beitlichkeit zu sorgen. Mir scheint auch, daß die volitit des Aug⸗ wärtigen Amts ncht in Ginklang ftebt mit den n ionalwirthschaft⸗˖ lichen Anschauungen des Grafen Posadoweky. Auch hier hätte der Reiche⸗ janzier die Aufgabe, der Politik des Grafen Posadowsky überall zum Siege zu verhelfen, nicht zuletzt bei dem Fleischbeschaugesetz. Deutsche Beamte baben in der Südsee vielfach nicht den Schuß des Aus wärtigen Amts gesunden, den sie mit Recht beanspruchen konnten. Die Engländer können viel leichter Kapital auch aus den weniger bemittelten Klaffen für die Kolonieen, heranziehen; sie haben die 1 *⸗Sbares. Unsere akttengesetzlichen Bestimmungen sind viel zu eng für die Kolonialbestrebungen; hier hätte das Reichs ⸗ SHatzam ein gutes Arbeitsfeld; wenigftens in diesem einen if scheint dag englisch; Beispiel nachahmentwerth. Die Se ledelung, wie sie im preußischen Staate stets betrieben wurde, ging doch davon aus, daß man die Ansiedlung möglichst erleichtern müßte durch Freijahre; solche Freijahre sollte man auch in den Kolonien den deutschen Anstedlern bewilligen und sie nicht sofort als Steuerobjekte betrachten Dem Grafen Arnim können wir nur dankbar sein für seine Mittheilung über die Nachrichten wegen Er— tbeilung einer neuen Konzesston in Togo; er hat dadurch dem Kolonial. Direktor die Möglichkeit gegeben, uns zu beruhigen, Der Modus, das vielfach mit englischem assoztierte deutsche Großkapital u bevorzugen, findet im Lande keine Billigung.
Staatssekretär des Innern, Staats⸗-Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:
Meine Herren! Der Herr Vazrredner bat die Behauptung auf⸗ gestellt, daß innerhalb der Verwaltung des Reichs zwischen den Beamten, die ihre Befugnisse als Stellvertreter des Herrn Reichẽ⸗ kanzlers von diesem als dem Mittelpunkt und Träger der ge⸗ sammten Reichs verwaltung ableiten, Meinungeverschieden beiten auf politischem und wirthschaftspolitischem Gebiet beständen, die darin gipfelten, daß diese verschiedenen Stellvertreter des Herrn Reichskanzlers auch eine verschiedene Politik trieben. Aus staatarechtlichen Gründen muß ich gegen diese Ausführungen Einspruch erheben. Der Träger der gesammten Reichsver waltung und, wie ich bemerke, der verfassangsmäßig unzweifelhaft allein verantwortliche Träger ist der Herr Reichskanzler, und ich würde es für eine der bedenklichsten politischen Entwickelungen innerbalb des Deutschen Reichs halten, wenn sich neben den klaren Vorschriften der Verfassung ein Zustand herausbildete, der nicht mehr diesen Vorschriften und nicht mehr dem Geiste der Verfassung entspräche. Das Deutsche Reich ist ein föderatives Staatsgebilde, und in diesem föderativen Staatsgebilde liegt es, daß die ver⸗ fassungsmäßige Berantwortlichkeit nur an einer Stelle liegen kann, und daß sie deshalb nicht getheilt werden kann nach Ressorts, nach Stellvertretern des Reichskanzlers, nach dem Vorbilde einer Ministerialverfassung in den Einielstaaten. Ich glaube, wir haben alle im Interesse des Reichs die dringendste Veranlassung, daran festzuhalten, daß sich dieser verfassungs mäßige Zustand auch mit dem tbatsächlichen Zustande deckt. (Sehr richtig! rechts.) Denn ich halte für die Entwickelung eines politischen Gemeinwesens nichts für gefährlicher, als daß — verzeihen Sie mir den Ausdruck — sich der Aberglaube oder der mißverständlich Glaube herausbudet, daß an einer Stelle die formelle Verantwortlichkeit und an einer anderen die achliche Verantwortlichkeit liegen könnte; bei einem solchen Zu⸗ stande würde in der That der verfassungsmäßig verantwortliche Trãger nicht mehr die sachlich Verantwortlichkeit empfinden können, und der sachlich verantwortliche Träger der verfassungsmäßigen Ver⸗ antwortlichkeit entbehren. Meine Herren, gerade im Interesse des Reichsgedankens müßten wir einer derartigen Entwickelung mit allem Nachdruck entgegentreten. Deshalb schon können solche Zustände, wie sie der geehrte Herr Vorredner entwickelt hat, thatsächlich nie mals entstehen. Ist eine Meinungsverschiedenheit jwischen den verschiedenen Stellvertretern des Herrn Reichskanzlers, dann baben diese Beamten die unjweifelhafte Verpflichtung — und das ift durch eine allgemeine Anordnung deg Herrn Fürsten Bismarck ausdrücklich festgelegt — gemeinschaftlichen Vortrag bei dem Herrn Reichs kanler zu balten, und der Herr Reichskanzler entscheidet hierauf, was ju geschehen hat. Hieraus folgt aber, meine Herren, daß zwar die Form, in der Vorlagen vertreten werden, eine verschiedene sein kann; das Ziel muß aber für alle Staatssekretãte, für alle Stellvertreter des Reiche kanilers, so lange die verfassungsmähige Stellung des Reichs kan lers erhalten bleibt, immer dasselbe sein. Solche Differenzen, wie sie der Herr Vorredner bier angeführt hat, können also in großen politischen Fragen nie eintreten.
Schließlich bin ich dem Herrn Vorredner für das Vertrauen, das er mir ausgesprochen hat, außerordentlich dankbar, und hoffe, er wird diesem Vertrauen durch die That Ausdruck geben gegenüber den Vorlagen, die ich die Ehre habe hier zu vertreten. (Heiterteit und Bravo! links.)
Direktor der Kolonial Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. von Buchka: Das deutsche Aktiengesetz gilt in den Kolonien nicht, ick wäre jederzeit in der Lage, den 1 Pfd. Sterl. Share einzuführen, ich möchte aber wobl sehen, was für ein Lärm entstanden wäre durch den Abg. Habn, wenn ich die 1 Pfd. Ster! Shares einfübrte. Ich
habe den Nachweis gefübrt, daß von einer Verschleuderung oder Weg⸗ gabe von Kolonialbesitz meinerseits nicht geredet werden kann.
Abg. Dr. Müller- Sagan ffir. Volker) erklärt sich gegen die Forderung von S65 3c0 66 für die Verstärkung der Schutz. truppe von Kamerun. Nach den Darlegungen des Gouverneurs von Puttkamer handelte es sich direkt um eine Aenderung des bisherigen Systems der Veiwaliung in dieser deutschen Kolonie; jetzt solle die Schutztruppe verstärlt werden, weil der Geuverneur falsch operiert babe; man wolle sich nicht mehr auf die außere Vertbeidigung beschränken, sondern auch die Beschaffung von Arbeitern solle nunmehr zu den Reichgaufgaben gehören. Diesen Syflemwechsel könne seine Partei nicht mitmachen. Man wolle jetzt die Sckwarzen wangtweise an die Küste bringen und sie jzur Arbeit zwingen; das sei doch tbatsächlich, wenn auch nicht dem Namen nach, nur eine andere Form der Sklaverei. Die neue Politik in unseren Kolonien sei nur eine Politik der Exploiteure, welche seine Partei verdamme.
Ein Schlußantrag wird angenommen. Nach einer per⸗ sönlichen Bemerkung des Abg. Dr. Hahn wird der Nachtrags⸗ Etat im Einzelnen und in der Gesammtabstimmung angenommen.
Es folgt die namentliche Gsammtabstimmung über den Gesetzentwurf, betreffend die Schlacht vieh⸗ und Fleisch⸗ beschau nach den Beschlüssen dritter Berathung.
Die Vorlage wird mit 163 gegen 123 Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen.
Hierauf wendet sich das Haus zur Fortsetzung der dritten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abände⸗ rung der Gewerbeordnung.
In zweiter Lesung ist die von det Kommission vor— geschlagene Fassung des S 1372 (Befugniß des Bundesraths, für bestimmte Gewerbe die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern außerhalb der Fabrik zu beschränken)
abgelehnt worden. Von den Abgg. Albre t und Genossen (Soz.) ist die Wiederaufnahme in folgender Form beantragt: Für bestimmte Gewerbe kann durch Beschluß des Bundesratht angeordnet werden, daß den Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern sofern ibre tägliche Beschäftigung in der Fabrik sechs Stunden überstelgt, Arbeit nicht mit nach Hause gegeben wenden darf. . Ein Antrag der Abgg. Freiherr Heyl zu Herres heim (nl), Dr. Hitze Gentr.) und Basser mann (nl) nimmt den
Kommissionsbeschluß wieder auf. ird zur Abstimmung geschritten. Der
Ohne Debatte wird Antrag Albrecht wird abgelehnt. Für den Antrag von Heyl ein Theil der National⸗
erheben sich die Sozialdemokraten, t liberalen und das Zentrum. Der amtierende Vize⸗Prãäsident Pr. von Frege erklärt den Antrag für abgelehnt. Lebhafter Widerspruch.) .
Bei den Abstimmungen über die weiteren, noch vor⸗ liegenden Anträge knüpft 6 an die Form der Free s e n, welche der Vize⸗Präsident vorschlägt und welche im Hause . mißverstanden wird, eine lange Geschäftsordnungs⸗ ebatte.
Der Präsident Graf von Ball est rem, der den Vize⸗Prä⸗ sidenten Dr. von Frege ablöst, kann auch nicht die erforderliche Klarheit über die gefaßten Beschlüsse des Hauses schaffen und giebt schließlich einem Antrage des Abg Singer (Soz) nach, den Gegenstand einstweilen zurückzustellen, bis an der Hand des stenographischen Protokolls fesigestellt worden sei, welche Be⸗ schlüsfe der Reichstag thatsächlich gefaßt habe. Dem Ersuchen bes Abg. Freiherrn Heyl zu Herrnsh eim, die Abstimmung über seinen Antrag zu wiederholen, da derselbe eine Majorität gefunden habe, die aber vom Bureau für eine Minderheit erklärt worden sei, erklart der Präsident auf Grund der Ge⸗
schäftsordnung nicht Folge geben zu können.
Es wird zur drilten Lesung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend Aenderungen im Münzwesen, übergegangen.
Der Abg. Dr. Arendt (Rp.) hat beantragt, einen Artikel Va einzufügen: „Niemand ist verpflichtet, Fünfmarkstücke im Betrage von mehr als 100 S6 und im übrigen Reichs⸗ Silbermünzen im Betrage von mehr als 20 4 in Zahlung zu nehmen.“ — Außerdem liegt von demselben Antragsteller ein Antrag vor, in Artikel Lauch die Zehnmarkstücke einzufügen.
Von den Abgg. Herold (Zentr), von Kardorff (Rp.) und Br. von Levetzow (d. kons) ist folgende Resolution beantragt:
Burch Annabme des Gesetzentwurfs, betreffend Aenderungen im Münzwesen, beabsichtigt der Reichstag keinerlei Hinderniß oder Er⸗ schwerung für eine vertragsmäßige, internationale Regelung der Währung herbeijuführen.
In der Generaldebatte bemerkt der
Abg. Dr. Arendt: Der Gesetzentwurf hat, wie ich gern an⸗ kenne, eine erbebliche Verbesserung erfahren. Der ursprüngliche Ent⸗ wurf batte für uns das schwere Bedenken, daß er ju einer beschleunigten Beseitigung der letzten Silbermünzen und zu einer Wiederaufnahme der deutschen Silberverkäufe führte und damit zu tiger weiteren Herabminderung des Silberpreises. Auf Grund der Beschlüsse zweiter Lesung wird nicht eine Ver⸗ minderung, sondern eine Vermebrung des deutschen Silberumlaufs, wenn auch in geringem Umfange, eintreten. Als im Jahre 1379 auf Antrag des damaligen Reichebank Präsidenten von Dechend Fürst Bismarck die dentschen Silberyerkäufe suspendierte, entstand ein heftiger Kampf der gesammten Goldwährunzsrartei gegen diesen Beschluß. Haͤtte man damals einen Gesetzentwurf wie diesen vorgelegt, so würde derfelbe den wütbendsten Widerstand gefunden baben. Es ist alfo eine erfreuliche Wandlung eingetreten, die in in den Beschläffen zweiter Lesung ihren Ausdruck gefunden bat. Diefer Gesetzentwurf, das glaube ich allerdings, wird dat Ver⸗ ständniß der Währungefrage außerordentlich fördern, man wird er⸗ kennen, daß die jetzigen Zustãnde dringend der Reform bedürfen und es wird eine Bewegung entsteben, die segenzreiche Früchte tragen wird. Ich balte es für eine patriotische Pflicht, dieienigen Schwächen und Defabren aufzudecken, die dem Vaterlande drohen können; das hahe ich auch in Beiug auf die Reichsbankpolitit gethan. Ich muß mir desbalb aufs Entschiedenste verbitten, wenn man in einer Vexöffent⸗ lichung der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“, für welche die Leitung der Reichsbank verantwortlich ist, sich beraus genommen hat, meinen Patriotismus zu bezweifeln. Diese e, ber, stammt aus dieser Quelle, weil sie Angaben enthält, welche dem Schutze des Dienst · (beimniffes unterstellt sind. Die Verbältnisse, wie sie sich gestaltet aben, stellen der Maßregel der Sistierung der Silberverkäufe von 1879 und dem damals für diese Maßregek so schwer angegriffenen Reichsbank. Präsidenten von Dechend und dem Fürsten Bismarck ein glänzendes Rechtfertigungejeugniß aus. Man hat damals sogar Herrn von Dechend , er erschwere die Goldeinfuhr nach Deutschland künstlich, blß. um mit seiner Meinung Recht zu Febalten. Die Kritik der Reichsbankpolitil ist jedenfalls patriotischer als gewiss“ Sammlungen, für die Hungerleigenden in Dst⸗ indien die unter der Leitung des Reiche bank Präsidenten Koch stattgefunden baben. Daß nicht der industrielle Aufschwung die Söhe des Diskonts mur Folge gehabt bat, lehrt eine Ver⸗ leichung der Geldmarkwerbälmnisse des vorigen Jahres mit diesem
abre. Der Notenumlauf ist zurückgegangen; die Ansprüche des Deldmarkis haben sich also nichi vermehrt. Der Metalloorrath ist ebenfalls, und jwar um 65 Millionen Mack zurückgega gen, darauf kemmt es an; dieses Metall ist nachweislich ins Ausland nach Eng- land, Hollan? 2c. gegangen. Auch die Berufung auf die , statiftik giebt keine Gewäbr für die Richtigkeit der Auffaffung des Reichsbank. Präsidenten. Wir können es als eine erspriehliche Reichsbanlpolitik nicht ansehen, in einer solchen Zeit die Thaler zu beseitigen, welche nach Herrn von Dechend uns vor böberen Diskortsäßzen schüßen sollten. Redner dankt am Schlusse feiner Ausfübrungen besonders der Linken für die aufmerksame An börung seiner Rede; es sei eine wabre Woblthat, nach den Stürmen der letzten Tage ein ruhiges Daus vor sich zu baben. Was die Linke wolle, fei klar; sie habe die wichtigen Anträge bei der Gewerbe⸗ ordnung ohne Debatte vorausgehen lassen, nur um die Münzgesetz · novelle noch jur Verhandlung bringen zu lassen. Soüsialdemokraten und Freisinnige seien wieder einmal verbündet. Im Lande werde man sich seinen Vers darauf machen; um den Preis des Müünzgesetzes seien Anträge abgelebnt worden, die dem Gewerbestand große Vor⸗ theile 666 bãtten.
Abg Dr. Dertel · Sachsen (d. kon ß): Es ist bedauerlich, daß eine fo bedeutsame Vorlage so wenig Interesse im hoben Hause ju erregen scheint. Herr Arendt bat ju bescheiden von seinen kurjen Darlegungen gesprochen; seine Ausführungen waren so erschöpfend, daß mir ju sagen kaum noch etwas übrig bleibt. Bei der ersten Be⸗ rathung haben wir uns gegen das ganze Gesetz erklärt; in der Kom mission und in der jweiten Lesung sind dem Münzdrachen aller ˖ dings die Hauptgifträbne. ausgebrochen worden, woran. wir uns nach Kräften betheiligt haben. Das übrig gebliebene Gift aber wird durch die Resolution Herold nicht gãnjlich beseitigt. Im Artikel IV, der zur Prägung der neu erforderlichen Reichs · Silber münzen Tandeesilbermünjen in gleichen Beträgen einziehen will, ist der schlimmste, noch stehen gebliebene Giftsahn zu sehen. Warum man die Thaler befeitigen will, darauf haben wir bis jetzt keine ausreichende Antwort bekommen. Es heißt, der Thaler sei unbeliebt; er ist doch verbältnißmäßig beliebter als das un⸗ band liche Fũnfmarkstũck Wenn die Thaler immer wieder in die Reichsbank jurücktehren, so möchte doch auch die Möglich. keit nicht ausgeschlossen sein, daß man diesen Rückfluß künftlich herbeiführt und den Wiederab fluß känftlich hindert. Für mich ist die
Vorlage trotz der ausgebrochenen Gifträhne ungnnehmpbar und auch, für e. große . meiner Freunde. Die Beseiti ee. 3 Thaler ist weder nothwendig noch Henn g sie wird die char lage des kleinen Manneg lediglich verschlechtern. Seb beden i ist auch die große Aehnlichkeit der Fünffig⸗ und Zebnpfennigstäce . lastet wie ein Fluch auf unserem einkaufen den Publikum. We atten eine Zwischenstufe vorgeschlagen, die Schaffung eines Fĩnj⸗ undzjwanzigpfennigers nach Art des früheren Zweielnhalbgroschen. stücks, einer der handlichsten und beliebtesten Münzen früheren Systems. Aber man bat unseren Vorschlag abgelehnt. Den einzigen guten Zahn, den das Gesetz aufweist, haben wir ihm trotz des Widerstandẽ der verbündeten Regierungen erst eingesetzt, e ist die Beflimmung, daß Fünf. und Zwelmarkstücke in anderer Pragung wiederhergestellt werden dürfen.
Abg. Lucke (b. k. F) kann ebenfalls nicht begreifen, warum der Thaler jetzt auf einmal beseitigt und das Odium dafür auf den Reichstag abgewälit werden solle. Redner will Protest , ein. legen, daß die Hochfinanz in ibrer Politik stets durch die Politik der Reichsbank begünstigt werde. Durch die Beseitigung des Thalers werde die Lage der kleinen Geschäftsleute ganz erheblich verichlechtert.
Abg. Br. Hahn: Es bat wenig Zweck, längere Ausfũhrungen zu machen, da sich leider die linke Selte absolut nicht an der Debatte betbeiligt. Unsere Gründe gegen die Vorlage sind durch Gegenarũnde nicht widerlegt worden. Wir haben die Prãmienpolitit der französischen Bank empfoblen; Sie baben nicht nachgewiesen, daß deren Nach. abmung unthunlich ist. Die Reichsbank hat 1080/0 bei den unheimlich bohen Biskontfätzen verdient. Für unseren Vorschlag, den ausländischen Aktionaren der Reichz bank die hohe Dividende zu entziehen, sind weder die Nätionalliberalen noch das Zentrum zu haben gewesen. Wem zu Liebe wird unser Wäbrungssystem aufrecht erbalten? Der hauts finanes zu Liebe, die nach englischem Muster sich bereichern möchte, die den internationalen großen Zwischenhandel betceibt. Die . Finanichronik⸗ hat das Rundschreiben des Reichsbank Präsidenten an, die Spitzen unserer Kaufmannschaft zur Sammlung für Indien veröffentlicht, m dem eg beißt, diese Aeuß: rung der Theilnabme Deutschlands werde Angesichte der vorhandenen Handeltverbindungen mit England dort eine freundliche und verständnißvolle Aufnabme finden. So wiit sind wir England gegenüber bereits gekommen? Von der Vorlage wird , den Schaden, nur einige Wenige werden den Vortheil
aben
Damit schließt die Generaldiskussion.
Abg. Raab (Reformp.) beantragt, jetzt zur Verhandlung über die Gewerbeordnungsnobelle zurückzukehren, er halte auch für noth⸗ wendig, die Münzgesetznovelle vor einem stärker als gegenwärtig be⸗ setzten Haufe weiter zu verhandeln. e
Der Antrag wird abgelehnt; das Haus tritt in die Spezialdiskussion ein.
Artikel T bestimmt, daß auf Anordnung des Bundegrathz die Reichsgoldmunzen zu 5 S mit einer Einlösungsfrist von einem Jahre außer Kuis gesetzt werden können.
Abg. Dr. Arendt begründet seinen Antrag, diese Außerkutt⸗ setzung auch auf die Zebnmarkstück: auszudehnen. .
Vor der Abstimmung . der Abg. Raab die Be— schlußfähigkeit des Hauses; der räsident konstatiert dem⸗ gegenüber, daß das Bureau über die Beschlußfähigkeit nicht im Zweifel sei. .
Der Antrag Arendt wird gegen etwa 12 Stimmen ab⸗ gelehnt, Artikel L unverändert angenommen, ebenso Artikel Il und II (Einziehung der Zwanzigpfennigstücke aus Silber und Nickel) nach den Beschlüssen der zweiten Lesung.
Artikel TY besagt, daß der Gesammibetrag der Reiche⸗ Silbermünzen bis auf weiteres 15 (bisher 109 für den Kopf der Bevölkerung nicht übersteigen soll; zur, neuen Prägung dieser Münzen sind Landes⸗Silbermünzen insoweit einzuziehen, als solche für die neue Prägung und deren Kosten erforderlich sind. .
Abg. Pr. Arendt tritt für seinen Antrag ein, daß die Zablkrast der Fünjmarkstücke bis auf 109 erböbt werde, im übrigen es aber beim bestebenden Gefeg verbleiben solle; er babe diesen Anttag in Artikel IV gestellt. Bis jetzt seien alle Ausführungkgesetze zum Mün⸗ gesetz unausgeführt geblieben. Das Volk lasse sich nicht eine beliebte Münze entniehen und eine unbeliebte aufdrängen. Bis jetzt sei der Thaler gesetzliches Zahlungsmittel gewesen. Verschwinde er aut dem kleinen Verkehr, so würden dem kleinen Manne die Augen, au, gehen über die angeblichen Gefälligkeiten, welche die Sozialdemokratie und der Freisinn ibm erwiesen. .
Der Antrag des Abg. Dr. Arendt wird gegen etwa 25 Rütalieder der rechten Seite des Hauses abgelehnt, Artikel ' unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung bestätigt, ebenso Artikel V (Ausprägung von Denkmünzen) und Artikel NI (Aufhebung des Artikels 8 der Maß- und Gewichte⸗ ordnung vom 17. August 1868), welche auf Antrag des Abg. Kirsch (Zentr) umgestellt werden.
Vor der Gesammtabstimmung wird auf Wunsch des Abg. Dr. Arendt, der davon seine schließliche Stellungnahme zum Hesetze abhängig zu machen erklärt, die Resolution Herold zur Debatte gestellt. .
Rach kurzer Empfehlung durch den Abg. Herold wird die Resolution gegen die Stimmen der Linken und einer An⸗ zahl von Mitgliedern der Rechten angenommen, desgleichen endgültig das Gesetz im Ganzen mit großer Mehrheit.
Das Haus kehrt zurück zur Berathung des G esetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung Nach genauer Prüfung erübrigt, wie der Präsident mil⸗ theilt, nur noch eine Abstimmung über einen Antrag des Abg. Dr. von Hrefk⸗ welche ebenfalls nur eine Ftonsequen früherer Beschlüsse sei. .
Abg. Dr. von Frege bemerkt, daß die Kollationierung der Protokolle und des Stenogravpbischen Berichts ergeben habe, daß lein materieller Fehler bei den Abstimmungen vorgekommen sei, wenn auch vielleicht in der Form der Frageftellung geirrt habe, daß sontt seine Geschä tzführung als entlastet erscheine. ;
Der Antrag von Frege wird angenommen, des gleiche Einleitung und uber r des Gesetzes. Die Petitionen werden fur erledigt erklärt. Abg. Freiherr Heyl zu Herrnt⸗ heim beantragt, auch die Gesammtabstimmung sofort vot⸗ zunehmen. Da niemand widerspricht, wird die Gesammt abstimmung vorgenommen und ergiebt die einstimmige M nahme der Gewerb ordnungsnovelle.
Damit ist die Tagesorbnung erledigt.
Schluß R/ Uhr. Nächste Sitzung (Dritte Lesung des Nachtrags⸗Etats, dritte versicherungsgesetze )
reitag 11 Uh . der Unfal⸗
—
Prenßischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
74. Sitzung vom B. Mai 1900, 11 Uhr.
Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte 6 rathung des Gefetzentwürfs, betreffend die Waaren hausste uer. —:
sz L bestimmt: Wer das stehende Gewerbe des 6 Handels mit mehr als einer der in 86 * chiedenen Waarengruppen betreibt, unterliegt, we e Jahresumsatz — einschließlich desjenigen der in Preuß
Zweigniederlassungen, Filialen, Verkaufsstãtten —
. Fi. uübersteigt, der den Gemeinden zufließenden Waaren⸗
uer. Die Abgg. Lucius (fr, kons) und Winckler (ons) hean tragen, hinter dem Worte „Jahresumsatz“ die Worte in diesen Gruppen⸗ einzuschalten. Abg. Krawinkel (nl) beantragt folgenden neuen usaß: Erstreckt sich der Kleinhandelsbetrieb über mehrere rle, so tritt die Steuerpflicht nur insoweit ein, als seine Ferkaufestätten in einem und demselben Orte oder unmittelbar benachbarten Orten mehr als eine der in 8 6 unterschiedenen
hruppen führen.
In 86 ist in zweiter Lesung die Gruppeneintheilung der Regierungsvorlage in vier Gruppen angenommen worden.
Die Abgg. Cahensly Zentr. und Genossen beantragen, in der Gruppe B an Stelle des Wortes „Bettstellen“ zu setzen Möbel“, dagegen die Worte „und Polstermöbel“ zu streichen. 1 1
In der Generaldiskussion erklärt der
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz-Minister Pr. von Miguel:
Meine hochverehrten Herren! Ich glaube, die Diskussion viel⸗ leicht zu vereinsachen, jedenfalls die Stellungnabme der einjelnen Redner zu erleichtern, wenn ich schon jetzt die Stellung des Staats Ministeriums zu den Beschlüssen zweiter Lesung hier ertläre.
Ich gebe zuerst zum 5 1 über, bei dem in der weiten Lesung eine Herabsetzung der Steuergrenje von 500 009 46 auf 300 000 beschlossen ist. Die Staatsregierung hält diesen Beschluß nicht für annehmbar. Bravo! links.)
Meine Herren, das Staats⸗Ministertum bat dafür nach reiflicher, eingehender Erwãgung folgende drei wesentliche Gründe. Einmal glaubt man im Staats⸗Ministerium, daß man bei einer Grenze von joo 00 M doch sehr viele Geschäfte selbst in kleineren Orten treffen würde, die die charakteristischen Merkmale des eigentlichen Waarenhaus⸗ betriebes nicht haben, und daß man da sehr leicht zu weit greifen und Geschäfte berühren kann, welche außer der Absicht des Gesetzgebers liegen. Solche Fälle würden nach der Meinung des Staats—⸗ Ministeriums in groher Zahl getroffen werden.
Zweitens ist dazu keine Veranlassung; denn die Gemeinden sind ermächtigt, diese Steuern nach ihren Verhältnissen zu verschärfen. Sie können aber umzekehrt unter die obligatorische Bestimmung dieses Gesetzes nicht heruntergehen. Wenn also in einer einzelnen Gemeinde Waarenhäuser mit einem geringeren Umsatz als 500 000 0 porkommen, so bat es die Gemeindevertretung in der Hand, auch schon bei einem Umsatz von 3. bis 00 000 1M durch ihre eigene Autonomie in der Beziehung Hilfe zu schaffen. Es ist also ein dringendes Be— därfniß zum staatlichen, obligatorischen Eingreifen in die Autonomie hier nicht vorhanden.
Endlich aber ist die Differenz zwischen einer angemessenen Be⸗ steuerung und der jetzigen Steuer von Waarenhäusern, die 3, bis 500 dö60 Æ umsetzen, nicht so erheblich, daß man sich auf Grund von solchen Differenzen hätte entschließen können, bei der erbeblichen Schwierigkeit dieser Gesetzgebung durch ein Staats . gesetz in die Autonomie der Gemeinden einzugreifen. Wenn wir heute Waarenhäuser haben, von denen man sagt — das wird sich ja später herausstellen — daß sie 20 bis 30 Millionen umsetzen, so ist der Gegensatz zwischen der Besteuerung, wie sie heute durch Zuschläge zur staatlichen Gewerbesteuer in den Gemeinden stattfindet, so beschwerlich und nachtheilig und ungerecht gegenüber den kleineren Gewerbe⸗ betrieben, daß, da die Kommunen ihrerseits noch nicht Gebrauch von ihrer Autonomie gemacht haben, wir uns entschließen mußten, solche krianten Ungleichheiten und Uagerechtigkeiten in der Besteuerung ju beseitigen.
Wie Sie wissen, bat die Staatsregierung sich nur sebr schwer entschlossen, in die Autonomie der Gemeinden einzugreifen. Sie hat sich aber dazu aus dem angegebenen Grunde geiwungen gesehen und hofft, daz diese Gesetzgebung die Gemeinde selbst aufmerksam macht, wie ungerecht die gegenwärtige Besteuerung der Geschäfte und wie un⸗ gleich sie war. Aber wir können nicht verkennen, daß es viel besser gewesen wäre, die Gemeinden wären nach ihren lokalen Verhãltnissen vorgegangen. Hier geben wir für das ganze Land feste Regeln, die hier und da nicht passen. Die Grundlage ist auch noch nicht genügend geklärt, weil wir die Größen der Umsätze heute nicht genügend kennen. Ei ist also nur ein erster Schritt, den wir bier than, und ich möchte die Herren driagend bitten — ich bin überleugt, sie werden damit auch im Interesse und nach den Wünschen der kleineren Kaufleute handeln — daß sie an dieser Frage das Gesetz nicht fallen lassen.
Ich gehe mit Erlaubniß des Herrn Präsidenten — es ist ja hier eine Generaldiskussion — auf den 5 5 über, wo das hohe Haus eine erhebliche Milderung gegenüber den Kommissions anttägen beschlossen hat, freilich eine Verschärfung gegen den Entwurf. Die Regierung will aber hieraus keinen casus criticus machen, und da Ansichten aus den verschiedenen Parteien laut geworden sind, die mit dem vom Hause vorgeschlagenen Amendement, nach welchem keinesfallz weiter als bis zur Hälfte des nach 5 2 sich ergebenden Steuerbetrags beim Ueberschreiten dieser Grenze, die der F 5 nach der Regierungs vorlage zog, in der Besteuerung gegangen werden darf, so will die Staatsregierung diesem Amendement beitreten.
Dagegen bleibt die Staatsregierung dabei stehen, daß es in dem gegenwärtigen Stadium im böchsten Grade bedenklich wäre, die sehr gründlich mit Sachverständigen berathene Gruppierung im § 6 nech n andern. Man weiß nicht recht, was man mit einem einzelnen Amendement thut; es kann ja sein, daß die Erfahrung überhaupt die Nothwendigkeit einer Aenderung der Gruppierung noch erwünscht oder erforderlich erscheinen lãßt. Gegenwãrtig aber Amendements und Aenderungen in Beniehung auf die Zahl, die innere Beschaffenheit, den Inhalt dieser Gruppierung eintreten ju lassen, hält die Staatgregierung nicht für angängig. Sie füblt sich da — und ich glaube, auch das ganze Haus — auf einem ju unsicheren Boden, um in dieser Beziehung das Gesetz zu ändern.
Meine Herren, ich boffe dringend, daß dieser Gesetzentwurf auf der von mir beieichneten Grundlage justande kommt. Ich Ilaube, jeder von uns füblt, wie schwierig die ganze Hesetʒʒebunʒ auf diesem Gebiet ist, und daß es dabei noth⸗ wendig ist, sich zu bescheiden. Ich babe die Ueberzeugung, daß die Daupttlagen und Hauptübelstände durch das Gesetz getroffen werden. Weiter darf man aber gegenwärtig nicht gehen. Alle Zu ⸗ ne, Telegramme u. s. w., die ich aus den verschiedensten Landes⸗
eilen bekommen habe, drücken den Wunsch aus, daß auf der Grund-
lage der Reglerungsvorlage etwas zu stande kommt, und Sie werden
keinen Dank bei den vorzugsweise betheiligten kleineren und mittleren
Kaufleuten erwerben, wenn Sie unter Bestehen auf bestimmten Be⸗
. oder vorgefaßten Anschauungen das Gesetz zum Scheitern ngen. .
Ich kann Ihnen daher nur empfehlen, meine Herren, die Be⸗ schlüsse der zweiten Lesung in dem eben von mir vorgetragenen Sinne zu ändern.
Abg. Marx (Zentr.): Nach der dan kenswerthen Erklärung des Ministers befiaden wir uns jetzt auf einem festen Boden, Darin geben wir den Herren von der Linken Recht, daß es am besten wäre, die Gruppeneintheilung ganz herauszulassen und auch die Spezialgeschäfte zu besteuern; ein großer Theil meiner Freunde stimmt aber für die Gruppeneintheilung der Regierungs vorlage; denn wir wollen etwas zustande bringen. Ein großer Theil meiner Freunde bedauert die Erklärung des Ministers über die Grenze von 300 000 M. und wir würden lieber gegen das ganze Gesetz stimmen, als der Erhöhung auf 500 090 0 zustimmen. Das Gesetz nach den Beschlüssen zweiter Lesung widerspricht durchaus nicht der Reichs- Gewerbeordnung; wohl aber ist dies der Fall mit dem bayerischen Gesetze. Nach den Motiven der Gewerbeordnung berührt diese die Berechtigung der steuerlichen Maßnahmen in keiner Weise, und selbst wenn der in jweiter Lesung zu § 5 angenommene Antrag Schaube ein Gewerbe unter gewissen Umständen unmöglich macht, so ist das noch immer kein Verstoß gegen die Gewerbe⸗ ordnung. Auf die thatsächliche Möglichkeit der Ausübung des Ge—⸗ werbes kommt es nicht an. Wir halten nach wie vor daran fest, daß die progressive Steuet das Richtige ist. Wir verzichten in dritter Lesung auf Anträge wegen Besteuerung der Spezialgeschãfte, halten aber daran fest, daß eigentlich auch diese besteuert werden müßten. Daß die Vorlage die Umsatzsteuer einführt, ist ein Erfolg, und deshalb wird ein Theil meiner Freunde für da? Gesetz nach den Beschlüssen zweiter Lesung stimmen, um etwas zu stande zu bringen.
Abg. Winckler (kons): Meine Freunde haben beschlossen, an der Grenze von 300 00 S ans den schon in zweiter Lesung dargelegten Gründen festzuhalten; wir schließen uns in dieser Be ziehung dem Vorredner an. Wir wollen ein wirksames Gesetz und ein Gesetz, das für das ganze Land gilt und nicht nur für die großen Städte. Sollten die 309 009 4 nicht angenommen werden, so werden wir gegen das ganze Gesetz stimmen. Daß die Gemeinden auch unter S300 605 SM heruntergehen können, genügt uns nicht, da die kommunale Thätigkeit auf diesem Gebiet unfruchtbar gewesen ist. Schon jetzt haben die Gemeinden das Recht zu einer solchen Be—⸗ steuerung, ohne daß sie etwas dazu gethan haben, Das Gesetz bliebe mit der Erhöhung nur ein Stück Papier und würde einen Streit in alle Gemeinden tragen. Dag Hauptbedenken der Regierung gegen 300 oh0 S geht dahin, daß diese Grenze für die großen Städte ju niedrig sei. Wir hätten überhaupt eine Verständigung nach den Beschlässen der Kommission in erster Lesung dahin gewünscht, daß nach der Größe der Städte unterschieden wird. Wir halten eine solche Verständigung im weiteren Stadium der Berathung im Herren⸗ haus nicht fü möglich. Daß der 5 nach dem Antrag Schaube für die Regierung annehmbar ist, hat uns mit großer Freude erfüllt. Bei der Gruppeneintheilung nach dem Beschluß der weiten Tefung werden wir stehen bleiben. Wir sind in allen Punkten ent⸗
J in der Erwartung, daß uns in § 1 entgegengekommen wird.
Abg. Dr. Barth fr. Vgg.): Wir bekämpfen das Gesetz grund—⸗ ie und können in den bisherigen Beschlüssen auch keine Ver⸗ besserung des Entwurfs erblicken. Ich fasse die Erklärung des Ministers dahin auf, daß die Regierung auf keinen Fall den Satz von 00 000 M in irgend einer Hinsicht wird herunterrücken lassen. Wenn wir auch gegen das Gesetz selbst sind, so werden wir doch für jede Verbefferung stimmen und daher auch für die Erhöhung auf 505d 056 M Natürlich überlafsen wir die Stellung eines solchen An—⸗ trages den Mehrheitsvarteien. Ich würde es bedauern, wenn nachher nach dem Beschlusse des Herrenhauses etwa die Konservativen um- fallen und für 50 000 S stimmen würden, falls das Herrenhaus diese Grenze beschließt.
Damit schließt die Generaldiskussion.
In der Spezialdiskussion befürwortet
Abg. Krawinkel seinen Antrag, der nur eine redaktionelle Be- deutung habe.
Abg. Lucius empfiehlt seinen Antrag.
1 des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miguel:
Der Antrag Lucius ist weiter nichts als eine authentische Inter⸗ pretation und stimmt mit den eigentlichen Intentionen des Gesetzes vollständig überein. Ich halte den Antrag nicht für nöthig; wir würden in der Ausführungsverordnung schon dasselbe vorgeschrieben haben; ich habe aber auch nichts gegen die Annahme.
Was den Antrag des Herrn Abg. Krawinkel betrifft, so spricht sehr viel für denselben. Er stimmt zwar nicht mit den prinzipiellen Grundlagen überein, nach welchen die Besteuerung auf Grund unserer jetzt geltenden Gewerbefteuerordnung stattfindet, weil er auch aus⸗ einanderliegende Geschäfte als eine Einbeit behandelt. Aber man muß sagen, das vorliegende Gesetz kann eine Ausnahme von diesem allgemeinen Prinziv der Gewerbesteuer wobl rechtfertigen; denn wir wollen hier nicht die Person, sondern das Gewerbe treffen, und sodann lege ich darauf das Hauptgewicht — auch die lokale Ein⸗ wirkung des betreffenden Groß ⸗Kleinhandels. Es schadet den Ge⸗ werbetreibenden in irgend einem Ort nicht, wenn in irgend einem zweiten Ort ein Geschäft äbnlicher Art entsteht. Man muß zugeben, daß es allerdings zu großen Härten führen kann — sehr oft wird der ganze Fall wohl überhaupt nicht vorkommen — wenn ein Mann mehrfach besteuert wird, aus Gewerbebetrieben solcher Orte, wo die Voraussetzung des betreffenden Gesetzes für das einzelne Geschäft noch nicht vorliegen würde, wenn er nicht zufällig an einem andern Ort ein steuerpflichtiges Waarengeschäft hätte. Wenn das hohe Haus diesen Erwägungen beitreten will, so ist seitens der Staatsregierung dagegen nichts zu erinnern. Im Gegentheil, ich halte es für eine Verbesserung des Gesetzes. ;
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neu kirch (fr. kons.) empfiehlt den Äntrag Luciug, der falschen Auslegungen des Gesetzes vor- beugen könne, und den Antrag Krawinkel, der ebenfalls eine Ver- befferung des Gesetzes enthalte. Der Versuch dieses Gesetzez müsse gemacht werden, um dem Mittelstande zu helfen. Wer also wirklich Etwas wolle zu stande kommen lassen, dürfe nicht auf Beschlüssen be⸗ stehen, die diefen Versuch aufs grnfteste gefährden würden, In größeren Städten namentlich seien Geschäfte mit 300 000 Æ Umsatz keine Großbetriebe, sondern mittlere Geschäfte. Außerdem könne ia durch Gemesndeverordnung auch eine niedrigere Grenze, festgesetzt werden. Schließlich babe das Haus später noch die Möglichkeit, die Grenje herabzusetzen. Ich fasse die Erklärung des Ministers so auf, daß, wenn man Unterscheidungen treffe, der Satz von 300 000 S für die Regierung annehmbar gemacht werden könne. Es würde nicht schaden, wenn das Gesetz fiele und dadurch die Bahn frei würde für eine allgemeine Revision der Gewerbesteuergesetzgebung. Vize⸗Präsident des Staats⸗-Ministeriums, Finanz ⸗Minister Dr. von Miquel:
Der Abg. Freiherr von Zedlitz hat soeben den Gedanken hin⸗ geworfen: wenn dies Gesetz scheitert, so wäre es dann wohl um so mehr an der Zeit, eine allgemeine Revision der staatlichen Gewerbe⸗
steuer vorzunehmen. Aber, ach, weil das ein sehr schweres Werk ist,
sachkundige Leute der Meinung sind, daß als allgemeines Staats- gesetz die Gewerbesteuer kaum zu revidieren ist, und da in der Hauptsache bei der Besteuerung der Gewerbe die ört⸗ lichen, wirthschaftlichen und soꝛialen Verhältnisse in Betracht kommen und autonom nur durch die Gemeinden und nicht nach einer Schablone berücksichtigt werden können, so würde jener Gedanke: wir brauchen das vorliegende Gesetz eigentlich nicht, wir können ja, wenn das Gesetz scheitert, eine allgemeine Revision der Gewerbesteuer eintreten lassen, gefährlich sein. Wir haben hier den Schritt gethan, durch ein allgemeines Landesgesetz in diese Frage ein⸗ zugreifen, aus den Gränden, die ich schon oft entwickelt habe, weil die jetzige Besteuerung der gewaltigen Lagerhäuser mit einem Riesen⸗ umsatz, mit einem kolossalen Personal, mit Führung aller denkbaren Artikel, mit einer Geschäftsgebahrung, die das Publikum in einer häufig bedenklichen Weise anzieht, so gering gegenwärtig ist, daß darin eine große Ungerechtigkeit gegen den konkurrierenden kleinen Kaufmann gelegen ist, und bei der rapiden Entwickelung den Ruin des kleinen Kaufmanns auch infolge der ungerechten Besteuerung herbei⸗ führen würde und werde. Wir sehen eben im Staats⸗Ministerium die ganje Frage als eine dringliche an; wenn mehrere Jahre diese Entwickelung fortdauert und diese Ungleichheit, so kann dann für die kleinen Kaufleute die Reform schon zu spät sein. (Sehr richtig!)
Meine Herren, wenn heute schon die städtischen Grundbesitzer mit Petitionen kommen und sagen: wo bleiben wir mit unseren Läden? Die Straßen werden leer von Geschäften; wir leiden auch unter einer solchen Konzentration des Klein⸗ betriebs auf großkapitalistischer Basis; so sieht man: die Sache ist dringlich. Deswegen sollten Sie sich doch mehr als einmal besinnen, bei all den Gründen, die wir angeführt haben, an diesem einen Punkt das ganze Gesetz scheitern zu lassen. Nach allem, was ich aus den Kreisen der mittleren und kleineren Kaufleute weiß, handeln Sie da nicht nach deren Wänschen. Der Herr Abg. Freiherr von Zedlitz hat selbst mit vollem Recht gesagt: wenn die Erfahrung — wir sind jetzt ja noch auf einem ziemlich dunklen Boden, weil wir die Größe der Umsätze mit Genauigkeit gar nicht kennen — zeigt, daß für gewisse Städte wenigstens die Grenze ju hoch bemessen ist, dann bleibt uns ja noch immer übrig, wenn wir sehen, daß das Gesetz seinen Zweck nicht erreicht, in dieser Beziehung eine Korrektur eintreten zu lassen. Ich vertraue aber auch, meine Herren: nachdem nun durch diese Debatte, durch die Stellungnahme der Regierung, durch die Anschauungen der Mehrheit in diesem hohen Hause den Kommunalverbänden klar gemacht ist, daß es wohl ihre Aufgabe gewesen wäre, eine gerechtere Besteuerung ju schaffen, eine Uagleichheit zu beseitigen, welche den Kleinen bedrũckt und den Großen begünstigt, wenn nun in den Kommunen die Er— fahrung gemacht ist: uns bilft das Gesetz nichts, wir müssen jetzt selbst Hand anlegen — daß dann die kommunale Reform viel rascher in Schuß kommen wird, wie es bisher der Fall war. (Sehr richtig!) Meine Herren, ich halte es für politisch und parlamentarisch falsch, das, was man doch schließlich zu thun entschlossen ist, auf das Herren baus, auf spätere Berathungen zu verschieben. Das Ende der Session ist nahe. Wenn bei dieser Lage der parlamentarischen Geschäfte der Gesetzentwurf wieder hin und herlaufen muß, vielleicht mehrere Male, dann verstreicht vielleicht die Zeit für den Abschluß dieses Gesetzes. Das möchte ich Sie doch auch bitten in Erwägung zu nehmen. Meine Herren, dies ist eine Gesetzgebung, bei der man oft in einzelnen Punkten nachgeben muß — nicht bloß der Minister, son⸗ dern auch die einzelnen Abgeordneten; eine volle Uebereinstimmung wird man in allen Einzelheiten nicht erreichen, aber es hat einen großen Werth, daß wir doch einmal gezeigt haben, daß der Staat entschlossen ist, zu Gunsten des Mittelstandes die ihn bedrückenden, ungünstigen und ungerechten Berhältnisse wegiuschaffen, soweit das in der staatlichen Macht überhaupt liegt. Es wird dies Gesetz, wenn es zu stande kommt, ein Trost für den gefährdeten Mittelstand sein. Es wird auch moralisch erheblich wirken.
Meine Herren, zuguterletzt möchte ich auf die Freude derjenigen hinweisen, welche überhaupt kein Gesetz wollen, auf den Abg. Dr. Barth, ihren Repräsentanten. Nichts wird denselben mehr erfreuen, als wenn Sie durch diese Ihre Beschlüsse zweiter Lesung das Gesetz selbst gefährden oder ganz scheitern lassen. (Bravo)
Abg. Winckler: Wir werden den Antrag Krawinkel und den
Antrag Lucius annehmen. Dem Abg. Barth erwidere ich, daß die Grenje von 300 000 für uns der Kardinalpunkt ift, von dem wir nicht abweichen; denn wir wollen das Gesetz wirksam machen auch für die Mittelstädte. Wir wünschen, daß es ein Trost für den Mittelstand sein soll, und zwar nicht bloß in den großen Städten, fondern auch in den mittleren und kleinen. Dag Beste wäre die Klassifizierung der Städte nach der Einwohnerjabl gewesen, wie es die Kommifsion in ihrer ersten Lesung beschlossen hatte. Auf diesen Weg ur Verftändigung babe ich bingewiesen. Es ist bedauerlich, daß die Erklärung des Ministers, daß die Grenze von 300 0090 M unannehmbar sei, erst heute gekommen ist. Wäre sie schon in zweiter Lesung erfolgt, w wir für die dritte Lesung eine Aenderung beantragen Abg. Marx wiederholt seine Erklärung, daß ein großer Theil seiner Freunde gegen das ganje Gesetz stimmen werde, wenn die Grenze bei 505 000 MÆ angenommen würde. Abg. Dr. Crüger (freis. Voltsp.): Die Kommunen wären das schlechtefte Organ fur eine Reform der Gewerbesteuer; in den Kom munen sind persönliche und geschäftliche Interessen maßgebend. Die Gewerbesteuer kann nur nach großen Gesichtsvunkten reformiert werden unter Erleichterung der kleinen Gewerbetreibenden. Der Antrag Krawinkel verschiebt die ganze Grundlage der Vorlage und bringt ein neues Moment hinein. Ich fürchte, dieses Gesetz wird für den Mittelstand nur ein sehr schwacher Trost sein.
ö 1 wird mit den Anträgen Krawinkel und Lucius nach dem Beschluß zweiter Lesung angenommen, sodaß die 300 000 6 als niedrigsie Umsatzgrenze stehen bleiben.
Abg. Cahensly zieht nach der Erklärung des Ministers seinen Üntrag zurück, um das Zustandekommen des Gesetzes nicht weiter zu erschweren.
In 85 (Beschränkung der Waarenhaussteuer auf 20 Proz. des Ertrages, jedoch nicht weiter, als bis auf die Hälfte des nach 3 2 sich ergebenden Steuersatzes) beantragt Abg. Dr. Erüger die Streichung des zweiten Absatzes, nach welchem diese Bestimmung auf Konsumvereine und auf inländische Filialen außerpreußischer Betriebe nicht Anwendung finden soll. Nachdem sich Geheimer Ober⸗Finanzrath Ur. Strutz gegen den Antrag erklärt hat, wird derselbe abgelehnt und 85 unverändert angenommen.
Zu § 6 (Gruppeneintheilung) nimmt
Abg. Dr. Barth den Antrag Cahengly wieder auf und führt aus, daß nach dieser Gruppeneintheilung eigentlich auch das Geschäft
von Rudolph Hertzog als Waarenhaus betrachtet werden müsse. Der
*