1900 / 55 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 02 Mar 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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führungen, die meinerseits in der Budgetkommission gemacht worden find, darf ich mich wohl kurz fassen und mich im wesentlichen darauf beschrãnken, an die Ausführungen der früheren Jahre anzuschlleßen und das Bild, welches ich dort gegeben habe, zu ergänzen.

Meine Herren, die Staatgeisenbabn⸗Verwaltung ist in das neue Jahrhundert unter verbältnißmäßig recht günstigen Bedingungen ein getreten. Der breite Verkehrsftrom, der seit einigen Jahren in steigendem Wachsen befruchtend durch unser Land zieht, läßt nicht nach, ift vielmehr noch in der Steigerung begriffen, und, was noch mehr bedeuten will, die Quellen, aus denen dieser mächtige Strom sich ent⸗ wickelt, die wirthschaftliche Lage und der Wobhlstand des Landes, haben sich so gehoben und se gefestigt, daß man mit aller Sicherheit nicht nur auf ein Anhalten dieses Verkehrsstromes, sondern auch auf eine weitere Steigerung wird rechnen dürfen. Die Entwickelungs fähigkeit des Verkehrs ist nach allen Erfahrungen, die in der Kulturgeschichte der Völker niedergelegt sind, eine unbegrenzte, wenn dem Verkehr die geeigneten Wege nicht versagt werden. Große Kriege und schwere innere Krisen können wohl vorübergebend Störungen herbei⸗ fübren. Diese Störungen und die ihnen zu Grunde liegenden allgemeinen wirthschaftlichen Schädigungen werden aber um so rascher und um so wirksamer überwunden, je vollständiger das Verkehrsnetz eines Landes ausgebildet ist. Bedürfte es hierfür eines Beweises, so vergleiche man die wirthschaftliche Wiederaufrichtung der Länder, und jwar sowohl der Sieger wie der Besiegten, nach den letzten großen Kriegen des vergangenen Jahrhunderts mit den bezüglichen Erschei—⸗ nungen in der früheren, verkehrsarmen Zeit. Darum tragen die Mittel, welche ein Land jzur Verbesserung und zur Ergänzung seiner Verkehrswege aufwendet, in guten und auch in bösen Zeiten reiche Zinsen. Es wäre aber eine Ueberhebung sondergleichen, wenn die Eisenbahn von sich behaupten wollte, daß sie in der heutigen Zeit der einzig berechtigte und jeitgemäße Verkehrsweg sei. (Sehr richtig! links). Wasserstraßen und Landwege sind durchaus nicht veraltet, viel⸗ mehr jede an ihrem Platz in aller kommenden Zeit voll berufen und geeignet zur erfolgreichen Mitarbeit im Verkehrsleben.

Die Periode des wirthschaftlichen Aufschwunges, in der wir uns seit einer Reihe von Jabren befinden, darf meinez Erachtens auch nicht nach dem Verlauf früherer Hausse⸗ Perioden beurtbeilt werden. Der jetzige Aufschwung unserer wirthschaftlichen Verhältnisse, nament⸗ lich in der Industrie, ist allmählich entsftanden, und zwar entstanden obne äußere Veranlassung. Er hat von Jahr zu Jabr an innerer Kraft gewonnen; es sind wirkliche und nicht eingebildete Spekalatiens⸗ Bedürfnisse, welche die auf allen Gebieten gesteigerte Produktion heut⸗ zutage befriedigt; es ist eine innerlich gesunde Bewegung in unserem wirthschaftlichen Leben. Daneben sind die Löhne und der Preis der Waare wenigstens im Großen und Ganzen in einem angemessenen Verhältniß geblieben, und darauf möchte ich besonderen Nachdruck legen es wird nach beiden Richtungen hin auch im wesentlichen Maß gehalten, und das Maßhalten ist die beste Gewähr für eine Fortdauer der günfstigen Konjunktur.

Meine Herren, die mißlichen Erfahrungen, die wir nach der anderen Richtung in der früheren Hausse Periode gemacht haben, haben erzieherisch gewirkt. Sie haben im wesentlichen zu einem Zusammenschluß der Produktion geführt, gerade zum Zweck des Maß— haltens, und darum fühle ich mich verpflichtet, immer wieder darauf hinzuweisen, daß die Syndikate, die sich in großen Produ ktionsgebieten gebildet haben mögen sie nun diesen Namen tragen, wie im Ruhr⸗ gebiet das Kohlen“, das Schienen Syndikat u. s. w., oder mögen sie nur faktisch bestehen, wie in Oberschlesien die Vereinigungen unter den Produzenten und den großen Handelsfirmen sie haben, so oft sie auch mit Unrecht geschmäht worden sind, wesentlich dazu beigetragen, unsere Verhältnisse gesund zu halten und das Maßhalten zu besördern. Sie werden auch in Zukunft, wenn sie die nöthige Umsicht und Widerftandskraft wie bisher entwickeln und dem an und für sich ja natürlichen Anreize, die wirthschaftliche Konjunktur einseitig auszu⸗ beuten, energisch entgegentreten, nach wie vor zum Segen des Landes dienen.

Meine Herren, was das Maßhalten in der Industrie für die Tonsumenten praltisch bedeutet, kann Niemand besser beurtheilen als die Eisenbahn, deren wirthschaftlicher Erfolg zum nicht geringen Theile von diesem Maßhalten abhängig ist, um so abbängiger, als sie ja ihrerseitß von guten Konjunkturen mit ihren Leistungen keinen Ge— brauch machen kann; sie darf mit ihren Preisen die guten Kor ju kturen nicht ausnützen. Aber der dauernde finanzielle Erfolg der Eisenbahnen ift auch entscheidend für die Finanzlage des Staates, denn die Eisen— bahnen sind zur Zeit noch seine größten Einnahmequellen und werden es voraus sichtlich auch bleiben. Mine Herren, was das ziffernmäßig bedeutet, möchte ich Ihnen kurz mit einigen Zablen vorführen. Wenn man rie reine Betriebsausgabe (Kap. 23 des Etats) von der reinen Betriebteinnabm: (Kap. 10), mit der wir uns jetzt beschäftigen wollen, abzieht, so sind

in den letzten drei Jahren folgende Betriebsüberschüsse herausgemirtb⸗ schaftet ich nenne runde Zffern —: 1896/97 503 899g 000, 1897 / 98 5531 677 000, 1898/99 536 630 000. In diesen drei Jahren ist also der reine Betrieb süberschuß stetz gestiegen. Für das noch laufende Statt jahr 1899 erwarten wir einen Betriebsüberschuß von 565 Millionen Mark (hört, hört h, d. h. gegen den Betriebsäberschuß des Vor— jabres ein Mehr von 29 Millionen, gegen den Etatsanschlag für das laufende Jahr ein Mehr von 22 Millienen. Meine Herren, diese Ziffer beruht natürlich auf Schätzung; die Einnahmen liegen nur vor für die ersten 10 Monate, es fehlen noch zwei, und was den Güter verkehr angeht, so sind die definitiven Berechnungen ja noch weiter zurück, da sie in den direkten Verkehren überhaupt nicht so rasch her⸗ gestellt we den können. Auch die Betriebsausgabe des laufenden Etate—⸗ jabres beruht naturgemäß auf Schätzungen; wir halten aber die Ziffern für richtig vorausgesetzt, daß nicht irgend welche elementaren

Störungen in der letzten Etatsperiode erfolgen. Das ist der Rein- überschuß des Betriebes. Ehe derselbe in die große Tasche des Staates flitßt, gehen davon natürlich noch manche dicke Millionen gemäß den Bestimmungen des Etats ab. Ich komme auf dieses Thema noch weiter.

Die Fapitalaufwendungen, welche zur Erzielung solcher Ueber⸗ schüfse nothwendig waren und auch in Zukunft noch nothwendig werden, sind fast ausschließlich als Vermehrung der Substanz anzusehen, nicht als Retablierung des Betriebes. Es ist ein Beweis unserer günftigen finanziellen Lage sowohl der Eisenbahnverwaltung als der allgemeinen Staatefinanzlage, daß diese großen Kapitalaufwendungen in den letzten Jahren haben gemacht werden können, ohne den Kredit des Staates is Anspruch zu nebmen, sondern daß es möglich war, aus den Ueber— schüssen der Eisenbahn diese Kapitalaufwendungen zu decken. Diese

abgesehen von den aus Anleihen bestrittenen Aufwendungen für den Bau neuer Bahnen, die sich im letzten Jahre auf ungefähr 200 Millionen belaufen haben —, 388 Millionen, also eine stattliche Ziffer. Davon kommen auf das Gxtraordinarium 248 Millionen und auf die besonderen Fonds, die der Gisenbahnverwaltung durch den Landtag zur Verfügung gestellt worden sind, 140 Millionen. Es wird Ihnen interessant sein, in runden Ziffern ein Bild davon zu gewinnen, wozu das Geld eigentlich verwendet ist, um gleichzeitig sich davon zu überzeugen, daß es im Großen und Ganzen eine Substanzvermehrung gewesen ist, welche dadurch erzielt worden ist. Von diesen rund 388 Millionen sind verwandt oder in ihrer Bestimmung festgelegt: 9 Millionen zur Herstellung von kurzen Um⸗ gehungsbahnen im Ruhrkohlengebiet, 37 Millionen zum Ankauf von Grund und Boden (vielfach zusammenhängender Bauterrains bei großen Städten) in Vorbereitung von Projekten, die in den nächsten Jahren ausgeführt werden müssen. Die Verwendung der Mittel zu dem Zwecke fteht vollstãndig in Uebereinstimmung mit der Auffassung des Land⸗ tags. Der Landtag hat die Verwaltung wiederholentlich gerade auf diesen Punkt hingewiesen, und nachdem wir die nöthigen Mittel haben, sind wir auch in der Beziehung ziemlich umfassend vorgegangen. Ferner sind 60 Millionen für Gleise verwendet worden, 130 Millionen für große Bahnhofgumbauten, und endlich der dickste Posten, 152 Millionen, für Vermehrung des Fuhrparks in 4 Jahren, bemerke ich! um 688 Lokomotiven, 1511 Personenwagen und 34 483 Gepäck und Güter⸗ wagen. Meine Herren, das sind nicht mebr Ausgaben des laufen den Betriebes, sondern das sind Ausgaben, die sich im wesentlichen, wie gesagt, als Substanzvermehrung charakterisieren, die allo, wenn man sich ein Bild von dem Erfolg des Betriebes der Gisenbahnen machen will, außer Ansatz bleiben müssen.

Meine Herren, ich möchte die allgemeinen Bemerkungen nur noch mit einer Erläuterung, des sich im Etat 1900 ergebenden Gesammtüber⸗ schusses schließen; wenn Sie nämlich den Etat für 1900 zur Hand nehmen, so werden Sie finden, daß er (Seite 71) nicht mit einem Mehrüberschuß gegen den Etat des Vorjahrs, sondern mit einem Minderüberschuß von 678 479 M abschließt. Das ist aber nur schein⸗ bar und beruht darauf, daß wir im Etat der Eisenbabnverwaltung für 1900 jum ersten Mal die 8 Millionen jur Erscheinung bringen, welche bereits im Etat 1899 an Vermehrung der Beamtengehälter bewilligt, aber damals im Etat der Finanzverwaltung untergebracht waren, und zweitens kommt in Betracht, daß die Beiträge, welche aus dem Pensionsgarantiefends den Betriebs. Einnahmen zuflossen, und welche im Vorjahre noch 6 669 000 M betrugen, für 1900 in Fortfall kommen, weil dieser Pensionsgarantiefonds, der noch aus der alten Zeit der verstaatlichten Peivatbahnen herrührt, jetzt aufgejehrt ist. Diese beiden Faktoren verschieben das Bild in der Weise, daß der Gesammtüberschuß für 1900 um etwa 141 Millionen günstiger gegen den Etat 1899 ausfällt.

Ich möchte mich nun zu den einzelnen Kapiteln des Etats wenden, werde mich aber auch da mit Rücksicht auf meine Ausführungen, die Ihnen gedruckt vorliegen, ganz knapp fassen.

Die Betriebseinnahme (Kap. 10 betrug im Jahre 1898/99 1263 437 000 M6. Dem gegenüber sind die Einnahmen für das laufende Etatsjahr 1899 auf rund 1280 Millionen M veranschlagt; sie werden aber nach dem bisherigen Ergebriß 52 Millionen Æ mehr bringen, also auf 1332 Millionen fteigen, während die Betriebseinnahme im Etat für 1900 auf 1358 Millionen veranschlagt ist, also nur um 26 Millionen höher, als vorautsichilich das Jahr 1899 bringt. Meine Herren, Sie werden mit mir überzeugt sein, daß diese V ranschlagung der Einnahmen eine vorsichtige ist; Sie werden aber auch aus den Ziffern, die ich Ihnen nachher bezüglich der Ausgaben geben werde, hoffentlich zu derselben Ueberzeugung kommen.

Was den Personen und Güterverkehr betr fft, so kann ich mich im allgemeinen auf das beziehen, was der Herr Referent ausgeführt hat, und was in meinen schriftlichen Eiklärungen st ht. Ich möchte nur gewissermaßen als Kuriosum hinzufügen, daß an der Steigerung der gefahrenen Personenkilometer das ist entscheidend für die Charakteristik des Veikehrs —, die rund 969 Millionen oder 8 420o betiägt, prozentual den größten Antheil die erste Klasse hat. Das steht im Widerspruch mit früheren Erfahrungen, ist aber unleug⸗ bar und hängt wohl im wesentlichen zusammen mit den verbesserten großen Schnellzügen, die eingerichtet worden sind, die davon wird sich fast jeder von Ihnen persönlich überzeugt haben nicht nur in der Reisezeit, sondern meist auch zu jeder anderen Zeit sehr reichlich, zu⸗ weilen überreichlich besetzt sind (sehr richtig!), sodaß wir von Jahr zu Jahr zur Vermehrung dieser Züge haben schreiten müssen.

Die größte absolute Gesammteinnahme bringt die dritte Klasse, ihr zunächst steht die vierte Klasse. Die Einführung der vierten Klasse auf den hessischen Bahnen hat ganz überraschend günstige Ergebnisse geliefert und namentlich den Beweis erbracht, daß die süddeutsche Abneigung gegen die preußische Einrichtung der vierten Klasse eine rein theoretische ist, und die Leute in der Praxis ganz anderer Meinung sind.

Beim Güterveikebr ist meiner Meinung nach auch kaum etwas zu bemerken. Ich will nur zur Charakterist k? und zur Beleuchtung von Fragen, die im Laufe der Debatte kommen werden, noch mit theilen, daß an der Ruhr der Kohlenverkehr im laufenden Jahre 1839, Januar bis Dezember gerechnet, um 6,3 6,0 gestiegen ist, in Ober— schlesien um 5,8 , im Braunkoblenrevier aber um 10,3093. Im Ruhrrevier sind wir im laufenden Jahre zu der großen Z ffer 16000 täglicher Gestellung gekommen und haben sie an vielen Tagen bis nahe an 17 000 überschritten. (Hört! hört! bei den National— liberalen). Das sind nur die offenen Wagen, die zum Kohlenverkehr verwandt und den Zechen gestellt werden. Dazu sind zu rechnen mindestens noch 4000 Wagen, die für den anderen Verkehr

gebraucht werden. Es sind also in dem Ruhr⸗Kohlenrevier 20 000 Wagen täglich zu gestellen und 20 000 Wazen täglich abzufahren. Meine Herren, wenn Sie sich nur diese Zahl von Wagen vergegenwärtigen in ihrer Länge auf ein Gleis gestellt, so kommen Sie auf 8 X 20 000 m 160 Em; und die einfache Ziffer können wir nicht rechnen, sondern wir müssen auch noch einen sehr erheblichen Theil der Doppelziff er hinzufügen, denn während der Wagen auf der Zeche jur Belastung steht, muß der für die nächste Schicht zu ge⸗ brauchende Wagen bereits im Anfahren begriffen und theil weise schon angekommen seln, also auch für ihn ist noch Platz zu rechnen. Meine Herren, das sind Zahlen von so außerordentlicher Größe, die einen so dichten Verkehr darstellen, wie er nirgendwo anders in der ganzen Welt existiert, ein Verkehr, der sich auf ein geographisch eng um—

weiteren Schlüsse ziehen, sie liegen ja nicht als ein verschlelertes, sondern als ein recht deutliches Bild im Hintergrunde. ( Heiterkeit.)

Meine Herren, die Betriebgausgabe, welche im Etatslahre 1898/99 rund ungefähr 727 Millionen betrug, ist für das laufende Etatsjahr auf 737 Millionen veranschlagt, sie wird sich aber in Wirk⸗

767 Millionen erreichen. Im neuen Etat für 1900 sind 810 736 000

Mark veranschlagt. Meine Herren, Sie werden aus den Ziffern

schon entnehmen, daß die Steigerung der Ausgabe prozentual nach⸗

gelassen hat. Ich will nicht behaupten, daß wir bereitög auf einem

Beharrungszustand der Ausgaben angekommen sind, aber das glaube

ich doch versichern zu können, daß wir uns ihm wieder nähern. Und

das ist auch ganz natürlich, denn ein großer Theil derjenigen Aus⸗

gabesteigerung, die in den vorigen Jahren den Etat so hat anschwellen

lassen, kommt jetzt nicht wieder. Neue Etatestellen für Beamte

werden ja immer kommen, aber wir nehmen an, daß wir in einem

verhältnißmäßigen Beharrungszustand bezüglich der persönlichen Aus.

gaben ungefähr angelangt sind. Aber auch in den sächlichen Ausgaben

werden die großen Steigerungen, wie sie die vorigen Jabre gebracht

haben, nicht wieder kommen, sondern auf wichtigen Gebieten allmählich

in einen Beharrungszustand übergehen.

Meine Herren, der Betriebekoesfistent das ist ja das Barometer,

nach dem wir unsere Wirthschaftlichkeit zu messen pflegen hat in

den Jahren 1897 / 98 55,27 0 , 1898ñ‚99 57,53 und im laufenden

Jahr wird er voraussichtlich 57,61 betragen; oder, wenn man die im

Etat der Finanzverwaltung vorgesehenen Gehaltserhöhungen für Eisen⸗

bahnbeamte hier mit in Rechnung stellt, dann kommen wir auf

58,19 0/0. Immerhin stehen wir mit diesem Prozentsatz bei weitem

am günstigsten von allen deutschen Staatsbahnen, viel günstiger als

Bayern, Sachsen, Baden, Württemberg und so weiter, die zum Theil

sehr viel höher sind und von denen nur eine einen annäbernden,

aber auch noch über 60 9υ‛⏑ stehenden Betriebskoesfizienten auf—

weist. Demgemäß verzinsen sich auch die preußischen Staats-

bahnen entschieden am höchfsten, und jwar, wenn man das

statistische Anlagekapital zu 7,6 Milliarden rechnet, beträgt der

reine Betriebsüberschuß etwas über 7 , des Anlazekapitals.

Die Rechnungen, die in den übrigen Bundesstaaten seit dem vorigen

Jahre nach dem preußischen Schema gemacht werden man hat sich

unter Vermittelung des Reichs⸗Eisenbahnamtes dahin geeinigt weisen

erheblich niedrigere Erträgnisse nach. Ich will hier die einzelnen

Zahlen nicht nennen; ich glaube, es genügt auch, wenn ich sage: es kommt keine von diesen Zihlen auch nur annähernd an H oso. Das günstige Ergebniß der preußischen Staatsbahnen ist erzielt trotz der außerordentlich gewachsenen Kilometerzahl der Nebenbahnen, von denen man nicht vorausgesetzt hat und auch nicht erwarten kann, daß sie in den ersten Jahren zur Verzinsung erhebliche Beiträge liefern werden, und trotzdem daß wir aus den laufenden ordentlichen Aus⸗ gaben des Etats im letzten Jahrzehnt die Bezüge der Bediensteten um 72 Millionen Mark erhöht und mindestens 150 Millionen für Meliorationen ausgegeben haben, die bei den anderen Bahnen ent⸗ sprechend dem Normalbuchungsschema nicht in die laufenden Betriebs⸗ ausgaben gerechnet sind.

Ich möchte mich nun mit einigen Worten zu den persönlichen Aus gaben wenden, die ja eine sehr große Rolle nicht bloß wirth⸗ schaftlich, sondern auch politisch und sozial spielen. Im Ganzen betragen die persönlichen Ausgaben des neuen Etats 383 Millionen. Die Zunahme der persönlichen Ausgaben ist prozentual in einigen Jahren, und zwar in den letzten Jahren, stärker gewesen als die prozentuale Zunahme des Verkehrs, der Roheinnahmen. Die Ursachen dieser Zunahme der personellen Ausgaben liegen auf der Hand, sind den Herren wohl bekannt; sie liegen in der Verstärkung des Personals durch betriebssicherbeitliche und solche Ausgaben, die einer beschleunigten Güterbeförderung dienen, namentlich aber in der Einkommens verbesserung, die dem Personal gewährt ift, und in den weitgehenden Diensterleichterungen, die durch Abkürjung der Tagesleistung und Vermehrung der Ruhe des Dienstpersonals veranlaßt worden sind⸗˖ Die Einkommensverbesserung bestebt in der Verbesserung des Gebalts, sie besteht aber auch in der sehr energisch fortgeschrittenen Vermehrung der Etatestellen. Meine Herren, wir haben in den letzten drei Jahren 20 821 neue etats mäßige Beamtenstellen geschaffen. Davon kommen auf den Etat 1900 allein 5163 neue Stellen, und jwar ganz über⸗ wiegend für Unterbeamte, mit einer Einkommentzoerb sserung von rund 31/8 Millionen Mark. Dann kommt die Erhöhung der Unter⸗ beamtengehälter, die, wie ich vorhin schon anführte, 8 Millionen Mark gekostet hat. Dann kommt ferner ein sehr schwerwiegendes Moment, das ist die Erhöhung der Arbeitslöhne. Die Staatzeisenbahn⸗ Verwaltung kann und darf sich dem nicht entziehen, die Lohne so zu regulieren, wie sie auf dem Arbeitsmarkte reguliert sind; sie darf und kann mit ihren Löhnen hinter den bezüglichen Löhnen der Privat- industrie und den sonst in den wirthschaftlichen Betrieben gezablten Löhnen nitzt zurückbleiben. Der Mehraufwand, der dadurch in den beiden letzten Jahren verarsacht ist, betrug in dem ersten dieser beiden Jahre 45/10 und in dem zweiten 5i/s Millionen Mark und wird im neuen Etat 41½ Millionen Mark betragen.

Was überhaupt an Einkommensverbesserungen für das Dienst— personal bewilligt ist, veranschaulichen am besten einzelne ganz charak⸗ teristische Ziffern. Wenn das im Jahre 1900 nach dem neuen Etat zu beschäftigende Personal diejenigen Gehälter und Löhne bekäme, die in den betreffenden Stellen im Jahre 1890 bezahlt worden sind, also vor 10 Jahren, so würde der Etat 1900 erleichtert werden füt Beamte um 305 Millionen und für Arbeiter um 415 Millionen also bei derselben Anzahl —, zusammen für Beamte und Arbeiter um 72 Millionen Mark.

Die Maßregeln für eine Gewährung längerer Ruhe und Er— leichterung des Dienstes sind bereits vor jwei Jahren zum Abschluß gekommen. Formell ist allerdings mit dem 1. Januar eine Neu⸗ ordnung auf diesem Gebiet eingetreten. Diese Neuordnung hat aber nur den Sinn, daß jetzt die übrigen deutschen Bahnen unsere Be⸗ stimmungen angenommen und daß wir uns so zu einer großen Ver⸗ einigung zusammengeschlossen haben. Das hat einige geringfügige formelle Aenderungen zur Folge gehabt, materiell haben wir dieselben Bestimmungen wie vorher.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

ars Betriebsüberschüssen bestrittenen Kapitalaufwendungen sind

grenztes lleines Geriet zusammendrängt. Ich will daraus beute keine

lichkeit um 30 Millionen höher stellen und also die Ziffer von

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 55.

Berlin, Freitag, den 2. März

1900.

(Schluß aus der Ersten Beilage)

Meine Herren, weil ich augenblicklich bei den sozialen Auf⸗ gaben der Staatzessenbahnverwaltung bin, möchte ich noch anführen, daß wir mit der Herstellung geeigneter und billiger Wohnungen für unser Personal im steigenden Maße fortgeschritten sind. Sie finden im Betriebsbericht für 1898/99 darüber sehr ins einzelne gehende Ausführungen. Ich will hier nur hervorheben, daß wir heute über mehr als 30 000 Wohnungen verfügen. Das Geld dafür ist zum theil aus den Gesetzen, die Sie bewilligt haben, zum nicht geringen Theil aber aus etatlichen Mitteln. Was in der Be⸗ ziehung geschehen ist, ist zum Segen gescheben nicht nur der betreffenden Beamten und Arbeiter, sondern, ich möchte sagen, zum Segen des ganzen Landes. Meine Herren, das wird auch von den Arbeitern in der Verwaltung mehr und mehr erkannt, Gott sei Dank sind wir von irgendwie hervortretenden, sich unangenehm fühlbar machenden sozial⸗ demokratischen Agitationen verschont geblieben. Daß viele unserer Arbeiter und vielleicht manche unserer Unterbeamten so ꝛialdemokraische Neigungen haben und mit Wohlgefallen hier und da alle die Ver⸗ sprechungen anhören, die ihnen seitens der sozialdemokratischen Agi⸗ tatoren gemacht werden, das bezrzelfle ich keinen Augenblick, aber im Großen und Ganzen ist unsere Beamtenschaft und unser Arbeiter⸗ personal noch ein treu der Monarchie und der Verwaltung anhängendes.

Meine Herren, wir haben im Jahre 1898/99 daz 99er Jahr ist noch nicht abgeschlossen in der Beziehung an 3019 Acbeitern eine Prämie für Vollendung des 25jährigen Dienstes in der Ver⸗ waltung geben können, an 417 für 35jährige und an 11, die ihr So jähriges Dienstjubiläum bei uns gefeiert haben. .

Meine Herren, zu unserer großen Freude haben wir serner ohne jede Mehraufwendung des Staates und ohne unzulässige Belastung der Kassen die Rentenzuschüsse, sowie die Wittwen“ und Waisengelder der ständigen Arbeiter an ihre Hinterbliebenen wesentlich erhöhen können. Es ist das geschehen nach sorgfltigster versicherungstechnischer Prüfung der Verhältnisse, und es nicht auzgeschlossen, daß wir auf diesem Gebiet in Zukunft noch mehr thun. Auch darf ich mit Be⸗ friedigung konstatieren, daß der innere Verband, der Korpsgeist, möchte ich sagen, in der Verwaltung entschieden in den letzten Jahren zu— genommen hat. Vom Präsidenten bis zum Arbeiter finden sich die Eisenbahner zusammen und seiern patriotische Feste und machen sich auch einmal einen vergnügten Tag, und die Einwirkungen, die das auf den gesammten Geist der Verwaltung ausgeübt hat, sind un⸗ verkennbar.

Ich wende mich auch möglichst knapp zu den sachlichen Aus gaben. Entscheidend sind hier die Titel 7, 8. und 9, die großen Titel, die im Gtat für 1900 zusammen mit 389 Millionen zu Buche stehen, also um 38,9? Millionen höher veranschlagt sind als im Etat für 1899. Ein großer Theil dieser Mehrausgaben steht im parallelen Verhältniß zu dem wachsenden Verkehr. Wenn wir mehr fahren, verbrennen wir mehr Kohlen, verbrauchen mehr Oel und verschleißen mehr Schienen. Ein anderer Theil dieser Mehrausgaben beruht aber naturgemäß in der Steigerung des Preeises der einzelnen Materialien. Was in dieser Beziehung in erster Linie wissensnöthig ist, finden Sie in meinen in der Kommission abgegebenen Erklärungen, die Ihnen gedruckt vorliegen. Ich brauche also hierauf nicht weiter einzugehen. Für die Kohlen haben wir mehr bezahlen müssen Som 1. Juli dieses Jahres ab. Das Mehr, was wir haben zahlen müssen, ist immer noch ein mäßiges und wir können mit diesem Vertrage zufrieden sein. Meine Bemühungen, den Vertrag auf zwei oder drei Jahre abru— schließen, scheiterten an dem absoluten Widerstand der Kohlenfirmen und was den Schienenvertrag anbetrifft, so ist Ihnen bereits mit— getheilt, daß der Schienenvertrag, den wir 1899 abgeschlossen haben, noch bis 1902 zu Preisen läuft, die jetzt beim Verkauf unseres alten Materials hie und da wesentlich überboten werden. 118 6 zahlen wir für neue Schienen; bei dem letzten Verdingen von altem Material ist uns für dasselbe Material bis zu 138 gezahlt worden. (Hört! hört h

Die Betr iebsmittel das steht auch in den Erklärungen, ich will hier nur einige zusammenfassende Ziffern geben sind wesent⸗ lich vermehrt. Vom 1. Oktober 1898 bis 1. Oktober 1899 sind ab⸗ geliefert: 800 Lokomotiven, 1000 Personenwagen und 17 500 Güter⸗ wagen. Es werden voraussichtlich weiter geliefert vom 1. Oktober 1899 bls 1. Oktober 1900: 800 Lokomotiven, 1100 Personenwagen, 17000 Güterwagen. Daß wir reichliche Beschäftigung für dieses Material haben werden, steht außer allem Zweifel, und zwar unterscheidet sich das letzte Jahr und theilweise schon das vorletzte Jahr dadurch von früheren Jahren, daß wir flaue Perioden fast gar nicht mehr kennen, soadern daß ein gesteigerter Verkebr meist das ganze Jahr hinduich anhält. In Monaten, in denen früher der Verkehr ganz gewaltig in sich zu— sammensank, ist er im vorigen Jahre sehr flott gegangen und wird auch in diesem Jahre aller Voraussicht nach sehr flott gehen.

Daß auch die Extraordinarien im Etat erheblich gestiegen find, hat der Herr Finanz Minister und habe ich Ihnen schon wieder⸗ bolt vorgeführt. Von 20 Millionen im Jahr 1894/95 sind wir auf 81 Millionen im Jahre 1899 und auf 86, beinahe 87 Millionen in dem neuen Etat gekommen. Freilich verausgabt sind diese Summen noch nicht vollständig; es sind auch da noch erheb⸗ liche Reste naturgemäß übrig, und zwar betrugen die noch nicht verauggabten Beftände des Extraordinariums am 1. Oktober 1899 noch 103 Millionen Mark. Das Extra⸗ ordinarium setzt nun Beträge aus theils für alte Bauten, theils für

neue Bauten und theils für Betriebsmittel. Die Raten für die alten Bauten sind verhältnißmäßig am meisten gewachsen, um die Eisenbahnverwaltung in die Lage zu setzen, möglichst rasch mit diesen Bauten vorzugehen; aber auch die ersten Raten für die neuen Bauten, und namentlich die Beträge für die Betriebsmittel, sind nicht uner— erheblich. Ich will nur aus der langen Liste, die mir vorliegt, die Endziffern mittheilen: das Extraordinarium 1895/96 setzte aus für

1895/96 9 Millionen, 1900 12 Millionen; für Betriebsmittel 1895 96 9 600 000, 1900 25 Milliozen.

Meine Herren, Sie werden aus diesem knapp gebaltenen Bilde es nicht als eine zu optimistische Auffassung betrachten, wenn ich zu Anfang meiner Erörterung ausgesprochen habe, daß die Staatseisen⸗ bahn⸗Verwaltung mit den günstigsten Auesichten in das neue Jahr bundert eingetreten ist; sie ist sich aber in allen ihren Gliedern bewußt, daß das neue Jahrhundert wie das alte ihr die Fülle harter Arbeit und Mühen und ernster Sorgen bringen wird, doch hat sie auch das Vertrauen und ich will hinzufügen auch das Selbstbewußtsein, daß sie ihren Platz im Staatsleben erfüllen und mit Erfolg bemüht sein wird, die großen Aufgaben zu lösen, die ihr werden gestellt werden. (Bravo! links.)

Abg. Conrad. Graudenz (fr. kons.) wünscht, daß die Eisenbahn nach Marienburg als Vollbahn ausgebaut werde . 6. 3 höfe in Kulmsee und Marienwerder umgebaut würden. Westpreußen sei fast ganz auf Nebenbahnen angewiesen, es sei aber eine Lebens. frage für die Prooinz, daß sie Vollbahnen erhalte.

Abg. Dr, Wiemer (fr. Volksp): Meine Freunde haben sich stets für die Ermäßigung der Tarife sowohl im Personen⸗, wie im Güterverkehr erklärt. Wir haben auch im Reichstas denfelben Antrag gestellt. Seit zehn Jahren, schon unter dem Minifter von Maybach, sind Verhandlungen über die Ermäßigung der Personentarife be gönnen worden, bisher noch immer ohne Erfolg. Der Minister von Thielen hat eine Vereinfachung der arife zugesagt, die Ermäßigung aber abgelehnt. Alle beson geren Vergünstigungen, wie Rundreisehefte, Rückfahrtkarten z. sollen aufgehoben werden, es soll nur noch ein ein⸗ faches Billet geben. Es wird dadurch eine Vertheuerung an ver— schiedenen Stellen eintreten. Mit der Vereinfachung sind wir ein— berstanden, aber sie bedeutet doch in erster Linie einen Vortheil für die Verwaltung. Das Pablikum verlangt vor allem eine Er— mäßigung und protestiert gegen eine Vertheuerung. Die Rück- fahrtkarte mag wegfallen, wenn nur keine Vertheuerung damit perunden ist. Der Wegfall der Saison. und Badekarten wird sowohl die Ost. und Nordseebäder, wie sehr viele Familien, nament- lich Beamtenfamilien, schädigꝛn. Auch die Rundreisehefte, über⸗ baupt alle liebgewordenen Einrichtungen, sollen aufhören. Jie Tarifreform ohne Ermäßigunn bleibt eine Nuß ohne Kern. Vom früheren Minister war uns die Ermäßigung versprochen, heute ist sie ganz in den Hintergrund geireten. Wir müffen eine einheitliche deursche Tarifpolitik fordern. Zwischen den süddeutschen und den elsas⸗lothringischen Bahnen haben schon Verhandlungen zur Verein— fachung und Ermäßigung der Personentarife stattgefun den, wobei bestehende Vergünstigungen erhalten bleiben sollen. Wir müssen auch auf diesem Gebiet wie auf dem Rechtegebiet Einbeit schaffen, der preußische Minister scheint sie aber zu stören. Im Reichstag hat die Regierung das Bedürfniß einer Ermäßigung der Personentarife bestriften. In Hessen hat sich der Verkehr durch die Einführung der IV. Klasse um 300 gehoben, nicht aus Vorlseb? für diese Klasse, sondern infolge der Billigkeit. In der J. Klasse sind befördert in einem Jahre 13 Millionen Personen, in der II. 513, in der II. 260 und in der IV. Klasss 2016 Millionen. Auch datz Bedürfniß der billigen Rückfahrtkarte wird Durch die Statistik bewiesen. Wenn England und Amerika theurere Tarife haben, so liegt das an den Geldverhältnissen überhaupt. In Belgien, Rußland, Dänemark sind die Persjonentarife billiger als bei uns. Die Behauptung dez Ministers, daß wir die bisligsten Tarsfe haben, ist also nur cum grano salis zu nehmen. Wir kommen nicht vorwärts, weil die Finanzverwaltung eine Schmälerung der Eie— nahmen befürchtet. Wann sollen wir zu Tarifermäßigungen kommen, wenn nicht jetzt bei der günstigen Finanzlage? Bie Befürchtungen sind nicht zutreffend, der vermehrte Verkehr gleicht den Eignahme⸗ ausfall wieder aus. Die J. Klasse hat im letzten Jabre 14 Millionen Mark, die II. 76, die III. 1305 (Rücksahrtkarten 76 Millionen) und die IV. 995 Millionen Maik eingebracht, und die größ e Steige⸗ rung gegen das Vorjahr liegt in der III. und IV. Klasse ein Beweis dafür, wie die Billigkeit den Verkehr hebt. Ungarn hat mit seinem Zonentarif gute finanzielle Erfolge gehabt, ebenso Dänemark. Bei der Verstaatlichung der Eisenbabnen sagte die Regierung, die Eisen⸗ bahnen seien nicht nur um des schnöden Gewinn willen da, sondern des Verkehrs wegen. Und heute? Die Befürchtung, daß die Ermãßigun der Personentarife den Arbeitermangel auf dem Lande verschärfen wird, trifft nicht in vollem Umfange zu; die Landwirthschaft wird dann sogar Lichter ausländische Arbeiter und Rübenarbeiter z. B. heran⸗ ziehen können. Und dann läßt sich der Arbeiter durch eine tbeuere Reise dech nicht abhalten, für sein ganzes Leben anderswo eine bessere Stellung zu suchen. Wir müssen uns gegen jede Beschränkung durch solche Maßnahmen im einseitigen Interesse der Agrarier verwahren. Der Minister von Thielen bat ja den Agrariern im Reichstage ge⸗ sagt, daß sie nicht allein auf der Welt seien. Der Minifter sollte seinen Namen nicht mit einer Reform verknüpfen, welche nur Ver— einfachung, aber nicht Ermäßigung bringt. Dag wäre nur eine reformatio in pejus.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:

Meine Herren! Ich könnte mich in meiner Entgegnung auf die Erklärungen beziehen, die Ihnen gedruckt vorliegen, die ich in der Budgetkommission, hier im Plenum in diesem hohen Hause und im Reichstage gemacht habe. Keinen von den Gründen, die gegen eine Ermäßigung der Personentarife angeführt sind, hat der Herr Vor— redner erschüttert. Die Gründe, die er seinerseits vorgebracht hat, sind sehr leicht zu widerlegen. Er bat auch mit einer ganzen Menge von Material seine Gründe unterstützt, das zum großen Theil auf Irrthum oder Mißverständniß beruht.

Meine Herren, der Personenverkehr hat sich auf den preußischen Bahnen von Jahr zu Jahr so entwickelt, daß aus dieser Entwickelung unmöglich ein Grund entnemmen werden kann, gegen den jetzigen Bestand der Tarife vorzugehen. Es kann ferner aus der absoluten Höhe der Tarife kein Grund entnommen werden, denn unsere Tarife sind im Durchschnitt billiger als irgend ein anderer deutscher Tarif, viel billiger als die meisten internationalen Tarife. Ich komme auf einzelne Zahlen, die der Herr Vorredner angeführt hat, gleich noch näher zurück.

Was die deutschen Sätze anbetrifft, so ist der Durchschnittesatz für ein Personenkilometer bei den preußischen Staatsbahnen 2,67, in Bavern 3,17, in Sachsen 2,92, in Württemberg 2,84, in Baden 3,14, in Elsaß⸗Lothringen 3, o5 Pfennige. Es geht also daraus hervor, daß unser Durchschnittssatz bei weitem der billigste ist. Wir erfreuen uns Süddeutschland gegenüber, trotz aller seiner Sonderermãßigungen, die es in Kilometerheften, Fahrkarten, Landeskarten u. s. w. eingeführt hat, der billigsten Fahrgelegenheit in unserer vierten Klasse, die so

Abg. Dr. Wiemer angeführt hat, können in der Beziehung an diesem Ergebniß nichts ändern.

Meine Herren, wenn der Herr Dr. Wiemer behauptet, die Ver⸗ billigung, die in einzelnen Ländern eingeführt ist er führt an Oesterreich, Ungarn, Dänemark, Rußland und Belgien hätte dort zu befriedigenden Resultaten auch bezüglich der wirthschaftlichen Re⸗ sultate der Bahnen geführt, so ist das entschieden unrichtig. Den Beweis dafür bin ich bereit Ihnen zu erbringen. Oesterreich hat schon jweimal seinen bisherigen Zonentarif erhöhen müssen. Was eine Tariferböbung im Lande bedeutet, dafür haben Sie bisher noch kein Gefühl gehabt. Aber dieses Gefühl würde ein sehr lebhaftes sein, wenn wir durch falsche Tarifmaßregeln in einigen Jahren dazu gedrängt würden, die Tarife wieder zu erhöhen, und eine solche falsche Tarifmaßregel wäre die Ermäßigung der Personentarife. (Sehr richtig!) Ungarn hat, um die Betriebsausgaben decken zu können, um den ver mehrten Ansprüchen an Material u. s. w. entgegenkommen zu können, eine sogenannte Investitionsanleihe von 120 Millionen Gulden auf⸗ nehmen müssen. Man kann das auch nicht als ein befriedigendes finanzielles Ergebniß betrachten. In Dänemark ist der Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben nach Einführung der Fahrpreisermäßigung von 5. Millionen (im letzten Jahre vor der Ermäßigung) auf 3 Millionen Kronen im Jahre 1898 zurückgegangen. Was Belgien anbetrifft, welches der Herr Abg. Dr. Wiemer noch ganz besonders als Beispiel mir vorgehalten hat, so möchte ich darauf hinweisen, daß gerade auf dem Gebiete, welches der Herr Abgeordnete hier besonders hervor⸗ gehoben hat, also auf dem Gebiete der Arbeiterbeförderung auf ver⸗ hältnißmäßig nahe Eatfernungen wir Belgien in Bezug auf Billigkeit weit voraus sind. Wenn der Satz richtig ist, den Herr Abg. Dr. Wiemer angeführt hat ich kann ihn nicht kontrolieren so ist er das Vierfache unserer Sätze. (Hört! hört h

So wird sich auch in einer ganzen Reibe anderer Entfernungen finden, daß unsere Sätze heutzutage noch billiger sind, namentlich, wenn man die IV. Klasse in Betracht zieht, als die belgischen Sätze.

Was nun endlich Rußland anbetrifft, so hat Rußland seine tze nur auf ganz weite Entfernungen ermäßigt. Meine Herren, das liegt in den ganz eigenthümlichen russischen Verhältnissen und ist vom russischen Standpunkte aus gewiß eine richtige Maßregel gewesen; von unserem Standpunkte aus wäre es eine durchaus unrichtige. Wir würden unsere gesammten wirthschaftlichen Verhältnisse damit ver⸗ schieben.

Auch eine Reihe von anderen Bemerkungen des Herrn Abg. Dr. Wiemer müssen auf ihre Richtigkeit zurückgeführt werden. Herr Dr. Wiemer geht immer davon aus, wir beabsichligten eine Erhöhung der Personentarife. Meine Herren, das steht mit allen Erklärungen, die ich abgegeben babe, vollständig im Widerspruch. Es ist stets gesagt worden, eine Erhöhung wird nicht beabsichtigt. Wenn das Programm, welches mehrfach hier zur Sprache gebracht ist, durchgeführt wird, wird der durchschnittliche Betrag der Personenkilometer nicht erhöht werden. Es liegt nur die Erhöhung darin, daß in Zakunft die Hin und Rückfahrt in Schnellzügen etwas erhöht wird. Das einfache Billet wird nach diesem Programm ermäßigt und zwar erheblich er⸗ mäßigt; sie liegt zweitens darin, daß die Fahrpreisermäßigung für Bade⸗ karten, Sommerkarten u. s. w. wegfallen. Daß diese Karten den Badeorten besonders zum Vortheil gereicht haben, ist bisher durch die Erfahrung nicht bewiesen; sie haben nur zu einer ganz ungleichen Behandlung der einzelnen Badeorte geführt, die einen haben eine Ermäßigung bekommen, die andern nicht, (sehr richtig!) und wenn wir gleichmäßig die Ermäßigungen für sämmtliche Badeorte beseitigen, so ist der gerechte Zustand wieder hergestellt (sehr wahr); und die Reise nach den Badeorten wird auch in Zukunft, wenn das einfache Billet ermäßigt ist, nur in einzelnen Relationen, wie vielleicht in den böheren Klassen, irgend bemerkbar erhöht. Ich bin daher der Meinung, daß die Resolution abzulehnen ist, daß kein wirthschaftlicher Grund vorliegt, die Personentarife zu ermäßigen.

Es liegt aber allerdings ein sehr erheblicher Grund vor, die Tarife zu vereinfachen. Die Personentarife haben sich historisch all⸗ mählich entwickelt zu einem sehr bunten Chaos, das zu überblicken selbst den Sachverständigen außerordentlich schwer wird. Meine Herren, wenn Sie z. B. bedenken, daß hier auf dem Anhalter Bahn⸗ bof 47 000 verschiedene Sorten von Fahrkarten verkauft werden, von denen ein Drittel, 16 100, auf die Rückfahrkarten und sonstigen be⸗ sonderen Karten kommen und 30 000 auf einfache Karten, 13 000 auf Schnelljug und 17 800 auf Per sonenzugkarten; daß auf dem Stettiner Bahnhof 14700 Sorten zum Verkauf ausstehen, auf dem Lehrter Bahnhof 16 000, auf Bahnhof Friedrichstraße 17 0006 auf dem Potsdamer Bahnhof 10 000, so werden Sie schon aus diesen Ziffern, glaube ich, etsehen, daß eine Vereinfachung des Billetswesens doch sehr angezeigt ist. (3ustimmung.)

Wie man seine Fahrten am billigsten einrichten soll, das zu ergründen, ist Aufgabe ganz findiger Leute, die sich mit diesen Dingen, ich möchte sagen, berufsmäßig beschäftigen. Das berühmte Blatt „Zonentarif“ hat sich mit diesen Findigkeiten zum großen Teil ob jetzt noch, ich lese es seit Jahr und Tag nicht mehr, weiß ich nicht beschäftigt und suchte die Tarife nach solchen kleinen Unstimmigkeiten nach, fand dann auch hier und da welche.

Meine Herren, ich gehe noch weiter; die Rückfahrkarten sind diejenige Einrichtung, welche am meisten ju Reklamationen Ver⸗ anlassung giebt. Auf unseren großen Reklamationsbureaux bei den Direktionen baben bei einzelnen 90 υ aller Reklamationen Bezug auf die Rückfahrkarten. Das aus der Welt zu schaffen, wäre sowohl für das Publikum als für die Verwaltung eine wahre Erleichterung. Der Rabatt für die Räckfahrkarten hat auch an sich gar keine logische Berechtigung. (Sehr richtigh Wozu? Die Rückfahrkarten hatten Berechtigung, so lange man noch in Konkurrenz stand, damit man sich durch diesen Rabatt den Reisenden auch für die Röãckfahrt sichern wollte. Das trifft heute nicht mehr zu. Eine Ermãaͤßigung der Selbstkosten tritt nicht ein, wenn der Passagier zurückfährt; das ist genau dasselbe, als wenn er hinfährt. Also eine innere Berechti⸗

alte Bauten rund 8 Millionen, 1900 42 Millionen; für neue Bauten

billig wie in keinem anderen Lande ist. Auch alle Beispiele, die Herr

gung dafür ist nicht vorhanden.