1900 / 49 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 23 Feb 1900 18:00:01 GMT) scan diff

, n

s.

. . . ,

2 ; , * ö = 2 r . x P . = 2

ü

ee e, g m . er, ,.

kommen lassen.

Deutscher Reichstag. 162. Sitzung vom 22. Februar 1900, 1 Uhr.

Tagesordnung: Reichshaushalts⸗Etats für 1960 bei den Spezial⸗ Ttats für di Verwaltung des Reichsheeres und für das Reich s⸗-Militärgericht. ;

In diesem Etat sind von der Budget kommission folgende Resolutionen vorgeschlagen:

1) Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß den Soldaten keinerlei Vorschrift darüber gegeben wird, in Ewelche? Sprache sie beichten sollen, und daß keinerlei Unter⸗ fuchung darüber stattfindet, in welcher Sprache sie beichten.

2) Den Herrn Reichskanzler zu erfuchen, darauf hinzuwirken, e bie Stabohobolsten in die Servisklasse der Feldwebel versetzt werden.

3) Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, derselbe solle in Er⸗ wägung zieben, ob sich nicht im Interesse der Aufrechterhaltung der Zucht von geeigneten Remontepferden eine Erhöhung der Remonteankaufpreise empfiehlt.

Referenten sind die Abgg. Graf von Ro on (d. kons) und Br. Bachem (Zentr. ). Die Berathung beginnt mit dem ersten Kapitel der fortdauernden Ausgaben „Kriege⸗ Ministerium“, Titel 1: „Der Kriegs⸗-Minister: 36 000

Abg. Bebel (Soz) führt aus: Er habe bei diesem Titel seit Jahren eine Reihe von Beschwerden und Klagen vorgetragen, welche draußen in der Oeffentlichkeit nicht in geeigneter Weise jur Sprache gebracht werden könnten und von der Presse der anderen Parteien äberhaupt nicht zur Sprache gebracht würden, Auch heute sei er in diefer Lage. Zunächst müsse er auf den Fall des Reservisten Kriese in Elbing zurückkommen, der als. Zeuge auf die Frage, ob er Sonꝛlaldemokrat sei, geantwortet hätte: „In Zivil ja! und im militärgerichtlichen Verfahren zu 14 Tagen Gefängniß ver— urtheilt worden sei. Diese Bestrafung für eine unter dem Zeugeneide erfolgte Beantwortung einer Frage des Richters erscheine ihm (Redner) als eine ungefetzliche Handlung. Er frage heute die Militäroerwaltung, ob sie sich ein Urtheil in der Sache auf Grund der Akten nunmehr gebildet habe. Im vorigen Herbst sei ferner in Halle eine Prügelei borgekommen, bei welcher der Oberleutnant der Reserve Hochheim seinem Gegner unterlag; auf seine Bitte sei er von diesem freigelassen, habe dann aber sofort „zur Rettung seiner Ehre“ feine Arbeiter herbeirufen und ven diesen den Gegner, den Gutsbesitzer Petzold, derart mißhandeln lassen, daß er besinnungs. los liegen geblieben sei. Das Landgericht in Halle habe den Oberleutnant mit sechs Monaten. Gefaͤngniß bestraft; einige seiner Arbeiter seien ebenfalls verurtheilt worden. In Rücksicht auf ben Stand des Leutnants und die Härte anderweiter Bestrafungen wegen weit milderer Excesse liege hier eine außerordentlich leichte Bestrafung vor. Redner fragt, ob der betreffende Reserve Ober seutnant in seinem Militärverhältniß geblieben sei. Ein weiterer Vorfall habe fich in Wittenberg abgespielt. Im April 1899 hätten z vei Berliner Reservisten beim 20. Regiment sich auf Uebung befunden und seien dort von einem Leutnant, dessen Namen er (Redner) dem Kriegs⸗Minister genannt habe, mit Worten beschimpft worden. In Spandau habe ein Wacktmeister die Leute seiner Kompagnie über Stunde lang stramm steben lassen und ihnen dabei Reden gebalten wie folgende: „Es wundert mich, daß Sie sich nicht schon längst aufgehängt haben; zeigen Sie, daß Sie Courage haben; hängen Sie sich heute Abend auf, dann sind Sie morgen früh todt!“ Dabei habe er eine Bewegung nach seiner Tasche gemacht, als wenn er dem Mann ein Geldstück geben wollte, damit er sich einen Strick kaufe. Die AUnter⸗ fuchung gegen den Wachtmeister habe kein Resultat er⸗ gebe well eine Anzahl Unteroffiziere als Zeugen bekundet,

n daß sie nichts davon gehört hätten. In Metz seien in vierzehn Tagen

nicht weniger als vier Selbstmorde vorgekommen. Sehr viel ließen in diesen Fällen oft die Aussagen der Militärärzte zu wünschen übrig. So werde in einem Falle der Betreffende als an Lungenentzündung gestorben bezeichnet; von dieser Lungenentzündung sei vorher nicht das Mindeste bekannt geworden. Bei der 10. Kompagnie des Infanterie⸗

Regiments Nr. 41 in Thorn habe sich ein Leutnant im Oktober

13535 eine Reihe schlimmster Mißhandlungen zu Schulden Aebnliches sei ihm (Redner) mitgetheilt worden von dem in Oschatz garnisonierenden Ulanen,. Regiment; ein Ulan sei infolge der erlittenen Mißbandlungen angeblich an Gehirnentzündung erkrankt. Auch hierüber erwarte er Aufschluß von dem , ,, Rebner führt noch eine großze Anzahl weiterer Fälle an. Ein Soldat, rer als Maler in seiner 1jährigen Dieastzeit entgegen seinen Dienst⸗ verpflichtungen mit Malerarbeiten beschäftigt worden, sei dabei zu Tode gekommen; dem Vater des selben sei aber vom Regiment die⸗ jenige Entschädigung, welche er nach Lage der Sache fordern zu können fich berechtigt glaubte, verweigert worden. Es würden ja ũberbaupt mißbrãuchlicher Weise die Mannschaften, welche Gärtner, Maler, Tischler u. . w. wären, im Dlenste zu Arbeiten die in ihr Fach schlügen, herangezogen; namentlich werde dieser Mißbrauch von den Vorge⸗ setzten betrieben. Die Heranziehung der Soldaten zu diesen Arbeiten, vis mit der Ausbildung zur Waffenfähigkeit nicht das geringste zu thun baben, sei ungesetzlich. Zu solchen Leistungen sei die Armee nicht da. Auch im Punkte der Sffinterduelle stebe man guf dem alten Fleck. Die äußeren Formen seien noch heute bei dem Offiziet⸗Korps das Enfscheidende. Wenn ein Offixer eine Handlung begebe, die zu einer Forderung führe, so repariere er, wenn er im Duell ob⸗ siege, seine Ehre vollständig., und seine Unthat selbst werde von der Gesellschaft, die sich diesem Ehrenkoder unterwerfe, ignoriert. 3. B. geht Redner ausführlich auf den Fall Klöpekorn.- Döring in Koblenz ein, in welchem die obersten Militärbehötden die Duell bedingungen, die außerordentlich bart gewesen seien, und denen KRlöpekorn zum Opfer gefallen sei, au-drücklich gebilligt hätten. Döring sei ju zwei Jahren Festung verurtheilt und nach sechs Monaten begnadigt worden und tiage nun als Ehrenmann die Uniform weiter, während schon sein Verhalten bei dem Tan, der zu der Herausforderung führte, zu seiner Ausstohung aus dem Heere hätt? führen müssen. Im Laufe des letzten Jahres hätten noch eine ganje Reihe Duelle stattgefunden. Eines dieser Duelle habe am ersten Weihnachisfelertag. dem höchsten Feiertag der Christenhelt, start⸗ gefunden, und gefallen sei ein unschuldiger Leutnant, den sein Major gefordert habe. In München babe ein Vorfall Aufsehen erregt, weil kei dem Begräbniß eines im Duell gefallenen Offiziers der Geistliche in der Grabrede Bemerkungen gemacht habe, welche nicht cben güͤnstig für den Duellbrauch geklungen bätten. Der Regiments Kommandeur habe danach das Wort ergriffen und dem Gefallenen unter einer Lobrede auf das Duell ein Lebewohl nachgerufen. Hätte solcher Vorfall am Grabe eines Sorialdemokraten sich abgespielt, so wäre unbedingt eine Anklage aus S 167 des Strafgesetzbuchs die Folge gewesen. Ver beftechende Widerspruch sei unhaltbar, wenn Leute aus hervor- ragendem Stande mit Bewußtscin das Gesetz verletzten und Sirafen dafür erlitten, welche keine Strafen seien. In der Sitzung vom 2. März 18989 hake er (Redner) auf die Tbeil. nabine der Offiziere am „Klub der Harmlosen? und am Spiel dafelbst hingewiesen, wodurch dieselben sich direkt in Widerspruch mit einer Kaiserlichen Verordnung gesetzt hätten. Damalẽ habe der Kriegs. Minister erwidert, aktive Offiziere seien nicht betheiligt, und Herr don Tiedemann habe dies betätigt. Der Projeß, der inzwischen statt⸗ gefunden habe, habe ein Sittenbild von unserer Zeiten Schande gereiat, gezeigt wie die Gesellschaft sei, zu der auch die Dfftsiere zu Dutzenden zäblten. Der Erbprinz von Thurn und Taxis, der Erbprinz von Coburg, die oberste Elite der Adels. und FüEürstlichen Familien habe in diesem . eine traurige Berühmtheit erlangt. Die Ursachen für diese

nschauungen lägen auf der Hand; sie seien begründet in der Vor⸗ bildung des Ojfizierkorps, in der Hervorhebung desselben über jeden anderen Stand, in dem Gedanken des Herrenthums, des Nietzsche' schen

ortsetzung der zweiten Berathung des

Uebermenschenthums, in dem es systematisch bestärkt werde. Auf die Grgeb nisse dieser Erziehung müsse daher oͤffentlich hingewiesen werden.

Kriegs⸗Minister, General der Infanterie von Goßler:

Ich hatte die Hoffnung gehabt, daß der Herr Abg. Bebel dies

mal seine Ctatsrede über Mißbandlungen nicht halten würde; denn ich glaube, er kann sich dem Eindruck nicht entziehen, daß diejenigen Thatsachen, die er hier in früheren Jahren vorgebracht hat, doch nicht von der Bedeutung gewesen sind, die er ihnen beilegt, und auch aus dem hohen Hause selbst ist ihm schon entgegengehalten worden, daß gerichtlichö Untersuchungen, wenn man den Thatbestand wirklich klarlegen will, in wenigen Worten nicht abzjumachen sind. Diese Hoffnung hat sich jedoch nicht bewahrheitet; denn am Dienstag hat er mir einen Zettel zukommen lassen, nach welchem er beabsichtige, etwa zehn verschiedene Details biet zur Sprache zu bringen. Ich babe mich bemüht, das Material zu beschaffen, es ist mir dieses jedoch nicht im vollen Umfang gelungen, da in einzelnen Fällen die Zeit fehlte, die Akten ꝛc. rechtzeitig berbeizuschaffen. Ich kann daher nur auf die Falle eingehen, über die ich die Beläge erhalten habe.

Wenn sich der Herr Abgeordnete Bebel für verpflichtet hält, hier stets Beschwerden über die Armee vorzubringen, weil über den Vor gängen der Armee, wie er es nennt, ein gebeimnißvoller Schleier läge, so, glaube ich, verkennt er seine Aufgabe. Wir haben durchaus keine Veranlassung, einen Schleier über das ju breiten, waz in der Armee geschieht; im Ge jentheil, wir sind jederzeit in der Lage nnd bereit, vor aller Welt offen und ehrlich zu erklären, was in derselben geschleht. Daß in einer so gro ßen Organisation auch Mängel vorhanden sind, kann niemand wundern. Dag liegt ganz abgesehen von der großen Anjahl in den ver—⸗ schledenen Temperamenten und den Leidenschaften der Menschen, sodaß aus diesem Grunde immer Fälle vorkommen werden, in denen man gezwungen wird, einiuschreiten. Ich hoffe, die Verhandlungen, welche hier von Jahr zu Jahr geführt worden sind, werden das bohe Haus davon überzengt haben, daß mit der größten Schärfe und Strenge da eingeschritten wird, wo es nöthig ist. Unser Allerböchster Kriegsherr hält auf das strengste auf eine solche Behandlung der Leute, daß jeder mit Freuden Soldat wird.

Ich halte mich nun bei der Besprechung der einzelnen Fälle an die Reihenfolge, die der Herr Abg. Bebel in seiner Rede gewählt hat. Da ist zunächst der Fall Kriese. In diesem handelt es sich um keine Mißhandlung, sondern um die Bestrafang eines Reservisten. Ich war im vorigen Jahre nicht in der Lage, die Akten aus Marien⸗ burg zur Stelle zu schaffen. Injwischen ist dieses geschehen, und bin ich in der Beurtheilung des Falles zu folgendem Ergebniß gekommen. Der Vorfall, der der Verhandlung iu Grunde lag, war so, daß sonal⸗ demokratische Agitatoren, zu denen a uch Kriese gehörte, auf das Land ge⸗ gangen waren, um ihre Ansichten in den Dörfern zu verbreiten, Flug. blätter auszutheilen u. s. w., und daß die Bauern, die auf eine der ˖ artige Agitation nicht eingehen wollten, die Betreffenden aus dem Dorfe hinauswarfen. Hierbei mag es ju Ausschreitungen gekommen sein. Kurzum, es wurde von einem der Vertriebenen hieraus Ver- anlassung genommen, eine Klage anzustrengen, bei der Kriese als Zeuge vor das Schöffengericht Marienburg geladen wurde. Er diente damals gerade als Sanitäͤtsgefreiter in Danzig. Die Militärbehörde beurlaubte ihn zum Termin, und es ist richtig, daß Kriese, bevor er seine Aussage machte, vereidigt wurde und die Frage, ob er Sozialdemokrat sei, ihm vorgelegt worden ist, nach⸗ dem die Vereidigung stattgefunden hatte. Die Frage beantwortete Kriese mit: „Im Zwil ja!“ Der Militärbehörde war dieser Vor⸗ gang zunächst garnicht bekannt geworden, erst als in einer sozial⸗ demokratischen Königsberger Zeitung ein sehr empfehlender Aufsatz über denselben erschien, in dem gewissermaßen die Lehre ertheilt wurde, wie man milltärischen Anordnungen, die in Betreff der So ialde mokratie getroffen seien, aus dem Wege gehen könnte, erhielt sie von diesen Einzelheiten Kenntniß, und der kommandierende Ge neral mußte nun erwägen, was einem derartigen Verhalten gegen⸗ äber, welches doch als rein provokatorisch zu betrachten war, ge⸗ schehen sollte. Er hat, wie das in der Natur der Sache lag, seinen juristischen Beirath befragt, und dieser hat ihn dahin berathen, daß unzweifelhaft eine Verletzung desjenigen Verbots vorläge, nach welchem sozialdemokratische Aeußerungen und Kundgebungen in der Armee verboten sind. (Hört! Hört! und Zurufe bei den Sozial⸗ demolraten) Ich möchte den Heirn bitten, mich aussprechen zu lassen. Es handelt sich nicht um einen Meineid, sondern nur darum, ob der betreffende Zeuge berechtigt war, die Antwort auf diese Frage abzulehnen, und das konnte er; denn es giebt eine Bestimmung der Strafprozeßordnung, nach welcher die Beantwortung einer Frage abgelehnt werden kann,

wenn eine strafrechtliche Verfolgung die Folge daron sein könnte.

Wenn der Mann seiner einfachen militärischen Pflicht folgte und die Beantwortung dieser Frage ablehnte, so folgte er seiner Instruktion, und es konnte ihm absolut nichts geschehen. Denn der voꝛsitzende Richter batte über den zur Zeit im aktiven Dienst befindlichen Soldaten keine Strafgewalt. Er hätte sich vielmehr an die Militärbehörde wenden und ihr den Vorfall mittheilen müssen. Daß selbstoerständlich die Militärbehörde dem Soldaten dann Recht gegeben hätte, unterliegt für mich keinem Zweifel. Ich kann alfo dem kommandierenden General nur Recht geben, daß er auf die Durchführung einer Allerböchst gegebenen In⸗ struktion unbedingt hält und von dem aktiven Soldaten verlangt, daß, wenn eine Frage an ihn gerichtet wird, welche dieser Instrultion widerspricht, er die Antwort verweigert. Von seiten des komman⸗ dierenden Generals ist auch eingehend hierüber an Seine Majestät berichtet worden. Ich kann nur wiederholen, ich habe nicht gefunden, daß den juristischen Ausführungen, die das General · KWommando ge⸗ leitet haben, in der Weise widersprochen werden könnte, um die Strafe von 14 Tagen Arrest aufzuheben. Ich für meine Person stimme dem kommandierenden General, wie gesagt, in seinen Anord⸗ nungen vollständig zu.

Der Herr Abg. Bebel ist dann auf den Fall Hochheim über⸗ gegangen, der Landwirth und Oberleutnant der Reserve ist, wie der Herr Abgeordnete besonders betonte. Ich babe nicht gefunden, daß bei der ganzen Angelegenheit dieser Umstand besonders in Frage käme. Es handelt sich einfach um einen Streit auf dem Gebiete der Land⸗ wirthschaft, der auf dem Felde stattfand. Gegen Hochheim konnte bieher militärischerseits nicht vorgegangen werden, weil gegen das Urtheil des Zivilgerichts Berufung eingelegt worden ist, und ehren⸗ gerichtlich eist eingeschritten werden kann, wenn das Verfahren end⸗

gültig seinen Abschluß gefunden hat. Daß gegen den Genannten ein. geschritten werden wird, das unterliegt naturlich keinem Zweisel. Die Offiziere des Infanterie⸗ Regiments Nr. 20, die sich in Wittenberg vergangen haben sollten, sind namenlos geblieben. Ich möchte die Namen gleichfalls nicht nennen, und jwar um so weniger

als ich keine Kenntniß der Vorgänge habe und daher zunächft

bezweifle, daß sich die Sache so zugetragen hat, wie sie dem Herrn Abg. Bebel von anderer Seite mitgetheilt worden ist. Würde er mir die Brlefe, die er bekommen hat, anvertrauen so bin ich bereit, dem General Kommando anheimʒustellen die Verfolgung der Sache aufzunehmen. Wenn der Herr Abg. Bebel aber aus dem Vorgang geschlossen hat, daß es in der Armee gewissermaßen Sitte geworden sei, daß die aͤlteren Mannschaften die jüngeren schlecht behandeln, so habe ich mich darüber im vorigen Jahre schon verbreitet. Ez ist das eine Erscheinung der zweijährigen Dienstjeit. (Bewegung links.) Da der dritte Jahrgang fehlt, stehen sich die beiden Jahrgänge thatsächlich wie zwei Schul. klassen gegenüber, wo die älteren Schüler gegen die sängeren sich Austschreitungen erlauben. Daß das von oben befördert wird, wird meinerseits nicht angenommen; ich kann es nicht glauben, und wenn mir nicht Beweise dafür beschafft werden, lehne ich es ab, dieser Sache näherzutreten. .

Ich bin auch nicht orientiert über den Fall Knauf. Auch da sind mir die Akten noch nicht zugegangen. Es ist das derje nige Train— wachtmeister, welcher in Spandau jeden Abend Appell abgehalten haben und einem Manne gerathen haben soll, sich aufjuh ängen. Die Sache klingt an sich so unwahrscheinlich, daß ich, ohne das Material zu haben, hierzu nicht Stellung nehmen kann. Jedenfalls ist die Be⸗ hauptung des Herrn Abg. Bebel, daß Zeugen vernommen sein sollen, die nichts gesehen haben, während Zeugen, die etwas hätten autsagen ksnnen, nicht vernommen worden wären, wenig wahrscheinlich. Da kennt er unser Gerichtsgverfahren doch außerordentlich schlecht! Es ist einfach unmöglich, daß ein derartiger Zustand geduldet würde.

Der nächste Fall betrifft einen gewissen Winkels in Metz. Nach den Ausführungen des Herrn Bebel soll der Mann infolge von Miß— handlungen gestorben sein. In diesem Falle liegen mir die Akten vor. Eg ist richtig, daß der Musketier Winkels, der als schlechter Schütze mit anderen zusammen nachzielen sollte, bei dem Nachzielen auch Gewehrübungen machen mußte. Nicht richtig ist aber, daß er hierbei besonders angestrengt worden wäre; denn schon bei diesen Ziel⸗ und Gewehrübungen hat sich ergeben, daß er ein Geschwür unter dem linken Arm hatte. Bei der Krankmeldung des Mannes stellte sich heraus, daß er an einer Vereiterung der Drüsen unter der linken Achselhöhle und an Lungenentzündung litt, beides tiefgehende Leiden, die mit den Ziel- und Gewehrübungen in keinem Zusammenhang standen. Infolge der sofort eingeleiteten kriegs gerichtlichen Untersuchung ift übrigens der Unteroffinter, der die Gemeinen die Gewehrübungen hat ausführen lassen, obwohl nur Zlel⸗˖ übungen angeordnet waren, bestraft worden, ebenso der Vorgesetzte, der die Aufsicht führte, und endlich auch noch der Feldwebel, weil nach Ansicht des Kriegsgerichts der betreffende Musketier Winkels einen Tag zu spät ins Lazareth gekommen ist, was man dem Feld— webel zum Vorwurf gemacht hat. Daß eine Mißhandlung vorge⸗ kommen sein sollte, ist aus den kriegsgerichtlichen Akten in keiner Weise zu ersehen.

Weitere vom Herrn Abg. Bebel noch angeführte Fälle sind um so schwieriger zu beurtheilen, als nicht angegeben worden ist, wo, daß heißt, bei welchem Truppentheil sie stattgefunden haben. Er hat Sergeanten erwähnt, die schlechte Schützen beim Schießen geprügelt haben. Ich halte das für eine so schlechte Vorbereitung zum Schießen, daß ich die Sache eigentlich mehr als einen schlechten Scherz be— trachten möchte, da doch stets Aufsicht beim scharfen Schießen statt⸗ findet.

Auch über den Vorgang beim Regiment Nr. 21 in Thorn sind nähere Details nicht angegeben worden. Will er mir die Anzeige über⸗ mitteln, so bin ich bereit, sie der zuständigen Stelle zuzusenden.

Der Gedanke, daß die Selbstmorde in der Armee infolge schlechter Behandlung wesentlich zugenommen hätten, ift nicht richtig. Die Selbstmorde verringern sich, Gott sei Dank, forlwährend und betragen jetzt ungefähr die Hälfte nach der Prozentzahl im Jahre 1891, näm⸗ lich drei auf 10 000 Köpfe, während es 1891 noch 5,33 waren. (Hört! hört! rechts.)

Im Falle des Mußketiers Roehl, der beim Weißen der Kasernt verunglückte, ist der Abg. Bebel viel zu weit gegangen, wenn er an⸗ genommen hat, daß er während seiner Dienstjeit dauernd mit Arbeiten seines Berufs beschäftigt worden wäre. Es handelt sich bier lediglich um das Ausweihen der Kaserne; ein solches findet alle drei Jahre einmal statt Es ist namlich den Truppentheilen gestattet, zur Vereinfachung der Ver⸗ waltung, zur Erzielung von Ersparnissen, die dann zum Besten der Soldaten perwendet werden sollen, das Weißen der Kasernen durch Mann⸗ schaften ausführen zu lassen. Eigene Utensilien hat der Mann nicht zu verwenden brauchen, er hat sich aber, trotzdem ihm dieselben gestell worden sind, von seinem Arbeitsgeräth, an das er gewöhnt war, duich seine Eltern verschiedene Stücke schicken lassen. Leider ist Roehl dann bei der Arbeit von einem Gerüst, das er sich in verbotener Weise unvorsichtig zusammengestellt hatte, gefallen und hierber verunglũck · Ein Verschulden ist niemandem beizumessen.

In einem selchen Falle würden übrigens die Bestimmungen del Invalidengesetzes in Kraft ju treten haben, da es sich um elne Rommandierung zu dienstlichen Zwecken handelte. Wenn der Vater darüber Klage geführt bat, daß er zu wenig Geld bekommen habe, so möchte ich nur erwähnen, daß das Regiment thatsäͤchlich den Trantport der Leiche nach Berlin, den Zinksarg und die Kosten der Verbringung der Leiche vom Bahnhof nach dem Friedhof in Höhe von 60 kestritten hat, während der Vater Reehl 156 20 0 fordert. Dieses ist die Differenz. Das Regiment hatte es abgelehnt, den Rest von 96,210 MS zu zablen, weil es glaubte, daß Lie gezahlten Betrage dem thatsächlichen Bedürfnisse entsprächen.

Nun komme ich jum Fall Koch. Der Herr Vorredner bat die Behauptung ausgesprochen, daß dieser Mann von seinen Kameraden mißhandelt worden wäre, weil er als Gärtner von seinen Vorgesetzten begünfligt wurde. Dies geht aus den Akten nicht hervor. Der Streit hat sich vielmehr darum gedreht, wer den Korridor fegen müßte. Die Leute, die aus diesem Anlaß den Koch mißhandelt haben, sind, entsprechend der bei dem Vorgang ju Tag getretenen Rohheit, sehr strenge bestraft worden, und jwar der Anstifter, ein gewisser Bonhoff, der ror dem Eintritt schen eine Gefängnißstrafe von 18 Monaten wegen Vornahme unzũchtiget

Handlungen mlt Personen unter 14 Jahren erlitten hatte und nach dem Dienstantritt wegen Unterschlagung gegenüber einem Kameraden mit 14 Tagen Arrest und Versetzung in die jweite Klasse des Sol datenstandes bestraft worden war, mit 1 Jahr Gefängniß wegen Näöthigung und gefährlicher Körperverletzung, der Andere, der sich von Bonhoff hatte verleiten lassen, mit 8 Monaten Gefängniß.

Daß in Rostock Soldaten als Wärter für eine Hunde ˖ Ausstellung gestellt worden wären, ist mir unbekannt; ich bezweifle es übrigens, stehe aber nicht an, zu erklären, daß ich eine derartige Verwendung als durchaus dienstwidrig erachten und bereit sein würde, das Ent— sprechende zu veranlassen.

Der Vorgang in Göttingen, wo beim Bundes. Sängerfest elnige Soldaten Kellnerdienste verrichtet haben sollen, ist zutreffend. Als nämlich das Festdiner spät Abends stattfinden sollte, strikten vlötzlich die Kellner. Der Festausschuß hatte ihnen 6 K für den Abend ge⸗ boten, fie forderten aber 750 oder 10 4 und datz Einkassieren von Trinkgeldern von den Gästen. Infolge dessen trat eine große Ver⸗ legenheit ein, sodaß sich das dortige Regiment bereit finden ließ, 30 Mann zu stellen, die am Abend des zweiten Festtages das Essen zugetragen haben. In das Festzelt sind sie nicht hineingekommen, sie haben vielmehr nur Aushilfedienfte verrichtet. Dem Regiment ist spãter bemerklich gemacht worden, daß das Verfahren unberechtigt sei.

Der Herr Abgeordnete ist dann auf die Duelle übergegangen und bat in den hierüber bestehenden Bestimmungen einen Widerspruch ge funden gegenüber der Strafgesetzgebung. Ich habe schon früher erwähnt, daß die Einführung der Verordnung über die Ehren gerichte auf der Reichs.Berfassung beruht, daß also auch bei Stlftung des Deutschen Reichs die Verordnung über die Ehrengerichte, die der Herr Abg. Bebel hier angegriffen hat, eine grundlegende Bestimmung für das Deutsche Reich ge⸗ worden ist, und daß nach dieser Verordnung bis heute ver⸗ fahren wird, mit dem Unterschiede, daß die Bestimmungen, zur Vermeidung des Duells inmwischen wesentlich schärfer ge⸗ worden sind. Die Duelle haben denn auch thatsächlich abgenommen. So haben im Jahre 1899 nur 4 Duelle zwischen aktiven Offizieren stattgefunden. Außerdem waren noch in 3 anderen Fällen aktive Offiniere an solchen betheiligt, und zwar in 2 Fallen gegen Zivil- personen, in einem gegen einen Offizier einer fremden Armee. Ich meine denn doch, wenn im Ganzen nur 4 Duelle zwischen Offizieren porgekommen sind, so ist das ein Zeichen, daß die Allerhöchsten Ver⸗ ordnungen befolgt werden und eine gute Wirkung äußern.

Wenn der Herr Abg. Bebel den Offinieren das Ehrgefühl

absprechen will und in dieser Hinsicht behauptet, daß ein militärisches Ehrgefühl nicht bestände, so kann ich das nur aus seiner vollständigen Unkenntniß der militärischen Verhältnisse erklären. (Sehr richtig l) Mit einem Offitzierkorps ohne Ehrgefühl wäre überhaupt nichts zu machen; es wäre dann besser, es exlstierte überhaupt nicht. Wenn ferner der Herr Abg. Bebel uns die Burenoffiziere zum Muster aufstellt, so bin ich weit entfernt, gegen die Burenofftzere irgend etwas Nachtheiliges zu äußern; ich möchte aber Herin Bebel doch nicht rathen, einen Burenoffizier zu ohrfeigen, der würde einfach den Revolver nehmen und ihn niederschießen. (Heiterkeit; Die Zwei kämpfe sind bistorisch daraus zu erklären, daß man aus einfachen Konflikten entstehenden Todtschlag vermeiden wollte, sie beruhen auf alten Ueberlieferungen der Gerichte und Kirchen. Um, wie gesagt, zu vermeiden, daß sofort zu Dolch oder Pistole gegriffen werde, hat man die Zweikämpfe als mildere Form anstatt der auf der Stelle geübten Rache eingefübrt. Ich kann nur daber bleiben, was ich immer gesagt habe: die Menschen sollten die nöthige Rücksicht gegen einander nehmen und die der einzelnen Persönlichkeit gezogenen Schranken beobachten, dann korrigiert sich das von selbst.

Auf das Duell Klövekorn - Döring brauche ich als bekannt nicht näber einzugehen. Ich meine aber, wenn man geohrfeigt wird, so ist das eine solche Beleidigung, daß ich nicht weiß, wie man aus einer derartigen Situatlon anders herauskommen soll, als daß man sein Leben fär seine Ehre einsetzt. (Bravo! rechts. Zurufe links.)

Wenn Herr Bebel sagt, der Leutnant Doͤring babe unehrenhaft gebandelt, indem er das Duell fortsetzte, obgleich Klövekorn so gut wie lampfunfähig war, so ist das unrichtig. Die Verwundung war ganz leicht, ein ganz leichter Streifschuß am rechten Unterschenkel, der der Kampffähigkeit keinen Eintrag that.

Ueber das Potsdamer Duell brauche ich mich nicht weiter aus⸗ zulassen. Ein Streit zwischen jwei Fähnrichen, der mit Schlägern ausgetragen wird, ist kein Duell. (Sehr gut! rechts.)

Der Vorwurf des Herrn Bebel gegen die Armee, ihre Ehr⸗ begriffe seien nicht richtig, ist von ihm nicht jzu rechtfertigen. Wenn er sein eigenes Buch ‚Der Sonalismus und die Frau“ zur Hand nimmt, so wind er sich überzeugen, daß er von der Ehre garnichts hält (große Heiterkeit rechts), nach ihm soll ja das Geschlechtsleben hier auf Erden gaaz frei, die Ehe das größte Unrecht sein, welches ein Mensch begehen kann. (Ach! bei den Sozialdemokraten.) Wenn Herr Bebel etwa darauf eingehen wollte ich bin sehr berelt, zu antworten. (Zurufe links.) Ich glaube, Herr Bebel ist am wenigsten berechtigt, der Armee in dleser Beziehung irgend welche Vorwürfe zu machen.

Wag die noch in den Kreis der Erörterung gezogene Beerdigung in München anlangt, so war das Gefühl, welches die Zuhörenden beseelte, insofern ein richtiges, als man einem Todten nicht gern noch Vorwürfe macht; am Sarge vergißt man gern, was der Betreffende im Leben gethan. Aus diesem Gefühl hat der betreffende Offizier gesprochen. Wenn er dabei über die Grenzen hinausgegangen ist, so ist das rektifiziert worden.

Endlich ist der Herr Vorredner auf den Klub der Harmlosen ge⸗ kommen. Er hat mir aus meiner vorjährigen Bemerkung, aktive Offiziere seien hierbei nicht betheiligt, den Vorwurf gemacht, ich wäre über den Klub nicht orlentiert. Nun, das ist doch sehr einfach; ich pflege nicht anzuklagen, ehe ich nicht sicher informiert bin, nenne keine Namen, wenn ich nicht für das, was ich sage, eintreten kann. (Sehr gut! rechts) Daß ich fär meine Person diesem Klub nicht angehöre und so auch nicht weiß, wer ihm angehört, versteht sich von selbst. Ich warte also ruhig das Resultat der Untersuchung ab und bin aus diesem Anlaß in keiner Weise bereit, den Ausspruch des Herrn Bebel etwa ruhig hinzunehmen, daß wir den Mantel der christ⸗ lichen Liebe darüber decken und die Sache vertuschen wollten. Ich glaube, mit einer größeren Schärfe als in diesem Prozeß ist niemals von oben eingegriffen worden. Ich bin in Berlin relativ bekannt, ich kenne aber die Reihe von vornehmen Familien nicht, die am Klub der Harmlosen! betheiligt sind. Daß die vornehme Gesellschaft, wenn ich es so nennen

darf, in derartigen Lokalen verkehrt, ist ein Irrihum, den ich von Herrn Bebel nicht begreife. Er hat behauptet, die ganze vornehme Welt von Berlin wäre durch diesen Prozeß in Mitleidenschaft ge⸗ zogen. Diesen Eindruck habe ich nicht. Es handelt sich hier um leichtsinnige Leute, die bestraft worden und aus der Armee aus⸗ geschieden sind.

Die Schätzung der geistigen Thätigkeit unserer Offijiere ift nach dem Herra Vorredner eine sehr geringe; er spricht von einer geistigen Dede in den Kasernen. Auch da kann ich nur sagen, er kennt unseren Dienst nicht. Daß von unseren Offtnieren geistig viel verlangt wird, daß die Anforderungen sich alle Jahre steigern, ist für den, der den Dienst und die Armee kennt, ganz umweifelhaft. Der Rath, unsere Offiziere so ju erziehen, daß man sie mit den Versuchungen der Großstadt sehr bald bekannt macht, ist pädagogisch nicht zu rechtfertigen. Wir können unsere Offiziere nur so erziehen, daß sie die nöthige Charakterstärke erlangen, und wenn sie die besitzen, können sie sich ja den Versuchungen aussetzen. Wir haben einen ganz anderen Schluß aus jenen Vorfällen ge⸗ zogen und sind Seiner Majestät hierfür sehr daakbar wir schließen daraus, daß wir die Bildung der Offiziere erhöhen, den Unterricht in den Kadettenanstalten noch auf eine höhere Stufe bringen und möglichst die Aaforderungen im Offijterzexamen so stellen müssen, daß wir charakterfeste Leute bekommen. Dann bietet man der Armee viel mehr, als wenn man ihr die Erziehungsprinzipien des Herrn Bebel auferlegen will. Den Eindruck, daß es in der Armee Uebermenschen gebe, habe ich nie gehabt. Das mag in anderen Ständen der Fall sein. Daß aber ein Mann, der die Uniform anzieht, sich als Uebermensch be⸗ trachtet, beruht lediglich in der Phantasie.

Ich bleibe dabei, sämmtliche Fälle, die Herr Abgeordneter Bebel in seiner langen Rede angeführt hat, sind von keiner großen Be⸗ deutung gewesen. (Sehr richtig! rechts) Es ist schwer, genügendes Material zu sammeln, um eine so lange Rede ihrem Inhalte nach auszufüllen. Beifall rechts.)

Sächsischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Major Krug von Ridda:; Ueber den aus Oschatz eiwähnten Fall tritt das Krieasgericht erst am 28. d. M. zusammen. Ich bin deshalb nicht in der Lage, schon jetzt eine Mittheilung zu machen, behalte mir das vielmehr für einen späteren Zeitpunkt vor.

Abg. Graßmann Gl) erklärt, er könne sich bezüglich des i Falles den Ausführungen des Kriegs Ministers nicht anschließen.

Abg. Gröber (Zentr.): Ich bin ebenfalls nicht in der Lage, dem Kriegs⸗Minister beipflichten ju können. Hätte der Kriese seine Aussage berweigert, so wäre er wegen verweigerter Aussage ebenso straffällig gewesen. Voriges Jahr hat der Kriegs⸗-Minister noch aus— drücklich erklärt: Wäre der Mann unter Eid genommen worden, so hätte et nicht in Strafe genommen werden können.“ Jetzt ist er ent⸗ gegengefezter Meinung, nachdem er sein richtiges, gutes, nicht durch einen jurlstischen Beirath getrübtes Urtheil hat fälschen lassen. Ich bitte ihn dringend, an seiner früheren, richtigen Anstcht festzuhalten. it ö wird dann die Sache wohl in unserem Sinne er⸗ edigt sein.

Kriegs⸗Minister, General der Infanterie von Goßler:

Ich bin durchaus bereit, immer dem gesunden Menschenverstand Rechnung ju tragen, und denke, daß die Sache dadurch erledigt wird, daß vom 1. Oktober ab ein Reichs⸗Militärgericht bestehen wird, dem die Entscheidung derartiger Fragen, welche die Aus—⸗ legung der Gesetze betreffen, reserviert ist. Bei der Sache ist mir das Eine aber noch sehr zweifelhaft, ob der betreffende Richter berechtigt ist, eine derartige Frage vorzulegen. (Zuruf) Ich bestreite das. Der Richter kann meines Erachtens die politische Gesinnung in dem Augenblick der Verhandlung nicht feststellen wollen, er kann nur feststellen, wie bei der Begehung der betreffenden That die politische Gesinnung des Angeschuldigten gewesen ist. Hätte er diesen Weg verfolgt, so wäre die ganze Sache überhaupt nicht zum Austrag ge⸗ kommen.

Abg. Gröber: Dem gegenüber möchte ich doch das Recht des Richters wahren, nach der politischen Ueberzeugung zu fragen, weil 4 darauf sehr viel hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Zeugen an⸗ ommt. Aba. Dasbach (Zentr.: Aus den Aeußerungen des Kriegs⸗ Ministers über die Duelle geht doch hervor, daß die Verhand- sungen des Reichstages über diese Frage bei ihm nicht die von un' erwartete Wirkung gehabt haben. Im Falle Klöpekorn soll eine nur durch das Duell zu sühnende Beleidigung schwerster Art stattgefunden baben. Hätte der Leutnant auf dem Tanzboden nicht zu dem Wortwechsel Veranlassung gegeben, so wäre ein hoffnungsvolles Leben erhalten geblieben. Und wegen solcher Bagatelle mußten nach der Ansicht des Ehrenraths so schwere Bedingungen vorgeschrieben und eingebalten werden! Auch die Ver wundung genügte nicht zur Reparatur der beleidigten Ehre; es mußte bis zur völligen Kampfunfähigkeit fortgeschossen werden. Das war eine einfache Barbarei, ein Mord, nichts Anderes. Das Ehrgefühl fordert doch, daß man, wenn man einen Fehler begangen bat, das einsiebt und um Entschuldigung bittet. Hier aber wird der Ehrentath mit der Bagatelle befaßt und schreibt Bedingungen vor, welche so schwer sind, daß man die FIntrüstung des Publikums dagegen durch eine Notiz in der Zeitung zu beschwichtigen Veranlassung nahm. Redner seht dann auf weitere Duellfälle ein und erwähnt unter anderen dasjenige des Prinzen von Siam, welches sogar im Beisein der direkten Vorgesetzten in . stattgefunden habe. Dem Duellzwange könnten sich die Offizierg⸗ Aspiranten nicht entziehen; sogar die Gerichte nähmen darauf als auf einen mildernden Umstand Rücksicht. Das werde nicht andert weiden, und nicht früher werde Besserung zu hoffen sein, bis der oberste Kriegsherr das Duell überhaupt verbiete. Wenn Leutnant Döring schon nach einem halben Jahre begnadigt worden sei, so werde damit die Wirkung der Strafe aufgehoben. Der Kriegs ⸗Minister sollte seinen Einfluß bei dem obersten Kriegsherrn dahin aufbieten, diesem eine andere Meinung über das Duellwesen beizubringen. Wenn auch die Zabl der Duelle fich vermindert habe, ein einziger Fall wie der von Koblenj wirke ungeheuer erregend auf daz Volk, da er ihm zeige, daß man im Deutschen Reich einen Mord ungestraft begehen könne, denn das halbe Jahr Festung sei keine Strafe. Die Armee wärde tüchtiger werden, wenn diesem Unfug ein Ende bereitet würde.

Kriegs-Minister, General der Infanterie von Goßler:

Ich kann dem Herrn Vorredner darin nicht Recht geben, daß er die Anlässe zu diesen Duellen, die er beleuchtet hat ich meine namentlich das in Koblenz —, für geringfügig hält. Ich denke, wenn jemand geshrfeigt wird, so ist das keine geringfügige Handlung. (Sehr richtig! rechts.) Wie kann man die Ehre eines Anderen schwerer angreifen, als wenn man ihm ins Gesicht schlägt! Unter Offizieren wäre vielleicht noch ein anderer Ausweg gewesen, obgleich er bei derartigen thaͤtlichen Beleidigungen sehr schwierig ist. Aber bei einem Streit mit einer Zivilperson finde ich bleibt kein anderer Ausweg alg der, welcher gewählt worden ist.

Wenn der Hert Abgeordnete den Studiosus Klövekorn so er—

hoben hat, so kann ich dem nicht zustimmen. Ich habe sehr ein- gehende Berichte darüber bekommen, aber ich möchte davon Abstand nehmen, sie mitzutheilen, weil ich daz Andenken eines Todten nicht herabwürdigen will, was ich sonst thun müßte.

Von den Duellen im Grunewald welß ich nichts. Ich habe in Zeitungen auch davon gelesen, bestätigt haben sich die Nachrichten aber nicht. Was für ein Ministersohn (Zuruf in der Mitte) oder Sohn eines Generals gemeint sein könnte, davon habe ich keine Vor⸗ stellung.

Auch das Duell in Potsdam soll eine geringfügige Ursache gehabt haben. Es handelt sich da ebenfalls um einen thätlichen Angriff, und deshalb ift unter den jungen Leuten, wie es Sitte ift, mit der Waffe, mit der sie ausgebildet werden, dieser Ehren handel ausgetragen worden.

Die Verordnung, die der Herr Abgeordnete vorgelesen hat aus dem Jahre 1713, glaube ich spricht auch von Strafen für das Duell. Weil damals die Strafen überhaupt barbarischer waren, versteht es sich von selbst, daß dementsprechend die Verordnung gestaltet ist. Jedes Duell wird jetzt nach dem Gesetze bestraft; das deutsche Strafgesetzbuch hat dafür ganz bestimmte Strafen. Ich verftehe also die Bejugnahme in dieser Hinsicht nicht ganz.

Was die Begnadigung anbelangt, so ist sie allein Sache Seiner Majestät, und ich werde Seiner Majestät keine Lehren unterbreiten, wie Er Sein Begnadigungsrecht ausüben solle. Im übrigen kann ich nur sagen, daß das Begnadigungsrecht von Seiner Majestät in einem so umfassenden Maße auch gegenüber anderen Personen des Soldatenstandes, z. B. Unteroffizleren und Gemeinen gebraucht wird. Wir können Ihm wiklich nur sehr dankbar sein, daß Er diese gätige Gesinnung im vollen Umfange gegen jeden zum Ausdruck bringt.

Das Duell als Mord zu bezeichnen, ist meines Erachtens, so ju sagen, eine Redengart, denn das Strafgesetzbuch macht jwischen beiden Strafthaten einen Unterschied; und zu empfehlen, in der Leidenschaft einem Anderen das Messer in die Brust zu stoßen, statt unter bestimmten, doch immerhin vorsichtigen Formen die Sache jum Austrag ju bringen, das, meine ich, ist nicht richtig. Man kann unmöglich ein Offijierkorpß oder eine Bevölkerung damit bessern wollen, daß, wenn zwei sich streiten, sie sich das Messer in die Brust rennen sollen. Dann bin ich doch mehr dafür, den Weg zu gehen, den wir gegangen sind, nämlich bei Streitigkeiten zunächft die Sache ruhig ju erwägen, und so, dem Willen Seiner Majestät entsprechend, fast alle Streitigkeiten in Güte zum Ausdruck zu bringen.

Abg. Dasbach: Wenn der Offizier wegen der Beleidigung, die er den andern zugefügt hat, eine Ohrfeige bekommt, so hat er sie einfach verdient. Wenn ein Ehrenrath bestimmt, es muß gekämpft werden bis zur völligen Kampfunfähigkeit, so ist das eine barbarische . es wird ein Mord angeordnet (Vije Präsident Dr. von

rege: Der Redner wird einem deutschen Gericht nachsagen, es unterstũtze Einen Mord. Ich rufe ihn dafür zur Ordnung.) Ich sprach von dem Ehrenrath. (Vize⸗Präsident Dr. von grit fr In diesem Falle vertritt der Ehrenrath das Ehrengericht; ich bleibe bei meiner Er⸗ klärung Bie fortwährenden Begnadigungen müssen das Rechts- bewußtsein erschüttern. Die Gegner sollen sich beide überlegen, ob nicht ein anderer Ausweg gefunden werden kann.

Kriegs-Minister, General der Infanterie von Goßler:

Ich will die Diskussion über die Duellfrage nicht verlängern und möchte nur thatsächlich eine Angabe des Herrn Vorredners berichtigen. Der Ghrenrath in Koblenz hat das Duell nicht festgesetzt, davon kann keine Rede sein, sondern die betreffenden Parteien haben das Duell unter sich vereinbart. Ez ist also nicht richtig, daß, wie er sich ausdrückte, eine Gerichtsbehörde das Duell in dieser Form fest⸗ gesetzt habe.

Abg. Bebel erklärt, er habe dem Kriegs⸗Minister nicht einen Zettel, sendern in aller Form einen Brief geschrieben. Der Brief fange an mit Eure Excellenz. und beobachte alle Formen. Wenn se in einem Falle die Kriegs verwaltung Unrecht gehabt habe, so sel es im Falle Kriese; das ganze Verhalten des Kriegs⸗Ministers zeige, daß er lediglich bemüht sei, seine Verwaltung vor diesem Vor⸗ wurf detz Unrechts zu schützen. In den Fällen, wo er (Redner) die Namen und die Zeugen genannt babe, verlange er Unter⸗ fuchung; durch die Nennung der Truppentheile habe er die . die es angehe, warnen wollen. Den Vater des erwähnten Malers, dabei bleibe er, habe man nicht anständig behandelt. Die Fhrengerichte sollten Streitigkeiten schlichten, aber nicht die Offiziere zwingen, auf ein Duell einzugehen Die Sozialdemokraten bekãmpften über⸗ haupt die Ausnahmestellung, welche die Offiziere im Staat einnehmen wollten. Jeder Andere, und wäre es auch der Reiche kanzler, müßte sich in Beleidigungsftagen dem Gesetz fügen und sich an die ordent⸗ lichen Gerichte wenden. Für die Offiziere sei dies verpönt. Und dieser Zustand sollte in einem Rechtsstaat nicht weiter bestehen. Der Gegner des Leutnants Döring wäre vor einem Zwvil⸗ gericht, weil er provoziert gewesen sei, mit der geringsten Strase be⸗ legt worden. Daß man das Duell eriwungen, sei barbarisch gewesen. Redner kommt dann nochmals auf den Fall in München zu sprechen, . auf die Betbeiligung aktiver Offiziere am „Klub der Harm osen . Mit Bezug auf sein Buch Ver Sozialismus und die Frau“ erklärt Redner sich bereit, mit dem Kriegs Minister weiter disputieren zu wollen, wenn dieser es erst wirklich gelesen haben werde.

Kriegs-Minister, General der Infanterie von Goßler—

Zuerst möchte ich dem Herrn Abg. Bebel darin vollkommen Recht geben, daß er an mich einen Brief geschrieben hat, an dessen Form ich durchaus nichts auszusetzen habe; wenn ich das Wort Zettel ge⸗ braucht habe, so bezog sich das nur auf die Aufreihung der verschie⸗ denen Details, die von ihm angeführt sind. Es hat in meiner Aus⸗ druckzweise durchaus nicht irgend ein Vorwurf liegen sollen, das lonstatiere ich ausdrücklich.

Daß ich in Betreff des Reservisten Kriese zu einer anderen Stellung gekommen bin als damals, als ich nicht informiert war, gebe ich obne weiteres zu. Wenn aber in einem Immedlatbericht des kommandierenden Generals, der mir später zugegangen ist, von seinem juristischen Beirath augeinandergesetzt wird, auf Grund welcher gesetz⸗ lichen Bestimmungen und Vorschriften der Strafprozeßordnung er so verfahren wäre, und wenn von anderen Juristen dem beigetreten wird, so ist der Kriegs⸗Minister nicht in der Lage, seine Meinung dem gegenüber aufrecht zu erhalten. Ich bin verpflichtet, einem besser be— rathenden Juristen zu folgen. Daß man dabei zwei verschiedene An⸗ sichten haben kann, gestehe ich zu, und darum glaube ich, ist es sehr erwünscht, daß demnächst das Reichs⸗Militärgericht derartige Fragen lösen kann.

Wenn der Abg. Bebel verschledene Fälle von Mißhandlungen und sonstigen Ungehörigkeiten angeführt hat und mir dann überläßt, aus dem stenographischen Bericht die Konsequenzen zu ziehen und eine Untersuchung möglichst in die Wege zu leiten, so kann ich ja das natürlich thun, indem ich das Mattrial der betreffenden Stelle zugänglich mache. Allerdings wäre es mir wesentlich lieber, wenn derjenige, der