Nichtamtliches.
Dentsches Reich.
Preußen. Berlin, 21. August.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute Vormittag im Schlosse Wilhelmshöhe die Vorträge ves Staatg— sekretärs des Reichs⸗Marineamts, Staate⸗Ministers, Vize Admirals von Tirpitz und des Chefs des Militärkabinets, Generals von Hahnke,
n —
Der Wirkliche Geheirn Ober⸗Regierungsrath im Reichs⸗ Eisendahnamt Kraef ft hat Berlin mit Urlaub verlassen.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich sächsische Geheime Rath, Miniterial⸗Direktor Dr. 3 er ist in Berlin angekommen.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Hertha“, Kommandant: Kapitän zur See von Usedom, am 17. August von Tsingtau nach Amsy in See gegangen.
S. M. S. „Loreley“, Kommandant: Korvetten⸗Kapitän von Levetzow, ist am 19. August von Konstantinopel nach Galatz in See gegangen.
S. M. S. „Luchs“, Kommandant: Korvetten⸗Kapitän
Dähnhardt, ist am 18. August in Colombo eingetroffen und
beabsichtigt am 23. August die Ausreise nach Singapore fort⸗ zusetzen.
ö. ger Dampfer „Gera“, Detachementsführer: Kapitän⸗ leutnant Beg as, beabsichtigt heute von Port Said nach Aden in See zu gehen.
S. M. S. „Fürst Bismarck“, Kommandant: Kapitän zur See Graf von Moltke, mit dem Chef des Kreuzer⸗ Geschwaders, Vize⸗Admiral Bendemann und S. M. S. „Seeadler“, Kommandant: Korvetten-apitän Schack, sind am 20. August von Tsingtau nach Wusung in See gegangen.
Die zweite Division des J. Geschwaders, Divi— sions⸗-Chef: Kontre⸗Admiral Geißler, ist am 20. August in Singapore eingetroffen.
Der Dampfer „Elsa“ hat am 18. August die Ausreise nach China angetreten.
In der Ersten und Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ wird die vom Reichs—⸗ Eisenbahnamt aufgestellte tabellarische Uebersicht der Be⸗ triebs-Ergebnisse deutscher Eisenbahnen für den Monat Juli 1900 veröffentlicht, auf welche am Sonnabend v. W. an dieser Stelle auszüglich hingewiesen worden ist.
Königsberg i. Pr., 20. August. Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht ist, nach einer Meldung des W. T. B.“, heute Abend 7is⸗ Uhr zur Inspizierung des J. Armee⸗Korps hier eingetroffen. Morgen Vormittag findet auf dem Devauer Exerzierplatz Parade und Besichtigung des . Prinz Albrecht von Preußen (ELitthauisches) Nr. L statt.
Bayern.
Der General⸗Feldmarschall Graf von Waldersee traf, wie W. T. B.“ meldet, gestern Abend um 7, Uhr in München ein und wurde auf dem Bahnhofe von Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen Arnulf, Ludwig Ferdinand, Alfons und Franz und dem Herzog Christoph in Bayern begrüßt. Ferner waren der Kriegs Minister Freiherr von Asch, die Generalität, die Offizierkorps, der preußische Gesandte Graf von Monts mit den Herren der Gesandtschaft und der Bürgermeister von Brunner anwesend. Auf der Durchfahrt durch Leipzig war der Feldmarschall im Namen Seiner Majestät des Königs von Sachsen von dem komman⸗ dierenden General des II. Sächsischen Armee⸗Korps von Treitschke empfangen worden. Bei der Weiterfahrt von München begrüßte in Kufstein der österreichisch⸗ungarische Feldmarschall⸗Leutnant Binder den Grafen von Waldersee im Auftrage Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Erzherzogs Eugen.
Württemberg.
Seine Majestät der König begrüßte gestern, wie „W. T. B.“ aus Stuttgart meldet, die den neuen ostasiatischen Regimentern zugetheilten württembergischen Truppen vor ihrer Abfahrt nach Darmstadt und richtete an sie, nach dem „Schwäbischen Merkur“, folgende Abschiedsworte:
Kameraden! Es ist mir eine Freude und ein Bedürfniß gewesen, euch in den letzten Stunden, hevor ihr die Heimath verlaßt, noch einmal zu begrüßen und meine herzlichsten Glückwünsche euch mit auf den weiten Weg zu geben. Laßt mich fest versichert sein, daß ihr auch im fernen Osten dem Namen eures Heimaihlandes Ghie machen werdet, daß ibr als brav⸗ Württemberger würdig euch den anderen deutschen Volk stãmmen . werdet, daß ihr in Manneszucht, Gehorsam und Ertragung schwerer Strapazen nie erlahmen und auch in dieser Richtung eurer Heimath eingedenk sein werdet. Die Wünsche ureg Königs begleiten euch in jeder Stunde, wo immer ihr auch sein werdet. Es sind schwere, große Aufgaben, die euch bevorstebhen. Möge Gott euch schützen bewahren und euch gesund wieder in die Heimath zurückkehren lafssen. Daß ihr euren Pflichten freudig end in jeder Weise nachkommen werdet, ist meine Uererzeugung, und dieser Ueberzeugung wollen wir Ausdruck geben mit dem Rufe: ‚Unser oberster Kriegsherr, Seine Majestät der Kaiser Hurrah!“
Hierauf brachte der kommandierende General Freiherr von Faltenhausen ein Hoch auf Seine Majestät den König aus.
Oldenburg.
Seine . Hoheit der Großherzog hat, wie „W. T. B.“ meldet, an Stelle der bisherigen Minister Jansen, Flor und Heumann den Geheimen Regierungsrath Willich zum Minister des Innern, den Ober⸗Regierungsrath Ruhstrat zum Finanz⸗Minister und hen Oher⸗Staatsanwalt Ruhstrat zum Justiz⸗Minister ernannt.
Deutsche Kolonien.
Ueber die von dem Kaiserlichen Gouverneur zu , öhe und dem Geheimen J Professor
r. Koch ausgeführte Bereisung von Neu-NKecklenburg und den größeren Nebeninsein berichtet, dem „Deutschen Kolonialblätt“ zufolge, der Gouverneur unter dem 5. Juni
d m
Kurz nach unserer Abfahrt von der Visher Insel an der Noedostlüste Neu. Mecklenburgs zeigte der Johann Albrecht“ eine schwere Kesselhavarie. Das Feuer mußte ausgeblasen werden. Da kein günstiger Wind vorhanden war und der Jobann Albrecht“ 6. kein grter Segler ist, trieben wir alsdann 24 Stunden lang so gut wie hilflos umher, bis die Kesselreparatur vollendet war und wir wieder Vampf aufgemacht hatten. Wir kamen daher erst am 22. Mai. Morgens, an der Küste von Neu—⸗ Mecklenburg an, wo wir unweit der Händlerstation Lessu zu Anker gingen. Hier sitzt als Unteragent des Händlers in Fissaua der deutsche Unterthan Kummer. Die Handelsstation ist erst seit drei Monaten eröffnet. Nach den bisherigen Erfabrungen wird auf eine jährliche Produktion von etwa 25 Tons Kopra und 2 Tons Trepang zu rechnen sein. Die Gebäude des Händlers liegen auf einem dem Fest⸗ lande vorgelagerten, ganz abgeboljten Korallenfelseninselchen. Der um⸗ sitzenden Bevölkerung ist nicht vollkommen zu trauen. Eine Ansiedelung auf dem Festlande ist daher noch zu gefährlich Erst vor kurzem wurde nach Kummer mit einem Speere geworfen. Der schuldige Ein geborene ist bekannt, aber er war, um sich der Bestrafung zu ent. ziehen, in den Busch geflohen. Lessu ist ein ziemlich ausgedehntes Dorf, dessen Bewohner uns freundlich und zutraulich entgegenkamen unter wiederholter Betheuerung, daß sie nichts Böses gethan hätten und sich immer ruhig verhalten wollten. Die sechs mitgenommenen Poltzei⸗ soldaten wurden mit ihren Waffen am Lande gejeigt und den zwei Dorfhäuptlingen auseinandergesetzt, daß wir, wenn sie irgend etwag Böses machen würden, mit mehr Polizeisoldaten und einem größeren Schiffe zu ihrer Bestrafung kommen würden. Die Eingeborenen brachten bereitwilligst ihre Kinder zur Untersuchung herbei. Da die Kinder zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahre sämmtlich Milz— tumor hatten, so ist leider auch für diesen Theil der Küste von Neu—⸗ Mecklenburg das endemische Vorkommen der Malaria als sicher an zunehmen Im Busch schoß ih zum Zwecke von Blutuntersuchungen für Herrn Geheimen Rath Koch drei fliegende Hunde, da diese Thiere besonders interessante, den Erregern der Menschenmalaria ähnliche Kleinwesen als Blutparasiten zu beherbergen pflegen.
Ohne mit der Anwerbung irgend welchen Erfolg gehabt zu haben, verlleßen wir den Platz am anderen Morgen, weiter nach Norden zu die Käste entlang dampfend. Die Leute zeigten so wenig Lust, als Arbeiter mitzugehen, weil hier das Klima von Kaiser Wilhelms ⸗Land durch die häufigen früheren Todesfälle noch zu sehr in Verruf ist. Am 23. Mittags erreichten wir die Händlerstation Fissaug. Bei unserer Landung wichen die Leute zunächst scheu zurück. Der Grund war, wie wir bald durch in Fissaua sitzende alte und unsere mitgebrachten Polizeisoldaten erfuhren, daß der Händler sich vor kurzem Ausschreitungen hatte zu Schulden kommen lassen. Wir hatten uns nach kurzer Zeit mit den Ltuten über unsere friedlichen und freundlichen Absichten verständigt. Obwohl der Händler vorher die Kinderuntersuchung für nicht möglich erklärt hatte, wurden uns bald die Kleinen von allen Seiten zugebracht, sodaß binnen kurzem bei einer reichlich genügenden Anzahl die Milz untersucht und Blutproben genommen waren. Auch hier überall die Malariamilz und demnach in dieser Gegend die Malaria endemisch. Fissaua ist ein sebr großes, reinlich gehaltenes Stranddorf, welchet einen besonderen Reiz dadurch gewinnt, daß ein schönes Gebirgswasser mit starkem Gefälle hindurchfließt. Der Ort wimmelt von hübschen, vergnügten Kindern, die bei unserem weiteren Spaziergange in den Busch in größerer Anzahl uns begleiteten, die geschossenen Vögel aufsammelten und sich eifrigst bemühten, unserem Bei⸗ spiele folgend, Insekten zu fangen. Gegen Abend setzte ich mich mit Herrn Geheimen Rath Koch, umlagert von Jung und Alt, an der Fluß⸗ mündung auf einem im Bau begriffenen Kanu zum Entenanstand nieder. Im tiefsten Frieden lag vor uns das Dorf, eingebettet in verschiedenfarbiges Grün des Brotbaumeg, der Kokospalme und des Calophyllum inophyllum, beleuchtet von dem goldenen Licht der untergehenden Sonne und nur wenig belebt von dem anheimelnden Treiben seiner gufgestalteten Bewohner, deren Wesen auch nicht im geringften darauf schließen ließ, daß ein verständiger Curopäer mit ihnen nicht stets in gutem Einvernehmen leben könnte.
Am 24 Morgeng liefen wir in das Nusafahrwasser ein. Malaria⸗ untersuchungen wurden auf Neu⸗Mecklenburg sowohl wie auf der Insel Nusa gemacht, welche auch für diese Gebiete das endemische Vorhandensein der Malaria schon jetzt so gut wie sicher erscheinen lafssen. Ueber den von mir für die Regierungestation gewählten Bauxlatz sprach sich Herr Geheimer Rath Koch günstig aus. An dem provisorischen Unterkunftshause wurde von den Leuten des Händlers. Mac Shan bereitz eifrig gearbeitet. Nusa und Umgegend kamen für die Trepangfischerei als ganz mehr in Betracht. Zu unserer großen Freude und unserem Erstaunen brachte aber, als die Jungen von dem vor Anker liegenden „Johann Albrecht“ aus zum Baden ins Meer spiangen, eig als guter Taucher bekannter schwarzer Heijer in kurzer Zeit aus einer Tiefe von etwa 5 m vier riesige Exemplare von ‚Teatfisch'. Nach diesem Funde ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, daß in einiger Tiefe diese kostbaren Holotburien, deren Marktpreis zur Zeit in Singapore 150 Pfd. Sterl. pro Tonne beträgt, im ganzen, Nusafahrwasser in ziemlicher Menge vorhanden sind und ihr Vorkommen, nachdem es bekannt geworden, in nächster Zeit ausgebeutet werden wird. Von Nusa dampften wir an diesem Tage noch nach der kleinen Insel Kabotheron zum Besuche der beiden dortigen Stationen der Neu— Guinea Kompagnie und der Handels. und Plantagengesellschaft. Wir blieben daselbst mit Rücksicht auf eine schwere Eickraakung des europäischen Maschinisten, die eine nächtliche Weiterfahrt verbot, über Nacht vor Anker liegen. Das kleine Eiland Kabotheron scheint nach der vorgenommenen Kinderuntersuchun ebenfalls stark von Malaria verseucht zu sein. Hier bereiten au die Bodenverhältnisse den Meskftos eine besonders gute Brutstätte, da die Jnsel zum großen Tkeil aus mit schönen, hochstämmigen Mangroven bewachsenem Sumpse besteht.
Von Kaotheron erreichten wir am anderen Morgen Neu⸗ Hannover und gingen vor Anker in einer weiten Bucht an der Südwestküst', in welche sich ein kleiner Fluß, den die Eingeborenen Saula nennen, . Nachdem vir kaum das Land betreten hatten, prass lte ein heftiger Regenschauer auf uns nieder. Trotzdem sttzten wir unter Führung eines Pitschin Englisch sprechenden Samoaners den Weg in das Innere fort, bis wir nach halbstündigem Marsch meist durch sumpfiget, aber anscheinend fruchtbares Gebiet den Ort Lawangai er⸗ reichten. Hier fübrten uns die Eingeborenen in ein großes ‚Eßhaus“, wo wir den hefiigsten Regen abwarteten. In der geräumigen Hütte war ringözum an den Wänden, 11m hoch, ein Vorrath von Brenn— bol geschichtet und in der Mitte der Hütte ein großes Quadrat von faustgroßen Ste nen hergerichtet, welches als Herd diente Auf Be⸗ fragen erzählten uns die Emgeborenen, daß hier alle Weiber der Ort⸗ schaft gemeinsam für die sämmtlichen Dorfinsassen das Essen bereiteten. Es scheint demnach eine Art von Kommunismus zu herrschen. Auf unseren Wunsch. Steingeräthschaften einzuhandeln, erklärten die Insulaner, daß solche von ihnen nicht mehr gemacht und gebraucht würden. Nachdem ihnen aber Tahback in Aussicht gestellt war, brachten sie nach und nach aus Bafalt geschliffene Tlingen von Hohlbeilen (für Kanus) und Flachäxten, sämmtlich ohne Stiel. Die Steine lagen vermuthlich als nutzloses Ueberbleibsel der Voreltern vereinzelt in den Hütten umher, ohne daß die tzige Bevölkerung dieselben noch in Gebrauch nahm oder die Art ihrer Anfertigung kannte. Die Leute behaupteten nur, daß die Klingen in alter Zeit aus sehr großen Steinen gemacht seien. Zierliche Speere brachten sie in Menge zum Verkauf an und gaben gern für eine Stange Tahack einen schön verzierten Speer. Ein alter Knabe, dem ich är eine sehr schöne Hohlbeilllinge, vielleicht das Procukt
5 g, gab,
einer vierzehn täß igen schweren Arbeit, eine Stange Taback, Werth lachie mich für melne Dummheit gründlich aus.
Als der Himmel sich aufgehellt
raner anzuwerben.
abgefischt bisher nicht.
hatte, Iießen wir von allen Seiten die Kinder herbeiholen zur Milzuntersuchung und Ilun. entnahme. Hierbes gab es reichliche Geschenke an Tabac und erlen, sodaß uaser ernstes Geschäft bald sich zu einer Art von olksvergnügung gestaltete. Dutzende von Männern, Frauen und Kindern umlagerten unt, schrejend, lachend oder auch mit der ewigen feife im Munde ein nachtenkliches Gesicht machend, bis eine scherz= afte Zurede von unt oder das übermäßige Geschrei und Gestrampel eines Kindes auch ihre Ruhe aus dem Gleichgewicht brachte. Vas vorläufige Resultat der Untersuchung auf Malaria lie Gegend verhältnißmäßig gesund erscheinen., wofür au Kinderreichthum und das kräftige Ausseben der sprach. Die Männer, selbst die alten Samoaner, waren fast sämmtlich unbekleidet, und die Frauen, auch die zum theil sehr schön gebauten jungen Mädchen trugen nur Grasfaserläppchen. Wir fuhren Mittags noch eine Strecke den Fluß hinauf, etwa 2 km, bis daz Boot fortwährend auf dem steinigen Grund aufftieß. sammelte an dea Endpunkte unserer Bootsfahrt einiges Gestein, um es gelegentlich einem Geologen vorzulegen, da von Neu-Hannober schon seit längeren Jahren von Goldvorkommen erzählt wird. Pie gefundenen Steine, meistens wohl jüngeres Gruptiogestein, scheinen mir aber nicht viel Aussicht auf Goldfunde zu eröffnen.
Rach zweistündiger Weiterfahrt erreichte der „Johann Albrecht“ einen anderen guten Hafen, dem ein größerer Fluß, dessen Ein— geborenenname Bot ist, zuströmt. Auch hier war an der Küste kein Dorf. und wir mußten bis zur Erreichung eines solchen erst t Stunden bergauf wandern. Ein großer Theil des Wegeg führte duich einen stark ansteigenden Hang, der nur mit Gras und einzelnen Pandanusstämmen bewachsen war. Wie die Ein— geborenen uns erzählten, war hier früher dichter Busch, nach dessen Niederbrennung sehr großer Taro gewachten war. Daraus ist zu schließen, daß die vielen vom Schiffe aus an den Berghängen zu sehenden grünen Flächen kein unfruchtbares steiniges Land, sondern alte Kulturstätten sind, die zur Bepflanjung mit Kokospalmen wegen der geringen Räumungsarbeit sich besonders eignen würden. In dem von uns besuchten Borfe Asmin gab es nur wenig Kinder. Die Leute theilten un mit, daß die Kinder viel krank wären und klein stürben. Herr Gebeimer Rath Koch war auch nach dem Kinderbefunde der Ansicht, daß hier wahrscheinlich die Malaria sehr stark hause. Damit war die Hoffnung, die wir nach der Untersuchung der Kinder in Lawangai gehegt hatten, Neu-Han⸗ nooer sei möglicherweise malariafrei geschwunden. Gegen Abend ruderten wir bei wundervollem Wetter eine Stunde weit den Fluß hinauf Derselbe hatte im Unterlauf eine Breite von 20 bis 30 m und bot, auch nachdem wir einige Kilometer gefahren waren, immer noch gutes Fabrwasser. Am Ufer liegen Sagosümpfe, Taro und Zuckerrohrpflanzungen der Eingeborenen, und, wie man an der stellenweise hohen Uferböschung sehen konnte, besteht das Gelände aus schönem, fetten Lehmboden. An verschiedenen Stellen sahen wir Eingeborene, die uns einige Male am Ufer zu— traulich eine Strecke begleiteten und mit uns in Pitschin⸗Eaglisch eine Unterhandlung begannen. Während nach unserer Rückkehr von der
Visher. Insel zur Küste von Neu⸗Mecklenburg die Anwerbung bisher
erfolglos gewesen war, gelang es an diesem Tage, elf Neu Hannobe⸗ Die Leute gehen gern als Arbeiter in die
und Tritt begegnen einem auf der Insel das Pitschin ⸗ Englisch verstebende alte Arbeiter, die aller⸗ dings melstens äußerlich wieder in den ursprünglichen Zua— stand der Nacktheit zurückgekehrt sind und in ihr Kanakerdasein von ihren Weltreisen nur die allgemeine Kenntniß der Eurcpäer und ihrer Sitten sowie ein gewisses sicheres Auftreten im Verkehr mit Europäern hinübergerettet haben.
Am 27. Morgens fuhren wir die Küste von Nen ⸗ Hannover entlang weiter und ankerten dann gegen 2 Uhr ig der Marienbucht an der West⸗ seite der Insel Auf der ganzen Fahrt kennte ich feststellen, daß dem leicht gewellten und daher für Plantagenbau an sich jedenfalls geeigneten Beiglande, an dessen Abhängen vielfach Pflinzungen der Eingeborenen oder größere Grasflächen als Zeichen alter Kulturen sichibar waren, eine noch beinahe jungfräuliche Ebene, mit hohem Urwalde bestanden, vorgelagert ist. Als Wahrzeichen der Insel war weithin überall sichibar der spitzkegelförmige Berg Suislawa“. Nach dem Glauben der Eingeborenen ist er der Aufenthalt der Geister der abgeschiedenen Inselbewohner, die dort in großen Steinböblen wohnen, viel Geschrei wie junge Kinder und Hunde machen und Jeden, der den Berg be— steigt, tödten. Kokospalmen sind verhältnißmäßig wenig auf der Insel vorhanden. Doch fand ich am Lande häufiger junge Pflanzungen von Palmen. Einmal sah ich auch ein richtiges Pflanzbeer mit etwa zwei Dutzend Nüssen, die entgegen der allgemein in der Südsee ver⸗ breiteten Weise nicht an der Laft, sondern unter der Erde jum Keimen gebracht waren. In der Marienbucht kam ein früherer Herbertshöher Polizeisoldat im Kanu ans Schiff und ließ sich aufs neue anwerben. Dieser brachte ung alsdann auf einem sehr beschwerlichen Wege von einer Stunde die Küste entlang, bald über spitze Korallen, bald im knietiefen Seewasser hinführend, zu dem kleinen Orte Lipengen. Unterwegs kamen wir an einer stark fließenden eisigen Quelle vorbei, die aus einer Korallengrotte hervor⸗ strömt und nach der Mittheilung der Eingeborenen von welt her unterirdisch in einer Korallenböblung ihren Lauf hat. Die Höhlung war ju niedrig, um ein tieferes Eindringen zu gestatten. Aber, wie unser Führer uns erzählte, soll weiter nach Norden zu ein Flüßchen aus dem Korallenfelsen in das Meer einmünden, in dessen unter— irdischem Korallenbett man bequem gehen kann. Am Strande fanden wir viel rie sige Stmme von Calophyllum inophyllum und auch Barring- tonia speciosa. Von letzterem Baum wird der giftige Fru tkern von den Eingeborenen in zerriebenem Zustande zum Fiichfange binutzt. Lipengen ist nicht kinderreich. Es gelangten nach vielen Bemühungen nur jehn Kinder zur Untersuchung, dle anscheinend sammtlich an Malaria oder in Form von Milztumoren an den Folgen sort, wäbrender Malariaerkrankung litten. Gin alter Häuptling, der sich ju unserer Begrüßung einfand, redete uns sihr zu, auch seinen nach den Bergen ju gelegenen Ort zu besuchen. Leider mußten wir wegen Mangel an Zeit sein Anerbteten ablehnen, da wir den schlechten Weg bis zu unserem Boote nur bei hellem Cageslichte zurücklegen konnten. Auf dem Rückwege überraschte uns ein heftiger Regenguß, gegen den wir uns jedoch leidlich durch Ueberhängen der von den Eingeborenen er— worbenen Matten, welche auch diese bei ihren Wanderungen als Regendach benutzen, schützen konnten. Am anderen Morgen setzte der Johann Albrecht“ seine . mit Kurs auf die Sandwich - In ein fort. Es waren in der Marienbucht noch vier Leute zur Anwerbung gelangt.
Alles, was ich bei dieser Gelegenheit vön Neu⸗ Hannewder gesehen habe, hat mir die Ueberzeugung verschafft, daß diese Insel mit ihren zablreichen guten Ankerplätzen, mit ihren vielen immer fließenden Wasserläͤufen, ibrem prachtvollen Urwalde, ihren leicht ge⸗ welllen Bergen wohl nicht vulkanischer Bildung, inrem durchweg guten, wenig steinigen, humugreichen Lehmboden für ir pische land⸗= wirthschaftliche Anlagen aller Art ein besonders geeignetes Feld bieten wird. Bei näherer Forschung wird Neu, Hannover auch wohl bergbaulich sich als verwerthbar erweisen. Kurz, es ver— spricht, wie die Propinz Hannover eine Perle im Gebiete des Königreichs Preußen, ein Edelstein im Gebiete des deutschen Schutz, 3. der Südsee zu werden. Im Gegensatz zu der verbreiteten
nsicht machen mir die Eingeborenen von Neu Hannover einen sym⸗— pathischen, friedfertigen Eindruck. Wie sie selbft sagen, sind sie, wenn der Europäer ut ist, auch gut. In schlechten Ruf hat die se Leute hauptsächlich ein Händler von der Insel Kung gebracht, ein Mann, der wegen seiner rohen Ausschreitungen bekannt war, jetzt aber das Schuß⸗ gebiet verlassen hat Auf der Hauptinsel der Sand wichgruppe, welche für alle Firmen wie auch für das Gouvernement ein gutes Relru, tierungsfeld bildet, ließen sich noch acht Leute anwerben, sodaß das Gesammtergebniß der Anwerbungstour 48 Männer und 5 Weiber war. Aůußer Menschenmaterlal werden die steinigen Sandwich ⸗Inseln aber in Zukunft nicht viel liefern. Die Trepangauebeute wird nt mehr von langer Dauer sein, und bei dieser Gelegenheit überzeugten mich mehrfache Wanderungen auf der großen Insel Djaul, daß die, selbe ein nur mit einer verhältnißmäßig dünnen Und wenig fruchibaren
Ferne. Auf Schritt
gchmschicht bedeckter Korallensteck ist.
Be den kleineren Inseln tritt nalürlich die Koralle nech mebr in den Vordergrund. Auch Djaul sst an' heinend ein böser Malariaherd. Die un ersuchten Kinder, welche über das Säugl izggalter binaus waren, hatten fast sämmtlich eine vergrößerte Milz. Für mich war Fiese Reise besonderg lehrreich, da ich gelegentlich erselben die Arbeiteranwerbung in der Prax s lennen lenke und mich davon überzeugte, daß aus einem größeren Theile des Schutz ebiets die Eingeborenen wieder gern und leicht nach Kaiser Wilhelmt-⸗Land als Arbeiter gehen — Am 30. Mal Abends ging der Johann Albrecht“ wie der auf der Rhede von Herbertshöhe
vor Anker.
Großbritannien und Irland.
Die Königin hat, dem „W. T. B.“ zufolge, an den kommandierenden Offizier der britischen Marine⸗ Schutzwache in Peking folgendes Telegramm gerichtet:
„Ich danke Gott, daß Sie und Ihre Leute aus der gefahrvollen Lage hefteit sind. Mit meinem Volte habe ich mit größter Be— sorgniß auf gute Nachrichten von Ihrem Wobhlergeben und der glück⸗ lichen Beendigung Ihrer langen heroischen Vertheidigung gewartet. Ich beklage die Verluste und die Leiven, welche die Belagerten haben durchmachen müssen.“
Die Lords der Admiralität haben ebenfalls den die Marine⸗Schutzwache in Peking befehligenden Offizieren und den Offizieren der Marine⸗Brigade der Gatsatz⸗Kolonne tele⸗ graphisch ihre Glückwünsche ausgesprochen.
Frankreich.
Wie „W. T. B.“ berichtet, sind die Sitzungen der Generalräthe gestern in ganz Frankreich ohne Zwischenfall eröffnet worden; die meisten bisherigen Präsidenten wurden wiedergewählt. Mehrere Generalräthe beschlossen, Beglück⸗ wünschungsadressen an den Präsidenten Loubet und die Regierung zu richten. Einige sprachen ihre Sympathie für die in China kämpfenden französischen Truppen aus.
Rußland.
In einem gestern veröffentlichten Kaiserlichen Ukas ist, wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg gemeldet wird, die Ausfuhr von Waffen und Pulver nach China ver⸗— boten worden.
Rumänien.
Die „Agence Roumaine“ meldet, daß am Sonntag in Bukarest eine Kundgebung gegen das Verhalten der Bulgaren veranstaltet worden sei, an der sich alle Klassen der Bevölkerung, insgesammt etwa 30 000 Menschen, betheiligt hätten. In einer sich daran anschließenden Versammlung wurde eine Resolution angenommen, in welcher die Handlungsweise der Bulgaren verurtheilt und das energische Vorgehen der Regierung gebilligt wird.
Asien.
Von dem Zweiten Admiral des Kreuzer⸗Geschwaders ist, wie ‚W. T. B.“ meldet, folgende Nachricht aus Taku, vom 17. d. M., in Berlin eingetroffen: „Telegramme von der Front vom 13. August sagen, daß Peking am 15. werde angegriffen werden. Habe Brief von den Gesandten erhalten, datiert 10. August, wonach die Gesandtschaften wohl sind und Hilfsmittel für mehrere Tage haben. Am 16. ist ein Telegramm eingetroffen, daß Peking genommen sei. Von Pohl (Kommandant S. M. S. „Hansa“) keine neuen Nachrichten. Der Generalmajor von Höpfner telegraphiert: Drahtverbindung mit russischem Führer ist auf⸗ genommen worden. Habe einen Adjutanten zu ihm geschickt. Detachement ist voraussichtlich am 17. Abends in Tientsin versammelt, dann Eilmarsch nach Peking.“
Die japanische Gesandtschaft in Washington hat, wie dem „W. T. B.“ berichtet wird, folgendes Telegramm aus Tokio vom 19. August empfangen: Nach dem Einzug der verbündeten Truppen in Peking zogen sich die chinesischen Truppen nach dem Kaiserlichen Palast zurück und verblieben dort. Eine japanische Truppenabtheilung wurde dazu bestimmt, den Kaiserlichen Palast zu bewachen und traf dort auf heftigen Widerstand seitens der chinesischen Truppen. Der Kampf dauert noch fort. Das Hauptquartier der japanischen Armee befindet sich in der Gesandtschaft. Die japanische Division ist hauptsächlich in den Dörfern außerhalb Antingman, dem Thore, welches zur Tatarenstadt führt, ein⸗ quartiert.
Von chinesischer Seite ist, wie das „Reuter'sche Bureau“ erfährt, durch Li⸗Hung⸗Tschang das Gesuch an die Ver⸗ einigten Staaten gerichtet worden, dem amerikanischen Ge⸗ sandten Conger oder irgend einem anderen amerikanischen Beamten die Vollmacht zu ertheilen, Friedensverhandlungen einzuleiten und die endgültigen Bedingungen einer Regelung der jetzigen Wirren festzustellen. Der chinesische Gesandte Wutingfang habe dieses Gesuch dem Staats⸗Departement vorgelegt. Li⸗Hung-⸗Tschang erkläre sich dazu bereit, die Unterhandlungen an irgend einem den verbündeten Mächten erwünschten Orte zu führen. Man glaube, daß entweder Peking oder Tie ntsin dazu werde ausersehen werden. In dem Gesuch werde die Zurückziehung der Truppen nicht ver— langt, auch würden sonst keine besonderen Bedingungen gestellt.
Aus Schanghai vom gestrigen Tage meldet dasselbe Bureau: Nach Berichten aus amtlicher chinesischer Quelle seien noch drei hohe Beamte enthauptet worden, und . Hsü⸗tung, Präsident der Zivilverwaltung, Li⸗schan, Minister des Kaiserlichen Haushalts, und Yi⸗tien-yuan, Mitglied des Tsung⸗-li⸗Yamen. Die beiden genannten seien von stemdenfeindlicher Gesinnung, Mi⸗lien⸗huan dagegen ein Freund der Fremden gewesen. Der General hung⸗lu sei von dem Prinzen Tsching ge⸗ fangen genommen worden. Der Kaiser und die Kaiserin⸗ Wittwe hielten sich etwa 60 (engl) Meilen westlich von Peking auf und würden von dem Prinzen Tuan bewacht. Li-Hung⸗ Tschang werde sich alsbald nach Norden begeben.
Die „Times“ meldet aus Schanghai vom 20. d. M.: Vor kurzem von Schensi eingetroffene Missionare glauben, daß zwei Gründe die Kaiserin-Wiltwe veranlaßt hätten, den Hof nicht in Singanfu residieren zu lassen. Der erste Grund sei der Mangel an Wasser infolge . Dürre in jener Gegend, welcher den Transport von Mundvorrath verbiete. Der zweite Grund sei der, daß die ihrer Mehrzahl nach aus Muhamedanern bestehende Bevölkerung Schensis eine feindselige Stimmung gegen die Kaiserin⸗Wittwe zeige, haupisächlich aus Furcht vor den Truppen Tung⸗Fu⸗ Siang 's. Die im Süden befindlichen Beamten hätten die Kaiserin in diesem Sinne gewarnt.
fin Schanghai eingetroffenen Nachrichten aus amtlicher hinessscher Quelle zufolge wäre Li⸗ping-⸗heng am 10. 8. M. m Gefechte verwundet worden und am 12. d. M. gestorben.
Erst⸗
Die Ausschiffung der britischen Truppen hat, wie das „Reuter'sche Bureau“ berichtet, in Schanghai keinerlei Erregung unter den Eingeborenen hervorgerufen; etwa 100 Mann französischer Truppen sind ebenfalls gelandet worden. — Es heißt, daß ein Kreuzer der Zollbehörde nach Tientsin gehen werde, um die in Peking Befreiten an Bord zu nehmen.
Die „Daily Mail“ meldet aus Yokohama vom 20. August, daß ein japanisches Kriegsschiff von Yoko⸗ hama abgegangen sei, um Truppen zum Schutze der in Schanghai wohnenden Japaner zu landen.
Aus St. Petersburg wird dem „W. T. B.“ gemeldet, der General Orlow berichte in einem gestern bei dem russischen Generalstab eingegangenen Telegramm, daß am 14. August die Kosaken⸗Brigade von Dscharmete aus mit einem weiteren Kosaken⸗Regiment und einer Batterie nach heftigem Kampfe mit 700 Mann feindlicher Truppen den Paß von Jakschi eingenommen und noch in der Nacht den Vormarsch fortgesetzt habe. Am 15. August Morgens hätten die Truppen Menduche , Der russische Verlust habe 3 Todte und 9 Verwundete
etragen.
Afrika.
Der Gouverneur der Kapkolonie Sir Alfred Milner hat, dem „Reuter'schen Bureau“ zufolge, einer Abordnung von geflohenen Uitlanders mitgetheilt, daß es für sie unmöglich sei, vor der Beendigung des Krieges nach Trans⸗ vaal zurückzukehren.
emselben Bureau wird aus Kapstadt berichtet, daß de Wet und Delarey am Sonntag 20 Meilen von Pre⸗ toria aufgetaucht und in der Richtung über Hebron hinaus weiter gegangen seien.
Der Feldmarschall Lord Roberts meldet aus Pretoria vom 20. August: Die Kolonne des Generals Hamiiton 66 am 17. August Olifantsnek in den Magalies⸗Bergen besetzt. Auf britischer Seite seien drei Mann verwundet worden. Der General Hamilton habe zwei Geschützwagen, einen Munitiong⸗ wagen und ., Transportwagen erbeutet. Seine Avantgarde unter dem General Mahon habe am 19. d. M. den ganzen Tag mit dem Feinde bei den Roodekopjes, westlich vom Krokodil⸗Flusse, gekämpft, sieben Buren gefangen genommen und zwei Wagen erbeutet. — Der General Rundle melde aus Harrismith, daß sich in diesem Distrikt bis zum 19. August 684 Buren ergeben hätten.
Das britische Kriegsamt theilt mit, daß die Worte in der gestern mitgetheilten Meldung des Generals Clery aus Greylingstad vom 18. August „eighty boers surprised ete.“ vielleicht gelesen werden könnten: 80 Buren sind in der Nähe von Doornkop von einem Kapitän mit 20 Dragonern über⸗ rascht worden.
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Die seitens der auf den Berliner Holj⸗- und Kohlenplätzen thätigen Arbeiter den Arbeitgebern unterbreiteten Forderungen (vergl. Nr. 195 d. Bl.) sind, wie die ‚Voss. Ztg. berichtet, größten theilt nicht bewilligt, und ist daher der allgemeine Ausstand verkündet worden. Verhandlungen mit der Lohnkommission des Vereins der Verkehrs. und Transportarbeiter, welche die Leitung des Auestandes in die Hand genommen hat, sind von dem Verbande der Kohlenhändler abgelehnt worden, feder der letzteren ist aber bereit, mit seinen eigenen Leuten in Unterhandlungen einzutreten.
In einer Gewerkschaftsversammlung der aussländigen Messer⸗ schläger Solingens (vergl. Nr. 183 d. Bl.) wurde, der ‚Rh⸗ Westf. Ztg.‘ zufolge, beschlossen, die Arbeit wieder aufzunehmen, wenn die alten Preise hestehen bleiben, das neue Preisverzeichniß innerhalb 14 Tagen nach Wiederaufnahme der Arbeit hergestellt ist und rück⸗ wirkende Kraft hat und keine Moßregelungen statifinden. Die vei⸗ langte Lohnerhöbung beträgt 41 — 2160
In Hamburg sind, nach einer Mittheilung der Hamb. Börs.“ H.“, gestern die organisterten Schauerleute in den Ausstand ge— sreten. Sie fordern 50 5 Lohnerhöhung für den Tag. Auch die Schiffstischler der dortigen Werft von Blohm und Voß (etwa 300 an der Zahl) haben, wegen Maßregelung anderer Tischlerei⸗ Arbeiter, die Arbeit niedergelegt. (Vergl Nr. 195 d. BI.)
Kunst und Wissenschaft.
Große Berliner Kunstausstellung 1900.
III. Malerei.“)
LK. — Ein merkwürdigetz Schauspiel bietet die Entwickelung der modernen niederländischen Malerei: In Belgien wie in Holland begegnet uns eine auf der Jahrhunderte alten Tradition fußende, hochausgeblldete Technik, die namentlich durch kraftvolle Farbengebung vocibeilbaft sich auszeichnet; aber in beiden Lindern glauben wir eine feinere Organisation des tünstlerischen Intellekis und des von der rein handwerklichen Routine losgelösten Geschmacks zu vermissen. Bald zeigt sich dieser Mangel in der inhaltlichen Leere der Bilder, bald im Ungeschick der Komposition, im Verfehlen des Formats, in der unzulänglichen Ausbildung des Raumsinns u. a. Gewiß giebt es in Belaten und in Holland eine ganze Anjahl bedeutender Künstler, deren Werke einen solchen generellen Borwurf Lügen strafen — und deren begegnen uns auch einige auf der dies jährigen Ausstellung —; aber das Merkwürdige ist, daß die Technik dieser Haupimeister des allgemeine Niveau kaum merklich überragt, ia manchmal sogar darunter bleibt. Wie prächtig wirken z. B. — rein vom tech⸗ nischen Standpunkt aus betrachtet — dle großen Stillleben von Christoffle Bisschop (121) und Sophie Mesdag⸗ van Houten (872)! Man L(laubt einen Uebeischuß an Kraft hier auf eine Aufgabe verwandt, die innerlich kalt läßt. Nicht, daß daz Still⸗ leben an sich als untergeordneter Vorwurf erschiene, nur das Kolossale det Foemastz, die Ausdringlichkeit und Plumpheit berührt unerquicklich. Aehnlich ergeht es dem Beschauer mit der Abfahrt. von Bernardu Johannes Blommers (1285: Hier ist die ganz: Fein heit moderner Technik aufgegeben. um die seedunstgeschwängerte Atmosphäre des holländischen Küstenstrichs, die alles mit einem sülbrigen Schleier umgiebt, wiederzugeben; die plun pen Massen des Vorder. grundes — Halbfiguren über Leben größe — machen die Illusion zu schanden. Der sehr anfechtbare Lehrsatz, daß jeder willkürliche Ausschnimt der gesehenen Natur schon ein Bild gebe, hat in Blommers einen allzu⸗ eifrigen Anhänger gefunden. Ein ferneres Beisplel für das wahllose Drauflosmalen bietet Bigschop's Damenbildniß (19), das namentlich jeden Sinn für künstlerische Raumdisposition, ver missen läßt. Wie durch einen Zafall gelingt demselben Maler in dem Bildniß des Fürsten zu Wied (118) dann wieder eine feine Charakteristik, wenn er auch nicht die Höbe erreicht, auf der unter den holländischen Bildnißmalern in der diesjährigen Ausstellung Therese Schwartze allein stebt. Der tiefe Eindruck ibres weib. lichen Porträts, dessen scharfe Charakteristik von Malerinnen wohl nur Olga von Bojnan ska übertreffen könnte, wind w gestort durch das gewaltsame, zeichnerisch nicht ganz gelungene Motiv des linken Armes, den die dargestellte Dame hinter dem Rücken in das Gelenk dez andern gelegt hat, sodaß die Hand am rechten Kontur der Gestalt wieder zum Vorschein kommt.
= Vergl. d. Nrn. 107 131 u. I6b.
Sehr vortheilbaft präsentiert sich die bolländische Landschafts. malerei in den breit und körnig gemalten Hasenbildern von Hendrik Willem Jansen (604, 605), der sih eine hervorragende Stellung nter den Landschaftern feiner Himath errungen hat. Auch die große Herbststimmung von Charles Paul Gruppe (433) uad die Sand- düne von W. B. Tholen (1253) verdienen uneingeschränkte An⸗ erkennung. Sehr echt wirkt der Regentag! von N. van der Waag (1272), der jn einer Balletiseene (12717 zugleich eine Probe von meisterlicher Beherrschung des Interteurtong und glückliche: Gewa dt⸗ beit der Anordnung ablegt. Daß die Mrinen von Hendrik Willem Mesdag (869, 870), wie immer, ju den Perlen der Ausstellung gehören, bedarf kaum der Erwähnung. Insbesondere die Morgenstimmung vom Strand zu Scheveningen ist ein Meifterstäck stummer Porsie. Daz Brüten eines dunstigen, warmen Sommer morgens auf dem glatten Meeresspieg'l, der nur durch wenige Segelboote belebt ist, wirkt überraschend echt und stimmungsvoll.
Von belgischen Malern maß in diesen Jabre Emile Wauters an erster Sielle genannt werden, dessen großes Historienbild im Ehren saal bereits gewürdigt wurde. Gine Sonderausstellung von etwa zwaazig Blliern 2iebt ein überraschendes Bild von der Vielseitigkeit und Vornehmheit dieses reichen Talentß. Zwar werden die Porträts seiner Hand wohl stets zuerst genannt werden, wenn es, gilt, Wauter's Bedeutung abzuschätzen, aber auch zahl⸗ reiche Veduten aus Tanger sowie Altstudien und anderes fesseln den Beschauer immer wieder durch die feinsianige Eleganz der Auffassung und Technik. Wauters ist eine in sich abge⸗ schlossene Künstlerpersönlichkeit, deren Entwickelung wohl als beendet gelten kann. Uater den auggestellten Bildniffen darf dag des Direktors der Bangue Nationale in Brüssel (1385) wohl als das bedeutendste gelten. Vie Vornehmhelt, die über die Gestalten von Wauters ausgebreitet ist, wird nicht erkauft durch Gleichgültigkeit des Augdrucks, vielmehr pulsiert in allen unmütelbares Leben. Feische Uanbefangenheit der Auffassun vereint sich rait subtiler Technik, wo diese am Platze ist. Aber auch zu breiterem Vortrag vermag ihn gelegentlich der Gegenstand zu in⸗ spirieren, wie jz. B. in dem Kniestück der „gefangenen Zigeunerin“ (1385). Scharfe Charakterköpfe (1387) gelingen ihm ebenso wie elegante Salonschönheiten (1386). Die Vi tuosität des Könneng drängt sich nirgends störend hervor; geistige Beweglichkeit dominiert in diesen Bildern.
Carl Jacoby's Cyelus von Darstellungen des Gleich⸗ nisses vom verlorenen Sohn (601) ist eine technisch solide, in Einzelbeiten glänzende Leistung, di aber unser Em⸗ pfinden nicht tiefer berührt. Auch die zierlichen, farben⸗ frischen Arbeiten von Edgard Farasyn (353 — 357) lassen innerlich kalt; dasselbe gilt von den Bildern des Anrwerveners P. J. Die rckæ (291, 292) und Franz van Leemputten's (1273, 1274), denen be⸗ deutende malerische Qualitäten nicht abjusprechen sind. In die mystisch ⸗ archaisierende Formenwelt von J. Leem poels (732 - 734) und E van Hove's (1269) vermag sich nur hineinzusehen, wer den Blick gegen die moderne Malerct ei enwillig verschließt; jeder Aadere wird die einer Grille geoprerte, nicht unbeträchtliche Künstlerkraft bedauern. Bedeutender wirken die leise prärophaelitisch angehauchten Bilder von W. S. van Strydonck (1275, 1276), der auch ein kräftig charakterisiertes Bildniß des Brüsseler Bilnbauers van der Stappen (1277) ausgestellt hat. Von belgischen Landschaftsmalern sind außer Franz Courtens, der seinen Hiupttrumpf mit einem herbstlich durchleuchteten Waldinterieur (260) ausspielt, noch Bictor Gilsoul (41l0— 412) und der geniale Marinemaler Adrien Le Majeur (742, 743) hervorzuheben.
Aus Speyer, vom 18. Auzust, wird der Mänchener „Allg. Ztg.“ berichtet: Bei den Arbeiten zur Eröffnung der Kaiser⸗ gräber im hiesi en Dom traf man unvermuthet in der Tiefe von nur 58 em unter dem jetzigen Pflaster auf ein in Ziegelmaner werk hergestelltes, mit einer Sandsteinplatte bedeckies Grab, das einen früber schon geöffneten Bleisarg enthielt. Dieser barg in der ursprünglichen Lage ihrer Bestatung die Leiche einer sehr vornehmen weltlichen Prsen. Diese war in ihrer ganzen Länge mit einem Mantel aus Seide, besetzt mit ornamentierten Goldborten, überdeckt, und — sowelt sich bis jötzt feststellen lies — bekleidet mit Wamms, Hosen, Schuhen und an diesen Eisensporne. Die Knochen sind, mit Ausnahme des Schädels, unter dem Einfluß der Oxydation des Blei⸗ sarges ganz vermorscht. Form und Dekoration der Beigaben ge— statten, die ursprüngliche Beisetzung der Leiche für die Frühzeit des 13. Jahrhunderts anzunehmen. Ob man es mit der Leiche eines Kaisers zu thun hat, was sehr wahrscheinlich ist, wird die fort- schreitende Untersuchung feststellen.“
Land⸗ und Forstwirthschaft. Saatenstand und Ernte in Oesterreich.
Der Bericht des österreichischen Ackerbau Ministeriums über den Stand der Saaten und die Ernte um die Mitte des Monats August besagt, der Wiener Ztg.“ zufolge: Kühlen, regnerischen Tagen in der erstea Juli Hälfte folgte zu Mitte dieses Monats heiße, trockene Witterung, welche! bis zu Anfang August andauerfe. In dieser Zeit stieg die Temperatur successive sehr hoch, und es ersolgten nur geringe Niederschläge, sodaß sich bereits in pielen Gebieten graße Trockenbeit des Bodens und Wassermangel im allgemeinen empfindlich füblbar machten. An⸗ fangs August trat fast überall ein Wetterunnschlag ein, welcher viel fach Gewitterregen, in Oberösterreich, Böhmen und Mähren auch Hagelschläge brachte und von einer erheblichen Temveraturs. abnahme begleitet war. Seit dieser Zeit berrschte in der mittleren und östlichen Länderzone bis in die leßten Taze der Berichte periede kühle, regnerische Witterung. In Galizien haben Die bereits in dem letzten Berichte gemeldeten Hochwässer um die Mitte Juli in den Fluß- gebieten durch Verschlämmung großer Landstriche bedeutenden Schaden verursacht. Die während der zweiten Jalt ⸗ Hälfte herrschende Trocken heit und Hitze brachte die Halmfrüchte rasch zur Reife, sodaß die⸗ selben in vielen Gebieten fast gleichzeitig schnittreif wurden. Ueber Nothreife wird vielfach geklagt. Die Stroberträgnisse der Halm- früchte haben in den meisten Ländern den Giwartungen wenig ent⸗ sprochen und lassen namentlich in Galisien viel zu wünschen übria. Das noch im Monat Juli gescknittene Getreide — vornehm⸗ lich Roggen — konnte infolge des gänstigen Erntewetters fast aus- nabmẽslos gut eingebracht werden. Die Ernte des Roggens ist nun, mit Ausnahme . Lagen, nahezu üderall beendet und bat quanti-. tativ nicht befriedigt, zumal fast allenthalben der Stand schütter und die Achten schartig waren. In Böhmen, Mähren, Schlesien und Galizien dürfte der Ernte Ausfall durchschnittlich ein Drit el des vor⸗ jährigen Ergebnisses betragen; in Nieder. und Oberösterreiz war der Körnerertrag etwas besser, doch wurde das Ergebniß des Vorjahres nicht erreicht. Die verhältnißmaäßig günstigsten Erträgnsse an Roggen wurden in den Alpenländern erzelt, erhoben sich aber auch da nicht über das Mittelmaß. Die Körnerschüttuag ergab nach den Probe- drurchen ein ziemlich günstiges Resultat. Uieferte jedoch auch vieltach ein qualitatio minderwertbiges Produkt. An Strrh ist durchweg gegenüber dem Vorjahr ein Ausfall zu verzeichnen. Der Weizen ist in Tieflagen zumeist apgerrntet und dat der größteatheils guter Qualität in Niederösterreich, Oberösterreich und in den Apen ländern mittlere und zufriedenslellende Gꝛträge elrerert; bloß in Mähen und Böhmen ist gezenüäber dein Bor- jahr ein Auzsall zu verzeichnen. In den Omldndern, in welch n der Weizen unter der LIngandauernden Därre viel gelitten datt konnte das Ernteresultat nicht befriedigen und dürfte dem des Vorjnibreg ar« heblich nochstehen. Die Gerfte ist in Nieder und Qberdrterresch und in den Oftländern, insoweit sie noch im Jalt jun Schnett gelangte, ünstiz eiggebrecht worden; in den übrigen Ländeen wurde die En durch Regenwenler um teil dern und Mebt nech viel von dieser Frucht auf dem D m. Bez lich den quantitativen Grträgnisser man in Ni ders sterreich. Oder
oͤsterreich und in den Apenläadern llemlich xufrieden,