1900 / 111 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 May 1900 18:00:01 GMT) scan diff

Großhandels · Durchschuittsnyreise von Getreide au außerdeutschen Börsen · Plätzen für die Woche vom 30. April bis 8. Mai 1900 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt. 1000 kg in Mark. (Prelse für prompte Loco · Waꝛate, sowelt nicht etwas Anderez bemerkt.)

Woche Dagegen Vor⸗ woche

130.79 156, 10

98, 72 139, 25

112,31 131.21 90,71

Wien.

ö i Boden... er, ungari cher, prima' z J

erste, slovakische «b Budapest.

Wee Mittelqualitrt

Hafer, * 9 29

St. Petersburg.

2 1 2 1 * 1 1 * * 2 * 2 * 5 Saxonkła

2 21 * 2 1 1

99, 50 121,81 84,50

100, 98 11825

ssa. Roggen, TI bis 72 kg per h... Welzen, Ulka, 75 bis 76 kg per bl.

Riga. Roggen, 71 bis 72 kg per hi... ö 75 bis 76 kg ver hl

Paris.

Roggen lieferbare Waare des laufenden Monats

Welzen Antwerpen. Donau, mittel... k 133,12 Ddessa, polnischer . 139,22 Red Winter Nr. 2. ö 134,34 Californier, mittel .. 136,37 1 127.43

101.40 11852

119,28 163, 65

Walla Walla ... 133,12 La Plata, mittel

. Am sterdam. w

Roggen St. Petersburger. war i.

131,66

126,08

133,33

J 2 125,48

w 3,52 123,36 Lon don.

a. Produktenbörse (Uark Lane).

,,

125,91 122,92

126,66 123,57

b. Gazette averages.

englisches Getreide, Mittelpreis aus 196 Marktorten

Liverpool. Walla Walla .. Californier Northern Duluth . . Kansas ... Manitoba Nr. 1 La Plata

engl. weißer... . galißdisẽe

ornier Brau⸗ .. Gerste dan abisch

Chieago.

ͤ x per Mai Weizen, Lieferungs⸗Waare ,

New JYork. Red Winter Nr. 2 Weijen

122,01 130,537 142,64

122,40 129,76 142,17

Weizen fer

erste 135,12 143,59 139 606 131 3 141,01 128 36 130,77 121,35 133 67 106,33

135,59 143,59 142,18 131,82 140,77 128,53 129,72 119,26 133,98 105,92

Weizen

101,16 105,80

100,93 103,47

122.74 112382 113,07 11425

12099 11235 11769 13 64

dieferungs⸗ Waare per Juli per September

Bemerkungen.

1Tschetwert Weizen ist 163,89, Roggen 147,42. Hafer a8, 238 Kg angenommen; 1 Imperial Quarter ist . die Weizennotiz an der Londoner Produktenbörse 504 Pfd. engl. gerechnet; für die Gazette averagès, d. h. die aus den Umsäßzen an 196 Macktorien des Königreichs ermittelten Durchschnittspreise für einheimisches Ge⸗ treide, ist 1 Imperial Quarter Weizen 480, Hafer 312, Gerste A460 Pfd. engl. angesetzt, 1 Bushel Weizen 60 Pfd. engl.; 1 Pfd. engl. 463,5 g;] Last Roggen 2199, Weizen 2460 kg.

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tages ⸗Notlerungen im Deutschen Reichs⸗ und Staatsz⸗ Anzeiger ermittelten wöchentlichen Durchschnitts⸗Wechselkurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und Nem Jork die Kurse auf New Jork, für St. Peters burg, Odessa und Riga die Kurse auf. St. Petersburg, für Paris, Anfwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze.

Deutscher Reichstag. 188. Sitzung vom 8. Mai 1900, 1 Uhr.

Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet. 2 Darauf wird die folgende Interpellation der Abgg. Graf von Schwerin-Löwitz (d. kons und Genossen verlesen:

„Ist der Herr Reichskanzler in der Lage, Auskunft darüber zu ertheilen, wesbalb der Bundesrath zu den wiederholten Beschlüssen des Reichstages, betreffend die Aufhebung der gemischten Prioat- Transitlager und Müblenkonten, sowie besonders zu der letzten unter dem 10. März 1897 mit großer Mehrheit vom Reiche⸗ tage angenommenen Resolution, betreffend die Einschränkung der bei der Einfuhr von Getreide zinsfrei gewährten Zollkredite weder in zußimmendem noch auch in ablehnendem Sinne Stellung ge— nommen hat?“ .

Nachdem der Staatssekretär des Reichs ⸗Schatza mts Dr. Freiherr von Thie lmann sich zur sofortigen Beantwortung bereit erklärt hat, führt der

Abg. Graf von Schwerin -Löowitz zur Begründung Fol gendes aus; Der Reichstag hat wiederholt mit großer Mehrheit Be= schlüss⸗ gefaßt, wodarch der Bundesrgth um die Ausbebung der gemischten Hr wat · Transitlager und Müblenkonten ersucht wurde. Seit 4 oder 5 Jahren warte diese Mehrheit darauf, daß der Bundes⸗ rath üherbaupt Uu riesen Beschlüssen Stellung nimmt. Bei der lebten Verhandlung über den Gegenstand bei der dritten Lesung des Eiats für 1900 hat der Staatssetretär des Reichs ⸗Schatzamts darauf bingewiesen, daß auch innerhalb der Vertreter der Landwirthschaft die Auffassung über diese Frage gewechselt habe, sodas man sich über die Haltung der verbündeten Regierungen nicht wundern dürfe. Diese

Aeußerung ift durchaus haltloz. Es kommt nicht auf die Bemer⸗ kungen einzelner Redner, es kommt lediglich auf die wiederbolten, stetã dieselbe . an den Bundegrath richtenden Beschlüsse des Hauses an. edner giebt dann eine Reihe von Zahlen, welche dar fhun sollen, wie die gemischten ann, n, . bis in die neueste Zeit zu spekulativen Operationen in großem aßstabe zum Nach⸗ Theil der beimischen Landwirthschaft gemißbraucht worden seien; es fel dadurch an zahlreichen Orten ein ganz ungemeiner Preisdruck auf das Getreide ausgeübt worden. Diese mißbräuchliche Benutzung der gemischten k habe 6 in den letzten Jahren gegen die Vorjahre, obwohl ja eine nzahl derselben aufgehoben wrden fei, noch zugenommen. (Redner wird im weiteren Ver⸗ laufe seiner Ausführungen nur noch sehr lückenhaft ver ständlich, da auch die Unruhe im use wächst.) Lediglich auf Grund dieser Einrichtung der gemischten Privat · Transitlager babe Deutschland eine dauernde massenhafte Einfuhr über. fläfsigen Getreides; daher könne die . auch nicht gefunden; die Gewährung zingfreier Zolltrediie gebe den Lagerinbabern im Konkuüͤrren kampf ein ebenso unverhältnißmäßiges wie unberechtigtes Uebergewicht. Jedenfalls habe die Verwaltung die Pflicht, für ihr dilatorifcheß Verhalten genügende Gründe anzugeben; onst werde das Mißtrauen der landwirthschaftlichen Kreise gegen den Staatssekretãr, welches durch nichts mehr alzs durch dieses Verhalten in den letzten Jahren genährt worden sei, stch noch weiter steigern.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Freiherr von Thiel mann:

Meine Herren! Der Herr Abg. Graf von Schwerin hat an einer Stelle seiner Rede gesagt, er hätte sich eigentlich von elner materiellen Begründung der Sache fernhalten wollen, weil die Wünsche, die hauptsaͤchlich auf der rechten Seite des Hiuses getheilt werden, schon oft hier zur Sprache gebracht und eingehend begründet worden selen. Er hat nichtsdestoweniger eine große Menge von Material gebracht, und um dieses Material nicht ungeprüft durchgehen zu lassen, werde ich, ehe ich auf die eigentliche Kernfrage, die den Text der Inter⸗ pellation bildet, eingehe, mir gestatten, Ihnen einige Worte zu sagen in spezieller Beantwortung der Ausführungen des Herrn Grafen von Schwerin.

Der Herr Abgeordnete hat meine Rede vom 28. Märj;, ich möchte den Ausdruck gebrauchen, zerpflückt. Er hat mir namentlich vorgeworfen, daß ich der konservativen Partei eine gewisse Inkonsequenz zugeschoben hätte. Ich habe das allerdings gethan; denn die Rede des Herrn Grafen Kanitz im Jahre 1896 lautete erheblich anders als seine Reden der letzten Jahre. Der Herr Graf von Kanitz hatte am 28. März zur Begründung seines nunmehr abweichenden Stand⸗ punktes erklärt, 1896 hätte er allerdings die Transiklager in den Ost⸗ seehäfen Königsberg und Danzig und vielleicht auch in Memel für nothwendig gehalten, er sei aber dadurch bekehrt worden, daß die Königsberger Walzmühle sich inzjwischen ein großes gemischtes Transit⸗ lager zugelegt habe. Der Wortlaut der Rede der Herrn Grafen Kanitz ist dieser:

Aber seitdem nämlich seit 1896 haben sich die Verbaäͤltnisse insofern geändert, als in Königsberg ein großes gemischtes Transitlager etabliert worden Herrn Rickert wird vielleicht di: Walimühle bekannt sein eine umfangreiche Speicheranlage, welche hauptsächlich spekulativen Zwecken dient.

Darin sind zwei Punkte unrichtig, erstens ist die Wal mühle nicht seit 1895 entstanden, sondern sie bestand schon vorher und zweitens hat sie überhaupt kein gemischtes Transitlager. Ich will aber nicht Haare spalten, sie hat ein Mühlenkonto, und ich gebe voll⸗ kommen zu, daß Mühlenkonto und Transitlager in diesem Sinne äquivalent sein kann. ;

Nun aber die Fcage der Mäblenkonten. Die Herren, welche die Interpellation unterschrieben haben, wollen ebenso wie die ge⸗ mischten Transitlager auch die Mühlenkonten abgeschafft wissen. Wie stimmt das dazu, daß die Herren erst in den letzten Jahren ein neues Rezulativ für die Kontenmühlen verlangt haben? (Hört, bört! links) Dieses Regulativ ist ausgearbeitet worden und ist jetzt seit vier Monaten in Kraft, und meines Wissens hat sich wenigstens der Herr Graf von Schwerin mit dem Inhalt dieses Regulativs vollkommen einverstanden erklärt. Es wäre also meiner Ansicht nach etwas voreilig, ein Re— gulativ am 1. Januar in Kraft treten zu lassen und am 8. Mai die Kontenmühlen, für die das Regulativ bestimmt ist, abzuschaffen. Das, will ich aber gerne zugeben, könnte in meiner Rede auch als Haar— spalterei aufgefaßt werden; denn die Herren sagen eben, die Transit⸗ lager müssen fallen, und dann müssen die Kontenmüblen mit ihrem neuen Regulatio und trotz des neuen Regulativs auch fallen.

Nun aber hat der Herr Graf Schwerin seine Ausführungen mit einer Tabelle erliutert, die ich erst heute früh erhalten habe; es ist mir deshalb nicht möglich gewesen, die einzelnen Ziffern auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Nur etwaz habe ich bereits feststellen können, daß nämlich die Tabelle über den Niederlagenrerlehr sie trägt keine Nummer, wird Ihnen aber vermuthlich sämmtlich gegangen sein (Zastimmung) nicht nur den Niederlageaverkehr in den gemischten Tiansitlagern enthält, sondern den Niederlageverkehr in sämmtlichen Lagern, auch den Lagern mit amtlichem Zollverschlaß. (Heiterkeit links.) Infolgedessen veischieben sich die aus den Ziff ern der ersten beiden Spalten in der dritten Spalte gezogenen prozentualen Schlüsse ganz erheblich. Für die Gesammtheit aller der⸗ jenigen Waaren ich sage ‚Waaren“, da nicht Getreide allein, sondern auch Hälsenfrüchte und Oelfrüchte darunter einbegriffen sind stellt sich in den letzten vier Jahren von 1895 bis 1898 das Ver⸗ hältniß der Einfuhr nach dem Inlande, also mit Verzollung nur auf rund 44, 49, 49 und 47 alss erheblich niedriger, als in der Tabelle hier ausgerechnet ist. Ich gebe von vornherein zr, ich will mich diesem Angriff nicht aussetzen, daß diese Ziffern immer noch sehr unerwünscht hohe sind, aber jetzt komme ich ju dem eigentlichen Kernpunkt wir stehen in der vollen Vorbereitung eines neuen Zolltarifs und, wie es kein Geheimniß ist ich habe es ja im März hier erklärt —, in der Vorbereitung eines neuen Zolltarif— gesetzes. Dieses Zolltarifgesetz, welches binnen Jahresfrist, das heißt in der nächsten Session, vorliegen wird, wird Bestimmungen enthalten über den Transitverkehr und über die Zollkredite. Dem Bundesrath ist bis jetzt der Eatwurf des Zolltarifgesetzes noch nicht vorgelegt worden, er befindet sich noch im Stadium der inneren Berathung bei den verschiedenen Ressorts; aber ich bin ermächtigt, beute schan ju erklären, daß die Königlich preußische Regierung der Abschaffung der Zollkredite geneigt ist, und daß, soweit die Stimme der preußischen Regierung im Bundesratb durchdringt, entsprechende Maßnahmen in das neue Zolltarifgesetz Aufnahme finden werden. Ob diese Maß— nahmen nun einfach dahin lauten: die Zollkcedite werden abgeschafft;

oder ob sie so laulen: Zollkredite können vom Bundesrath gegen an. gemessene Verzinsung bewilligt werden, dag ist heute eine off

Frage, über die ich mir selber noch nicht klar bin. Der Effekt wird aber ungefähr derselbe sein.

Nun möchte ich noch einige Worte sagen speziell über Königsbera und Danzig. Wenn ich recht verstanden habe, so bat Herr Graf Schwerin ziemlich am Anfang seiner Rede gesagt: Wäre der Herr Reichs. Schatz sekretãr konseguent, so würde er saämmtliche übrigen ge⸗ mischten Transitlager abschaffen und nur Königsberg und Danzig be— stehen lassen wenn ich ihn recht verstanden babe, weil Graf Kanitz speziell damals das Erwünschte dieser Lager anerkannt hat. Wäre ich preußischer Handels. Minister und lebte Preußen für sih allein und nicht mit den anderen Bundesstaaten zu⸗ sammen, so wäre dieser Gedanke ja ein recht naheliegender. Aber ich glaube, die Herren verkennen etwas das Verhält— niß, daz im Schoße des Bundegraths zwischen den ver—⸗ schiedenen verbündeten Regierungen berrscht. Es ist nicht ohne weiteres durchzuführen, daß Preußen mit seinen 17 Stimmen im Bundesrath ohne weiteres andere Bundesstaaten, an anderen Grenzen des Vaterlandes gelegen, majorisiert, und ich glaube nicht, in Aus— sicht nehmen zu können, daß je ein Zeitpunkt eintreten wird, wo Preußen sagt: wir behalten Königsberg und Danzig, schaffen dagegen per majora Mannheim, Ludwigshafen und wie sie alle heißen, ab.

Es kommt noch ein ferneres Moment hinzu, das ich bereits am 28. März hier gestreift habe, nämlich daß insbesonder erheblich wichtige Transitlager an den Thoren der Freihäfen und Freibezirke gelegen sind. Meine Herren, die Transitlager können Sie abschaffen, aber der Verkehr geht dann einfach in die Freiberirke frei über. (Sehr richtig! links) Bremen und Hamburg haben Freihäfen, Stettin bat einen Freibezirk, der freilich kleiner ist als Bremen und Hamburg, der aber für diesen Verkehr immerhin noch ausreichen würde.

Dag sind alles Sachen, die doch vor einer gesetzlichen Regelung der Dinge reiflich erwogen werden müssen, und eine andere als eine gesetzliche Regelung eintreten zu lassen und etwa auf Grund von Bundegrathsbeschlüssen die Zollkredite zu sperren, das würde mir doch sehr bedenklich erscheinen. Die Zollkcedite sind Gewohnheitzrecht, sie stammen aus den 30er Jahren, si: sind gesetzlich iwar nirgends ftst⸗ gelegt, sie erstrecken sich auch nicht auf Getreide allein, sie erstrecken sich auf alle Arten von Waaren. Also eine Mahßregel, welche 66 Jahre wenn ich nicht irre, stammt sie aus dem Jahre 1834 in Kraft gewesen ist, deshalb mit einem Federstrich auf dem Verordnungswege abzuschaffen, weil sie bei einer Waarengattung Miß⸗ stände gejeitigt hat, möchte ich doch widerrathen. Eine gesetzliche Regelung kann das thun, eine Regelung im Verordnungswege wãre entschieden unvorsichtig.

Nun möchte ich noch speziell über Königsberg und Danzig einige Worte hinzufügen, und zwar aus einem Bericht des Reichsbewvoll—⸗ mächtigten zu Königsberg, den Sie nicht als bestellte Arbeit ansehen kznnen. Er ist datiert vom 2. Februar, ist also älter, nicht allein als die Einbringung der Interpellation, sondern auch älter als die Besprechung vom 28. März. Der Bericht bezieht sich auf da? Kalenderjahr 1899, dessen Ergebnisse definitiv noch nicht zusammen . gestellt sind, die aber in ihren Umrissen bekannt sind. Er sagt:

Die Uebersichten über Einlagerung und Auslagerung in diesen Lägern ergeben zunächst, daß von dem auf Lager gebrachten aus⸗ ländischen Getreide eine erbeblich geringere Menge verzollt wurde, als an inländischem Getreide in die Läger und von da jur Ausfuhr gebracht wurde. Nämlich verzollt wurden

ich gebe es in runden Zahlen

597 000 d, ausgeführt wurden 1 447 000 42. Sodann entfallen von diesen Verzollungen auf Futtergetreide und DOelfrũchte 583 000 dz. Also Brotgetreide bleibt sehr wenig übrig, nur 14000 dz, während die Einlagerungen betrugen an inländischem Brotgetreide, und zwar Weijen 453 000 dz, Roggen 424 000 da. Hiernach kann wohl kein Zweifel darüber besteben, daß auch im Jahre 1899 von dem in die Lager von Königsberg und Darzig verbrachten ausländischen Getreide hauptsächlich nur Futtermittel und solche Hälsen.· und Oelfrüchte, welche in Ost. und Went preußen nicht genügend angebaut werden, im Inlande zurũck⸗ geblieben sind.

Für Danzig kann ich gleich noch eine Ziffer geben. In Danzig sind gegenüber 1898 an aueländischem Getreide weniger eingegangen 108 000 da, an inländischem mehr 167 009 4a. Die Minderzufuhr an auslaͤndischem Getreide bildet hauptsächlich Weizen und Gerste, die Mebrzufuhr an inländischem Getreide hauptsächlich Roggen und

afer. Meine Herren, Sie werden mir, soweit Sie nicht voreinge⸗ nommen sind, zugeben, daß, wenn auch selbstoerständlich im Interesse der Landwirtbschaft die gemischten Transitlager sich als eine mindestens unbequeme Einrichtung ich will nicht weitergehen darstellen, der materielle Schaden, den sie auf die Preisbildung ausüben, doch kein so erheblicher ist, daß man deshalb dem geordneten Gange der Gesetzzebung vorgresfen und jetzt einen Beschluß fallen sollte, der möglicherweise bei der Verabschieduna des Zolltarifs und des Zoll⸗ tarifgesttzes sich als ein übereilter daistellen könnte Ich bitte der balb, warten Sie in nächster Session die Vorlegung des Zolltarifgesetzes ab und halten Sie sich gegenwärtig, daß, wie ich wiederholen kann, die preußische Regierung jezenfalls entschlossen ist ven den übrigen Bundes regierungen habe ic noch keine positive Zufage in dieser Be⸗ ziehung, aber ich kann wohl annehmen, daß eine groß. Anzahl ron diesen auf dem preußischen Standpunkt stehen werden —, in dem neuen Zolltarifgesetz die Zollkredite unschädlich iu machen.

Auf Antrag des Abg. Dr. Spahn (Zentr.) beschließt das Haus die Besprechung der Interpellation.

Abg. Herold (Zentr.): Die Antwort des Staats sekretärs bat jn einiges Licht über die Gründe verbreitet. welche den Bundes rath veranlaßten, auf die wiederholten Beschlüsse des Reichs tages und des preußischen Landtages nicht einzugeben. Das nene Mühlenregulatiy indessen für die Aufrechterhaltung Zollkredite zu verwerthen, halte ich nicht für angebracht, denn det demselben bat ez sich bauptsächlich um die Aenderung des Nendements gebandelt. Die Berechtigung des Verlangens der Auf hebung der Zollkredite hat der Staaissekretär anerkannt. Weng wir nun wirklich die Voriage Tes Zolltarifgesetzes in nächsten Jaht erhalten, und wenn sie Gesetz wird, so wird die Aufhebung des nicht vor 1904, dem Beginn der Geltung det neuen Zolltarif, Thatsache sein. Warum aber noch drei Jahre warten mi einer Maßnahme, deren RNothwendigkeit jeßt auch von am, licher Seite anerkannt worden ist? BHundesrath und Reichẽ⸗ fags majorltät sind einig darüber, daß der heutige Zollschutz für Ge/ treide ungenügend ist; so lange man ihn aber nicht erhöhen kann, ist es doch geradezu wioersinnig, eine Einrichtang welterbestehen zu lassen,

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nsitlager zur Auf hebung empfoblen, 2 . eiwas darin beschlossen; aber fill geworden. Die Aufhebung der Zollkredite oder die lufbebung der Zingsosigkeit ist keines weg dasselbe, die Auf hebung der Zollkredite entzieht dem Betreffenden doch auch daz Barlehn selbst, die Aufhebung der zinsfreien Gewährung des Johlfredits bloß die Zinslasigkeit Letzteres kann er weit eher er— hagen; das Kapital aber sich anderweit zu beschaffen, wird ihm kaum möglich sein. Die Hergabe des Darlebnstapitals und obendrein noch gar die zinslose Hergabe ist eine grobe Ungerechtigkeit, die endlich aus der Welt geschafft werden muß. Dazu brauchen wir noch keine ge. mäschlen Transitlager zu bauen, damlt die inländischen Händler ihr Getreide darauf bringen; das können sie auch guf ihren Böden machen. Es giebt persönlichen Zollkredit für den Importeur, ferner die gemischten Transitlager, auf, denen das Getreide unverzollt biz zu 5 Jahren liegen darf; es giebt endlich für ihn die Müblen—⸗ konten. Der Importeur genießt also dreifachen Kredit, sowohl dlreklt pom Staat als auch durch Vermittlung der staatlichen Einrichtungen; sttztereg trifft befonders auf die großen Mühlen ju, Für Jie

merzen der kleinen Müller, der kleinen Landwirthe hat die Re⸗ glerung anscheinend kein Verständniß. Wie man das Bismarck 'sche Zeitalfer das Zeitalter der That genannt bat, so wird man das deutige Zeitalter das Zeitalter der Erwägungen nennen müssen, denn die Regierungen kommen aus den Etwägungen nicht beraus.

Abg. Gamp (Rp.): Ich stehe völlig auf dem Standpunkt des Bunke ath⸗ von 1594, wo derselbe die Aufhebung der Transitlager, welche nicht exportieren, gzuthieß. Di: Reichsbehörden batten doch die Pflicht, jenen Beschluß auszufüihren. Entweder haben sie ihrer Ver⸗ pflichtung nicht genügt, oꝛer der Bundesrath hat seinen Beschluß wieder aufgeboben; davon ist aber nichts bekannt geworden. Daß Frankfurt am Main ein Transitlager bekommen hat, ob- wohl es dort überflüssig war, läßt sich nur aus der Vor⸗ liebe erklären, welche der preußische Finanr / Minister immer noch für diese Stätte seiner frũheren Wirksamkeit hat. Nach dem Vorgang Frankfurts verlangten auch die anderen süddeutschen Handelsplätze dle Transitlager, und mit Recht. Sie haben aber keine der nur böchst geringe Mengen exportieren können, in der Haupt⸗ fache baben sie nur dazu gedient, den Zollschutz für das inländische Getreide zu schwächen. Für Königsberg und Dansig mögen andere Gründe obwalten, eventuell Versprechun gen, w.lche man der russischen Regierung gemacht hat; aber das trifft doch auf die anderen Transitlager nicht zu. Daß der Bundesrath nicht nach Majoritäten in dieser Frage enischeiden wird, sondern nur nach dem Schwergewicht der Gründe, halte ich für selbst peiständlich. Die Verhaͤltnisse von Königsberg und Danzig liegen doch bimmel welt verschieden von denen von Mannheim, Mainz, Lindau oder Stuttgart. Der Bundesrath wird also doch wohl geneigt sein, die Konsequenzen seines eigenen früheren, noch zu Recht bestehenden Beschlusses zu ziehen. Heute in der Zeit der Geldknappbeit und der hohen Zinsen liegt die Frage auch ganz anders als im Jahre 1896, wo der Diskont nicht 7 oder 5, sondern nur 180i betrug. Hier liegen die Gründe für die Notwendigkeit einer veiänderten Beurtheilung der Angelegenheit. Ich bitte den Bundesrath dringend, doch einmal kon⸗ y'. zu sein und einen einmal gefaßten Beschluß endlich auch durch⸗ zusũühren. .

Abg. Graf von Klinckow stroem H. kons.): So gut wie der grobe Mißstand des Rendements schleunigst zu einem andern Regulativ geführt hat, so gut müssen die Mißstände der zinefreien Zolltredite zu shrer schleunigen Aufhebung führen. Thatsãchlich sind nur verschwin⸗ dende Mengen Getreide von den Transitlagein ins Ausland gegangen, daz meiste ist im Inlande geblieben. Redner bezieh sich für diele Be⸗ bauptung auf eine Tabelle, die er zum tbeil verliest, und fährt dann sort: Ich würde viel lieber den Jꝛentitate nachweis wiedernebmen, als den berüchtigten 8 18 im russischen Handels perttage, der lediglich eine Prämie auf die Einfübrung ausländischen Getreides setzt und so Ostpreußen und durch seine Rückwirkung zuletzt ganz Deutschland ruinieren muß. Die reinen Transillag-r mag der Handel behalten, die gemischen müssen aufgehoben werden.

Staatzsekretär des Reichs-Schatzamts Dr. Freiherr von Thielmann:

Um kein Mißverständniß im hohen Hause aufkommen zu lassen, darf ich dem Herrn Grafen von Klinckowstroem gegenüber erklären, daß die Tabelle, die er soeben vorzeigte, mir unbekannt ist. Ich weiß nicht, welche er gemeint hat; eine amtliche Tabelle war es jeden falls nicht. Sollte es eine Tabelle sein, die aus Privat- kreisen stammt, ich weiß nicht, ob aus Königsberg oder sonst woher, so bin ich für deren Jahalt nicht verantwort⸗ lich, und es kann dem Reichs Schatzamt nicht zugemuthet werden, jede Tabelle, welche von irgend einem Interessenten an den Reichstag eingesandt wird, auf ihre Richtigkeit zu prüfen (Heiterkeit), ebensowenig wie es einem Reichstage ⸗Abgeordneten möglich ist, alle die Irrthümer, die über seine Reden und Abstim mungen in der Presse verbreitet werden, richtig zu stellen.

Was ferner die Frage des Futtergetreides anbetrifft, so habe ich nie behauptet, daß die Mengen, die ich vorhin auf Grund eines Be—⸗ richts des Reichsbevollmächtigten in Königsberg nannte, in der Pro⸗ vinz Ostpreußen geblieben seien. Sie sind dort eingegangen, aber vermuthlich nach anderen Provinzen weiter gegangen.

Abg. Graf von Schwer in ⸗Löwitz rolemisiert gegen die bei der letzten Erörterung der Sache vom Abg. Rickert, gemachten Aug⸗ fübrungen. Das Vorsteheramt in Dannig habe eiklärt, es würde die Aufhebung der zinsfreien Zollkredite mit Freuden begrüßen; das widerspreche durchaus dem Standpunkt, den der Abg. Rickert hier ver · treten habe. Redner wendet sich dann gegen einige Einzelheiten in der Beantwortung der Inteipellation seiteng des Staats sekretärs; er ver⸗ lange ebenso wie vorher Graf Klinckowstroem vom Reich ⸗Schatzamt genauere Statistiken über den Vertehr auf den gemischten Peiyat · transitlagern. Früher habe die Vmrwaltung erklärt, in den Frethafen⸗

bezirten könnten dis Manjpulationen nicht vorgenommen werden, für welche die Transttlager gebraucht werden; sei jetzt diese Möglichkeit

*

doch gegeben, wie es nach der Antwort des Staats sekretärs scheine, so werde es nur noch unverständlicher, warum man nicht sofort zur Auf⸗ hebung schreit? Der Bundesrath sei jetzt der Meinung, es bedürfe jur Aufhebung einez besonderen Gesetzes. Warum habe er sich das nicht schon bor 5 Jahren überlegt? Eg wäre dann der deutschen Landwirthschaft viel Verdruß und Verlust erspart worden.

Abg. Rickert (fr. Vꝛ⸗g.): Ueber die Sache ist doch wahrlich genug geredet worden. Wir werden im Herbst Gelegenheit haben, die Angelegenheit aufs gründlichste zu vrüsen. Ich wünschte freilich, der Stagtesekretär und auch Graf Klinckowstroem kämen nach Danzig und saͤhen sich die Wir kung, welche die Aufhebung der Transitlager haben würde, aus der Nähe an. Gerade Herr Windthorst war es, der sich für die Einrichtung der Transitlager interessierte. Am 7. Februar 1896 hat der preaßische Landwirtbschaftz. Minister bier im Reichstag erklãren lassen, daß er im Osten die gemischten Transitlager im Interesse der Landwirthschaft für nothwendig halte. Heute will Graf Schwerin das nicht wahr haben und wirft mir unrichtiges Iltieren vor, während ich seiner Zeit die betreffende Aeußerung wörtlich vorgelesen habe.

Damit ist die Besprechung erledigt.

Das Haus setzt hierauf die zweite Lesung des Gesetzent⸗ , die Abänderung der Unfallversicherungs⸗

esetze fort.

Abschnitt U, S5 11 ff. des Gewerbe-Unfallversiche⸗ rungsgesetzes behandelt die Organisation und Veränderung der Berufsgenossenschaften.

Die 33 16 = 20 betreffen das Statut genossenschaft.

Abg. Molkenbuhr (So).) befürwortet einen Antrag, wonach auch den Arbeitern daz Recht des Mitsprechens bei der Rentenfest⸗ stellung gegeben werden soll. Die Hälfte der Genossenschafts oer sammlung soll aus Arbeitervertretern bestehen, die auf Grund des gleichen, unmittelbaren und geheimen Stimmrechts durch die groß— jährigen Arbeiter gewählt werden, welche in dem unfallversicherungs⸗ pflichtigen Betriebe beschäftigt sind. Die Berus enossenschaften nahmen leicht den Arbeltern gegenüber einen gewissen behördlichen Charakter an; dem müsse vorgebeugt werden,

Abg. Pr. Hitze (Zentr.): Auch wir halten die Vertretung der Arbeiter inner kalb des Rahmens dieses Gesetzes nickt für genügend und sind im Prinziv für eine Erweiterung, wie sie der Antrag im Auge bat. Angesichts des Widerstandes der Berufs zenossenschaften und der praktischen Schwierigkeiten ist man indeß zum Verzicht auf diese Erweiterung gezwungen. .

Äbz. Fischbeck (fr. Volksp.) hält insbesondere die Schwierig keiten der Durchführung einer derartigen Arbeitervertretung gegen den Antrag für durchschlagend. Auch dürfe nicht übersehen werden, daß die Unternehmer allein die Kosten der Versicherung tragen.

Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Mol kenbuhr wird der Antrag der Sozialdemokraten , S 16 un⸗ verändert angenommen, desgleichen ohne Debgtte der Rest des zweiten Abschnitts und der Abschnitt III ‚„Mitgliedschaft des einzelnen Betriebes; Betriebsveränderungen“. Abschnitt I regelt Feststellung und Auszahlung der Entschädigungen.

Die 65 51 —= 56a behandeln die Anzeige und Untersuchung der Unfälle. .

551 schreibt die schriftliche Anzeige des Unfalls durch den Betriebsunternehmer bei der Ortspolizei und dem durch Statut zu bestimmenden Genossenschaftsorgan vor, .

Ein Antrag Molkenbuhr, die obligatorische Anzeige auch bei der zuständigen Krankenkasse vorzuschreiben, wird von dem Abg. Dr. Hitze bekämpft und gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt und S5 unverändert angenommen, ebenso die 8 52 bis õß a. . ö

Die §5 57 ff. regeln die Feststellung der Entschädigungen.

Nach S57 hat für gewisse Entschädigungsfeststellungen der Sektionsvorstand der Genossenschaft, in allen übrigen Fällen der Genossenschaftsvorstand zu entscheiden. Nach dem letzten Absatz des S 57 der Vorlage, der dem bestehenden Gesetz gleich lautet, soll vor der Feststellung der Entschädigung dem Entschädigungsberechtigten durch Mittheilung der Unter⸗ lagen, auf Grund deren dieselbe zu bemessen ist, Gelegenheit gegeben werden, sich binnen einer Frist von einer Woche zu äußern. . . ]

Diesen Absatz hat die Kom mission durch eine Reihe neuer Bestimmungen ersetzt. Danach sollen die erwähnten Unterlagen dem Entschaͤdigungsberechtigten durch die untere Verwaltungsbehörde vorgelegt werden; diese hat den Ent⸗ schädigungsberechtigten zu Protokoll zu hören, auf Kosten der Berufsgenossenschaft die etwa nothwendigen weiteren Er⸗ mittelungen vorzunehmen und in jedem Fall auf Antrag den behandelnden Arzt zu hören. Steht dieser zu der Genossen⸗ schaft in einem Vertragsverhältniß, so ist auf Antrag ein anderer Arzt zu hören. Dem Entschädigungsberechtigten kann

estattet werden, einen Beistand zuzuziehen und sich durch einen Hire nd hit en vertreten zu lassen. Die entstandenen Ver⸗ handlungen sind der Berufs genossenschaft zu übersenden. Giebt der Entschädigungeberechtigte keine Erklärung ab, so ist der Berufe genossenschaft alsbald Nachricht hiervon zu geben.

Abg. Freiberr von Stumm (Ry) beantragt, den letzten Absatz des 57 der Vorlag⸗ wiederherzustellen.

Abg. Br. Lebr (al) befürwortet diesen Antram zur Annahme.

be. Hoch (Sor) tritt demgegenüber für die Kemmissions⸗ beschlüsse ein, welche nach einem Antrage seiner Partei Alkrecht und Genossen) noch dabin erweitert werden sollen, daß die Beschlüsse des Genossenschafts be: w. Sekttionsvorstandes im Verein mit Ardeiter⸗ vertrelern, die in gleicher Zabl und mit denselben Rechten wie bie Vorft andsmitglieder bei den Beschlässen mitzuwirken haben, zu fassen seien Renten estsetzungskomn ission) daß ferner der Ent⸗ schãdigungẽ berechtigte nicht verpflichtet sein solle, einer Vorladung vor bie untere Vrrwaltungsbebörde Folge zu leisten, wohl aber berechtigt sein folle, seine Anträge und Grklärungen auch schrutlich einzureichen. Her bestehende Zustand babe sich, wie auch in der Kommission allgemein anerkannt worden, als unbaltbar erwiesen. Die autokratische Art, wie bisher die Berufsgenossenschalsten mit den unsallverletzten Arbeitern um ingen, müsse endlich überwunden werden. Bis jetzt sei der Irbeiter selbst für das ganze Verfabren bei Festsetzung der Rente eigentlich garnicht als Indiviualität vorbanden g' wesen. Der perunglũckte Acbeiter habe das gute Recht, die Einholung und Berẽcksichtigung des Gutachtens des behandelnden Arztes zu verlangen. Bei der HRentenfestsetzung müsse gerade so. wie es bei der Inv alioenversicherung bereits Vorschtift sei, die Muwirkung der Arbeiterschaft gesichert werden. ; ! . ö .

Abg. Freiherr don Stumm hält die Neuformulierung des letzten Abfatzez des S 87 durch die Kommissien für die allerbedenk⸗ lichsie Aenderung des ganzen Gesetzes überhaupt, Der Nommissione⸗ beschluß verzögere die Beschlußfassung und involviere ein unberechtigtes Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit der berufogenossenschaf lichen Fnticheidung; dieses Urtheil eines berufsgenossenschaftlichen Organs müsse er durchaus iu seinem eigenen machen. Der Kommissions.˖ beschluß sielle die Berufsgenossens afts. Vorstände unter die Vormund⸗ schaft des Landraths oder des Bürgermeisters; dieses Subordinations· verbältniß müsse ihnen die Lust und Liebe zur Ausführung der schweren Pflichten, welche ihnen das Gesetz auferlege, ganz beträchtlich berderben und verbittern. Schon heute bestege der Uebelstand, daß die Renten nicht schaell genug festgesetzt werden; werde aber noch gar der behandelnde Arzt ine gen. so sei eine weitere Ver⸗ zögerung zu Ungunsten des Arbelters die unausbleibliche Folge. Der Arbeiter. bake nicht das mindeste Interesse bei der ersten Rentenfestsetzung mitvertreten iu sein. Der Ar⸗

der Berufe⸗

beiter habe nur ein Intertsse daran, schnell in seinem Geld zu kommen und eventuell, wenn r damit nicht zufrieden sei, schnell in der Berufungsinstagz ju einer schiedsgerichtlichen Entscheidung zu kommen. Außer für den Berufs genossenschaftsvorstand enthalte der Kommifssionsbeschluß auch ein Mißtrauenzvotum gegen den Ver trauengarzt der Berufsgengfsenschaften; im letzteren Punkt ließe sich tbeorenisch berechtigten Wänschen ja durch eine besondere Be⸗ stimmung entgegenkommen, im wesentlichen aber sollte es bei dem bisherigen Zuftans verbleiben. Schon heute würde über die Renten festfetzung bei den Berufsgenossenschaften ein Meer von Tinte ver- schrieben. Wenn die Kommissionsbeschlüsse angenommen würden und auch ein Goentualantrag abgelehnt wärde, den er zu; Anbahnung einer Vermittelung zu stellen beabsichtige, so würde er nicht allein gegen das Gesetz siimmen, sondern auch seinen vierzehnjährigen Vorsitz n* der Knappschafts Berufggenossenschaft niederlegen můssen.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Der Herr Vorredner von der soꝛialdemokratischen Partei ist zunächst auf die Verhandlungen eingegangen, die im Schoße der Kommission über die Natur der ärztlichen Atteste in Unfallsachen gepflogen sind; es schien mir hierbei aus seinen Ausführungen ein Vorwurf herauszuklingen, daß ich denjenigen Ausführungen, die ich meinerseitz damals machte, noch nicht praktische Folge gegeben hätte. Was die Sache selbst betrifft, so kann ich allerdings aus ziemlich umfangreichen eigenen Erfahrungen sagen, daß meines Grachtens die äritlichen Atteste häufig von einem ganz irrigen Grundsatz ausgehen. Meinez Erachtens kann der Arzt, der die Folgen eines Unfalls zu be⸗ gutachten hat, sich streng genommen nur äußern über die physio⸗ logischen Wirkungen, welche der Unfall auf den verletzten Körper hervorgebracht hat; er kann, meines Erachtens, im Kreise seines gewöhnlichen Sachverständnisses beispielsweise nur erklären: der zweite Finger der linken Hand ist vollkommen bewegungslos, der Mann kann infolge seiner Verletzung des Fußes keine schweren Lasten mehr tragen, der rechte Arm kann nur bis zur halben natürlichen Höhe gehoben werden u. s. w. Das sind die Feststellungen, die inner⸗ halb des Kreises des Sachverständnisses des Arztes liegen. Ich habe aber eine sehr große Anzahl von äritlichen Attesten gesehen, die sogar auf Grund von Vordruck von Formularen sofort erklären, der Mann ist nur noch zu den und den Arbeiten brauchbar, oder der Mann ist nur noch zur Hälfte, zu Dreiviertel erwerbsfähig. Ob jemand mit den physiologischen Folgen, die ein Unfall auf seinen verletzten Körper gehabt hat, noch bestimmte hand werksmäßige Verrichtungen aus⸗ üben kann, ist meines Erachtens viel weniger Sache des Gutachtens des Arztes, wie Sache des Gulachtens praltischer Leute des einzelnen Gewerbes, die genau wissen, welche einzelne Arbeiten der Mann in dem betreffenden Berufe zu verrichten hat. (Sehr richtig) Ich halte deshalb derartige Atteste, die mit einer gewissen unfehlbaren Sicherheit in Bezug auf Leute, die in Berufs— zweigen arbeiten, die der betreffende Arzt in den meisten Fällen gar nicht näher kennt, von denen er gar nicht weiß, welche Verrichtungen hierbei im einzelnen vorzunehmen sind, einfach erklären, der Mann kann noch diesen Beruf ausüben oder er ist noch zu Dreiviertel er⸗ werbsfähig, für auf sehr schwachen thatsächlichen Unterlagen beruhend. Ich meine, die Berufsgenossenschaften sollten sich aus diesen Gründen davor hüten, sich mechanisch an derartige ärztliche Gutachten zu balten, welche einfach erklären, der Mann ist noch zur Hälfte, zu Dreiviertel berufsfähig, oder er kann noch das und daz leisten, oder diese Arbeit kann er nicht mehr verrichten; die Mitglieder der Berufagenossenschaften, die eigentlichen Sachverständigen, die in den Berufsgenossenschaften sind, sollten vielmehr ihrerseits auf Grund ihrer Sachkenntniß an der Hand des ärztlichen Attestes beurtbeilen, welche Arbeiten kann der Verletzte, nachdem er in der und der Beziehung in seinen körperlichen Leistungen beschränkt ist, in der That entweder in dem Berufe, den er bisher inne hatte, oder in einem andern Berufe noch ausüben; erst auf Gtund dieser individuellen Erwägung, die sich allerdiagz zum großen Theil auf das ärztliche Attest stützen muß, auf die physiologischen Unfallzfolgen, die der Arzt festgestellt hat, wird man ju ermessen ver mögen, in welchem Umfange der Betreffende noch erwerbefähig ist und in welchem Beruf er noch arbeiten kann. Jedenfalls glaube ich, wenn man immer von dieser Erwägung auszinge und mit der nöthigen Sorgfalt im einzelnen verfahten würde, möchten viele schiedsgericht⸗ lichen Beschwerden vermieden werden; aber auch die Berufsgenossen⸗ schaften würden in vielen Fällen vor Zahlungen bewahrt werden, die sie jetzt vielleicht zu Unrecht leisten.

Das, meine Herren, waren meine Ausführungen, und wenn ich meiner Auffassung noch nicht eine praktische Folge gegeben habe ich pflege, was ich verspreche, grundsätzlich auch stetz zu halten, Herr Ab—= geordneter Molkenbuhr —, dann liegt das nur darin, daß ich abwarten wollte, wie sich das ganze Gesetz gestaltet, um dann erst dieser Auf⸗ fassung an entsprechender Stelle Ausdruck zu geben. Es liegt aber meinerseits gar kein Bedenken vor, das auch sofort zu thun.

Nun, meine Herren, komme ich zu dem § 57. Wir waren aller⸗ dings der Ansicht, als wir innerhalb des Schoßes der verbündeten Regierungen diesen Paragraphen behandelten, daß die Bestimmung, wonach dem Verletzten die Unterlagen für die Feststellung der Ent⸗ schädigung zunächst mitgetheilt werden sollen, eine genügende Gewähr dafür biete, daß der Beschädigte auch insoweit zu seinem Recht kommt, daß er wirklich gehört wird und Gelegenheit hat, seine Ansicht auszusprechen. Ich bin aber das gestehe ich offen zu im Laufe der Kommissionsverhandlungen und namentlich auch infolge der zablreichen Eingaben der Berufsgenossenschaften schließ⸗ lich zu der Ansicht bekehrt, daß diese Bestimmung der Regierungt⸗ vorlage praktisch vielleicht von sehr geringem Werthe ist; denn sowohl in der Kommission ist mir gesagt worden, wie auch eine große Anzahl von Eingaben der Berufagenossenschaften erklärt, daß die Bestimmung nur auf dem Papier stände, daß der Beschädigte diese Unterlagen nie lese; eine Anzahl Berufsgenossenschaften hat infolge dessen auch geradeju beantragt, diese Bestimmung der Regie⸗ rungevorlage ganz zu streichen.

Das war der Stand der Sache, als wir die Verhandlungen in der Kommission führten. Nun entspricht es allerdings meiner persön⸗ lichen Auffassung, daß es nicht unpraktisch und wohl auch berechtigt wäre, wenn man diese Bestimmung striche, dem Verletzten irgend einen Erfatz zu bieten, irgend eine Instanz, die ihm die Möglichkeit giebt, trotznem gehört zu werden. Aus der Mitte der Kommissivn wurde infolge dieser Auffassung, die sich auch dort geltend machte, beantragt, nunmehr, da sich die Bestimmung der Regierungsvorlage § 57 Abs. 3 nach der Auffassung der Beruftzgenossenschaften als gan werthlos herausgestellt haben soll, den Mann nicht mehr schrift⸗ lich, well er die schriftlichen Unterlagen nicht liest, sondern münd—