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einer an 6 es kein ; zur eltung jzu bringen. Diese ; haben die sanze deutsche Presse aller (er beschäftigt. Wäre dies im ugland vorgekommen, so wäre alles einig in der Verurtheilung derselben; das englifche Parlament hätte sich beeilt, solchen Ausbrüchen einen Riegel vorzuschieben. Vor drei Jahrzehnten bat sich Aehnliches in England abgespielt, und prompt ist Abhilfe ge⸗ schaffen worden. Wie die Sen jetzt liegt, sind die Frauen rechiloz; diesem unwürdigen Zusltand muß endlich ein Ende gemacht werden. Wir wollen deshalb auch das Recht der Polizei be⸗ seitigen, auf bloßen Verdacht hin eine Frau der körper⸗ lichen Untersuchung zu unterwerfen. Liegt thatsächlich gewerbs⸗ mäßige Unzucht vor, so sollen nach wie vor die nöthigen poltzeilichen Vorkehrungen getroffen werden können, welche im sani⸗ fären Interesse der Allgemeinheit liegen; aber die Untersuchung darf nicht von einem männlichen Arit ausgeführt werden. Das Recht der rau auf UEntersuchung durch einen weiblichen Arzt ist schon mit Rück⸗ cht auf das Schamgefühl unbestreitbar; Vaß welbliche Aerzte der Aufgabe ebensowohl wie männliche gerecht zu werden vermögen, stebt fest, ist selbst von Polizeibehörden anerkannt. Mit unserem Antrage, das Verbot der volizeilichen Kasernierung auszusprechen, rollen wir diese bei 5 1818 bereits erörterte Frage wieder auf. Bei der Ver⸗ handlung Über diesen Paragraphen war es der Hamburgische Be= vollmächtigte Burghard, der die interessante Enthüllung machte, Bordelle im polizeitechnischen Sinne gebe es in Hamburg nicht. Jeder weiß, was er von dieser Ableugnung zu halten hat. uch in einer großen Anzahl mittel und süd⸗ deuts Städte giebt es eine Anzahl Bordelle. Beim Arbeit⸗ 6. aragraphen war eg Herr Hr. Oertel. der sich für die esondere Reinheit der ländlichen Bezirke ins Zeug warf; er lud mich direst zu einer Reise nach Freiberg eia; nach Ham—= burg aber wollte er mit mir nicht gehen. Mir theilt nun ein Ingenieur, der Freiberg ganz genau kennt, mit, daß in Freiberg mit seinen 15 600 Ginwohnern nicht weniger als vier Wirthschaften sind, welche als Bordelle angesehen werden müssen. Herr Oertel hätte also nicht mit Steinen werfen sollen, wenn man selbst in einem Glashause sitzt. Ich boffe, daß Ihnen meine Angaben genügendes Material für unsere Anträge zu § 351,6 geliefert haben.
Der zuletzt genannte Eventualantrag Heine wird zurück⸗ gezogen. Ein Antrag des Abg. Singer (Soz.) ist mit gehöriger ÜUnterstützung auf namentliche Abstimmung über den Antrag Albrecht und die dazu gestellten Eventualanträge gerichtet.
Das Wort erhält der Abg. Stadthagen (Ser), der unter wachsender Unruhe des Hauses die Tribüne besteigt. Da die Unruhe den Abgeordneten veranlaßt, mit dem Beginn seiner Ausführungen zurückzuhalten, ersucht der Präsident Graf von Ballestrem daz Haus um Rube; je zahlreicher die Versammlung sei, desto eher könne sonst ein Ton in die Verhandlungen kommen, der nicht wünschenswerth sei. Abg. Stadt hagen: Die einzige Berechtigung, welche sich für olizeiaufsicht überhaupt ausfindig machen läßt, liegt in den sanitären acksichten. In diesem Punkte wollen wir .. auch das Erforderliche vorgekehrt wissen. Die Nr. 6 des § 361 stellt schon nach ihrer Ent⸗ stehungsgeschichte eine Anomalie dar. Die Polizei kann nicht den Beruf haben, die Sitten des Volkes zu regulieren; aber wir finden eine solche Auffassung selbst in gerichtlichen Grkenntnissen als Unterlage für die Grkenntnißgründe wieder. Die Kasernierung wird andererseits infolge der betreffenden schriftlichen Verfügungen des Chefs der Polizeibebörde von den davon Betroffenen als eine Art Konzession betrachtet. Der Polizei⸗Präsident in Berlin 8. B. ist ja anz und gar nicht im stande, die bielen Tausende von Frauen und
adchen, welche alljährlich der Sittenpolizei zugeführt werden, per- sönlich zu vernehmen und seine Entscheidung danach ju treffen; diese Frauen und Mädchen sind also von vornherein der Willkür unter⸗ geordneter Polizeiorgane überantwortet. Sind doch sogar Fälle vor⸗ ekommen, wo Mädchen unter Polijeiaufsicht gestellt werden enn die sich bei der ärztlichen Untersuchung als völlig unberührt erwiesen. In welche Seelenkämpfe müssen solche Mädchen bineingerathen, und welche Sittenverderbniß muß die Folge solcher polizeilichen Willkürlichkeiten sein! Redner führt noch eine Reihe weiterer Fälle an, welche als Belege für diese Polizei⸗ willkür dienen und die Nothwendigkeit einer Beseitigung oder einer erbeblichen Abschwächung der Nr. 6 des 5 361 r fers. be⸗ gründen sollen. Weiter führt Redner aus, daß die Kasernierung und Lokalisierung der Prostitution gerade die Arbeiterviertel der Städte mit ihrem verpestenden Einfluß vergisten muß. Die Absteige⸗ quartiere in den feinen Vierteln betrachte die Polizei be- kanntlich nicht als Bordelle. Auch für diesen Theil der An⸗ träge beruft sich Redner auf eine große Zahl von Gerichtsurtheilen und polizeilichen Verfügungen. Wolle man das Unrecht der Nr. 6, welches der Polizeibehörde die Befugniß gebe, Arbeiterviertel mit Huren zu besetzen, nicht gänzlich beseitigen, so möge man wenigstens die Eventualanträge annehmen. Die Polizei habe, besonders in Preußen, wahrlich andere Aufgaben, die ibre ganie Kraft in Anspruch nehmen; das Institut der Sittenpolizei müsse verschwinden. Er freue sich darüßer, daß aus dem Hause bisber gegen den sozialdemokratischen Prinzspalantrag kein Widerspruch erhoben worden sei, ein Beweis, daß das Haus bis zum letzten Wort mit demselben einverstanden sei.
Abg. Beckh⸗Coburg (fr. Volkey): Wäre der § 181 b ange nommen worden, ö wäre ein großer Theil des Unwillens über Enge. Gesetz gegenstandelos geworden. Bei der früheren Berathung hatte mon sich auch auf der Rechten gegen die Handhabung des § 361 er— klärt. Wenn diese Bestimmung auch nicht darauf hinwirkt, daß die Regierungsmaschine dag Zuhälterthum begünstigt, wie der Vorredner meint, so muß sie doch verderblich sein, wie sie gehandhabt wird. Die Streichung dieser Bestimmung könnte aber einen unheil⸗ vollen Einfluß auf die Zunahme der geschlechtlichen Krank heiten haben. Ich bin ein entichiedener Gegner der Kasernierung und damit der Ausbeutung und Sklaverei der Prostituierten Durch Ab⸗ lehnung unseres Antrages in Bezug auf das Wobnen der Prostituierten haben Sie den Riegel weggeschoben, den wir vor die Kasernierung legen wollten. Ich kenne eine Stadt, in der von den Bordellen Steuern erhoben wurden unter der Rubrik: Landesprodutte. Solche Zustände sind eines zivilisierten Staates unwürdig. Schlechter kann es in Zukunft nicht werden. So, wie die sozialdemokratischen Anträge liegen, kann ich für sie nicht stimmen. Dagegen bin ich mit dem Grundgedanken des Eventualantrages einverstanden.
Von den Abgg. Dr. Spahn (Sentr) und Dr. von Levetzow (d. kons. ) wird Schluß der Debatte beantragt.
Abg. Singer beantragt darüber die namentliche Ab— stimmung; der , wird genügend unterstützt.
Abg. Haußmann. Böblingen (d. Volkap.) konstatiert zur Geschäfts⸗ ordnung, daß ihm durch den Schluß der Debatte die Möglichkeit entjogen werden würde, seine zu 361 gestellten Anträge zu begründen.
räsident Graf von Ballestrem: Ihre Anträge bezieben sich nicht auf den Gegenstand, der uns bier beschäftigt, also auf § 361,6, sendern auf andere Nummern det 5 361. Sie werden seiner Zeit jur Diskussion und Abstimmung kommen. Der Antrag auf Schluß der Debatte wird in nament⸗ licher Abstimmung mit 213 gegen 2 Stimmen angenommen.
Ein i enthält sich der Abstimmung. Gegen den Schluß stimmen auch die Polen.
Darauf wird in namentlicher Abstimmung der Eventual⸗ antrag Albrecht und Genossen zu 8 361 Nr. 6 (Kasernierungs⸗ verbot mit 23l gegen 73 Stimmen, der Eventualantrag Heine d ,, , mit 218 gegen 70 Stimmen, der Antrag
lbrecht auf Streichung des 8 361 Nr. 6 mit 2537 gegen 3
Stimmen abgelehnt. Um 68 / Uhr wird die weitere Berathung auf Freit a 1 Uhr vertagt. (Vorher dritte Berathung der Nachtrags⸗Etats.
Prenßischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
69. Sitzung vom 17. Mai 1900, 11 Uhr.
Ueber den ersten Theil der Verhandlungen ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus geht zur Berathung des vom Herren⸗ hause in abgeänderter Fassung zurückgelangten Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Gewährung von Zwischen⸗ kredit bei Rentengutsgründungen, über. Das Herrenhaus hat die in der ursprünglichen Regie⸗ rungsvorlage enthaltene, vom Abgeordnetenhause gstrichene Zweckbestimmung, daß der Zwischenkredit nur zur Abstoßung der Schulden und zur Errichtung der Renn und Wirthschafts⸗ gebäude auf den Rentengütern dienen soll, wiederhergestellt und außerdem den Zusatz beschlossen, daß über die Verwen⸗ dung des Zwischenkredits dem Landtage alljährlich Rechnung zu legen ist.
Abg. von Bockelberg (kons) beantragt, die Zweckhbestimmung abermals zu streichen, will jedoch den anderen Zusatz als unwesentlich an⸗ nehmen. Ohne die Erweiterung des Zweckes des Zwischenkreditg habe die Vorlage wenig Werth. Irgend welcher Mißbrauch des Zwischen. kredits sei auch obne die enge Jweckbestimmung ausgeschlossen, da es sich ja nur um Rentengüter dandele, die unter Vermittelung der General ⸗Kommission errichtet werden.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Es ist mir bei den Berathungen in diesem Hause und im Herrenhause nicht möglich gewesen, die große Differem, die angeblich stattfinden soll zwischen einem Theil dieses Hauses und der Regierung bezw. den Beschlüssen des Herrenhauses, ausfindig zu machen. Ich glaube, daß dies Gesetz, wie die Regierung es vor⸗ gelegt hat, die Tenden;, die ich vollständig mit dem Herrn Vorredner theile, doch in bohem Grade fördert. Ich bin zweitens der Meinung, daß, wenn die Beschlüsse des Herrenhauses besteben bleiben, die Herren, die andere Ziele verfolgen, ihren Zweck garnicht erreichen.
Meine Herren, der Jahalt dieses Gesetzes ist: wir wollen den Zwischenkredit privaten Vereinen und Personen geben, welche es auch sein mögen, um die hohen Ausgaben, welche entstehen vom Tage der Aufstellung des Plans durch die Abstoßung der Hypotheken, welche mit sehr großen und schweren Kosten verbunden ist, und durch die Folgeeinrichtungen, für welche vielfach auch erhebliche Ausgaben zu machen sind, durch diesen Zwischenkredit zu erleichtern. Nun sagt man ganz richtig: vielleicht wird der Zweck einer soliden Kolonisation in noch vollkommenerer Weise, ohne daß das reine Bestreben nach Gewinn in den Vordergrund tritt, erreicht, wenn ein Privatmann sich damit beschäftigt oder ein Verein, der sich der Kontrole des Staats unter⸗ wirft, durch seine Persönlichkeit alle Garantien bietet, und wenn der in die Lage gebracht wird, ein Gut, welches sich zur Kolonisation eignet, zu kaufen und nun auf sein Risiko hin die ganze Kolonisation durchzuführen. Aber, meine Herten, nach dem Antrage, den das hohe Haus hier angenommen hat, soll ja vorher schon die General Kommission mitwirken. Diese kann aber nach ibrer ganzen Stellung in diesem Stadium noch nicht mitwirken. Es wird also nach meiner Meinung, auch selbst wenn Sie an dem Beschlusse dieses hoben Hauses festhalten, das, was die Herren wollen, garnicht erreicht. Wenn der Beschluß so bleibt, wird es nicht möglich sein, daß die Seehandlung Vorschüsse giebt, ohne daß vorher eine Mitwirkung der General⸗Kommission für den Erwerb eines Gutes schon stattgefunden hat, um dasselbe hinterher in Rentengüter zu verwaadeln. Deswegen kann ich nicht finden, worin die große Differenz liegt. Ich glaube, die Herren irren sich darin, daß sie diesen eben geschilderten Gang der Kolonisation mit den veränderten Beschlüssen, wie sie hier im hohen Hause gefaßt sind, erreichen werden.
Der Herr Vorredner hat das, was die Staatzregierung vor⸗ geschlagen und das Herrenhaus beschlossen bat, für einigermaßen werthlos oder minder wertbvoll gehalten. Das kann ich durchaus nicht finden. Denn wir haben ja die Erfahrung gemacht, daß ganz solide Unternehmer ein solches Geschäft machen wollten, daß wir aber bei der Seehandlung das ablehnen mußten, weil eben die Voraus setzungen, die wir damals stellen mußten, entsprechend diesem jetzigen Gesetze auch in Zukunft stellen werden, nicht vorlagen, und weil wir keinen Fonds hatten, um in dieser Beziehung dem offenbar vor⸗ handenen Bedürfniß entgegenzukommen.
Wenn die Sache so liegt, so möchte ich doch die Herren, nament- lich von der rechten Seite, bitten, sich jetzt mit den Beschlüssen des Herrenhauses zufrieden zu geben; denn die Gefahr, daß das Gesetz dann scheitert, wenn Sie die Beschlüsse des Herrenhauses wieder um⸗ werfen, ist doch namentlich bei der Geschäftslage des Hauses eine große; im Herrenbause war man so bestimmt in dieser Frage, daß der Sprecket der Majorität des Herrenhauses ausdrücklich erklärte: wenn die Regierungsvorlage nicht aufrecht erhalten bliebe, so würden sie gegen das ganze Gesetz stimmen. Meine Herren, nun haben wir doch einmal ein Zweikammersystem; man muß sich da nach den Umständen richten; bei einer Differenz muß man auch mal nach⸗ geben. Wenn ich nun glaube, gejeigt zu haben, daß die Differenz materiell gar nicht so groß ist, so möchte ich Sie dringend bitten, das Gesetz an dieser Differenz nicht scheitern zu lassen. Ich habe im Herrenhause gesagt, und kann daz hier auch vollständig wiederholen, daß, wenn sich zeigen sollte, daß das Gesetz den vorhandenen dringenden Bedürfnissen noch nicht genügt, man in jedem Augenblick weiter gehen kann; die Sache ist damit gar nicht abgeschlossen.
Meine Herren, ich lege deswegen einen so großen Werth auf dieses Gesetz, weil ich der Meinung bin, daß dasselbe ein Kind ist, welches bald ju einem großen Mann heranwachsen wird, und daß wir später nicht mit 10 Millionen Mark, sondern mit vielen Millionen die Sache in Angriff nehmen werden. Das ist der erste Schritt, den wir thun, und ich möchte dringend deswegen bitten, daß die Heren sich für dieses Mal damit begnügen. Bei der Stimmung im Herren hause, wie sie sich deutlich zu erkennen gegeben hat, zweifle
ich an dem Zustandekommen des Gesetzes, und dann wir nichts, und der sehr woblthätige und nothwendige Zwis kann überhaupt nicht gegeben werden. Ich habe ja ausges
daß ich meinerseits gegen die Erweiterung der Befugnisse der Stanz. (
regierung nichts zu erinnern finden würde; wir würden das Gesez nicht scheitern lassen, wenn Sie bei den Beschlüssen des Abgeordneten. hauses stehen bleiben. Aber das Gesetz wird durch die abweichende Stellungnahme des Herrenhauses gefährdet. Ich kann nur bez
daß nach meiner Meinung hinter diesen Beschlüssen des Herrenhausen eine Abneigung gegen die Zwecke, die wir bier verfolgen, in keiner Weise ju suchen ist. Ich glaube auch, daß heute in weiten Kreisen diese Zwecke anerkannt werden. Es hat sich doch heute alle Welt überzeugt, daß wir eine große Anzahl Güter haben, die in der gegenwärtigen Zeit nicht mehr haltbar sind, und daß auch die Frage der Leutenoth auf die Dauer sehr wesentlich beeinflußt wird durch die Förderung der inneren Kolonisation. Diese Meinung ist jetzt durchgedrungen, und ich glaube nicht, daß gewissermaßen heim— liche Motive bei den Beschlüssen des Herrenhauses vorliegen.
Aus allen diesen Gründen möchte ich die Herren bitten, nun— mehr, wofür sich ja auch grundsätzlich schon bei der ersten Berathung Stimmen erhoben haben, daß die Regierungsvorlage vorjuziehen sei, da die Aenderung auf Widerftand gestoßen ift, sich dahin zu veistän— digen, daß die Regierunge vorlage genehmigt wird. (Bravo!)
Abg. Dr. Sattler (al) wünscht das Zustandekommen des Ge. setzes, weil es die innere Kolenisation fördere, und macht darauf aufmerksam, daß dasselbe Geseß auch schon im vorigen Jahre ge— scheitert ist; er habe früber den Beschluß des Ab n, ar fh mitgefaßt, der nach seiner Ansicht die Kolonisation befser fördere, als wenn die Zweckbestimmung darin enthalten sei; diese Förderung falle aber ganz weg, wenn das Gesetz scheitere, und deshalb empfehle er die Zustimmung ju dem Herrenhausbeschlusse.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch lfr. kons.) befürchtet nicht, daß das Gesetz im Herrenhause scheitern werde, wenn das Ab geordnetenhaus an seinem Beschluß festhalte. Die Konservativen würden wohl ihre Parteifreunde im Herrenhause, welche dort die Mehrheit bildeten, bestimmen können, sich der Meinung des Ab— geordneten hauses anzuschließen. Damit mit der inneren Kolonisation energisch vorgegangen werden könne, bitte er, den früheren Beschluß des Abgeordnetenhauses wiederherzustellen.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Ja, meine Herren, ich bin bei den Beschlüssen des Herrenhauses gegenwärtig gewesen, ich werde also die Wahrscheinlichkeit, wie das. selbe sich sftellen würde, doch wohl etwas sicherer beurtheilen können als der Abg. Freiherr von Zedlitz. Es hat nicht bloß die rechte Seite im Herrenbause für die Wiederherstellung der Regierungsvorlage ge⸗ stimmt, sondern auch die sogenannte Linke im Herrenhause; es war ein fast einstimmiger Beschluß, und es wurde ausdrücklich aus⸗ gesprochen: wir werden das Gesetz lieber scheitern lassen, als daß wir uns den Beschlüssea des Abgeordnetenhauses anschließen. Da ist doch die Gefahr groß, daß es scheitert. Wir wissen noch nicht einmal, wann das Herrenhaus wieder zusammenkommt, und dann drängt sich am Schlusse der Session alleg zusammen und es kann sehr leicht so kommen, daß so das Gesetz unter den Tisch fällt. Das wäre nach meiner Meinung unter allen Umständen zu bedauern, selbst für die⸗ jenigen, welche für die Zukunft weiter gehen wollen. Denn wenn man überhaupt noch keinen Anfang gemacht hat, ist es viel schwieriger, die Sache wieder in den Gang zu bringen. Sollten wir uns aber in Zukunft überzeugen, daß das jetzige Gesetz noch nicht genügt, um den Zweck zu erreichen, daß damit für die innere Kolonisation noch sehr wenig gewonnen ist, — wir sind ja jetzt alle einig in dieser Frage, Regierung und Landtag, — dann werden wir einen weiteren Zusatz machen, dann ist ja auch noch nicht viel verloren. Wer also sicher gehen will, daß überhaupt etwas zu stande kommt, den möchte ich dringend bitten, jetzt die Beschlüsse des Herrenhauses anzunehmen.
Abg. von Riepenhausen (kons.) hält an dem früheren Be⸗ schluß des Abzeordnetenhauses fest und kann nicht einsehen, weshalb das Abgeordnetenhaus sich dem Herren haus fügen solle. Wenn das Herrenhaus dann seinen Beschluß aufrecht erhalte, sei immer noch Zeit, daß das Abgeordnetenhaus seinen Beschluß ändere. ;
Die Vorlage wird nach dem Antrag von Bockelberg, also unter Streichung der Zweckbestimmung, angenommen.
Sodann folg die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Bewilligung weiterer taatsmittel (5 Millionen Mark) zur Verbesserung der Woh⸗ nungsverhältnisse von Arbeitern, die in staatlichen Be⸗ trieben beschäftigt sind, und von gering besoldeten Staats— beamten, in Verbindung mit der Denkschrift über die Aus— führung der Gesetze gleichen Inhalts von 1895, 1898 und 1899.
Abg. Mace o (nl): Bei der Schaffung von Wohnräumen für Arbeiter müssen die billigen Wünsche der Arbeiter berücksichtigt werden. Im Westen sind aber vielfach kasernenartige Gebände errichtet worden, bei denen doch die Gefahr größer ist, daß unter ihren Bewohnern Zwietracht und andere Mißstände platz greifen, die wir sonst met allen Mitteln ju bekämpfen suchen. Bei dem guten Zweck des Gesetzes kann man sich mit einer geringen Versinsung begnügen. Ich be⸗ antrage, die Vorlage der Budgetkommission zu üderweisen
Abg. Saenger (fr. Volkzp.): Auch wir stimmen der Regierunge⸗ vorlage ju. Den Hausbesitzern wird kaum Konkurrenz berertet, da der Staat nur dort eingreift, wo Wohnungenoth herrscht, auch muß ihr Interesse hinter das der Arbeiter zurücktreten. Ich bedauere, daß es dem Staat nicht immer gelungen ist, vorbildlich zu wirken, um ju zeigen, daß man auch mit verhältnihmäßig wenig Mitteln schöne Häuser bauen kann. Außerdem hat der Staat die Aufgabe, die Bemübungen der Arbeiter beim Erwerb von eigenen Häusern zu unterstützen, indem er die Baugenossenschaften subventioniert. In Bejag auf die Kasernenbauten sind die Verhältnisse in den letzten Jahren besser geworden. Der Prozentsatz der 2. und 3 stöckigen Gebäude ist nach der Denkschrift gestiegen. Es sollen jetzt nur in Frankfurt a. M. und in Königsberg noch 4stöckige Gebäude errichtet werden; das sind zwei Städte, in denen Grund und Boden allerdiags tbeuer ist. Im Ganzen kann ich diesem Vorgehen des Staats gern eee, Die Einjelheiten können wir am besten in der Kommission esprechen.
Abg. Schall (tons): Wir begrüßen es mit Genugtuung, daß die Reglerung in der Ausführung dieser Gesetze den Wünschen des Hauses Rechnung getragen hat. Eg sind bereits 15 Millionen für Diesen Zweck verwendet worden, ich möchte fragen, wie viel noch in Zukunft dafür vorauesichtlich nothwendig sein wird und in welchem Maße den Uebelständen in dem Wohnungswesen durch die bisherigen Mitiel abgeholfen ist. Die Subvention der Baugenossenschaften von dem Bedürfniß abhängig gemacht werden, damit der Staat nicht in unnötiger und chikanierender Weise der privaten Bau⸗ thätigkeit Konkurren; macht. Es ist nicht unberechtigt, wenn die Hauz. und Grundbesttzerpereine sich gegen die Unterstützung der Baugenossenschaften erklären. Es wird sich in jedem Falle sicher fest⸗ stellen laffen, ob die Subvention einer Baugenossenschaft dringend
nothwendig ist, ob de , berrscht oder die Miethe eine
übertriebene Höhe hat. Zu bedenken ist, daß, wenn man mit St mitteln in den Städten den Arbeitern Wohnungen zur Ver in stellt, die Landflucht der Arbeiter noch verstärkt 8 und man mu
gindet wären, wenn die
der Gerechligkeit entspricht. Aber die Reglerung
f eee , en mit diefer sojlalen Färsorge für die Arbeiter, e die Arbeiter auch in sittlicher Dinsicht gefördert werden. gie ge ter, re Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Or. e, n. Der Gesetzentwurf selbst ist von keiner Seite an⸗ en, vielmebr allseitig wohlwollend aufgenommen worden. Ich 9 nich daher über die einielnen Punkte, die hier jur Sprache mn worden sind, nur kurz ju äußern.
Zuerst ist wieder die alte Frage, ob Villensystem, Ein zelwohnungen aer Rasernenstil zu wählen seien, von dem ersten Herrn Redner zur
gebracht worden, und er hat beantragt, dieserhalb die Sache 1 die Budgetkommission zu verweisen. Ich glaube nicht, daß die Ba mmössion viel mit dieser Anregung machen wird. Es ist nahl in der ganzen Welt keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß ginnlwohnungen vielleicht mit Garten und Stallungen — den
Gebäuden, wo viele einzelne Familien zusammenwohnen, weit benullehen sind. Aber die Arbeiter haben doch, so sehr man nich bemüht sein muß, für ihre Wohnungsverhältnisse zu sorgen, auf chne Ginzel wohnung keinen besonderen Anspruch. Dieser Anspruch kann so sir fast keine Klasse der Bevölkerung — wenigstens in großen Gtadten — befriedigt werden. Wo es möglich ist, ohne die Kosten n hoch zu steigern, wo namentlich der Grund und Boden billig ist, na soll man allerdings — und das thut die Staatsregierung ja auch — nal Versuche mit der Rentabilitãt von Einzelwohnungen machen.
Das wird namentlich da möglich sein, wo zwei Bedingungen vor- handen sind: erstens billiger Boden und zweitens reichliche Löhne.
daß eine Einzelwohnung gegenüber einem Gesetz, welches eine augemessene Verzinsung fordert — dies ist kein Wohlthätigkeitsgesetz, wenn es das wäre, würde es nur kurje Beine haben, sondern 4 ist ein Gesetz, welches dem Staat, und so müssen wir
nach Maßgabe des Gesetzeß verwalten, eine mäßige Rente giebt — nicht florieren kann, wo die Lebensverhältnisse oder Lohn · perbältnise der Arbeiter so sind, daß die Miethe zu hoch sein würde, darüber braucht man auch nicht weiter zu sprechen. Wo andere Ver⸗ hältnisse vorliegen, ist es gewiß im höchsten Grade nützlich und vor—⸗ sbeilbaft und human, möglichst auf Einzelwohnungen hinzudrängzen. Db diese Bedingungen in dem einen Orte oder in der einen Gegend Oer in einer anderen vorliegen, das kann doch nicht theoretisch fest⸗ gestellt werden durch einen allgemeinen Erlaß; das müssen Sie schon der Verwaltung überlassen. Wenn z. B. die Beschwerden, die n dieser Beziehung aus dem Siegenschen erhoben sind, be⸗ Voraussetzung der Möglichkeit pon Cinzelwohnungen vorläge, so würde ich unbedingt dafür sein, diesen Wänschen zu entsprechen.
Auch die Frage, ob vier oder dreinimmerige Wohnungen, hängt nit von den Lebensverhältnissen der betreffenden Personen ab. Ein Verführer, der einen großen Lohn bat, wird vielleicht eine vier⸗ smmerige Wohnung nehmen können, und desbalb bauen wir auch hienimmerige Wohnungen. Das Rationellste ist also auch in einem gehen Gebäude, verschiedenartige Wohnungen herzustellen. Für ein altes Ehepaar, das keine Kinder hat, genügt oft eĩe einzimmerige Bohnung, und das Ehepaar wünscht sich vielleicht auch gerade eine solche Wohnung. Man muß die Wünsche und Leistungs⸗ sihigkeit der betreffenden Miether in Betracht ziehen. Man lann sogar behaupten, daß das in viel größerem Maßftabe möglich sst, wenn man große Häuser baut, wo verschiedenartige Familien utergebracht werden können. In einer größeren Stadt, bier in Berlin oder in einem Vorort, werden Sie Einzelwohnungen nicht bauen lznnen. Da würde der Preis der Miethen derartig sein, daß man hiewon ganz absehen muß. Außerdem ist die neue Methode, die innere Beschaffenheit des Baues von solchen sogenannten Kasernen gar nicht so schlimm, es fallen jetzt eine ganze Zahl von Uebelständen fort.
Meine Herren, wir haben doch die Erfahrung gemacht, und das möchte ich den Bemängelungen gegenüberftellen, daß wir durch den Bau dieser Wohnungen bei den Arbeitern und den Mietbern die größte Dankbarkeit hervorgerufen haben; diese sind also zufrieden. Waz für einen Vortheil haben diese Arbeiter des Staats aber schon allein dadurch, daß der Staat nur 3 0 berechnet, während sie, wenn fie das Geld anderswo anleihen müßten, eine ganz andere Summe benhlen müßten! Welchen Vortheil haben sie dadurch, daß der Staat dielfach auf eigenem Grund und Boden baut und daher den hohen Werth des Grund und Bodens nicht anzurechnen braucht, daß die Miethen meist oft geringer sind als die Miethen für schlehte Wohnungen in demselben Ort, und daß die Leute sichet sind, in ihren Wohnungen bleiben zu dürfen, daß sie nicht, ob— wobl sie sich gut betragen und die Miethen pünktlich zablen, Gefahr laufen, hinausgeworfen ju werden. Das ewige Umziehen ist das größte Unglück für die Arbeiterklasse. Wenn die zunächst Be—⸗ theiligten mit der Sache durchaus zufrieden sind, wenn die Wohnungen änßerst gesucht sind, und wenn sie, sobald sie nur fertig, gleich voll sind, so kann man doch wobl annehmen, daß nicht alli viele Fehler seitenz der Staatsregierung bei dem Bau dieser Wohnungen gemacht werden. Die Frage, ob sechs oder vier Wohnungen in einem Hause sein sollen, halte ich nicht für so important, daß es rathsam ware, zu beschließen, es sollen überall nur vier Wobnungen in einem bause sein statt sechs. Wir haben eine große Anzahl von Häusern mit vier Wohnungen, auch eine Reihe mit sechs Wohnungen.
Ich habe vorhin gesagt, die Beschaffenheit der Wohnungen hängt für den Arbeiter oder Beamten wesentlich von ibren Gebalts— derhãltnissen ab. Ich glaube aber trotzdem nicht, daß die Wohnungsfrage eine bloße Gehalts. und Lohnftage sei, denn leider — es liegt vielleicht auch in der Natur der Sache — spart der Arbeiter juerst an der Wohnung. Alle anderen Bedürfnisfe befriedigt er eher und auch vielleicht etwas reichlicher als daz Wohnungebedürfniß, und es ist eine kulturelle Auf⸗ gabe, die arbeitenden Klassen erst an gute Wohnungen und ihren
b in sittlicher und bygienischer Beziehung zu gewöhnen. Hat mal ein Arbeiter längere Zeit eine solche Wohnung gehabt, so wird I seine Ansprüche erhöhen, was zu seinem Heil und jum Heil des
gereicht. In dieser Beziehung muß der Staat Muster sein
und namentlich für Stabilität der Wohnungen sorgen. Hier in erlin ist eine ausgezeichnet geleitete, schoa alte gemeinnützige Bau- gesellschaft, die durch Legate und andere Zuwendungen finanziell megereichnet steht. Ich bin mal mit dem betr. Herrn, nach 2 der Staat ihm 2 Millionen vorgestreckt hatte, durch diese obnungen gegangen und habe da eine große Anzahl Miether ge⸗ den, die 20 und mehr Jahre in der Wohnung gewohnt hatten. sehen ihre Wohnungen gewissermaßen als ihr Eigenthum an.
Sie schmücken die Wohnungen mit Bildern, guten Möbeln — sind die ordentlichflen Leute. Das werden wir nach und nach für unsere eigenen Arbeiter auch erreichen.
Wenn nun gefragt worden ist, wie hoch das Bedürfniß nach solchen Wohnungen für die eigenen Arbeiter und andere Beamte in Zukunft sich stellen wird, so kann ich diese Frage wirklich nicht be⸗ antworten; denn wenn die Bergwerksverwaltung früher 30000 Bergleute beschãftigt und jetzt auf einmal 40 000 — wer kann voraussehen, wie das Bedürfniß sich in Zukunft entwickeln wird? Wenn wir eine, wenn auch mäßige, in der heutigen Zeit ja erhebliche Opfer für den Staat herbeiführende Verzinsung erreichen, wenn wir fortfahren, nach Maß⸗ gabe des wirklichen Bedürfnisses Jahr aus Jahr ein 5 Millionen zu bewilligen, so werden wir damit an sich allen Arbeitgebern ein gutes Beispiel geben, und es wird die Wohnungsnoth allmäblich sich ver⸗ ringern.
Meine Herren, die Rücksicht auf die Hausbesitzer schlage ich gar⸗ nicht gering an, weil sie zugleich die Rücksicht auf die Privat ⸗Bau⸗ unternehmungen ist. Würde der Staat das Wohnungswesen mehr in die Hand nehmen, wie das ein Antrag, der jetzt vorliegt, ins Auge faßt, würde er gewissermaßen die Verantwortlichkeit generell für dag Wohnen seiner Einwohner übernehmen, dann würde sofort die ganze Bauspekulation selbstredend verschwinden; denn gegen den großen Staat können die Bauunternehmer nicht konkurrieren.
Nun wissen wir ja aus langer Erfahrung, daß die Bauunter⸗ nehmer am allerschwierigsten an die Herstellung von Acbeiterwohnungen gehen (sebr richtig, weil sie ibr Kapital festlegen. Eine solche große Arbeiterkaserne wird sehr selten verkauft; auch die Risiken, die mit einem solchen Unternehmen verbunden sind, sind nicht gering. Daher fehlt in den fortschreitenden Städten, deren Be⸗ völkerung sich vermehrt, fast immer die volle Befrie⸗ digung des Bedürfnisses an ganz kleinen Wohnungea. Wenn nun dadurch eine Art Wohnungsnoth entsteht, hohe Preise, schlechte Wohnungen, Ueberfüllung der Wohnungen, dann ist es durchaus berechtigt, daß der Staat wenigstens für seine eigenen Arbeiter sorgt. Aber er soll sich auch darauf beschränken. In Orten, wo kein Be⸗ dürfniß ist, wo vielleicht eine große Anzahl billiger Wohnungen zur Disposition steht, muß der Staat nach meiner Meinung seine Hand davon halten; denn sonst richtet er mehr Schaden als Vortheil an. Aber ich behaupte auch, daß die Ressorts, namentlich die Bergwerks⸗ und die Eisenbabnverwaltung, genau nach diesem Grundsatze handeln, und daß daber die Besorgniß und Klagen, daß wir den Grundeigen⸗ thümern bzw. den Bauunternehmern eine ruinöfe Konkurrenz machten durchaus nicht begründei sind und sich auch in keiner Weise bisher gezeigt haben.
Meine Herren, wenn Sie die Vorlage an die Budgetkommission zur näheren Prüfung verweisen wollen, so ist, da die Budgetkommission ja schnell arbeitet (Heiterkeit) und also die Gefahr einer Verzögerung eines Abschlusses dieses Gesetzes in diesem Jahre dadurch nicht ent—⸗ steht, unsererseits dagegen natürlich nichts zu erinnern. Ich glaube nur nicht, daß die Budgetkommission eine viel größere Weisheit in dieser Sache hat als das ganze Haus überhaupt, als alle die⸗ jenigen wenigstens, die sich mit der Wohnungsfrage beschäftigt haben. Aber unsererseits ist dagegen nichts zu erinnern. Ich nehme ja natürlich an, daß dadurch die Sache nicht so verzögert wird, daß etwa das Gesetz liegen bliebe; denn das wäre sehr übel. Neberall treten die offenbarsten, dringendsten Bedürfnisse an uns heran; viele Sachen sind eingeleitet; man hat auch schon Arbeiter⸗ und Beamten⸗Baugenossenschaften vielfach Summen in Aucsicht gestellt. Wenn also plötzlich eine Lücke von einem Jahre hineinkäme, so würde ich das im hböchsten Grade bedauern. Aber ich bin überzeugt, dafür wird das kohe Haus schon sorgen, daß dieser Mißstand nicht entstehen wird.
24 von Riepen hausen (kons.) hält die Ueberweisung an die Budgetkommission nach dem Verlauf der Berathung für überflässig, will ihr aber nicht widersprechen, wenn eine große Partei noch jetzt die Ueberweisung beantrage. Die hohe Verzinsung eines Vielfamilien⸗ hauses von 426 00 entspreche nicht der Verzinsung bei allen übrigen Bauten der letzten Jahre. Könne man da nicht in den Wohnungs preisen etwas zurũckgehen?
Abg. Krawinkel (ul.) billigt die sonale Fürserge des Ministers, meint aber, daß die örtlichen Verhältnisse oft nicht genügend berück= sichtigt würden.
Abg. Ehlers (frs. Vgg.): Ueber die Bewilligung der s Millionen sind wir alle einig. Die technischen Meinungsverschiedenheiten kann die Budgetkommission nicht aus der Welt schaffen, sie sind vielleicht überhaupt nicht aus der Welt zu schaffen. Wir bedürfen daher keiner FKommissionsberathung. Bei der Ausführung der Bauten können ja die Techniker die hier geäußerten Wünsche mit in Rechnung ziehen. Die Budgetkommission bat sich dreimal gründlich mit dieser Sache besckäftigt, verschonen Sie sie also diesmal und nehmen Sie die Vorlage sofort im Plenum an.
Der Antrag auf Kommissionsberathung wird abgelehnt; es folgt sofort die zweite Berathung.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Ich möchte noch auf eine Frage erwidern, daß allerdings in dem von Herrn von Riepenhausen angeführten Fall eine Rente von über 4 oo herauekommt. Wenn wir aber einen Durchschnitt von etwa 3 oo erhalten wollen und besondeis günstige Verhbältnisse an einem Orte mal vorliegen, eine Uebersetzung der Miether nicht ftattfindet, dann müssen wir arch mal, da wir in manchen anderen Fällen unter 3 o,s9 kommen, wenn die Verhältnisse es gestatten, etwas weiter gehen, um den Durchschnitt herauszubringen. Sonst haben wir durchaus nicht die Alsicht, generell mehr als 3 0 / heraus juwirthschaften.
Die Vorlage wird unverändert angenommen.
Es folgt die Berathung von Petitionen.
Zunächst wird die vor einiger Zeit vertagte Berathung der Petition von Helene Lange und Genossinnen in Berlin Berliner Frauenverein) um Zulassung der Frauen zur Immatrikulation an den Universitäten und zu den Staatsprüfungen fortgesetzt .
Die Unterrichtskommission, deren Berichterstatter Abg. Dr. Dittrich (Zentr) ist, beantragt, über die Pelition zur Tagesordnung überzugehen. .
Abg. Rickert (fr. Vgg.) beantragt, die Petition der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen; Abg. Dr. Arendt sfr konf) beantragt die Ueberweisung derselben als Material.
Geheimer Ober · Regierungsrath Dr. Schmidt bemerlt, daß die Ver⸗ waltung den Wünschen der Petenten schon sebr entgegengekommen fei In einem Jahre seien zugelassen 645 Hospitantinnen, 49 Extraneer, 10 Damen jum Doktorexamen und 8 zur ärztlichen Vorbildung. Weiter als bisher könne die . nicht entgegenkommen; es mässe erst abgewartet werden, wie sich die Verhältnisse entwickeln.
Abg. Dr. En dem ann (nl) ist mit dem Uebergang jur Tagesordnung nicht einverstanden, sondern empfieblt die Ueberweisung , . und hält die Errichtung von Mädchengymnasien für nothwendig.
Abg. Schall (kons.) weist auf die Gründe hin, aus denen er sich im vorigen Jahre ausführlich gegen die Petition ausgesprochen babe, deren Forderungen nach der Ansicht seiner Freunde nicht dem wahren Wohl der Frau dienten. Eine Schulleiterin, die nicht nur Oberlehrerin. sondern auch approbierte Sberlehrerin sei, sei ihm nicht erwünscht. Bei der Ersiehung der Mädchen komme es hauptsächlich auf die Heriens⸗ bildung an. Mit der Zulassung zur ätjtlichen Approbation möge man weitere Versuche machen, aber eg müßten besondere medizinische , n. eingerichtet werden. Er bitte, bei dem woblerwogenen Beschluß der Kommission stehen zu bleiben; denn es dürfe in dieser Frage nichts überstürzt werden, damit wir unser altes deutsches Frauenideal, dag sich von dem Ideal einer englischen oder amersta⸗ nischen Frau wesentlich unterscheide, nicht verlören.
Nach w nn weiteren Bemerkungen des Geheimen Ober⸗ Regierungsraths Dr. Schmidt und des Abg. Dr. Endem ann beschließt das Haus den Uebergang zur Tagesordnung.
Die Petition des Magistrats und der Stadtverordneten von Leobschütz um Erbauung einer Eisenbahn Leobschütz= Kandrzin wird der Regierung als Material überwiesen.
Die Petition des Rechtsanwalts Luft in Leobschütz um Beschleunigung des Baues der Wie hrt g on isch enn erh — Bauerwitz und Fortführung derselben bis zur Landesgrenze mit einer Abzweigung Nassiedel — Leobschütz wird der Regierung zur Ecwägung überwiesen.
Ueber die Petition des Küsters Kittler in Luckenwalde um Beilegung der Staatsbeamten-Eigenschaft an die zivil versorgungsberechtigten Beamten der Kirchen⸗ rn, . geht das Haus auf Antrag des Berichterstatters
bg. Freiherrn von Dobeneck (kons.) zur Tagesordnung über.
Außerdem erledigt das Haus noch eine Reihe von Peti⸗ tionen persönlichen oder lokalen Inhalts.
Schluß 3 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr. Waarenhaussteuergesetz.)
Statistik und Volkswirthschaft.
Unter dem Vorsitz des Direktors des Kaiserlichen Statistischen Amts, Geheimen Ober⸗Regierungsraths Dr. von Scheel begann heute in Jena eine Konferenz von Vertretern der Statistit des Reichs und der Bundesstaaten ihre Berathangen; Gegen stand desselben ist in erster Linie die Ausführung der in diesem Jahre dor⸗ zunehmenden Volkszählung, der land und forstwirtbschaftlichen Er⸗ hebungen und der Viehjählung.
Gewerbliche Riesenunternebmungen in Deutschland.“)
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Gewerbliche Uaternehmungen mit mehr als 10090 Personen gab es nach dem 119. Bande der Statistik des Deutschen Reichs am 14. Juni 1895 insgesammt 296. Sie beschäftigten über eine halbe Million Personen: 552 628, die in ibnen verwendeten motorischen Kräfte revräsentlerten eine Leistung von zwei Drittel Million Pierdestäcken: 665 265. Diese modernen Gebilde der volkswirihschaftlichen Organi- sation, in denen Tausende von Menschenhänden nebeneinander arbeiten und in ibrer , . von gewaltigen Motoren und technisch sebr vervolllommneten Arbeits maschinen unterstützt werden, sind gemãß ihrer Verfassung, Ausdehnung und Produktiokraft von so weit tragendem Einfluß auf die Vollswirthschaft, daß private und öffentliche Interessen in ibnen aufs engste verbunden erscheinen. Die sozial verschiedensten Klassen von Familien sind in ihrer wirtbschaftlichen Gxistenz von ihnen abhängig, zunächst die leitenden Persönlichkeiten, die Aktionäre, stillen Theilhaber, sonstige Kapitalinteressenten, die Gläubiger, die Werkmeister und Arbeiter. Daneben verfolgen Hunderte und Tausende von Kunden aus Nah und Fern das Geschäft; zahlreiche Händler, Lieferanten, Konkurrenten, endlich die Nachbarn, die gane Stadt, der Kreis, die Pꝛovinz baben Interesse am Auf und Niedergang der betreffenden Unternehmung. Die Lage, die baulichen Einrichtungen, die guten oder schlechten Verkehrs- beziebungen des Großbetriebs werden zu einer Gemeinde und Benlrk⸗ gngel gen beit von dem Betriebe werden Schulwesen, Steuerkraft, Bevöllerungszu⸗ oder abnahme, Wohlstand und Verarmung der ganzen Gegead, Art der Siedlung und Grundeigenthumsvertheilung beeinflußt. Diese volkswirthschaftliche Bedeutung kommt mehr oder minder allen größeren Unternehmungen zu, insonderheit aber den erwähnten Riesen⸗ nehmungen, bei ibnen tritt der öffentliche, gemeindeähnliche Charakter ganz besonders deutlich hervor. Ihre gewaltige Ausdebnung haben die Riesenunternehmungen vornehmlich dadurch erhalten, daß verschieden · artige Gewerbebetriebe zu einem Gesammtbetrieb, zu einem wirthschaft⸗ lichen Ganzen vereinigt wurden. Die Tendenz der Vergrößerung hält aber noch an, sie zeigt sich gerade bei den ausgedehntesten Unter nehmungen: Entweder wird der eigentliche Stammbetrieb erweitert, oder es werden mit ihm Theilbetriebe mannig⸗ faltigster Art kombiniert. Zweck dieser Kombinationen ist, dem Hauptbetrieb die Theilfabrikate anderer Gewerbe, die im erfteren viel und regelmäßig gebraucht werden (J. B. Tischler⸗, Böttcher⸗, Buchbinder, Schlosserarbeiten), möglichst billig und einfach zujufübren oder die eigenen Produkte weiter zu verarbeiten (daher neben Berg ⸗ und Hüttenwerken GEisengießereien und Maschinen⸗ fabriken, oder man bejweckt eine rationelle Verwerthung der Neben⸗ produkte (. B. in der mit Gasanstalten verbundenen Kokerei und chemischen Werkstãätte — Ammoniakbereitung), oder man will sich vom Markt überhaupt unabhängiger machen (wer halb z. B. Eisenhüttenwerke in ihrer Nähe belegene Koblengruben erwerben). Ein anschauliches Bild von der Großartigkelt dieser Unter⸗ nebmungen läßt sich nur an der Hand konkreter Beispiele gewinnen. Deshalb sollen im Folgenden einige Riesenunternehmungen einzeln vorgeführt werden; jugleich wird an ibnen auf Grund der im Laufe der Monate September und Oktober 1899 über ihren neuesten Stand . Nachweise gejeigt, wie deutsche Riesenunternebmungen jetzt aussehen.
Zu den Werken und Anlagen der Firma Friedrich Krupy gebören die Gußftablfabrik in Gsseni), das Krupp'sche Stahlwerk borm. F. Astböwer u. Co. in Annen (Weftfalen) das Grusonwerk in Buckau bei Magdeburg, 4 Hochofenanlagen bei Rheinhausen, Duis⸗ burg, Reuwied und Engers, 1 Hütte bel Sayn mit Maschinen betrieb, 4 Koblengruben (außerdem Betbeiligung an anderen Zechen), über 500 Gisensteingruben in Deutschland, darunter 11 Tiefbau Anlagen mit vollftändiger maschineller Einrichtung, verschiedene Gisen · steingruben bei Bilbao in Nordspanien, 1 Schießplatz bei Mexven bon 16, Km Länge und mit der Möglichkeit, bis auf 24 Km Ent- fernung zu schießen, 3 Serdampfer, verschiedene Steinbrüch, Thon ⸗ und Sandgruben zꝛc.; außerdem ist der Firma Friedrich Krupp bertragsmäßig der Betrieb der Schiff ⸗ und Maschinenbau. Aktien Gesellichaft Germania in Berlin und Kiel überlassen. Die hauptsächlichften Fabrikationsgegenstände der Gußstahlfabrit in Essen sind Geschüßze (bis Ende 1898 über 37 009 Stück ge liefert, Geschoffe, Zunder, fertige Munition ꝛc.,, Gewehrläufe,
) Vergl. Nr. 1I7 des R m St. A.“ vom 16. Mai d. J.
I Der Grundbesitz betrug am 1. Januar 1899 in Essen und umliegenden Gemeinden 360 ha 64 a 89 qm, davon 59 ha 78 a 99 am überbaut.