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zutreken und dann dem Herrn Vorredner über das Ergebniß Min⸗ theilung ju machen. Ich erkenne mit ihm die Veipflichtung der Polizeiverwaltung an, die Angehörigen von derartigen Unglücks und Todesfällen zu benachrichtigen, soweit das irgend möglich ist. Nur wollen Sie sich auch die Schwierigkeiten vergegenwärtigen, die hier in Berlin die Ermittelung dieser Angebörigen mit sich bringt. Wenn nicht zufällig Briefe auf dem Zimmer des Verunglückten oder des Ver⸗ storbenen liegen, wenn nicht die Vermietherinnen bestimmte Auskunft geben können, dann ist es oft fär die Polizeiveiwaltung außerordentlich schwer, zu ermitteln, wo Angehörlge des Verunglückten sich befinden. Ich will aber, wie gesagt, nochmals untersuchen, ob auch im vor⸗ liegenden Falle seiteng der Polizelverwaltung das Nöthige versucht worden ist, um die Angehörigen zu benachrichtigan; denn ich kann es dem Herrn Vorredner nur nachempfinden, daß es für die Angehörigen überaus schmerzlich sein muß, von derartigen Dingen durch die Presse
Kenntniß zu erhalten. .
Vielleicht darf ich diesen Fall noch zu einer allgemeineren Bitte benutzen: wenn die Herren solche speziellen Fälle hier zur Sprache bringen wollen, dann würde ich dankbar sein, wenn sie einige Tage vorher mich benachrichtigen. Dann würd: ich in der Lage sein, die nöthigen Informationen einzuziehen und erschöpfende Auskunft zu geber. Werden solche speziellen Fälle, über Lie ich nicht unterrichtet bin und auch nicht unterrichtet sein kann, mir plötzlich entgegen gebracht, dann muß ich eine Antwort geben. die mehr oder minder die Herren nicht befriedigt und auch nicht befriedigen kann. Ich erlaube mir die Bitte: wenn die Herren solche speziellen Wünsche haben, mir das vorher mitzutheilen; ich werde sofort die Prüfang veranlassen und Auskuaft ertheilen, soweit ich kann.
Bei dem Kapitel der Polizeiverwaltung in den Provinzen beschwert sich ; . ;
Abg. Gothein (fr. Vgg) üher die Verschiedenbeit der Pol zei ⸗ verordnungen über das Radfahr wesen. In Breslau dürfe nicht ohne Numerierung der Fahrräder gefahren werden; dies sei geradezu eine Beschränkung der Freizügigkeit. .
Ein Regierungskommissar macht darauf aufmerksam, daß eine einheitliche Radfahrordnung demnächst in Kraft tritt. .
Abg. Reichardt (nl) wünscht, daß auch in Zukunft den Polizei⸗ Inspektoren die Pferdegelder gezahlt und nicht, wie es jetzt geschegen solle, die Pferde in natura geliefert werden. .
Ministerial-Ytreftor von Bischoffshausen behält sich die Antwort darauf fär die dritte Lesung vor .
Bei dem Kapitel der Polizei⸗-Distriktskommissarien in der Provinz Posen bemängelt . J . ;
Abg. Baensch · Schmidtlein (ir. kons.) die geringe Höhe der Dienflaufwandeentschãdigungen dieser Beamten; sie müßten jährlich wa 1000 S für den Dienstaufwand persönlich zulegen, was in keinem Verhaͤltniß zu dem Durchschnittseinkommen von 3000 4 stehe.
Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben:
Ich kann dem Herrn Vorredner nur dankbar sein für das warme Interesse, das er für die Poltzei ⸗ Distriktskommissare bekundet bat. Ich werde seinen Anträgen gern folgen, und kann erklären, daß bereits Berichte von dem Ober Präsidenten eingefordert sind, ob der Dienst⸗ aufwand in der jetzigen Höhe als ausreichend anzufehen ist oder nicht. Ich theile mit dem Herrn Vorredner die Auffassung, daß es eine höchst wichtige Aufgabe ist, in die Stellen der Distrlkts⸗ kommissare in den in Betracht kommenden Landestheilen nur völlig geeignete Persönlichkeiten zu bringen. Um solche zu gewinnen, ist es nothwendig, daß sie vor materiellen Sorgen geschützt werden und namentlich davor bewahrt werden, aus ihrem verhãltnißmäßig be⸗ scheidenen Gehalt auch noch Zuschüsse zum Dienstaufwand entnehmen zu müssen. Der Dienstaufwand ist in der That mäßig bemessen, er beträgt 1500 6, bei denjenigen, die Pferde balten, 180) 6 Das mag in vielen Fällen vielleicht reichen, aber bei den größeren Distrikten, wo das Pferdehalten große Kosten bedingt, wird es voraussichtlich unzulänglich sein. Ich erwarte darüber noch den Bericht des Ober⸗ Präsidenten. Sollte der Bericht dahin gehen, daß er die Auffassung des Herrn Vorredners bestätigt, so werde ich nicht verfehlen, mich mit entsprechenden Anträgen an dea Herrn Finanz⸗Minister zu wenden und, wenn dieser dem zustimmen sollte, mit entsprechenden Anträgen vor das hohe Haus zu kommen. (Bravoh
Abg. Seer (ul) unteistützt die Bitte um Erböhunz dieser Dienstaufwandsentichädigungen. . . . ;
Abg! von Jagow (kons) bestätigt, daß die Dienstauswands⸗ entschädigung der Distrikte kom mifssare ungenügend sei.
Bel dem Kapitel der Landgendarmerie bittet
Abg. Gamwp (jr. kon) Farum, datz den Gendarmen ein be⸗ sonderer Dlenstraum zar Verfüzung gestellt werde, damit sie nicht mehr 3. B. Vernehmungen ron Personen in einem Gasthaus vor⸗ zunebmen gezwungen seien. .
Einige weitere Wünsche der Akgg. Me ver Riems lob (Zentr)] und Wenzel (fr. Volktp.) bezüglich der Gendarmen bleiben un⸗ verstãndlich. .
Zu dem Kapitel der Strafanstalts verwaltungen bemerkt
Rog. Im Walle (Zentt.): Es ist schon oft der Wansch geäußert worden, daß der Strafvoll zug in eine Hand gelegt werden möge. In Preußen bestebt der Dualiemus, daß ein Theil der Strafanstalten dem Justiz⸗Minister, ein anderer dem Minifler des Innern untersteht. Aus dem Dualismus haben sich schon manche Mißstände ergeben, . B. in Bejug auf die Arbeit der Gefangenen für fiskalische Zwecke, in Bezug auf die Vrrrfleaungssäne der Gefangenen. Es ist eigen ˖ thümlich daß dem Justiz⸗Minister nicht auch der Strafvollzug unter⸗ stebt; diesem Minssterium müßsen die sämmtlichen Strafanstalten unterstellt werden. .
Abq. Ricke rt (fr. Vag.): Es ist doch zwelfelbaft, ob man so weit geben kann, wie der Vorredner wünscht; aber in irgend einer Weise wünschen auch wir die Eatscheidung dieser Frage getroffen zu sehen. Ferner muß die Frage der Heschästigung der Gefangenen mit sandwirthschaftlichen Acberten möglichst schnell und in durchgreifender Weise erledigt werden. Die Beschästigung der Gefan genen liegt im Intereffe der freien Handwerker und der sittlichen Besserung der Gefangenen. / /
; Geheimer Ober- Regierungsrath Dr. Kroh ne; Die Beschãftigung der Gefan enen in der Landwirtbschaft kat ungasgesetzt guten Fortgang genommen; es giert jetzt keine Provin; mehr, wo diese Beschäftigung nicht startsindẽt. Bei großen Meliorationen, Drainagen, bei stanal-⸗ ballten werden schon über joc0 Gefangene beschäftigt. Die Regierung wünscht felbst die weitere Vermebrung dieser Gefangenenarbeit, natũrlich immer im Rahmen des Zwecks der Strase. Wir haben in dieser Weilse auch schon sehr gute Erfolge erzielt.
Abg. Gamp: 34 freue mich, daß nach meinem vorjährigen Antrage wegen Vermindeenng der Lertenoth auch Versuche damit ge⸗ macht siad, die Gefangenen nicht nur für Meliorationen, sondern auch für landwirthschafiliche Arbeiten zu verwenden. Wie wert hat die Justijverwaltung solche Versuche angestellt? Vermieden muß es aber werden, daß damit ein Druck auf die Löhne der freien Arbeiter ausgeübt wird.
Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben: Die spezlelle Frage, die der Herr Abg. Gansp angeregt hat, ist von meinem Kommissar schon beantwortet worden. Ich wollte nur
mein Einverständniß mit seiner Auffassung dabin aus sprechen, daß wir hinsichtlich der Verwendung der Strafgefangenen für landwirthschaft⸗
liche Arbeiten soweit geben, als es mit den Zwecken des Strafvollzuges
irgend vereinbar ist. Das ift ein kleines Mittel, aber es ist ein Mittel, um die große Leutenoth in gewissem Umfange nicht zu be⸗ seitigen, aber doch zu mildern. Se wie die Sachen heute liegen, muß man bei den außerordentlichen Schwierigkeiten, die der Landwirthschaft auf diesem Gebiete erwachsen, froh sein, auch das kleinste Mittel heranzieben zu können. Ueber die speniellen Fragen wird mein Herr Kommissar noch Antwort geben.
Geheimer Ober Regierungsrath Pr. Erohbne giebt noch Auskunft darüber, inwieweit die Bedingungen für die Hergabe von Gefangenen fur landwirthschaftliche Arbeiten erweitert sind.
Abg. von Fagow: Den Ausführungen des Abg. Im Walle muß ich widersprechen. Gewiß ist es wünfchenswerth, daß bei beiden Ressorts große, gleichmäßige Gesichtspunkte aufgestellt werden. Zu berlicksichtigen ist, daß beim Strafvolljug die Besserung und die Strafe in Betracht kommen. Ich für meine Persen lege besonderes Gewicht auf die Besserung, die durch die Bestrafung erzielt werden soll. Daher kann ich nicht dem Vorschlag zustimmen, die Strafanstalten allein dem Justiz⸗Minister zu 3
Minister des Innern Freiherr von R heinbaben:
Meine Herren! Ich darf den Herrn Abg. von Jagow in der Bejiehung beruhigen, daß eine Erhöhung der Sätze, die von Meltorationsverbänden und sonstigen landwirthschaftlichen Unter⸗ nehmern an die Strafanstalten zu jahlen sind, nicht statt—⸗ gefunden bat, im Gegentheil, es ist eine gewisse Ermäßigung eingetreten, und vor allen Dingen sind die früher sehr ungeordneten und unũbersichtlichen ¶ Bestimmungen einheitlich zusammen gefaßt worden. Die Sache stellt sich so, daß jftzt für den Strafgefangenen, alles eingeschlossen, pro Tag 80 8 bis 1 4 zu zahlen ist, ein, wie ich glaube, mäßiger Satz.
Meine Herren, ich hatte es mir bei dem ersten Herrn Vorredner versagt, auf die Frage einzugehen, wer zweckmäßigerweise die ganze Strafvollstreckung in die Hand zu nehmen hat, die Justizverwaltung oder das Ministerium des Innern. Die Frage ist nun aber von ver⸗ schiedenen Rednern gestreist worden, und ich muß wenigstens mit einigen Worten darauf eingeben, und bemerke, daß in dieser Frage eine Entscheidung noch nicht getroffen ist, daß vielmehr die Erwägungen innerhalb der verschiedenen Ressorts der Staatsregierung noch schweben. Die Frage ist in der That durchaus nicht so leicht zu beantworten, wie man es auf den ersten Blick vielleicht glaubt. Es ist ja nicht zu verkennen, daß die Justizverwaltung ein lebhaftes Interesse daran hat, auch ihrerseits einen Theil des Strafvollzugs zu bekommen, weil es für die Strafjustiz von hohem Werthe ist, auch mit dem Strafvollzug beschäftigt zu sein. Andererseits ist für die Verwaltung des Ministeriums des Innern es von ebenso großem Wertbe, die Strafvollstreckung in dem bisherigen Maße zu behalten. Ich glaube, sagen zu dürfen, daß die Verwaltung des Innern auf diesem Gebiete stetig vorangeschritten ist (sehr richtig! rechts), daß sie die Gefängnißberwaltung einer stetigen Besserung entgegengeführt hat und den hohen sozialen und ethischen Aufgaben, die hier mit⸗ sprechen, in immer steigendem Maße gerecht geworden ist, namentlich auch dank der Thätigkeit meines Herrn Referenten, des Herrn Geheim⸗ raths Krohne. (Sehr tichtig! rechts.)
Dann aber, meine Herren, kann man den ganzen Strafvollzug auch nicht als ein ganz abgesondertes und in sich abgeschlossenes Ge⸗ biet betrachten. Der Strafvollzug berührt sich nach verschiedenen Rich⸗ tungen hin mit anderen Zweigen der Verwaltung, die in den Bereich der Thätigkeit des Ministeriums des Innern fallen. Ich erinnere nur an die polizelliche Verwaltung, an die Entlassung der Gefangenen aus den Anstalten, wo sofort wieder die Berührung zwischen Polizeiver⸗ waltung und Strafvollzug eintritt; ich erinnere daran, daß die Zwangs⸗ erziehung und Strafvollstreckung im engsten Zusammenhange stehen, daß, je mehr wir die Zwangterzlehung ausbilden und zweckmäßig ge⸗ stalten, um so mehr die Masst der Sträflinge sih ermäßigt, sodaß auch hier ein inniger Konnex zwischen Zwangterziehung und Straf anstalts verwaltung entstebt.
Daz sind nur wenige Punkte, die ich andeuten will. Ich habe nicht die Absicht, alle diese Punkte in voller Breite zu erörtern; ich wollte nur vom Standpunkt des Ministerlums des Innern aus konsta⸗ tieren, daß wir doch sehr viele schwerwiegende Gründe haben, die dafür sprechen, es mit dem Strafvollzug beim Ministerium des Innern so zu belassen, wie es bis jetzt gewesen ist.
Abg. Ricke rt bitset nochmals dringend, die Frage in irgend einer Weise definitio zu entscheiden. Wenn die beiden Minister darüber verschiedener Meinung seien, so mässe ein Staats. Ministerial⸗ beschluß herbeigeführt werden.
Abg. Schmidt ⸗ Warburg (Zentr.) bittet, für die Zwecke der Zwangèerziebung verwahrloster Kinder und der Fürsorge für ent⸗ laffene Strafgefangene höhere Mittel als bisher im Etat auszu⸗ werfen. Der Projentsatz der räckfälligen Gefangenen sei erschreckend hoch, nämlich 53 eg. Die jugendlichen Verbrecher kämen schlechter aus dem Gefängniß beraus als hinein. Die straf⸗ entlaffene Jugend müsse sorgsam behütet und namentlich davor be⸗ wahr werden, daß sie nicht aus Noth rückfällig werde. Die Be⸗ schaͤftigung von Gefangenen mit ,, sei anerkennenswerth, aber man follte auch den Entlassenen solche Beschäftigung nach⸗ weifen. Der Staat müsse die Thätigkeit der Kirche und der Vereine auf dies m Gebiet stärker unterstützen. Der Verein zur Befferung entlassener Gefangenen in Berlin gebe von seiner Ein⸗ nabme von 3 600 M nur 300 1 an die kalbolische Gemeinde. Damit fei doch nicktz anzufangen, bier müsse der Staat helfen. Die katholischen Orden aibeiteten gleichfalls auf diesem Gebiete, hätten aber auch nicht genügende Mittel. Die freie Liebesthätigkeit ber katholischen Ordensschweftern auf dem Gebiete der Kindererziehung fel aber dem Gesetze zum Opfer gefallen. Der kleine Staat Baden gebe für diese Zweck? viel mehr aug. Preußen dürfe sich nicht pon ihm beschämen lassen, sondern müsse mindestens 30 009 4A dafũr auswerfen.
Minister des Innern Freiherr von Rhein baben:
Meine Herren! Da vom Herrn Vorredner berührte Gebiet ist eines der wichtigsten im Bereiche meiner Verwaltung und zugleich ein Gebiet, auf dem sich erfreulicherweise all' Staatzangehörigen und Vereine, gleichviel welcher Konfession und welcher politischen Stellung, die Hand reichen können. Ich glaube, in der Fürsorge fü— diese Armen, die zum ersten Male linter den Riegeln dez Gefängnisses ge⸗ wesen und nun wieder in das Leben zurücktreten, sollten wir uns alle jusammenfinden und sollten alle das thun, was möglich und noth⸗ wendig ist, um die Zahl der Rückfälligen nach Möglichkeit zu ver⸗ mindern. (Sehr richtig h ;
Der Herr Abgeordaete hat mit vollem Recht auf die, man kann nur sagen, erschrecklichen Ziffern der rückfälligen Verbrecher hinge⸗ wiesen. Sie beweisen, daß unser Strafvollzug noch nicht nach
8 allen Richtungen daz erreicht, was er erreichen soll: entweder bessern oder abschrecken, sondern daß er vielfach auch, na mentlich bei den Jugendlichen, nach beiden Richtungen seinen Zweck noch nicht voll erfüllt hat.
Nun, melne Herren, wie gestaltet sich die Sache, wenn ein Jugendlicher oder auch ein Erwachsener zum ersten Mal im Gefãngniß oder Zuchthaus gewesen ist und die Pforten der Strafanstalt wieder verläßt? Durch eine gemeinsame Verfügung aller betheiligten dre Minister ist die Vermittelung der Arbeit so welt in die Wege ge— leitet, als es möglich ist. Es wird bei sämmtlichen Jugendlichen, die zur Entlassung kommen, den Fürsorgevereinen und auch den be⸗ treffenden Geistlichen beider Konfessionen von der bevorstehenden Entlassung der Jugendlichen Mittheilung gemacht, und bei den er⸗ wachsenen Straftnsassen wird bei allen angefragt, ob sie sich ibrerseits der Färsorgethätigkeit unterstellen wollen. Wefern das der Fall ist, wird auch hler eine gleicht Mit⸗ theilung an die Fürsorgevereine bezlehentlich die Geistlichen gemacht. Nun kommen die Jugendlichen oder Erwachsenen heraus und wenden sich also an diese Vereine. Die Vereine sind erfreulicher weise meist bemüht, ihnen eine Stelle zu verschaffen. Allein, meine Herren, erfahrungsgemäß gelingt das durchaus nicht immer gleich, und wir finden ja leider in vielen Erwerbskreisen des Volks eine, wie ich glaube, übertriebene Aengstlichkeit, solche einmal bestraften Personen wieder in Arbeit zu nehmen. Wenn sie sich auf den Standpunkt der christlichen Caritas stellten, so würden sie einen Versuch mit solchen einmal Bestraften machen und versuchen, sie auf den Weg des Rechts zurückzubringen, anstatt ihnen von vorherein die Thür der ordentlichen Arbeit zu verschließen.
Gelingt es also nicht bald, einen solchen Bestraften wieder in Arbeit zu bringen, dann hört meist die Thätigkeit der Fürsorgevereine auf. Da ist der springende Punkt und der große Mangel der ganzen Fürsorge⸗ thätigkeit. Denn die Fürsorgevereine müßten nun diesen eben aus der Strafhaft Entlassenen so lange über Wasser zu halten suchen, bis es den Vereinen gelungen ist, ibm andere Arbeit zu verschaffen; d. h. sie müßten ihn materiell auf kurze Zeit, auf Tage oder Wochen, unterstützen können, damit er nicht wieder genöthigt ist, zu betteln oder sonst erneut in das Verbrechen zurückzufallen. Weil aber die Fücsorge⸗ vereine vlelfach die Mittel bierzu entbehren, können sie auch eine solche materielle Unterstützung den Entlassenen nicht gewähren; sie ziehen ibre Hand von den Entlassenen zurück, und diese gerathen wieder auf den alten Weg des Verderbens und Verbrechens.
ir würden, glaube ich, sozial und ethisch außerordentlich nützlich wirken, wenn wir die Thätigkeit der Fürsorgevereine auf diesem Gebiete und in der Richtung,“ wie der Herr Vorredner das anzudeuten die Güte hatte, umfangreicher und erfolgreicher ausgestalteten, wenn wir ihnen die Mittel gäben, auch wnateriell die Entlassenen zu fördern, ihnen solange Brot und auch Geld zu gewähren, bis sie für die Entlassenen Arbeitsstellen gefunden haben. Meine Herren, wir würden dabei finanziell ein glänzendes Geschäft machen. Jeden Groschen, den wir für die präventive Thätigkeit ausgeben, ersparen wir in Mark nachher beim Strafvollzug. (Sehr richtig) Darüber kann gar kein Zweifel sein, und ich glaube, wenn die Herren von der Finanwerwaltung ibr Interesse richtig erkennen, dann können sie der Anregung des Herrn Abgeordneten nur freudig folgen; denn unser Strafvollzug kostet meines Erachtens dem Staat viel zu viel Geld im Vergleich zu dem Nutzen, den er schafft. Wir müssen vlel mehr als bisher suchen, die Quelle der Strafe und des Strafvollzugs zu verstopfen, anstatt nachher erst einzugreifen, wenn der Betreffende wieder in die Strafanstalt und ins Zuchthaus gewand ist. Durch die bessere Autgestaltung der Fürsorgetbätigkeit, durch die bessere Fürsorge für die der Verwahrlosung anheimgefallenen Jugendlichen werden wir, glaube ich, diese Quelle, wenn auch nicht verstopfen, so doch weniger ergiebig fließen machen, als es bisher der Fall war, und ich kann daher dem Herrn Abgeordneten meinestheilt nur aufrichtigen Dank sagen für das Interesse, das er bekundet hat. Ich hoffe, daß das Votum dleses hohen Hauses — ich ersehe aus der Stimmung des Hauses, daß die Herren der Anregung des Herrn Abgeordneten wobl zustimmen werden — dann auch gänstige Aufnahme bei dem Herrn Finanz Minister finden wind, und daß ich dann in der Lage bin, im nächsten Jahre tine Vorlage zu machen, die der Anregung des Herrn Abgeordneten entspricht. (eb ⸗ haftes Bravo.)
Abg. Hoheisel (Sentr) bittet Ebenfalls um stãrkere Unter ⸗ stũtzurg der Fürsorgevereine, weil diese allein nicht genug thun könnten, um? Tie Gefangenen vor dem Rückfall zu bewahren, und betont die Wichtigkeit der Beschästigung von Strafgefangenen in der Landwirth⸗ schaft zur Milderung der Leutenoth. ;
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukicch (fr. ken); Die Hauptschwiürigkett liegt in der Abneigung, Gefangene in Arbeit nehmen. Die Gefangenen sollten daher eine gewisse Probezeit durch⸗ machen, um ju bewelsen, daß sie gebessert und nicht mehr Strolche sind. Namentlich sollte man sie bei öffentlichen Arbeiten beschã ftigen. Wenn alle jusammen erbeiten, welche christliche caritas üben wollen, fo werden auf diesem Gebiet auch Erfolge zu erzielen sein. ;
Abg. Schall (kon): Es ist ein Man nel, daß man über dit entlaffenen Gefangenen kline Autorität mehr bat. Ven dem neuen Zwangserziehungsgeletz lönnen wir das Beste erboffen. Die Unter⸗ siützung der freien Vereine ist noch zu beschränkt, es ist aber des 53. der Edlen werth, auf diesem Gebiete weiter zu arbeiten.
Das Kapitel und der Rest der dauernden Ausgaben werden bewilligt. ꝛ
Bei den einmaligen Ausgaben beantragt die Budget⸗ kommission, die Petition des . von Sonnenburg um
Unterlassung des Baues von weiteren Beamtenwohnungen bei der Strafanstalt Sonnenburg der Regierung als Malerial zu überweisen. ⸗
Abg. von Bockelberg (kons.) empfieblt das Petitum der Be⸗ rücksichtigung der Regierung, weil sonst die Bewohner Son nen burg die Miethseinnahmen aus den Beamtenwohnungen verlieren müßten.
Geheimer Sher. Regierungergth Dr. Kr ohne begründet die Noth⸗ wendtgkeit des Baues von Dienstwohnungen mit der weiten Entfernung der Stadtwohnungen von der Anstalt.
Der Kommissiongantrag wird angenommen.
Die einmaligen Ausgaben werden bewilligt.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Mn 44.
3weite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preuß
Berlin, Sonnabend, den 17. Februar
ischen Staats⸗Anzeiger. 1
900.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Aus dem Extraordinarium des Etats der Han dels⸗ und Gewerbeverwaltung war neulich die Forderung von 72 000 6 zur Beschaffung eines Dampfboots und eines Ruder⸗ boots für die Polizei⸗Direktion in Kiel an die Kommission urückverwiesen worden.
Berichterstatter Abg. von Jagow (kons) berichtet, daß die Kommission nach nochmaliger eingehen der Berathung auch nach der Seite hin, ob hier Repräsentationszwecke verfolgt würden, und nach⸗ dem der Minister des Innern erklärt habe, daß das Dampfboot ganz einfach gebaut werden solle und nur so theuer sei, weil es eine hohe
Geschwindigkelt von 19 Knoten erhalten müsse, zur Bewilligung der Forderung gekommen sei⸗
Abg. Dr. Barth (fr. Vxg) kann nach seinen versänlichen Er⸗ kundigungen in Kiel ein Bedürfniß für dieses Polizeiboot nicht an⸗ erkennen, das jährlich außerdem 12 000 6 Unterhaltungekosten ver⸗ ursachen werde, das sei kapitalistert beinahe eine balbe Million. Die Spionage, welche die Regierung im Kieler Hafen be⸗ laͤmpfen wolle, werde einem so großen Poltieiboot rechzeitig ausweichen können. Ein Spion werde erst gefährlich, wenn er ans Land komme. Eine Bewachung des Hafens sei doch nur beim Ausladen der Schiffe erforderlich Im gegebenen Fall könne die Polizei jeden Augenblick einen Dampfer in Kiel haben. Man lasse nicht erst die eigene Equipage anspannen, wenn man es eilig habe, sondern nehme eine Droschke an der Ecke. Ein Bedürfniß nach einem solchen Boot sei noch nicht hervorgetreten. Waz koste denn bisber die Miethe für ein solches Boot? Wenn es ein dauerndes Bedürfaiß sein solle, müsse doch bisher schon eins gemiethet gewesen sein. Er könne die Forderung nicht bewilligen, solange er über die Zwecke des Bootes nicht eines Besseren belehrt sei.
Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Bei der Erörterung der Angelegenbeit ist von einigen Seiten die Annahme laut geworden, es handele sich hier darum, für den Polizei⸗Präsidenten in Kiel ein für Reprãäsentationszwecke be⸗ stimmtes Boot zu schaffen. Ich bin in der Lage, dies aufs Bündigste als unzutreffend zu erklären.
Meine Herren, der Polizei⸗Präsident in Kiel ist mit dieser An⸗ gelegenheit sehr wenig befaßt gewesen; die Sache ist vielmehr von der Zen⸗ tralinstanz aus behandelt worden. Nachdem vor wenigen Jahren die König⸗ liche Polizei · Direktion in Kiel ins Leben getreten war, war es unerläßlich, ihr die Materialien zur Verfügung zu stellen, mit denen sie allein ihrer großen Aufgabe gerecht werden kann, und für eine Polizei⸗ Direktion, die den großen, der offenen See ausgesetzten Kieler Hafen mit zu ihrem Gebiet rechnet, ist es unerläßlich, auch ein Boot zu haben, mit dem sie eben die Polizei auf dem Hafen ausüben kann. Die Sache hat sich in der Weise entwickelt, daß seitens des Herrn Handels ⸗Ministers und meinerseits an den Regierung ⸗Präsidenten in Schleswig verfügt worden war, Aucschreibungen darüber zu erlassen, ob ein Boct mit 9 Knoten oder mit 12 Knoten als an— gemessen zu betrachten sei. Darauf haben die Howald Werke ein Projekt eingereicht mit einer Geschwindigkeit des Schiffes von 12 Knoten. Der auf dem Gebiet der Schiffsbautechnik, überhaupt der Schiffahrt besonders sachverständige Wasserbaurath in Schleswig, der dem Regierungs⸗Präͤsidenten beigegeben ist, hatte Bedenken gegen dieses von den Howald⸗Werken eingereichte Projekt, und es ist seitens des Herrn Hendels.Ministers und meinerseits die in Marinefragen zuständige höchste Instanz, der Herr Staatssekretär des Reichs Marineamts, um ein Gutachten in der Sache gebeten worden. Der Herr Staats sekretäͤr hat sich dahin ausgesprochen, daß ein Boot von durchschnittlich 10 Knoten Geschwindigkeit als zweckentsprechend zu erachten sei, und bat im übrigen noch einige besondere Fingerzeige hinsichtlich der Bauart des Schiffes gegeben. Also die Sache ist seitens der Zentral⸗ instanz aufs eingehendste erwogen worden und hat mit etwaigen Sonderwünschen anderer Instanzen nicht das geringste zu thun.
Was die Zuständigkeit zwischen Reich und Königlicher Polizei- verwaltung betrifft, so ist dafür das Gesetz von 1883 über die Reichs ⸗Kriegs⸗ bäfen maßgebend. Danach ist in den meisten Beziehungen die Schiff⸗ fahrts⸗ und Hafenpollzei im Kriegshafen Sache der Marineverwaltung geworden, dagegen ist die ganze Ortspolizei, namentlich die Sicherheits- polizei, die Gesundheitspolizei, die Kriminalpolizei und die politische Polizei Sache der Königlichen Polizeibehörde. Um dieser Aufgabe zu genügen, ist es meines Erachtens, wie ich eben schon angedeutet habe, unerläßlich, der Polizeiverwaltung ein ausreichend tüchtiges und see⸗ fählges Boot zur Verfügung zu stellen.
Ich bemerke — und ich werde darauf nachher noch zurückkommen —, daß die Exemplifikation auf die anderen Hafenplätze in Lielen Rich⸗ tungen nicht zutrifft; denn keiner dieser Hafenplätze, weder Stettin noch Danzig, ist den Gefahren so ausgesetzt, wie der völlig frei dem Meere sich öffnende Kieler Hafen. Als Konsequen dieser Zustände ist der Königlichen Polijei⸗Direktion die Regelung des Schiff sverkehrs in Kiel in den Vororten verblieben. Es wird den Herren wohl bekannt sein, daß sich an der Kieler Föhrde eine große Anzahl von Vergnügungsorten findet, zwischen denen und Kiel ein reger Verkehr, namentlich im Sommer, stattfindet. Es siedelt sich in den Orten eine große Anzahl von Fremden im Sommer an, die nach Kiel hin einströmen. Infolge dessen findet ein sehr reger Verkehr statt, und es ist daher unerläßlick, daß dieser Verkehr von seiten der Polizei aus. reichend überwacht wird. Zu diesem Zweck muß der Polizei ⸗Präsident in der Lage sein, sich auf das Wasser selbst zu begeben, die ver⸗ schiedenen Anlandungsstellen selbst zu prüfen, etwaige Kollisionen zwischen den einzelnen Schiffen zu schlichten und eine Kontrole über den ganzen Hafen auszuüben. Es liegt ibm ferner die Gesundheits polizei ob. Bei den einlaufenden Schiffen muß er eine Kontrole darüber üben, ob vom Standpunkt der Gesundheitepolijei aus den Schiffen das An⸗ legen in Klel und in den verschiedenen Hafenplätzen der Föhrde ge— stattet werden kann oder nicht. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, wie wichtig es gegenwärtig, wo ansteckende Krankheiten so leicht im portiert werden, ist, daß man in dieser Beziehung rechtzeitig ein greifen kann.
Das Wichtigste, meine Herren, ist schließlich auch die Frage der politischen Polizei, die Frage der Spionage, die der Herr Vorredner,
Spion würde erst gefährlich, wenn er an das Land kommt. Er wolle mir verzeihen, wenn ich annehme, daß seine Kieler Freunde ihn in ditser Beziehung unrichtig berichtet haben müssen, denn gerade der Sxion auf dem Wasser ist bei Kiel und an unseren Hafenplätzen der gesährlichste. Die Spione gehen gar nicht an das Land, weil sie wissen, daß si⸗ dort gefaßt werden können, sondern sie halten sich auf ihrem Schiff auf dem Wasser auf, um, sobald die Sache gefährlich wird, einer Ver⸗ folgung entfliehen zu können. Ich weise darauf hin, daß gerade diese Gefährlichkeit der Sp̃ionag? einer der Hauptgründe gewesen ist, die dazu geführt haben, eine Königliche Polizei⸗Direktion in Kiel einzu⸗ führen. Die ganze Kieler Föhrde gehörte früher zu drei landräthlichen Kreisen, zum Landkreis Kiel, Eckernförde und Plön, und zu sechs oder sieben Amtesbezirken. Daß dabei eine genügende Kontrole der Spionage nicht möglich war, veistand sich von selbst. Um eine Einheitlichkeit nach dieser Richtung hin zu ermöglichen, ist die Königliche Polizei⸗ Direktion eingerichtet worden.
Die Frage des Ansegelns in Kiel und des Einsegelns in den Kaiser Wilhelm⸗Kanal, die Frage der Forts, die unseren Reichs⸗Kriegs⸗ hafen schützen, ist von jeher ein Gegenstand besonderen Interesses und eine besondere Anziehungskraft für Ausländer gewesen. Ich weise darauf hin, daß im Jahre 1893 dort zwei Franzosen auf ihrem Schiff von der städtischen Polizeiverwaltung in Kiel festgenommen worden sind, daß sie sich im Besitz einer großen Menge für sie höchst wichtiger Photographien von Befestigungen und anderen Anlagen an der Küste befanden, und daß diese beiden Offiziere nachher vom Reichsgericht wegen Landesverraths bestraft worden sind.
Meine Herren, wie in diesem Falle die städtische Polizei⸗ Verwaltung in Kiel die Aufgabe gelöst hat, das Schiff fest—⸗ zumachen und die Offiziere auf dem Schiff zu verhaften, so ist diese Aufgabe jetzt auf die Königliche Polizei⸗Direktion über⸗ gegangen, und die Polizei⸗Direktion würde sich der schwersten Verantwortung schuldig machen, wenn sie sich nicht bemühte, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Ich kann nicht einsehen, wie eine Kontrole der Schiffe, die im Hafen und auf der Kieler Föbrde liegen, möglich sein soll ohne ein ausreichend großes und aus reichend schnelles Boot. Darauf kommt es an, daß die Polizei⸗ verwaltung im Besitz eines Bootes ist, das den Lustfahrzeugen und anderen verdächtigen Fahrzeugen den Weg zu verlegen im stande ist.
Der Herr Abgeordnete hat gesagt, ihm komme die Sache vor wie ein reitender Schutzmann. Das ist vollkommen richtig. Ich habe aber noch nie einen reitenden Schutzmann ohne Pferd gesehen, und so kann ich mir auch keinen Königlichen Polijei⸗Direktor auf einem Hafen denken ohne Schiff.
Nun ist der Heir Vorredner auf die Unterhaltungskosten ge— kommen und hat gesagt, wir könnten viel billiger daju kommen, wenn wir ein Schiff amietheten. Er wolle mir verzeihen, wenn ich ihm sage: das ist auch nicht richtig. Die Anmiethung ist theurer als ein eigenes Boot. Die Anmiethung kostet uns jährlich 18 000 6, während wir die Unterhaltungskosten des Bootes bei 9 Knoten auf 10 000 Æ , bei 10 Knoten auf vielleicht 12 000 schätzen. Es ist also auch im finanziellen Interesse geboten, sich nicht Boote anzumiethen, sondern ein eigenes Schiff zu haben. Ich glaube, der Herr Abgeordnete geht von allzu städtischen Begriffen bei der Sache aus; er sagt, man brauche nur um die Ecke zu geben und sich eine Droschke zu mietben. Meine Herren, die Wasserdroschken stehen nicht überall an der Ecke, und die Unternehmer sind nicht geneigt, auf kurze Zeit solche Schiffe zu vermiethen, dem Verkehr zu entziehen und nachher nicht zu wissen, was sie mit dem Schiffe anfangen sollen, wenn die Polizeiverwaltung seiner nicht mehr bedarf. Also auch im finanziellen Interesse ist es räthlicher, ein solches Boot dauernd zur Verfügung zu haben, als immer auf Anmiethen angewiesen zu sein, wobei man immer mehr oder weniger in die Hände der Unternehmer gegeben ist.
Aber wenn auch diese finanzielle Frage nicht wäre, wie soll der Poltzei Direktor seiner Aufgabe gewachsen sein, wenn er genöthigt ist, sich ein Boot zu msethen, wenn die Nachricht kommt, daß sich ver⸗ dächtige Fremde in dem Hafen befinden? Ich erwähne, daß sich erst vor ganz kurzer Zeit abermals ein solcher Fall ereignet hat. Wenn eine solche Nachricht kommt, soll er bei allen Unternehmern herum⸗
schicken und fragen: wollt ihr mir nicht ein Boot leihen? Damit vergeht Zeit; die Polizei hat das Nachsehen und das Auslachen hinter⸗ her. Sofort muß sie ein Boot zur Verfügung haben.
Was die Exemplifikation auf andere Hafenverwaltungen betrifft, so sagte der Herr Abgeordnete: es ist auffallend, warum gerade für Kiel ein derartiges Boot gefordert wird, für andere Hafen⸗ plätze nicht. Meine Herren, das verhält sich anders. Solche Boote sind in anderen Städten, wo seit geraumer Zeit Königliche Polizei⸗ verwaltung ist, vorhanden; in Kiel wird es überbaupt nur gefordert, weil dort erst neuerdings Königliche Polizeiverwaltung eingerichtet ist. In Stettin stehen jur Verfügung ein Motorboot und vier Rude :⸗ boote — ich bemerke, daß Stettin nicht freie See hat, sondern lediglich die Oder, auf der ein sehr seefähiges Schiff nicht erforderlich ist. In Danzig stehen zur Verfügung ein Benzinmotorboot und fünf Ruder⸗ boote — es werden aber die Lootsenfahrzeuge in Neufahrwasser zum Hafenpolizeidienst mit benutzt — frner ein Schraubenschleppdampfer von 9 Knoten und ein Dampfbeiboot von ? Knoten; in Swinemünde stebt ein besonderer Schraubendampfer von 8 Knoten zur Verfügung. Meine Herren, wir haben hier nur dag für Kiel erbeten, was bei allen anderen an der See gelegenen Küstenbäfen mit Königlicher Polizeiverwaltung bereits vorhanden ist. Wir können dessen nicht entrathen, wenn die Polijzeiverwaltung ihren sehr wichtigen und ver⸗ antwortlichen Aufgaben genügen soll, und deshalb bitte ich nochmals um Bewilligung.
Berichterstatter Abg. von Jagow bemerkt dem Abg. Barth, daß die Kemmission dieses Bedürfniß anerkannt habe.
Abg. Dr. Barth bleibt dabei, daß der Poltzei⸗Präsident von Kiel schneller ein fremdes Boot zur Verfügung haben könne als ein eigenes, und hält ein fremdes zur Bewachung der Spionage für besser
wie ich glaube, etwas leicht gestreift hat. Er ist der Meinung, der
als ein bekanntes Polizeiboot. Ein billigeres Boot könne denselben
Zweck erfüllen. Er möchte doch wissen, wieviel bisher ein solches dringend nothwendiges Boot an Miethe gekostet habe.
Abg. von Eynern (nl) hält es nicht für möglich, daß jeder Zeit ein anderes Dampfboot zur Verfügung stebe; namentlich bei greßen Festlichkeiten seien alle Dampfer in Beschlag genommen. Nachdem auch der Mitberichterstatter Abg. Jürg ensen (ul) die ,,, empfohlen, wird die Forderung mit großer Mehrheit bewilligt.
Es folgt die Berathung des Antrages der Abgg.
Dr. Lang erhans (fr. Volkep., Dr. Barth und Genossen: die Regierung zu ersuchen, die zur Einführung der fakultativen Feuerbestattung in Preußen erforderlichen gesetzgeberischen Maßregeln zu treffen. Abg. Dr. Langer hans begründet seinen Antrag damit, daß sich immer weitere Kreise auf den Standpunkt der Feuerbestattung ftellten. Religisse, christliche Bedenken ständen der Forderung nicht entgegen. Wie kämen die Kirchenbehörden dazu, ven Geistlichen in so unerhörter Weise die Theilnahme an Fenerbestattungen zu verbieten? Die von juristischer Seite gemachten Einwendungen in Bezug auf die Unter—⸗ suchungen durch Exhumierungen könnten durch Einführung der obligatorischen Leichenschau beseitigt werden. Man habe leider mit Aberglauben und Vorurtheilen, den allerschlimmsten Feinden, zu kämpfen.
Abg. Dr. Irmer (kons.) giebt zu, daß dogmatische Bedenken gegen den Antrag nicht geltend zu machen seien, hält ihn aber mit“ der seit Jahrtausenden bestehenden christlichen Sitte für unvereinbar. Daher seien die Kirchenbehörden berechtigt, den Geistlichen die Theil nahme an Feuerbestattungen zu verbieten. Und wenn nicht die chrift⸗ liche Sitte mitspräcke, so müßieg allein die kriminellen Bedenken zur Ablehnung des Antrags führen. Mancher. Mord hätte sich ohne Exhumierung nicht feststellen lassen; die obligatorische deichenschau reiche zur Ermittlung von Verbrechen nicht aus. Die Kirchhöfe seien nicht gesundheitsgefährlich, ja sie seien vielfach als köstliche Erholungsstätten beli⸗bt, wie z. B. früher der vor dem Landsberger Thot in Berlin. In früheren Zeiten habe man zur Ab— wendung der Gefahr des Lebendigbegrabenwerdens ein Gesetz gefordert, wonach jedem Todten von einer Medizinalperson noch besonders die Gurgel durchgeschnitten werden solle; heute könne doch von dieser Ge= fahr keine Rede mehr sein. In einem christlichen Staat könne man der christlichen Sitte nicht widersprechen, und deshalb lehnten die Konservativen den Antrag ab.
Abg. Dr. Dittrich (Sentr.) lehnt namens seiner Partei den Antrag ebenfalls ab, weil er der christlichen Sitte widerspreche; die Leichenderbrennung habe sich stets gegen die Kirche gerichtet. Die ganze historische Entwicklung zwinge dazu, diesen Vorstoß gegen eine heilige christliche Sitte zurückzuweisen.
Abg. Schall hält die Leichenverbrennung nur für eine Sache der Vermögenden, weil sie sehr theuer sei, besonders jetzt zur Zeit der Kohlennoth. Weder die Generalsynode noch die Eisenacher
des Verstorbenen bei der F uerbestattung Trost zu spenden, aber die Kirche als solche könne sich nicht daran betheiligen, schon weil dies Rellame für die Leichenverbrennung mache. Durch Exhumierung eien noch nach 30 Jahren Verbrechen entdeckt worden. Die Leichen verbrennung verletze christliches Gefühl und christliche Sitte. Der Eingriff des Menschen in die Vernichtung des Leibes, dieses wunderbarsten Gebildes Gottes, sei unserem Volke etwas Unnatürliches und Widerngtürliches. Die obligatorische Leichen⸗ schau sei unaugführbar. Welches Gefühl müßten die Angehörigen eines theuren Todten, von dem sie sich gar nicht trennen könnten, baben, wenn gleich nach dem Tode der Arzt zur Obduktion erschiene? Die Anhänger der Leichenverbrennung seien von materialistischer Weltanschauung. Die Kirchhöfe müßten möglichst schön angelegt werden; in dem großen, parkartigen Kirchhof in Ham⸗ burg zu lustwandeln, sei ein Vergnügen, und man habe da leicht das Gefühl; hier möchtest Du wohl einmal begraben sein. Der Körper werde in die Erde gelegt als ein Samenkorn, aus dem eine höhere geistige Leiblichkeit erstehe. Gegenüber der materialistischen Welt- anschauung müsse man dem Volk die Pietät vor dem Leibe erhalten.
Abg. Dr. Barth stellt fest, daß die Gefühle des Volks garnicht gestört werden sollten, der Antrag verlange nur Toleranz und wolle auch die Gefühle der Anhänger der Feuerbestattung nicht gestört wissen. Es bandle sich nur um Lie fakultative Feuerbestattung, der Staat solle nur denjenigen die Erlaubniß dam geben, welche sie haben wollten. Die kriminalistischen Gegengründe fielen garnicht ins Gewicht, denn außerhalb Preutzens könne man sich jetzt schon verbrennen lassen. Ein Staat nach dem anderen in Deutschland lasse die fakultatioe Feuerbestattung zu. In Gotha seien doch die sitilichen Verhältnisse nicht schlechter geworden. Wenn die Feuer- bestattung so theuer sei, müsse man sie gerade durch Zulassung in Preußen selbft verbilligen. Es hätten sich mehr Katholiken als Frei= religiöse mit materialistischer Weltanschauung verbrennen lassen. Die 10 600 Mitglieder des Vereins für Feuerbestattung und die hundert e , die damit sympathisieren, konnten eine Berücksichtigung ver- angen.
Geheimer Ober. Medizinalrath Dr. Schmidtmann; Der Stand⸗ vunkt der Regierung in dieser Frage hat sich gegen früher nicht ver⸗ ändert. Den Forderungen. der Hygiene wird jetzt durchaus genügt. Bei dieser Sachlage steht die öffentliche Gesundheits. pfläge der Feuerheftattung neutral gegenüber, kann sich jedenfalls nicht dafür ertlären, so lange anderweite Gründe der Ein⸗ fübrung entgegenstehen. Die Leichenverbrennung müßte in krimina⸗ listi cher Hinsicht mit Vorsicht vorgenommen werden. Die Voczüge der obligatorischen Leichenschau in gesundheitlicher und rechtlicher Beziehung sind eingehend von der Regierung erörtert worden, und es ist 1894 sogar der Versuch gemacht worden, die An⸗ gelegenheit reichsgesetzlich zu regeln. Für die Leichenschau würde man eine hinreichende Zahl vorgebildeter Personen brauchen, die man 33 ohne schwere Koften, besonders auf dem Lande, würde erbalten önnen.
Abg. Dr. Langerhans bestreitet, daß die obligatorische Leichen schau aus Mangel an Personal undurchführbar selz in jedem Dorfe das nzcht ge Hersongl. Auch bei Jalaffung der fakultativen Feuer. , könnten die Kirchhöfe einen ästhetisch wohlthuenden Eindruck machen.
Abg. Eh lers (fr. Vgg.) stimmt ebenso entschieden für den Antrag, wie er gegen ihn stimmen würde, wenn er auf die obligatorische Feuerbestatkung hinauliese. Das Gefühl beider Parteien müsse ge acktet werden. Ez zwinge niemand Herrn Schall, sich verbrennen zu lassen, er könne sich begraben lassen. Herr Schall wolle nur die gött= liche Einwirkung zur Vergichtung des Leibes. Was sei für ein Unter schied., ob der Körper durch Feuer vernichtet oder von Würmern erfressen werde? Christliches Gefühl, dürfe man niemandem bsprechen. wenn er für die Feuerbestattung sei. Wie müsse es nicht das Gefühl der Angehörigen verletzen, wenn ein Verstorbener auf nen Wunsch verbrannt werde, dies aber gewissermaßen als ein Ver chen hingestellt werde. Das Erscheinen im Talar sei den Geist⸗ den verboten., Ein durchschlagender Grund gegen, die fakultative Fer k ö ,. M 8. werden; die Gründe gen dieselhe seien sadenscheinig. er aa Bü
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Jöͤg. Dr. Irmer bestreitet überhaupt ein solches Recht, daß
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Kirchenkonferenz habe es den Geistlichen verwehrt, den Angehörigen
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