1900 / 272 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Nov 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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M 272.

Berlin, Mittwoch, den 14. November, Abends.

19G.

Berlin, den 14. November.

Heute Mittag um 12 Uhr fand die feierliche Eröffnung des durch Kaiserliche Verordnung vom 16. Oktober d. J. ein⸗ berufenen Reichstages im Rittersaale des Königlichen Schloffes durch Seine Majestät den Kaiser statt.

Der Eröffnung ging ein Gottesdienst vorher, und zwar für die Mitglieder der evangelischen Kirche um 11 Uhr in der Dom⸗Interimskirche (Monbijou), wo der Hofprediger Ohly unter Zugrundelegung des Textes Röm. 1, 16 die Predigt hielt. Für die Mitglieder der katholischen Kirche wurde um Ilia Uhr in der St. Hedwigskirche von dem Propst Neuber eine Segensandacht gehalten.

Nach der kirchlichen Feier versammelten sich die Ab⸗ geordneten zum Reichstage im Nittersaal und nahmen daselbst dem Thron gegenüber Ausstellung. Wegen des beschränkten Raumes in diesem Saale war von der sonst üblichen Ein⸗ ladung der Generalität, der Wirklichen Geheimen Räthe und des diplomatischen Korps abgesehen, auch waren keine Zu⸗ schauer zugelassen worden.

Sobald die. Abgeordneten zum Reichstage versammelt waren, traten die Bevollmächtigten zum Bundesrath in den Rittersagl ein und stellten sich links vom Thron auf—

Auf die Meldung des Reichskan lers Grafen von Bülow begaben Sich Seine Majestät der Kaiser unter großem Vortritt und in Begleitung der hier anwesenden Prinzen des König⸗ lichen Hauses sowie der Mitglieder deutscher Fürstenhäuser in den Rittersaal, wurden beim Eintritt von der Versammlung mit dreimaligem Hoch empfangen, welches der Präsident des Reichstages, Graf von Ballestrem ausbrachte, und nahmen vor dem Thron Stellung. Die Königlichen Prinzen und dle Mitglieder der deutschen Fürslenhäuser schlossen sich rechts vom Thron an.

Hierauf geruhten Seine Majestät, aus der Hand des Reichskanzlers Grafen von Bülow die Thronrede entgegen⸗ zunehmen und, das Haupt mit dem Helm bedeckt, wie solgt, zu verlesen:

Geehrte Herren!

Nachdem Ich Sie zu erneutem Wirken im Dienste des Gemeinwohls berufen habe, entbiete Ich Ihnen namens der verbündeten Regierungen Gruß und Willkommen.

Die Ereignisse im fernen Osten haben unter allen gesitteten Völkern der Ecde tiefe Erregung hervorgerufen. Fanatischer Haß und finsterer Aberglaube, angestachelt von gewissenlosen Rathgebern des Pekinger Hofes, hatten mißleitete Massen des chinesischen Volkes zu Greuelthaten getrieben gegen die friedlich unter ihnen weilenden Vorposten abendländischer Zivllisation und christlicher Kultur. Bei dem muthig unter⸗ nommenen Versuche, die aufziehende Gefahr zu beschwören, starb Mein Gesandter von meuchlerischer Hand. Die Fremden in der Hauptstadt sahen sich an Leib und Leben bedroht. Aber die Schreckensbotschaft einte, was sonst getrennt. Alle Nationen, gegen die sich der unerhörte Angriff richtete, schlossen sich eng zusammen, und einmüthig kämpften Schulter an Schulter ihre Söhne. Und wie die Feldzeichen draußen gemeinsam wehen, so zeigen sich die Regierungen in ihren Berathungen von dem einstimmigen Wunsche beseelt, möglichst bald wieder geordnete Zustände herbeizuführen und nach Bestrafung der Haupt⸗ schuldigen der Wiederkehr solcher Störung des Weltfriedens für die Zukunft vorzubeugen.

. Gern hätte Ich auf bie Kunde von dem Ausbruche der Wirren in China alsbald die Volksvertretung um Mich ver⸗ lammelt. Wie das deutsche Volk mit seinen Fürsten die Aus— fahrt der freiwillig zu den Fahnen geeilten wehrhaften Jugend und ihrer Führer mit Kundgebungen freudigen Stolzes und . uthiger Zuversicht begleitete, einer Zuversicht, die seither durch das Verhalten unserer Krieger vor dem Vaterlande wie bor dem Auslande voll gerechtfertigt ist, so würde gewiß auch die Volk vertretung mit patriotischer Eatschlossenheit für die zu eigreifenden Maßregeln eingetreten sein und hierdurch deren Wucht gesteigert haben. Aber während nur das Eine sicher har, daß ohne Zögern gehandelt werden mußte, war die Grundlage für die zu fassenden Beschlüsse, sumal bei der Unsicherheit des Nachrichtendienstes, shmankend, standen demgemäß die uns erwachsenden wufgaben noch keineswegs fest, und entzog sich damit das Maß der nothwendigen Aufwendungen einer finanziellen ochätzung. Wenn hiernach davon abgesehen worden ist, den eich tag zu einer außerordentlichen Sitzung behufs ver⸗ susungsmaßigen Beschlusses über den Kostenaufwand zu be— ö . so hegen doch die verbündeten Regierungen das Ver— nnen, daß die Volksvertretung den unvermeidlich gewordenen

Ausgaben ihre nachträgliche Zustimmung nicht versagen werde. Galt es doch, nicht nur schwer bedrohte deutsche Interessen zu schützen, sondern auch die Ehre des deutschen Namens ohne Verzug zu wahren.

Gegenwärtig läßt sich der durch das ostasiatische Unter⸗ nehmen verursachte Aufwand für das laufende Rechnungsjahr übersehen; er bildet den Gegenstand einer besonderen Kredit— vorlage, die Ihnen sofort zugehen wird.

In dem Entwurfe zum Reichshaushalts-Etat haben, dank dem natürlichen Steigen der Einnahmen und den vom Reichs⸗ tage in der vorigen Tagung beschlossenen Steuererhö)ungen, für fast alle Zweige der Reichsthätigkeit reichere Mittel angesetzt werden können, insbesondere zu Zwecken der Fürsorge für die Arbeiter und der Landesvertheidigung.

Ein Zolltarifgesetz ist soweit vorbereitet, daß die Vorlage des Entwurfs an den Bundesrath im Laufe des Winters zu erwarten ist.

Nächst den in der vorigen Tagung nicht verabschiedeten Entwürfen einer Seemannsordnung und der damit in Zu⸗ sammenhang stehenden Gesetze, werden neue Vorlagen Sie be⸗— schäftigen, durch welche einerseits eine einheitliche Gestaltung der öffentlich⸗rechtlichen Seite des Privatversicherungswesens herbeigeführt, andererseits die Reichsgesetzgebung über das Urheberrecht mit der fortgeschrittenen Rechtsentwickelung in Einklang gebracht werden soll.

Vorbereitet wird eine durch die Neugestaltung der Unfall⸗ versicherungsgesetze hedingte Abänderung der Vorschriften über die Unfallfürsorge für Beamte und Personen des Soldaten— standes sowie eine Vorlage, welche die Vorschriften über den Verkehr mit Wein zu verbessern bezweckt.

Die Beziehungen des Reichs zu allen auswärtigen Mächten sind fortdauernd gut und freundlich. Mit Wehmuth gedenke Ich Meines Verbündeten und theuren Freundes, des Königs Humbert, welcher in seinem Königlichen Beruf als Opfer eines fluchwürdigen Anschlagz fiel.

Auf der Weltausstellung zu Paris, wo das Nachbarland dem friedlichen Wettstreite der Völker eine gastliche Stätte be— reitet hatte, ist deutschem Fleiße und deutscher Kunstfertigkeit reiche Anerkennung zu theil geworden. Dieser Erfolg, den Sie gewiß mit Mir freudig begrüßen, wird der nationalen Arbeit auf allen Gebieten ein Sporn zu neuen Anstrengungen und immer größeren Leistungen sein.

Möchten die Berathungen, denen Sie Sich, geehrte Herren, im Einvernehmen mit den verbündeten Regierungen widmen wollen, unter dem Beistande der göttlichen Gnade dem theuren Vaterlande zum Segen gereichen!

Nach Verlesung der Thronrede trat der Reichskanzler vor den Thron und erklärte den Reichstag für eröffnet.

Seine Majestät der Kaiser verließen hierauf unter erneutem, von dem Königlich bayerischen Bevollmächtigten zum Bundesrath, Grafen von Lerchenfeld⸗Köfering ausgebrachtem Hoch in Begleitung der Prinzen, nach allen Seiten huldvoll grüßend, den Saal.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

dem Amtsgerichtsrath Lilienthal zu gon gehen i. Pr. den Rothen Adler-Orden dritter Klasse mit der Schleife,

dem Oberpfarrer und Superintendenten Hundt zu Kalbe a. S., dem Leiter einer privaten Lehrerinnen⸗Bildungt⸗ anstalt Dr. phil. Nis le zu Breslau, dem Apothekenbesitzer Karl Exner zu Oppeln, dem Bürgermeister a. D. Franz Lenders zu Großkönigsdorf im Laändkreise Köln und dem Forstkassen⸗Rendanten, Rechnungsrath Mitsdoerffer zu Kleve den Rothen Adler-Orden vierter Klasse,

dem Kirchenältesten, Gutsbesitzer Emil Schmidt zu Fuchsschwanz im Landkeeise Bromberg, dem Amtevorsteher und ut besißer Franz Peters, dem bisherigen Gutsbesitzer Gottfried Hohmann, beide zu Dornbock im greife Kalbe, dem Hauptlehrer 4. D. Biermann zu Fuchsberg im Land⸗ kreise Königsberg i., Pr., dem Xylographen bei der Reiche⸗ druckerei Joseph Reinhart und dem Eisenbahn⸗Betriebs⸗ Sekretär a. D. Rieß zu Allenstein den Königlichen Kronen— Orden vierter fn,

dem Forstmeister von Hövel zu Grimnitz im Kreise Angermünde das Kreuz der Ritter des Königlichen Haus⸗ Ordens von Hohenzollern,

den emerstierten Lehrern Brzoska zu Thalheim im Kreise Neidenburg, Kötzing zu n, im Landkreise Königs⸗ berg i. Pr., Kruger zu Poschloschen im Kreise Pr-Eylau,

Lindner zu Königsberg i. Pr, bisher zu Reichertswalde im Kreise Mohrungen, Stritzel zu Kaltwangen im Kreise Nasten⸗ burg, Feßner zu Kremitlen im Kreise Wehlan und Venohr zu Korkehnen im Keeise Fischhausen den Adler der Jahaber des Königlichen Haus-Ordens von Hohenzollern, sowie

dem Kirchenältesten, Käthner Karl Krüger zu Lochowice im Landkreise Bromberg, dem Gerichtsdiener a. D. Wilhelm Wilke zu Koblenz, bisher in Elberfeld, den Strafanstaltt⸗ Aufsehern 4. D. Göhlmann und Schumann zu Görlitz un? dem Hilfs-Polizeidiener Dick zu Holzhausen im Land⸗ kreise Solingen das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen.

Dentsches Reich. Dem Kaiserlichen General-Konsul von Hartmann in

Barcelona ist auf Grund des 8 1 des Gesetzes vom 4. Mai 1870 für seinen Amtsbeirk die Ermächtigung ertheilt worden, bürgerlich gültige Ehe schließungen von Reichs angehörigen vor⸗ zunehmen und die Geburten, Heirathen und Sterbefälle von solchen zu beurkunden.

Ver ordnung,

betreffend die Rechtsverhältnisse in den deutschen Schutzgebieten.

Vom 9. November 1900.

Wir. Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Namen des Reichs, was folgt: 8 1 Das Gesetz, betreffend Aenderungen des Gesetzes über die Rechtsverhälinisse der deutschen Schußgebiete (Reichs⸗Gesetzbl. 1888 S, 75, Reichs-Gesetzbl. 1899 S. 365), vom 25 Juli 1506 (Reichs-Gesetzbl, S. 809) tritt in den Schutzgebieten am 1. Ja⸗ nuar 1901 in Kraft. 8 2. Den Eingeborenen merden im Sinne des § 4 und des 3 7 Abs. 3 des Schutzgebietsgesetzes die Angehörigen fremder farbiger Stämme gleichgestellt, soweit nicht der 8 (Landeshauptmann) mit Genehmigung des Reichskanzlers Aus⸗ nahmen bestimmt. Japaner gelten nicht als Angehörige farbiger Stämme. ; 8 *

Die im s 19 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbar⸗ keit vom 7. April 1909 Geichs⸗Gesetzbl. S. 213) bezeichneten, dem bürgerlichen Rechte angehörenden Vorschriften bleiben außer Anwendung, soweit sie die Rechte an Grundstücken, das Becgwerkseigenthum sowie die sonstigen Berechtigungen betreffen, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vor— schriften gelten. Soweit diese Verhältnisse noch nicht durch Kaiserliche Verordnung geregelt sind, ist der Reichskanzler und mit dessen Genehmigung der Gouverneur (Landeshauptmann) bis auf weiteres befugt, die erforderlichen Bestimmungen zu treffen.

8 4.

Die Vorschriften der Gesetze über den Schutz von Werken der Literatur und Kunst, von Photographien, von Erfindungen, von Mustern und Modellen, von Gebrauchsmustern und von Waarenbezeichnungea finden Anwendung.

85.

In Strafsachen tritt, sonnn es sich um Verbrechen oder Vergehen handelt, die Mitwirkung einer Staats anwaltschaft bei der Hauptverhandlung in erster Instanz, bei der Ein⸗ legung von Rechtsmitteln und bei dem Verfahren in zweiter Instanz ein.

Der Staatsanwalt wird von dem Gouvernegr (Landes- hauptmann), in dem Inselgebiete der Karolinen, Palau und Marianen von dem durch den Gouverneur zu bestimmenden Beamten bestellt. Die Auswahl erfolgt aus der Zahl der Beamten des Schutzgebiets. Sofern dies nicht ausführbar ist, können andere geeignete Personen als Staatsanwälte be⸗ stellt werden. Der Staatsanwalt untersteht der Aufsicht und Leitung desjenigen Beamten, welcher ihn bestellt hat.

Soweit der Staatsanwalt zuständig ist, bleiben die Vor— schriften des Z 65 und des 8 71 Abs. 2 Satz L des Gesetzes über die Konsulargerichts har kit außer Anwendung.

In Strafsachen findet die Hauptverhandlung ohne die Zu⸗ ziehung von Beisitzern statt, wenn der Beschluß über die Er⸗ öffnung des Hauptverfahrens eine Handlung zum Gegenstande hat, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte oder zu den in den 88 74, 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Vergehen gehört. .

Dlese Vorschrift findet für das Schutzgebiet von Kiautschou keine Anwendung. 6

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Die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwur⸗ gerichte gehörenden Sachen wird den Gerichten erster Instanz übertragen. Für diese Sachen finden die Vorschriften An—

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