1900 / 122 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 May 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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Deutscher Reichstag.

199. Sitzung vom 21. Mai 1900, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnun Interpellation der Abgg. . Soz), betreffend die in Anhalt, Reuß j. L. und Lübeck er⸗

gangenen Landesgesetze wegen der kriminellen Bestrafung des

Koniraktbruchs ländlicher Arbeiter.

Auf die Frage an den Vertreter

Interpellation zu beantworten gedenke, erwidert der

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding: ich erkläre mich bereit, die Interpellation im lers zu beantworten. Da aber ein Ein⸗ gehen auf die Sache selbst für die Reichsvꝛiwaltung ein Benehmen mit den betheillgten Bundesregierungen erforderlich macht, so bedauere ge zu sein, die gewünschte Antwort zu m 30. Mai,

Herr Präsident, Namen des Herrn Reichslanz

ich, heute noch nicht in der La geben. Die Beantwortung der Inteipellation wird a

Das heißt am Mittwoch nãchster Woche, erfolgen.

Präͤsident Graf v beute erledigt. Ich wer

Tagesordnung setzen.

Auf der Tagesordnung steht sodann die dar eh der dritten Berathung des

Aenderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs. Graf von Ballestrem: Meine Herren! Ich schlage den vierten Gegenstand der Tag Tefung des Gesetzentwurfs, betreffend die Schlachtvieb⸗ und Fleischbeschau, vorher zu verhandeln.

Prãsident

Ihnen vot,

Gesetzentwurfs, betre

Gesetzentwurfs ein.

Zu der Vorlage liegen bg von Bonin⸗Bahr u

Aichbichler und Genossen sZentr.) vor. In der Generaldiskussion ergreift das Wort der

Abg. Baudert (So: so verschlechtert worden, daß beutschen Volkes damit ein schwer zu werden würde, wenn es in dieser verschlechterten Fafsung zur An⸗ nahme käme. tausenden von Arhe mangelhaften Ernãbrun durch die künstliche

Zurückhaltung des reise immer weiter in die Höhe

der großen Grun

dem Gesetz in der von dem sie sich nick in meinem Wahlkreise (Weima

Ginen heillosen Schaden würde es den

ni

daß er für die deutsche Industrie Überhaupt kein Verständniß hat.

Abg. Au gst (. Volksp.) k'st auf der Journalistentribüne nicht Nur foviel wird klar, daß der Redner die Agrarier für

zu versteben.

dieses volksfeindliche Gesetz verantwortlich macht.

Abg. Freiherr von Wangenheim Wake (d. kons. ): Solche An⸗ g haben wir in den letzten Wochen bis zum Ueberdruß gebört. Es genügt, auf den ursächlichen Zufammenhang der hier in Fragen hinzuweisen. Das inländische Fleisch onirolborschriften, welche für das augländische Infolge dessen kommt unkontroliertes Fleisch in zum Schaden des Absatzes des chaden der Volksernährung schen Interesse haben wir

fagen gegen un

Betracht kommenden unterliegt strengen K Fleisch nicht g

Menge nach kontrolierten

jn Abgeordnesenbause haben di Bie Hausschlachtung wollten wir baupt denselben Kontrolvorschriften überzeugen müssen, daß überhaupt nicht durchfübm die Volkgernäbrung geübt. die Beschlüsse Protest erhoben. Erst

schlug die

für allemal fest, daß Fleis wenn es lebend untersucht w erfahrungs mäßig durch Genuß v

oder nicht an lebenden Thieren o

mit der erforderlichen Gründ kann. Nas eingeführte, ameri geringes Quantum, und kame es bloß darauf an, dieses geringe Quan⸗

lum weiter einfübren zu können, so wäre dieses ganze Geschrei nicht entstanden. Aber es kommt darauf

kelfleisch eben alles Mögliche wieder

gfubr ausgeschlossen werden soll. Die Fu Revressalien ist gang unbegründet; der Amerikaner ist ein praktischer Mann und wird sich mit den Thatsachen abfinden. Man wirft unt hier vor, wir hätten eine Kraftprobe vor bei diesem neuen Zolltarif. Nichts hat uns ferner gelegen. Die Keaftprobe ganz auf der anderen Seite; geben die verbündeten bier nach, fo ist ihre ganze Position bei den Verhand- die Gestaltung des neuen Jolltarifs schwer

siegt im Gegentbeil

Regierungen lungen über

Kir wollen den Bundesrath schmalz und Därme auch westerhin für Einfuhr zujulassen, auch ge⸗ räucherte Schinken und frisches Fleisch, aber nur in ganzen Thi ömern; für die Zeit nach 1893 sollen etwaige Ausnahmebestimmungen für Schinken und frisches Fleisch neu geregelt werden. Daß wir unsere Zustimmung zu dem Flottengesetz i erkaufen affen wollen, ist eine von uns schon längst widerlegte Be⸗ ch und einen großen Theil meiner politischen bmbar, wenn Sie das Potelfleisch inlaffsung als eine bygienische und

bhauptung.

einlassen;

elten. Deutschlaad hinein, helmischen Fleisches und zum S und der Vollsgesundheit. Also gerade im bygieni ursere Bemühungen darauf gerichtet, den vom Auslande drohenden Scatden möglichst einzuschränken. Selbst die freisinnigsten Männer efer Tenden ihren Beifall gezollt. ebenso wie alle Schlachtungen über⸗ unterwerfen. Wir haben uns aber daß diese Maßregel namentlich in Süddeutschland bibar it. Wir haben also jede Rücksicht auf Auch die Regierung hatte gegen der Kommission keinen nach der jweiten Lesung im Plenum Stimmung um. Man bat jetzt, die Fragen ber Fristbest mmung und des Pokelfleisches um uns Ägrarier vor der Oeffentlichkeit anzuklagen, Es steht ein ch gründlich nur untersucht werden kann, ird; die schlimmsten Krankheiten werden on Fleisch herbeigeführt, welches nicht der an ganzen Thierlörpern untersucht werden Jonnte. Das Pökelfleisch ift in seiner Substanz so verändert, daß die Untersuchung auch durch die gewiegtesten Fachleute nicht mehr lichkeit und Sicherheit geführt werden skanische Pökelfleisch ist nur ein gam

Für mi reunde ist das Gesetz unanne wir sehen diese Here

zweiter Lesung in

ermächtigen,

wirthschaftliche Unmöglichkeit an; sollte sie Wirklichkeit werden, würden wir das Gesetz lieber fallen lassen,

Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.): Wenn das der Fall ist, so werden wir auf dieser Seite darüber nicht gerade sehr betrübt sein; wir würden dann Muße baben, die Sache bei Gelegenbeit wieder aufjunebmen und diesenigen Bestimmungen herauszuschälen, welche wirklich im bygienischen Interesse erwünscht, ja nothwendig si Pie Rede des Freiherrn von Wangenheim war nur ein schwaches was im Lande bei den Agrariern an Lärm über erhoben worden ist, den die Regierung den Grtraforderungen der Herren Agrarier entgegengesetzt hat. Ein Trotha hat offen erklärt, das Vertrauen zur R ss zum Nullpunkt herabgesunken, die Regierung habe

o von dem, den Widerstand

Herr von

gierung sei b

R inschũchtern

lassen aus Furcht vor dem Autlande und der a

steht zunächst die Verlesung der hu eg und Genossen

des Präsidenten Grafen von Ballestrem des Reichskanzlers, ob und wann derselbe die

on Balleftrem: Damit ist die Sache für de den Gegenstand am 30. Mai auf die

fend

esordnung, die dritte

(Pause) Dagegen

erhebt fich kein Widerspruch; wir treten in die dritte Lesung dieses

die bereits bekannten Anträge der enbusch und Genossen (d. kons)

Das Gesetz ist in der zweiten Lesung der Ernährung der großen Masse des verwindender Schlag versetzt

Hundert⸗ Arbeitern zufügen, die schon ohnehin sich mit einer zufrieden geben müssen. Andererseits werden ertbeuerung des Fleisches weitere Hundert⸗ jaufende von deutschen Arbeitern schwer geschädigt werden. Die Srfahrung bat gelehrt, daß man, wenn erst die auswärtige Konkurrenz abgesperrt ist, bei uns alles aufwenden wärde, um durch künstliche inländischen Fleisches vom inländischen Markt die zu treiben, damit der Großgrund; desitz, der überhaupt allein von diesen Absperrun gs maßtegeln ortheil bat, auch einen recht hohen Profit einheimse. bygienischen Zweck, den die urs

Von dem guten prüngliche Vorlage verfolgte, für vie wir jetz allein noch eintreten, ist keine Rede mehr; die dbesitzer kennt keine Rücksicht auf die ltsernäbrung, und auch die Regierungen sind bor diesen Herren immer mehr zurückgewichen. Einigen deutschen Indastrien wird mit 6 der jweiten Lesung ein Schlag versetzt,

t wieder werden erbolen können. Die Industrie

r. Apolda) würde ganz außerordentlich schwer betroffen werden. Wer dieses Gesetz annimmt, beweist damit,

herausgegriffen,

an, nachher unter dem Namen einzuführen, was jetzt von der Furcht vor amerikanischen

Gesetz für den

erschũttert. Speck, Schweine⸗

mit diesen Zugeständnissen

t in der Mäßigung

ü iter L fe, , rafen Klinckowstroem

ber Antrag, welcher auch

das wir nicht A dem Reichskanzler wiederholt ] ein von ihm gegebenes Ver Der on selbst ⸗e. a

Schutze der Landwirthschaft, kommen der zukünftigen Handelsverträge, wir haben auch gehört von der Abneigung, absolute Einfuhrverbote zu erlassen, aber in der ganzen

Debatte haben wir eigentlich nichts von dem gehört, wozu das Gesetz gemacht

ift, nämlich von dem Interesse des deutschen Volkes an dem Gesetze, welches das Fleisch schließlich genießt. Die eigentliche Ab⸗ sicht dieses Gesetzes ist doch gewesen, dem deutschen Volk eines seiner Hauptnahrungsmittel in einer gesunden, zwelfellosen Form dariu⸗ reichen. (Lebhafte Zustimmung links) Wunderbarerwelse ist aber hiervon garnicht die Rede gewesen. (Sehr richtig! links. Wider⸗ spruch rechts.) Alle möglichen Nebeninteressen sind erwähnt worden, aber dieser Standpunkt der Volksgesundheit ist bei der ganzen Debatte völlig in den Hintergrund getreten. (Sehr richtig! links.)

Wie nothwendig aber ein solches byͤgienisches Gesetz ist, dafür will ich Ihnen nur einen Beweis liefern, denn einmal muß die Wahrheit gesagt werden gegenüber der Verschleierung der That⸗ sachen in der Presse. Ich habe hier die Eingabe eines Fleischer⸗ verbandes vor mir liegen. Da wird angeführt, daß in einem Octe, den ich nicht nennen will, ein Mann verurtheilt worden, weil er nach Aussage des vernom menen Thierarites eine an Leberschwund und unheilbar hektischer Naverdaulichkeit leidende Kuh jur Wurst⸗ bereitung verwendet habe. Die Sache ist später in die In—⸗ stanzen gekommen, und darauf ist nach dieser selben Eingabe von dem Angeklagten nachgewiesen worden, daß es in dem betreffenden Landes theil allgemeiner Gebrauch ist, unter die Wurst ein Gemenge, sogenanntes mattes Fleisch zu mlschen, und daß das Publikum dies allgemein wisse. (Hört, hört! links) Es wird hier also von einem ganzen Landestheile behauptet, daß man wissentlich zu menschlichem Genuß offenbar ungeeignetes Fleisch in die Wurst mische. (Hört, hört! links) Ich könnte Ihnen noch sehr viel andere ähnliche Dinge an⸗ führen auf Grund urkundlichen Materials, ich thue das aber aus nahe⸗ liegenden Gründen nicht. Wenn man sich aber über die bygienische Seite der Frage so leicht hinwegsetzt und statt dessen andere Interessen in den Vordergrund schiebt, muß ich auf die ursprüngliche Absicht zurückkommen, aus der heraus das Gesetz entstanden ist (sehr richtig! links), und diese Absicht bestand im Interesse der deutschen Volks⸗ gesundheit. Ich bedaure deshalb, daß der Herr Redner der Linken erklärt hat, seine Freunde würden das Gesetz ablehnen. Ich glaube, er hat dabei auch vergessen, worum es sich bei diesem Gesetz eigentlich handelt. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, ich habe hier ein Exemplar eines Aufrufs des engeren Vorstands des Bundes der Landwirthe vor mir liegen; ich möchte im Hinblick auf die Ausführungen des Herrn Freiherrn von Wangenheim annehmen, daß mein Tert authentisch ist, bitte mich aber zu berichtigen, wenn das nicht der Fall sein sollte. Da heißt es:

Nicht um das bisher eingeführte geringe Quantum Pökelfleisch, sondern um eine Generalprobe für den Entscheidungs⸗ kampf um die Wiedereinrichtung eines ausreichenden Schutzes der Produkte der deutschen Landwirthschaft durch den neuen Zolltarif handelt es sich.“

Auf dieser Linie haben sich auch heute die Ausführungen des Freiherrn von Wangenheim wieder bewegt. Fortgesetzt war von Zoll schutz, von Fleischpreisen die Rede, aber nicht mit einem Wort von der eigentlichen hygienischen Bedeutung dieses Gesetzes. (Bewegung und Widerspruch rechts.) Ich will aber einmal bei diesem tbeatralischen Vergleich der Generalprobe bleiben. Ich habe dem gegenüber zunächst namens der verbündeten Regierungen zu erklären, daß wir für eine Generalprobe oder eine Kraftprobe, wie man in den agrarischen Zeitungen lesen konnte, nicht zugänglich sind (hört! bört! linke), sondern nur das thun werden, was wir vor der deutschen Bevölkerung verantworten können. (Sehr gut! links) Ich glaube, an meinem besten Willen, innerhalb verständiger Grenzen der Landwirthschaft zu dienen, wird kein ver⸗ nünftiger Mensch in Deutschland mehr zweifeln nach den Erklärungen, die ich wiederholt bier abgegeben habe (sehr richtig) und zwar schon zu der Zeit, wo noch Graf Caprivi hier neben mir saß. Man wird auch nicht bestreiten, daß ich den Muth habe, meine Ueberjeugung zu vertreten. Wenn aber die landwirthschaftliche Vertretung eine so be⸗ denkliche Richtung einnimmt, so scharf, so intrarsigent wird, daß sie den Widerstand aller anderen Kreise der Berölkerung gegen sich auf⸗ ruft, so ist das sicher kein Weg, um die großen Entschließungen vor⸗ zubereiten, vor denen wir in der nächsten Zeit stehen werden.

Meine Herren, man hat dieses Fleischbeschaugesetz, wenn ich noch welter bei dem tbeatralischen Ausdruck Generalprobe“ verweilen darf, als so eine Art von Probepfeil betrachtet, man hat sehen wollen, ob bei der Regierung überhaupt die nöthige Neigung und das nöthige Verständniß für die Landwirthschaft vorhanden sei. Diese Neigung, kann ich Ihnen sagen, ist in der That vorhanden und, ich glaube auch, das Verständniß, und wir sind fest entschlossen, der Landwirthschaft den Schutz angedeihen zu lassen, der vereinbar ist mit den Jnteressen der übrigen Bevölkerung. (Sehr gut! links.) Aber ich kann auch nur dringend warnen, im gegenwärtigen Augen⸗

blick den Bogen so straff iu spannen, wie ein Theil der Vertieter

der Landwirthschaft zu thun geneigt ift.

Der Herr Abg. Freiherr von Wangenheim hat es so dargestellt und da muß ich doch auch den Thatsachen Gerechtigkeit widerfahren lassen als ob eigentlich im Inlande nur gesundes Fleisch verlauft und nur gesundes Vieh geschlachtet würde, und als ob alles Fleisch wa aus dem Autlande komme, krank sei. (Hört, hört! line Das ist schon an und für sich nicht aufrecht zu erhalten. Gewiß, es mag vorkommen, daß auch dort krankes Vieh geschlachtet wird; aber es so darzustellen, als ob nur krankes Fleisch zu uns geschickt würde, Fleisch was andere Länder nicht haben wollen, das halte ich, verjeihen Sie, für eine unzutreffende Darstellung der Sache.

Die Regierung ist in ihrer Vorlage theilweise weiter gegangen wie die Kommission; sie wollte im Interesse der Hygiene auch die Hausschlachtung generell unter staatliche Aufsicht stellen und dieselbe auch der allgemeinen Trichinenschau unterwerfen. Die verbündeten Regierungen sind indeß geneigt, mit Rücksicht auf die thatsächlichen Schwierigkeiten, die der Herr Abg. von Wangenheim bereits an= geführt hat, von diesen beiden Forderungen abjusehen. Aber gerade, wenn man das thut und in diesem Punkte den thatsächlichen Verhältnissen Rechnung trägt, so muß man in ähnlicher Weise auch gegenüber dem Fleisch verfahren, welches vom Auslande eingeführt wird. Hätte die Erklärung des Herrn Reicht⸗ kanzlers die Bedeutung gehabt, die jetzt die Herren vom Bunde der

Landwirthe dieser Erklarung geben, so hätte derselbe erklären müssen:

sämmtliches Fleisch, welches hisher vom Ausland eingeführt wird, ist zu probieren, weil man die Untersuchung des lebenden Viehes im Inlande nicht durchführen kann. Mit anderen Worten, wir hätten das absolute Verbot alles vom Ausland eingeführten Fleisches durchführen müssen. Das hat der Herr Reichskanzler aber nicht in Aussicht gestellt und konnte es nicht in Aussicht stellen; seine Erklärung muß deshalb mutatis mutandis verstanden werden. (Ah! rechts) Der Herr Reichskanzler konnte nur erklären, daß man uch das augländische Fleisch insoweit untersuchen wird, als eine Untersuchung desselben überhaupt möglich ist, und daß man ausländisches Fleisch, soweit dessen Untersuchung nicht möglich ist, allerdings prohibieren werde. Meine Herren, wie liegt aber die Sache jetzt? Frisches Fleisch soll nur unter so er—⸗ schwerenden Bedingungen eingeführt werden, daß eine Unterfuchung, ob das Fleisch krank ist oder nicht, bis zu einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit durchzuführen ist. Wir sind auch bereit, ent—⸗ sprechend dem Antrag Aichbichler, schon im Gesetz die Einführung von Würsten eine Forderung, die meines Erachtens ganz gerecht⸗ fertigt ist und die Einführung von Konserven verbieten zu lassen. Wir würden wahrscheinlich auf Grund der von uns erbetenen Vollmacht auch zu ganz demselben Beschluß gekommen sein; denn man kann für das Verbot dieser beiden zubereiteten Fleischsorten jedenfalls den Grund anführen, daß sowohl Wärste wie Konserven von so verschiedenen Thieren in ihrer Zusammensetzung stammen können, daß selbstverständlich eine Untersuchung nicht mehr möglich ist. Und ich kann hinzufügen ich möchte das namentlich den Herren von der Linken zu Gemüthe führen —, daß ich ein Schreiben des Vertreters einer großen amerikanischen Importfirma erhalten habe, in dem ausdrücklich gesagt ist, gegen dieses Verbot der Einfuhr von Würsten wäre nicht das Geringste ein⸗ zuwenden, damit könnte man sich wohl einverstanden er⸗ klären. Also was ist jetzt eigentlich noch der Streitpunkt? Der Streitpunkt ruht im Pökelfleisch. Was ist aber Pöͤkelfleisch? Ich gestehe ohne weiteres ju, daß sehr viel Fleisch als Pökelfleisch eingeführt worden ist, was nur leicht überpökelt war, mit Zucker und Chemikalien, was infolge dessen eine leicht gefärbte Ober fläche zeigte. Man schnitt diese Oberfläche ab, und dann war es wohl möglich, dieses Pökelfleisch sowebl zur Wurstfabrikation zu ver⸗ wenden, wie vielleicht auch noch als frisches Fleich in den Handel zu hringen. Wenn Sie aber den Vermittelungsantrag Aichbichler annehmen, dem die verbündeten Regierungen unzweifelhaft ihre Zustimmung ertheilen wücden, dann sind solche Manipu— lationen vollständig ausgeschlossen, dann darf nur Fleisch als Pökel⸗ fleisch noch eingeführt werden, welches durch das System der Pökelung seine innere Struktur insoweit verändert bat, daß es sofort als Pökel- fleisch ju erkennen ist. Der Verbrauch von derartigem, vollkommen durchsaljenem Fleisch, was, wie gesagt, seine ganze innere Zusammen⸗ setzung infolge des Pökelprozesses verändert hat, ist aber außerordent⸗ lich gering. Und nun frage ich, wenn uns in so drastischer Weise die Folgen der weiteren Einführung von Poͤkelflelsch geschildert worden sind, wo ist wobl die größere Gefabr einer Schädigung der Gesundheit des deutschen Volkes: wenn man die sãmmtlichen Hausschlachtungen ohne Untersuchung läßt, oder wenn dieses geringe Quantum Pokel⸗ fleisch weiterhin eingeführt wird? (Sehr richtig! links) Ich behaupte ich kann freilich den Bewels nicht führen, weil wir keine Statistit haben über die Menge des Fleisches, das auf Grund von Haut⸗ schlachtungen konsumiert wird aber ich behaupte doch, daß die Menge Fleisches, welche ununtersucht genossen wird, weil es durch Haus schlachtungen zum Verbrauch vorbereitet ist, selbstverstãndlich un · endlich viel größer ist (sehr richtig! links), wie die geringe Menge Pökelfleisch, die in Zukunft nach den Erklärungen, die ich gegeben habe, noch einginge.

Ferner ist gesagt worden, auf die Frist lege man keinen Werth, denn bis 1903 müßte doch die ganze Frage wegen unserer handelt politischen Verhältnisse neu geregelt werden. Ich habe solche ahnliche Ausführungen, wie Herr von Wangenbeim heute gemacht hat, schon häufiger gehört; darin, glaube ich, liegt aber doch, vom hygienischen Standpunkt aus, ein Trugschluß; giebt es Fleischsorten, die nach Deutschland eingeführt werden und gesunbbeitsschädlich sind. dann müssen sie unter allen Umständen verboten werden. Das kann dann kein Zolltarif und kein Handelt vertrag ändern; und wenn wir sie aus diesem Grunde im jolltarifarischen Wege ausschließen wollten, müßten wir die Zölle so boch setzen, daß sie einen prohibitiven Charakter trügen. Also durch einen neuen Zolltarif kann der Frage in keiner Weise dem prãjudijlert werden, was im Interesse der deutschen Volksgesundheit überhauvt nicht nach Deutschland bereinkommen darf. Ich bitte Sie sberbaupt, auf Grund der Eiklaͤrung des Herrn Reicht lanzlers nicht eine so scharse, rein mechanische Definition an die ganze Frage anzulegen. Im oͤffent⸗ lichen Leben muß man und wer für sich den Ruf eines Staate mannes in Anspruch nehmen will, muß das thun sehr vielen Rũclsichten Rechnung tragen und man muß daher bei jedem Gesetz, auch wenn der Einzelne mit manchen Bestimmungen nicht gan ein derstanden ist⸗

ch wie ein guter Kaufmann seine Bilanm ziehen, muß sich fragen: selt ein derartiges Gesetz nicht doch einen erheblichen Fortschtitt dar? Und, meine Herren, wenn diese Wirkungen für die Landwirth⸗ shast auch nur nebensächliche sind, so liegt der Fortschritt auch für die landwirtbschaftlichen Interessen doch klar zu Tage. Ez wird ja pon einer großen Zahl von Städten in Deutschland jetzt bereits das gleisch jn Schlachthäusern untersucht, und diese Bewegung geht

es wird jedes Jahr eine große Zahl von Schlachthäusern

n Deutschland neu eröff net. Also der Zuftand, der jetzt durch das Gesetz herbeigeführt werden soll, tritt so wie so schon durch landes herrliche, durch polizeiliche Verordnungen fortgesetzt von neuem in Kraft. In Sachsen z. B. haben Sie schon gesetzlich die allgemeine gleischbeschau. (Sehr richtig! links) Wenn Sie nun das Gesetz ab⸗ lehnen, was ist die Folge davon? Die Folge davon ist, daß immer gröhere Gebiete Deutschlands auf anderem Wege unter die allgemeine gleischbeschau fallen (sehr richtig! in der Mitte), und daß das fremd landische Fleisch ununtersucht nach wie vor in das Land hereinkommt, und dessen Einfuhr, weil auf ihr die Gebühren der Untersuchung nicht ruhen, fortgesetzt fteigt.

Meine Herren, ich komme bei dieser Gelegenheit auf die Er⸗ flärungen der linken Seite. Gerade die linke Seite hat doch in Preußen stets die Nothwendigkeit der Medizinalreform besonders betont. Die linke Seite steht, meines Erachtens, jetzt ganz auf dem Standpunkt des Hesetzentwurfs, betreffend die Bekämpfung von Seuchen, die dem mensch⸗ lichen Leben gefahrdrohend sind, und trotzdem hören wir heute von einem Vertreter der Linken, daß sie wegen dieser Einzelfrage, die meines CFrachtens nur ernstlich streitig sein kann, wegen des Verbots des sogenannten „tinned meat“, wegen des Verbots des in jinnernen Büchsen eingeführten Fleisches, sich gegen dieses Gesetz wenden will. (Zuruf von links.) Bitte, meine Herren, lassen Sie mich weiter sprechen. Daß Sie gegen das Einfuhrverbot der Wurst seien und daraus einen Grund herleiten sollten, gegen das ganze Gesetz zu stimmen, halte ich für vollkommen unmöglich; denn gegen die Einfuhr von Wurst liegen jedenfalls die allergerechtesten Bedenken vor, und ich lann sogar positiv versichern, wenn Sie das Gesetz auch in der Form angenommen hätten, wie es von den verbündeten Regierungen Ihnen vorgelegt ist, würden wir von der Befugniß Gebrauch gemacht haben, die Einfuhr von Wurst zu verbieten. Ich kann mir aber nicht denken, daß die linke Seite des Hauses deswegen gegen ein Gesetz stimmen sollte, das von solcher Bedeutung für die deutsche Volka⸗ gesundheit ist, weil jene Konserven in jinnernen Büchsen in Zukunft verboten sein sollen. Gerade diese Konserven spielen bei der Volks⸗ ernährung für die unteren Klassen eine ganz untergeordnete Rolle; sie werden meiftens nur von den mittleren und höheren Ständen verbraucht. ;

Nun haben Sie mir den Cinwand gemacht: wir sind gegen den Fortfall der Ausnahmen betreffs der Hausschlachtungen. Es ist mir ja sehr angenehm, daß Sie für die Regierungsvorlage Partei nehmen, und es würde mir auch heute noch angenehm sein, wenn die Regie⸗ gierung vorlage in dieser Richtung angenommen würde; aber das kann ich doch nicht bestreiten, daß in der Kommission und auch von einzelnen der verbündeten Regierungen gegen die Aufsicht über die Hausschlachtungen sehr gewichtige Bedenken geltend gemacht worden sind lsehr richtig! rechtẽ), aus dem einfachen Grunde, meine Herren, well es viel un⸗ gefãhrlicher ist, Fleisch nicht ju untersuchen, sodas jeder weiß, Du genießt etwas, was nicht untersucht ist, Du mußt Dich darum selbst vor⸗ seben, als eine Untersuchung einzuführen, die nur den Schein der Sicherheit erweckt, aber gar keinen inneren Werth hat. In vielen Theilen Deutschlands, im baverlschen Hochgebirge, in manchen Theilen des Ostens wird die Beschaffung wirklich zuverlässiger Fleischbeschauer auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen, oder man müßte sehr erhebliche Kosten aufwenden. Deshalb läßt sich gegen den Einwand, daß die Fleischbeschau für Hausschlachtungen besser aus dem Gesetz zu streichen ist, absolut Ueberzeugendes nicht einwenden.

Meine Herren, ich meine also, wenn die linke Seite des Hauses bel dieser geringen Differenz, die eigentlich zwischen ihr und dem Amendement Aichbichler nur noch besteht, trotzdem gegen das Gesetz stimmt, so können es nur Gründe sein, die darüber hinausliegen. (Seht richtig! rechts. Zurufe links) Aber da möchte ich Ihnen doch sagen, und ich habe das bereits bei der ersten Lesung betont: diese Gesetzgebung ist eine autonome Gesetzgebung unseres Landes, und wir dürfen uns bei einer Gesetzgebung, die wir im Interesse der Gesund⸗ belt des deutschen Volkes erlassen, durch keine öffentlichen noch ver⸗ steckten Drohungen beeinflussen lassen, sie mögen herkommen, woher sie wollen. (Gravo! rechts.)

Meine Herren, ich will mir zum Schlusse nur eine kurze Be⸗ meikung noch gestatten. Ich halte es doch für ein recht bedenkliches Verfahren, dessen Ausdruck ich leider auch in der Presse gefunden habe, fortgesetzt Mißtrauen gegen die Regierungen zu erzeugen, indem man erklärt: ja, das und jenes steht zwar im Gesetz drin, man wird ein solches Gesetz jedoch nicht ausfübren. Ich bitte Sie, mir doch ge⸗ saͤligst den Fall nachzuweisen, wo die verbündeten Regierungen ein bestehendes Gesetz n icht ausführten. (Zurufe rechts) Daß ich bier auf das Börsengesetz eingebe, das werden Sie von mir nicht ver langen, darüber unterhalten wir uns vielleicht einmal bei einer anderen Gelegenheit. Es ist heute wieder behauptet worden, wenn das Gesetz beschlofsen würde, so würde nur eine Art Scheinuntersuchung ein⸗ geführt werden, weiter nichts. Es stebt aber in dem Gesetz ausdrück—⸗ lich, daß jedes Stück ausländisches Fleisch als solches äußerlich kenntlich gemacht werden muß, ferner, daß jedes Stück Fleisch, was eingeführt wird, untersucht werden muß. Aber freilich, daß jedes Stück Fleisch zur Unter uchung zwei Stunden erfordere, das bestreite ich; denn eine weistündige Untersuchung findet ja bei einem ganzen Stück Vie h, das im Schlachthause geschlachtet wird, nicht einmal statt, und wenn in Berlin wirklich jedes Stück Vieb jwei Stunden untersucht werden sollte, so würde man mit dem Berliner Konsum im Schlachthause garnicht fertig werden. Das scheint mir jum mindesten eine Behaup⸗ tung zu sein, die den realen Thatsachen nicht entspricht und nicht entsprechen kann Denken Ste nur an die Trichinenschau, die sich da, wo sie eingeführt ist, durchaus bewährt hat, aber nicht an⸗ nähernd eine derartige Zeit in Anspruch nimmt. Also, wenn das eig. angenommen wird, kann allerdings eine Untersuchung eintreten, e ee davor schützt, daß krankes, verdorbenes Fleisch eingeführt wird, h darin wird mittelbar auch ein erheblicher Schutz für die deutschen a . eintreten, und die deutschen Verbraucher sind bei der 21 die Hauptbetheiligten; auf die kommt es an, diese vergessen

e, bitte, bei der Sache nicht! (Bravo! rechte.)

Abg. Dr. von Levetzow S. kons.); Alle Konservaliven sind daruber einig, daß bel diesem Gesetze die Dauptsache die sanitäre Selte ist; ferner darüber, daß in dem Gesetze nichts stehen darf, was die Landwirthschaft schädigt. Wir sind weiter der Meinung, daß die Zusage, welche der Kanzler gemacht hat, nicht gehalten wird, auch Denn der Kompromißantrag angenommen wird. (Redner verliest nochmals den Wortlaut jener Erklärung.) Die Erklärung sprach von gleichwerthigen Unterfuchungsmahregeln. Nun wird das in⸗ ländische Fleisch am lebenden Thier untersucht, das ausländische nicht; das inländische Fleisch wird also strenger behandelt. Wir sind auch mit Herrn von Wangenheim darin einverstanden, daß die Fleischbeschau bei den Hausschlachtungen einfach nicht durchgeführt werden kann. Wir wollen aber, wenn Kompensationen geboten werden, die ausreichen, das Gesetz nicht zum Scheitern bringen. und die auf meiner Seite stehen, sagen: sie reichen aus; Herr von Wangenheim und die seine Meinung theilen, sagen:; sie reichen nicht aus. Fuür den kleinen Mann würde das Gesetz stets eine sehr schwere Belästtgung sein; Westläuftzkeiten und Schäden können garnicht aus. bleiben. Biefen Schäden könnte die Erschwerung der Einfuhr des augländischen Fleisches in etwas abhelfen.

Abg. Börner (ul, schwer verständlich) bestreitet, daß die Einfuhr beschrãnkungen eine Vertheuerung des 6 zur Folge haben müßten. Von diesem Standpunkt polemisiert er gegen den Staats sekretär und gegen den Abg. Pachnicke. Zum überwiegenden Theil erkenne die nalionalliberale Partei an, daß das Gesetz so großze Vor- . habe, daß man es nicht fallen lassen könne, auch wenn nicht alles erreicht werden sollte. Bie Fraktion werde daher die Kompromiß, anträge annehmen. Eine Ablehnung würde man im Volke nicht recht verstehen; auch mit diesen Kompromißanträgen würde den Interessen der Landwirthschaft gedient. Das Mißtrauen in die gute Absicht der Regierung bezüglich der Ausführung des Gesetzes könne er nicht 4 es fehle ja an jeder Voraussetzung fuͤr eine derartige An⸗ nahme.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗-Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Um die Lage der Sache vollkommen klarzulegen, will ich nochmal namens der verbündeten Regierungen erklären, daß der Antrag Aichbichler die äußerste Grenze der Konzessionen darstellt, die die verbündeten Regierungen geneigt sind, gegenüber der Regierungs⸗ vorlage ju machen, und daß den verbündeten Regierungen die Annahme des Antrags von Bonin⸗Bahrenbusch aus diesem Grunde unannehmbar ist. (Hört, hört!)

Nach dem Antrag Aichbichler soll 142 so gefaßt werden:

Die Einfuhr von Fleisch in luftdicht , . Büchsen oder ahnlichen Gefäßen, von Würften und sonstigen Gemengen aus zerkleinertem Fleisch in das Zollinland ist verboten.

Im Übctgen gelten für die Einfuhr von Fleisch in das Zoll⸗ inland bis zum 31. Dezember 1903 folgende Bedingungen;

I) Frisches Fleisch darf in das Zollinland nur in ganzen Thierkörpern, die bei Rindvieh, ausschließlich der Kälber, und bei Schweinen in Hälften zerlegt sein können, eingeführt werden.

Mit den Thierkörpern müssen Brust. und Bauchfell, Lunge, . Rieren, bei Kähen auch das Euter in natürlichem Zusammen⸗

ang verbunden sein; der Bundesrath ist ermächtigt, diese Vorschrift auf weitere Organe auszudehnen.

2) Zubereiletes Fleisch darf nur eingeführt werden, wenn nach der Art feiner Gewinnung und Zubereitung Gefahren für die mensch⸗ liche Gesundbeit n, , ausgeschlossen sind oder die Un= schädlichkeit für die menschliche Gesundheit in juverlässiger Weise bel der Einfahr sich feststellen läßt. Diese Feststellung gilt als un⸗ ausführbar insbesondere bei Sendungen von Pökelfleisch, sofern das Gewicht einzelner Stücke weniger als 4 kg beträgt; auf Schinken, Speck und Därme findet diese Vorschrift keine Anwendung;

Fleisch. welches zwar einer Behandlung zum Zwecke seiner Haltbarmachung unterzogen worden ift, aber die Eigenschaften frischen Fleisches im wesentlichen behalten hat oder durch entsprechende Behandlung wiedergewinnen kann, ift als zubereitetes Fleisch nicht i: Fleisch solcher Art unterliegt den Bestimmungen in

ffer 1.

Für die Zeit nach dem 31. Dezember 1903 sind die Be⸗ dingungen für die Einfuhr von Fleisch gesetzlich von neuem zu regeln. Sollte eine Neuregelung bis za dem bezeichneten Zeitpunkte nicht zustande kommen, so bleiben die im Absatz 7 festgesetzten Ein⸗ fuhrbedingungen bis auf weitereg maßgebend.

Abg. Riß ter (d. kons.): Nach der letzten Erklärung des Staats⸗ sekretärs ist es jn sehr schwer, für die Anträge von Bonin einzutreten, welche ich mit unterschrieben habe. Der Staatssekretär hat auf die Konsumenten hingewiesen. Ich meine, daß es nicht damit abgethan ift. zu fagen: Fleisch ist Fleisch, sondern der Bevölkerung muß ein kräftiges, gesundes Fleisch geboten werden. Das wird ihr von den inländischen Produjenten geboten; das Ausland schiebt dafür oft Dinge unter, von denen der Staatssekretär nicht einmal andeulen wollte, was in den amerikanischen Würsten gesteckt habe. Darum ift gerade auch von uns dem bygienischen Gesichtspunkt sn der Rücksicht auf den Konsumenten volles Recht geschehen. Es bängt alles an der Frage, ob noch weiter dem Auslande Sonderrechte eingeräumt werden sollen. Es liegt nicht an den Großgrundbesitzern; wobon sell denn der kleine baverische Bauer leben? Einen Zolltrieg fürchte ich nicht; wozu haben wir unser großes deutsches Heer? Der Fonfument muß wissen, daß er vom Metzger gesundes Fleisch be⸗ kommt; das wärde er, wenn dle Beschlüsse zweiter Lesung oder unser Antrag angenommen werden. Die verbündeten Regierungen aber mũssen sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie unkontroliertes, untaugliches Fleisch auch weiler jum Nachtheil des Konsumenten aus dem Auslande hereinlassen wollen. Die agrarische Absicht der Fleischoertheue.˖ rung ist nur eine freisinnige Phantasie, Man soll doch ein deutsches Gesetz so schaffen, daß man auch die Wünsche der deutschen Landes⸗ genossen würdigt. Landwirthschaft und Industrie müssen jzusammen— sehen, aber dann muß auch die Landwirthschaft zu ihrem Recht kommen. Möge die Reichsregierung endlich ju der Ginsicht gelangen, daß ihr Standpunkt nicht haltbar ist. (Abg. Köhler [Resormp.] klatscht mit den Händen Beifall.)

Präsident Graf von Ballestrem macht den Abgeordneten, der mit den Händen Beifall geklatscht habe, darguß aufmerksam, daß diese Form der Beifallsbezeugung im Deutschen Reichstage nicht üblich sei.

Arg. Herold (Zentr. ): Ich theile die von dem Abg. Nißler ent⸗ wickesten Anschauun gen durchaus. Wir müssen aber mit den Ver⸗ hältnissen rechnen. Der Staats sekretär hat heute das Gesetz für un⸗ annehmbar erklart, wenn nicht der Antrag Aichbichler angenommen werde. Der Antrag ist hervorgegangen aus den Verhandlungen der Parteien mit dem Bundesrath, welche sich für das Zustandekommen les Gesetzes interessieren; er ist kein Antrag des Zentrums, sondern der Antrag mehrerer . und nur der Zufall des Alphabets laßt ihn als einen Zentrumeantrag erscheinen. Zahlreiche Mit- glieder meiner Partei nebst zablreichen Mitgliedern der Deutsch⸗ konfervativen unter Führung des Grafen Klinckowstroem, der Reiche partei, der Polen und Elsässer haben diesen Antrag ver⸗ einbari. Die Kontrole des Pökelfleisches erscheint na der jetzigen Formulierung des Antrags gesichert. Die Kontrole der Haus schlachtung, eine sebr kostspielige und faft undurchführbare Maßregel, ist bejeitigt worden; das ist eine unleugbare Verbesserung der Vorlage, die dem Gesetze bei den Landwirthen eine freundlichere Aufnahme sichern muß. Wir geben natärlich auch die Hoffnung nicht auf. daß bel den neuen Handelsverträgen auch der Landwirthschaft der Schutz. den sie durchaus haben muß, gewährt wird, wie denn auch die Land⸗ wirthschaft ihrerseits bereit ist, die Industrie zu schützen, soweit sie noch des Schutzes bedarf. Es auf die rohe Macht er Abstimmung ankommen zu lassen, ist ein alleräußersts Aus kunftsmittel, das erst zur Anwendung kommen sollte, wenn alle Versuche der Verftändigung gescheitert sind. ;

Abg. Doltz (Rr): Wir bedauern, daß die Seschlũsse der jweiten Lesung, die das absolute Einfuhrverbot in gewissem Umfange für die

Zeit nach 19803 entbielten und die doch auch den verbündeten Regie tungen ursprünglich keineswegs unannebmbar waren, jetzt nicht mehr Ausficht auf Verwirklichung haben. Ich stehe dem Antrage von Bonin sehr nahe; aber im Vereine mit meinen Fraktionggenossen bringen wir das Opfer, den Grafen Posadomsky, der um die Förde rung der landwirthschaftlichen , große Verdlenste hat, auch in dieser Frage zu unterstützen. ie doppelte Schau, die jetzt stattfinden soll, wird dem kleinen Mann und der Landwirthschaft manchen Schaden bringen; aber auch darüber wird hinwegiukommen sein, wenn die heutigen Zufagen des Staats sekretärg über die Aus, führung des Gesctzes, die Ra eine gewisse Beruhigung gewähren, loval gebalten werden. Im übrigen schlleßen wir uns den Ausführungen der Abgg. von Levetzow und Herold an.

Abg. Pr. Bielbaben Reformp. ): Die Situation steht heute ähnlich wie vos drei Jahren bei der Handwerkervorlage. Auch damals hat die Regierung durch ihren Widerftand ein Gesetz herbeigeführt, das jetzt kesnen Menschen und namentlich auch die Regierung nicht b. friedigt. Auch heute hören wir wieder das Argument, man müsse nehmen, was man kriegen könne; ich habe schon des halb ausgeführt, es sei richtiger, sofort etwas abzulehnen, von dessen Unersprießlichkeit man überzeugt sei. War es doch in der Kommission das sozial⸗ demokratische Mitglied, das mit freudig lächelndem Gesicht immer wieder als Regierungsbertreter auftrat, sodaß die Regierungs vertreter sehr wenig zu thun hatten. Die liberalen Bläter andererseits sind ez, die daz Kompromiß fordern und unter Anführung eines bekannten Wortes des Ministers von Miquel vorbringen, die Agrarier müßten die größten Esel sein, wenn sie das Kompromiß zurũckwiesen. Es soll doch nun aber dabei bleiben, daß das Ausland bevorrechtet wird. Der inländische Produzent kann für seine Malversationen bestraft werden, der auslaͤndische nicht. Schon diese Ungleichheit muß jeden

reund des Kompromißantrags zurückschrecken; die amerikanische Kon⸗ urrenz wird dadurch der deutschen Produktion gegenüber übermächtig. Wird das Gesetz verworfen, so ift nicht die Agitation der Agrarier, sondern diejenige der linken Seite des Hauses daran schuld, die offen angekündigt hatte, daß man mit aller Kraft auf die verbündeten Re⸗ gierungen zu drücken habe. Meine Fraktion lebnt die Vorlage ab, wenn das Kompromiß angenommen wird.

Abg. Dr. Gerstenberger (Zentr. : Selbst auf die Gefahr hin, ju den großen Efeln zu gehören, von denen der Abg. Vielhaben gesprochen bat, bitte ich das Haus, sich auf die sogenannten Kompromiß⸗ . Aichbichler zu vereinigen. Ich bin, wie im vorigen Jahre, auch heute noch der Ansicht, daß die Zulassung des Pökelfleisches ein Nachtheil für Deutschland, und daß es für Deutschland keine große Ehre ist, wenn es aus Furcht vor Amerika nachgiebt. Aber wenn ich nicht das Ganze bekomme, nehme ich zunächst einmal den ersten Theil. Dajn habe ich um so mehr Anlaß, wenn ich die gegnerischen Stimmen beachte, denen selbst das Kompromiß noch zu weit geht; da scheint mir denn doch dieses Kom- promiß gerade die richtige Mitte zu bilden. Herr Nißler hat sich auch nicht direkt dahin ausgesprochen, daß er gegen das Kompromiß stimmen wird; bängt von seiner Stimme das Schicksal des Geseßes ab, fo wird er sich doch besinnen, ein Gesetz fallen zu lassen, welches felbst der bayerische Landwirthschaftsrath, die oberste Ver⸗ tretung der baherischen Landwirthschaft, für eventuell an⸗ nehmbar erklärt hat. Daß die Annahme des Gesetzes der Landwirthschaft Schaden bringen löante, ist von keiner Seite nachgewiesen. Auch vom baverischen Standpunkt aus haben wir alle Veranlaffung, das Gesetz anzunehmen; es genügt, auf das binzuweisen, was der Staatesekretaͤr von der Fabrikation von Wüůrsten aus kran kem Vleh angeführt bat. Ich kann es nicht über mein Ge⸗ wissen bringen, dazu mit der Linken mitzuhelfen, daß ein Gesetz, welches doch den Anfang einer Befserung enthält, zu Fall kommt. Die Linke will ein rein bygienisches Gesetz mit der Kontrole der Bausschlachtungen; aber weit mehr lehnt sie die jetzt vorgeschlagenen Anträge ab, weil sie fürchtet, daß es nebenbei der Landwirihschaft einen Nutzen bringen könnte.

Abg. Schrempf (d. kons): Auch wir halten den sanitãren Ge⸗ sichtspunkt für den wichtigeren; aber dieser Gesichtspunkt kann doch nur dann autschlaggebend sein, wenn er auch dem Auslande gegen⸗ über jur Geltuüng? gebracht wird. Daß sich Amerika in unsere inneren Verhältnisse einmischt, ist kein Wunder; denn es wird ja von Deutschland, namentlich von der liberalen Presse Berlins, geradejn dazu aufgefordert. In einem Berliner Blatt ist heute ein Brief eines amerikanischen Staatesekretärs abgedruckt, in welchem mit dürren Worten davon die Rede ist, daß die deutsche Regierung mit Amerika aber diefs Gesetz, daß doch einen lediglich sanitären Inhalt bat, Vereinbarungen getroffen babe. Ich hoffe, daß dies eine Mysti⸗ fikation ist, und daß uns das offtnell bestätigt werden wird. Die allgemeine Ansicht geht doch dahin, daß die Caprivischen Handels⸗ verträge auf Kosten der deutschen Landwirthschaft abgeschlessen sind; ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Von diesem Standpunkt aus ift es für die verbündeten Regierungen ein ernstes mene tekel, wenn gerade die landwirtbschaftlichen Kreise erklären, sie hätten kein Ver⸗ lrauen mehr zu ihnen, wie es zu den Zeiten des Fürsten Bismarck der Fall war. Die zugesagte Untersuchung des Pðökelfleisches wird nach⸗ gerade humoristisch; das Keiserliche Gefundheite amt hat oft genug erklärt, daß die Unterlagen zu einer wirklichen Untersuchung des Pökelfleisches fehlen. Es kann nur nachgetwiesen werden, daß es Pökelfleisch ist; das aber wußten wir vorher. Die Miahnung, nicht intransigent zu sein, hätte der Staatssekretär an die Linke richten sollen. Nicht wir sind eg, die dem Pökelfleisch widerstreben, sondern die Wissenschaft, das Reiserliche Gefundheitsamt verlangt die Ausschließung. Von dem Aus⸗ schuß haben wir nur die Folge zu erwarten, daß nach kurjer Zeit stabile, mäßige Preise für den inländischen Fleischkonsum sich ein⸗ stellen; es wird dieselbe Erfahrung gemacht werden, wie sie auf dem Gebiete der deutschen Induftri⸗ gemacht worden ist. Der Konsument ist nicht schlecht dabei gefahren, daß er jetzt snländisches Produkt in den meisten Industrien statt des auslãndischen bekommt Wir verlangen nichts als gleiche Vertheilung von Licht und Schatten. Für uns ist das Gesetz unannehmbar, das nicht über das Kompromiß hinausgeht. Wir haben für unsere Ueberjeugung unsere guten Gründe. Für die einheimische Landwirthschaft wird die Durchführung des Gesetzes obne ein gewisses Aequivalent dem Aus⸗ lande gegenüber eine schwere Belastung und auf dem Lande eine starke Schikane fein; das können wir unserer ohnedies schwer leidenden Land-· wirthschaft nicht zumutben; mit allem Respekt vor den verbündeten ,, muß ich daher erklären: ich kann nicht für das Gesetz

mmen.

Abg. Wurm (So): Wenn man den Antrag Aichbichler an⸗ nimmt, macht man lediglich eine Scheinkonzession, die nichts ju be⸗ beuten bat. In jedem Fall ist die Arbeiterbevölkerung der leid. tragende Theil, namentlich nachdem man die einzige wirksame sanitãre Maßregel, die Kontrole der Hausschlachtung, entfernt hat. Hätten die Agrarler das Interesse der Landwirthschaft, nicht die Interessen einzelner Landwirihe im Auge, dann müßten sie gerade die Dausschlachtung unter die e g Kontrole stellen; denn alle Stimmen der Wissenschaft, alle landwirtbschaftlichen Schulen

Hi fe. es immer und immer von neuem: wir werden der großen

Viebhseuchen im Lande nicht Herr, wenn nicht ganz besonders auch bei den Hausschlachtungen strenge Kontrole geübt wird, ganz neuerdings noch die Osnabrückische . Für einen Ent⸗ wurf, der die Hausschlachtung freilassen will, selbst diesenige, wo das Fleisch gegen Entgelt verkauft wird, wenn es nur nicht gewerbsmäßig geschieht, bedankt sich jeder, der es mit der deutschen Volksgesundheit und“ mit dem Schutz derselben durch ein solches sanitäres Gesetz wirklich ernst meint. Die Herren in Ostelbien wissen doch ganz genau, daß die ländlichen Arbeiter in ihren Gegenden die Schweine- züchte rei, die sie allerdings treiben, lieber beseitigen, wenn fie nur Geldlobn. dafür bekommen könnten, Den Herren Großgrundbesitzern liegt nicht an der sanitären Absicht der Fleisch⸗ beschau, an der gesundheitlichen Kontrole; dafür hätte ja die Vorlage schon genügende Garantie geboten; jene Herren wollen ein Monopol auf die Fleischproduktign und auf den Fleischpreis, sis wollen sich diese Maßregel gefallen laffen, wenn ihnen der deutsche Fleischmarkt aus⸗ gellefert wird, wenn sie eine ordentliche Erhöhung des Fleisch⸗