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Deutscher Reichstag. 148. Sitzung vom 14. Februar 1900, 1 Uhr.

Die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feststellung des Haushalts⸗-Etats für die Schutz⸗ gebiete für 15900, wird fortgesetzt, und zwar zunächst bei den aus dem Etat für Ost⸗Afrika zurückgestellten, auf Eisen⸗ bahnbauten bezüglichen Positionen: für den Eisenbahn⸗ betrieb: 82 842 M; ir Fortführung der Eisenbahn Tanga Muhesa bis Korogwe, zweite und letzte Rate, und zur Fort⸗ setzung über Korogwe bis Mombo: 2309 000 „S6; zur Er⸗ gaͤnzung der Vorarbeiten für eine Eisenbahn von Dar⸗es⸗ Salam nach Möogoro und für eine a , , Verbindung zwischen Dar⸗es⸗Salam und Kilossa: 120 000 MS; Einnahmen aus dem Eisenbahnbetrieb: 85 000 St

Der Referent Abg. Prinz von Arenberg Gentr.) theilt mit, daß die Detatte über diese Titel in der Kommission nur eine sehr dürftige gewesen sei. Man habe den Zustand der Bahn alt einen troftlosen beze chnet, die große Mehrheir der Kommission habe aber die Fortführung der einmal angefangenen Usambarabahn als eine Nothwendigkeit erklärt. Auch über den Kaffeeplantagenbau habe eine kurze Erörterung stattgefunden.

Abg. Dasbach (Zentr): In diesem Jahre werden etwa 30 Millionen für unsere Kolonien aufgewendet werden. Werden diese Ausgaben fräter jemals wieder eingebracht werden? Einstweilen beruht das alles nur auf Hoffnungen. Die Eisenbahnen werden als werbendes Kapital kezeichnkt; aber wird diese Usambarabahn jemals rentabel werden? Man will die Bahn bis Mombo fortführen und die dazu erforderlichen Vorar beiten sollen 72 000 S kosten. Das enannte Mombo ist von mir auf keiner der vielen Karten von

frika zu entdecken gewesen. Ich schlage vor, junächst diese 72 000 zu streichen. Wenn wir i. J. 1897 nicht monatlich 6060 M gejaßlt hätten, hätte der Betrieb der Bahn eingestellt

werden müssen, ehe wir sie noch in den Besitz des Reich; genommen

hätten. Auch der Kolonial. Direktor hat zugegeben, daß das Reich mit dem Kauf ein schlechtes Geschäft gemacht habe. Wir haben die Bahn auf Aussichten hin gekauft, die sich igt als werthlos erwiesen haben, und auf ebenso werthlose Aussicten hin sollen wir sie jetzt fortsetzen. Die Fracht von der See nach dem Lande hat in einem Jahre 840 00 kg, dieienige von dem Lande zur See ja nur 31 000 kg be- tragen, 4 bis 6 Frachten wöchentlich. Die Denkschrift führt diese winzigen Ergebnisse auf die zreße Dürre zurück, welche die Kaff tepflanzungen ertraglos gemacht hat. Von elner Plantagengesellschaft ist daraufhin der ganze Kaffeebau aufgegeben worden. Wenn die deutschen Kapitalisten wirklich Zutrauen zu der Zukunft dieser Kaffeebabn baben, sollen sie sich jetzt melden: hie Rhodus, hie salta! Keiner wird zurückgewiesen werden. Die vorjährige Bewilligung zum Bahnbau von 2 Millionen ist um über 300 000 überschritten. Wir mässen noch heute von dem Kolonial⸗Direktor hören, ob der ganze Betrag von 4650 000 zur Instandsetzung der Bahn bis Muhesa verwendet oder ob schon Über Muhesa hinaus gebaut worden ist. Ist letzteres nicht der Fall, dann schlage ich vor, in diesem Jahre überhaupt nichts für diese Fortführung zu bewilligen, damit zunächst einmal, das Betriebs defizit gedeckt werde, dem wir entgegengehen. Die neue Bahn, die Zentralbahn von Dar⸗es⸗Salam ist schon im Jahre 1896 von privater Seite in Angriff genommen worden; die Vorarbeiten müssen aber ergänzt werden und dafür waren 120 0900 M gefordert; die Bahn soll 11 850 (00 M kosten. Liegt denn bei uns das Geld auf der Straße? In Deutschland selbst ist elne solche Fülle neuer Unternebmungen im Gange, daß alles verfügbare Geld vergriffen ist. Freiherr von Wangenheim hat zur Flottenvorlage bemerkt, Deutsch= lands Kraft liege auf dem Lande, nicht in überseeischen Gebieten; das ist richtig. Er hat ferner gesagt, man solle den Strom der Aus— wanderer in unsere Kolonien lenken; das ist nicht richtig. Man soll die Leute nicht zur Auswanderung veranlassen, sondern im Lande be—⸗ halten, dann wird über die Leutenoth nicht mehr so große Klage sein.

Direktor der Kolonial ⸗Abtheilung im Auswärtigen Amt Pr. von Buchka: Daß der Betrieb der Usambarababn hätte eingestellt werden müssen, wenn das Reich nicht die Betriebsmittel lieferte, hat der Reichstag auch schon im vorigen Jahre gewußt. Von den 100 000 4 sind zwel Tenderlokomotiven angeschafft und der Rest ist für eine Piel anlage veiwendet worden. Es würde für die Kolonialverwaltung sehr bedauerlich sein, wenn ihr die Mittel versagt würden, die Usambarabahn fortzuführen. Mit der Eigenthümlichkeit des deutschen Kapitalisten, sein Geld anstatt in deutschen oder Kolonialwerthen lieber in möglichst zweifelhaften exotlschen Wershen und gerade dann, wenn sie recht hoch stehen, anzulegen, um rachher ungezählte Millionen daran zu ver— lieren, müssen wir auch bezüglich des Ausbaues der Kaffeebahn rechnen. Was den Kafftebau betrifft, so hat von 1897 1899 in diesen Distrikten eine Dürre geherrscht, deren sich die bekannten ältesten Leute nicht erinnern. Die Plantagen, auf denen der Kaffeebau aufgegeben ist, liegen indessen an der Küste und haben mit der Bahn nichts zu ihun. Im Jahre 1897 sind von drel Gesellschaften 2730 3tr. Kan ee ausgeführt worden, ein Beweig, daß der Anbau sich durchaus erfreulich entwickelt bat. In weiten Kreisen der Interessenten würde es ebenfalls sebr schmerzlich empfunden werden, wenn der Reichztag die Mittel zu einem so gemeinnützigen Unternehmen wie der Fortführung der Bahn über Muhesa versagen wollte; ich bitte Sie dringend, auf die beantragten Abstriche nicht einzugehen. Es handelt sich ferner nicht um den Neubau einer Zentralbahn, sondern nur um eine Küstenstichbahn; durch die Bewilligung bis nach Mrogoro wird niemand zur Foꝛrtsetzung präjudigtert. ; .

Abg. Rich ter (fr. Vollep.): Man verlangt hier, daß wir uns nicht auf den Standpuntt. des kalkulierenden Privatmannt, sondern auf den des Reichs stellen sollen. Wir sind im Gegentheil der An- sicht, daß das Reich sich auf Bahnen, die nicht rentieren können, nicht einlassen soll. In Deutschland würde eine Bahn mit Staatsunter⸗ stützung garnicht gebaut werden, wenn für sie so wenig wirthschaft⸗ liche Vorautzsetzungen vorhanden wären, wie für diese. Man erwirbt doch Kolonien hauptsächlich des Gelderwerbs wegen, nicht aber, um den Ein⸗ geborenen Woblthaten zu erweisen. Das Reich hat mit der Er⸗ werbung ein schlechtes Geschäft gemacht, obgleich es nur die Hälfte des Kostenpreises zu zablen hatte. Schon jttzt stellen sich die An⸗ forderungen für diese Bahn auf über 4 Millionen Mark. Die Rentabilität stützt sich lediglich auf Zulunftshoffnungen, man hat für einige hunderttausend Mark Kaffee verkauft, aber was dieser Kaffee gekosftet hat, davon verlautet nichts. Die Berichte, aus denen uns der Kolonial. Direktor Einzelheiten über den Kaffecplantagenbau mit theilt, sind ja geschrieben, um ung zum Weiterbau zu ermuthigen; dag sind doch keine unparteiischen Dokumente. Wenn der Kolonial⸗ Direktor von Buchka durchblicken läßt, der Reichstag hätte im vorigen Jahre schon stillschweigend die Verlängerun gutge bei ßer, so ist das doch eiwags ganz Neunes. Die weiten Kreise, die ein schmerzliches Empfinden über die Nichtfortführung baben würden, sind die Herren vom Kolonialrath und einige wenige andere Personen. Von . Afri⸗ kandern‘ in unseren Kolonien kann man doch nur scherzweise sprechen, wenn man nicht bie deutschen Beamten darunter verstehen will. Daß die Bahn von Dar. eg ⸗Salam nach Mrogoro jetzt bescheidenerweise eine Küstenstichbahn genannt wird, und man von einer Zentralbahn nichts wissen will, ist ja sehr schön; aber man kennt das. Nachher werden solche Bahnen ersa hrungẽmaßig weiter gebaut, wie es ja auch mit der Kaffeebahn geschehen soll, und bis zu den Seen wird man sicher versuchen, die y durchzusetzen. Eine Eisenbahn schafft nicht Kultur, eine Eisenbahn kann erst 1 gewinnen, wenn schon eine srif Kultur vorhanden ist. Jetzt erklärt uns ja der Kolonial Direktor selbst, daß die deutschen Kapitalisten die sonderbare Ge— wohnheit haben, ihr Geld nicht in den Kolonien, sondern lieber in den exotischen Werthen anzulegen. Von dem „Negerfürsten Kingo, der über eine zahlreiche Bevölkerung gebietet und für den Karawanen verkehr Träger vermiethet', können wir doch nicht allein das

eil erwarten. Er soll die Arbeiter fsiellen, die für den Eisenbahn⸗ u gefordert sind. Bei dem Bau der Usambarahahn sind von diesen einheimischen Arbeitern eines schönen Tages mehr als drei Viertel

* . dapongelaufen. Allerdings bieten diese Arbeiter des Negerfürsten Kingo dadurch für ihre Zuverlässigkeit eine Gewähr. daß sie in der . ihres Herrschers leben, der sich stets als Freund der

eutschen erwiesen hat!. So steht es wöeslich in der Dentschtift ö. . es fragt fich nur, od damit wicklich eine Garantie ge⸗ geben ist. Abg. Graf von Arnim (Rr): Nachdem Herr Bebel gestern im Kolonialskandal geschwelgt hat, ist es mir eine Freue, einmal in wirthschaftlichen Kolonialfragen mich äußern zu können. Orr Richter stebt kolonialpolitisch auf einem mehr als exponierten Posten; seine Unsichten werden von der Nation nicht getbeilt; Herr Richier setzt sich, während er fonst für Gisenbahnen schwärmt, sofort eine dunkele Brille mit schwarzen Gläsern auf, wenn es sich um Gisenbahnen in den Kolonien handelt. Wir gehen nicht lediglich des Gelderwerbeß wegen in die Kolonien; wir verfolgen dort ideale Jiele. Sind die Missionen etwa Unternehmungen mit materiellen Zielen? Die Ufambarabahn muß aus gebaut und die Bahn nach Mrogoro be⸗ gonnen werden. Selbstverständlich werden die Eingeborenen lieber an der Bahn arbeiten, als sich weite: mit den Lastwagen plagen. Herr Richter bezweifelt, daß genügende Transporte für die Bahn vor handen sind; er muß die Denkschrift nicht gelesen haben, welche eine anje Liste von Produkten aufführt, die nur des Essenbahntransports Der Chausseebau ist viel zu theuer. Die Engländer und Franzosen haben schon Tausende von Kilometern Eisenbahnen in Afrika gebaut. Wir werden von den fremzen Eisenbahnen um klammert werden, wenn wir nicht bald und selbständig die Linie von Dar⸗es. Salm ausführen. Mit dem Richter'schen Panier: Immer langsam voran, damit der Form schritt nachkommen kann? kommen wir nicht vorwärts; lieber bringen wir dann die Kolonien unter den Hammer. .

Abg. Frese (fr. Vgg.: Der Reichstag hat doh wohl bewiesen, daß er für die Kolonien alle Zeit opferberei ist; aber eine grünrliche Prüfung muß ihm doch vorbehalten bleiben. Wenn das Zentrum jetzt von dem Bau der Usambarabahn jurücktreten will, so ist nur zu bedauern, daß diese Partei im vorigen Jahre sich durchaus für diese Bahn engagiert hat. Es ist in der Kommission erwähnt worden, daß für den Kaffee 65 3 erzielt worden sein sollzn. Ich muß das be— zweifeln; auch soll der Kaffee in seiner Qualität schlechter, wässeriger geworden sein. Die Summe von 30 Millionen für die Kolonien scheint mir auch hoch genug, um zu besonderer Vorsicht zu rathen. Meines Wissens ist übrigens von einem Strom der deutschen Auz« wanderung seit Jahren keine Rede mehr; die Siedelungs⸗Gesellschaft in Santa Catarina in Brasilien bar nicht einmal ihren vollen Be— darf decken können. Das deutsche Privatkapital hat sich in Kamerun doch erheblich betheiligt; ich habe nicht zu denen gehört, die den Kolonial⸗Direktor deswegen getadelt haben. Heute bedauert der Kolonial⸗Direktor selbst. daß das Privatkapital nicht zu haben ist. Die Ausgaben für die Usambarabahn stehen . zu ihrem Er trägniß und zu ihrer Bedeutung in keinem Verhältniß. Ich würde mit dem Abg. Richter fär die Zurückperweisung beider Bahnbau forderungen an die Budgetkommisston mich erklären.

Abg. Bebel (Soz.) fübrt auz: Die Kommission hätte sicher, wenn sie den wirklichen Stand der Usambarabahn schon vociges Jahr gekannt hätte, niemals die Bewilligung ausgesprochen; hier sei eine Täuschung der Kom mission, wenn auch unabsichtlich, untergelaufen. Die Bahn fahre regelmäßig nur einmal in der Woche, wo die Herren Beamten auf die Löwenjagd führen, das sei ja auch schon früher festgestellt worden. Das Material der Bahn sei völlig verwahrlost gewesen. Gerade in den Be— zirken, durch welche die Bahn führe, sei in den Zeiten der Hungers⸗ noth die Bevölkerung von 120 000 Mann auf die Hälfte ver⸗ mindert worden, ein ganz schlüssi zer Beweis, daß mit der Babn in diesem Gebiet gar keine Kulturarbeit geschaffen werden könne. Wenn in Ostindien 12 Millionen hungerten, so betrage doch die Bevölkerung insgesammt dort 210 Millionen, und es handle sich um ein altes Kulturland, mit welchem Ost Afrika garnicht in Vergleich gestellt werden könne. Die südwestafrikanische Bahn habe auch schon ihren Voranschlag von 19 Millionen um 2 Millionen überschritten, und auch dafür werde sie nur bei äußerster Sparsamkeit herzustellen sein. Die Frage der Zentralbahn werde seit Jabren in allen kolonialen Zeitschriften, Kolonial Verelnen und ⸗Gesellschaften erörtert; Graf Arnim hase sie verherrlicht, und hinter ihm ständen diejenigen Kreise, welche immer bisher die Regierung gedrängt hätten, weiter auf diesem Wege vorzuschreiten. Glaube der Kolonial⸗Direktor von Buchka, daß er auf die Dauer diesem Drängen widerstehen könne, wenn er hier von einer Zentralbahn nichts wissen zu wollen erkläre? In dem offisiößsen Blatte der Deutschen ostafrikanischen Gesellschaft stehe deutlich zu lesen, daß mit den Vorarbeiten für den Bau der „Zentralbahn“ begonnen worden sei. Man solle erst einmal ab. warten, wie die Dinge in Süd⸗Afrika ausfallen; vorläufig sitze aber Cecil Rhodes in Kimberley fest. England habe bei seinen Bahnbauten ganz andere politische Rücksichten zu nehmen als Deutschland. Schweinfurth sei nicht der einzige Ge ner der Zentralbahn; Professor Hans Mever sei ganz ebenso ein Gegner dieser Linie. Auch die Kanal- freunde hätten alle Ursache, sich zu kesinnen, ob sie neben der Flotte auch noch diese ungeheuren, neuen Ausgaben bewilligen wollten.

Abg. Dasbach: Wir werden geschlossen für den Antrag Richter stimmen, die Forderungen an die Kommission zuräckjzu⸗ berweisen. Für die Zentralbahn sind wir überhaupt nicht, ebenso wenig für die Fortführung der Kaffeebahn über Korogwe hinaus. Ueber die Frage, ob über Muhesa schon hinausgebaut worden ist, haben wir heute keine Antwort erhalten; hoffentlich erfolgt dieselbe in der Kommission. Die Kolonialpolitik des Zentrums hat sich nicht geändert; wenn wir eine Verlangsamung des Tempos im Bahnbau wollen, so haben wir dafür doch triftige Gründe angeführt; hier thut ein Bremsen um so mehr noth, als man heute noch nicht weiß, wer denn schließlich die Zeche bezahlen wird. Kommen die Ünternehmungen auch den Missionen zu gute, so sind wir damit sehr jufrieden, aber wir lehnen es ab, ein Unternehmen zu bewilligen allein deswegen, weil es den Missionen zu gute kommt, wenn wir es sonst nicht empfehlen können. Wo bleibt denn der Patriotismus bei der Flottenvermehrung? So wie es ang Zahlen gebt, halten die „Patrioten“ den Beutel zu; sie ö. sich damit, ihren Patriotismus in Champagaertoasten zum Ausdruck zu bringen. Die Hamburger Kaufleute tragen außerdem Bedenken, in den Kolonien Geschäfte zu machen und doit ihre Kapitalien anzulegen, weil sie mit dem bureaukratischen Regiment dort absolut nicht zurecht kommen können. Redner polemisiert dann gegen die Aus führungen der Abgg. Frese und Richter, soweit diese sich gegen ihn gewendet haben.

Direktor der Kolonial⸗Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. von Buchka: Ich muß wiederholen, daß das Reich doch weitergehende Gesichtspunkte zu verfolgen hat als ein Privatmann. Ich mache darauf aufmerkfam, daß der Eisenbahnverkehr den 2 dielen Richtungen schädlichen, das Land in erschreckender Weise verheerenden Karawanenverkehr beseitigen wird; andererseits bietet die Eisenbahn ein Mittel, die Hungergnöthe, wenn nicht zu w . so doch zu mildern. Die Sklavenausfuhr zu unterdrücken, ist bis jetzt nicht völlig gelungen, und zwar aus dem Grunde, weil die Bahn nicht ausgebaut sst. Von Arbeitern angel kann nicht im Ernste gesprochen werden. Dr. Dans Meyer ist keineswegs gegen den Bau der Linie nach Mrogoro. Wenn wir auf dem klelnlichen Standpunkt des Herrn 6 gestanden hätten, wären wir nie zur Erwerbung von Kolonien gelangt.

26. Dr. Graf Udo zu Stolberg Wernigerode (d. kons.): Wie sollen wir es machen, daß keine Kolonialskandale vorkommen? Wir wollen die peinlichst: Auswahl unter den Binauszusendenden Be—⸗ amten getroffen wissen und verlangen die schärfste Bestrafung vor⸗ gekommener Vergehen; mehr können wir nicht thun. Herr Frese wiederholt heute die Behauptung, der Reichstag sei über den Werth der Usambarabahn getäuscht worden. Ich muß dem abermals wider⸗ n , Meine Partei wenigstens war darüber einig, daß der Preis sehr hoch war, und daß beim Bahnbau Fehler gemacht worden sind. Wer Gegner der Kolonialpolitik ist, ftimmt selbstverftändlich gegen

solche Bahnbauten. Wir stehen aber auf einem andern Standpunkt.

Ich gebe mich absolut keinen Illusionen hin; aber wir w

* Kilch !! Versuch mit der Regierung weiter führen, waz ö. den Kolonieen zu machen ist, und in diesem Versuch stehen wir doch noch mitten drinnen. Alle Freunde der Kolonialpolitik, auch daz

Zentrum, müssen aber zusammenhalten. Herr Richter stellt sich auf

einen einseitig wirthschaftlichen Standpunkt. den heutz wunderbaren Weise auch das Zentrum einnehmen zu wollen scheint. Reichenszherger⸗ Olpe hat einmal erklärt, jeder nach Afrika gehende Rrisende sei ein Pionier christlicher Kultur. Diesen Satz bielt ich bisher für das , ,n. des Zenttumz. Wer Ost, Afrika erschließen will, muß

tsenbahnen bauen. Dle wirthschaftlichen Bedingungen, welche Herr Richter aufstellt, passen höchstens auf europäfsche, aber doch nicht auf Kelonialverhältnisse. Das Privatkapital kann die Sach nicht durch. führen, also muß das Reich sie in die Hand nehmen. Gegenüber den großen Ausgaben für die Flotte handelt es sich hier nur um einen kleinen Betrag. Da die sofortige Annahme nicht zu erreichen ist, stimmen wir auch für Kommissionsberathung.

Abg. Richter: Als Fürst Bismarck die Kolonialpolitik inaugu.

rierte, begrenzte er diese ganz bestimmt dahin, 36 das Reich nur die Kolonien zu schützen habe, alles Uebrige müsse Sache der Kaufleute sein Nachher ging man zu Schutztruppen u. dergl. über; aber zu dez Fürsten Bismarck Zeiten ist es niemals so weit gekommen, auch wirthschaftliche koloniale Uaternehmungen auf das Reich zu über⸗ tragen. Man kann doch nicht so weit gehen, Bahnen zu bauen, die wir in Deutschland nicht bauen würden. Warum sollen denn europäische Bahnen · nur vom Staat gebaut werden? Sehen Sie doch nach der Provinz Shantung, wo 50 Millionen Privatkapital arbeiten werden. Ursprünglich hat ein Kon— sortium 100 000 MS für die . zu Vorarbeiten be— willigt; dann kamen das eich und die Deutsche ost« afrikanische Gesellschaft, jeder mit der gleichen Summe. Das Kon— sortium hat es aber dann nicht für angemessen erachtet, die Sache selbst weiter zu betreiben, und nun soll das Reich eintreten. Für Eisenbahnen ist ein Kulturland die Vorauzsetzung. Wird die Zentral. bahn gebaut, so kostet sie 252 Millionen, daz kann niemand bestreiten, es ist ja offiiiell in den Kolonialblättern vorgerechnet. Graf Arnim ist aus Mangel an Gründen mir sehr hochfahcend entgegengetreten. Ultra posse nemo tenetur. Aber haben Sie denn eine so sichere Mehrheit für Ihre Politik? Missionen hat es lange vor den Kolo nien gegeben und giebt es auch dort, wo keine Kolonien sind. Mit dem immer langsam voran“ ist nichts gesagt; wir schreiten auf einer falschen Bahn überhaupt nicht fort. Abg. Dr. Stockmann (Rp.): Die Plantage, welche den Kaffee⸗ bau aufgegeben hat, gehört zu Pangani, welches weit südlich liegt und mit der Usambarabahn garnichts ju thun hat; das hätten die Herren von der Linken doch auch erwähnen sollen. Wie kommen die Gagländer dazu, mit aller Gewalt den Viktoria⸗Nyanza in den . zu ziehen? Wenn das aus politischen Gründen geschieht was soll uns hindern, aus denselben Gründen mitten durch unsere Kolonien eine Bahn zu den Seen zu fübren? Ebenso baut man im Congostaat eine Bahn von 8609 km vom oberen Ende dez schiffbaren Congos nach dem Viktoria ⸗Ser. Afrikaforscher wie Peters und Stanley haben aus⸗ drücklich für die Anlage dieser Zentralbahn plädiert. Einstweilen handelt es sich ja auch noch nicht um diese, sondern nur um eine Slichbahn von der Küste. Ist die Bahn erst einmal geschaffen, so wird die Anlegung der Plantagen sehr schnell vor sich gehen.

Abg. Da sbach: Graf Stolberg wird nicht bestreiten können, daß uns die meisten thatsachlichen Mittheilungen über die Lage der Usambarabahn im vorigen Jahre noch nicht gemacht worden sind. Wir berathen hier doch den Gtat der Schutzgebiete, nicht der Spekulationsgebiete. Von solchen Spekulationsunternehmungen soll sich das Reich fern halten. Im preußischen Staate fehlt noch eine große Menge von Eisenbahnen, zunächst soll man diese mit deutschem Gelde bauen. Es handelt sich auch keineswegs um Kleinigkeiten, diese Kleinigkeiten summen sich zu⸗ sammen; und dann handelt es sich hier um den kleinen Finger, den wir geben sollen, damit man nachher die ganze Hand nehmen kann. Diesen Weg kann das Zentrum nicht mitmachen. ;

Abg. Dr. von Siemens (fr. Vgg.) glaubt, daß nan mit der Stich bahn nach Mrogoro nicht werde auskommen können. Er schätze die Bedenken des Herrn Dasbach nicht sehr hoch ein. Für die Zentral bahn habe sich eine gewisse Begeisterung kundgegeben. Der Hinweis auf die mangelnde Rentabilität bedeute nichts; auch die Berliner Stadtbahn gebe noch nicht die n,, . Rente. Die Rationen schlössen sich zu großen wirthschaftllchen Einheiten zusammen. Ruß⸗ land und Nordamerika hätten dazu den Anstoß gegeben; sie hätten das gekonnt, weil sie innerhalb ihrer Gebiete auch die Eczeugnisse der tropischen und subtropischen Zone beherbergten. Diese Voraussetzung sei bei den anderen Nationen nicht ebenso gegeben; daher das Be⸗ streben der Engländer, ihre Kolonien zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzufassen, daher auch der Krieg gegen Transvaal, der ohne diese Voraussetzung eine Narrheit wäre. Dieses Argument habe auch Deutschland, habe auch der Reichstag ins Auge ju fassen für die Beurtheilung seiner Kolonien. Deutschland sei aus dem Beharrungs⸗ zustande herausgetreten, in dem es bis in die 1870er Jahre hinein sich be⸗ fanden habe, und das sei die Schuld der Schutziollpolitik des Fürsten Bismarck gewesen, von der Graf Caprivi nur die Konsequenzen habe ziehen müssen. Bie Sitaation sei die, daß Deutschland einen Auslaß schaffen müsse für seine überschüssigen industriellen und kommerziellen Kräfte, deshalb müsse alles gethan werden, um seine Kolonien zu entwickeln. Als im Jabre 1896 sich die Banquiers an das Reich gewandt hätten, um die Chancen der Zentralbahn zu prüfen, habe es die englische Mombassabahn noch nicht gegeben; die Ver— bandlungen seien 31 dem Ausscheiden Ray * ins Stocken ge⸗ kommen und erst auf Veranlafsung Occhelhäuser's im vorigen Jahre wieder aufgenommen worden zu einer Zeit, als die Interessen der Nation nach einer anderen Richtung gelenkt worden seien. Es habe sich i. J. 1836 um eine dreiprozentige Garantie gehandelt; das habe man 1899 bei dem steigenden Zingfuß der Nation nicht mehr bieten können. Wenn das aber nicht mehr erreichbar gewesen sei, lo dürfe man niemand von den Betheiligten für unklug erklären; sie seien alle der Ueberzeugung treu geblieben, daß die Bahn durchaus nothwendig sei. Die Banquiers ständen nicht auf dem Standpunkt der Jobber; sie wollten die Lenker des Unternehmungsgeistes der

Nation sein. Vor der Uebernahme des Obligos dieser Bahn brauche man sich nicht zu fürchten, wenn man überhaupt Kolonien für noth— wendig halte. ;

Abg. Dr. Hasse (nl): Es werden manche erstaunt gewesen sein, auf der Linken einen so begeisterten Vertreter der Kolonialpolitit zu hören. Mein Landsmann, der Kilimandscharo⸗Forscher Hans Meyer, hat jwar das Zentralbahnprojekt nicht empfohlen, desto mehr aber empfiehlt er den Bau von Stichbahnen, und darum handelt es sich hier auch zunächst. Von akiuellster Wichtigkeit ist aber die Herstellung einer telegraphischen Verbindung der Küste mit dem . die in Ver⸗ bindung init diesen Vorarbeiten geschehen sollte; ich hoffe, daß wentgstens diese Verbindung beschlossen wird, wenn auch die 106 000 M für die Ergänzung der Vorarbeiten fär dieses Jahr ge strichen werden sollten. Der Vorwurf, daß die günstige Zeit des Fahres 1896 nicht ausgenutzt worden ist, trifft die sämmtlichen Kolonial⸗Direktoren seit senem Jahre. Aber es ist nicht zu spät: die Sache muß gemacht werden; sie wird gemacht! ä

Abg. Bebel findet es beftemdend, daß der Unter Staatzsekretär Freiherr von Richtbofen sich nicht darüber äußere, ob die Angaben des Herrn von Siemens richtig seien oder nicht; seien sie richtig, dann wäre konstatiert, daß die Regierung damals eine schöne Gelegenheit, die Bahn ohne Kosten ju bekommen, verpaßt habe. Aber er dürfe doch annehmen, daß die Herren von Siemens und Genossen wieder so berelt wie damals fein wärden, wenn der Zinsfuß nicht mehr 6, son dern 3 oder zz / betragen werde. Ginen fo nüchternen Rechner, wie den Abg. von Siemens, dürfte eg jum jwelten Mal nicht geben. Und deiselbe Mann, der die größten Fiĩnanikrãfte Deutschlands vertrete, muthe hier dem w zu, diese Millionen aus Reichsmitteln für die Zentralbahn, für die ganje

entralbahn herzugeben. Sel dies so nothwendig, so hätte er schon 55. für die Verwirklichung der Sache eintreien müssen. . Deutschland der thatsächlich' Besitzer Ggypteng und Süd⸗Afrika wäre, dann könnte man auf den Gedanken eingehen, den der Abg. von Siemen besprochen habe; aber da das alles nicht der Fall fei,

habe man keinen Grund, englische Wege zu gehen, die für ung un⸗

vernünftig seien, mögen sie für England noch so vernünftig sein. Man baue auch heute eine Bahn wie die Zentralbahn in Deutschland nicht, wenn sie so wenig Auesicht auf Rentabilität biete. Was habe denn der Abg. von Siemens bisher eigentlich gethan, um die deutschen Kolonien wirthschaftlich in die Höhe zu bringen? Schöne Worte . 3 aber die Deutsche Bant habe kein Geld für die deutschen olonien. Unter Staatgsekretär im Auswärtigen Amt Dr. Freiherr von Richthofen; Als ich im Jahre 1896 die r i ebe über. nahm, fand ich die Vorarbeiten in einem Stadium vor, daß ich nicht beim Reichstage den Bau auf Reichskosten beantragen konnte. Die Privatofferten konnte ich auch nicht annehmen, weil si⸗ 3 ο Zinsgarantie und 20 9/0. Gewinnbetheiligung haben wollten. In Südwest - Afrika hatten wir damals die Rinder- pe, und ein gleichzeitiger Bahnbau dort und in Ost. Afrika schien mir usthunlich, Den Schlußfolgerungen deg Herrn von Siemens glaube ich vollständig beitreten zu können. Die Kolonial— bahnen werden seiner Zeit auch fruchtbringend sein. Sehen Sie sich an, was die Congobahn hringt, und den Kursstand der Paviere; die Baukostenũberschreltung ist garnicht der Rede werth. Wenn wir . Bahn bauen, wird das wirthschaftliche Aufblühen der Kolonien eiden. Abg. Dr Oertel. Sachsen (d. kons.: Die Ausführungen des Herrn von Siemens haben wir hier mit sehr getheilter . auf⸗ genommen. Wir waren für die Bahn und sind es noch; nach der Begründurg, die Herr von Siement gegeben hat, würde ich beinahe gegen die Babn stimmen, wenn ich diesecr Begründung nicht eine nur kleine Bedeutung beimäße. Die Banquiers sind ung nicht kleine, sondern theilweise sehr große, gewaltig große Jobber; wenn die Herren die Lenker des Unternehmungtsgeistes sein wollen. warum thun sie das nicht selbst, warum wollen sie nur lenken“? Auf kolonialem Gebiete haben die Banquters vollständig versagt; aber nicht, wenn es alt, unser gutes deutsches Geld in exotischen Papieren zu verpuffen. enn er meint, die Landwirthschaft set tech isch noch lange nicht weit genug, so ist er doch wohl sehr auf dem Holiwege. Die Behauptung. daß Graf Caprivi die Konsequenz des Bismarck'schen Wirthschafts—, systems gezogen haben soll, ist wohl nicht im Deutschen Reichstag auf⸗ gettellt; beide Herren würden, wenn ste noch lebten und diese Be— haup ung norgen in den Zeitungen läsen, aufs Aeußerste erstaunt sein. Abg Dr, von Siemen: Der Professor Delbrück von der Land wirtaschaftlichen Hochschule hat nachgewiesen, daß die Erträge der deutschen Landwirtbschaft ganj erheblich gesteigert werden können und bat das für jede Frucht projentual vorgerechnet. Die Samoa Sache ist gerade durch das vorsichtige Verhalten der Banquiers für Deutsch. land 6 . ö Abg. Dr, Oertel⸗Sachsen: Die Berufung auf Herrn Delbrück beweist für mich das Gegentheil. Es liegt an der 1 daß die deutsche Landwirthschaft nicht mehr berauswirthschaftet. Herr von Siemens hat heute direkt zugestanden, daß wir recht wohl den ge— sammten Getreidebedarf Deutschlands decken können.

Die Ausgabe im Ordinarium für den Bahnbetrieb wird bewilligt; die extraordinären Forderungen für Bahnbau gehen an die Budgetkommission. Die Einnahmen werden auge lfte, Ugr ird die Fort d

m 5isg Uhr wird die Fortsetzung der Berat Donnerstag 1 Uhr vertagt. 3. in, nt

Preusßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 24. Sitzung vom 14. Februar 1900, 11 Uhr.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats ö 1990 wird bei den , Ausgaben des Etats des

inisteriums des Innern fortgesetzt.

Abg. Kopsch (fr. Volksp.): Schon im vorigen Jahre habe i mich über Wahlbeeinflussungen durch die Landräthe . beg Berichte der Wahlprüfungskommission zeigen, daß die Sache sich in zwischen nicht gebessert hat. In Ostpreußen ist im vorigen Jahre der Fall vorgekommen, daß ein Königlich preußischer Kreis. SchüMlinspeklor in einem amtlichen Schreiben die Lehrer zur Verbreitung eines kon- servativen, agrarischen Wochenblatt, des „Preußischen Volksfreundes“, veranlaßt hat. Geschehen ist diez auf Betreiben des Landraths in Ragnit. Im Reichstage ist schon darauf hingewiesen worden, daß die Verbreitung des Blattes unter Mißbrauch des Aversums erfolgt ist. Neuerdings baben Orte⸗Schulinspektoren unter Hinweis auf ein Schreiben des Landrathzamts die Lehrer zur Sammlung pon Abonnenten auf⸗ gefordert, und jwar ebenfalls unter Portoh nterziehung. Die Presse, insbesondere die Vossische Zeitung“, hat die amtliche Beeinflussung der dehrer getadelt, und selbst die Kreuzzeitung“ konnte diesem Vorgehen leinen Geschmack abgewinnen. Man hätte nun glauben sollen, daß die oberen Instanzen Remedur schaffen würden. Die Beamten find nicht reltisziert worden, sondern sie baben gegen die betreffenden Blätter Klage erhoben. Man berief sich darauf, der „Preußlsche Volksfreund“ sei garnicht konservatip, sondern unparteilsch. Das Bericht bat ihn fär ein politisches Blatt erklärt. Es gebt, wie die „Tilfiter Allgem. Zeitung. festgeftelt hat, nicht nur gegen unfere sädischen Mitbürger or, sondern es belämpft auch die Kanalvorlage und damit die Politit 2 Regierung. Der Annoncentheil läßt es verwunderlich erscheinen, ein solches Blatt sich der Protektion der Regierung und der ? ulinspeftoren erfreut. Auf Schwindelannoncen in einen Blatte, as unter Empfehlung des Landraths und des Kreis ⸗Schulinspektors Hemm fallen die Bauern leichter herein als auf Annoncen, ö neiner Berliner Zeitung stehen. Ein streng konservativer, ortho⸗ 9 Kalender ist in Ostpreußen durch Landrathsämter vertrieben h r nr Sind die Landrathsämter dazu da, Geschäfte zu treiben und em Yittelstande Konkurrenz zu machen? Die treibende Kraft dieser ; fon ist der Regierungs⸗Präsident Hegel in Gumbinnen. Wie . n , w , . leben in einem Rechtg⸗

ö rden gegen die er vorgehen,

tamten zur Rechenschast zieben. .

Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben: 9 Meine Herren! Ich bin bei der Unruhe des Hauses nicht in der . gewe en, allen Ausführungen des Herrn Redners ju folgen. en ich ihn verstanden habe, hat er bemängelt, daß seitens des ; raths in Ragnit und des Kreis. Schulinspektors daselbft den ' tern die Verbreitung des Preußlschen Volksfreundes so heißt tses Blatt ja wohl empfohlen worden ist. ü . Herren, bei der Sache ist meines Greachtens sehr scharf . . Frage von der formellen zu unterscheiden. Was die z 9 e Frage betrifft, so halte ich das Verfahren der Behörden dad tpreußen für richtig und kann insbesondere dem von dem Herrn edner angegriffenen Regierungs⸗Präsidenten Hegel meinerseits

5 Anerkennung für sein Verfahren aussprechen. (Bravo!

Es handelt sich d d arum, daß in Ostpreußen der Friede jwischen e er ltr eitmnfse systematisch durch die Sozialdemokratie unter⸗ uus h. rd, und daß die Behörden nicht nur das Recht, sondern n e Pflicht haben, diesem Bestreben entgegenzutreten.

ich vergessen anzuführen daß, nachdem die Nichtbestätigung des Gerichts ⸗Assessors erfolgt war, noch drei weitere Kreistags⸗ mitglieder sich für den Landrath von Kruse in einer Ein—⸗ gabe an das Ministerium ausgesprochen haben, sodaß aus den früheren acht Stimmen, die für ihn abgegeben waren, thatsächlich

Kreig⸗Schulinspektoren in dieser Beziehung ihre Pflicht thun, so,

Staatsregierung. (Hört! hört! links.)

Anders ist die formelle Seite der Sache. Da ist das Verfahren der Behörden, glaube ich, nicht richtig; so wünschenswerth ich es halte, daß nach dieser Richtung die Behörden energisch vorgeben, so gebört das doch nicht zu ihren Dienstgeschäften im engeren Sinne, und infolge dessen war die Versendung mit dem Vermerke frei laut aversum: meines Grachtens nicht richtig, und es ist in dieser Be⸗ ziehung seitens des Herrn Kultus-Ministers und meinerseits bereits verfügt; die formelle Seite der Sache hat also bereits ihre Erledigung gefunden. In der materiellen, fürchte ich, werde ich mich mit dem geehrten Herrn Vorredner wohl nicht verstehen. (Bravol rechts)

Abg. Bachmann (nl,) bringt einige? ig⸗ . ö. n. a, n. . . . . 3 . n ie, i. eiben aber bei der Unruhe deg Hauses auf

Abg. Wellstein (Zentr.): Die Antwo ini ĩ Beschwerde des Abg. er det mich i,. 3 daß die Beamten danach handeln werden. Der Minifter hat gestern gesagt, der Landrath müsse der Vertrauengmann des Kreises sein. Da- mit stimmt die Praxis nicht überein, wie ein Fall auz St. Goar bew'st wo der Kreigtag von seinem Vorschlagsrecht Gebrauch gemacht hat, ohne damit Erfolg zu haben. Es ist vielmehr der von der Reglerung entsandte lommissartsche Landrath definitiv zum Landrath ernannt werden. Dieses Verfahren verstößt gegen die Kreisordnung für die Rheinprovinz; ez wird durch die Äuskegung ber Kreitordnung sestens der Regierung das Vorschlaggrecht des Freistages illusorisch gemacht. Die Regierung thut fo, als hätte der Kreistag nur dann ein Vor— schlagsrecht, wenn er ausdrücklich gefragt wicd.! Dies widerspricht dem Beist, des 8 30 der Kreigordnung. Ver von Kresse vorgeschlagene Fandidat ist seit sieben Jahren Assessor, seit fünf Jahren im Freise enten r rr, , 9. ,, der Kreiseingesessenen, er ist

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Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Es ist mir peinlich, möchte ich sagen, über eine Angelegenheit, wie die vorliegende, hier vor der Oeffentlichkeit zu sprechen, denn bei dergleichen Dingen lassen sich schlech erdin gs Personenftagen nicht ausscheiden, und es ist unerwünscht, diese Per⸗ sonenfragen hier vor der breiten Oeffentlichkeit zu erörtern. Ich habe deshalb einem Herrn, der dem Herrn Vorredner nahe stebt, die Gründe dargelegt, weshalb eine Bestätigung des vom Kreistage ge⸗ wählten Gerichts -Assessors nicht erfolgen konnte. Ich habe ihm dar— gelegt, daß die ganze Sache mit der Konfesston nichts zu thun hatte, und hatte geglaubt, daß danach hier eine Erörterung vor dem Lande nicht erfolzen mürde.

Wenn der Herr Vorredner es für richtig gehalten hat, die Sache hier zur Sprache zu bringen, so bin ich nicht derjenige, der die per⸗ sönlichen Gründe, die für die Nichtbestätigung gesprochen haben, hier zur Erörterung bringt.

Meine Herren, zunächst die Rechtsfrage. Da muß ich dem Herrn Vorredner darin Recht geben, daß die Frage, ob und wann der Kreistag über das Vorschlagsrecht zu hören ist, verschieden beurtheilt werden kann. Bisher ist die Rechtzauffassung vertreten, daß eine Einberufung des Kreistages nur dann zu erfolgen hat, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, über die er zu beschließen zuständig ist, und diese Angelegenheiten sind in der Kreisordnung einzeln aufgezählt. Aber die Rechtsfrage ist hier nicht entscheidend gewesen, sondern die persönlichen Momente, die bei dem betreffenden Kandidaten in Frage kommen.

Meine Herren, wie der Herr Vorredner richtig geschildert hat, bat sich die Sache so abgespielt, daß aus Gründen der Gesundheit der benachbarte Landrath von Kruse aus der hochgelegenen Gifel im Städtchen Adenau auf seinen Wunsch nach St. Goar versetzt wurde, und zwar ist das geschehen lange vor meinem Amtgantritt. Dieser genannte Beamte ist in einem fast ganz katholischen Kreise, in Adenau, ich glaube, fast acht Jahre thätig gewesen, hat sich dort der vollen Zufriedenheit der ge⸗ sammten, auch der katholischen Bevölkerung zu erfreuen gehabt, und es ist von allen Seiten, auch in der ‚Kölnischen Volkszeitung“, an⸗ erkannt worden, daß er mit voller Objektivität und vollem Interesse auch den Katholiken entgegengekommen sei.

Wenn dieser Mann nun aus Gründen der Gesundheit, aus Rück— sicht auf seine Familie nach St. Goar gerufen wurde, so lag meines Erachtens für die Bevölkerung von St. Goar nicht der mindeste Grund zur Beunruhigung vor. Es ist eine künftliche Agitation, wie ich aussprechen muß, die gegen den genannten Beamten ins Lben gerufen worden ist. Dank dieser künstlichen Agitation wurde der von dem Herrn Vorredner genannte Gerichts. Assessor mit elf von neunzebn Stimmen in Vorschlag gebracht. Vessen Be⸗ stätigung zu erwirken, habe ich pflicht emäß nach genauem Studium der Dinge Abstand nehmen müssen. Einmal stand es durchaus dahin, ob er, der lediglich in der Justiz beschäftigt war, hauptsächlich in Grundbuchsachen, sich für die Stellung des Landraths eignen würde. Vor allem aber waren es verwandtschaftliche Beziehungen in dem Kreise selber, die es ausschlossen, ihn zum Landrath im Kreise zu machen.

Ich muß mich auf diese wenigen Bemerkungen beschränken. Ich habe durchaus nicht den Wunsch, dem Betreffenden, der noch dazu meiner Verwaltung nicht angehört und auf den ich daher um so größere Rücksicht zu nehmen mich für verpflichtet halte, bier irgend⸗ wie Unannehmlichkeiten zu bereiten, und es ist mir peinlich genug, auf diese Sache überhaupt eingehen ju müssen. Aber diese Rücksichten niachten eg von vornherein unmöglich, ihn zum Landrath gerade in dem Kreise zu machen. Lediglich dieser Gesichtspunkt und kein anderer ist maßgebend gewesen für die Frage der Bestaätigung; ins—⸗ besondere erkläre ich hiermit auf das Bestimmteste, daß die Konfession überhaupt garnicht in Betracht gezogen ist.

Nun sagt der Herr Abgeordnete, infolge dieser Nichtbestãtigung des Kandidaten, des genannten Gerichte⸗Assessors, sei eine große Erregung im Kreise. Ich glaube, ihm das Gegentheil versichern zu können. Diese, wie gesagt, nur künstlich in den Kreis bineingetragene Erregung bat sich sehr bald gelegt. Auf einem unläͤngst abgehaltenen Kreistage ist der Landrath von Kruse einftimmig zum Vorsitzenden des Kreis Sparkassenkuratoriums gewählt worden. Der Kreistag ist im allerbesten Einvernehmen verlaufen. Es kommt dezu das habe

nd wenn der Präsident Hegel, die Landräthe und die

glaube ich, verdient das die Anerkennung des hohen Hauses und der

Minister, dieser

St. Goar zu sprechen, ist nur eine verfassungsmãßi Hauses. Es handelt sich keinessall um eine i , l, Frage, sondern um das Vorschlagsrecht des Kreigtages. Der Landrat pon Kruse ist ein tüchtiger Beamter und wird sich au sicherlich die Zu⸗ riedenheit des Kreises erwerben, aber Herr We stein hat nur das Vorschlagsrecht des Kreistages jur Geltung bringen wollen. Die Ausführungen des Abg. von Zedlitz über die Drganisation der k fert tb e e. Blick getragen, aber

nnte ni ür richtig halten, w i ische Aus. 66 wn n, 4 uin gat ,

erwaltungsbeamte muß durchauz juristische Kenntni

Verständniß haben, um die Gesetze a e, ,,, .

mitglieder für sich hatte, wenngleich kein formeller Beschluß vorlag; thatsächlich hatten sich von den neunzehn elf für ihn erklärt, sodaß die Regierung in der That sagen konnte, die Majorität des Kreistages habe sich für den Landrath von Kruse ausgesprochen.

Meine Herren, es ist mir in der Presse der Vorwurf gemacht worden, daß das wieder eine Verletzung der Parität sel und daß man auf die Katholiken nicht die genügende Rücksicht genommen habe. Meine Herren, ich glaube mit bestem Wissen und Gewissen diesen Vorwurf zurückweisen u müssen. Ich habe mich in meiner bisherigen Dienstftellung, wie ich glaube sagen zu können, redlich bemüht, beiden Konfessionen gleiches Recht und Gerechtigkeit zu ibeil werden zu lassen, und ich werde an der Stelle, wohin mich die Gnade des Königs gerufen hat, erst recht suchen, in diesem Sinne iu wirken. (Bravo! rechts.) Ich bitte, meine Herren, bemerken zu dürfen, daß seitens meines Amtsvorgängers beziehentlich meinerseits in der letzten Zeit nicht weniger als vier katholische Landräthe in faft ganz evangelische Kreise berufen wurden, (5rt! hört! rechts) theils weil sie da mit Grundbesitz angesessen waren, theils weil sie durch ihre Beziehungen in den benachbarlen Theilen oder aus sonstigen Gründen sich für dea Landrathsposten dort eigneten. Ich habe nirgends in der katholischen Presse ein Wort von dieser Thatsache gefunden und andererseits babe ich nirgends in der evangelischen Presse, wenn ich so sagen darf, eine Beschwerde darüber gehört, daß man in diese edangelischen Kreise katholische Landräthe geschickt habe.

Ueberhaupt, meine Herren, ich würde doch im allgemeinen Interesse, im Interesse des Friedens der Bevölkerungsklassen bitten nicht diese Dinge immer auf den konfessionellen Leisten üe. schlagen. (Sehr richtig! Es liegt uns wirklich durchaus fern, nach der einen oder anderen Richtang hin einseitig vorzugehen, sondern es sind sachliche Gründe, die die Regierung in ihrem Vorgehen leiten. Hier in diesem Falle speziell ist auch, glaube ich, vom rein katholischen Standpunkt gar kein Grund zu Beschwerden. Bisher war ein ebangelischer Landrath in Adenau und ein katholischer Landrath in St. Goar. Jetzt ist nun dieser evangelische Herr von Kruse nach St. Goar gekommen, und ich habe mich bemüht, einen katholischen Landrath dafür wieder nach Adenau zu schicken. Er ist jetzt vom; Kreistage präsentiert worden, und ich babe die Bestätigung dieses katholischen Landraths von Seiner Majestät erbeten. Also es bleibt, wenn man sich auch auf den rein katholischen Stand⸗ punkt stellen will, kein Grund zur Beschwerde, denn dafür daß nach St. Goar ein ebangelischer Landrath gekommen ist, ist nach Adenau ein katholischer gekommen, und ich bitte nunmehr diese Diage nicht immer vom prinzipiellen Standpunkt aus zu be⸗ trachten, sondern uns darin zu glauben, daß wir den Wunsch haben gleiches Recht und gleiches Licht nach allen Seiten zu dertheilen und daß uns lediglich sachliche Gründe geleitet haben, wenn im ch e nen dalle die Erledigung der Dinge nicht den Gang genommen hat, den ein Theil der Kreisangebörigen erwartete. (Bravo .

Abg. Dr. Lotichius (l). Wohin kämen wi ; auf die Konfession dez n bei . . Rücksicht genommen würde? Es enügt, wenn der Landrarh nach

allen Seiten Toleranz übt und dle nteressen aller Kreigeingesessenen

2 ; *. . Das erwarte ich auch von dem jetzigen Landrath von

Abg. Welllstein: Das kann ich auch nu ĩ 8 ; z r auf das Drin . Ich habe gegen die PVersöalichteit des Herrn 6 nich das Geringste einzuwenden. Es hat mir ferngelegen, die Sache auf daz konfesstnelle Kebiet binüberzuspielen. Ich habe diese Seite . nicht mit einem Wort berührt. Ich habe nur die formell recht. iche Seite der Frage besprochen, noch weniger kann von einer Agitation gegen Herrn bon Kruse die Rede fein. Wag der Minister über seine Friedengliebe gesagt hat, acceptiere ich dankend.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Di Regierung in Koblenz hat vollkommen korrekt . . a *r tage haben das Recht gebört zu werden. Was dann jn gescheben bat, it Sache der Regierung. Sie hat zu bestimmen, wo unbeeinflußt 6 Agitation die Stimmenabgabe des Kreistages stattfiaden könne. ( er Kreistag hat das Recht ju vräsentieren, aber nicht zu verlangen ,,

er ch gesa tte. Es handelt in grundsätzliche Frage. Es ist en daß der . 2 fie darlegt, aber der einjelne Fall ift von kotaler Natur uud kann hier nicht H spiochen werden., Das ist die Auffassung meiner politischen Freunde. Was die Ausbildung der höheren Verwaltungsbeamten betrifft, so schätze ich die juristische Ausbildung sebr hoch. Aber die juristische Ausbildung, die mit dem Assessorexamen abschließt, ift nicht genügend für den Verwaltungs beamten. Ber jetzige Zustand, wel Jahre bei der Justi; und zwei Jahre bei der Verwaltung. kann nicht mehr auf⸗ recht erhalten werden, well ein größeres Maß von praktischen Kenntnissen nöthig ist. In der, Organisation unserer Verwaltungsbehörden, namentlich in der jweiten Jnstani wünschen auch wir eine Aenderung. die Geschãfte in der zweiten JInstanz siad geradeju aufreibend; aber wie geändert werden soll, das ist eine sebr schwierige Frage. Die gemachten Vor- blůge haben auch Bedenken gegen sich. Die Befugnisse der Dber⸗ Prasidenten stehen nicht sicher fest; das zeigt sich z. B. in den d , , . der General Kommissionen. Die Dezentralisatton 23 nicht so weit gehen, daß wir reine Peovinsial-Ministerien erommen und die Einheitlichkeit unserer Staals verwaltung verloren geht. Daß die Organisation der Bezirksregierungen in den Schul. ragen bedenklich ist, gebe ich Herrn von Zedlitz zu, aber hier tann nur eine organische Reform helfen, eine bioß schematische Ver⸗ theilung der Geschäfte hat kejnen Zweck. Den? Landrath ju (iner . Regierungsinstanz zu Rachen, halte ich für sehr bedenklich. sz wird dann auch kaum noch möglich fein, Landräthe aus dem Kreise

selbst zu betommen. Das Streber hum, dag mir nirgends so wider⸗

wärtig ist, wie an dieser Stelle, würde dadurch nicht beseiti t. brauchen Landräthe, die nebenbei noch n n,, 6 * haben, a . 4 e , , . , , Ich bitte den J rage seine Aufmerksamkeit zu schenken, aber j Schritt, den er unternehmen will, reiflich zu Helen ö Abg. Schmitz ⸗Düsseldorf (Zentr.): Ueber die Angelegenheit in e Pflicht des

r zurückgedrängt würde. Der

rößten Gemeinwesen werden vorzügli eleitet d uristen sind. Unsere saͤmmtlichen u ft . .

Kriegs ⸗Ministers, haben eine juriffische Augb wägungen führen dahin, wieder zu . ile n nr l wm. jutehren, die Verwaltungsbeamten aug dem Juftidienft zu nehmen.

. ist nur, daß die Justizbeamten! den Verwaltungtz⸗

immer nicht gleichgestellt sind. Die vom Abgeordneten

Ring beklagten Ausschreitungen der Vereine in Bezug auf die

elf geworden waren, und er in der That die Majorität der Kreistags⸗

Tanjlustbarkeiten laffen sich nur durch eine Novelle zum Vereinsgesetz

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