1900 / 63 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Mar 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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bevölkerung. Die Linke von dem Abg. Müller bis ju dem Abg. Wurm fei. wie in allem Anderen, so auch im Punkte der Absicht, den Bauernfland zu belästigen, seelen verwandt. In semer 30 jährigen Praxis als Bauer und Metzger habe er (Redner) bei jabllosen Hausschlachtungen mitgewirkt, aber noch nie ein trichinöses Schwein gefunden. Wie solle der Fleischbeschauer durchkommen, wenn in einer einzigen Gemeinde 30, 49 Schweine an einem Tage geschlachtet werden? Herr Warm keweise nur seine völllze Unkenntniß, wenn er behaupte, der Bauer schlachte verseuchtes Vieh. Der Bauer rede ja auch den Juristen nicht in ibre Sache hinein; in solche praktischen Fragen hätten aber auch die Juristen nicht drein zu reden, Sozialdemokraten würden die baytrischen Bauern längst nicht, da dürfe man unbesorgt sein.

Abg. Wurm (bei der fortdauernden Unruhe im Hause nur schwer verständlich) wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Grafen Vlinckomwfstroem. Derselbe habe verschwiegen, daß die Unkosten für die Fleischbeschau bei den Hausschlachtungen nach dem Antrage der Sozialdemotraten aus Stagatsmitteln getragen werden sollten, fodaß, die Arbeiter und Bauern, durch die Kostenfrage nicht belästizt werden. Er habe sich damit einer oblektiven Un⸗ wahrheit schuldig gemacht. Mit. der Agitation auf dem Lande gegen die So laldemokraten werde es auf diese Weise wobl nicht glücken, denn Lügen bätten kurze Beine. (Präsident Graf von Ballestrem ruft den Redner wegen dieser, den Ahg. Grasen Klinckowstroem beleidigenden Wendung zur Ordnung) Es sei doch bekannt, wie ungemtin oft auf dem Lande die Thiere, die krankheits verdächtig seien oder würden, im Wege der Hausschlachtung beseitigt würden und das Fleisch unter die Leute gebracht würde, sodaß die Volksgesundheit den schwersten Gefahren ausgesetzt sei.

Abg. Schrempf d. kon): Auch bei uns in Württemberg ißt eine Trichinenschau auf dem Lande und vollends bei Hꝛusschlachtu ngen unmöglicb; man braucht sih nur an die Verhältnisse zu erinnern, wie fie auf der schwäbischen Alb vorherrschend sind. Ein Bedürfniß zu einer solchen Trichinenschau liegt bei uns absolut nicht vor. Wie soll der Fleischbesckauer auf dem Gebirge, mitten im Winter, im tiefsten Schnee, eine Trichinenschau vollziehen? Da keine Trichinose auftritt, sind doch auch keine Trichinen bei uns vorhanden. Die Volksstimmung im Süden und das Verlangen, die häusliche Freiheit zu respektieren, müssen berücksichtigt werden.

Abg. Pr. Weißen hagen (Zentr.: Die Herren, die den ländlichen Dssteikten gute Rathschläge geben, seben vielfach die Dinge mit den Augen des Residenzlers, des Berliners, an. Herr Hoff mann aus Württemberg bat darauf hingewiesen, daß man ja den Fleisch⸗ beschauer per Telephon anrufen könne. Im bäuerlichen Haushalte find schon die Dienstboten die esten Fleischbeschauer; sie essen gewiß nicht Lon dem Fleisch eineg Kalbes oder Schweins, Fäz von sihnen nicht fär gesund gehalten wird. Ich b streite nicht, daß in Süddeutschland ebenso wie in Norztdeutschland Trichinen vorkommen; aber in Süddeutschland werden die Schweine nicht so fett und nicht so alt, und was die Hauptsache ist, die Be⸗ kandlung ist eine ganz andere bei uns. Bei uns liegt das Fleisch vier bis sechs Wochen, nicht 14 Tage in der Salzlake.

Abg. Schwarz⸗München (b. . F) bestreitet auch für München das Bedärfaiß einer obligatorischen Trichinenschau.

Abg. Dr. Müller Sagan: Mit den Argumenten der Herren aus Süddentfchland läßt sich die Nothwendigkeit jeder Fleischbeschau widerlegen. Der Widerstand gegen eine hygienisch so dringend noöth⸗ wendige Maßtegel beweist nur, daß es sich hier nicht um ein sanitäres Gesetz, sondenn um eine Maßregel handelt, die den Agrariern Geld in ihre Tasch' liefern . .

Damit schließt die Diskussion.

Der Antrag Albrecht wird abgelehnt. Der 8 8 wird mit 165 gegen 66 Stimmen vermorfen.

Der 8 12 bestimmt, daß der Vertrieb des nur bedingt tauglichen Fleisches nur unter einer diese Beschaffenheit erkennbar machenden Bezeichnung erfolgen darf. Fleischhändlern, Gast⸗, Schank⸗ und Speisewmrthen soll der Vertrieb solchen Fleisches nur mit jederzeit widerruflicher Genehmigung der Polizei⸗ behörden gestattet sein.

Abg. Singer befürwortet einen Antrag, der bezweckt, die polizeiliche Genehmigung auszuschließen, und es bei einer polizeilichen Anzeige, über welche sofort eine Bescheinigung zu ertheilen ist, be—⸗ wenden lassen will.

Direltor des Kaiserlichen Gesundheitsamts Dr. Köhler erklärt sich gegen den Antrag, da den Kontraventionen dann nur sehr schwer würde entgegengetreten werden können.

Der Antrag wird abgelehnt.

Nach 8 13 soll der Beschauer den Befitzer des Fleisches benachrichtigen, wenn die Untersuchung ergiebt, daß das Fleisch zwar zum Genusse für Menschen tauglich, jedoch in seinem Nahrungs⸗ und Genußwerth erheblich herabgesetzt ist, auf den Vertrieb dieses Fleisches sollen die Vorschriften des § 12 ent⸗ sprechende Anwendung finden. Die Kommission hat den Paragraphen gestrichen.

Abg. Stolle (Soz) tritt für den von seiner Partei gestellten Antrag auf Wiederberftellung ein. Auch dieser Kommissionsbeschlaß sei gegen das Interesse der Arbeiter und kleinen Leute gerichtet.

Abg. Graf von Klin gowstroem: Der § 13 ist gerade auf Betreiben des vreußischen Landwirthschafts. Ministers als ein Schutz der Großgrundb sitzer in die Vorlage gekommen. Wir haben diesen Schutz für durchaus entbehrlich gebalten und lehnen ihn ab.

Abg. Wurm: Thatsächlich wird sehr viel minderwerthiges Fleisch, besonders Schweineflisch, in den Konsum gebiacht. Wenn Sie dem Volk gesunde Fleiichnabrung bieten wollen, so müssen Sie dafür if daß die Fleischbeschꝛuer ein Mittel besitzen, um minderwerthiges

leisch auch als solches zu kennzeichnen.

Für 13 treten außerdem noch Abg. Schrader, nochmals Abg. Stolle und der Direktor des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts Dr. Köhler ein.

Der 5 13 wird abgelehnt.

s 17 besagt, daß Pferdefleisch nur eingeführt und ver⸗ trieben werden darf, wenn es in deutscher Sprache als Pferde⸗ fl isch erkennbar gemacht ist. Vertrieb und Verwendung soll Fleischhändlern und Gast⸗, Speise⸗ und Schankwirthen nur mit jederzeit widerruflicher polizeilicher G nehmigung gestattet sein. In den Geschäftsräumen muß durch deutlichen Anschlag besonders erkennbar gemacht werden, daß Pferdefleisch zum Vertrieb oder zur Verwendung kommt. Der Bundesrat) ist ermächtigt, anzuordnen, diese Vorschriften auf Esel, Maul⸗ esel, Hunde und sonstige, seltener zur Schlachtung gelangende Thiere auszudehnen.

Abg. Dr Freiberr von Langen (8. kons.) beantragt, von der Polizeilichen Genehmigung abzuseben. Der Antrag sei darauf gerichtet, den durchaus gesunden Konsum von Pferdefleisch zu heben und zu ermöglichen, daß die Pferde besser behandelt und nickt bis zum letzten Moment ihrer Kräfte ausgenutzt werden. Es bestehe ein ungerechtfertigtes Vor- urthell gegen den Gehuß des Peerdefleisches. Pfendeflisch sei eiweiß haltiger als Rin fleisch. Die Pferde litten nicht an Tuberkulose, und der eigentbũmliche Geschmack des Pferdefleisches lasse sich durch eine andere Fütterungsart verbessern. In Paris sei der Pferdefleischkonsum von 609 vor dem Jahre 1870 auf über 22 000 Pferde gestiegen. Es nürde eine Ungerechtigkeit gegen die niederen Klassen sein, diesen den Genuß des Pferdefl isches zu erschweren. Sein Antrag empfeble sich auch aus buüͤmanitären Rücksichten. Es werde darurch die Leider eit vieler Pferde abgekürzt werden. Auch Betrügereien werde durch den Antrag ein Riegel vorgeschoben. Redner legt schließlich noch eine An⸗ zahl von Flugblättern auf den Tisch des Hauses nieder.

Pireltor des Kaiserlichen Gesundbeizamts Dr. Köhler fährt aus, man kznne mit den Bestrebungen deg Vorredners die größte Sympathie haben, ohne sich seine Scluoßfolgerungen anzueignen.

Auf die polhieiliche Genebmigung dürfe hier nicht verzichtet werden. Die Regierungadorlage entspreche den Interessen des Publikums.

Der 17 wird unter Ablehnung des konservativen An⸗ trags unverändert in der Kommissionsfassung angenommen.

Nach 8 19 bleiben landesrechtliche Vorschriften, nach denen für Gemeinden mit öffentlichen Schlachthäusern der Vertrieb frischen Fleisches Beschränkungen, insbesondere dem Beschau⸗ zue nge innerhalb der Gemeinde unterworfen werden kann, mit ber Maßgabe unberührt, daß ihre Anwendbarkeit nicht von der Herkunft des Fleisches abhängig gemacht werden darf.

Abg. Beck h Coburg (fr. Volksp) setzt voraus, daß mit landes⸗ rechtlichen Vorschriften auch ortspolizeiliche Vorschriften gemeint seien.

Abg. Dr. Viel haben macht darauf aufmerksam, daß dieser Zu⸗ satz auf Antrag der Sozialdemokraten beschlofsen worden sei. Auch zeige die Sozialdemokratie wieder die Begünstigung des Auslandes auf Kosten des Inlandes. 1

Präsident Graf von Ballestrem weist darauf hin, daß es nicht üblich sei, Namen aus der Kommission im Plenum anzuführen. . leide der vertrauliche Charakter der Kommissionsverhand⸗ ungen.

gag. Singer protestiert dagegen, daß durch die Schlacht⸗ bäuser, insbesondere des Berliner Schlachthofes, der Fleischpreis ver⸗ theuert werde. Gegen die Untersuchung des ausländischen Fleisches habe seine Partei nichts einzuwenden.

Der S 19 wird angenommen. Der Rest des Gesetzes wird nach Ablehnung eines Antrages Vielhaben auf Errichtung eines zur Hälfte aus Bauern, zur Hälste aus Fleischern zu⸗ sammenzusetzenden Reichs⸗Fleischschauamtes nach unwesentlicher Debatte ' angenommen, ebenso die von der Kommission vor⸗ geschlagene Resolution auf landesgesetzliche Errichtung öffent- licher Schlachtwiehversicherungen,

Schluß nach 6i / Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. (Mürz novelle, Rechnüngsvorlagen.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

43. Sitzung vom 10. März 1900, 11 Uhr.

Das Haus setzt die Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten in dem Kapitel der Univer⸗ siläten fort.

Bel dem Zuschuß für die Universität Breslau wünscht

Abg. Dr. Beumer (nl), daß bei dem zu errichtenden neuen Extraordinariat für technische Che mie besondere Rücksicht auf die deursche Lederindustrie genommen werde.

Zu dem Zuschuß für die Akademie in Münster, bei welcher ein neues Exltaordinariat in der theologischen Fakultät errichtet werden soll, bemerkt

Abg Br. Dittrich (3entr), daß er die Errichtuag eins Drdi⸗ narlats lleber gesehen hätte, und wünscht feraer die Errichtung eines Ordinarlats für Apologetik.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Die sehr beachtenswerthen Erklärungen des geehrten Herrn Vor— redners werden mich bestimmen, die vorgetragenen Wünsche in sorg⸗ fältigste Erwägung zu ziehen und darauf Bedacht zu nehmen, daß dieselben ihre thunlichste Erfüllung im nächsten Etats jahr erfahren.

Die übrigen Theile des Kapitels der Universitäten werden ohne Debatte bewilligt.

. w dem Kapitel der höheren Lehranstalten steht zugleich die Denkschrift über die Alters- und Sterblichkeitsverhältnisse der Lehrer an den höheren Unterrichtsanstalten zur Debatte.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Es wird voraucsichtlich zur Abkürzung der Ver⸗ handlungen über Kap. 120 wesentlich beitragen, wenn ich als Ein⸗ leitung dem hohen Hause folzende Darlegung zu geben mir gestatte:

Die Angelegenheilen der höheren Schulen und ihrer Lehrer haben in diesem Etat nach verschiedenen Richtungen Berücksichtigung erfahren. Das Mehr beträgt gegen das Vorjahr bei Kap. 120 und 1I7 zu⸗ sammen rund 425 00) 4 Im einzelnen darf ich hervorheben:

I) die Errichtung von vier neuen Provinzial · Schulrathsstellen;

2) eine verftärkle Betheiligung des Staats bei der Einrichtung und Unterhaltung von höheren Lebranstalten:

ein Progymnasium in Münster und eine Realschule in Suhl sollen als staatliche Anstalten neu errichtet, das stiftische Gy mnasium zu Soest und das Progvmnastum in Kempen sollen vom Staat über nommen werden;

3) die Errichtung von 64 neuen Oberlehrerstellen an Staats⸗ anstalten;

4) eine angemessene Verbesserung der Besoldungen der Zeichen lebrer sowie der technischen, Elementar. und Vorschullehrer an den höheren Unterrichtzanstalten;

5s) eine Erhöhung der Vergütungssätze für wissenschaftlichen und technischen Hilfsunterricht;

6) eine Verdoppelung der Reisestipendien für Lehrer der neuen Sprachen; .

7) eine Verstärkung der Dispositionssonds für das höbere Unter⸗ richtswesen um mehr als 20 0lo.

Ich bitte das hohe Haus, aus dieser Darlegung entnehmen zu wollen, daß der vorliegende Entwurf fär das neue Etats jahr dem höheren Schulwesen eine erhebl che Förderung zu bringen bestimmt ist. Ich bin aber auch darauf bedacht gewesen, einer weiteren gũnstigen Entwicklung des höheren Schulwesens die Wege zu bahnen.

Es gereicht mir zur besonderen Freude, mittheilen zu konnen, daß in verschiedenen Punkten mit dem Finanzressort, dem ich auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank für sein Entgegenkommen auszusprechen mich verbunden fühle, eine Verständigung bereits erzielt oder doch in sichere Autsicht gestellt ist. Danach soll insbesondere der Verschiedenheit, wie sie bei den nichtstaatlichen An⸗ stalten in Bezug auf die festen Zulagen zwischen Vollanstalten und Richtvollanstalten besteht, ein Ende gemacht und es sollen zu diesem Zveck im Staatshaushalt für 1901 die erforderlichen Mittel bereit gestellt werden. Somit wird die seste Zulage künftig auch bei den Nichtvollanstalten statt dreimal 150, dreimal je 300 A betragen. Ferner besteht darüber ein Einverständniß, daß die bereits eingeleitete erneute Prüfung der Frage, ob eine Ueberbürdung der Lehrer der höheren Unterrichtsanstalten vorliegt, und wie derselben abzuhelfen sein wird, in der sorgfältigsten Weise fortgefübrt und möglichst bald zum Abschluß gebracht werde.

Im besonderen Maße erfreut bin ich darüber, daß eine an⸗ gemessene Vermehrung der Oberlehrerstellen beabsichtigt wird, um ein richtiges Verhältniß jwischen Oberlehrer. und Hilfslehrerstellen

Man babe es hier lediglich mit einem Fleischbeschaugesetz zu ihun.

herbeizuführen. Auch wird in wohlwollende Erwägung gezogen

werden, ob ulcht eine Grhöͤbung der Remuneration der Hilfglehrn

eintreten kann. (Bravo)

Meine Herren, auch in Zukanft werde ich es mir stets besonderz ö. gelegen sein lassen, den höheren Schulen, denen ich eine längere R von Jahren hindurch als Präsident eines Provin al · Schulkollegium näher gestanden babe, nach besten Kräften förderlich ju sen (Sehr gut h .

Andererseits darf ich den Wansch nicht unterdrücken, sonderè m vielmehr entschie denen Werth darauf legen, daß die Lehrer der höheren Schulen bei der Geltendmachung ihrer Wänsche agitatorische Naß losizkeiten vermeiden (Bravo! rechts) und die gebotenen Gren namentlich auch in der Art und Form des Auftretens so beobachten wie s der Würde des Standes und den Traditionen des preußischen Beamtenthums entspricht. (Bravo h

Abg. Winckler (kons) berichtet über die Kommissionsverhand.

lungen. Abg. Dr. von Heydebrand und der Lgsa (koa: Wr

schließen unz der Mahnung des Min sters an die Lehrer vollkommen

an. Es ent spricht durchaus der Warde des Standes, wenn er nach den Rath des Ministers verfährt. Er kann versichert sein, daß seine Sah bel der Regierung in guten Händen liegt. Ben dieser Gelegenheit mzcht⸗ ich die Lufmerk am keit auf den Unterricht in den humanistischen Gomnassen und befonders auf den Unterricht in den alten Sorach:n lenken. Ich halte mit einer großen Anzahl meiner Freunde mich dazu umso., mehr verpflichtet, füt den humanistischen Bildungsgang einzutreten als manche Leate mehr, als nöthig, den realist iich n. technischn Unterricht in den Vordergrund stellen, so daß es Zeit ist, daran in erinnern, daß es auch einen humanistischen Bildung-gang giebt. Di Art, wie der altsprachliche Unterricht auf den Gymnasten getriebe wird, ist geeignet, den Zweck und den Werth dieses Uaterrichz m geshrden. Man maß anerkennen. daß allerdings M ß stände in altsprachlichen Unterricht abzustellen waren, aber ich glaube mal ist über dag Zeel binausgeschoffen. Die Reformen von 1352 haben den altfprachlichen Uaterricht nicht nur beschränkt, sondem auch eine andere Methode für ihn eingeführt, die meiner Ansich nach einen Uebelstand hervorruft; und es hätte doch schon die Beschränkun

des lateinischen und griechischen Unterricht den Ecfolg gehabt, de

Renntniß diefer Sprachen zu gefährden. Die Methode, in welcher die neueren Sprachen gelehrt werden, kann man nicht auf die alten Sp ache⸗ übertragen. Mit den alten Sprachen wollen wir auf die Gelehrten. schulen vorberiten, den Schälern die Kenntniß des klassischen Alter, tums verschaffen und ihnen einen Bildangsgang geben, der den Geist schult und logisches Denken erw ckt. In den Sinn der klasst. schen Literatur kann man nar eindtingen, wenn man den Geist de Sprache verstanden hat. Die jetzige Lehrmethode wird dem Gesst= der allen Sprache nicht mehr gerecht. Eist wenn ich den Geist da Sprache verstehe, kann ich den hohen Werth der klassischmn Litetatzn erleansn. Anderenfall wird der ganze Zveck der Schule, di Schulung des Geistes, insbesondere zu logischem Denken. gefährdet und an? die Stelle der Gründlichkeit tritt die Oberflächlichkei. Gs liegt jetzt geradeju elne Gefahr für unseren humanistische Bildungsgang, vor. Ich bin weit entfernt, den Werth der technischen Bildung zu erkennen, der im praktischen Leben durchau nothwendig ist; aber ich wende mich entschieden dagegen, daß unser bumanistisches Gymnastum zu einem Experimentiero jekt gemacht win. Preußen steht auf dem Unterrichtsgebiet an der Spitze der Nation. Wir wollen nicht die amerikanische Art, die sich mehr und mehr breit macht. Unfere bisherige Art ist deutsjch, und alle, denen es Ernst mit unserem Bildungsgang ist, sollten hierin mit mir zusammenstehen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Der verschledenseitige und lebhafte Beifall den die Ausführungen des geehrten Herrn Verredners soeben ge⸗ funden haben, beweist schon, in wie hohem Maße beachten werth die= selben sind. Ih kann von vornherein erklären, meine Herren, daß vieles, was der verehrte Herr soeben ausgesprochen hat, in meinen Herzen einen lebhaften Widerhall fiadet. Denn ich bekenne mich gan offen als einen warmen Freund der altsprachlichen Bildung. Ich schöpfe heute noch aus den Schätzen der lateinischen und griechischen Literatur reiche Belehrung und angenehmen geistigen G⸗nuß, und ich wärde es aufs äußerste beklagen, wenn der Gang unseres Unterrichti⸗ wesens dahin führen sollte, uns diesen gerade für Deutschland so wesentlichen Genuß und diese Bereicherung unseres geistigen Besißtt zu rauben oder zu beeinträchtigen.

Insofern aber, meine Herren, stimme ich mit dem Herrn Vor⸗ redner nicht überein, als ich die Befürchtung nicht hege, die er eben ausgesprochen hat. Ich habe die feste Ueberzeugung, daß es uns in Laufe der Zeit doch gelingen wird, die Interessen und Bestrebungen der sogenannten modernen Richtung mit derjenigen berechtigten Eiger art des deutschen Volks in Einklang zu bringen, die der Herr Vor redner mit vollem Rechte betont hat.

Meine Herren, seit ich die Ehre habe, an der Spitze des Kultut⸗ ressorts zu steben, habe ich es als eine meiner wichtigsten Aufgabe erachtet, mich mit der von dem Herrn Vorredner berührten Frage in beschäftigen. Ich fühlte mich hierzu umsomehr veranlaßt, als ich be reits in meiner früheren amtlichen Stellung eine lange Reihe bon Jahren hindurch diesen Fragen babe näher treten müssen. glaube da einen gewissen Schatz von Erfahrungen ge sammelt zu haben, sodaß es mir wohl zustebt, aus usprechen, daß ich darin ein selbständiges Urtheil gewonnen habt

Ich habe mir infolgedessen es von vornherein zur Aufgabe gestellt zu prüfen, ob die bestehenden allgemeinen Bestimmungen füt da höheren Unterricht, wie sie in den Normen von 1892 festgelegt find den vorhandenen Bedürfnissen genügen und die Garantie dafür bieten, daß mit den fortschreitenden Forderungen der Zeit auch unsett höhere Unterrichts verwaltung denjenigen Anforderungen gerecht werden kann, welche nicht bloß im nationalen Jateresse, sondem auch im allgemeinen Bildungeinteresse an sie gestellt werden müssern

Ich habe infolge dessen auch Veranlassung genommen, verschieden höhere Unterrichteanstalten, z. B. in Frankfurt a. M. und hier in Berlin, persönlich zu revidieren, um mein Urtheil zu vervollständiger, und habe die Erfahrungen nachher mit den Herten, die mir auf diesen Gebiete zu gemeinsamer Wirksamkeit zur Seite stehen, ausgetausch und der Meinung'austausch hat schließlich damn geführt, daß nunmeht eine nähere Feststellung der einzelnen Fragen, über die n Gutachten erforderlich sind, in Aussicht genommen ist. r welchem Sinne diese Enquste ausfallen wird, kann ich zur Zeit n nicht übersehen; und ich bin umso weniger in der Lage, beute e Erklarung abgeben ju können, als, wie das der Herr Vorredner au schon betont hat, einzelne wichtige Fragen, wie das Berechtigung wesen und verschiedene Prüfungsordnungen, nicht allein von der schließung der Königlichen Staatsregierung abhängig sind, sondern a wesentlich zur Zaständigkeit der Reichs behörden gehören.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗A1unzeiger.

Berlin, Montag, den 12. März

a r me-

1900.

* 63.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Also, meine Herren, Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich am heutigen Tage eine ganz bestimmte Stellung zu dieser soeben an⸗ geschnittenen, sehr weittragenden Materie noch nicht einnehme. Ich bülte Sie, sich mit der Versich erung zu begnügen, daß ich nach Kräften

.

bemüht sein werde, dasjenige herauszufinden, was, so Gott will, uns nachher in die richtigen Wege leiten kann. Meine Derren, es ist Ihnen vielleicht bekannt, namentlich denjenigen, die früher griechische Titeratur getrieben baben, daß an der Wand des delphischen Orakels sih wel sehr beachtentwerthe Sprüche befanden; der eine beißt. rärra ber, der andere endar dra. Für diejenigen Herren, denen das Altgriechische im Augenblick nicht mehr gegenwärtig sein sollte (Heiterkeit), erlaube ich mir die Uebersetzung derselben hinzuzufügen; xcuùrα be helßt: alles fließt“, oder nalles befindet sich im Fluß; und fande Vas: nicht zu viel!“ Meine Herren, ich meine, daß diese beiden Sprüche beinahe auf den Leib der gegenwärtigen Verhältnisse zu⸗ geschnitten sind: eine zahllose Menge von wichtigen Fragen gerade uuf dem Gebiete der Unterrichts verwaltung befinden sich augenblicklich in Fluß, und es ist für den Ressortchef in der That kaum möglich, allts so zu überblicken, daß er in der Lage wäre, auf jede Frage eine ganz beflimmte Antwort jeder Zeit zu geben. Aber ich glaube, auf der anderen Seite, da der zweite Spruch, den ich erwähnt habe, dieses nicht zu viel“, dabei auch den richtigen Gesichtspunkt dafür andeutet, was als Richtschnur genommen werden muß, um zu ver⸗ hüten, daß wir in eine gewisse Uebertreibung nach der einen oder anderen Seite hin verfallen und den richtigen Mittelweg verfehlen zwischen den Strömungen der Gegenwart und denjenigen An⸗ forderungen, welche unsere eigenartige deutsche Bildung an uns mit Recht bisher gestellt hat. Diesen Weg einzuhalten, darin liegt eben die Schwierigkeit. Ich hoffe aber, daß es unter Mitwirkung be⸗ währter Kräfte, die aus allen Theilen unseres Vaterlandes heran⸗ gezogen werden, gelingen wird, zu einem richtigen Abschlusse zu gelangen. (Bravo!)

Abg. Dr. Dittrich (Zentr) erklärt sich im großen Ganzen mit dem Abg. von Hevdebrand einderstanden, namentlich soweit es sich um Di Vorbereitung für das theologische Studium bandle. Die Um, wandlung der humanistischen Denkungsart in ein? realistische habe auch ihren Einfluß auf die Lehrpläne nicht verfehlt, die Umänderung der Lehrplãne sei aber verhängntßvoll. Ueber die Verhältnisse der Ober⸗ sehrer müsse er noch immer klagen, hoffentlich aber nun zum letzten Mal. An der Unzufriedenheit des Lehrerstandes sei namentlich Hr. Schröder schuld, der sich in seiner Scrist Im Kampf ums Recht“ großer Uebertreibungen schuldig mache, wenn er von dem mãännermardenden Beru. der Lehrer spreche. Man verstebe es ja, wenn Dr. Schröder die Schattenseiten seines Berufs hervorkehre, aber zu billigen sei seime Sörache nicht. Ein soiches Vorgehen müsse zum Nachtheil des Lehrerflandes ausschlagen, indem es ihm die allgemeinen Sympathien entsiehe. Aus Lehrerkreisen selbst heraus sei schon Widerspruch gegen das Vorgehen des Kollegen Schröder erhoben worden. Die Denkschrift der Regierung entziehe ja den Angaben der Schröder'schen Broschüre den Boden, aber dieser Denkschrift werde von vielen Selten der Vorwurf der tendenziösen Aufstellung der Statistik gemacht. Schröder mache den Febler, das Lebensalter der Threr nur nach dem Durchschnitt der in einem bestimmten Zeitraum Feftorbenen zu berechnen, ohne Rücksicht auf das Alter der Lebenden zu nehmen, aber auch die Richtigkeit der Methode in der Denkschrift der Regierung werde bestritten. Des halb solle man die Statistik ganz beiseite lassen und ins vraktische Leben hinein⸗ schafen. Dabei zeige sich in der That eine Ueberbürdung der Lehrer. Das babe auch die Unterrichts verwaltung anerkannt, als sie bie Entlastungsstunden einrichtete. Mit einer Verminderung der Pflichtstundenzahl müsse eine Verminderung der Schülerzahl Hand in Hand geben, was natürlich nur bei einer Vermehrung der Oberlehrer und der Hilfelebrer möglich sei. Die Erklärung des Ministers werde in den Lehrerkreisen große Beruhigung, herdorrufen. Es sei erfreulich, e. der Minister den berechtigten Wünschen der Lehrer entgegenkommen wolle.

Deheimer Ober Regierungsrath Dr. Re nvperg erwidert auf eine An⸗ fraze des Vorredners, daß 64 neue Oberlehrerstellen in diesem Etat vorgesehen seien.

Abg. Dr van der Borgbt (nl) meint, daß die heutige Methore der humanistischen Ausbildung nur Deksratign sei. Wenn man die klassiichen Studien nicht wieder vertiefen wolle, könne man lieber ganz darauf verzichten. Vor allem müsse aber die jetzige enge Begrenzung des Berechtigungswesens beseitigt werden. Herr Schröder habe in seiner Schrift in unzulässiger Weise übertrieben, und ein solches Verfahren könne der guten Sache nur schaden, aber den Vor⸗ wurf der tendenziösen Darstellung könne man Schröder nicht machen; er habe sicherlich in guter Absicht gehandelt. Auch die Denkschriỹt der Regierung gebe kein genaues Bild der Verhältnisse. Die Denk⸗ schrift befleißige sich vielfach der sogenannten Konjektura statistit. Die Statistik dür e sich nicht auf Annahmen stützen, sondern nur auf fest· stebende Thatsachen. Erfreulich sei, daß die Regierung an der Ver⸗ besserung der Verhältnisse der Lehrer, auch der Hilfslehrer, weiter arbeiten wolle. An der Pflichistundenzahl allein könne man die Ueber⸗ bürdung der Lehrer nicht bemessen. Er babe ja die Verhältnisse am eigenen' Leibe kennen gelernt. (Ruf: Sie sind nicht daran zu Grunde gegangen) Daz liege daran, daß er rechtjeitig wieder abgegangen sei. Die Korrekturen seien eine nicht zu unterschã gende Arbꝛitslast ür die Lehrer. Eine Verminderung des Schreibwerkgs müsse sewohl für den Wbrer, wie für ven Schüler erreicht werden, Die Gehalts ˖ verhältnisse der Lehrer müßten annähernd denen der Richter gleich · gestellt werden. Hoffentlich werde den berechtigten Wänschen der Lehrer bald Erfüllung zu theil werden. .

SGeheimer Regierungsrath Freiherr don Fircks vertheidiat die Denkschrift der Regierung gegen den Vorwurf der tendenzibsen Darstellunz. Der Verfaffer derselben babe fich der Sache ab olut obiektiv gegenuübergeflellt. Die Methode der Denkschrist, durch rirekten Vergleich vwischen den Lebenden, d. ö. den senigen, die ster ben önnten, und den Nichilebenden, d. be denen, die innerbalb einer bestimmten eit gestorben sind, die Mortalität festjustellen, sei die einzig richtige.

eden falls sei die Ueberbürdung nicht fo groß, daß durch dieselbe ein vorzeitiger Ted herbeigesäbrt werde. .

Ministerial . Direllor Dr. Althoff: Die Behauptung Dr. Schröder von dem männermordenden Beruf der Oberlehrer muß ich zurũck⸗ weisen. Nach dem uns vorliegenden Material konnten wir keine Um, stände fefistellen, welche die Sterblichkzit der höheren Lehrer so start begunstigten, daß ein solcher Ausdruck gerechtfertigt wäre. Daber balten wir die Angaben Dr. Schröder's für übertrieben und werden uns auf die maͤnnermordende Geschichte nicht mehr einlassen. Mir sagte ein sehr erfahrener Hert vor kurzer Zeit: Von zu vieler Arbeit stirbt niemand, dagegen viele Herren von zu wenig Arbeit. Die Frage der Ueber⸗ bürdung der Lehrer wird trotzdem weiter geprüft. Dem Rathe, eine

gesundheitliche Auswahl zu treffen, werden wir nicht folgen, weil wir nicht einem 35 jährigen Manne sagen wollen: wir können Dich nicht gebrauchen wegen Deiner angegriffenen Gesundbeit. Ich füble min verpflichtet, ga gen die ungeheuerlichen Angriffe auf hoch oerdiente Männer der Schulverwaltung und auf den ebenfalls in diese Angelegen⸗ beit hineingezogenen, außerordentlich sachkundigen Professor Dr. Lexis diefe in Schutz zu nehmen. Nichts kann den Jaferessen des höheren Lchrerstandes mehr schaden als die Befehdung seiner besten Freunde. Abg. Saenger (fr. Volksp. ):; Auch ich lasse meine Söhne in daz alte Gymnasium geben, obwohl wir in Frankfurt auch ein Reform⸗ Gym nastum haben; aber ich will den Werth der Refgrm⸗Gymnasien doch nicht so herabsetzen wie Herr von Heydebrand. Das schrittweise Vorgehen in dem Berechtigungswesen füt die neunklassigen Realschulen fördert diese Schulen nicht. Wenn ihnen alle Berechtigungen ertheilt würden, so würde das der Eatlastung der Gymnasien und der Bildung der Jugend nützen. Das ganie Berechtigung wesen beruht auf peralleten und verrotteten Verhältnissen. Der Ton des Dr Schrõder

in feiner Broschüre ist mir sehr unsympathisch und schadet der

Sache mehr, als er ihr nützt. Aber der Ton ist aus einer fsefen Grbitterung geboren. Daß die Thätigkeit der Ober⸗ sehrer eine aufreibende ist und die Sterblichkeit erböht, wird in der Denkschrist der Regierung selbst zugegeben. Eine Vergleichung der Mortalitätsziff ern bei den Lehrern und bei auderen Berufszjweigen ist verfehlt, weil man nur ähnliche, aber nicht heterogene Verhältnisse vergleichen kann. Die Denkschrift giebt zu, daß die Lehrer früher in den Ruhestand treten als die Richter. Da- durch kommen sie auch seltener in den Genuß des Höchstgebalts, und darum müßten sie in kürzeren Zwischenräumen als die Richter im Gehalt aufsteigen. Die Haupt sorderung ist die Verminderung der Pflichtstundenzahl und die Aufbesserung der Hilfelehrer.

Abg. Dr. am Zehn hoff (Zentr.) führt aus, daß die heutige Methode auf den Gymnasien es an wissenschaftlichem Geiste fehlen z lasse. Die Reform sei verfehlt gewesen, weil sie den Grundsatz nicht befolgt habe: non multa, sed multum. Die humanistischen Gymnasien müßten von allem un⸗ nöthigen Beiwerk befreit werden, dafür müßten mehr lateinlose Schulen zur Vorhereitung für das praktische Leben geschaffen werden. Das Latein babe eine allgemein bildende Kraft. Das Bürgerliche Gesetzbuch habe die lateinische Sprache nicht unnöfhig gemacht. Der Redner bespricht ferner eingehend die Frage der richtigen Aussprache des Griechischen und stellt sich auf den Boden der Reuchlin' schen Aussprache. Es sollte eine Vereinbarung zwischen allen Kulturstaa ren äber ein? gleichmäßige Aussprache versucht werden. Wichtig sei auch die Mathematik.

Abg. Dr. Lotichius (al,) spricht sich für die humanistische Richtung aus, wünscht aber auch, daß die Reformaymnasien zu einem günstigen Erfolge führen mögen, und bittet um Errichtung eines Gymnastums in Oberlahnstein.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! An sich kann es für die Unterrichts verwaltung nur angenehm sein und von ihr mit Freude begrüßt werden, wenn sich die Stadt Oberlahnstein zu der in Aussicht genommenen Ein⸗ richtung einer Vollanstalt entschließen wärde. Daz Gesuch liegt aber der Zentralinstanz noch nicht vor. Ich muß daher meine endgũltige Entscheidung in der Sache zunächst von der Aeußerung der Prodinzial⸗ behörden abhängig machen. Das aber kann ich schon jetzt erklären“ daß die Angelegenheit mit mõglichstem Wohlwollen seitens der Unter⸗ richtsverwaltung geprüft werden wird.

Abg. Bandel ow (kon. fragt an, ob die Regierung Wechsel⸗ abtbeilungen mit halbjährlicher Versetzung einrichten wolle, und empfiehlt bei starker Schülerzahl eine Theilung der Klassen, wo es nur irgend angängig sei.

Gebeimer Ober. Reglerungsrath Pr. Köpke erwidert, daß schon seit 1880 Erwägungen über die Wechselabtheilungen schweben. Der Segen der Wechlselcöten fel sehr zweifelhaft; es babe sich gezeigt, daß Anstalten mit Wechseleöten im Ganzen ihre Schüler langer bis zum Abiturientenexamen behalten als andere.

Abg. Rickert (fr. Vzg.): Man muß das Gute bei den Gomna⸗ sien konservieren und Reformen eintreten lassen, wo es an der Zeit ist. Was die Azitation der Tehrer anlangt, so, meine ich, Jollte man, wenn ein vorgetragener Wunsch berechtigt ist, über die Form, auch wenn fie zu weit gebt, hinwegfehen. Die Forderung, den Richtern und Verwaltungebeamten gleichgestellt zu werden, kann ich den Oberlehrern nicht übelnebmen. Wir werden hinsichtlich der Frage der Vorschule immer daran festbalten, dah die Volk ischale die einzig richtige Grundlage aller höberen Bildung ist. In Bayern sst man darin weiter als wir, dort besuchen die Kinder von Hoch und Riedrig die Volksschule. Der Minister möge dagegen wirken, daß neue Vorschulen gegründet werdẽn. Was die Mädchengymnasien anlangt, so hat der Minister den Kölnern anbeimgestellt, höhere An. forderungen an die Vorbildung zu stellen. In anderen Ländern ist man radikaler vorgegangen, und ich persönlich würde auch kein Bedenken tragen, den Mädchen die Grlaubniß zu geben, in die Gymnasien zu geben. Nicht blos hier im Hause, sondern im ganzen Lande erregt dies freilich Kopfschütteln. Das liegt aber daran, daß wir eben noch viel zu viel Vorurtheile hinsichtlich der Frauenbewegung haben. Die Frau hat ein Naturrecht darauf, das, waz sir von Gottes und Rechts wegen erlangen kann, nun auch zu erlangen. Ich bin auch mit Märchen zusanmen in die Voltsschule gegangen, und das ging sehr gut. Ein Fachmann äußert sich dahin, daß man das Mädchenschul⸗ wesen in jeder Weise fördern müsse. Wir verlangen von der Finanz⸗ verwaltung noch gar keinen Zuschuß, darin sind wir bescheidener als die Bavern, die hierfür die Staatsfinanzen in Anspruch nehmen. Wir wollen nur die Genehmigung für solche Aastalten, die si d aus sich selbst beraus oder durch private Zuschüsse erhalten können. Die Kölner werden noch einmal an den Minister herantreten, und ich

hoffe, daß er dann shre Forderung bewilligen wird.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt:

Ich werde, dem Wunsch des Herrn Vorredners entsprechend, eine sachliche Autwort ihm nicht zu theil werden lassen. Ich habe nur in Bezug auf den ersten Theil seiner Ausführungen zu bemerken, daß ich vorhin am Schluß meiner Erklärungen die Agitation der Lehrer als solche nicht gemißbilligt babe, sondern nur die agitatorischen Maß⸗ losizkeiten, die in neuester Zeit auf diesem Geblete hervorgetreten sind.

Dann möchte ich es bedauern, wenn aus der Kürze des Bescheides, den ich seiner Zeit nach Köln an die Antragsteller habe ergehen lassen, der Schluß gezogen werden sollte, als ob für mich die Frage der Frauenbewegung für alle Zeiten abgethan sei. Das ist nicht der Fall. Ich stand damals allerdings unter dem frischen Eindrucke der Beschlüsse des Hildesheimer Kongresses und konnte namentlich mit Rücksicht darauf, daß ich erst wenige Wochen im Amte war, eine andere Entschließung nicht fassen als diejenige, die seiner Zeit kundgegeben worden ist. Ich sehe in der Frauenbewegung ein sehr ernstes Zeichen der Zeit. Auch auf sie paßt der Spruch, den ich vorhin erwähnte:

arra bat. Ich werde mit vollem Ernst der Welterentwickelung

dieser Frage folgen, bia aber nicht in der Lage, etwaz An deres zu er⸗ klären, als daß ich in voller Berücksichtigung unserer deutschen Eigen⸗ art den vorsichtigen Gang weiter gehen werde, den bisher die Unterrichtsverwaltung innegehalten hat.

Wirklicher Geheimer Ober Finanzrath Dr. Germar bemerkt in Bezug auf die Vorschulen, daß man nicht im ganzen Lande gleichmäßig reglementieren könne, sondern es den Eltern überlasen müsse, wie sie die Bildung ihrer Kinder regeln wollen.

Abg. Schmitz Düͤsseldorf Zentr.) ist mit den Ausführungen des Abg. Rickert über die Mädchengymnasien nicht einverstanden und perurtheilt entschieden den Ton, welchen Dr. Schröder in seiner Schrift gegen hochverdiente Männer der Schulverwaltung anschlage. Gs berühre unangenehm, wenn hier alle Jahre derselbe Wunsch nach Gleichstellung der Lehrer mit den Richtern im Gebalt erhoben werde! Die Lehrer kämen um mehr als zwei Jahre früher zur Anstellung als die Jrristen, Dagegen sei eine Gleiwstellung der Lehrer an den nichtstaatlichen Anstalten mit denen an staatlichen ein berechtigter Wunsch. Wenn die Oberlehrer ferner wünschten, daß ihnen der Titel ‚Professor verliehen werde, so dürfe ein Titel nur so sein, daß er dem Amte entspreche, und er perfönlich halte den Titel Ober. lehrer“ für schöner als den Titel Professor“. Die Lehrer hätten sich vielfach für ihre Wünsche der Zeitungen bedient, aber eine maßlose Agitation könne man nur wenigen von ihnen vorwerfen. Die Be⸗ bauptung der Schröder'schen Schrift, daß die Lehrerverhältnisse in Frankreich besser seien, habe Professor Lexls schlagend widerlegt. In unferern Staatsleben nähmen die Lehrer die Werthschätzung ein, die ihnen zukomme. . . ;

Abg. Schau be lfr. kons.) geht auf Einzelheiten der Denkschrift der Regierung ein und führt daraus den Beweis, daß Professor Lexis felbst schon einen Irrthum in seiner Statistik der Mortalitãt habe einräumen müssen. Solche Angaben führten die öffentliche Meinung irre. Die Art der Agitation des Dr. Schröder verurtheile er eben · falls, aber die Verhältnisse der Lehrer müßten ganz objettiv geprũft werden. So viel stehe jedenfalls schon fest, daß die Lehrer volle sechs Jahre früher aus dem Ämie scheiden als die Juristen. Die Agitation der Lehrer müsse ja verschwinden, aber das werde doch erst geschehen, wenn die Ursache der Agitation beseitigt sei. .

Abg. Metger (al) bedauert; den durch die Puttkamer'sche Orthographie hervorgerufenen Zwiespalt in der Rechtschreibung der Schule und der Bevölkerung der älteren Generation und be zeichnet die Rechtschreibung des Bürgerlichen Gesetzbuchs als geeignet, Allgemeingut zu werden. . .

Min ifterial. Direktor Dr. Althoff erwidert, daß der Minister die Löfung der Frage der Orthographie schon aus eigener Initiative in Angriff genommen habe, und führt ferner aus, daß der Unterschied im Gehalte der Lehrer und Richter vielfach über⸗ schätzt werde. Die Gehaltsentwickelung sei eine ganz natũrliche; wenn ein Stand von Alters her etwas weniger bekommen babe als ein anderer, so bleibe et immer etwas zurück. Bei dem Titel Professor⸗ wisse man niemals, ob man einen Mann wie Professor Mommsen oder einen Elementarlehrer, einen Bildhauer oder einen Professor der Magie vor sich habe. Die Lehrer sollten sich erst selbst über einen passenden Titel einig werden.

Darauf wird nach A/, Uhr die weitere Berathung bis Montag 11 Uhr vertagt.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichs tage ist das nachstehende, zwischen Deutschland, den Vereinigten Staaten von Amerika und Groß- britannien abgeschlossene Abkommen behufs schiedsgericht⸗ licher Regelung gewisser Schadenserfatzan sprüche auf Samoa, d. d. Washington, den 7. November 1899, zur Kenntniß⸗ nahme zugegangen:

Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, im Namen des Deutschen Reichs, der Präsident der Vereinigten Staaten don Amerika und Ihre Majestät die Königin des Vereinigten König⸗ reichs von Großbritannien und Irland, geleitet von dem Wunsche, die durch die jüngst auf den Samoa⸗Inseln stattgefundenen militã rischen Aktionen veranlaßten Schadensersatzansprüche der dortselbst ansässigen Angehörigen der betheiligten Reiche und Staaten baldigst und allseitig zufriedenstellend zu erledigen, und entschlossen, ein Abkommen behufs schiedsgerichtlicher Regelung dieser Fragen abzuschließen, haben zu Ihren Bevollmächtigten ernannt;

Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen: 3 Allerhöchstihren Gesandten in außerordentlicher Mission, den Ge⸗ heimen Legationsrath Dr. jur. Mumm von Schwarzen⸗ tein; der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika; den Staatssekretär der Vereinizten Staaten The Honorable John Hav, ö Ihre Majestät die Königin des Vereinigten König⸗ reichs von Großbritannien und Irland: , , . Geschäststräger ad interim Mr. Reginald Tower; welche, nach gegenseitiger Mittheilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, folgende Bestimmungen vereinbart und ausgemacht hahen: Artikel I.

Alle Ansprüche, welchz von Deutschen, von ameritanischen Bürgern oder von britischen Unterthanen und zwar sowohl von Gizelpersonen wie auch von Gesellschaften wegen Ersatzes don. Schäden geltend gemacht werden, welche si⸗ infolge der ungerechtkrtigten militãtischen Attion deutscher, amerlkanischer oder englischer Offistere, sofern eine solche nachzewiesen wird, in dem Zeitabschnitt vom 1. Januar d. 2 bis zu dem Tage erlitten zu haben vorgeben, an welchem die Ankunft der Kommission erfolgt ist, sollen durch einen nach Grundsä ten des Rechts oder nach Erwägungen der Billigkeit ju fällenden Schi: ds

ruch erledigt werden. n n. Artikel II.

Seine Majestät der König von Schweden und Norwegen wird seitens der drei Regierungen ersuch! werden, das Amt des Schieds- richters anzunehmen. Durch diesen Schiedsspruch soll ferner entschieden werden, ob die eine oder die andere der drei Regierungen, allein oder in Verbindung mit einer der anderen Regierungen oder in Verbindung mit beiden anderen Re enn gen diese Schäden zu ersetzen bat und d n welchem Umfange.

. ? aintitel III. ö

Jeder der drei Regierungen soll es, nachdem sie in jedem Falle die vorhergehende Zustimmung der anderen Regterungen erlangt bat. gestattet sein, dem Schiedsspruche des Königs auch ähnliche Aasprũche zon solchen nicht eingeborenen Personen zu unterbreiten, welche unter dem Schutze der betreffenden Macht steben und nicht den oben erwähnten

ategorien angehören. 66 z Artikel IV. . Das gegenwärtige Abkommen soll von Seiner Majestät dem

Deutschen Kaiser, König von Preußen, von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika unter Zusiehung und mit Zu⸗