1900 / 42 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Feb 1900 18:00:01 GMT) scan diff

beseitigen, um deren Einbringung ich den Minister bitten möchte. Die Vabnhofewirthschaften haben sich geweigert, die Polizeistunde innezuhalten; der Gisenbahn. Minister sollte dafür sorgen, daß diese wohllhätige Einrichtung auch von den Bahnhofs wirthen befolgt wird. Berlin ist nicht unsittlicher als andere Städte, aber so unverfroren wie hier auf den Straßen werden einem nirgends Einladungen zu Lokalen überreicht, in denen Unzucht getrieben wird. Diese Be⸗ lästigung des anständigen Publikum; sollte auf jeden Fall verhindert

werde, g erisch ktons) lenkt die Auferksamkeit auf Tie gerkige ,, eit der Waarenhäuser unter Hinweis auf den Brand eines

aarenbaufez in Rirdorf und bespricht die Vorschläge jzur Ver— besserung. Es brauche nicht einmal ein . auszubrechen, die bloße Pansk bei einem Feuerruf werde bei der Enge der Gänge und Treppen schreckliche Folgen haben. Daher müsse vor allem bestimmt werden, daß nur eine bestimmte Anzahl von Personen in einem solchen Waaren⸗ aus sich aufhalten dürfe. In Braunschweig bestehe schon eine solche Bestimmung.

Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben:

Was den ersten Punkt anlangt, den der Herr Vorredner berühre allen Punkten mich anzuschließen, trage ich Bedenken —, so ist es ja keinem Zweifel unterworfen, daß bei der polizeilichen Abnahme auf dem Lande es manchmal an den geeigneten Fachorganen fehlt, indem einfach dem Gendarm diese Aufgabe überlassen ist; aber allgemein vor⸗ zuschreiben, daß dabei Sachverständige zugezogen werden, würde, wie ich befürchte, über das Ziel hinausschießen und würde die kleineren Gemeinden und die Polijeiverwaltung mit außerordentlich bohen Kosten belasten. Die Mehrzahl der Bauten ist denn doch so einfacher Natut, daß man wohl von einer solchen Zuziehung von Bausachverständigen im Gros der Fälle absehen kann. Ich verkenne nicht, daß prinzipielle

Mißstände jetzt vorhanden sind, fürchte aber, daß eine generelle Aende⸗ rung nach der anderen Seite noch schwerere Schäden mit sich bringen würde. .

Dagegen kann ich nur dankbar begrüßen, wag der Herr Abg. Felisch binsichtlich der großen Waarenhäuser und der daraus für die Oeffentlichkeit sich ergebenden Mißstände ausführte. Es ist in der That durch diese enormen Bauten, die aus Eisen und Glas bestehen und eine grohe Menschenmenge auf einmal beberbergen können, eine ganz neue Art der Gefahr hervorgerufen worden. Aus Anlaß des Brandes des großen Karstädter Waarenhauses in Braunschweig bei⸗ spielsweise, wie es ja wohl heißt, ist vom Herrn Minister der öffent⸗ lichen Arbeiten bereits unter dem 13. Juli vorigen Jahres eine. Ver⸗ fügung an die Behörden ergangen, in der sie verpflichtet werden, dieser Seite der Sache ihre besondere Aufmerksamkeit zu schenken und dafür zu sorgen, daß in den Baupoltzei Verordnungen die noth⸗ wendigen Sicherheitevorkehrungen getroffen werden, daß namentlich für die feuersichere Abschließung der Kellerräume Sorge getragen wird, für große, nach außen gehende Treppen, für die Möglichkeit schneller Entleerung ꝛ0 gesorgt wird.

Aus Anlaß des Rirdorfer Falles, der wieder die außerordentliche Ge⸗ fährlichkeit der elektrischen Leitungen an den Tag gelegt hat, habe ich mich mit dem Herrn Handelt Minister und dem Minister der offentlichen Arbeiten erneut in Verbindung gesetzt und bei ihnen beantragt, in kommissarische Berathungen darüber einzutreten, in welcher Weise diesen großen Gefahren, wie sie sich aus der elektrischen Beleuchtung ergeben, vor⸗ gebeugt werden kann. Endlich aber, meine Herren, und das ist das für den Augenblick Wichtigste ist der hiesige Polizei⸗Präsident in eine Prüfung all dieser großen Bazare eingetreten und hat die nöthigen Anordnungen bereits getroffen. Er hat durch eine besondere ad hoc gebildete Kommission, die aus Sackverständigen des Bauwesens, des Feuerschutzes ꝛc. bestebt, diese größen Bazare der Residenz auf das Eingehendste untersuchen lassen, und hat danach die nothwendigen Anordnungen bereits erlassen. Zum Beispiel ist dem großen Wertheim'schen Bazar eine sehr umfangreiche Verfügung zugegangen, in der ibm, wenn ich nickt irre, 41 ganz be— stimmte Auflagen gemacht worden sind, um der Feuersgefahr nach Möglichkeit zu begegnen. Also in dieser Beziehung ist auch den Wünschen des Abg. Felisch entsprochen worden, und wern ich mich nicht ganz irre, die Zabl der Besucher begrenzt worden in der Art, daß, wie ich glaube, nur 400 Personen auf einmal den Bazar betreten dürfen, sodaß immerbin noch, da 600 Verkäufer da sind, eine Menschenmenge von 1060 Seelen in Rücksicht auf die Feuersgefahr geschützt werden muß.

Ich glaube also, daß die Schritte gethan sind, die nothwendig sind, um diesen schweren Gefahren zu begegnen, und ich hoffe, daß die erwähnte kommissarische Berathung zu einem gedeihlichen Ende führen und den Behörden die Direktive gegeben wird, wie im einjelnen diesen unverkennbaren Gefahren begegnet werden kann.

Abg. Rickert (fr. Vzg.): In Bezug auf di: Maßregelung der Beamten baben wir unfere Ansickt schon früher geäußert, aber ich erinnere Herrn von ,. daran, daß durch die Verfassung Manches in der früheren Stellung der Landräthe geändert ist. Die politischen Beamten müsfen der Regierung folgen. Besondere juristische Kenntnisse

sind für den Landrath nicht nöthig. Herr von . war ein febr tüchtiger Verwaltungsbeamter; ob er sehr viel von Jurisprudenz verstand, weiß ich nicht. Für jnuristische Entscheidungen sind andere Beamte da. Was den Fall. in St. Goar betrifft, so thut eine Regierung, welche die Oeffenklichkeit nicht zu scheuen hat, am besten, ihre Karten aufzudecken. Das Vorschlagsrecht des Kreis⸗ fags ist nicht angetastet worden. Daß der Landrath von Razgnit die Portofreiheit mißbraucht bat, ist eiwiesen. Mit solchem Vorgehen fördert man tie Sozialdemokratie und raacht sie nicht mundtodt. DPieser Fall zeigt wieder, wozu die Landräthe mitwirken, denn der Volktfreund? soll auch die Kanalvorlage bekämpfen. Der Rand der Landwirtbe hat die amtlichen Organe, Land räthe und Amtsvorsteher, für die Agitation für seine Ver⸗ sfammlungen in ÄUnspruch genommen; Herr von Plötz hat dies im vorigen Jahre mir zugegeben und gejagt, der Bund lönne seine Schriften nur an die Gemeindevorfteher senden, weil er die Leute in den Pörfern doch nicht alle kennen könne. So wird der Bund mit Hilfe der amtlichen Personen groß gemacht. Für Versammlungen des Bundes im Kulmer Kreise sind sogar die Schullokale hergegeben worden. Ich werde auf solchen Unfug so lange aufmerksam machen, bis er abgestellt ist.

Ministerial · Direltor von Bischoffshausen beansprucht für die Beamten das Recht, den Sozialdemokraten entgegenzutreten, wo sie es können.

Abg. Pr. Friedberg (n.): Es ist anerkennen werth, wenn der Minifter die Gründe für eine Nichibestätigung angiebt. Solche Dinge hier nicht besprechen zu dürfen, würde nie Rechte des Hauses beschränken. Sonst düfte man auch die Maßregelung der Beamten nicht besprechen. Das Verfahren der Beamten in dem Ragniter Falle ist nicht richtig. Ich könnte den Standpunkt des Ministers theilen, wenn der „Volksfreund“ den Frieden in der Bevölkerung söcderte, aber er hat eine starke agrarische und antisemitische Tendenz und macht gegen den Kanal Front. Und dieses letzt re ist doch ein Vorgeben, wegen dessen Landrätke gemaßtegelt werden sind. Wenn bier ein Lindrath dieses

waltungsbeamten können die Juriepruden; nicht entbehren, alle ihre Entscheldungen beruhen auf juristisch logifchen Operationen. Aber der Verwaltunggzbeamte muß auch in wirthscha etlicher und sozialer Beziehung ausgebildet sein. Die Aßessoren sollten noch einmal jur Universitãt zurück · kehren, um volkswirthschaftliche, soꝛialpolitische und verwaltunggrechtliche Rurfe durchjzumachen. Gegen die jetzige Verwaltunggorganisation habe ich hauptsächlich das Bedenken, daß der Adel darin vorherrscht. Herr von Heydebrand wünscht eine organische Reform. Wenn man nicht weiß. wie es gemacht werden soll, sagt man: es muß organisch gemacht werden. Ein Gedanke lag wohl bel Herrn von Heydebrand im Hintergrund, nämlich die weitere Einwirkung der Selbstverwaltungtorgane auf die inneren Angelegenheiten der Schule. Gegen eine solche bin ich ent ⸗· schieden, sie würde ein Hemmschuh für die Volksschule sein. Die Geschäfte des Landraths könnten wesentlich vermindert werden, wenn man ihn vom Vorsitz der Veranlagung kommission befreite. Danken möchte ich schließlich dem Minister für seine entschiedene Haltung egen die polnischen Aspirationen, denen gegenüber wir uns in der lee befinden. . .

Abg. Goldschmidt (fr. Vollsp); Die Beamten können die Sonn m a durch solches Vorgehen wie in Ragnit nicht be⸗ kämpfen. Die Sonialdemokratie hat ihre Kraft in den Fehlern ihrer Gegner. Sie fördert man auch durch Die Züchtigung von. Ge⸗ sinde nach der Gesindeordnung, Die Deutsche Tages jeitung“ hat hre Lefer augdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß das Bürgerliche Gesetzbuch an diesem Züchtigun gs recht nichts ge⸗ andert Fat. Trotz der gestrigen Erklärung des Ministers fürchte ich, 3 das neue Ober, Präsidium für Berlin eine neue Aussichtsinstan für die Berliner Selbstverwaltung sein soll. Warum sollen zwei so gleichartige Beamte wie der Ober. Prãsident und der Polijei⸗Präsident neben einander wirken? Die Herren auf der Rechten haben natürlich Vortheil davon, ihnen ist es nur an⸗ genehm, wenn neue hochansebnliche Stellungen für den Adel geschaffen werden. Auch die Ginrichtung des Herrenhauses hält man noch immer aufrecht. Cin Schriftsteler in Schoneberg ist von der Polizei auf Betreiben von Augsburg aus verhaftet worden, weil er als Schriftsteller fluchtverdächtig fe. Ihre (rechts) eigenen Schrifsteller werben Sie kaum als flucht verdächtig ansehen, besonders nicht. wenn sie so gut beiablt werden wie Derr von Zedlitz. Schließlich mußte der Verhaftete allerdings freigelassen werden. (Vize Präsident Dr. Krause verweist den Redner auf den zur Ver handlung stehenden Titel) Der Minister des Innern ist der Hlaistl? der Polizei. Der frühere Minister des Innern hat erklärt, daß die Bestätigung des Berliner Ober ˖ Bürger⸗ meisters nicht mit der Friedhofsportalfrage zusammen hänge; die Er⸗ eignisse scheinen mir das Gegentheil zu beweisen. Ich kann nur wänschen, daß der neue Minister von seiner Schneldigkeit, wie er sie gestern und heute geäußert hat, abläßt und sich lieber wieder erinnert an eine feiner ersten Reden, worin er es als seine Aufgabe erklärte, alle Menschen glücklich zu machen.

Minister des Innern Freiherr von Rh einbaben:

Meine Herren! Wir haben vorher mehrfach besprochen, ob das juristische Assessorexramen oder das Verwaltungsassessorexamen sich mehr empfehle. Ich glaube, der Herr Vorredner wäre durch beide glatt durchgefallen! (Heiterkeit) Zunächst hat er bier bemängelt, daß die Polizei in Schöneberg dem Befehl des Amtsgerichts in Augs⸗ burg entsprochen und den unglücklichen Redakteur am 17. Januar, 63 Uhr Morgens, verhaftet hätte. Nun, er könnte wohl wissen, daß die Polizeiorgane Hilfsorgane der Gerichte, und als solche verpflichtet sind, die Befehle, die ihnen seitens der Gerichte zugehen, auszuführen.

Was dann das Verwaltungs assessorexamen angeht, so würde auch die gänzlich mangelhafte Kenntniß des Verwaltungsgesetzes den geehrten Herrn Vorredner unfähig machen, das Assessorexamen zu bestehen. Er hat darüber Beschwerde geführt, daß neben dem Regierungs⸗Präͤsidenten noch ein Ober⸗Präsident stebt. Nun, meine Herren, der Regierungs⸗ Präsident besteht für Berlin gar nicht; die Aufsichtsthätigkeit übt für Berlin nicht der Regierungs- Präsident, sondern der Ober · Prãsident allein aus, und es war daher die Deduktion völlig verfeblt, daß eine besondere Aussichtsinstanz für Berlin geschaffen werden solle. Die besondere kommunale Aufsichtsinstanz besteht jetzt schon, und zwar in Potsdam, und ez ist lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit, ob man den Ober, Präsidenten für Berlin aus seiner bisherigen Thätigkeit ausscheidet und einen besonderen Ober . Präsidenten für Berlin einsetzt. Das hat mit der Sache gar nichts zu thun, und wenn der Herr Ab⸗ geordnete fürchtet, daß eine übertriebene Aufsicht geübt werden würde, so glaube ich, daß die halbe Stunde Eisenbahnentfernung von Pots dam nach Berlin nicht das Geringste ändert.

Auf den Schießerlaß und die Frage der Bestätigung des Herrn Ober ⸗Bürgermeisters von Berlin einzugehen, lehne ich glatt ab. (Lebhafter Beifall rechts.)

Die Rede für die Sozialdemokratie, die der Herr Abgeordnete hier gehalten hat, war eigentlich wobl für ein anderes Haus oder für eine Volksversammlung bestimmt. Aber vor das Abgeordnetenhaus gehörte sie, glaube ich, nicht. Ich lehne es ab, darauf einzugehen.

Der Herr Abgeordnete hat mir den Vorwurf gemacht, ich hätte das Verfahren der Beamten in Ostpreußen nicht gemißbilligt und damit die Agitation für ein konservatives Blatt gebilligt. Es handelt sich nicht um eine Agitation für ein konservatives Blatt, sondern um ein zielbewußtes Gegenübertreten gegen die verhetzende Thätigkeit der Sozialdemokratie in Ostpreußen. Das babe ich gebilligt und werde eg nach wie vor billigen. (Gravo! rechts.)

Dann hat der Abgeordnete gesagt, im Fehlermachen gegen die Sozialdemokratie habe die Regierung stets obenan gestanden. (Zuruf links: sehr richtig) Ja, nach Ihrer Auffassung! Meine Auffassung ist eine andere, und nach meiner Auffassung haben hier die Parteien obenan gestanden, die der Regierung die Hilfe in diesem Kampfe ver⸗ sagt baben. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Dann hat der Herr Abgeordnete in der Mitte seiner Rede noch ausgeführt, durch die Gesindeprügelei sei die Sozial demokratie ge⸗ wachsen. Meine Herren, das kann ich ihm bestätigen, durch seine heutige Rede wird sie nicht wachsen. (Beifall und große Heiterkeit rechts.)

Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.): Der Grundsatz, daß die Beamten gegen die Sozialdemokraten gufjutreten verrflchtet (eien, ist ein sehr wiifelhafter. Die Beamten haben die Pflicht, alle Parteien gleich zu behandeln Durch nichts kann man die Sonaldemokraten so sehr fördern, als dadurch, daß man sie anders behandelt. Denken Sie doch an die politischen Folgen. Vor jwei Jahrzebnten waren die Herren kes Zentrums staatsgefäbrlich; auch die Landräthe sind es jüngst gewesen. Bezüglich der Unterstützung des Bundes der Landwirthe burch die amtlichen Organe hat Herr Rickert keine Antwort vom Miniftertisch erhalten. Die Agitation des Bundes ist geradezu ge. meingefährlich, und einer solchen Agitation leisten die Gemeinde

Vorsteher . Der Bund ist doch gegen die Kanalvorlage und gegen die Handelspolitik der Regierung, er steht der Regierung viel oppositioneller gegenüber als die Sozialdemokratie, deren Opposition nur theoretischen Charakter hat. In der Flottenfrage scheinen die Ansichten des Bundez noch nicht geklärt zu sein. Wir wollten über die Maßregelung der Landräthe, die wir immer mißbilligt haben, damals sofort eine Interpellation einbringen, die Herren auf

der Rechten wollten ung damals nicht darin unterstützen. Aber die politischen Beamten müssen die Politik der Regierung mitmachen.

Konflikten. Die Regierung stebt der Agitation des Bundes wohl⸗ kae gegenüber, obwohl sich diese Agitation gegen die Regierung richtet.

Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben: Meine Herren! Ich möchte aus den Ausführungen des Herrn Vor. redners nur einen Punkt berühren, den auch der Herr Abgeordnete Rickert schon hervorgehoben hat, als ich auf einen Moment heraug⸗ gerufen war, um eine eilige Sache zu erledigen. Ich erkläre positiv, daß ich es nicht für richtig erachten würde, wenn die Gemeindevorsteher amtlich für den Bund der Landwirthe thätig wären, etwa Gemeinde⸗ lokale oder Schullokale dem Bunde zur Verfügung stellen; das dürfte ein Gemeindevorsteher ebensowenig für andere Parteien oder Vereine, etwa den Nordost‘ (Heiterkeit rechte) oder sonstige thun. Der Gemeindevorsteher soll fich in dieser Beziehung streng objektiy

verhalten und weder dem einen noch dem anderen gegenüber seinen

dienstlichen Einfluß einsetzen.

Abg. von Jag ow (kons): Wenn ein politischer Beamter der So ialdemokratie gleichgültig gegenüberstände, so würde er feine Pflicht verletzen; wenn er der Sollaldemokratie nur theoretischen Charakter beimdße, würde ich ihn direkt für . halten. Wenn die Sozial demokratie der Regierung etwas näher sfände als der Bund der Land⸗ wirthe, dann würde doch der Freisinn, der der Sozialdemokratie nahe⸗ steht, ungefähr dieselbe Stellung zur Regierung haben, wie der Bund der Tandwirthe. Zu Ober Prästdenten werden nicht nur Adlige ernannt, ich erinnere nur an die Ober ⸗Präsidenten Nasse und Studt. Herr Friedberg meint, der Abg. von Heydebrand habe keine positiven Vorschläge gemacht; aber er selbst hat doch nur vorgeschlagen, daß den Landraͤthen der Vorsitz in der Veranlagungskommission genommen werden solle. Herr von Heyde⸗ brand hat nicht das Vorschlagsrecht des Kreistages ange riffen, Jon⸗ dern nur gefagt, in dem vorliegenden Falle sei das Vorschlagsrecht in vollem Maße gewahrt worden. Ueber die Polenfrage kann sich ein Beamter nicht gut in eine Debatte einlassen, weil er durch die Amte⸗ derschwiegenheit gebunden ist. Ich muß aber bestreiten, daß auf die polnischen Vereine das Gesetz anders angewandt wird, als auf die deutschen. Das Ober ⸗Verwaltungegericht ist maßgebend und hat keine ungesetzliche Behandlung der Sokolvereine feststellen können. Diese Vereine treiben Politik und zwar hochgefährliche für unseren Staat, daran ist nicht ju zweifeln. Die polnischen Beamten sind in ihrer Heimath 63. am Platze, es liegt in ibrem eigenen Interesse, in andere Landeztheile zu kommen, wo sie keiner Beeinflussung aus⸗ gesetzt sind, die ihre amtliche Eigenschaft tangieren könnte. In der kommunalen Verwaltung sind die Polen ja meist objektiv, aber es giebt Ausnahmen genug, sodaß man sich nicht darauf verlassen kann. Dle Hebung der polnischen Bevölkerung seit der preußischen Herrschast und durch die preußische Regierung läßt sich nicht bestreiten.

Abg. Dr. von Jazdiewski (ole) erkennt an, daß die Polen in wirthschaftlicher Beziehung niemals Mißgunst von der Re⸗ gierung erfahten hätten, behauptet dies aber in nationaler Be⸗ siehung. Daß sie sich nicht systematisch absonderten, zeige ihre Thätigkeit in der Kommunglverwaltung. Nicht die Polen seien die Angreifer, sondern Fürst Bismarck babe unter dem Befall des Haufes. die Polenpolitit inauguriert. Der Redner greift die Thätigkeit dez Herrn von Jagow, des frũheren he, e. fu denten in Posen, an, der den katholischen Ordensniederlassungen die größten Schwierigkeiten bereitet und den Katholimismus bekämpft habe. Wenn ein hoher Verwaltungebeamter, wie Herr von Jagow, fage, daß die polnischen Beamten aus der Provin! heraus müßten, bann sek das ein Beweis dafür, daß für die Polen nicht gleiches Recht gelte.

Abg. Dr. Kelch (fr. kons.) führt aus, daß die Sozialdemokratie von der Aufhebung des Koalitionsverbots für Vereine eigentlich teinen besonderen Vortheil gehabt habe, da sie in ihrer DOrganisation 6 Vortheil schon vorweggenommen habe. Die bürgerlichen Parteien seien sich nicht bewußt genug, daß die Soialdemokratie ihr gemein ˖ samer Feind sei; sie müßten sich gegen diesen Feind fest zusammen⸗ schließen.

Abg. Wer ner (Antisemit) beklagt das Sparsystem in den Ge⸗ fangenenanstalten in Bezug auf Heizung 2. und wünscht die Kon⸗ kurrenz der Gefängnißarbeit für das freie Gewerbe dadurch gemildert zu sehen, daß die Gefangenen in der Landwirthschaft beschãftigt werden, wodurch zugleich die Leutenoth in der Landwirthschaft verminbert würde. Wenn die Landwirthe, das Fundament des Staats, sich zu einem Bunde zusammenschlössen, so könne man ihnen das nicht verdenken. Der Redner lenkt die Aufmerkfamkeit auf die immer zahlreicher werdenden Aenderungen von jüdischen Namen und fübrt einige Beispiele an. Ein Herr Levy nenne sich . B. von Halle‘. Auf eine Anfrage babe das Heroldsamt erklärt, daß diez kein Adel sei. Der Herr Levy sei aus

alle Lery und Schmul feien doch wunderschöne Namen. Wenn 3 Schmul seinen Namen ändere, bleibe er doch innerlich Sch mul. ie Namengänderungen verursachten manche Schwierigkeiten.

Abg. von Werdeck (kons.) bedauert die Verfügung, wonach die Sparkassen nicht Darleben außerhalb ibres Bezirks ohne hypothekarische Sicherheit geben dürfen.

Geheimer Ober- Regierungsrath von Knebel-⸗Döberitz er⸗ widert, daß die betreffende Verjügung dies nicht verbiete, sondern nur die Bedingungen regele, unter welchen Sparkassen D rlehen geben dürfen ohne besondere Sicherbeit, nur auf Grund der Haftpflicht der Genossen. Eine Kommission von Vertretern der Finanz Landwirth⸗ schafts. und Handelsverwaltung, welche diese Kreditfragen berathe, habe sich dahin entschieden, daß die Grundsätze für die Krediigewãhrung der Zentral. Genossenschastekasse an die Genossenschaften auch füc die Sparkassen gelten könnten.

Nach 4 Uhr wind die weitere Berathung auf Donnerstag, 11 Uhr, vertagt.

Nr. 7 der ‚Versffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitzamtz“ vom 14. Februar hat folgenden Inhalt: Gesund⸗ heitsftand und Gang der Volkskrankheiten. Zeitweilige Maßregeln gegen Pest. Desgl. gegen Cholera. Gesundheltszuftand in Sto boim 1858. Gesetzgebung u. s. w. (Deutsches Reich) Nahrungz⸗ mittel Chemiker. Berichtigung. (Preußen. Reg. Ben. Gumbinnen. Material. und Farbwaarenbandlungen 23. (Schweiz.) Cholerg und Pest. Gang der Thierseuchen. Tollwuth im VDeutschen Reiche, I8956. Thierseuchen in Großbritannien, 4. Vierteljahr. Rinder⸗ pest in Egypten. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Deutsches Reich, Oesterreich, , ersien ) Vermischtet. (Rußland, Gov. Astrachan. ) e hnliche Erkrankungen, 1899. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 4000 und mehr Ginwohnern. Deegl. in größeren Städten des Au⸗ landes. Erkrankungen in Krankenhbäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt und Landbezirken. Witterung. Grundwasserstand' und Bodenwärme in Berlin und München, Januan/ Beilage: Gerichtliche Entscheidungen, betr. den Verkehr mi Nahrungsmitteln (Butter, Kunstbutter, Fett).

Blatt empfehlen darf, müssen die Landräthe ja die Ansicht bekommen, daß es der Regierang mit dem Kanal nicht Ernst sei. Die Ver

Wenn ssie in der Volksvertretung sitzen, kommt es natürlich zu solchen

* Gesammtumfatz entsprechenden, auf die nächste durch 10 theil⸗

in Preußen besaͤnden.

Mn 42.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 15. Februar

1900.

——

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Hause der Abgeordneten sind eine gachwerf u ng

der aus dem Fonds zur Förderung Les Baues von Klein- bahnen (Gesetze vom 8. April 18975, 3. Juni 1896, 8. Juni 1897 und 20. Mai 1898) bis zum Schlusse des Jabres 1899 be— willigten Staatsbeihilfen, eine Nachweisung der aus dem— sel'en Fonds bis zun Schlusse des Jahres 1899 in Aussicht ge—⸗ stellten Staattsbeihilfen und eine Nachweisung der Rück= einnahmen auf Staats beibilfen für Kleinbahnen bis jum Schlusse des Etatejabres 1898/99 zugegangen. Nach einer Zusammenstellung am Schluß der ersten Nachweisung belaufen sich die bewilligten Staatsbeibilfen auf. . 23 249 687, So 4, die zunächst nur in Aussicht gestellten Beihilfen nach der zweiten Rachweisung aug... . 14458 2060 , In 17 Fällen liegen außerdem noch Anträge auf Gewährung von Staagtsbeihilfen in zahlenmäßig bestimẽmater Höhe, nämlich im Gesammtbetrage von 7 666 146.00

vor, sodaß sich die bewilligten, die in Aussicht ge— stellten und die in zahlenmäßig bestimmter Hohe beantragten Staatsbeihilfen insgesammt auff. . . 45 374 965,80 M. stellen. In 49 anderen Fällen sind Anträge auf Bewilligung von Staatsbeihilfen in nicht jahlenmäßig bestimmter Höhe gestellt oder Anträge auf Bewilligung solcher Beihilfen noch zu erwarten.

Die Zusagen wegen staatsseitiger Unterstützung des Baues der Kleinbahnen Burgdorf =— Langenhagen Vahrenwald und Fraustadt

Altkloster sind inzwischen zurückgezogen, nachdem in beiden Fällen seitens der Betheiligten die Ausführung des Bahnbaues aufgegeben war Abgelehnt ist im letzten Jahre der Antrag der Stadt Rees auf Bewilligung einer Staatsbeihilfe für die Kleinbahn Rees Empel, weil die Bedingung einer angemessenen Unterstützung des Unter—⸗ nehmens durch Kreis und Provinz nicht erfüllt war.

Die bewilligten Beihilfen vertheilen sich auf 2383 km Kleinbahnen, , mithin auf ein Kilometer im Durchschnitt 9700 S Bei⸗

ilfe.

Am Schlusse des Jahres 1898 waren von den bewilligten Bei⸗ hilfen 15 mit 4642 944,55 M voll gezahlt. Inzwischen sind weitere 16 Fälle mit 4 894 783.54 MS in gleicher Weise erledigt, sodaß sich die vollgezahlten Beihilfen nunmehr auf 9536 828, 10 M helaufen. Bei Hinzurechnung, der auf die übrigen bewilligten Beihilfen bisher gezahlten Theilbeträge von zusammen 4 308 83390 6 ergiebt sich eine Gesammtausgabe von 13 8450 661 64 Die durch die Gesetze vom 8. April 1895 und 3. Juni 1895 zur Verfügung gestellten Mittel von (5 000 000 8000000 13000006 M sind somit erschöpft, auch hat bereits ein Theil des durch das Gesetz vom 8. Juni 1897 zur Verfügung gestellten Kredits von 8 000000 M in Anspruch genommen werden müssen. Die Zahlung weiterer erheb—⸗ licher Beträge steht in nächster Zeit zu erwarten. .

Die Rückeinnghmen auf die gezahlten Stgatsbeibilfen haben, wie aus der dritten Nachweisung erhellt, im Etats jahr 1398/99 79 031,66 0 und in den beiden Vorjahren (i0 562, 44 4 650,22 —) 1121266 betragen. Die unterstützten Kleinbahnen befinden sich durchweg erft lurze Zeit im Betriebe, es ist daher ein zutreffendes Urtheil über ihre Rentabilität vorläufig noch nicht zu gewinnen.

Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Waarenhaussteuer.

Der nunmehr dem Hause der Abgeordneten zugegangene , eines Gesetzes, betreffend die Waarenhaussteuer, lautet, wie folgt:

§1.

Wer das stehende Gewerbe des Klein⸗ (Detail-) Handels mit mehr als einer der im § 6 dieses Gesetzes unterschiedenen Waarengruppen betreibt, unterliegt, wenn der Jahresumsatz einschließlich des jenigen der in Preußen belegenen Zweigniederlassungen, Filialen, Verkaufe⸗ stätten 560 000 M übersteigt, der nach Vorschrift dieses Gesetzes zu entrichtenden, den Gemeinden zufließenden Waarenhaussteuer.

Ob der Kleinhandel im offenen Laden, Waarenhaus, Lager und dergl. oder als Versandgeschäft, auf oder ohne vorgängige Be— stellung betrieben wird, macht für die Besteuerung keinen Unterschied.

Vereine, eingetragene Genossenschaften und Korporationen, welche nach 5 5 des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 der Gewerbe steuer nicht unte worfen sind, unterliegen auch der Waarenhaussteuer nicht. Dasselbe gilt von den auf Grund des § 3 des gedachten Ge— setzes bezw. 8 28 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 von der Gewerbesteuer bereiten Vertrieben.

§ 2. Die Waaren haussteuer beträgt vorbehaltlich der Bestimmung im F 5 bei einem Jahresumsatz von bis Steuersatz

mehr als f

500 000 550 000 550 000 600 000 600 000 650 000 650 000 700 000 10 500 700 000 750 000 11500 750 000 800 000 12 500 00 000 S50 000 13 500 850 000 9060000 15 000 900 000 950 000 16500 950 000 1000000 18 000 1000000 1100000 20009 1109000 1200000 22 000 und so fort für jede 100 900 mehr 2000 M Steuern mehr. lleberichleßen de Beträge des Umsatzes von mehr als 25 000 M ibo. 5 5 3. bei Umsätzen von mehr als erschießende Beträge von mehr als 50 000 l volle 100 000 M gerechnet. ĩ ; 5

83.

Anterhält ein Unternehmen der in 1 bezeichneten Art, welches * Sitz außerbalb Preußens hat, in Preußen eine oder! . arten e then (Zweigniedersassungen, Filialen u. s. w., so unterliegt ö z dieser Veikamsestätten ohne Rücksicht auf die Höhe des Umsatzes iner Waarenhaussteuer von 2 vom Hundert ihres Jahresumsatzes.

n Der geringste Steuersatz beträgt 200 M bei einem jährlichen ah von 19000 M6 oder weniger. Die Steuersäre steigen um je a. für je 10 000 des Jahresumsatzes, wobei überschießende e gen wenn sie s000 M übersteigen, für volle 10 000 M gerechnet

unt. Si Heranziehung nach Absatz 1 und 2 unterbleibt, wenn der ternehme⸗ vor eingetretener Richtekraft der Veranlagung nachweist, . ge Gesammtumfatz des ganzen Unternehmens 560 060 M nicht der gt. Ingleichen sind, wenn der Gesammtumsatz mehr als J. Ae, aber nachgewiesenermaßen nicht mehr als 1 000 900 0 gt, die inländischen Verkaufestätten nür mit dem ihrem Antheil

. von Mark abzurundenden Theilbetrage desjenigen Steuer er nn dern agen, welcher nach 5 2 auf das Gesammtunternehmen agen sein würde, wenn sich seine sämmtlichen Betriebsstätten

. . § 4.

Für die Steuerveranlagung maßgebend ist der Umsatz des bei der Vornahme derselben abgelaufenen Jahres. Besteht der Gewerbe⸗ betrieb noch nicht en Jahr lang, so ist der Umsatz nach dem zur Zeit der Veranlagung vorliegenden Anhalt zu schätzen. Während des Steuerjabres eintretende Aenderungen sind erst bei der Besteuerung für das folgende Jahr zu berücksichti gon.

5

§ 5.

Würde die nach § 2 berechnete Waarenhaussteuer eines Steuer⸗ pflichtigen nachweislich 20/0 des nach dem Gesetz vom 24. Juni 1891 für das betreffende Steuerjahr gewerbesteuerpflichtigen Ertrags seines der Waarenhauesteuer unterliegenden Unternehmens übersteigen, so ist sie auf seinen Antrag auf dlesen Betrag, unter Abrundung auf die nächste durch Hundert theilbare Zahl, herabzusetzen. Der Antrag ist entweder bei Abgabe der Steuererklärung (5 85 oder im Wege der gesetzlichen Richtsmittel (6 12) anzubringen.

Auf Konsumpereine und Kensumanstalten, welche nach 8 1 Absatz 3 steuerpflichtig sind, ingleichen auch die im § 3 bezeichneten Unternehmen findet diese Bestimmung keine Anwendung.

§ 6.

Die nach 5 1 zu unterscheidenden Waarengruppen sind:

A. Material und Keloniglwagren, ! und. Trinkwaaren und Genußmittel, Taback und Tabackfabrikate (auch Rauchutensilien), Apothekerwaaren, Farbwaaren, Droguen und Parfümerien;

B. Garne und Zwirne, Posamentierwaaren, Schnitt., Manu⸗ faktur⸗ und Modewaaren, gewebte, gestrickte, gewalkte und gestickte Waaren, Bekleidungsgegenstände (Konfektion, Pelzwaaren), Wäsche jeder Art, Betten und Bettstellen, Vorhänge, Teppiche, Möbelstoffe und die zu deren Verarbeitung dienende Anfertigung von Zimmerdeko—⸗ , . i. . Haus,, Küchen! und Gartengeräthschaften. Oefen, Glas-, Porzellan“, Steingut- und Thonwaaren, Möbel jeder Art und die dazu dienenden Möhelstoffe, Vorhänge und Tevpiche;

D. Gold,, Silber und sonstige Juwelierwaaren, Kunst., Luxus,, Kurz und Galanteriewaaren, Papp und Papierwaaren, Bücher und Musikalien, Waffen, Fahrräder, Fahr, Reit. und Jagdutensilien, sonstige Sportartikel, Nähmaschinen, Spielwaren, optische, physi⸗ kalische, medinnnische und musikalische Instrumente und Apparate.

Waaren, welche zu keiner der im ersten Absatz unterschiedenen Gruppen gehören, werden als besondere Wagrengruppe nicht gejählt.

Solche Waaren, die vermöge ihrer Beschaffenheit oder Bestim⸗ mung sowohl der einen wie der andern jener Gruppen zugerechnet werden können, werden nur einmal gezählt, und zwar, wenn auch andere zu denselben Gruppen gehörige Waaren geführt werden, bei derjenigen, der diese Waaren angehören.

Ingleichen wird, wenn sich der Handel mit Waaren der einen Gruppe nach Herkommen und Gebrauch auch auf Waaren anderer Gruppen erstreckt, welche mit ersteren zugleich feilgeboten zu werden pflegen wie bei Handlungen mit Eisen⸗ und Stahlwaaren, Gummi⸗ waaren u. dergl. nur Handel mit einer Waarengruppe an— . m e er gelt ze. Wand

aßgebend ist die zur Zeit der Veranlagun ü ; Waarengruppen. 4

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Die Veranlagung der Waarenharssteuer erfolgt für jedes Steuer⸗ jahr im Anschluß an diejenige der allgemeinen Gewerbesteuer nach dem Gesetze vom 24. Juni 1891 (GS. S. 203) für alle Gewerbesteuer⸗ klassen durch den örtlich zuftändigen Steuerausschuß der Gewerbesteuer⸗ klasse J. Der Finanz. Minister kann anordnen, daß demselben zu 364 Ii. meh e e. Mitglieder hinzutreten, von denen das eine

on dem Finanz⸗Minister zu ernennen, bas andere nach Maß § 10 des Gewerbesteuergesetzes zu wählen ist. . § 8. ö Jeder bereits zur Waarenhgussteuer veranlagte Gewerbetreibende ist auf die jährlich durch öffentliche Bekanntmachung ergebende Auf forderung des Vorsitzenden des nach 5 7 zuständigen Steuerausschusses verpflichtet, die Höhe seines steuerpflichtigen Jahresumsatzes anzugeben. Diese Erklärungen sind innerhalb der auf mindestens 14 Tage zu bemessenden Frist nach den vom Finanz ⸗Minister vor- geschriebenen, kostenlcs zu verabfolgenden Formularen bei dem im ersten Satze bezeichneten Vorsitzenden des Steuerausschusses schriftlich oder zu Protokoll unter der Veisicherung abzugeben, daß die Angaben nach bestem Wiflsen und Gewissen gemacht sind.

Andere Gewerbetreibende sind zur Abgabe einer solchen Erklärung verpflichtet, sobald eine besondere Aufforderung des im Absatz 1 be⸗ zeichneten Vorsitzenden des Steuerausschusses an sie ergeht.

Die Erklärungen (Absatz 1 und 2) sind geheim auftubewahren.

Der §z 56 des Gewerbesteuergesetze vom 24. Juni 1831 findet auf diese Erklärungen sinngemäße Anwendung. § 9.

Bei der Veranlagung darf von den Angaben in der Erklärung ( 8) nur abgewichen werden, nachdem dem betreffenden Steuer— pflichtigen Gelegenheit zur Aeußerung über die obwaltenden Bedenken 26 . průf

Zum Zwecke der Prüfung der Erklärung ist der Steuerpflichtige auf Beschluß des Steuerausschusses auch e Tn seine 5. bücher vorzulegen.

10

ö ö Wer die ihm nach § 8 obliegende Erklärung nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist abgiebt ozxer den auf Grund der Vorschrift § 9 an ihn grichteten Aufforderungen nicht Folge leistet, verliert die gesetz⸗ lichen Rechtsmittel gegen seine Veranlagung zur Waarenhaussteuer für das betreffende Steuerjahr, insofern nicht Umstände dargethan werden, welche die Versäumniß i mer machen. 1

Gewerbetreibende, welche im Laufe des Steuerjahres den Klein⸗ handel mit mehr als einer der im 5 6 unterschiedenen Waarengruppe anfangen oder auf mehr als eine dieser Waagrengruppen ausdehnen, baben hiervon, wenn nicht nach den Verhältnissen des Betriebes von vornherein ausgeschlossen ist, daß der Gesammtumsatz den Hetrag von 00 9000 erreicht, der von dem Finanz Minister zu bestimmenden Behörde vorher oder gleichzeitig Anzeige zu machen.

Die im Laufe eines Steuerjahres ersolgende Beschränkung des Klein⸗ handels eines zur Waarenhaussteuer veranlagten Betriebes auf nur eine der im § 6 unterschiedenen Waarengruppen oder auf Waaren, welche keiner derselben angehören, ändern an der veranlagten Waaren⸗ haus teuer nichts.

§ 12

Soweit in dem Voirstehenden nicht ein Anderes bestimmt ist, finden auf die Waarenhaussteuer hinsichtlich der Veranlagung, der Rechtsmittel, der Zerlegung der Steuersätze, der Zu und Abgänge, der Abmeldungen, der Befugnisse der Stenerausschüsse und ihrer Vor— sitzenden, der den Gewerbetreibenden und ihren Vertretern obliegenden Verpflichtung zur Auskunftsertheilung, der Nachbesteuerung, der Aus—⸗ faͤlle, des ECrlasses und der Ermäßigung veranlagter Steuerbeträge sowie der Oberaussicht die für die Gewerhesteuerklasse L geltenden Vorschriften 17 bis 21, 25, 26, 27 Absatz 2, 3, SF 39 bis 38, 42 bis 53, 58, 76 bis 78 des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 (Ges. Samml. S. 203) sowie §§ 9, 10 Absatz 2, §5 11 Absatz 1, 2, § 14 Absatz 1, 2, § 15 Absatz 1 des Gesetzes wegen Aufhebung direkter Stfaatssteuern vom 14. Juli 1893 (Ges.⸗Samml. S. 1189)

Die in den 54 und 56 des Gewerbesteuergesetzes den Gewerhe⸗ treibenden und ihren Vertretern auferlegte Verpflichtung zur Auskunfts- ertheilung erstreckt sich fortan für alle Gewerbetreibenden, welche den Kleinhandel betreiben, auch auf die Angabe, mit welchen Waaren⸗ gattungen dies geschieht.

Die Strafbestimmungen in den 70 und 71 Nr. 1 des Ge⸗ werbesteuergesetzes sind auch auf die durch das gegenwärtige Gesetz den Gewerbetreibenden und ihren Vertretern auferlegte Verpflichtung zur Anmeldung und zur Abgabe von Erklärungen entsprechend anzuwenden. Ingleichen finden die §§ 71 Nr. 2, 72 und 73 a. a. O. bei der Waarenhaussteuer sinngemäße K.

3

Die Veranlagung zur allgemeinen Gewerbesteuer nach dem Gesetze vom 24. Juni 1881 und zu besondern auf Grund des 5 29 *. Kommunalabgabengesetzegs vom 14. Juli 1883 eingeführten Gewerbe⸗ steuern wird durch die Wagrenhaussteuer nicht berührt. Die empfangs⸗ berechtigte Jemeinde bat aber die Waarenhaussteuer nur so weit zu erheben, als sie die von ihr nach 529 oder S 30 dis Kommunalabgaben⸗ gesetzes erhobene Gewerbesteuer Üübersteigt.

. Waarenhausstener ist von den Gemeinen (Guttzhezirken) in vierteljährlichen Beträgen zu erheben. Die Bestimmung des § 40 und § 41 des Gewerbesteuergesetzes findet auch auf die Waarenhaussteuer Anwendung.

Das Aufkemmen an Waagrenhaussteuer ist von den Gemeinden, soweit dieselben zur Deckung ihrer Ausgaben von den nach den Vor— schriften des Gewerbesteuergesetzes in den Steuerklassen III und IV veranlagten Gewerbetreibenden Prozente der vom Staat veranlagten Gewerbesteuer oder eine besondere Gewerbesteuer erheben, zur gleich« mäßigen Erleichterung der von diesen Steuerklassen zu erhebenden Prozente bezw. Steuer, andernfalls zur Bestreitung von Gemeinde bedürfnissen zu verwenden. Eine Anrechnung der Waarenhaussteuer auf den nach den 54 —57 des Kommunalabgabengesetzes durch be⸗ sondere Gemeindegewerbesteuern oder Prozente der vom Staat ver⸗ anlagten Gewerbesteuer aufzubringenden Theil des Steuerbedarfs findet nicht statt.

Die Gutsbezirke haben die erhobenenen Beträge an Waarenhaug⸗ steuer am Schlusse eines jeden Vierteljahres an die Kreis⸗Kommunal⸗ kasse abzuführen. Die Kreise haben diese Beträge zur Bestreitung ihrer Ausgaben zu verwenden.

14.

5e Die Waarenhaussteuer wird zum ersten Male Rechnungz⸗ lahr Tor erhoben le zum ersten Male für das Rechnung § 15.

Der Finanz⸗Minister und der Minister des Innern sind mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt. ; .

. Gesetzentwurf ist folgende Begründung beigegeben:

n wachsender Ausdehnung und Verschärfung werden die Klagen laut, daß selbständige Gewerbetreibende, welche bisher ihr 3 durch den in geringerem Umfange betriebenen Kleinhandel sicherten, sich durch die übermächtige Konkurrenz lapitalkräftiger Unternehmer edrãngt finden. Die von diesen unterhaltenen großen Waarenhäuser, Bazare, Versandtgeschäfte u. s. w. vermehren sich nicht bloß der Zahl nach sondern ihre Einrichtung wird immer großartiger gestaltet und ihr Betrieb durch Ausdehnung auf die verschiedensten Waarenbranchen fuͤr den bedrohten Kleinhandel in geringem oder mittlerem Umfange immer gefährlicher.

Durch ihre Kapitalkraft und die Größe ihres Umsatzes sind jene Betriebe in den Stand gesetzt, sich einen billigeren Einkauf ihrer Waaren zu verschaffen als ihre kleineren Konkurrenten. Sie ver—⸗ mögen größere, eine reichere Auswahl bietende Läger zu halten und

dabei doch ihr Kapital rascher umzusetzen, das Prinzip des Verkauft

nur gegen Baarzahlung durchzuführen, brauchen nicht mit Zins und Kapltalverlusten an Außenständen ju rechnen und . mit einem geringeren Nutzen im Einzelnen begnügen oder sogar ohne Gefährdung ihrer Existen; längere Zeit obne Rein ertrag arbeiten. Sie sind in der Lage, ihre Geschäftshäuser bis in die höchsten Etagen zu Verkaufsräumen zu benutzen, während der kleine und mittlere Detaillist nicht daran denken kann, als Verkaufsräume höhere und deshalb billigere Etagen zu miethen. Wie der Räume so ist auch dem großen Umsatz und der infolge dessen durchzuführenden Arbeitstheilung eine lukrativere Ausnutzung des Per⸗ sonals möglich.

Sind diese Vortheile mehr oder minder jedem Großbetriebe im Detail handel eigen, so potenzieren sie sich und werden noch durch be sondere wesentlich verstärkt für diejenigen Waarenhäuser ꝛe.R, die Waaren der verschiedenartigsten Branchen führen. In dieser Hinsicht sei nur darauf hingewiesen, daß sich wohl in jedem großen Ge— schäftshause Räume befinden, die als Verkaufs- oder Lager- raum wohl für Waaren der einen, nicht aber der anderen Gattung verwerthbar sind, und die daher, wenn erstere Waarengattung nicht geführt wird, nicht oder doch nur unvollkommen ausgenutzt werden können, daß der langsamere Kapitalumschlag in einer Branche durch den rascheren in einer andern ausgeglichen wird, Absatzstockungen in einzelnen Branchen weniger empfindlich werden und die Möglichkeit gegeben ist, einzelne Artikel ohne Verdienst, ja mit Verlust abzugeben und sich dafür durch den Verdienst an anderen zu erholen, und daß endlich die Gelegenheit, die verschiedenartigen Einkäufe in einem Geschäft zu bewerkstelligen, einen starken Anreiz auf das Publikum ausübt. .

Diese und andere Vortheile derartiger Großbetriebe im Kon- kurrenzkampf haben die Bestrebungen der Kleinhändler nach Abwehr der ihnen drohenden Gefahr hervorgerufen. Man darf annehmen, daß ein Kleinhändler im großen Durchschnitt bei einem jährlichen Umsatz pon etwa 30 000 M sein bescheidenes Durchkommen finden kann. Ein Waarenbaus mit einem Umsatz von 3 Millionen Mark würde also schoa mindestens 190 solche Kleinbetriebe zu ersetzen und damit ebenso viele selbständige . Existenzen zu vernichten vermögen, während es in Wirklichkeit für eine noch weit größere Zahl von Geschäften zur all mählichen Verkümmerung durch Entziehung eines Theils der Kund— schaft und Preisdruck führen muß,

Ein solcheg Waarenhaus zählt aber noch gar nicht zu den größten, deren Umsätze sich vielmehr auf das Vielfache jener Summe beziffern. Indem die großen Waarenhäuser die kleinen und mittleren Detail⸗ geschäfte durch ihre übermäßige Konkurrenz erdrücken, mindern sie teren Steuerkraft und beeinträchtigen dadurch das Staat und Gemeinde zufließende Steueraufkommen. Ihr eigenen Steuer⸗ leistungen vermögen diesen Ausfall nicht auszugleichen. Denn einmal begnügen sie sich zeitweilig, um zunächst die Kon⸗ kurrenz todt ju machen, mit sehr geringem oder auch gar keinem Nutzen, erzielen daher nur verhältnißmäßig niedrige Erträge. Sodann können sie aber auch dauernd sich mit einer ge⸗

ringeren Verzinsung ihres Anlage· und Betriebskapitals begnügen,

und endlich arbeiten sie vielfach mit der Einkommensteuer überhaupt

oder doch in der betreffenden Gemeinde entgehendem fremden Kapital.

Die somit für die Zukunft des gewerblichen Mittelstandes und

für die Steuerkraft namentlich der Gemeinden bedrohliche Ent wickelung des Großbetriebes im Kleinhandel hat d ie . vertretung wiederholt beschäftigt. , ,

In der Session 1893s wurde in dem Abgeordnetenhaus der An

trag eingebracht,

sinngemäße Anwendung.

die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, einen Gesetzentwu vorzulegen, nach welchem von den nach dem bee n,, 6

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