1900 / 39 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Feb 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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zu Gunsten derjenigen verfahren zu werden, die mit diesen Papieren bandeln wollen.

Arg. von Korn (kons) beschwert sich darüber, daß das Breslauer Oberlander gericht eine besondere Verwaltungegebühr sür die Beauf⸗ sichtigung der Fideikommife und Stlftungen erhoben habe.

Justiz⸗Minister Schönstedt: ;

Ez handelt sich hier, wie Herr Dr. Korn ⸗Rudelsdorf hervor⸗ gehoben hat, um eine zweifelhafte und streitige Rechtsfrage, zu deren Entscheidung nur die Gerichte befugt sind, die aber nicht durch die Justiverwaltung ihre Entscheidung finden kann. Es handelt sich darum, ob bei Fideikommissen außer der Aussichtsgebühr, die im §5 93 Nr. 1 jetzt heißt er, glaube ich, 96 vorgeschrieben ist, noch eine Verwaltungsgebühr erhoben werdin kann, wenn einzelne Theile des Fidelkommisses, in dem vorliegenden Falle namentlich größere Summen, die zu einem Geldfidelkommiß gehören, sich in gerichtlicher Verwahrung befinden und jwar mit der Wirkung, daß von der Ver⸗ wahrungsstelle aus z. B. die Verloosungen, Anschaffung neuer Stücke, Einziehung von Kupong u s. w. geschieht. Das Oberlandes gericht in Breslau faßt diese Verwahrungsthätigkeit als einen Akt der Ver⸗ mögensverwaltung auf und legt den Absatz 3 des zitierten Paragraphen dahin aus, daß derselbe nicht nur bei Vermögensverwaltungen außer⸗ halb des Fideikommißbereichs, sondern auch unter der eben angedeuteten Voraussetzung gegenüber Fidelkommissen stattsände.

Ich habe über diese Frage die Gutachten sämmtlicher Oberlander⸗ gerichte eingeholt, und die Antworten gehen dabel ziemlich auseinander. Gerade die größten Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die bedeutendsten Fideikommisse sich befinden, stehen auf dem Standpunkt des Oberlandesgerichtßz in Breslau; sie berufen sich darauf, daß schon vor dem Gerichtskostengesetz von 1895 auf Grund der ähnlichen Bestimmung des alten Gericht kostengesetzes für Falle der hier in Rede stehenden Art jwar nicht die Verwaltungs⸗ gebühr, wohl aber eine höhere Gebühr, die nur dann zum Anlaß kommen dürfte, wenn eine Rechnungklegung stattfand, erhoben worden sei. Nun, wegen dleses einzelnen Falles ju einer Novelle zum Ge⸗ richtskoftengesetz zu schreiten, wird ja auch vom Herrn Abgeordneten nicht gewünscht. Ich gebe aber zu, daß es wünschenswerth ist, diese Frage klar zu stellen, und bin gleichfalls der Ansicht, daß das in Vor⸗ bereitung befindliche Fidelkommißgesetz der richtige Ort sein wird, zu dieser Frage Stellung zu nehmen und sich in der einen oder anderen Weise zu entscheiden. Wie die Entscheidung ausfallen wird, darüber kann ich im Augenblick mich nicht äußern. Aber jedenfalls wird Sorge getragen werden, daß die Zwelfel, die bezüglich dieser Frage bestehen, bei Erlaß des Fideikommißgesetzes beseitigt werden.

Auf eine Anregung des Abg. Conrad Grauden; (fr. kons.) er klãrt der

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Die Stelle hat in dem diet jährigen Gtat deshalb nicht eingeftellt werden können, weil, wie schon der Herr Abgeordnete eben erwähnt hat, gewisse Schwankungen in den Geschãf is verhãltnissen sich gejelgt haben, die es als nicht ausgeschlossen erscheinen ließen, daß ein dauernder Rückgang der Geschäfte eintreten könne und nicht eine Zunahme. In den beiden letzten Jahren hat ein wenn auch nicht erheblicher Rückzang nach den Zahlen, die für die Ermittelung dez Geschäftsumfanges an der Zentralstelle als maßgebend erachtet werden, stattgefunden. Immerhin aber sind die Geschäfte in Graudenz so er⸗ heblich, daß sie sich unmittelbar an der Grenze befinden, über die binaus die Geschäfte durch den Präsidenten und einen Direktor alen nicht bewältigt werden können. Ich glaube, mit ziemllcher Bejrimmtheit in Aussicht stellen zu können, daß im nächsten Etat diese neue Stelle erscheinen wird.

Abg. Schmitz Düsseldorf (Zentt.) vertheidigt das Verhalten des Ämisrichters in Ratingen. Der Richter habe die Identität der

ersonen, die zur Rekognitson vor ihm erscheinen, zu prüfen, und er ei in diesem Falle berechtigt gewesen, den Gastwirth abzulehnen. Nur mit seiner etwas zu allgemein gehaltenen Aeußerung über die Gastwirthe habe er in der Form gefehlt. In Opladen habe er that⸗ sächlich keine Wohnung gefunden,

Abg. Schmidt Warburg (Zentr.) beschwert sich darüber, daß entgegen den Beschlässen des Reiche tages nicht die Gerichts schrelber, fondein die Richter mit dem Kostenfestsetzungs verfahren beschäftigt werden, wie eine Instruktion an einem Landgecicht, das er nicht nennen wolle, anordge. TVoentuell müßten die Stellen der Gerichtsschreiber vermebrt werden.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Das Kostenfestsetzunge verfahren ist bekanntlich ein Lieblingsthema des Herrn Abg. Schmidt (Warburg). Er hat schon öfter das hohe Haus von den damit verbundenen Unjuträglichkeiten unterhalten. In früheren Jahren hat er sich hauptsächlich interessiert für die Befreiung der Richter von dieser wenig anziehenden und inter⸗ essanten Arbeit. Heute geht sein gutes Herz noch weiter und er bricht auch eine Lanze für die Gerichtsschreiber, denen durch das neue Aus⸗ führungsgesetz eine gewisse Mitwirkung bei diesen Arbeiten zugedacht ist. Meine Herren, da der Herr Abg. Schmidt erklärt hat, er wisse nicht, ob die ihm gemachte Müutheilung wahr sei, und kenne auch nicht den genauen Inhalt der angeblich irgendwo wo wisfen wir nicht erlassenen Instruktion, so hat er mir eine sichere Unterlage für eine krltische Beurtheilung dieser angeblichen Versügung nicht geboten, und ich bin deshalb auch kaum in der Lage, mich zu der Sache selbst zu außern.

Falls eine Instruktion irgendwo erlassen wäre, so wie sie der Herr Abg. Schmidt auffaßt, so würde sie allerdings, glaube ich, nicht in voller Uebereinstimmung sich befinden mit dem Sinn und der Absicht des 5 105 des Ausführungègesetzes zur Zivil⸗ prozeßordnung und mit der Auslegung, welcher dieser Bestimmung damaltz durch meinen Kommissar in einer von mir genehmigten Er⸗ Hlärung gegeben worden ist. Ich werde auf Grund dieser Auslegung pielleicht in die Lage kommen, der Frage näher zu treten, und GEr⸗ kundigungen darüber einzuziehen, wie die Bestimmung gehandhabt wird. Sie ist seit kaum fechs Wochen in Kraft, und sehr umfang⸗ reiche Erfahrungen können daher noch nicht damit gesammelt sein.

Im übrigen hat es mich gefreut, daß der Herr Abg. Schmidt hervorgehoben hat,. daß diese Bestimmung nicht etwa einen moraliscken Zvang füc die Richter bedeuten solle, sich nunmehr jeder Prüfung der Gebübrenliq üdationen zu enthalten und die ganze An gelegenheit auf die Gerichtsschreiber abzuwäljen. Daz würde ich im Interesse der Gerichteschteiber bedauern, füt welche die früher etwas jweifel. hafte Frage, ob sie für eine solche Arbeit eine Gebühr in An piuch nehmen können, in negativem Sinn gelöst ist. Diele Mitwirkung ist jetzt zweifellos eine den Gerichtszschdibern obliegende dienstliche Ver⸗ pflichtung, für die eine besondere Gebühr nicht bewilligt werden kann. Wenn die Herren Richter namentlich überlasteten Gerichtsschteibern

gegenüber einen nicht ju ausgedehnten Gebrauch von der ihnen jetzt eingeräumten Befugniß machen würden, so würden die Gericht schreiber ihnen in hohem Maße dankbar sein. Ob in einzelnen Fällen und an großen Gerichten etwa ein Bedürfniß hervortreten kann, besondere Gerichtsschreiber mehr oder weniger ausschließlich mit diesen Arbeiten zu beauftragen und sie dadurch zu Spezialisten für dieses Arbeitsfach zu mechen, weiß ich nicht. Ich will das nicht absolut verneinen; es kann zweckmäßig sein bei den großen Gerichten, und auch diese Frage will ich gern zum Gegenstande der Erwägung machen.

Ich hoffe, daß der Herr Abg. Schmidt mit dieser Erklärung zu⸗ frleden sein wird.

Abg. von Riepenhgusen (kons) trltt für den Neubau des Amtsgerichtsgebäudes in Bergen ein; nach ärztlichen Gutachten seien die jetzigen Räume so ungesund, daß den Richtern der Aufenthalt daselbst nicht mehr zugemuthet werden könne.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Der Herr Abg. von Riepenhausen hat schon vor längerer Zeit dieser Frage wegen sich an mich gewendet; ich habe mich damals slber die Sachlage informiert und kann auf Grund meiner Erinnerung bestätigen, daß ich damals zu dem Ergebniß gekommen bin, daß ein Umbau der Gerichteslokalitäten in Bergen ein dringendes Bedürfniß ist. Die Sache war auch von der Juftijverwaltung und der Bau⸗ verwaltung soweit gefördert, daß ein vollständiger Plan vorlag, und es war auch mit vieler Mühe gelungen, für die Bauzeit ein Mieths⸗ lokal zu finden. Nun sind Meinungsverschledenbeiten entstanden zwischen der Justiz⸗ bejw. Bauverwaltung und der Finanmwerwaltung über den Umfang des vorzunehmenden Baues. Der Plan ist von seiten der Finanzverwaltung beanstandet worden, gewisse Räume seien entbehrlich, es sei die Sache in etwas ju großem Rahmen geplant. Dadurch hat sich die Sache in die Länge gezogen und zu weiteren Verhandlungen geführt; die Sache ging an die Bau⸗ verwaltung zurück. Eine Aeuherung der Bauverwaltung erfolgte; die Sache liegt jetzt wieder bei dem Finanz · Ministerium, und ich glaube, nach der Mittheilung, die mir eben gemacht worden ist, hoffen zu dürfen, daß nunmehr jene Beanstandung seitens der Finanzverwaltung nicht ferner aufrecht erhalten wird. Dann kann zweifellos in den nächsten Etat der Bau eingestellt werden. So lange allerdings werden nothgedrungen die Richter und die Bevölkerung von Bergen die gegen⸗ wärtigen höchst unerquicklichen Zustände noch zu ertragen haben.

Abg. von Riepenhausen spricht die Hoffnung cus, daß die Verhandlungen mit dem Finanz Ministerium bald zum Abfchluß kommen werden.

Damit schließt die Diskussion. Das Gehalt des Ministers wird bewilligt.

Bei den Ausgaben für die Oberlandesgerichte weist

Abg. Schmitz ⸗Düseldorf darauf hin, daß die Senats. Prã⸗ sidenten beim Reich; ⸗Militärgericht den Rang der Räthe erster Klasse erhalten sollen, während die Oberlandesgerichts Präsidenten noch den Rang der Räthe zweiter Klasse hätten; er bitte, auch diesen den Rang erster Klasse zu geben.

Abg. Pr. van der Borg ht (nl) schließt sich diesem Wunsche an, um auch eine Gleichstellung der Richter mil den Verwaltungs⸗ beamten herbeizuführen.

Abg. Schmitz ⸗Düsseldorf bittet ferner darum, daß den Gerichts⸗ dienern Unfformgelder gewäbrt werden.

Abg. Dr. schen (ul.) wünscht, daß dem Wohnungsbedürfniß der unteren Beamten in den theuren Städten des Westeng ebenso reichlich entgegengekommen werde, wie es der Etat für die Beamten anrerer Ressortz im Osten vorsehe. Bei dem neuen Gerichtsgebäude in Franksurt a. M. könne eine ganze Anzahl von Vienstwohnungen beschafft werden.

Abg. Saenger (fr. Vollp.) empfiehlt überhaupt eine prinnpielle Aenderung des Wohnungsgeldzuschußes, der in seiner jetzig'n Pöhe für die unteren Beamten im Verhältniß zu dem der mitileren zu niedrig sei und die Theuerungsverbältnisse der verschiedenen Drte nicht mehr richtig ausgleiche, da sich die Verbältnisse mit der Zeit wesentlich geändert hätten.

Bei den Ausgaben für die Landgerichte und Amts⸗ gerichte befürwortet

Abg. Letocha (3entr.) die Errichtung eines neuen Landgerichts für Oberschlesien in Kattowitz.

Justiz⸗Minister Sch önstedt:

Ich glaube, den Schwerpunkt der Ausführungen des Herrn Abg. Letocha in denjenigen Bemerkungen fiaden zu dürfen, die sich auf die Errichtung eines dritten Landgerichts im oberschlesischen Industrie⸗ bezirk bezogen. Der Wunsch nach Errichtung eines solchen Landgerichts ist allerdings schon vor Jahren, wie der Herr Abg. L tocha erwähnt hat, durch Anträge der stäntischen Verwaltung von Kattowitz an die Justizverwaltung herangetteten. Es ist aber nicht Kattowitz allein, das für den Fall der Errichtung eines neuen Landgerichts für sich den Sitz desselben in Anspruch nimmt, sondern es konkurrieren auch noch andere Städte, ins besondere Mytlowißz, das behauptet, noch bessere Ansprüche zu haben als Kattowitz. Also zunächst würden wir hier vor den Strelt der beiden Schwesterstädte gestellt werden.

Das Bedürfniß der Errichtung eines neuen Landgerichts in Ober⸗ schlesien will ich nicht absolut verneinen. Es ist allerdings dort ein außerordentlich großer Geschästszuwacht eingetreten, der ja auch wieder⸗ holt in den Anträgen auf Vermehrung des Richterpersonals Ausdruck gefunden bat, wie das auch im gegenwärtigen Etat im relativ erheb⸗ lichen Maße der Fall ist. Die Geschäfte wachsen dort mit der zu⸗ nehmenden Ausdehnung des Bergbaues und der Industrie in ganz ungewöhnlichem Maße. Bis jetzt bat aber die Justizoerw altung amtlich zu dieser Frage noch nicht Stell ing genommen, weil das Be⸗ därfniß als ein so dringliches noch nicht angesehen worden ist, und die Frage noch nicht geklärt ist, inwieweit die wie mit Recht her vorgehoben ist, unzureichenden Geschäfts lokalitäten in Gleiwitz und Beuthen für das Bedürfniß erweitert werden können und dadurch die Nothwendigkeit der Errich ung eines neuen Landgerichts noch hinaus⸗ geschoben werden könnte. Diese Verhandlungen sind noch nicht zum Abschluß gebracht. Ih kann daher heute eine bestinmtere Erklärung auf die Anregung des Herrn Abg. Letocha nicht geben.

Abg. van Vleuten (Zentr) bittet um Errichtung eines Amts⸗ gerich's in Godesberg behufs Entlastung des Gerichts in Benn.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meiae Herren! Das die Bewohner von Godesberz und Um⸗ gegend durch die Errichtung eines Amtsgerichts in Godesberg sehr angenehm berührt werden würden, wird gewß von Niemand in Zweifel gejogen werden. Ebeaso wird ohne weiteres zugegeben werden dürfen, daß ein Richter in Godesberg ganz angenehm situiert sein würde. (heiterkeit Der Wunsch der Stadt Godesberg, Sitz eines Amtsgerichts zu werden, ist ju ein durchaus erklärlicher und an und für sich wohl berechtigt. Os aber das Bedürfniß vorhanden ist, ein

gebende Frage das ist zweifelhaft. Für die Justijverwaltung ist bisher ein solches Bedärfniß kaum fühlbar geworden. Und wenn die Räumlichkeiten der Bonner Gerichte allerdings sich als nicht gam augreichend erwiesen haben, so ist doch schon Vorsorge getroffen worden. daß sie demnächst eine umfassende Erweiterung erfahren und dann allen Bedürfnissen auf weit hinaus vollkommen genügen werden. Es ist schon ein an das gegenwärtige Gerichts gebäude anstoßender Platz mit einem erheblichen Kostenaufwande erworben und die Skine für den darauf zu errichtenden Erweiterungsbau bereitg fertig gestellt worden, sodaß also nach dieser Richtung hin alle Vorsorge ge⸗ troffen ist.

Es liegt der Regierung eine Petition der Stadt Godesberg um Errichtung eines Amtsgerichts vor, über welche eine definitive Ent⸗ scheidung noch nicht getroffen ist, über die namentlich auch noch nicht die Vertreter der Verwaltungsbebörden gehört worden sind; aber nach der bisherigen Sellungnahme der Justizbebörden und insbesondere der Juftiz⸗ Provinzialbehörden wird, glaube ich, die Bedürfnißfrage kaum im bejahenden Sinne beantwortet werden können.

Abg. Peltasohn ffrs. Vgg) wünscht, daß die Waisenrãthe zfter Versagmlungen abhalten und dabei vom Vormundschaflsrichter über die gescßlichen Bestim mungen informiert werden. Für die Reisen zum Gerichtsort zu diesem Zwecke müßten sie Entschädigung erhalten, und auch der Vormundschaftsrichter müßte entschädigt werden, wenn eine Veisammlung außerhalb des Gerichtsortes stattfinde.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! In dem letzten Punkt kann ich den Herrn Abg. Peltasohn vollstäöndig beruhigen. Es besteht keineswegs die Auf . fassung, weder im Justiz . Ministerium, noch im Finanz⸗Ministerium, deß bei Ermittelung derjenigen älteren Hälfte der Richter, denen der Rang der Räthe vierter Klasse verliehen werden kann, die in den einstweiligen Ruhestand versetzten Richter noch mit berũcksichtigt werden. Die werden vollständig ausgeschieden. Das wird bei den in der nächsten Zeit bevorstebenden weiteren Ernennungen auch zum Ausdruck kommen.

Ueber die Geschäftsvertheilung bei den Amtsgerichten in Posen ist mir Näheres nicht bekannt. Aber ich habe mich gestern nicht gam genau ausgedrückt, wenn ich davon gesprochen babe, daß von der Justizverwaltung der bindende Grundfatz aufgestellt sei, daß auch bei Besetzung der Amtsgerichte mit drei Richtern die Vertheilung der Geschäfte nach Bertrken geschehen solle. Diese Vorschrift beschränkt sich auf die Amtsgerichte mit zwei Richtern; für die Amtegerichte mit drei Richtern ist schon dem Präsidium die selbständige Prüfung über⸗ lassen, ob gemäß den persönlichen, sachlichen und örtlichen Verhält- nissen die Vertheilung gescheben soll nach Geschäftsgattungen oder nach Bezirken. Dieses Erm essen weiter einzuschränken, würde bedenklich

sein, falls nicht auf ganz besondere Unzulänglichkeiten hingewiesen

werden kann, die sich aus einer etwa nicht zutreffenden Anwendung ergeben. (1

Was dann die Frage einer Bewilligung von Reisckosten an Walsenräthe zu Waisenrathssttzun gen betrifft, so ist ja auch diese Frage hier öster erörtert worden. Es ist zuzugeben, daß die Aufgaben der Waisenräthe duich die neue Gesetzgebung erweitert worden sind, daß an sie größere Anforderungen gestellt werden, alt bisher nach den gesetzlichen Vorschriften der Fall war, und daß für die Losung der ibnen obliegenden Aufgaben die Waisenrathsversamm⸗ lungen sich als sehr wirksam und bedeutsam erweisen können. Ct wird auch überall dahin gewirkt, daß solche Versammlungen unter dem Voisitz des Richters statifinden, so velt dazu irgend welche Geneigtheit bei den Waisenräthen vorhanden ist; ein Zwang kann ja auf sie nicht ausgeübt werden.

Was aber die Aufbringung der Kosten angebt, so vertritt die Staats regierung den grundsätzlichen Standpunkt, daß die Wisenräthe eine kommunale Eiarichtung sind, und daß daher der Gesatz von Ausgaben, der billigerweise für die Theilnahme an solchen Versamm⸗ lungen den Waisenräthen, die es verlangen, nicht vorenthalten werden kann, von den Gemeinden zu bewicken sei. Das geschieht auch in zahl⸗ reichen Gemeinden, wie wir aus den erstatteten Berichten wissen; überall wird es wohl nicht der Fall sein. Wenn die Sitzungen außer⸗ halb des Sitzes des Amtsgerichts stat finden und der Richter nicht etwa aus anderem Anlaß an dem Versammlungsgort sich befindet, so würde nach meiner Auffassung ihm, dem Richter, der Ersatz von Reise⸗ kosten nicht versagt werden, falls er sie liquidiert. Ez ist mir neu gewesen, was der Hert Ang. Peltasohn sagte, daß in solchen Fällen die Reisekosten vaweigert worden seien. Die Praxis kenne ich freilich nicht. Im allgemeinen muß, wie mir scheint, falls die Anberaumung solcher Versammlung an sich sachlich geboten war, und sie nicht am Sitze des Amtsgerichts stattfinden konnte, wiederum aus sachlichen Rücksichten dem Richter die Befugniß zusteben, die gesetzlichen Diäten und Reisekosten für sich in Auspruch ju nehmen.

Abg. Mooren (ent?) bittet um Umwandlung des Restes der rheinischen Kantongefängnisse in Am sgerichtsgesängnisse.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren, von den Kantongefängnissen in der Rheinprovin sind in den letzten 10 Jahren annähernd eiwa 40 in amisgerichtliche Gefängnisse umg⸗wandelt. . Es bleibt allerdings noch eine ziemlich er⸗ hebliche Zabl, ich glaube noch ho bis 70 Fantongefängnisse übrig, die dieser Umwandlung harren. Wegen einer ganjen Reihe solcher Ge⸗ säagnisse schweben, wie mir mitgeiheilt ist, Verhandlun zen, und daß Bestreben der Just verwaltung ist dahin gerichtet, möglichst bald diese allerdings vielfach außerordentlich mangelhaften Kantongefãngnisse durch bessere Ge ängnisse zu ersetz n. Ader, wie der Herr Abgeordnete selbst g'sagt hat, es gilt auch hier das „festina lente“, man kann nicht alles auf einmal machen.

Datselbe gilt auch bezüglich der Errichtung eines neuen Amts gerichil in Zälpich oder Tolbiakum mit seinen schönen, klassischen Erinnerungen und Denkmälern. Es gehört zum Amtsgericht Euskirchen; Euskirchen ist schon vor (äaigen Jahren verkleinert worden durch Bildung eine⸗ neuen Amtsgerichts in Lechen ch Ich glaube, daß die Erfahrungen, die man mit der Bildung dieses neuen Amtsgerichts gemacht hat, keine ganz jufriedenstellenden gewesen si⸗d insofern, als der Amtsrichter dort zu wenig zu thun hat. Wie das werden wüde bei der Bildung eines neun Amtsgerichts in dem schönen Tolblakum, ob es möglich sein wärde, dort einen angemessenen Amtsgerichts bezirk aut zuschneiden aus Euskirchen allein zwaofellos nicht, es würde hin ũbergegriffen werden müssen auf den Amisgerichtsbezirk Düren, worauf Herr Abg. Mooren hin gewiesen hat das kann ich im Augenblick nicht beur⸗ theilen, weil diese Frage amtlich an das Justiz · Ministerium noch nicht

sol hes Amtegericht zu errichten und das ist die eigentlich ausschlag herangetreten ist, jedenfalls nicht, so lange ich an der Spitze der Ver

find, als sie heute geschilbert werden.

stehe. Die Herren in m: iner Nähe, die diese Dinge bear⸗

beiten, erlanern sich auch nicht, daß dieser Gegenstand jemals bei uns

angeregt ist. Deshalb kann ich nähere Auskunst über die Sache

alcht geben. Abg. Goldschmidt (fr. Volksp) befürwortet eine Verbesserung Finkommensverhältnisse der Kan sleibeamten, Diätare und Ge⸗

fen Die Justizkanzlisten seien schlechter gestellt, als die Kanslisten aller anderen

Verwaltungen. Für die Konfektion babe die Reich gescß gebung daz Mitnehmen von Arbeit nach Hause verboten, die Juftizverw a tung zwinge aber geradezu die Lobnschreiber, Arbeit nach use mitzunehmen, da sie erf nicht genug verdienten. Der Redner Känicht ferner eine Erhöhung des Gehalts der Aktenhefter von 75 90 t. auf Geheimer Ober Justizrath Vierh aus erwidert, daß die Kanizlei⸗ bramten erst 1897 eine bedeutende Gehaltserhöhung erhalten hätten; piese Beamten kämen allerdings wegen des Andranges der Militär⸗ anwärter spät, zur Anstellung. Gine Ausnahmestellung vor anderen fönne einer einzelnen Beamtenkategorle nicht eingeräumt werden. lieber die Aufbesserung der Aftenhefter schwebten Verhandlungen. Abg. Bachmann (nl) regt eine Abänderung der Ver⸗ ordnung über die Verwendung der Gerichtsdiener außerhalb des Gericht ortes an. . ; Geheimer Ober ⸗Justizrath Vierhaus sagt eine Prüfung dieser Anregung zu.

Bei den Ausgaben für die Unterhaltung der Justiz— gebäude lenkt

Aba. von Christen (fr. kons.) die Aufmerksamkeit auf die bau⸗ lichen Verhäͤltnisse des Gerichtegebäudes in Eschwege und bittet um einen Neubau.

JustizMinister Sch õn stedt:

Meine Herren! Die Verhältnisse in Eschwege sind mir aus frühtrer Zeit wohl bekunnt. Damals wurden sie nicht so ungünstig beurtheilt, wie es beute seitens des Abg. von Christen geschieht. Ins⸗ besondere waren die alten Richter, die seiner Zeit am Amtsgerichte thätig waren, durchaus zufrieden. Das Amtegericht befindet sich in einem großen Schloßgebäude, dessen größere und bessere Hälfte freilich der allgemeinen Verwaltung zur Verfügung steht; es sind das Land⸗ rathsamt und die Dienstwobnung det Landraths darin. Es sind sehr dicke, feste Mauern, die nach meiner Meinung eine große Gewähr gegen Feuersgefahr bieten. Falls doch einmal Feuer ausbricht, dũrfte es allerdings schwierig sein, alle Akten zu retten, da die Treppen, wie ich zugeben muß, nicht übermäßig breit sind. Aber ganz so schlimm, wie der Herr Abgeordnete es darstellt, ist es meines Er⸗ innern nicht. Es ist auch manches geschehen, um die Verhältnisse zu bessern. .

Der Umstand, daß keine Beschwerden erhoben worden sinb, erklãrt sich velleicht daraus, daß in der That die Zustände weniger schlimm

Das Gesängniß ist sehr mangelhaft, das gebe ich zu, und ich werde der Frage näher treten, ob etwa für die Schaffung eines neuen Gefängnisses Sorge getragen werden muß. Es liegt nicht unter dem⸗ selben Dach wie das Gerichtsgebäude, sondern in der Stadt, ziemlich entfernt von dem Gerichtsgebäude, auch in einer Umgebung, die, glaube ich, wenig erfreulich ist. Es mag sein, daß hier etwas geschehen muß.

Die Errichtung eines neuen Gebäudes für das Amtsgericht selbst war, glaube ich, 1879 geplant; man bat aber davon abgeseben, weil die Räume, die im alten Schloß zur Verfügung gestellt wurden, als angemessen und ausreichend angesehen wurden.

Nachdem noch Abg. Engelbrecht (fr. kons) einen lokalen . geäußert hat, werden die dauernden Ausgaben be⸗ willigt.

Bei den einmaligen Ausgaben wünscht

Abg. von Korn den Veubau des Amtsgerichts und Gefängniß⸗ gebändes in Feftenberg in Schlesien,

Geheimer Ober⸗Justiztaih Werner sagt die Erfüllung des Wunsches im nächsten Etat zu.

Abg. Lichten berg (n wünscht die Errichtung eines Amte⸗ gerichts in Linden bei Hannover.

Ein Regierungskommissar erwidert, daß die Justizver⸗ waltung dieses Bedürfniß nicht anerkennen könne wegen der Nähe des Gerichttz in Hannover. Wenn Linden der Stadt Hannover einverleibt wärde, würde die Bedeutung eines solchen Gerichts sofort wieder verschwinden.

Abg. Goldschmidt betont das dringende Bedürfniß der Stadt Linden, ein eigenes Amtsgericht zu haben.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Wenn die Anschauungen des Herrn Abg. Goldschmidt Geltung gewinnen sollten, so würden wir gleich einize Hundert neue Amts⸗ gerichte errichten können. Ich (laube, der Abg. Goldschmidt ver⸗ wechselt hierbei Interesse und Bedürfniß. Daß die Gemeinde Linden ein Interesse daran hat, Sitz eines Amtsgerichts zu werden, und daß die Bevölkerung diesen Wunsch hat, wird von niemand bestritten werden. In derselben Lage befinden sich zahllose andere Orte unter ähnlichen Verhältnissen. Das aber zu identifizieren mit einem Be⸗ dürfniß, ist meines Erachtens verfehlt.

Daß ein Bedürfniß bestebt für die Errichtung eines solchen Amtsgerichts, wird von den zuftändigen Verwaltungsbehörden der Provinz, von dem Regierungs⸗Präsidenten, wie von dem Ober⸗ Präsidenten, die im übrigen dem Wunsch der Gemeinden freundlich gegenüberstehen, ausdrücklich verneint. Auch ich glaube: wer die örtlichen Verhältnisse kennt, wird garnicht in der Lage sein, diese Frage zu bejahen.

Wenn gewisse Unzuträglichkeiten aus der Beschränktheit der Räume beim Amtsgericht in Hannover ju Tage getreten sind, so werden diese nicht nur empfunden von den Bewohnern von Linden, sondern von den saͤmmtlichen übrigen Eingesessenen des bannoverschen Land⸗ und Amtsgerichtsbenteks; die leiden alle gleichmäßig darunter. Diesen Unzuträglichkeiten wird und muß abgeholfen werden durch Neubauten; und daß nicht finanzielle Rücksichten für die Gatschließung der Regie⸗ tung und für ihre ablehnende Haltung gegenüber den Wünschen von Linden aueschlaggebend gewesen sind, das erglebt sich ja gerade aus dem Umstande, daß dies vom Standpunlt der Stadt Linden aus gewiß sehr anerkesnengwerthe und erhebliche Anerbieten, ihr Ratbhaus unentgeltlich der Justljwverwaltung jur Verfügung zu stellen, abgelehnt worden ist. Die Justizverwaltung belaftet also den Staat mit den Kosten, die duich die Ausführung eines nothwendigen Erweiterungsbaues für die Gerichtsberürfaisse in Hannover entstehen. Also derartige Gesichtepunlte sind keineswegs maßgebend giwesen, sondern es ist, we gesagt, in der Haupisache immer die Frage des Bedürfnisses und weiter die eventuelle Frage, ob das von der Stadt Linden angebotene Gebäude für den Fall, daß ein solches Entgegenkommen als ein olches darf ich es wohl beseichnen gegenüber der Stadt sich für die Staatsregierung rechtfertigen würde, geeignet sei, die wirklichen

Bedürfniffe auch für eine absehbare Zukunft ju befriedigen, und das war bei diesem Anerbieten nach eingehender Prüfung zu verneinen. Abg. Dr. Göschen wünscht, daß das Amtsgerichtsgebäude in

Homburg v. d. H. nicht nur, wie der Etat vorsehe, erweitert, sond daß ein Neubau aufgeführt werde. sehe, erweitert, sondern

Die einmaligen Ausgaben werden bewilligt.

Schluß nach 3 Uhr. Nächste Sitzunz Montag 11 Uhr. . der direkten und der indirekten Steuern; kleinere Vor⸗ agen.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Seit Jahren wird die Frage der Ueberschuldung des landwirth⸗ schaft lichen Grundbesitzes erörtert und dabei einerseits immer seltener eine Prüfung und Würdigung der Gründe, die zu der Ueberschuldung gefübrt haben, vorgenommen, andererseits werden die Bestrebungen die Gutsbesizer zu entschulden und die fernere Verschuldung dur entsprechende Erbgesetze oder Festsetzung einer Verschuldungsgrenze zu verhindern, bäufig bemängelt, indem man die Schul denfreiheit als eine Ver führung zu schlechter Wirthschaft hinstellt und bebauptet, der Fort. schritt der nationalen Kultur sei nur gesichert, wenn der Stachel des Kampfetz um die Existenz immer fühlbar bleibe. Dem gegenüber er chien es anqereigt, einmal im Kleinen zu untersuchen, wie sich diese Verhältnisse in Wnklichteit stellen insbesondere ob die Wirthschaftsweise mehr ver⸗ schlechtert wird, durch excessiven Schuldendrud. oder durch abfalute Schuldenfreiheit, ob ein gewisses Maß von Verschuldung erforderlich ist, damit die Gutgbesitzer tüchtig wirthschaften, fleißig und vorwäntsstrebend bleiben. Solche Untersuchungen haben in einem Kreise des Reglerungs⸗ bezirks Liegnitz stattgefun den, und ihre Ergebnisse sind jetzt in den von dem Wirklichen Geheimen Ober. Regierungsrath und Min fterial ˖ Direktor jm Minifterium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Dr. H. Thiel herausgegebenen Landwirthschaftlichen Jahrbüchern“, Zäüschrift für wissenschaftliche Landwirthschaft und Archiv des König fich preußischen Landes. Oekonomie. Kollegiums (Heft 3/4 des 28. Bandes, Verlag von Paul Parey. Berlin), unter der Ueberschrift Un ter⸗⸗ suchungen über den Einfluß der Verschuldung ländlicher Befitzi hüm er auf deren Bewirthschaftung “* veröffentli ht Sie erstreckten sich auf 17 Ritter und 34 Bauerngüter. Die untersuchten 7 Rlitergäter jenes Kreises haben eine Größe von 78 bis 924 ha mit einem Grundsteuerreinertrag von 1645 bis 14084 60 und einen Schätzungswerth von S5 0bö bis 850 000 υά. Nach der Grundschulden⸗ Grmütelung vom Jahre 1896*, deren Zahlenmaterial allerdings nicht bel jedem Besitzer die augenblicklich zutreffenden Schuldverhãltnisse zur Anschauung bringt, war keines der Rittergüter schuldenfrei; bei dem am wenigsten belafteten betrugen die Schulden das 19,7 fache des Grundfteuerrelnertrags oder 37, 4ͤ½ des Schätzungswerthes, bei einer Anjahl anderer Ritlergüter dagegen mehr als S5 o desselben, bei zweien sogar 193, bezw., 104900 des Schätzungswerthes und bei einem, dessen Schätzungs bogen fehlt, das g8fache des Grundsteuer · reinertrags. Wie anderwärts sind auch in jenem Kreise des Re⸗ ,, n. Liegnitz die Bauerngüter nach den vorgenommenen Er⸗

ebungen im allgemeinen viel weniger verschuldet, als die Rittergüter. Die Besitzungen der Bauern, welche Gegenstand der Untersuchangen waren, haben eine Größe von 7 (Großgaärtner) bis 110 ha (Schol⸗· tiseibesitzer mit einem Grundsteuerrennertrag von 93 bis 2376 , einen Gebände⸗Versicherungswerth von 3009 bis 39 000 und einen ge⸗ schäßten Gesammtwerth don 7588 bis 101 000 4 Von diesen 34 Bauerngütern waren nach der „Grundschulden⸗Ermittelung von 1896 h völlig schuldenfsrei, Z nur bis zum 10 fachen, 11 vom 10 –- 20 fachen, 7 vom 20 35 sachen, 5 vom 30 = 40 fachen und 3 vom 40 42,5 fachen des Irundsteuerreinertrages verschuldet; im Verhältniß zum Schätzung. werth machten die Schulden bei je 1 Bauerngut O, 8 und 7,5 oo, bei 5 10 - 20 ,, bei 7 20 - 30 c, bei 3 30 - 40 50, bei o Io H oH, bei 3 50 60 0φ, bei 3 weiteren 66 70 ½ und bei 1 Gut 75, 6/9 des Schäͤtzungswerthes aus. An diesen 51 Beispielen wird der Einfluß der Verschuldung bezw. Nichtverschul dung ländlicher Besitzthämer auf deren Bewirthschaftung illustriert, eine knappe Fharafteristik von der Bewirthschaftung jedes einzelnen Ritter. und Bauernguts gellefert, wobei auch techn ssche Einzelheiten erörtert Verden, und an diese Darstellung dann eine kurze Kritik der Wirth⸗ schaftsführung geknüpft. 6.

In einer zweiten Publikation des erwähnten Doppelhefts der ‚Landwirthschaftlichen Jahrbücher‘ erstattet Dr. Theodor Woelfer Pericht über die „Untersuchungen zum Zwecke der Prüfung der Grundsteuerbonitierung in den Kreisen Schroda, Gnesen und Wittowo'. Es handelte sich darum, ju unterfuchen, ob und inwieweit die geologisch⸗ agronomische Profilaufaabme eine Grundlage, für die Boden⸗ werthschätzung gewäbre, und zu erforschen, ob die aus den Jahren 1851 655 stammende, jum Zvecke der Grundsteuerveranlagung aus⸗ geführte Bodeneiaschätzung geeignet sei, als Grundlage für den Aufbau eineg allgemeinen Schätzunge verfahrens zu dienen. Bei der Beant⸗ wortung diefer Frage hat man jwischen der Klassenabstufung und der Bewertbung des Bodens zu unterscheiden. Eistere gründet sich auf ine Auswabl von sogenannten Musterstäcken, welche in entsprechender Anzabl für sede Klasse aufgesucht sind und für jeden Einschätzungs⸗ bezirk als maßgebend gelten müssen. Zar Gewinnung der für beide Zwecke nothwendigen Gesichtspunkte sollte ein durch den preußischen Staat sich zwiüchen dem 52. und 53. Breitegrad ziehender Streifen Landes in de Breite von etwa 26 Em untersucht werden. Besondere Bedeutung gewannen diese Prüfungen, weil sie Posen trafen, für die Arbeiten der in dieser Provinz thätigen Königlichen Ansiedlunge⸗ kommission. Der erste Theil der U'terfuchungen erstreckte sich plan. gemäß auf die schon aufgetheilten Renten guter Latalitze und Gwiadowo im Kreise Schroda und die eist von der Kommission über. nommenen Besitzungen Rjegnowo. und Owiccki des Kreises Gnesen Die Einschätzungen derselben wiesen die Klassn 3—7 nach. Der berechtigte Einfluß der Bodenpflege auf die Boden⸗ einschätzung zeigte sich in der Thatsache, daß das in besserem Anbau fiehende Owiecki bei gleichen Bodenverhältnissen einen um 10 höheren Kapitalwerth erzielte. Der zweite Theil der Arbeit galt der Auswahl und Prüfung von Musterstücken aus der Zahl der seiner Zeit schon benutzten innerhalb des erwähnten Land- strelfens. Derselbe darchschneidet den ehemaligen Kreis Gnesen, der jetzt die Kreise Gnesen und Witkowo bildet, nahezu in der Mitte, sowie den Norden deg Kreises Schroda. Die übrigen Theile dieser reife sind ihrem geologischen Gepräge nach nicht wesentlich verschier en von den untersuchten, sodaß die gewonnenen Ergebnisse wohl auf die ganzen Kreise angewendet werden können. Auch becnügte sich bie Unterfuchung 'nicht mit der Prüfang der 20 Musterstůcke allein, sndern ! entnahm aus den Einschãtzungsflichen gleich. falls 16 Piofile zur Ergänzung. Für die Klassenabschätzung war es ein günstlger Umstand, daß sich die Krume als nahezu einheitlich er⸗ wies; sie gestattete daher eine genauere Abstafung der Klassen, als dies bei wechselndem Bodengepräge der Fall ist. Auch die Analysen er⸗ gaben keine wesentlichen Ünterschiede in den gleichen Klassen der unter⸗ fuchten Kreise. Dennoch erwiesen sich die Musterstück. des Kre ses Schroda gebaltvoller als die anderen, während im Kieise Gnesen die Peefile der Enschäß engeflächen jene der Musterstücke an Nährgebalt kbelrrasen Aus keidn Wahrnehmungen erklärt sich zum tbell der höhere Tarif in den pier ersten Klafsen dez Kreises Schrade, sowie die von ken Ginschäßungskommhsionen nicht selien befolgt. Praxis, die Schätzung etwas niedriger zu halten, als die Musterftlücke zu fordern schanen. Im übrigen zeigten die Untersuchungen eine gute Abstufung nach C genschaften und Rährstoffen. Damit hestätigt sih die auch schon in anderen Kreisen gewonnene A sicht, daß die Klasseneintheilung der Grunt struer⸗Bodenschätzunz bezw. ihr weilerer Ausbau auch bei einer Landee⸗Boreneinschätung eine hervorragende Stellung einnehmen werde. Cest nach der Klassenabschätzung kann die Frage der Be⸗ wäathung derselben und damit des Bodentz selbst gestellt werden. Bei der Grundsteuer Veranlagung bestimmte sich der Bodenwerth

nach dem mittleren Reinertrag. Weil aber Relnertragsberechnungen aum mit Sicherheit durchzuführen find, ordnete die amtliche An⸗ poelfung fchon Kamaig für? dag AÄbschätzungsverlahren an, pie Ange⸗ meffenbeit der Tarifsäͤtze solle auch durch ergleichung mit den ge⸗ wöhnlichen Kauf. und Pachtwerthen, d. h. mit snen Preisen geprüft werden, welche ein versiändiger, mit dem gewöhnlichen Betriebs kayital ausgerästeter Käufer oder Pächter für den Morgen Landes mittlerer Güte der betren enden Klassen und Nutzunggarten in der Hoff nung zu zablen Pflege, die landesüblichen Zinsen des Kaufspreises oder die Pacht. zinfen · herautzuwirthschaften. Es ist also für die Bewerthung des Bodens der Ertrag bedeutsam. Dieser hängt aber von verschledenen Rmständen ab, welche in natürliche und in allgemein wirthschaftliche, oder in dauernde und in veränderliche zerfallen. Zu. den ersteren zäblen die geognostischen, die topographischen und dle klima= tischen, zu den veränderlichen die wirthschaftlichen im engeren Sinne und die Verkehrs- und 86 Verhãltnisse. Die Bedeutung der Bodenpflege z. B. für die odeneinschitzung geht schon aus der im ersten Theil angeführten vꝛrschledenen Beweithung der Güter Rijegnowo und Dwiecki hervor. Eine noch bessere Einsicht glebt eine Betrachtung üper 3 andere Güter des Kreises Gnesen. Das Gut 1 ergab bei der Uebernahme im Jahre 1869 nur 1500 4 Ertrag. Dleser stieg im nächsten Jahre auf 16000 , bis zum Jahre 1868 sozar auf 33 000 é Im Jahre 1874 wurde bei 31 000 M Ertrag eniwässert und 1879 bei 38 000 M der Zuckerrübenbau begonnen. 1890 ergab das Besitzthum 69 000 ½ Das Gut 2 wurde 1871 mit zo M Ertrag übernommen. Dieser stleg bis 1377 auf 500 und 1878 nach Einrichtung einer Stärkefahrik auf 23 00 6 Der höchste Ertrag dieses Gutes stellt sich auf 85 00036. Die Bewirthschaftung des Gates 3 begann 1884 mit einem Fehlertrag von 4000 4, welcher fich im nächsten Jahre noch um 200 C vermehrte. Das Jahr 18385 aber brachte schöon ein Mehr von 38 000 MÆ, das Jahr 1899 schon 61 600 M. Aus diesen Zahlen vermag man zu be⸗ urtheilen, welche großartigen Betriebs steigecungen stattgefunden haben müässen, aber auch welcher Ertragssteigerung die Güter fähig waren. Die Ergebnifse der Untersuchungen können kurz in folgende Punkte zusammengefaßt wel den; M) Der Plan, die Grundsteuer⸗ Bodeneinschätzung unter Berücksichtigung der mittlerweile geschaff nen wissenschaftlichen Grundlagen nachzuprüfen, eine einheitliche mittlere Klaffe für die einzelnen Krese festzustellen und nach dieser die Ober⸗ und Unterklaffen zu ermitteln, erscheint durchführbar. Neben den bisher beachteten Umständen muß auch dem Klima durch regelmäßige Beob⸗ achtung der wichtigen Pflanzenwelt ˖ Erscheinungen und des Standes des Grundwasfers Rechnung getragen werden. 2) Weder Rente noch Kapifalswerth. jedes für sich allein, genügt zur Bewerthung von Grund und Boden. Die all zemeine wirthschaftliche Lage kann sie in umgekehrtes Verbältniß bringen. Es ist nothwendig, grundsätz⸗ lich neben der Rente den Kapijalswerth zu ermitteln und zu nennen. 3) Für den Fortgang der Arbeit ist nothwendig, daß eine einheir⸗ lich Leitung geschaffen werde. Za diesem Zweck wäre eine ent⸗ sprechende Organisalion als Mittelpankt zu schaffen. von dem einerseits Plananlage und Arbeitsregelung ausgeht und in dem andererseits die Ergebnisse zur weiteren einheitlichen Bearbeitung zusammenlaufen.

An diese Publikation schließt sich ein interessanter Aufsatz über Bäuerliches Erbrecht und Bevölkerungsbewegung“ an, in welchem W. Wygodzinsti untersucht, wie das Erbrecht die Bepölferungsbewegung beeinflußt hat, ob, wie Brentano und sein Schäler Kuciynski behaupten, die ÄAnerbenfolge die an und für sich schon große Acwanderung der Landberölkerung in den Gegenden, wo sie in Uebung ist, noch veistäke, der Freitheilung also im Gegensatz zur Anerhenkolge die Eigenschaft zuzu⸗ sprechen sei, den Bevölkerungsabfluß ju hindern. Auf Grund der Statiflik kommt er in Uebereinstimmung mit Sering und der amtlichen Erhebung über die Vererbung des ländlichen Grund⸗ besitzes im Königreich Preußen zu folgendem Grgebniß: Den Freitbeilbarkeltsbeznken geht ein großer Theil der natürlichen Bevölkerung vermehrung verloren; hier und da verringert die Abwanderung sogar den Stamm der Bevölkerung. Dies beweist zwar noch nicht, daß die Realtbeilurg die Abwanderung befördert, wohl aber, daß sie unter ungünstigen natürlichen und wirthschafilichen Bedingungen die Menschen nicht im Lande zu halten vermag.

Einen werthvollen Beitrag zur Frage der Konkurrenzfähig⸗ keit des landwirthfchaftlichen Kleinbetriebs liefert Dr. Karl Klawki mit seiner eingehenden Darsteliung der Betriebs und Ertragsverhältnisse großer, mittlerer und kleiner Landgüter in dem ost · preußischen Kreise Braunsberg. Derselbe gebört zu denjenigen Be⸗ ziken des Deutschen Reicht, in welchen der großbäuerliche Besitz am stärkfsten vertreten ist. Ez entfallen dert von 160 ha landwirthschafllich benutzter Fläche. auf. den großbäuerlichen Betrieb 70909, auf den mittelbäuerlichen 11,88, auf den kleinbãuerlichen 3,77, auf den Parzellenbetrieb 2.60 und auf den Großbetrieb 10,78 ha, während im Durchschnitt des Reiches diese Verhältnisse sich stellen für den großbäͤuerlichen Betrieb auf 30 35. für den mittelbäuerlichen auf 25, 95, für den kleinbäuerlichen auf 19,11, für den Parzellen betrieb' auf 5,56 und für den Großbetrieb auf 2498 ha. Zum Gegenstand der Untersuchung wurden 12 Giundstücke gemacht, Groß (über 100 ha), 4 Mittel (über 19 big 100 ha) und Kleinbetriebe. Im ersten Theil der Arbeit wird eine genaue Dar— stellung der wirthschajtlichen Einnahmen und Ausgaben, sowie eine karze Schilderung der die einzelne Wirthschaft charakterisierenden Merkmale bezüglich der Arbeite kräfte, Viehaltung und Betriebsweise, im jweiten eine vergleichende Darstellung der einzelnen Kategorien gegeben. Wir werden auf diese gründlichen Untersuchungen noch zurückkommen. Heute sei nur soviel mitgetheilt, daß der aus den Gesammtausgaben und den Gefammteinnahmen bei Außerachtlassung der persönlichen Verhältnisse, wie Haushaltungsausgaben, Besahlung von Schuldenzinsen u. s. wo., sich ergebende Reingewinn pro Morgen im Durchschnitt beim Großbetrieb 9, 87 M, beim Mittelbetrieb 18339 beim Kleinbetrieb 12,58 S6 beträgt, also beim Mittelbetrieb fast dorpelt so hoch als beim Großbetrieb und J mal größer als beim Kleinbetrieb ist. Es hat sich eine bedeutende Ueberlegen heit der Mittel betriebe ergeben, welche in der Erzielung des höchsten Reingewinns ihren Ausdruck findet. Der Grund dafür, daß der Kleinbetrieb 3. 3. nicht dieselbe Rente wie der Mtttelbetricb zu geminnen veimag, liegt por allem darin, daß derselbe in kultureller Hinsicht noch wett zurũck ist. Wenn er sich aber erst den landwirthschaftlichen Fortschritt einigermaßen zu eigen gemacht haben wird, dürfte er bestimmt als ebenbürtiger, ja wohl auch als überlegener Kon karrent der Mittel · betriebe auftreten. Den Großbetrieben wird dagegen für die Zakunft keine günstige Prognose gestellt. Die Kalamität liege vor allem in den von Jahr zu Jahr schwieriger werdenden Arbesterverbältnissen. Bevor diesem Uebesstande abgeholfen sei, werde den Großbetrieben besonders in Zeiten einer landwirtbschaftlichen Krisis am wenigsten Widerstandsfähigkeit zu Gebote stehen.

Für den praktischen Landwath sind in dem außerordentlich inhaltsreichen Hefte ferner wichtig: die „Beiträge zur rationellen Ernäbrüng der Kühen von Prof ssor Dr. Oskar Higemann (Mittheilungen aus dem Thierphysiologischen Jastitut der Landwirth⸗ schaftlichen Akademie zu Poppelsdorf ⸗Bonn), der Bericht von CL Wittmack uber die 9 jährigen Brohachtungen der Wie sen auf den Moordäm men in der Königlichen Sberförsterei Zebdenick smit funf Tafeln) die Untersuchungen über Alinit“ von Or. W. Krüger und Pr. W. Schneidewind (Mitiheilungen der bakteriologischen Abtzeilung der agrikulturchemischen Versuchsstation in Halle a. S) und die Untersuchungen über die zweckmäßigste Form der Kombination von kupferbaltigen Fungici zen mit Seifen lau gen von Professor Dr. M. Dolliuna, Vorsteher der Versuchs⸗ er, für Pflanzenschutz der Landwirihschaftstammer für die Pcovim

en.

Auch Heft 5/6 des 28. Bandes der Landwirthschaftlichen Jabr⸗ bücher“ ist bereits erschienen. Dasselbe enthält aul 46s 2 den zweiten und dritten Bericht über die Versuchs⸗ wirtbschaft Lauchstädt der Landwirthscaftskammer für die Provinz Sachsen ((mit ener Tafel), verfaßt, vom Gcebelmen Regierungtrath, o. 6. Professor an der Universität und Vorsteher der agrikulturchemischen Versuchsstaion in