1900 / 52 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 27 Feb 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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ohne Rücksicht darauf, ob der Branntwein in großen gewerblichen oder in kleineren landwirthschaftlichen Betrieben hergestellt wird, ohne Rücksicht darauf, welches die Selbstkosten der einzelnen Betriebsunter⸗ nehmer sind, so hätten wir allerdings nach dem Prinzip des höchsten Reinertrages als des größten Fortschritts gehandelt. Aber wenn der Staat seinerseits durch seine Maßregeln, durch seine Steuern in die Gewerbeverhältnisse eingreift, dann hat er auch die Pflicht, thunlichst nach der Leistungsfähigkeit zu fragen, um die sozialen Gesichtspunkte, die für den Staat maßgebend sind, in Betracht zu ziehen. Hätten wir damals operiert wie in England, so würden wir nach 10, 12 Jahren vielleicht 1, 20 riesige gewerblich: Brannt⸗ weinbetriebe gehabt haben, und wir hätten die landwirthschaft⸗ lichen Brennereien sämmtlich ruiniert (sehr richtig! rechts), wir hätten den Viehstand ruiniert, den Dünger der Landwirthschaft entzogen. Ich habe mal früher gesagt: an die Stelle der Kartoffel⸗ und Kornfelder würde in diesem Fall in vielen Gegenden die Fichte treten. (Sehr richtig! rechts.)

Solche großen sozialen Zwecke kann der Staat nicht außer Be⸗ tracht lassen; namentlich wenn er selbst durch seine Maßregeln in das wirthschaftliche Leben eingreift, dann muß er diese sozialen Gesichts⸗ punkte auch im Auge behalten. Wir haben bei der Zuckersteuer in ähnlicher Weise verfahren; wir müssen aus anderen Gesichtspunkten beispielaweise beim Schutzjoll die Waaren vertheuern, lediglich um die verschledenen Konkurrenzbedingungen iwischen den verschiedenen Staaten und Völkern auszugleichen.

Dieses Prinzip ist unbrauchbar in seiner Nacktheit und Schroffheit für die staatliche Gesetzgebung; aber ich wiederhole, der Staat darf nicht die Steuer lediglich gebrauchen, um von ihm theoretisch ersonnene, als heilsam erachtete soziale Umwälzungen herbeizuführen; die Steuer selbst muß eine in sich von ihrem Standpunkte aus berechtigte sein.

Meine Herren, als wir unsere Gewerbesteuerordnung hier be⸗ riethen, die ja schon wesentlich den Gesichtspunkt der Progression gegenüber der früheren Gewerbesteuer, die progressiv nach unten war verfolgte, hatten wir diese neuere Entwickelung der Großbazare noch nicht vor uns. Wir verließen uns, wie gesagt, auch darauf, daß solche Veränderungen, die ja heute sehr rapide hervortreten, in den Konkarren und in den Betriebsverhältnissen von den Gemeinden gehörig beachtet und ihnen gegenüber die Gemeindeautonomie in Wirksamkeit treten würde. Jetzt haben wir aber diese gewaltigen Ein⸗ wirkungen, die Anwendung des Großkapitals auf den Detail verkauf, auf die direkten Beziehungen zum Publikum heute vor uns; die Frage ist heute eine ganz andere. Wir sehen auch keinen andern Weg, hier zum Ziele zu kommen, und deswegen haben wir diese Vorlage gemacht.

Meine Herren, über die Form der Besteuerung kann man ja verschiedener Meinung sein. Wir waren zuerst der Meinung, daß es besser wäre, sie an bestimmt feste Merkmale anzulehnen, in denen sich die größere steuerliche Leistungsfähigkeit der Großbetriebe besonders jeigt: Personal, verschiedenartige Branchen, Lokal; in allen diesen Beziehungen haben diese Großbetriebe die größten Vortheile, daran wollten wir anschließen. Das Resultat wäre auch nicht viel anders gewesen als jetzt, wo wir die Umsatzsteuer vorschlagen, denn alle diese Merkmale lassen sich bezeichnen als Merkmale eines größeren Umsatzez. Die Umsatzsteuer habe ich einmal hier als eine an sich rohe bezeichnet, und unzweifelhaft ist sie das dann, wenn man den Reinertrag als Grundlage der Steuer sucht. Anders liegt die Sache aber bei den Realsteuern; da wird nicht der Jnhaber des Ge— schäfts besteuert, noch seine persönliche Leistungsfähigkeit, sondern das Unternehmen lsehr richtig ), die Firma, das Geschäft ist das Steuer obsekt. (Zuruf links) Deswegen kann auch nicht unterschieden werden in der Gewerbesteuer zwischen Gewerbebetrieb mit eigenem Kapital oder mit fremdem Kapital. Darauf kommt es gar nicht an. Weil das unmöglich war, haben wir der gleichen gerechten Besteuerung im ganzen Lande wegen die Realsteuern abgegeben, aus der Staatssteuer ausgeschieden. Bei den Kommunen liegt die Sache aber anders: sie haben nicht bloß nach den Reinerträgen zu fragen, sondern vor allem nach den anderen Gesichte⸗ punkten, die ich vorhin angefübrt habe.

Nun fragt man: wohin soll das führen? Können denn nicht andere durch die Großbetriebe bedrückte Klassen kommen und sagen: wir müssen auch entlastet werden gegenüber diesen Großbetrieben? (Sehr richtig! Zuruf links: Die werden auch schon kommen! Gewiß, mine Herren, die können auch kommen, die sind auch schon da (sehr richtig! und hört! hört! links), und oft mit Recht. Daß der kleine Bauer am Rhein, in dessen Gemeinde die Arbeiter von einer neben liegenden Fabrik, die sich dort gegründet hat, wohnen, sich gegen diese Fabrik wehrt und verlangt, daß die entsprechenden Kosten, die sonst auf die alten bäuerlichen Besitzer fallen würden, besteuert würden, ist durchaus berechtigt. (Sehr richtig! Zuruf bei den Freisinnigen: Ist gan was anderes) Des Gegentheil wäre die Ungerechtigkeit. Gbenso ist das Prinzip der Staffelbesteuerung auch in der indirekten Steuer an sich durchaus berechtigt; es ist nur nicht überall klar und bestimmt und radikal durchzuführen. In manchen Fällen kann es aber wenigstens annähernd geschehen; wo es möglich ist, mag es ge⸗ schehen. (Hört! hört!

Eine solche Entwickelung in der Verfassung der Steuer braucht nicht an sich eines bestin mten sozialen Erfolges gewiß zu sein. Welchen Erfolg diese neue Besteuerung für die Großbetriebe haben wird, kann keiner von uns mit Sicherheit sagen. Ich bin allerdings der Meinung, daß sie in vielen Fällen verringert, wenigstens diese Entwickelung verlangsamen wird. In manchen Fällen wird der Unternehmer, der Kapitalist, doch fragen: ist es richtig, bei der

SGrhöhung der Steuerlast, noch Kapital in diesen Betrieb zu stecken?

Das wäre an und für sich kein Unglück (sehr richtig); im Gegen theil, es wärde der Kleinbetrieb Zeit gewinnen, auch seinerseits die erforderlichen Abwehrmaßregeln zu treffen. Ich bin durchaus nicht der Meinung, daß mit dieser Steuer ein Arcanum für die Aufrecht⸗ erhaltung der kleinen Betriebe gegeben ist; sie müssen sich helfen hauptsächlich durch genossenschaftlichen Zusammenschluß. (Sehr richtig) Aber daß sie dafür Zeit gewinnen, während diese rapide Entwickelung zum Großbetrieb, die wir heute haben, ihnen kaum die Zeit der Organisation läßt, das ist jedenfalls im höchsten Grade er wünscht. (Sehr richtig!)

Meine Herren, wie sich solche Entwickelung zeigt und welche Folgen das hat auf einzelne Kommunen, das möchte ich Ibnen mal klar machen an einer Eingabe der Stadt Aachen. Ich will, wenn der Herr Präͤsident es gestattet, aus dieser Eingabe nur wenige Worte . Die Stadtrerordneten von Aachen und der Bürgermeister agen:

Der Umfang der hier bestehenden Waarenhäuser ist ein sehr erheblicher. Das größte Filialgeschäft des bekannten Waarenhauses Tietz beschäftigt in seinem Betriebe 152 Personen, zumeist Ver⸗ käuferinnen. Die Firma Tietz beabsichtigt, hier demnächst einen neuen Bazar größten Stils zu errichten, und hat das zu diesem Zweck erforderliche, mitten in der von dem mittleren Bürgerstande benutzten Geschäftsgegend gelegene Terrain bereits angekauft. In dem zweiten Bazar, Gebrüder Arlsberg, werden 94 Personen beschaͤftigt. Es folgt sodann ein drittes Waarenhaus, Firma S. Gottfeld, mit einer Gehilfenzahl von 383 Personen. Eine weitere Vermehrung der Bazare ist bereits in nächster Zelt zu erwarten,

indem dem Vernehmen nach ein großes Hamburger Waarenhaus gleichfalls hierorts ein Filialgeschäft zu errichten beschlossen hat. (Hört, hört!) Die auf die oben genannten Häuser für die hlesige Stadt ent fallenden Zuschläge zur Gewerbesteuer sind im Vergleich zu dem Geschäftsumfange als verhältnißmäßig geringe zu bezeichnen. Dle Steuer beträgt für das Waarenhaus Tietz 629 (hört, hörth, für die hier domizilierten Gebrüder Arlsberg in Klasse III 120 66 (hört, hörth, für S. Guttfeld in Klasse IIIJ 80 Der verderbenbringenden weiteren Ausdehnung und Vermehrung der Großbazare kann nur im Wege einer besonderen nachdrücklichen Besteuerung dieser Ge⸗ schäfte entgegengetreten werden. (Sehr richtig!)

Meine Herren, diese und andere Arußerungen der Kommunen beweisen, daß das Bedürfniß einer Umgestaltung der Steuer auf diesem Gebiete sehr lebhaft gefühlt wird.

Wenn nun die kleinen Kaufleute an sich schon in einer sehr schwierigen Lage sich befinden und in derselben auch, wie ich mir gar⸗ nicht verhehle, nach Inkrafttreten der neuen Besteuerung verbleiben werden, so ist doch nun der Staat um so mehr verpflichtet, ihnen das Gefühl der Ungerechtigkeit in der Besteuerung zu nehmen und ihnen zu zeigen, daß, was der Staat auf diesem Gebiet thun kann, er ent⸗ schlossen ist, für diese kleinen Betriebe zu thun. Ich meine, daß die kleinen Betriebe sich selbst sagen werden: mit dieser Sache ist keines wegs alles gethan; aber sie werden sich doch einigermaßen in ihrer bitteren Stimmung, möchte ich sagen, beruhigter fühlen (Lachen bei den Freisinnigen), wenn sie sehen, daß der Staat, was er auf diesem Ge⸗ biete vermag, auch thut.

Meine Herren, ich gehe auf die Detailfragen gegenwärtig nicht ein. Nur einen Punkt möchte ich berühren: die Beschränkung der Steuer beim Erreichen von 20 0j des Ertrages. Hier ist natürlich der Ertrag im Sinne der Gewerbesteuer gemeint, nicht der Rein⸗ ertrag; sonst würde die Sache keine große Bedeutung haben. Wir haben diese Schranke aus folgender Erwägung vorgeschlagen. Gewiß, meine Herren, einige meinen, diese Großbazare finden ihren Haupt⸗ vortheil in der Ausdehnung des Umsatzes billige Waare, Massen⸗ waare. Diese Art von Betrieben ist zwar den kleinen Betrieben am gefährlichsten. Andererseits kann man ihre Berechtigung an sich nicht bestrelten, und nach Lage der Verhältnisse wird der eine Unternehmer diesen Weg: höhere Waarenpreise, geringerer Umsatz, jener den anderen: geringe Waarenpreise und größerer Umsatz vorziehen. Um nun diese Entwickelung nicht ganz lahm za legen und nicht die Progression in dieser Beziehung für die Gewerbe der letzten Art geradezu ruinös ju machen, haben wir diese Schranke der 20 00 in das Gesetz auf⸗ genommen. Es ist daz ein mittlerer Weg, den wir eingeschlagen haben. Wir sind dabei namentlich dem Vorgange der Stadt Dresden wie denn in Sachsen überhaupt die Kommunen sich eifriger auf diesem Gebiete der Gesetzgebung bejeigen gefolgt. Es schien der Vorgang uns durchaus beachtenswerth.

Ueber die Höhe der Steuer können wir Ihnen leider kein ganz genaues Bild machen, namentlich nicht wie sie auf die einzel nen Be⸗ triebe wirken würde, und zwar aus dem Grunde nicht, weil wir bisher den Umsatz dieser Betriebe doch nur sehr oberflächlich, schätzungsweise aus anderen Materialien, bew. aus der Gewerbesteuerveranlagung kennen; aber daß bei den sehr großen Geschäften diese Besteuerung doch schon sehr energisch eingreift, werden wir Ihnen in der Kommission klar machen können.

Nun sagt man: je höher die Steuer bemessen wird, desto eher wird eine Umgehung der Steuer stattfinden. Die großen Betriebe werden diese Steuer abwälzen, sei es auf das Personal, sei es auf die Lieferanten und Fabrikanten. Ja, meine Herren, mit der Abwälzung ist es eine eigene Sache. (Heiterkeit Diejenigen, die sich in die Brust werfen und sagen, wir fürchten die Steuer nicht, denn wir werden sie abwälzen, brauchen auch nicht so heftig gegen die Steuer zu agitieren (sehr richtig h; aber der heftige Kampf, den sie gegen diese Steuer führen, möchte doch wohl dahin führen, an dieser Abwälzunge—⸗ möglichkeit einige Zweifel zu hegen. Das werden sich weder die Fabrikanten über eine gewisse Grenze hinaus gefallen lassen, noch wird das Personal sich allen Bedingungen fügen, wenn nach dieser Richtung hin was ich auch garnicht einmal glaube eine Abwäljung ein⸗ treten zu lassen versucht würde.

Ich bin überzeugt, viele Gegner wird hier und später diese Vor— lage finden, sowohl aus prinzipiellen volkswirtbschaftlichen Gesichts⸗ punkten, als aus Interessengesichktepunkten. Ich bin überzeugt, die Freunde der Vorlage werden auch ibrerselts unter einander über eine Menge einzelner Fragen verschiedener Meinung sein. Ich kann nur, meine Herren, die Freunde der Vorlage ersuchen, hier mit Maß vor⸗ zugeben. Es ist das erste Mal, daß wir die Gesetzgebung auf dieses Gebict lenken; Erfahrungen baben wir noch nicht; die werden wir erst durch das Gesetz selbst erlangen. Treten in dieser Beziehung besondere Mängel hervor, nun, meine Herren, so werden wir mit der Gesetz⸗ gebung abhelfen können. (Sehr richtig) Gegenwärtig aber muß verhütet werden, was die Freunde der Vorlage betrifft, daß nicht das Kind durch zu viele Doktoren zu Tode kuriert wird (sehr richtig! und Heiterkeit), sondern Sie müssen auf die Hauptsache sehen, auf das Prinzip, auf die Grundlage, auf die allgemeine Tendenz des Gesetzes; nachher, wie gesagt, werden wir klüger sein, und es ist ja nicht aus geschlossen, daß wir dann von unserer Klugheit den entsprechenden Gebrauch machen. Meine Herren, namentlich möchte ich dringend bitten, von der Tendenz, diese großen Waarenhäuser überhaupt zu strangulieren, gänzlich abzusehen. (Sehr richtig) Das wäre, wie gesagt, mit der Reichsgesetzgebung nicht vereinbar, aber auch mit den großen gesellschaftlichen Grundsäzen im Widerspruch, die wir hier im Abgeordnetenhause vertreten.

Meine Herren, diejenigen, welche keinen rechten Erfolg für das

Kleingewerbe sich aus dieser Vorlage versprechen, die sollen doch unter. suchen, ob die Vorlage nach Maßgabe der Steuerverthellung nicht eine gerechte ist, und jweltens, ob wir dadurch nicht eine Pflicht er. füllen gegen die kleineren und mittleren Betriebe. Und wenn Sie sich davon überzeugen, dann können Sie sich vorläufig wegen der sonstigen Wirkung beruhigen, dann haben wir schon so allein einen Fortschritt gemacht.

Meine Herren, ich übergebe die Vorlage dem hohen Hause zu einer gründlichen, aber wohlwollenden Berathung. (Lebhaftes Bravo h)

Abg. Dr. Crũger (fr. Vollsp.): Wir glauben, daß die Re— gierung nicht gern an diese Vorlage herangerreten ist. Man hatte die Empfindung, es muß etwas geschehen; ob es helfen wird, sst zweifelhaft. Das ist ein recht en . Weg, namentlich wenn nun andere Stände mit demselben Verlangen kommen, z. B. die Bauern mit ihrem Verlangen nach der Besteuerung der Fabriken. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Der Minister hat den Grundsatz vertreten, daß mit steuerlichen Maßnahmen sozigle Aufgaben nicht zu löfen sind. Das muß zur Ablehnung der Voklage führen. Sie erfüllt ihren Zweck nicht, den Mittelstand zu schützen. Vie Um— wälzungen im Pittelstande stehen nicht so sehr mit dem Kapitalismus im 3 als mit den Umwälzungen in der Produktion, der

ndustrie, welche die 10 Pfund ⸗Packete versendet. an bemüht sich Tberall, den Zwischenhandel ausjuschalten und direkt mit dem Kon« fumenten in Verbindung zu treten. Der Ministec hat heute schon diefe Vorlage als einen Anfang bezeichnet. Nimmt der Staat erst . für einen bestimmten Siand, so kann er sich später weiteren

onsequenzen nicht entziehen. Dann heißt es aber gegenüber der Landwirthschafst vielleicht: Ja, Bauer, das ist etwas Anderes. Ein großes Waarenhaus mit allen möglichen Waaren ist, dem Klein händler viel weniger gefährlich als ein spenalisiertes Geschäft. weil dieses viel mehr konzentriert ist. Die kleinen Städte haben jetzt bereits Bazare, die alles mögliche führen. Man will hier Mittesstandapolitik treiben. Erfreulich ist es dabei, daß wenigstenz in der Begründung der Vorlage auf den Konsumenten Rücksicht genommen wird. Sonst war die Regierung nicht so ent⸗ gegenkommend gegen die Konsumenten. Eline Einigung über diese Frage wird in der Kommission wahrscheinlich ebenso · wenig möglich sein, wie in den Kommissionen in Breslau c. Soll es ein Vor⸗ wurf für die Waarenhäufer sein, daß sie das Rohmatersal billig einkaufen und gegen baar verkaufen? Der Kleinhändler kann hieraus lernen, daß es auch ohne Kreditgebung geht. Et handelt sich nicht um eine Interessen⸗, sondern um eine Prinzipien frage für diese ganze wirthschaftliche Catwickelung. Es stehen hier Be⸗ hauptungen gegen Behauptungen. Die Einen werfen den Waaren⸗ häufern Unreellität vor, die Anderen widerlegen dies. Ich glaube, ran follte die Entwickelung erst abwarten. Die kleinen Handwerker und Händler werden schwerlich den Beweis erbringen können, wie weit ste durch die Großbazare dauernd geschädigt werden. Es wird noth⸗ wendig sein, positives Material herbelzuschaffen. Jedenfalls hat der unlautere Wettbawerb der Waarenhäuser mit dieser Vorlage nicht das mindeste zu thun. Und wunderbar ist es doch, daß die Kommune aug dem angeblich unreellen Geschäft Steuern ziehen soll. Der Finanz⸗ Minister hat den Kommunen den schweren, aber unberechtigten Vor— wurf gemacht, daß sie die Gewerhesteuer nicht richtig und gerecht aut gebaut haben. Es würde einen Zankapfel in die Kommunen werfen, wenn sie durch diese Waarenhaugsteuerregelung Interessenpolitit treiben sollten. Wir würden einen sehr gefährlichen Weg beschreiten, wenn wir durch diese Vorlage im Handwerkerstand Illusionen hervorriefen, die nicht zu erfüllen sind. Der Finanz⸗Minister ist ja selbst überzeugt, daß der Mittelstand keinen Nutzen davon haben wird. Verbieten wir ein großeg Waarenhaug, so entsteht eine Menge kleinerer, und die kleinen Händler baben auch nichtß davon. Die Markthallen werden ebenso als schädlich empfunden wie die Waarenhäuser. Die Vorlage steht für mich in schreiendem Widerspruch zu der heutigen Zeit, die man als eine Zeit des Verkehrs bezeichnet. Es handelt . hier um eine Beschränkung der Handelsfreiheit; was sagt der Handelt⸗ Minister dam? Die Vorlage sollte nur die Unterschrist des Finamj⸗ Ministers tragen. Wollen Sie es dem Grosststen verbieten, Klein⸗ handel zu treiben? Die Begründung spricht von einer bedrohlichen Entwicklung der Großbetriebe. Die Steuer soll also einen probibitiven Charakter kragen. Warum dann aber gerade 20/0. Umsatzsteuer und nicht 2, 10/7 Die Vertreter des Mittelstandes halten diese Vor⸗ lage zür einen Schlag ins Wasser, für eine Abschlagsjahlung. Die Vorlage schafft also Unzufriedenheit bei den Interessenten. Die Steuer stebt im Widerspruch mit der Gewerbeordnung, weil die Vorlage Beschrankungen des Gewerbes vorsieht. Mit demselben Rechte könnten die Kommunen auch die Banken zur Umsatzsteuer heranziehen. Wäre dieser Entwurf. der Beurtheilung der Sachverständigen unter⸗ worfen worden, er wäre noch viel ungünstiger beurtheilt worden wle der vorige. Cine Umsatzsteuer, wie sie für Bayern vorgeschlagen ist, würde sich nur kurze Zeit halten. Schließlich wird man vor den ehe Banken und dem Großgrundbesitz nicht Halt machen können.

ngesichts dieser Konsequenz verstehe ich nicht, wie die Re⸗ gierung mit der Vorlage kommen konnte. Die Waaren⸗ grupplerung vollende, die der Entwurf voisiebt, wird eine Quelle unendlicher Streitigkeiten werden. Man spricht hier von dem Schutz des Ererbten und Erworbenen. Beziebt sich das nur auf Land— wirthschaft, auf Renten und Grundbesitz? Durch die Konkurrenz des Bundes der Landwirthe und sein Waarenhaus werden die Kleinbauern mehr geschädigt als die kleinen Händler durch die Waarenhãuser. Die Waarenhaussteuer kann außerdem einen sehr erheblichen Einfluß auf daz kommunale Wahlrecht ausüben. Die Abtheilungen können dadurch geradezu über den Haufen geworfen werden. Der Finanm⸗ Minister bezweifelt, daß die Waarenhäuser die Umsatzsteuer abwãl zen werder. Ich höre, daß man die Steuer auf die Produzenten abwaälsen will. Warum 'stellt wan die Konsumwvereine durch die Sonderstener noch schlechter als die Waarenhäuser? Hoffentlich werden die Herren von der Rechten dafür eintreten, daß Diese Be⸗ stimmung aus dem Entwurf gestrichen wird; denn dasselhe kann auch ben landwirthschaftlichen Genossenschaften passieren. Die Heranziehung der Filialen widerspricht ebenfalls der Gewerbeordnung. Die Miß⸗ stände des Kleinhandels fe durch diesen selbst verschuldet. Kleine Beamte c. legen ein Geschäst an ohne hinreichende Mittel, es fehlt ihnen auch an der nöthigen kaufmännischen Bildung. Jeder Lehiling und Kominis will fich felbständiz machen; die Folge ist kann eine kümmerliche Existen. Jeder Angestellte eines Waarenhauses möchte mit einem solchen selbständigen Händler nicht tauschen. Händler, Hausbesitzer und Handwerker treten für diese Steuer ein. Der Hausbesitzer thut es, um die Miethe zu erhöhen, der Sandwertet aus Frerndschaft für den Kleinkaufmann, Das ist aber eine sehr Hef e , mern, Die Waarenhäuser werden die Umsatz steuer als Reklame benutzen. Durch das Eingreifen des Staate wird das Selbstvertrauen Jeschwächt. Die Zeit der Privilegien und Monopole ist vorbei. Das Handwerk muß sich selbst helfen. Ob diefes Gefetz die Menschen glücklich machen wird, steht dahin.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf alle Ausführungen des Herm Vorredners einzugehen, es wird das von anderer Seite wohl noch genügend geschehen; ich bin aber überzeugt, daß, wenn Herr Dr. Crüger das Stenogramm seiner eigenen Rede durchliest, er dann finden wird, daß er sich in dieser Rede vielfach in einer Serie von Widersprüchen seiner eigenen Ausführungen befunden hat. (Sehr richtig! rechts) Auf der einen Seite deduztert er, daß wir beab⸗ sichtigen, gewissermaßen die Gewerbefreibeit auf einem gewissen Ge biet aufjuheben, und findet, daß dag der Reichsgesetzgebung wider spräche; auf der anderen Seite sagt er: das Gesetz wird garnicht wirlen⸗ eg wird weder den Großbajaren schaden denn sie werden die dast ab

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waͤljen = noch den kleinen nützen. Das ist ein innerer Widerspruch, der garnicht ju lösen ist. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch links.) Hier spricht er von Monopolen, die wir den kleinen Besitzern geben, und den Schranken, die wir dem Großbetrieb auferlegen. Wir geben weder den kleinen ein Monopol, noch stellen wir den großen gesetzliche Schranken in ihrem Gewerbe. Das sind alles Widersprüche in sich, die die meisten von seinen eigenen Deduktionen aufheben.

Dasjenige, um das es sich eigentlich handelt, hat der Herr Vor redner aber nicht berührt. Er bat uns nicht gesagt, daß wir hier eine Steuer, welche in sich ungerecht ist, zu dem Zweck erheben, um künstlich in die gewerbliche und kaufmännische Entwickelung und die richtigen Konkurrenzbedingungen einzugreifen. Darauf alltin kommt es an. Die Staatsregierung ist der Meinung, daß gegenüber dieser riesenhaften Ausdehnung des Umfanges und der Zabl dieser groß⸗ kaufmännischen Unternehmungen auf dem Gebiete des Detailhandels die gegenwärtige Steuer eine ungerechte Belästigung oder Benach⸗ theiligung in der Konkurrenz für die kleinen und eine ungerecht⸗ fertigte Begünstigung für die großen ist. (Sehr richtig! rechts.) Darauf allein kommt es an, und das bitte ich zu untersuchen. Wenn wir durch eine richtige Ausgleichung einer Steuer, die durchzuführen eigentlich Sache der Kommunen wäre, die aber von den Kommunen nicht durchgeführt ist, in einer durchaus berechtigten Weise die General- unkosten der Großbetriebe in ein richtigeres Verhältniß zu den Klein⸗ betrieben setzen, so haben wit etwas gethan, was garnicht zu solchen Konscquenzen führen kann, wie der Herr Vorredner es uns ausmalt.

Meine Herren, der Satz in den Motiven, der diesen Fall in einen gewissen Vergleich bringt zu dem Verhältniß des kleinen Grund⸗ besitzes zu dem großen Grundbesitz, ist allerdings vielleicht etwas un⸗ vorsichtig ausgedrückt. (Hört! hört! Heiterkeit.) Aber er hat auch einen anderen Sinn; er will damit nur beweisen, daß man Konsequenzen auf Betriebe, die einheitlicher Natur sind, pon dieser Vorlage nicht ziehen kann. Das ist der Sinn der Sache.

Meine Herren, was im übrigen die Frage selbst betrifft, Grund- besitz ist Grundbesitz, den kann man nur gleichmäßig besteuern, wenn man aber die größere Konkurrenzfähigkeit allein als Steuer⸗ obisekt behandeln würde, dann würde man eher umgekehrt sagen: heut⸗ zutage kann der Kleinbesitz in vollem Maße die Konkurrenz gegen den Großbesitz halten. (Sehr richtig) Solche Vergleiche sind willkürlich herausgegriffen, sie bringen irgend einen Beweis für ein einigermaßen tiefes und obiektlves Nachdenken nicht. (Sehr richtig! Zuruf: siehe Motive)

Meine Herren, der Herr Vorredner sagte, wir behandelten auch die Genossenschaften ungerecht. Nein, meine Herren, wir ziehen nur diejenigen Genossenschaften, die die Gesetzgebung als Gewerbebetriebe behandelt hat, auch in diesem Falle heran, und es würde vielmehr un⸗ gerecht sein, wenn wir das Gegentheil thäten. Sie sind der Gewerbesteuer unterworfen, falglich sind sie von der Gesetz⸗ gebung als Gewerbetreibende behandelt. (Sehr richtig) Die⸗ jenigen, die der Gewerbesteuer nicht unterworfen sind, bleiben ja frei. (Zuruf: leider) Leider? Ich finde das gerecht. Aber jedenfalls ist es konsequent, und wenn uns in dieser Beziehung eine mißgünstige Behandlung der Genossenschaften vorgeworfen wird, so ist das ein völliger Irrthum. Ich habe in meinem Leben genug be⸗ wiesen, wie sehr ich die Genossenschaften in der modernen Entwicke— lung für eine ungeheure Wohlthat halte. Ich halte sie sowobl für die Bauern, für den kleinen Besitz auf dem Lande, als auch für den kleinen Besitz in den Städten, für die Handwerker und die Klein⸗ geschäfte für die wesentliche Grundlage ihrer Erhaltung. Ich meine, daß der Kleinbesttz, der Kleinbetrieb an sich sehr viele Vorzüge gegen⸗ über dem Großbetrieb hat, und daß, um ihn zu erhalten und zu entwickeln, was ein hohes staatliches und gesellschaftliches Interesse ist (sehr richtig h, es darauf ankommt, diesem Kleinbetrieb einen großen Theil der Vorthelle, die der Großbetrieb ihm gegenüber voraus hat, durch die Genossenschaften zu sichern. (Sehr richtig!)

Meine Herren, lassen Sie sich nicht irre machen durch die Schreck⸗ bilder, daß eine solche Besteuerung wie diese, die unterscheidet oder wenigstens mit Gerechtigkeit unterscheiden will zwischen größerer und geringerer Leistungsfäbigkeit, zwischen größerem Genuß von den Vor— theilen, welchen die Kommunen bieten, und den geringeren Vortheilen, zwischen den größeren Lasten, welche diese Großbetriebe den Kom⸗ munen aufbürden, und solchen, welche den Kommunen geringere Lasten verursachen daß eine solche Gesetzgebung unheilvoll wirken würde in Bezug auf die Konsequenzen, lassen Sie sich dadurch nicht irre machen! Ich hoffe, daß wir auf diesem großen wirthschastlichen und sozialen Gebiete nicht scheitern werden in Deutschland an reiner Kon⸗ sequenzmacherei, und ich möchte die Herren von der Linken gerade vor dieser theoretischen Konsequenzmacherei warnen. (Bravo! rechts.)

Abg. Roeren (Gentr.): Es wäre durchaus ungerechtfertigt, die Waarenhäuser vom Standpunkt des unlauteren Wettbewerbes aus zu behandeln. Wir sind erfreut, daß die Vorlage den ersten , . Schritt zu der allgemein gewünschten Umsatz teuer macht. Die Be⸗ schränkung auf 2669 vom Umsatz, 20 0 des Reinertrags und auf einzelne Branchen hebt eigentlich die Umsatzsteuer wieder auf. Die

anze Bewegung richtet sich nicht auf höhere fiskalische Steuern, ondern gegen den Großkapltalismugß, der den Mittelstand zu erdrücken sucht und ibn seinem ,, entgegen führt. Dag erkennt der Entwurf an, leider ziebt er aber daraus nicht die richtigen Konsequenzen. Statt jene Erdrückung zu verhindern, spricht die Vorlage nur von einer rationelleren Steuer. Es sollte fich hier nicht um ein Steuergesetz, sondern um ein Schutz⸗ Ei handeln. Die großen Bazare wachsen heute wie die Pilze aus der rde. Durch Lockarlikek unter dem Kostenpreise sucht man die Käufer anzulocken zum Schaden der kleinen Geschäfte. Was ker Bazar ver- fauft, können die kleineren Händler nicht verkaufen. Ein Umsatz von 30 Millignen, den die Waarenhäuser haben, entzieht den anderen Geschäften dieselben 36 Milllonen. Darum verlangen wir die progressive Ümfatzsteuer, beginnend bei 200 0 Jede Steuer, die den Umfaß nicht einschräntt, ist eher schädlich als nätzlich; denn fonst erweitert der Besitzer eines Waaren⸗ hauses feinen Betrieb. og werden keinen Bajar abhalten, seinen Betrieb zu vergrößern und den Verlust wieder einzuholen. In der Beschränkung der Steuer auf 20 So des Reinertrages liegt eine Be⸗ förderung des unsellden Geschäftsgebahrens. Gine Filiale würde dann zur Stener nicht herangezogen werden können, weil si: zu Schleuder; preisen verkaust und jene 200 /9 nicht erreicht hat. Mit wieviel Waarengruppen ein Geschäft 20 illionen Mark oder mehr Umsatz macht, sst bezüglich der Konkurrenz sehr gleich- ültig. Es würden sich Waagrenhäuser bilden, von denen . mit einer Gruppe von Waaren handelt und sich so der mfatzsteuer entzieht. Man hat der progressiven Steuer den Vorwurf gemacht, daß sie eine Erdrosselungesteuer sei. Die Steuer soll die Waarinkäufer nur insofern treffen, als ihr Umsatz eine ungesunde, schwindelhafte Höhe erreicht. Man meint, auch die Groß⸗ induttrie müßte dann unter ein solches Gesetz fallen. Die Ausnützung der Technst sist aber produktiv, die Waarenhäuser sind es nicht. Für

die Allgemeinheit ist es pollständig belanglos, ob das Publikum feine Gintäufe an einer Stelle macht oder an hundert eder laufend Stellen. Das Zusammenströmen des Kapitals in einer Hand ist aber gefährlich, das Kleinkapital wird dadurch auf⸗ gesaugt. Ez mag dahingestellt bleiben, ob man in den Wagren⸗ häufern beffer und billiger kauft. Jedenfalls werden die billigen Preife nur so lange bestehen bleiben, bis sich die Bazare die Kon⸗ farrenz vom Halfe geschafft haben. Es werden sich dann Ringe bilden, um die Preiss hoch zu halten. In den meisten . ist es nicht die Intelligenz, sondern der Zufluß ungejählter illlonen der Banken ü. f. w, der zur Gründung von Bajaren führt. Trotz aller Bedenken stelle ich mich auf den Boden der Vorlage in der Hoffnung, daß jene Einschränkungen aufgehohen werden. Ich beantrage, die Vorlage an eine Kommifston von 21 Mitgliedern zu verweisen. .

Geheimer Ober⸗Finanzrath Hr. Strutz: Der Vorredner wünscht im Grunde eine Prohlbitivsteuer als Schutzsteuer. Der Finanz ⸗Minister hat die Ziele diefes Gesetzentwurfs bereits dargelegt, insbesondere, daß sie auch soziäle Zwecke verfolgt. Die Steuer soll gerecht, aber nicht prohibltiv fein. Eine Prohibitivfleuer stände im Widerspruch mit der Gewerbeordnung, und kein Einzelstaat würde sie einfübren können. Bie Steuer ist' auch finanziell dadurch gerechtfertigt, daß 6 einer ungerechtfertigten Entziehung vorbeugen will. Eine Besteuerung der Spezialgeschäfte hat die Mehrheit des Hauseg niemals ge⸗ wünscht. Cine Umsatzsteuer von 20 / ist nicht zu niedrig. Wir werden in der Kommission Zablen beibringen, die zeigen, daß diese Steuer sehr kräftig wirken wird. Die Grenze von 20 o / des Reinertraget ist gewählt, weil die Steuer nicht prohibitiv wirken soll. Die Steuer baut sich lediglich auf der größeren Leistungsfähigkeit der Waaren⸗ häufer auf. Die Spezialbranchen oder Banken haben doch von den Anlagen, Straßen u. f. w. der Kommunen nicht denselben Vortheil wie die Waarenhäuser. ‚.

Abg. Haus mann (nl): Meine Partei ist bereit, in eine Prüfung des Verfucs einzutreten, welchen die Regierung hier macht. Die Waarenbäufer sind mit anderen Großbetrieben nicht zu vergleichen, sie wenden sich direkt an die Konsumenten, während diese des Zwischenhandels bedürfen. Eine andere Frage ist, ob dieser Versuch günstiger ausfallen wird als der vorjährige. Die Begründung mußte etwag vertheidigen, waz, die Regierung im vorigen Jahre perhorregriert hat, die Umsatzsteuer. Vielleicht läßt sich die ÜUmfatzsteuer aus dem Gesetz eliminieren ohne daß der steuer⸗ liche Effekt irgendwie eingeschränkt wird. Eine Unterdrückung der großen Waarenhäuser wird nach der Begründung nicht beabsichtiat, weil sie im Widerspruch mit der Gewerbeordnung stände. Ist dies richtig, so sollte die Steuer sich auf eine Ertrags⸗ steuer beschränken. Wer jährlich seinen Umsatz angeben a kann leicht in seinem Geschäft zurückgehen, die Kundschaft verläßt ihn, und der Fabrikant entzieht ihm den Kredit. Bei Konsumvereinen und anderen Korporationen ist das anders. Geht der Umsatz zurück, so bemühen sich die Mitglieder, um so mehr zu kaufen. Die Kommission wird sich mit der Frage ju beschäftigen haben, ob die Steuer um⸗ gangen werden kann. Wir werden dabei eine Anzahl Sachverständiger zuziehen; die beiden staͤrken Männer, die der Finanz⸗Minister in den Finanzaueschuß schicken will, genügen nicht. Wir wollen versuchen, wenigstens etwas zu stande zu bringen.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Es ist mir mitgetheilt worden, daß ich von einem der Herren Vorredner nach meiner Stellung zu dem vorliegenden Ge— setzentwurf gefragt worden sei. Derselbe hat namentlich auch die Frage gestellt, wie es denn komme, daß ich diesen Gesetzentwurf nicht mitgezeichnet habe. Ich werde mir deshalb gestatten, mit wenigen Worten meine Stellung zu dem Gesetzentwurf Ihnen darzulegen.

Nicht mitgezeichnet habe ich den Gesetzentwurf deswegen, weil ich daju ressortmäßig nicht berufen war. Es ist auch seinerzeit der Ge—⸗ setzentwurf über die Reform der Gewerbesteuer, ebenso der Gesetz⸗ entwurf über die Reform der Kommunalbesteuerung nicht vom Handels Minister mitgejeichnet worden. Hier handelt es sich um einen Ge—⸗ setzentwurf, der gewissermaßen eine Ergänzung zu diesen beiden

Minister ebensowenig mitzuzeichnen war.

Was nun meine Stellung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf betrifft, so habe ich es seiner Zeit für nothwendig gehalten, daß über die Frage der Besteuerung der Waarenhäuser die Handelskammern gehört wurden, obgleich dadurch eine Verzögerung in der Behand⸗ lung der Vorlage herbeigeführt wurde. Ich habe es aber gleichwohl für nothwendig erachtet, die Handelsorgane zu hören deshalb, weil es nach der Vorschrift des Handelskammergesetzes nothwendig ist, daß die Handelskammern, die Organe und die Vertretung des Handels, gehört werden, über solche Fragen, die für Handel und Gewerbe von besonderer Bedeutung sind. Dazu gehört zweifellos auch diese Frage.

Nun hat man sein Befremden in manchen Kreisen und namentlich auch in der Presse darüber ausgesprochen, daß doch bekanntlich die Mehrheit der Handelskammern sich gegen eine Sonderbesteuerung der Waarenhäuser mit überjeugenden Gründen ausgesprochen habe, und daß es deshalb auffällig sei, daß der Handels⸗Minister eine solche Vorlage unbeanstandet gelassen habe. Nun, meine Herren, die Handels⸗ kammern haben allerdings in ihrer Mehrheit sich gegen eine solche Sonder⸗ besteuerung der Waarenhäuser ausgesprochen; aber es hat auch eine betrãcht⸗ liche Minorität die Sonderbesteuerung der Waarenhäuser in Erwägung gejogen: 10 Handelskammern haben sich für den vorjährigen Entwurf augesprochen, 4 unbedingt für eine Umsatzsteuer, haben sich unter gewissen Modalitäten für eine Umsatzsteuer ausgesprochen. Also es ist doch auch in der That unter den Handelskammern eine Auffassung vertreten, die sich mit der Grundauffassung der Staatsregierung deckt.

Im übrigen aber muß ich sagen, ich identifiziere mich nicht mit der Auffassung der Mehrheit der Handeltorgane, sondern prüfe selbst. Wenn ich nun die Gründe in Betracht ziehe, die für die Handels⸗ kammern leitend gewesen sind, wenn sie sich gegen eine Sonder⸗ besteuerung der Waarenhäuser aussprechen, so müssen Sie mir ge⸗ statten, Ihnen diese Gründe mit einigen Worten darzulegen. Die

der grogen Waarenhäuser eine ganz natürliche Konsequenz der modernen Waarenproduktion sei. Sie sagen, durch den fabrikatorischen Betrieb wird eine große Menge von billigen Mittelwaaren produziert. Der Vertrieb dieser Mittelwaaren unter die Konsumenten erfordert aber die Einrichtung großer Waarenhaͤuser, die mit viel größerer Wirkung und in viel vollkommenerer Weise den Vertrieb dieser Waaren be— wirken, als der Kleinhändler sie zu leisten vermag. Sie sind deshalb der Meinung, daß diese großen Waarenhäuser eine entwickeltere Form des Kleinhandels sind; sie betrachten sie als einen Fortschritt, der sich darin kundgiebt, daß vortheilhaftere Einkäufe gemacht werden, die Räume besser ausgenutzt werden, das Personal besser ausgenutzt wird, daß daher billigere Preise gestellt werden, daß überall Baarzahlung stattfindet, daß ein vollständig organisiertes Geschäft geschaffen wird das der Aufgabe in höherem Grade genügen kann, als die Zersplitterung des Vertriebs dieser Mittelwaarenproduktion unter zahlreiche Kleinhändler, unter denen sich außerdem, wie die Handelskammern nicht mit Unrecht annehmen,

vielfach recht zweifelhafte Existenzen befinden, vielfach Leute, die sich

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früheren Gesetzentwürfen bildet, und der deshalb von dem Handels⸗

Handelskammern gehen von der Voraussetzung aus, daß die Ausbildung

mit ungenügender Leistungsfähigkeit, mit ungenügender Kenntniß und ungenügendem Kapital etablieren und dann bald der Liquidation und dem Konkurs anheimfallen.

Wenn nun aber auch alle diese Auffassungen völlig unbestritten

richtig wären und die volle Tragweite hätten, die die Handelskammern ihnen beimessen, dann würde ich doch noch nicht zu dem Schluß kommen, daß nun eine Sonderbesteuerung der Waarenhäuser nicht angezeigt sei, und zwar deshalb nicht, weil außer den Erwägungen, die die Handelskammern hierbei geleitet haben, noch andere Er⸗ wägungen in Betracht kommen, die ihrerseits nicht genügend gewürdigt werden. Hler muß ich vor allen Dingen darauf aufmerksam machen, daß ja neben den großen Waarenhäusern, so wesentlich sie auch sein mögen für den Vertrieb der Mittelwaarenproduktion, doch auch zweifellos der Kleinhandel erforderlich ist; denn nur in den großen Städten, nur in den bevölkerten Benrken können die großen Waarenhäuser, die großen Kaufläden bestehen. Den Vertrieb der Produkte auf dem Lande und in den weniger be⸗ völkerten Gegenden, in den Kleinstädten, muß doch der Kleinhandel

besorgen.

Außerdem handelt es sich nicht bloß um den Zwischenhandel;

es handelt sich vor allem auch um das Handwerk. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Sie alle wissen, meine Herren, daß gerade das Handwerk durch die moderne Produktion in eine überaus schwierige

Lage gekommen ist; Sie alle wissen, daß wir seit Jahren bemüht sind, in der Staattzregierung und Landesvertretung, durch Maßregeln der Gesetzgebung und der Verwaltung das Handwerk zu heben und zwar gerade dadurch zu heben, daß man es technisch und wirthschaftlich be⸗ fähigter machen, als es bisher gewesen ist, daß man es dahin bringt, den rein handwerksmäßigen Betrieb in einen kaufmãnnisch geordneten Kleinhandel überjuführen. Deshalb sind wir dazu übergegangen, in umfassendem Maße den Fach und Fortbildungsschulunterricht zu fördern, dafür zu sorgen, daß der Handwerkerstand eine gewisse kauf⸗ männische Vorbildung erhält, deshalb haben wir dazu gesorgt, seine technische Befähigung zu erhöhen. Wir haben noch in diesem Jahre den Vorschlag gemacht, Meisterkurse einzuführen, wir haben Lehr—⸗ werkstätten errichtet, wir haben Ausstellungen von Modellen und von Werkzeugen veranstaltet und alle möglichen Mittel ergriffen, die geeignet sind, um das Handwerk zu heben, um es ihm zu ermöglichen, in der schwierigen Lage, in die es durch das Auswachsen der Groß⸗ betriebe gerathen ist, sich zu halten. Und nun, meine Herren, frage ich Sie: Ist es denn nicht auch meine Aufgabe als Handels⸗ Minister, ebenso zu sorgen für das Kleingewerbe und den Kleinhandel wie für den Großhandel und das Großgewerbe? (Sehr richtig! Bravo!) Ich meine, ich wärde meine Pflicht vernachlässigen, wenn ich das nicht thäte. Gerade weil das Handwerk in bedrängter Lage ist, gerade deshalb habe ich ihm meine Fürsorge zuzuwenden. (Sehr richtig) Darin hat das hohe Haus mir bisher zur Seite ge⸗ standen, darin werde ich auch in der Folge mit seiner Unterstützung fortfahren.

Und nun, meine Herren, wenn es nicht zu leugnen ist, daß das Handwerk in eine bedrängte Lage gerathen ist, daß der Kleinhandel, der mit dem Handwerk sich verbindet, sich in bedrängter Lage befindet in den Berichten der Handelskammern, bemerke ich, wird das aus⸗ drücklich anerkannt und von keiner Seite bestritten (hört! hört! rechts5 ist dann nicht auch eine der wichtigsten Fragen, die hierbei in Betracht zu ziehen sind, die, daß die großen Kosten der kommunalen Veranstaltungen nicht in über- großem Maße auf den Kleinhandel und den Kleinbetrieb ent- fallen, sondern daß sie in gerechter und billiger Weise vertheilt werden? Wie belangreich diese Kosten in den großen Städten sind, das baben wir alle Tage vor Augen. Waz kostet nicht die Herstellung der großen Straßen, was kosten nicht die Durchbrüche, die Er⸗ weiterungen der großen Straßen, die Pflasterungen, der ornamentale, der gärtnerische Schmuck der großen Plätze, was kostet nicht die Beleuchtung, die Reinigung, die Wasserzuführung und alle diese Ein⸗ richtungen? Und kommen die nicht gerade vorzugsweise denjenigen zu gute, die ihre großen Läden und Kaufhallen an diesen Straßen und Plätzen haben? Hat nicht der Schmuck, die Ordnung und der Glanz der Straßen und Plätze denselben Effekt und dieselbe Bedeutung wie der Schmuck der Läden, in denen diese Herren ihre Waaren verkaufen? Die glänzeaden Hallen, in die man eintritt, die mächtigen Portale, die Treppenfluchten, die Fluth von Licht, die sich Abends durch die Räume ergießt, die haben ja gerade die Bedeutung, die Kauflustigen anzu⸗ ziehen, die Kauflust zu erwecken. (Sehr richtig Wirkt nicht gerade in demselben Sinne der Schmuck der Straßen, in denen diese Kauf⸗ hallen liegen? (Sehr richtig!) Deshalb sage ich, gerade diese großen Gemeindeveranstaltungen mit den großen Kosten, die sie erfordern, nützen vor allen Dingen den großen Waarenhäusern, den großen Kauf⸗ hallen, mögen Sie nun die Spejialgeschäfte, die nur mit einem Artikel handeln, hineinziehen, oder nicht. (Hört, hört! Aber den Großbetrieben im Detailhandel nützen sie vorzugsweise. Und dem⸗ gegenüber vergleichen Sie nur die Vertheilung der Kosten nach dem jLetzigen Gewerbesteuergesetz. Da finden Sie, wenn Sie die Mittel sätze vergleichen mit dem Ertrage, der für die Klassenbildung maßgebend ist, eine ganz geringe Degression nach der vierten Klasse hin. Umgekehrt, wenn Sie die Mittelsätze vergleichen mit dem Betriebs- und Anlage⸗ kapital, das zum anderen maßgebend für die Klassenbildung ist, so haben Sie nicht eine Degression, sondern eine Progression. (Hört, bört) Nun, frage ich Sie, meine Herren, das ist doch nicht richtig, da ist es doch erwünscht und nothwendig, daß man eine anderweite Vertheilung, eine Entlastung der Kleinbetriebe eintreten läßt. Nun, auch darüber sind die meisten der Handelskammern einverstanden, sie sind auch der Meinung, eine solche Entlastung sei nöthig, aber sie sagen, diese Entlastung kann und darf nur durch eine Revision des Gewerbe steuergesetzes eintreten. (Sehr richtig h Da sagt nun die Finanj⸗ verwaltung: das Gewerbesteuergesetz ist eins der schwierigsten und kompliziertesten Gesetze, es besteht erst seit noch nicht 10 Jahren, und in dieses Gesetz ändernd einzugreifen gerade jetzt, wo auf dem ganzen Gebiete von Handel und Gewerbe alles in rascher Entwickelung und Bewegung begriffen ist, das ist einfach unmöglich (sehr richtig!); wir haben eine längere Zeit, eine längere Erfahrung nöthig, ehe wir mit einer Umgestaltung des Gewerbesteuergesetzes vorgehen können. Da bleibt denn in der That nichts Anderes übrig, als daß man diejenigen Kontribuenten in den Gemeinden zu einer stärkeren Belastung heranzieht, die zweifellos ungenügend belastet sind; das aber sind die Kaufhäuser, das sind die Waarenhäuser. Sie sehen, meine Herren,

das ist 1 grundsätzliche Auffassung, die für mich leitend und be⸗

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