger Stelle zur Sprache gebracht werden könne.

Was dagegen das Koalftionerecht betrifft, so bestanden bei der Mehrzahl der gehörten amtlichen Siellen und auch in Rhederkeeisen keine grundsätzlichen Bedenken, das den gewerblichen Arbeitern im §z 152 der Gewerbeochnung gewährl inte Koalitionsrecht auch den Schiffsleuten insoweit zuzugestehen, als es mit der Natur des Schiff e⸗ dlenstes verträglich set. In letzterer Beziehung war aber daran fest⸗ juhalten, daß dieselben Gesichtepunkte, welche in der bisherigen Stem innsordnun zu den Vorschriften über den Zwang zum Dienst⸗ antritte (5 29), den unweigerlichen Gehocsam bezüglich des Schiffs⸗ dienstes (385 30, 73 Absatz 2, 86, 87, 89, 91, 2), die volle Disziplinar⸗ gewalt des Schiffers bei Wisersetzlichkeit oder betarrlichem Uigehorsam (8 79 Absatz 2) geführt haben, es unzulassig machen, Verabredungen und Vereinigungen der im F iß? der G-werbeordnung gedachten Art an Bord des Schiffes zu gestatten. Eine Befugniß er Schiff? leute, beispielsweise im Volkslogis Versammlungen der dien stfreien Wache zur Grörterung über eine Verbesserung der Lohn⸗ und Arbeite⸗ bedingungen durch Niederlegung der Arbeit abzuhalten, würde die auf dem Sch ffe unentbehrlich: Disziplin untergraben und die autoritative Stellung des für die Sicherheit des Schiffes und der auf dem selben befindlichen Personen verantwortlichen, und deshalb mit der steengsten Mächtbefugniß ausgestatteten Schiffers erschüttern. Kann aber von der Einräumung der Koalitionsfreiheit an Bord keine Rede sein, so verbleibt für die Schiffsleute nur eine so geringe Möglichkeit zum Gel lauche eines Koalitiossrechts, daß dessen gesetzliche Gewährleistung um so weniger nöthig erscheint, als entgegen stehende Verbotz⸗ vorschriften nicht bestehen. Denn nur so lange der Seemann unter Heuervertrag steht, ist er Schiffmann im Sinne der Seemanng⸗ ordnung und des 5 6 der Gewerbeordnung. Im Rahmen der See⸗ manntordnung könnten deshalb nur diejenigen Fälle in Frage kommen, in denen der Schiffsmann sich am Lande befindet und dort an Ver⸗ abredungen und Vereinigungen, etwa in Versammlungen se ner Berufs⸗ genossen, theilzunehmen beabsichtigt. Solche Versammlungen können . B. für das auf Zeit gemustente Personal der großen Dampfer⸗ sesellschaflen, während die Schiffe zum Löschea und Laden oder zu foastigen Vorbereitungen der Wiezerausreise im Heimathshafen liegen, immerhin von Werth sein. Indessen könnte auch für solche Fälle don dem Grundfatze, daß der Schiffsmann das Schiff ohne Erlaubniß des Schiffers nicht verlassen darf (5 30 der geltenden Seemannsordnung, § 32 des Entwurfs) nicht abgegangen werden. Dem Schiff smann aber ein Koalittonstrecht zuzusprechen, dessen Anwendung in der Hand des Schiffers läge, würde ohne praktische Bedeutung sein.

II. Die Einzelvorschriften.

Zu §I1.

An die Stelle des Gesetzes vom 25. Oktoher 1867 ist inzwischen das Gesetz, betreffend das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe, vom 22. Juni 1899 (Reichs Gesetzbl. S. II 9) getreten.

Ts verstebt sich von selbst, daß, foweit die Seemannsordnung über die Rechtsoerhältnssse der Seeleute nicht Bestimmung trifft, die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts Anwendung finden (vergl. Art. 2 des Einführungsgesetzes vom 10. Mai 1897 zum Handelt gesetzbuch, Rꝛichz⸗ Gesetzbl. S. 437).

Zu §2.

Die geltende Seemannsordnung enthält keine Umgrenzung des Begriffs der Schiff sbesctzung. Eine solche ist aber im § 481 des Handelsgesetzbuchs dahin gegeben, daß zur Schiffehesatzung gerechnet werden: der Schiffer, die Schiffsmannschart sowie alle übrigen auf dem Schiffe angesteß ten Personen. In Sch sffahrtskreisen wird die Auf— nahme einer Begriffsbestimmung in die Seemannsordnung gewünscht, damit die Schiffsleute in dem für ihre Rech sperbältnisse grund= legenden Gesetze, vas ihnen stets zugänglich sein soll G 108 der Sremannsordnang vom V. Dezember 1877 5 119 des Entwurfs), alle für die Praxis wichtigen Bestimmungen vereinigt finden, was auch fär die zur Handhabung der Seemannsordnung berufenen. zu⸗ meist init Nichtjuristen besetzten, Seemanntämter von Wichiigkeit sei.

Ez bat sedoch aus rechtlichen EG wägungen davon abgeseben werden müssen, diesem Wunsch' Rechnung zu tragen.

Der Begriff der Schiffsbesatzun“ hat rechtliche Bedeutung weit über den Rahmen der Seemann ordnung hing s und umfaßt Personen, die nach der Aktsicht des Entwurfs den Vorschriften der Seemanntzordnung nicht unterliegen sollen (s. unten). Dieser Begriff ist vor allem mit bestimmend für den Umfang der Haftpflicht des Rheders, der nach § 455 des Handelsgesetzbuch; für den Schaden verantwortlich it, weilchen eine Person der Schfffsbesatzung einem Dritten durch iht Verschulden in Ausführung ihler Vienstoerrichtungen zufügt. In Anknüpfung an die Vorschriften des Handelẽgesetzbuchs hat die Rechfsprechung Grundsätze über die Haftbarkeit des Rbeders aufgeftellt, die es wünschenzwerth machen, daß der Begriff der Schiffs besatzung thunlichst unverändert, beibehalten wird. Deshalb würde es mißlich sein, den Begriff in der Seemannsordnung enger ju fassen als im Handelsgefttzbuche, während die weitere Fassung des letzteren sich für die Seemaanzordnung nicht eignet.

Die Sermannt orrnung vom 27. Dejember 1872 stellt in den 2 und J dem Schfffer, als dem verantwortlichen, mit der ge— jammten „Schiffsgewalt“ ausgerüsteten Fübrer des Schiff s die Schiffe mannsckaft? gegenüber; zur letzteren aber zäblt sie nicht nur

fie Schiffoffi ieren, sondern sie stellt in Anlehnung an die Hegriffg⸗

bestimmung des Hoandelsgesetzbuchs der Schiffsmannschaft in Bezug auf Rechte und Pflichten auch alle Persanen gleich, welche, ohne im gewöhnlichen Sinne des Wortes als .‚Schiffsleute“, d. h als see männisches Personal“ gelten zu können, auf einem Schiff an⸗ gestellt sind.

Hierin nimmt der Entwurf einige wesentliche Aenderungen vor. Zunächst erkennt er tas in Schiffahrt kreisen lebhaft empfundene Bedürfniß als berechtigt an die Schfffeoßsfiziere mit Rücksicht auf ihre dienstliche und foziale Stellung aus der Schiffs mannschaft heraus- zuheben und sie als eine dritte Gruppe der Sciffsbesatzung zwischen dem Schiffer und den Schiffelluten ein zuschieben. Bei dem außer⸗ ordentlichen Anwachsen des Schiffs cesaßzu gen auf den geöoten Dampfern der Vampfer des Nocddeatschen Lleyd Kais r Wil delm der Große“ jählt eine regelmäßige Besatzung von 496 Köpfen —. bei dem Gegensatze der auf diesen Dampfern zwischen dem Personale der verschiedenen Dienstzweige (seemännischeß. Maschinen, Aufwart⸗⸗ und sonstigetz Personal) bestebt, ist die Deraushebung der iff 3 offitere aut der Masse des übrigen Persenals und eine aus drũ * Feststellung ibrer Befugnisse im Interesse der dienstlichen Autorstä in ber That nothwendig. Es kommt hinzu, daß auf den großen