1900 / 10 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Jan 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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auch seinerseits wünscht, Versuche auf diesem Gebiet zu machen und EGErfahrungen zu sammeln. —ᷣ

Der Herr Vorredner hat dann weiter erklärt, es wäre doch eigen thümlich und er hat zitiert nach dem Auszug aus den Berichten der Gewerbe Inspektoren, der im Reichstamt des Innern für 1895 her⸗ gestellt ist daß in Süddeutschland einzelne Gewerbe ˖ Inspektoren sich dafür ausgesprochen hätten, Beschwerden von Arbeiterorganisationen über vernachlässigten Arbeiterschutz entgegenzunehmen, und in Preußen das abgelehnt sei. Ich ersehe daraus nur wieder, wie unpartelisch der Auszug im Reichsamt des Innern hergestellt ist (sehr richtig h, daß solche divergierenden Auffassungen der Gewerbeaufsichtsbeamten Auf⸗ nahme gefunden haben.

Was aber den Berlepsch'schen Erlaß selbst anbetrifft, so liegt die Sache wesentlich anders, als sie von dem Herrn Vorredner dargestellt wurde. Zunächft zitiere ich ausdrücklich den Erlaß nach dem Abdruck, wie er im Vorwärts“ enthalten ist. Da heißt es:

Die Beamten werden Beschwerden über Mißstände in den ihrer Aufsicht unterstellten gewerblichen Anlagen auch dann nicht un⸗ beachtet lassen dürfen, wenn sie durch die Vermittlung der sozial⸗ demokratischen Organe zu ihrer Kenntniß gelangen. Sie werden unter allen Umständen durch Untersuchung an Ort und Stelle die Begründetheit derartiger Beschwerden zu prüfen und das nach dem Ergebniß ihrer Prüfung etwa Erforderliche zu veranlassen haben.

Der Handels ⸗Minister von Berlepsch hat ausdrücklich erklärt, daß, wenn auch von solchen Organisationen Beschwerden kommen, sie doch in jedem Falle sorgfältig untersucht werden müssen. Anlaß aber zu diesem Erlasse hat gegeben, daß eine solche Organisation den Gewerbe⸗ aufsichtsbeamten vor ihre Schranken gefordert und gleichsam jur Ver⸗ antwortung wegen seiner Amtsführung gezogen hat. Es heißt da ausdrücklich in dem Erlaß:

Ein Gewerbeaufsichtsbeamter, der sich unvorsichtiger Weise her⸗ beigelassen hat, den Einladungen zu den Sitzungen einer solchen Be⸗ schwerdekommission zu folgen, hat sich dort wegen seiner Dienstführung verantworten und Belehrungen über die Grenzen seiner Befugnisse ent⸗ gegennehmen sollen.

Daß sich in dieser Weise zwischen die Staatsbeamten und die Arbeiter, zu deren Schutz der Staatsbeamte bestellt ist, eine dritte Organisation gleichsam als eine amtliche Organisaton einschiebt, das, glaube ich allerdings, kann die Staatsreglerung nicht dulden. (Zuruf links.) Nun hat der Herr Vorredner die Behauptung aufgestellt, es würden sogar von Staatswegen oder von den Gewerbeaufsichts⸗ beamten er hat die Behörde nicht genannt (Zuruf links) oder also von den Unternehmern, gut, meine Herren, Spitzel besoldet, die unter den Arbeitern und bei den Beschwerdekommissionen Spionen⸗ dienste leisten. Ich wünschte wirklich, der Herr Vorredner hätte diesen zarten Fall nicht berührt; denn in vorliegendem Falle liegt nämlich die Sache gerade umgekehrt. (Hört, bört! rechts.) Die sozialdemo⸗ kratische Presse hatte einen Spitzel bei einem Gewerbeaufsichts beamten (bört! hört! rechts), der in Abwesenheit des Gewerbeaufsichtsbeamten die Erlasse aus den Akten abschrieb und dem betreffenden sozialdemo⸗ kratischen Blatte zustellte (Zurufe links) das Material bekommen Sie vollkommen. Dieser Beamte war vom Gewerbeaufsichtsbeamten als Schreiber angenommen worden, leider ohne Kenntniß der Vor gänge. Ich werde Ihnen zeigen den Namen dieses Mannes werde ich nicht nennen —, was das für eine Persönlichkeit war, die dort in dem Bureau des Gewerbeaufsichtsbeamten beschäftigt war und gleich⸗ zeitig Abschriften heimlich aus den Akten für die sozialdemokratische Presse anfertigte. (3urufe links.) Ich kann Ihnen auch das Journal nennen: es ist die „Niederrheinische Volkstribüne. Der Mann leistete thatsachlich Sxpitzeldienste für die sozialdemokratische Presse. Ehrenhaft ist das für einen Beamten nicht, in dieser Weise, wenn er in Amt und Pflicht steht, heimlich Abschriften aus den Akten zu machen! Und diesem Manne verdankt die sozialdemokratische Presse die Mittheilung dieses Berlepsch'schen Erlasses, der übrigens kein geheimer Erlaß war! Zuruf links.)

Was das also für eine Persönlichkeit war, die diese Erlasse lieferte, mag daraus hervorgehen, daß dieser Mann 1874 wegen Beleidigung, 1878 wegen Diebstahls, Mißhandlung und Unterschlagung, 1880 wegen Betrugs und Diebstahls, 1382 wegen versuchter Eipressung mit Mordbedrohung mit 2 Jahren Zuchtbaus und 5 Jahren Ehren⸗ verluft (Heiterkeit link), 1838 wegen Unterschlagung und Wider⸗ standaleiftung bestraft war! Wenn Sie bebaupten, daß die Unter⸗ nehmer Srxitzel anftellten, um unter den Arbeitern Geheimnisse zu ermitteln was ich keineswegs lobenswerth finde, es ist keine ehren⸗ hafte Thätigkeit —, so müssen Sie auch nicht heimlich amtliche Er⸗ lafse oder vielmehr Ibre Presse auf diesem Wege sich ver⸗ schaffen lassen! (Zurufe links.) Wenn Sie amtliche Erlasse haben wollen, empfehle ich Ihnen wenigstens, sich eines Boten zu bedienen, der etwas reinlicher ist wie der Mann, der diesen Erlaß für die sozialdemokratische Presse lieferte! (Zurufe links.) Meine Herren, Sie sagen, wir haben ihn angestellt. Das ist unrichtig. Der Ge⸗ werbeaufsichtsbeamte, der den Mann für sein Bureau angenommen hat, ohne sich aber sein Vorleben ju erkundigen, hat gewiß eine große Uaoorsichtigkeit begangen; aber auf diese Weise sich amtliche Erlasse ju verschaffen von einem solchen Manne, das halte ich auch für ein Geschäft, das ein Mitglied jeder volitischen Partei von der Hand weisen sollte. (Sehr richtig! rechts.)

Nach 53 /, Uhr wird die Berathung auf Donnerstag 1ẽUhr vertagt.

Preusischer Landtag. Herrenhaus. 2. Sitzung vom 10. Januar 1900, U / g Uhr.

Der Präsident Fürst zu Wied theilt mit, 26 der Hof⸗ marschall Freiherr von Seckendorff in Kiel im Auftrag Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Heinrich von Preußen in einem Telegramm den Dank für die Glückwünsche des Hauses aus Anlaß der Geburt eines Prinzen ausgesprochen hat. Auch von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinrich von Preußen ist ein Danktelegramm aus Singapore eingegangen. Die Verlesung der Telegramme wird vom 8. mlt Beifall aufgenommen.

Das Andenken der verstorbenen Mitglieder Graf Finck von , , ,. Fürst zu Solms⸗Hohensolms⸗ g von . und von Neumann ehrt das Haus in üblichen Weise.

) ;

Die neu in das Haus eingetretenen Mitglieder, Erster Bürgermeister Knobloch⸗Hramberg, Ober⸗Bürgermeister Marx⸗ Düsfeldorf, Graf ven Praschma, Graf von Eulenburg und Graf von Kospoth werden vom Präsidenten begrüßt.

Zu Quästoren hat der Präsident die Herren General⸗ auditeur Ittenbach und Ober⸗Bürgermeister Hammer⸗Branden⸗ burg ernannt.

Das Präsidium erbittet und erhält die Ermächtigung, Seiner Majestät dem Kaiser und König zum Geburtstage die Glückwünsche des . darzubringen.

Die Darstellung der e,. der Verhandlungen des Landeseisenbahnraths und der Bericht über die Ergebnisse des Betriebes der Staatseisenbahnen für 1898/99 werden der Kommission für die k der Bericht über die Verwaltung der Staatsbergwerke fuͤr 1896/99 wird der Kommission für . und Gewerbe überwiesen.

Der Justiz-Minister giebt in einem Schreiben dem Hause das Erkenntniß der 1. Strafkammer des Landgerichts Breslau bekannt, wonach der Redakteur der Volkswacht“ in Breslau wegen Beleidigung des Herrenhauses zu einem Monat Ge⸗ 6 niß verurtheilt worden ist. Dieses Schreiben hat der

raͤsident bereits der . übergeben.

Der Justiz-Minister theilt in einem 4 Schreiben mit, daß der wegen Beleidigung des Herrenhauses durch einen Artikel mit der Ueberschrift „Der Tag des Herrn“ angeklagte verantwortliche Redakteur des „Vorwärts“, Jacobey, am 30. August verstorben sei und daß daher, weil auch der Ver⸗ fasser des Artikels mit Hilfe des , nicht zu ermitteln gewesen, von einer weiteren Strafverfolgung Ab⸗ stand genommen werden müsse.

räsident Fürst zu Wied erklärt, daß damit diese An⸗ gelegenheit als erledigt anzusehen sei.

Schluß gegen R/ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag hn J betreffend die Zwangserziehung Minder⸗ jãhriger).

Haus der Abgeordneten. 2. Sitzung vom 10. Januar 1900, 11 Uhr.

Die Rede, welche der Vize⸗Präsident des Staats⸗Mini⸗ steriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel bei Einbringung des iat n asl, Hs für das Etatsjahr 1900 gehalten hat, lautete, wie folgt:

Meine hochverehrten Herren! Auf Grund Allerhöchster Ermäch⸗ tigung gebe ich mir die Ehre, Ihnen den Gesetzentwurf, betr. Fest⸗ stellung des Staatshaushalts. Etats für das Jahr 1900 nebst der all⸗ gemeinen Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres vom 1. April 1896/97 und der Uebersicht für das Jahr vom 1. April 1898/99, zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorzulegen.

Meine Herren, der erste Etat im neuen Jahrhundert schließt sich in seinem Wesen den Etats der vergangenen Jahre an; wie bei ihnen steigt die Einnahme sowohl wie die Ausgabe. Er tritt gewisse maßen mit einem zufriedenen Gesicht in das neue Jahrhundert. spendet allen Ressorts und Betriebsverwaltungen neue und reiche Gaben. Wir sind, wenn ich so sagen darf, aus der Sturm und Drangperiode der Etatsveränderungen jetzt herausgetreten und auf einen regelmäßigen festen Weg allmählicher Weiterentwicklung gekommen. Das werden Sie bei der näheren Betrachtung des Inhalts dieses Staatshaushalts⸗ Etats sehen.

Die Grundsätze, nach denen der Etat aufgestellt ist, sind dieselben geblieben. Prinzipielle, wesentliche Aenderungen und Veränderungen sind in diesem Etat nicht vorhanden. Die Einnahmen sind, wie sich das bisher bewährt hat, vorsichtig veranschlagt, doppelt vorsichtig, weil wir uns wohl sagen müssen, daß solche gewaltigen Steigerungen, wie sie in den Vorjahren vorgekommen sind, für die nächsten Jahre nicht wahrscheinlich sind. Wenn auch Handel, Wandel, Industrie und Ge— werbe heute noch in Flor sind, so sind sie doch wohl nahe an den Gipfel ihrer Bewegung gekommen, und so erhebliche Steigerungen wie in den Vorjahren sind daher kaum zu erwarten. Andererseits werden Sie sich überzeugen, daß die Ausgaben reichlich bemessen sind da, wo es auf Schätzung derselben ankommt, sodaß, wenn wir in den Einnahmen unter unseren Schätzungen bleiben sollten, vielleicht eine Reserve in der Höhe der betreffenden Ausgaben liegt.

Meine Herren, der gegenwärtige Etat balanciert in Einnahmen und Ausgaben mit einem Gesammtbetrage von 2472266 000 M Ich bemerke, daß ich Ihnen im Folgenden, der leichteren Auf⸗ fassung wegen, wesentlich nur runde Zahlen geben werde. Gegen die Veranschlagung gegen das laufende Etatsjahr sollen die Einnahmen eine Steigerung von nicht weniger als 145 981 000 4 bringen. Von den Ausgaben entfallen 166 409 000 auf das Extraordinarium gegen einen Betrag von 139 508 000 im laufenden Jahre. Das Extraordinarium ist also wieder erheb⸗ lich gestiegen und beträgt jetzt nicht weniger als 6,7 /o der gesammten Staatsausgaben. (Hört, hört) Ich werde die Gründe, aus welchen das Extraordinarium aus den nun einmal vorhandenen Mitteln wiederum so erheblich erhöht ist, später noch näher darlegen. Die höchsten Beträge des Extraordinariums fallen naturgemäß auf die Betriebs verwaltungen; aber auch bei den Staatsverwaltungen sind die extraordinãren Verwendungen erheblich gewachsen.

Die steigenden Antgaben im Ordinarium bei den einzelnen Ressorts erklären sich übrigens zum theil daraus, daß die gesammten Beträge für die im vorigen Jahre beschlossenen Besoldungsver⸗ besserungen nunmehr aus dem Etat des Finanzministeriums, wo sie wegfallen, auf die einzelnen Ressorts vertheilt sind. Ich bitte, meine Herren, diet wohl in Erwägung zu nehmen.

Ehe ich weiter gehe in der Betrachtung des Etats, möchte ich die Herren unterrichten von den Ergebnissen des Rechnungsjahres vom 1. April 1898/1899, und später werde ich dann die voraussichtlichen Ergebnisse des laufenden Jahres bezeichnen.

Der Netto⸗Ueberschuß des Jahres 1898/1899 beträgt 84 365 000 40 Dazu haben vor allem natürlich die Betriebsverwaltungen beigetragen. Die Forstverwaltung hat einen Mehrüberschnß von 12773 000 gebracht. (Hört, hört!) Die Verwaltung der direkten Steuern hat einen Mehrüberschuß von 13 870 000 A (hört, hörth, die Verwaltung der indirekten Steuern einen Mehrüberschuß von 11 339 000 , die Bergwerks verwaltung einen solchen von 12144000 M und die Eisen⸗ bahnverwaltung einen solchen von 9 039 000 M ergeben.

In der Allgemeinen Finanzverwaltung ist eine Mehreinnahme wesentlich durch Mehrüberweisungen vom Reiche von 19 450 000 erzielt. (Hört, hört!) Ebenso sind von den Zuschußverwaltungen mit Minderzuschußbeträgen namentlich die Justizverwaltung mit

goa ooo. und das glnan · Menistet um mit 2666 ooo. A bettellit .

Dem gegenüber steht eine Reihe von Mehrausgaben und Mehr, bedarf; ich will die einzelnen Ziffern nicht nennen; es wird ja hier genügen, da dem Hause die betreffenden Finalabschlüsse im einzelnen vorgelegt werden, hier darauf hinzuweisen, daß wir wiederum den be. zeichneten erheblichen Ueberschuß von welchem allerdings, was die Schuldentilgung betrifft, 50 000 0o0 4 zu Gunsten der Eisenbahn.

verwaltung abzusetzen sind in dem abgeschlossenen Ctatssahre zu

verzeichnen haben.

Nun, meine Herren, was den vermuthlichen Mehrüberschuß dez laufenden Etatsjahres betrifft, so wird wahrscheinlich nach unserer Schätzung die allerdings nur mit allem Vorbehalt zu geben ist, weil wir ja noch drei Monate vor uns haben im großen Ganzen ein gleicher Ueberschuß wie im Vorjahre erzielt werden. Wir schätzen ihn auf etwa 85 000 000 S; es können aber auch einige Millionen mehr oder einige Millionen weniger sein, Genaues läßt sich, wie ge⸗ sagt, ganz bestimmt noch nicht sagen. Die Forsten werden in ihren Ergebnissen auf 13 000 000 M mehr gegen den Etat geschätzt, die direkten Steuern auf 15 000 000 16, die indirekten auf 9 000000 , die Bergwerke auf 14 000 000 M und die Eisenbahnen auf 13 000 00 Mark. Ebenso ergiebt sich noch ein Plus in Beziehung auf unser Verhältniß zum Reich. Meine Herren, allerdings sind die Ueber⸗ schüsse der beiden Jahre, die ich hier bezeichnet habe, etwas niedriger

als die der Vorjahre. Aber von diesen Ueberschüssen müssen Sie ab,

ziehen die bedeutenden dauernden Mehrausgaben u. a. für die Gehalte. erhöhungen. Diese und andere Umftände, die ich im einzelnen noch nennen werde, zeigen, daß die Einnahmen doch nicht herunter“, sondern noch heraufgegangen sind, daß aber die Ausgaben sehr erheblich ge⸗ stiegen sind aus verschiedenen Momenten, die ich bei den einzelnen Etats noch näher darlegen werde, und daß also im großen Ganzen die Entwickelung unseres Finanzwesens auch in diesen beiden Jahren vollkommen auf dem gleich günstigen Boden steht, wie in den Vorjahren.

Meine Herren, ich kehre nunmehr zu dem vorliegenden neuen Etat zurück, komme zunächst zu den einzelnen Einnahmeweigen und bemerke zuvörderst, daß die Betriebsve rwaltungen im Ordinarium 118 Millionen mehr an Einnahmen bringen sollen, daß aber die Mehrausgaben 89 Millionen betragen, sodaß sich im Ordinarium ein Mehreinnahme⸗Ueberschuß von 29 Millionen ergiebt. Das Extra⸗ ordinarium dieser Verwaltungen erfordert 6 Millionen mehr. Sie sehen also, meine Herren, daß hier bei den Betriebsperwaltungen gerade das Schwergewicht der Steigerung im Extraordinarium liegt, und daß wir aus der Periode übermäßig rascher Steigerung der ordinären Ausgaben herausgekommen sind. Es ergiebt sich hiernach ein Gesammtüberschuß bei den Betriebs verwaltungen von 22 730 0004

Die Eisenbahnverwaltung trägt hierzu in diesem Jahre allerdinzz nichts bei. Ihre Ausgaben sind, namentlich im Extraordinarium, so gewachsen, daß sie die allerdings erheblich gestiegenen Mehreinnahmen überwiegen. Wenn wir daher für eine Reihe von neuen und alten Ausgaben in diesem Etat erheblich größere Beträge verwenden können, so ist das diesmal allerdings wesentlich den übrigen Ver— waltungen zu verdanken. Ich werde auf diese Frage wegen der Ent⸗ wickelung der Eisenbahnüberschüsse demnächst noch bei den Eisenbahnen kurz zurückkommen.

Die einzige Betriebsverwaltung, welche weniger Ueberschüsse bringt, ist, wie in den letzten Jahren hergebracht, die Domänen verwaltung. Aber, meine Herren, es ist doch der Minderbetrag, soweit er sich auf die Einnahmen von den Domänenvorwerken und von anderen Grundstücken bezieht, geringer geworden als in den Vor⸗ jahren. (Zuruf rechts: Einmal muß doch das Minimum erreicht sein.) Gewiß! Ich will daraus auch keine Schlüsse ziehen. Er beträgt 112 000 W von den Domänenvorwerken und 112 000 MS von anderen Domänengrundstücken. Die Mindereinnahmen beruhen aber im wesentlichen auch auf einer Umstellung: die Einnahmen von dem Bernsteinregal sind, soweit sie noch auf dem Etat der Domänen⸗ verwaltung standen, auf den Etat des Handels. Ministeriums übertragen. Unter den Ausgaben im Extraordinarium finden sich 400 000 M6 mehr zur Erwerbung und ersten Einrichtung von Domänen. Eine ent— sprechende Mehreinnahme finden Sie aber beim Staatsschatz. Meine Herren, es trifft sich wunderbar, daß die große Veränderung in der Rechte lage der Domänen durch Tilgung der Staatsschuldscheine, für welche sie bis dahin verhaftet waren, gerade mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts eintritt. Bisher mußten in den alten Pro— vinzen die Erträgnisse von der Veräußerung von Domänen zur Schuldentilgung verwendet werden; das hat nunmehr auf— gebört, wir sind in der Verwaltung der Domänen völlig frei geworden, und die betreffenden Ergebnisse von Veräußerungen von Domänen fließen jetzt in den Staatsschatz. Welchen Betrag wir dadon zur Wiederanschaffung und zum Erwerb neuer Domänen, vielleicht in anderen Provinzen und in anderen Größen und zu anderen Zwecken verwenden wollen, das ist jetzt lediglich Etatsfrage, da können Regierung und Landtag in Zukunft frei disponieren. Es ist dat, meine Herren, eine sehr wichtige wirthschaftliche und sowiale Frage, die hier nun frei gelöst werden kann.

Der extraordinäre Zuschuß zum Domänenbaufonds ist um 300 000 erhöht. Außerdem sind für fiskalische Weinbergsanlagen, mit denen man sich im Landwirthschafts. Ministerium jetzt vielfach als mit einem kulturell nützlichen und finanziell gute Ergebnisse ver sprechenden Wirthschaftszweige beschäftigt, mehr angesetzt 160 000 6

Was die Forsten betrifft, meine Herren, so sollen die Mehr— einnahmen im DOrdinarium betragen 5e Millionen, die Mehrausgaben dagegen 89 000 ½ν , sodaß sich ein Mehrüberschuß gegen das laufende Jahr von 4 600 000 Æ ergiebt. Das Gxtraordinarlum ist um 00 000 M erhöht, und ergiebt sich daher ein Gesammtmehrüberschuß von 4 Mlllionen. Sie finden Gehälter neu eingestellt für fünf Ober⸗ förster und 42 Förster. Außerdem ist die Position wie das hiet im Hause vielfach gewünscht ist für Forstaufseher um 171 000 6. erhöht. Im Extraordinarium sind die alten Positionen im Ganzen wieder aufgenommen, einschlleßlich auch der extraordinären Erhöhung für Ankauf von Forstgrundstücken von 1 Million Mark, wie wir sie in dem Etat deg laufenden Jahres finden. Ferner sind 600 000 Zuschuß zum Forstbaufonds neu eingestellt, wesentlich zu dem Zweck Förster⸗Gtablissements herzustellen.

Wag die direkten Steuern betrifft, meine Herren, so sind mehr eingestellt 15 Millionen, und es fallen an Mehrausgaben darauf nut 43 000 A

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

1

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

n 10.

Berlin, Donnerstag, den 11. Januar

1900.

3 (Schluß aus der Ersten Beilage.)

Dle Einkommensteuer ist um 14 Millionen, die Ergänzungssteuer

um 1 Milllon, und die Strafbeiträge sind um 97 000 4A erhöht.

ser sehen wir, meine Herren, wie das jedenfalls eine gute Eigen

schaft des heutigen Steuersystems ist, daß die natürliche Erhöhung des

Ginkommens und des Vermögens in der Steuer sich bald wieder

igt, während allerdings auch in ungünstigen Jabren ein umgekehrtes Verhältniß sein wird, was aber durchaus berechtigt ist.

Meine Herren, ich möchte hierbei erwähnen es wird vielleicht für Sie von einigem Interesse sein —, daß das Veranlagungssoll der Grgůnzungssteuer im Jahre 1899 gegen dasjenige des Jahres 1897 sich um 22839 000 S erhöht hat. Kapitalistert man diesen Betrag, so würde das eine Vermögensvermehrung im Lande ergeben an steue rpflichtige m Vermögen von 4. Milliarden. Meine herren, ich sage ausdrücklich: steuerpflichtiges Vermögen, denn alles Vermögen unter 6000 4 ist Glücklicherweise haben auch in dieser Grenze unzweifelhaft sehr er⸗ hebliche Vermehrungen des Vermögens stattgefunden. Man braucht nur auf das Steigen der Sparkasseneinlagen zu verweisen, um sich davon zu Überzeugen. Aber es giebt ja unendlich viele andere Formen der Verwendung erworbenen Vermögens, und man kann daher wohl annehmen, daß die Steigerung des Besitzes in diesen unteren Stufen noch erheblich viel größer ist als das Steigen der Sparkasseneinlagen. Außerdem ist bei uns ja frei alles Vermögen, welches seiner Natur nach nicht bestimmt ist, neue Einnahmen zu schaffen, also die ganze Hautzeinrichtung, Gemaͤlde, die Kostbarkeiten, Alles, was zur Bequem lichkeit des Lebens gehört. Wenn wir in Betracht ziehen, wie der Standard of life in allen Kreisen bis zu den untersten hin auch in Beziehung auf diese Vermögensobjekte sich außerordentlich gehoben hat, so wird man sagen müssen: die wirkliche Vermehrung des Ver— mögens des Landes ist weit höher als die eben genannte Vermehrung des steuerpflichtigen Vermögens zum Betrage von 45 Milliarden.

Was die indirekten Steuern betrifft, so weisen sie einen Mehr— überschuß von 3 800 000 M auf. Dabei ist angenommen, daß dle Vergütungen für Erhebung der Reichssteuern in Gemäßheit der Anschläge der Reichsverwaltung für Preußen eiwa jwei Millionen mehr betragen werden, und daß die Stempelsteuer gleichfalls einen Mehrbetrag von 2 Millionen Mark bringen wird. Es sind hierbei die Durchschnitte wie bisher üblich als Grundlage angenommen, aber doch der Vorsicht wegen etwas niedriger angesetzt, weil man nicht weiß, ob die jetzige Bewegung in den gewerblichen, industriellen und Handelsverhältniffen so fortdauert, wie das bisher der Fall war.

Sie finden hier wiederum 859 000 „M in der Ausgabe eingesetzt fuͤr Dienstwohnungen (Bravo!) der Steuer- und Zollbeamten namentlich an den Grenzen Preußens. Damit werden wir wohl dem Bedürfniß, soweit es ermittelt ist, vollständig genügt haben. Wir werden dann den großen, segensreichen Erfolg haben, daß in allen jenen Ortschaften, wo ein offenbares Bedürfniß dafur hervorgetreten ist, sämmtliche Grenz und Zollaufseher an den Grenzen Preußens im Osten und Westen eigene Dienstwohnungen haben.

Meine Herren, eine ähnliche Entwickelung finden Sie auch in einigen der übrigen Ressorts; namentlich sind in dem Etat der Gisenbahnverwaltung auch 2 Millionen Mark eingesetzt für gleiche Wohnungen der Unterbeamten namentlich in den östlichen Landes⸗ theilen, und vorzugäweise in den gemischt sprachlichen Bezirken. Es hat das zugleich auch eine nationale Bedentung. Ebenso sind Be— träge eingestellt für weitere Dienstwohnungen der Gendarmen.

Was die Bergwerksverwaltung betrifft, so sind dle Ein— nahmen höher veranschlagt um 17 Millionen, während die Ausgabe allerdings steigen soll um 13 Millionen im Ordinarium. Das Extra⸗ ordinarlum ist daneben um 900 000 M erhöht, sodaß ein Gesammt⸗ überschuß von 3 Millionen verbleibt. Ich glaube, schon wenn ich die Zahlen verlefe, werden Sie mir zugeben, daß namentlich die Ausgaben reichlich veranschlagt sind und daß man wohl hoffen kann, daß bei diesen Ausgaben der Bergwerksver⸗ waltung Ersparungen zu machen möglich sein wird.

Ich komme nun auf die Eisenbahnverwaltung. Hier sind die Verlehrtzeinnahmen um 8o½C in 2 Jahren böher veranschlagt. Die Einnahmen sollen mehr ergeben 78 Millionen, die Ausgaben im Ordinarium aber steigen um 73 Millionen, sodaß sich im Ordinarium ein Mehrüberschuß von 45 Millionen rund ergeben würde. Das Extraordinarium ist aber veranschlagt auf 86 800 000 M (hört, hört! links), und zwar gegen ein Extraordinarium von 81 Millionen Mark, für 1399 um h 410 000 höher. Danach ergiebt sich für die Eisen⸗ bahnverwaltung ein Minderüberschuß von 678 000

Meine Herren, ich möchte aber doch, damit keine Mißverständnisse entstehen, hier ausdrücklich hervorheben, daß diese Rechnung nur be— 1weckt, klar zu stellen das Verhältniß der Eisenbahnverwaltung, als Ganzes gedacht, gegenüber dem Staat. Wir kommen danach auf eine geringere Ablieferung zu allgenänen Staatszwecken in diesem Jahre; in dem wieder vorliegenden Netto Etat werden Sie finden, ich glaube, UI Millionen.

Aber, Sie können aus dieser Etatisierung nicht den wirthschaftlichen und finanziellen Werth der Eisenbahnverwaltung an sich entnehmen, weil unzwelfelhaft hier eine Reihe von Ausgaben eingestellt sind, die

ch mehr oder weniger als eine Art Reservefonds charakterisieren, so⸗ daß die Eisenbahn wohl schwerlich in der Lage sein wird, die ganzen Betrage aus diesen extraordinären Veranschlagungen in diesem Jahre allein zu verwenden.

. Meine Herren, wir haben keinen allgemeinen Reservefonds für die Eisenbahn, wir haben auch keine Erneuerungsfonds, wir haben auch keinen allzugroßen Betriebsfonds, obwohl wir ibn zu Gunsten der Gisenbahnen bekanntlich in den letzten Jahren um 100 Millionen aus den allgemelnen Staatzmitteln erhöht haben. Meine Versuche, einen Augleichs fondt zu erlangen, sind bekanntlich an dem Wideispruch des hohen Hauseg gescheitert. Nun werden Sie mir doch aber zugeben,

bekanntlich frei.

daß jeder verständige Haushalter, jedes große Unternehmen in den guten Jahren mit sehr reichlichen Ergebnissen Vorsorge trifft, daß

nicht das ganze reichliche Ergebniß auch sofort verwendet wird, sondern

daß man sich einigermaßen für aller Wahrscheinlichkeit nach kommende ungünstige Jahre deckt. Man vertheilt nicht alles, was man ge— wonnen hat, man schreibt ab, man erhöht die Reservefonds.

Meine Herren, eine solche Form haben wir nicht; aber für uns hier in der Staatsverwaltung ist dieses System, wenn wir mit Vor- sicht verwalten wollen, und namentlich mit Voraussicht, noch viel nöthiger als bei den Privatunternehmungen, und zwar aus dem ein fachen Grunde, weil wir nicht die freie Disposition über die Höhe unserer Dividenden haben; diese Ueberschüsse, die hier in Frage kommen, sind vielmehr längst, wenigstens zum theil, in dauernde Ausgaben verwandelt. Wenn die Erträgnisse in ungünstigen Jahren wesentlich heruntergegangen sind, so werden wir keine disponiblen Mittel haben, die dauernden Ausgaben zu decken, und wir werden wieder in das Defizit und in ungünstige Verhältnisse hineingerathen.

Bei der Eisenbahnverwaltung ist hier noch zu erwähnen, daß wir ihr nicht bloß ein hohes Extraordinarium geben, sondern außerdem 30 Millionen wieder aus allgemeinen Staatsfonds, wenn solche Ueber⸗ schüsse vorhanden sein werden, zur Disposition stellen. An und für sich, wenn dieser Zustand dauerte, würde er ja kein be— sonders günstiger sein, aber wir können wohl annehmen, daß diese ganz extraordinären großen Umwandlungen und Umgestaltungen, die jetzt stattfinden, infolge der plötzlich gestiegenen großartigen Betriebsentwickelung, nicht dauernder Natur sind. Es wird auch in dieser Beziehung wohl ein Rückschlag kommen, wo wir den größeren Betrieb mit denjenigen Einrichtungen weiterführen können, welche wir jetzt geschaffen haben, und die nicht bloß für ein Jahr vorhalten, sondern für die Dauer wirken.

Nichtsdestoweniger wird man doch sich nicht allzu große Vor⸗ stellungen machen dürfen von den zukünftig steigenden Netto Ueber⸗ schüssen der Eisenbahnen, und man wird geringeren Werth infolge dessen auf stark steigende Bruttoeinnahmen zu legen haben. Durch die Publikation der schönen Bruttoeinnahmen werden sachunkundige Personen im Publikum leicht verführt, alles in rosigstem Lichte zu sehen; sie sehen aber nicht zugleich die wachsenden Ausgaben, die dabei in Frage kommen. Ich habe ja bei Gelegenheit der Motivierung der finanziellen Seite des Kanalunternehmens schon ausführlich hierauf hingewiesen. Die personellen Ausgaben sind allein in diesem Etat wiederum um 20 Millionen erhöht, darunter allein Gehälter für 5000 neue etatsmäßige Stellen.

Ich muß aber noch erwähnen, um auch in dieser Beziehung nicht zu dunkel zu färben, daß die Eisenbahnverwaltung im kommenden Jahre genöthigt sein wird, 6 600 000 M mehr zu den Ausgaben für die statutenmäßigen Pensionen von Beamten zuzuschießen, indem nämlich jetzt der Zeitpunsft gekommen ist, wo die Kapitalbestände, welche aus den Pensionskassen der früheren Privatbahnen mit über⸗ nommen wurden, aufgezehrt sind. Es müssen also jetzt diese Pen sionen der Beamten der früheren Privatbahnen im wesentlichen aus allgemeinen Staatsfonds bezahlt werden.

Ich habe schon erwähnt, daß die Eisenbahnverwaltung auch sehr erhebliche Mehrausgaben hergiebt für Dienstwohnungen der Unter— beamten. Meine Herren, wir haben früher die Dienstwohnungen wesentlich gebaut für die höheren Beamten, und thun das da, wo an— gemessene Miethswohnungen nicht zu haben sind, oder wo die dienst⸗ lichen Obliegenheiten es erfordern, noch heute und werden darin auch mit Vorsicht fortfahren müssen. Aber wir haben doch jetzt mehr erkannt, daß es vielleicht in manchen Beziehungen weit nothwendiger und wichtiger ist, für die kleinen Beamten Dienstwohnungen zu bauen. Denn, meine Herren, das Schwabe'sche Gesetz, daß das Verhältniß der Ausgaben für die Wohnung jum Gesammteinkommen sich um so un— günstiger stellt, je geringer das letztere ist, ist unzweifelhaft richtig, und wir werden unseren Beamten eine außerordentliche Wohlthat erweisen, wenn wir sie gerade in diesem Punkt unterstützen. Meine Herren, was eine gute, sichere Wohnung für die korrckte Dienstleistung, namentlich von Beamten, wie ich sie vorher genannt habe, bedeutet (Polizei, und Zollbeamten), brauche ich nicht aus einanderzusetzen. Wag aber für die Familie, für die Disziplin, für die Sittlichkeit und Häuslichkeit, für die ganze soziale Stellung des Beamten eine solche Wohnung autmacht, dag wissen Sie ebenso gut wie ich. Ich meine daher immer, wenn unsere, Finanzlage so glänzend ist, wie sie augenblicklich sich darstellt, so ist es durchaus richtig, daß wir auch den Unterbeamten davon hier etwas zu gute kommen lassen.

Bei der öffentlichen Schuldenverwaltung sind die Ausgaben im Ordinarium gestiegen um 3 988 000 M; im Extraordinarium findet sich eine Mehrausgabe von 196 000 6 Die Mehrausgabe von etwa 3 Millionen releviert aus der Verzinsung der im vorigen Jahre kon trahierten Anleihe in 30½ Papieren. Schatzanweisungen sollen in Zukunft nur unverzinslich ausgegeben werden. Ich bin darauf schon im vorigen Jahre eingegangen; es sind an Spesen und Diskont eine Million in den Etat einzestellt.

Die Tilgung unserer gesammten Schuld ist wiederum um eine halbe Million gestiegen.

Meine Herren, ich möchte bei dieser Gelegenheit Ihnen einmal eine kurze Uebersicht über die Vermehrung unserer Schuld in den letzten zehn Jahren und über die Tilgung der kontrahlerten Schulden geben, die zur Beurtheilung der Bilanz des Staats und der Verände⸗ rung derselben Ihnen von Interesse sein wird.

Meine Herren, wir haben seit 1890/91 an Schulden getilgt aus neberschüssen des Staatshaushalts 4537 Millionen. Die ordentliche Tilgung, die Sie im Etat finden, die also auch aus den laufenden Mitteln genommen wird, beträgt 363 Millionen, sodaß im Ganzen in dieser Zeit getilgt sein werden 800 Millionon, ich setze dabei vor⸗ aus, daß auch das laufende Jahr der Schätzung im Allgemeinen ent⸗ spricht, die ich vorber gegeben babe in Bezug auf die Uebe rschüsse. Nun sind aber davon abzusetzen 170 Millionen, welche aus den Ueberschüssen des Staats zur Bildung und Erganzung

des außeretatsmäßigen Dispositionsfonds der Eisenbahnverwaltung Verwendung gefunden haben oder finden werden. Sie sind ja keine Schuldentilgung im eigentlichen Sinne, aber ein erheblicher Betrag dieser 170 Millionen ist doch wohl anzusehen als eine Verbesserung und Vermehrung des Vermögens des Staats, ein erheblicher Betrag, daz Ganze wohl nicht. Werden diese 170 Millionen in Abzug gebracht und weiter in Gegenrechnung gestellt diejenigen Schulden im Betrage von 113 Millionen, welche zur Deckung der Fehlbeträge der vier Jahre 1891 bis 1894 mit zusammen 108 Millionen haben aufgenommen werden müssen, so verbleibt als wirkliche Schulden⸗ tilgung in dem angegebenen Zeltraum der Betrag von 517 Millionen. Das ist, wie ich wohl sagen kann, eine genügende Schuldentilgung; eine übermäßige ist sie immer noch nicht, unsere Vorfahren haben in Preußen die Schulden theilweise stärker getilgt, als wir es selbft in diesen guten Jahren thun.

Es ist schwer herauszurechnen, welcher Prozentsatz auf die einzelnen Jahre entfällt, weil die Tilgung sich auf verschiedene Schuldsummen bezieht. Aber ich glaube nicht, daß 1 Prozent mit zuwachsenden Zinsen herauskommen wird, während wir beispielzweise die Staatsschuldscheine bis zuletzt hin steigend getilgt haben durch den Zuwachs der ersparten Zinsen. Wenn wir aber in der Lage wären, dauernd eine solche Schuldentilgung eintreten zu lassen, so könnte man wohl recht zufrieden sein, und wir wollen hoffen, daß bei einer richtigen Behandlung unserer Finanzen, bei möglichst energischer Zurückweisung übermäßiger Ansprüche an die Staatskasse (Heiterkeit auch dauernd eine solche Schuldentilgung möglich bleibt.

Welche neue Schulden haben wir nun in dieser Zeit aber ge— macht? Wir haben in der angegebenen Zeit, wenn ich von den Ver— wandlungen von Prioritäts Obligationen der Eisenbahnen in Staats papiere absehe, die ja nicht eine wirkliche Vermehrung der Schulden. enthalten, 907 Millionen neue Schulden gemacht. Davon entfallen auf die Eisenbahnen 734 Millionen und 147 Millionen auf andere mehr oder weniger produktive Anlagen, beispielsweise auf Wasser⸗ bauten, Ansiedlung und allein auf genossenschaftlichen Personalkredit 50 Millionen. Das werden doch schließlich auch Schuldbeträge sein, die eine, wenn auch mäßige Rente in Aussicht stellen.

Was nun die Eisenbahnen betrifft, so kann man ja nicht sagen, daß alle diese Eisenbahnbauten erhebliche Renten liefern. Wir haben eine ganze Reihe Eisenbahnen gebaut, die wesentlich den Charakter von Meliorationsbahnen haben. Eine solche Landesmeliorierung kommt später ja immerhin auch dem Staate zu gute. Aber von dem Standpunkt eines Kassenführers und Finanz Ministers kann man dech nicht alle diese Bahnen für rentabel erklären. Jedenfalls geht aus dem Gesagten wohl hervor, daß unsere Bilanz eine günstige ist. Man muß dabei in Betracht ziehen, daß wir nicht bloß durch direkte Schuldentilgung, sondern auch durch steigende höhere Verwendungen, welche wenigstens zum theil den Charakter einer Vermögensverbesserung des Staats enthalten, in den letzten Jahren die Finanzen des Staats verbessert haben. Wir können so jn das neue Jahrhundert mit einer gewissen Ruhe hinein⸗ gehen.

Bei der all gemeinen Finanverwaltung ist die Spannung der Ueberweisungen und der Matrikularumlagen so ziemlich dieselbe geblieben; sie ist noch etwas günstiger als im Vorjahre. Die Ein⸗ nahmen des Staatsschatzes haben um 500 000 M geringer veranschlagt werden müssen, weil man weniger auf Verkäufe rechnen konnte, und auch der Staats. Aktivkapitalienfonds soll 57 000 M weniger bringen.

Melne Herren, ich gehe nun zu den eigentlichen Staats vemrwaltungen über. Da sind ja nun die großen Ausgabe⸗ steigerungen, namentlich für Gebälter, hinter uns. Infolge dessen ist die Gesammtmehrausgabe im Ordinarium diesmal auf 5 Millionen reduziert, denen die Gesammtmebreinnahme zegenübersteht von 6, fast 7 Millionen, sodaß sich im Ordinarium ein Minderbedarf von fast 2 Millionen zeigt. Im Extraordinarium aber hier sehen Sie die Folgen der Grundsätze, die Sie in verschiedenen Sessionen auch Ihrerselts gebilligt haben sind reichlich 20 Millionen Mehr⸗ ausgaben veranschlagt, sodaß sich ein Gesammtmehrbedarf der Staats- verwaltungszweige von 183 Millionen ergiebt.

Von diesen Verwendungen baben nun fast alle Staate verwaltungösausgaben mebr oder minder profitiert. Der Minder⸗ bedarf, der sich im Finanz ⸗Ministerium ergiebt, erklärt sich durch die Uebertragung der Gesammtsumme der Gebaltserböbungen; er beträgt 8 300 000 S auf die einzelnen Ressorts. Das Finanz ⸗Ministerium hat aber anderseitig eine Mebrausgabe, die ich gleich bezeichnen werde, von? Millionen, sodaß sich nur ein Minderbedarf von mehr als 1 Million ergiebt. Es sollen bier 22 neue Regierung stellen kreiert werden; darunter sind aber 18 Stellen für Vorsitzende von Schiedsgerichten bestimmt. Demgegenüber stebt aber eine Minder⸗ ausgabe für die Besoldung der Vorsitzenden der Schiedsgerichte bei der Handels. und Gewerbeverwaltang von 100000 Der früher viel umstrittene Diepositionsfonds für 4 Ober - Präsidenten ist nach Maßgabe des Bedürfnisses, das sich herausgestellt hat und klar nach⸗ gewiesen ist, um 180000 erhöht. Der Pensionsfonds ist wiederum um 2 Millionen und der Fonds für Wittwen und Waisengelder um 18 Millionen erhöht. Für den Neubau der Kaiser Wilhelms Bibliothek und des Provinzial⸗Museums in Posen ist eine weitere Rate von 80 000 eingestellt.

Endlich, meine Herren, finden Sie bier einen Ansatz von 7 300 000 6 für den Erwerb des sogenannten Akademieviertels, welches als Bauplatz für die dahin zu verlegende Königliche Bibliotbek in Autsicht genommen ist. Meine Herren, dieses Akademieviertel ist, soweit es nicht der Königlichen Akademie der Wissens Haften gebört, nunmehr nach Fertigstellung des neuen Marstallgebäudes außer Be- nutzung der Krone gefallen, und die Krone würde daber in der Lage sein, das Gebäude beliebig veräußern zu können. Nachdem im wachsenden Maße das bisherige Bibliotbekegebäude unzureichend ge⸗ worden ist das ist hier schon seit zehn Jabren anerkannt und da