1900 / 281 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 26 Nov 1900 18:00:01 GMT) scan diff

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begangen hat. Die 153 Millionen ⸗Forderung für die China⸗ Grpedition und die 12 000 verletzen beide die Verfassung. Dort ift eine große Ausgabe gemacht worden, die der Reichstag hätte vorher bewilligen sollen, hier hat man eine kleine Einnahme ge— macht, die man nicht hätte annehmen sollen, ohne daß der Reichstag sie vorher genehmigt hätte. Man würde sich geschämt haben, sie in den Etat zu bringen, und damit ist schon dargethan, daß eK sich um

einen bösen Fehler handelt. Man hätte das Geld Herrn Bucck so⸗

fort mit Dank zurückerstatten sollen, man hätte den Fiskus ersuchen sollen, es auf Grund des Allgemeinen Landrechts als Geld zu unerlaubten Zwecken einfach einzuziehen. Augenscheinlich hat man in einem der höchsten Reichtämter die Tragweite der Sache nicht über⸗ sehen. Das ist höchst bedauerlich. Besser wäre es gewesen, die be⸗ treffenden Arbeitgeber hätten die 12 000 A6 zur Aufbesserung der Lage ihrer Arbeiter verwandt. Ich möchte den Reichskanzler bitten, uns außer dem gegebenen Versprechen noch zu fagen, welche Vorkehrungen er für die Zukunft treffen will. Wenn diese Erklärung erfolgte, so würde ich ebenso zufrieden sein, wie mein Vorredner. .

Abg. Dr. von Levetzow (d. kons.): Nach der Erklärung des Reichs⸗ kanzlers könnte ich auf das Wort verzichten; aber ich möchte dagegen protestieren, daß die Arbeltswilligen⸗Vorlage hier ein Ausnahmegesetz genannt wird. Dieselbe ist auch von vielen Arbeitern im Lande ge— billigt worden. E handelt sich um einen Reichsbeamten, der für das Wohl der Arbeiter thätig gewesen ist und den Versuch gemacht hat, den Verdächtigungen und Verdrehungen der sozialdemokratischen Presse entgegenzutreten. Dies ist an sich durchaus zu billigen, und ich kann mir sehr wohl denken, daß Jemand verleitet wird, auf die Hinter⸗ treppe zu treten. Der Zweck bietet hier eine gewisse Entschuldiguntz, wenn auch das ganze Vorgehen nicht politisch ist. Indessen der Strick ist glücklich gedreht. Wir können aber nicht finden, daß etwas Ge— meinschädliches oder Unerhörtes geschehen sei.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Meine politischen Freunde haben seiner Zeit alles gethan, um die sogen. ‚Zuchthausvorlage“ so rasch als möglich zu beseitigen. Man kann also nicht von uns erwarten, daß wir Bemühungen gut heißen, die darauf abzielten, das Gesetz noch hinterher in einer arbesterfreundlichen Beleuchtung erscheinen zu laffen. Wir sind der Meinung, daß die bündige Erklärung des Reichskanzlers das Wesentliche unserer Beschwerde gegenüber diesem Vorgange er— ledigt hätte. Wenn der Kanzler in hohen Tönen das Loh des Staats— sekretärs des Innern gesungen hat, so kann ich mit ihm darin ein— verstanden sein; der verehrte Herr ist sogar von dem Inter— pellanten über jeden persönlichen Angriff hinausgehoben worden, und wir haben ihn jederzeit als einen Mann kennen gelernt, der von Herzen arbeiterfreundlich gesonnen ist, und als einen Mann, der voll— kommen unabhängig dasteht von denjenigen Kreisen, an die sein nach⸗

eordneter Beamter sich um Geld gewandt hat. Der Reichskanzler kJ ausgesprochen, daß sich etwas Derartiges nicht wiederholen werde, so lange er im Amte ist, und zwar in vollem Einverständnih mit dem Staatssekretär des Reichzamts des Innern. Herr Munckel will allerdings noch Antwort auf die weitere Frage, welche Vorkehrungen er treffen werde, um seinem Willen Geltung zu verschaffen, die Wiederkehr solcher Vorkommnisse auszuräumen. Ich glaube, der Reichskanzler wird mit vielen hier im Hause der Ansicht sein, daß dies Sache der inneren Verwaltung des Reiches sei, daß er darin eine Einmischung des Parlaments nicht anerkennen lönne. Das Zentrum wenigstens steht auf diesem Standpunkt. Auch will Herr Munckel wissen, was mit dieser Summe von 12 600 M gemacht werden soll. Dag Geld ist doch ausgegeben, es müßte also erst nachgewiesen werden, daß noch etwas davon in irgend einem Reichsfonds vorhanden ift. Es ist uns ja mitgetheilt worden, wohin das Geld gekommen ift. Mit dieser Frage dürfte also der Reichskanzler garnichts an— zufaagen wissen. Nach der gehörten Erklärung haben wir noch mehr Grund, zu wünschen, daß der Kanzler noch recht lange ung in seinem Amte erhalten bleibe. Aber wir können nicht einsehen, daß jetzt noch Sühne an Personen genommen werden soll. Für uns ist die Sache erledigt. Wir haben es stets verurtheilt. daß man aus politischen Motiven sich zu Henkerknechtsdiensten für Intriganten her⸗ giebt, und zu unserer Freude hat der Reichskanzler sich über solche Machenschaften ganz unserer Auffassung entsprechend ausgelassen. Die Zweifel an seiner Erklärung, wie sie ein Zwischenruf des Herrn Singer kundgab, theilen wir nicht. Wir glauben an die Ausführungen des Reichskanzlers ebenso treu wie an die des Herrn Auer. In die Angriffe auf den Freiherrn von Stumm, der durch Krank—⸗ heit ferngehalten wird, einzustimmen, halten wir für ungngemessen. Der Vorwurf gegen den Erlaß der katholischen Kirchenfürsten ist mit aller Schärfe zurückzuweisen. Das Fuldaer Pastoralschreiben ist nichts weniger als eine arbeiterfeindliche Kundgebung. Es warnt nur vor dem Streben nach der sogenannten Neutralität in den christlichen Gewerkschaften; damit haben sie sich lediglich innerhalb ihrer Zu— ständigkeit und innerhalb des Interesses für die katholischen Arbeiter gehalten. Es wird ein Fehlschlag sein, wenn die Herren darauf spe⸗ kulieren, aus Anlaß dieses Schreibens in den Kreisen der katholischen Arbeiter Geschäfte zu machen.

Abg. von Kardorff (Rp.): Ich bin in allen Punkten mit den Ausführungen des Abg. von Levetzow einverstanden. Vas Arbeits- willigen Gesetz war kein Gesetz gegen die Arbeiter, sondern ein Gesetz zum Schutze weiter Kreise von Arbeitern. Der Strike von Hamburg hat genau das bestätigt, was Ihnen Freiherr von Stumm hier stet vorausgesagt hat, daß es nämlich nur darauf hinauskommen würde, die Sozialdemokratten noch mächtiger zu machen, wenn man den Gewerk-⸗ schaften noch weitere Rechte, so besonders das Recht der juristischen Person, geben würde. Freiherr von Stumm hat vorausgesagt, daß diese Be⸗ strebungen zu dem Schlimmsten führen müßten, was der Arbeiterklasse passieren kann, nämlich zu der Organisation, der Koalition der Arbeit- geber, Das Gesetz von der Harmonie der Interessen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern, das s. Z. gleichzeitig von Carey und Bastiat aufgestellt wurde, besteht, gleichviel ob die Sozialdemokraten es anerkennen oder nicht. Dieser Hamburger Auszstand also zeigt, wie bedenklich die Koalitionen der Arbeitgeber sind, die Sie doch zulassen müssen, wenn die Koalttionsfreiheit einen Sinn haben soll. Den Zentralverband der Industriellen habe ich ins Leben gerufen; ich bin stolz darauf; denn er hat die groß⸗ artige Wirthschaftspolitik des Fürsten Bismarck ermöglicht. Er bat die Schutzzollpolitik durchgesetzt und da urch die In⸗ duftrie zur Bluͤthe gebracht und somit auch den Arbeitern den größten Nutzen gebracht Baß es sich in diesem Verband nur um eine Horde ven Ausbeutern handelt, das glauben Sie (zu den Sozialdemokraten gewandt) doch selber nicht. Wenn die Regierung und die Freunde des Arbeitswilligen ⸗Gesetzes Interesse daran hatten, die Gründe, welche für das Gesetz sprachen, dem ganzen Volke zugänglich zu machen, so konnten sie einfach im Reichs Anzeiger die Ver⸗ handlungen publizieren. Nach der vorzüglichen Erklärung des Reichs kanzlers habe ich zu der Sache nlchts weiter zu bemerken.

Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg) Mit der Erklärung des Reichskanzlers kann doch die Sache nicht völlig erledigt sein. In welche That setzt sich denn das Wort des Tadels um? Der Grund allein, daß er sich keiner Intrigue beugen möchte, ist für uns nicht ausreichend. Aber vielleicht erleben wir noch eine Ueberraschung. Wenn hier eine in der Form milde, in der Sache aber sehr scharfe Verurtheilung des Vorganges stattgefunden hat, wird vielleicht die betreffende Stelle freiwillig die Konsequenz ziehen, die ein Anderer nicht ziehen will. Wenigstens unterscheidet sich die Erklärung des Reichs⸗ kanzlers zu ihrem Vortheile von derjenigen der Berliner Correspondenz“. Anfangs hat besonders die Presse der Rechten auf liberale Intriguen gerathen. Die Zentrumspresse vermuthete den Zentralverband dahinter. Ich glaube, es ist hierbei etwas Gespensterseherei am hellen Tage im Spiel. Die Dinge können sich außerordentlich einfach zugetragen haben. Noch im Mai 1900 hat uns der Staatssekretär Graf Posadowsky ausführlich darüber unterhalten, wie nothwendig es sei, daß sich die förmliche mit der faktischen Verantwortlichkeit decke. Die Annahme von Geld durch die Regierung aus Interessenten⸗ händen steht zur Debatte. Es handelt sich um eine politische Angelegenheit, an welcher die Geldgeber sich wirthschaftlich betheiligt fühlten. Wir unterlassen jede Verall gemeinerung, wir rufen nicht Panama“. Aber auch der vereinzelte Vorgang ist an—

gesichts eines Gesetzentwurfs, welcher den Stempel des Klassen⸗ charakters auf der Stirne trägt, becenllich genug. Mit den unber⸗ antwortlichen Rathgebern wird es jan von nun an anders sein. Künftig legt sich keine Wolke mehr zwischen Fürst und Volk, nachdem Frei⸗ herr von Wangenheim den Kampf gegen die Camarilla so kraftvoll aufzunehmen versprochen hat. Aber auch abgesehen davon, müssen wir das gewählte Verfahren verurtheilen, denn daßselbe ist grundsätzlich verwerflich. Die Regierung hat immer für sich in Anspruch genommen, die Diagonale der Kräfte zu sein, dem Gemeinwohl zu dienen. Es ist und bleibt der innerste Rechtfertigungsgrund der Monarchle, mit größter Unparteilichkeit die Interessen der Gesammtheit gerecht und billig abjuwägen. Hier aber ist der Staatsmann mit dem Interessenten verwechselt worden. Der Reichttag besitzt nun keine Organisationggewalt; wir können nur unseren Empfindungen und dem Wunsche Ausdruck geben, vor einer Wiederholung solcher Mißgriffe geschützt zu werden. Die Erschütterung detz Vertrauens in die Unparteilichkeit des Beamtenthums wäre der schwerste Schlag, der die Staatsautorität treffen könnte.

Abg. Schönlank (Soz., schwer verständlich) führt aus, durch die Veröffentlichung sei erwiejen, daß das Reichzamt des Innern auf Schleichwegen die öffentliche Meinung beeinflußt habe, indem es solche Veröffentlichungen hätte in die Provinzpresse lancieren lassen, ohne daß die Leser ahnen konnten, daß es sich um eine gouvernementale Mache handelte. Das sei von seiten einer Reichsbehörde geschehen, die be— rufen sei, ein unpartetischer Hüter des Rechts zu sein in dem großen Kampfe zwischen der arbeitenden Klasse und einer Vereinigung von Unternehmern, welche die Geseggebung selt langer Zeit beein flusse. Was die Personenfrage anbetreffe, so bitte er (Redner) um die Be— antwortung folgender Frage, in welchen Beziehungen der Staats⸗ sekretär des Reichsamts des Innern Graf von Posadowsky zu dieser ganzen Angelegenheit stehe. Sei er daran betheiligt, sei es durch Handlungen oder durch Unterlassungen? Entweder der Staats— sekretär Graf von Posadowsky babe von der Sache gewußt und habe geschwiegen; oder er habe es zu spät erfahren, dann herrschten einfach anarchische Zustände im Reichsamt des Innern. Ministerstüczerei liege weder in der Absicht der Sozialdemokratie, noch für sie in der Möglichkeit. Darauf komme es ihr auch garnicht an. Sie habe nur das herrschende System und den Korruptionssumpf, in den man immer tiefer hineingerathe, kennzeichnen wollen.

Präsident Graf von Ballestrem: Die Besprechung ist ge— schlossen.

Darauf vertagt sich das Haus.

Schluß gegen 5 Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. (Interpellation des Abg. Grafen Oriola, die Revision der Militärpensionsgesetze betreffend. Erste Berathung der See⸗ mannsordnung.)

Parlaumentarische Rachrichten.

Dem Reichstage ist der Reichs haushalts⸗Etat für das Rechnungsjahr 1901 zugegangen. Derselbe schließt in Ginnahme und Ausgabe mit 2240 947 301 4M ab.

Von den Ausgaben entfallen 1912609 855 46 auf die fort⸗ dauernden, 224 582 751 M auf die einmaligen Ausgaben des ordent⸗ lichen Etats und 103 7654695 auf die einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etatß. Zur Bestreitung der einmali en außer⸗ ordentlichen Ausgaben ist eine Anleihe im Betrage von 97 362 545 vorgesehen. Von den fortdauernden Ausgaben entfallen auf den Reichstag 699 250 4K, auf den Reichskanzler und die Reichskanzlei 233 280 ( 280) S, auf das Auswärtige Amt 13307 507 (4 798 849) S, auf das Reichsamt des Innern 54 423 941 (4 5 6365 266) ½υς, auf die Verwaltung des Reichsbeeres 559 932 683 ( 18411590) S6, auf das Reichs⸗Militärgericht 512 880 ( 250 811) 4M, auf die Kaiserliche Marine 79 831 422 ( 5929780) 4½, auf die Reichs Justi verwaltung 2133 234 ( 13 872) M, auf das Reichs⸗Schatzamt 578 195 680 (4 57 900965 , auf daz Reichs⸗Eisenbabnamt 394 470 (4 2560 4, auf die Reichs⸗ schuld 86 308 000 (4 8 607 500) MS, auf den Rechnungshof 914710 ( 58 300) S6, auf den allgemeinen Pensionefonds 70 994 638 (4 2830 508) AS, auf den Reichs Invpalidenfonds 29 329 689 ( 746 587) M, auf die Post. und Telegrapben verwaltung 364 269 420 4 21 774 294) M, auf die Reiche druck rej 5 613 Soi (4. 308 700) , auf die Eisenbahnverwaltung 65 515 400 (4 7080100 4

Von den einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats entfallen auf das Auswärtige Amt 26 396 607 (4 5233 728 M, auf das Reichsamt des Innern 5112 500 (4 1716700) „, auf die Post⸗ und Telegraphen Verwaltung 18125213 (4 4710289) M, auf die Reichsdruckerei 386 322 ( 1 869 591) MS auf die Verwaltung des Reichsbeeres 9g0 012229 (— 8377961) , auf das Reichs Militärgericht 18 000 (— 12000) 416 auf die Verwaltung der Kaiser⸗ lichen Marine 72 112150 (4 24113 660) ASS, auf das Reichs—⸗ Schatzamt 100 580 (4 75 280) A, auf die Reichsschuld 425 000 ( 425 000) A, auf die Eisenbabnverwaltung 8 522 000 (4 467 000) 4, auf die Verminderung der Reichs schuld 3372 150 (4 1080512) 4

Die einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etats sind eingestellt bei der Verwaltung des Reichsheeres mit 30157 695 (— 48716) S6, bet der Kaiserlichen Marine mit 59 623 000 (4 19002 000) ASS, bei der Eisenbahnverwaltung mit 13 974 000 ( 933 000) 4M

Die Einnahmen sind veranschlagt bei den Zöllen und Verbrauchssteuern auf 810 330 850 (4 20 605 850) Æ, bei den Reichs Stempelabgaben auf 114020 000 ( 47 537 000) A, bei der Post,⸗ und Telegraphen Verwaltung auf 420 162950 ( 26 953 020) 416, bei der Reichs druckerei auf 7777 000 ( 261 000) 4, bei der Eisenbahn Vermaltung auf 93 676 000 (4 7501 000) S6, beim Bankwesen auf 14 713 800 140 700) M Verschiedene Verwaltungg⸗ einnahmen sind auf 26 465 024 (4 7910 961) 6, Reichs invalidenfonds auf 29 329 689 (— 746 587 1, Beräußerung von Festungsgrund⸗ stücken auf 389 927 (4 183 272) 4 veranschlaat. Hierzu kommen der Uberschuß des Reichshaushalts von 1899 mit 32 606 081 ( 1879 147) 4 und die zum Auegleich für die nicht allen Bundes staaten gemeinsamen Einnahmen eingesetzten Beträge in Gesammt— höhe von 167388 285 (4 1202416 6 Die Matritularbeiträge sind mit 570 33 000 (4 43 270 626) M eingestellt.

Im Reichstage haben die Abgg. Gröber, Dr. Lieber (Montabaur) und Dr. Pichler solgende Anträge ein⸗ gebracht:

J. Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem R ichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher die Errichtung und das Verfahren eines Staatsgerichts⸗ hofs für das Deutsche Reich regelt, zu dessen Zuständigkeit folgende Gegenstände gehören sollen:

I) Streitigkeiten zwischen dem Reich und einem Bundesstaat oder zwischen verschiedenen Bundesstaaten über öffentlichrechtliche Befagnisse;

2 Streitigkeiten über die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und seiner gesetzlichen Stelloertreter;

3) Verfafsungsstreitigkeiten, sowie Streitigkeiten über Thronfolge, Regierungsfähigkeit und Regentschaft in solchen Bundesstaaten, in deren Verfassung nicht eine andere Behörde zur Entscheidung dieser Streitigkeiten bestimmt ist;

4) Beschwerden wegen Verweigerung oder Hemmung der Rechts- pflege in einem Bundesstaat; )

5) GEatscheidungen darüber, ob eine landesrechtliche Bestimmung mit dem Reichsrecht im Widerspruch steht, soweit nicht über die Gültigkeit dieser Bestimmung ein Urtheil des Reichsgerichts vorliegt.

II. Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten NReglerungen

zu ersuchen, zum Schutze des Mittelstands im Gewerbe, ingbesonder

im Interesse des Kleinhandels: J. dem Reichstage Gesetzentwürfe zu unterbreiten, durch welche 1) das Hesetz über den unlauteren Wettbewerb entsprechem erweitert, 2) das Ausverkaufswesen geregelt, 3 . des Gesetzes über die Abzahlungsgeschäfte he, etligt, 4 das sogenannte Gutscheinsystem (Gella⸗, Hydra. Schnee ball oder Lawinensystem) beim Verkauf von Waaren verboten s) Lie Pereinigung von Beamten des Reichs, des Hzereg, de Marine und des Staats sowie von Offtjteren zum Be ,, ö untersagt ,. j eine Enquste über die rkungen der gewerblichen e Syndikate und Ringe zu veranstalten. chen Kraut lin

Die Abgg. Henning und Genossen, haben im Reichstage den nachstehenden Entwurf eines Heim— stättengesetzes für das Deutsche Reich eingebracht: . r g 61.

Jeder Angehörige des Deutschen Reichs hat nach vollendetem 24. Lebensjahre das Recht zur Errichtung einer Heimstätte.

Die Errichtung erfolgt durch Eintragung eines nach Maßgabe dieses Gesetzes geeigneten Grundstücks in das Heimstättenbuch.

8 7.

Die Größe einer Heimstätie darf die eines Bauernhofes nicht

übersteigen. Sie muß wenigstens einer Familie Wohnung gewähren

und die Erzeugung landwirthschaftlicher Produkte ermöglichen.

Zubehör einer jeden Heimstätte sind:

I) die Wohnung des Heimstätten⸗Eigenthümers,

2) die nothwendigen Wirthschafts gebäude,

3) das zum Wirthschaftsbetriebe unentbehrliche Geräth, Vieh. und Feldinventarium, der vorhandene Dünger, sowie die landwirth— schaftlichen Erzeugnisse, welche zur Fortsetzung der Wirthschaft biz zur nächsten Ernte unentbehrlich sind.

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Der zur Heimstätte festzulegende Besitz darf bis zur Hälfte dez Werthes und zwar nur mit Renten oder mit Annuitäten verschuldet sein. Die Renten oder die Annuitäten müssen durch Amortifatlon getilgt werden. Die Errichtung bat die Umwandlung der Hypotheken und Grundschulden des Grundstückz in amortisierbare Renten oder in Annuitäten zur Vorausfetzung. en,,

Höher verschuldeter Besitz kann von den durch die L indesgesetz ; gebungen zu errichtenden Landes ⸗Heimftättenbehörden zur Eintragung in das Heimstättenbuch zugelassen werden, wenn der Besitzer die Ver' pflichtung übernimmt, die über die Hälfte des Ertragewerthes hinaut⸗ gehenden Hypotheken und Grundschulden mit 10,0 für das Jahr ju tilgen und die Tilgung nach Ermessen der Landes⸗Heim stättenbehörden gesichert erscheint. Verstärkte Amortisation ist gestattet.

§ 4.

Mit Bewilligung der Heimstättenbehörde können aus begründetem Anlaß bis zur Hälfte des Werthes Rentenschulden oder Annuitäten mit einer dem Zweck entsprechenden Amortisationeperiode eingetragen werden. 8 Diese Bewilligung muß erfolgen:

1) im Falle einer Mißernte oder bei sonstigen Unglücksfällen, 2) zu nothwendigen Meliorationen 3) zur Abfindung von Miterben.

Die Heimstätte unterliegt der Zwangkvollstreckung nur in folgen— den Fällen:

1) wenn die Forderungen aus der Zeit vor Errich lung der Heim—⸗ stätte stammen und nicht drei Jahre nach Veröffentlichung der Heim— stätteneigenschaft verflossen sind,

2) auch nach Errichtung wegen rechtskräftiger Ansprüche aus Lieferungen und Leistungen, die zur Einrichtung und zum Ausbau der Heimstätte verbraucht sind,

3) wegen rückständiger Renten oder Annuitäten,

4) wegen gesetzlicher Verpflichtungen,

5) wegen Verpflichtungen aus unerlaubten Handlungen.

In den Fällen zu 2 bis 5h. ist als Vollstreckungsmaßregel nur die von der Heimstättenbehörde zu vollziehende Zwangsverwaltung der Heimstätte zulässig.

6.

Die Heimstätte ist untheilbar und vorbehaltlich des Nieß⸗ brauchsrechts des überlebenden Ehegatten durch Erbgang, im Falle des Vorhandenseins mehrerer Erben, nur auf einen derselben (Anerbe) übertragbar.

Der Umtausch von Grundstücken kann mit Genehmigung der Heimstättenbehörde statifinden.

7.

Die Veräußerung der Heimstätte unter Lebenden ist nur mit Ge— nehmigung des Ehegatten und nur an Angehörige des Deutschen Reichs zulässig

Niemand darf mehr als eine Heimftätte besitzen.

§ 8. Die Aufhebung der Heimstätteneigenschaft erfolgt durch Löͤschung im Heimstättenbuch. . Die Löschung kann durch Beschluß der Heimstättenbehörde auf hinreichend begründeten Antrag des Heimstätteneigenthümers dann erfolgen, wenn der Ehegatte und die Renten, oder Annuitätenberech⸗ tigten zustimmen.

§ 9.

Der landesrechtlichen Ordnung bleiben alle näheren Bestimmugzen überlassen und speziell: ö

I) die Bestimmungen der Maximal⸗ und Minimalgröße der Heimflätten innerhalb der in 5 2 angegebenen Grenzen, .

2) die Gewährung der Siempel. und Gebährenfreiheit bei Er— richtung der Heimstätten,

3) die Abgrenzung der Steuerfreiheit der kleinsten Heim ftätten,

4) die Errichtung der Heimstättenbehörde, x

5) die Errichtung der Heimstätten-Rentenbanken oder ähnlicher Kreditinstitute, .

6) die Regelung des Nießbrauchsrechts des überlebenden Ehegatten an der Heimstätte,

7) die Ordnung des Heimstätten⸗Erbrechts.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 2z81.

Literatur.

Das Rothe Kreuz bei Beginn des 20. Jahr- hunderts. Eine kurze Darstellung seines Zweckes und seiner ö sation von Vietor von Strantz, Major z. D. Zweite, vermehrte suffage. 56 Seiten. . Verlag der Hofbuchhandlung von Karl Siegitz⸗ mund, Berlin. Preis 50 3. Diese kleine Schrift legt in übersichtlicher Reife dar, wie das Rothe Freu in den einzelnen Staaten für den Krieg yrganistert und vorbereitet ist, wie große Mittel und Kräfte in den herschledenen Ländern auf datselbe verwendet werden und wie diese Kräfte den Heeresorganisationen alg Theile der nationalen Rüstung mgevaßt und in den Rahmen derselben eingefügt sind. Der Dar⸗ sie lung und Erläuterung des Zweckeg und des Wesens dieser Welt unssttute ist, ein kurzer Ueberblick über die Leistungen des inter— nationalen Rothen Kreuzes im Burenkriege angeschloßsen und eine An— sabe der von deutscher Seite für den Feldzug in China getroffenen Porkehrungen beigefügt. Der Reinertrag der Schrift wird der Kaifer Pilbelm⸗Stiftung für deutsche Invaliden zugeführt.

In Karl Vepy manns Verlag hierselbst erschien ferner die Echrst Das Rothe Kreuz, und die Berufs genofsen« schaften?“ von Max Schlefinger. Sie ist im Auftrage des

JFomités für das Zusammenwirken der deutschen Vereine vom Rothen

Kreuz mit den Berufsgengssenschaften‘, dessen Ausschuß aus den Herren Vije⸗Ober⸗Zeremonienmeister B. von dem Knesebeck, Reichs tagts⸗ Übgeordneter Rich. Roesicke, Kommerztenrath Ravens, Ober⸗Stabtz. ait Dr. Pannwitz und Direktor Max Schlesinger besteht, verfaßt und enihaͤlt eine Schilderung der Entstehung des, Roihen Freujek, seiner Aufgaben und seiner Thätigkeit, sowie eine Dar— stellung der sozialen Gesetzgebung, insbesondere der Unfallversicherung, deren Träger die Beruftzgenossenschaften sind. Der Verfasfer weist ferner auf die vielfachen Berührungspunkte, welche hei den beiden lber ganz Deutschland verbreiteten Organisationen vorhanden sind, und auf die Zweckmäßigkeit eines gemeinsamen Zusammenwirkenz snebesondere auf dem Gebiete der ersten Hilfe im Frieden wie im Kriege hin. Soweit bereits eine gemeinschaftliche Thätigkeit organi— siert worden ist. wird dieselbe näher dargelegt. Bie Schrift, welche auch mit Illustrationen versehen ist, bietet ein abgerundetes Bild von den Aufgaben eines gemeinsamen Wükens beider in Rede sihenden Institutionen, in deren weiten Kreisen sie sicherlich lebhaftes Interesse erregen wird. t

In zierlichen Liebhaberausgaben liegen aus dem Verlage von Carl Krabbe in Stuttgart auch für das diesjährige Weihnachtsfest in neuen Auflagen vor: Goethe's „Faust“ (erster und zweiter Theil in einem Bande) und Hei ne's „Buch der Lieder“ (Preis E 3 c) In diesem gediegenen, einen edlen Kern einschließen den Gewande werden die Bändchen jedem Geschenktisch zur Zierde gereichen.

Der Charakter. Von Samuel Smiles. Deutsche auto iisierte Ausgabe von Fr. Steger. Sechste Auflage. Verlag von J. J. Weber in Leipzig. Preis 4 M 50 3, in Leinwand ge⸗ bunden 6 S Der bekannte Moralphilosoph, dessen Buch in dentscher Ausgabe nun schon zum sechsten Mal erscheint, preist darin nächst dem elterlichen Hause sowie der Gesellschaft und Freundschaft mit ihrem Beispiel die Arbeit als den besten BHilsner des Charakters, wobei auch die mechanische Thätigkeit eine ihr oft versaate Würdigung erfährt. Er fordert den Muth der eigenen Ueberjeugung, mahnt aber auch zur Selbst— behertschung und zum Pflichtbewußtsein und spornt zur Wahrheits—⸗ lebe an. Der modernen Streit⸗ und Zweiselsucht, der lähmenden Schwarsseberei wird entschieden Fehde angesagt. Das Werk hat sonach gerechten Anspruch darauf, besonders der heranwachsenden Jugend als ein Schatz praktischer Lebenkweisheit in die Hände gelegt ju werden.

Katechismus des guten Tons und der feinen Sitte von Constanze von Franken. Neunte Auflage. Max Hesse's Verlag in Leipzig. Preis geb. 250 Vor anderen Büchern gleichen Zoöcckhß bat dag oben angezeigte den Vorzug, daß es die lußeren Formen des Umgangs überall auf ihren sittlichen Ursprung irückzuführen, mit Leben und Inhalt auszufüllen sucht. Es ist daher nicht ein bloßer Leitfaden, der für das Verhalten im einzelnen Fall hath ertheilt, sondern ein gründlich bildendes Lehrbuch für die An—⸗ iznung gesellschaftlicher Tugenden. deren Werth zu allen Zeiten ge— pihrend geschätzt worden ist und Vielen zu Glück und Erfolg verholfen

hat. In der ansprechenden Ausstattung, welche ihm die Verlagsbuch—

handlung auch in der neuen Auflage gegeben hat, darf das Buch als ein preiswerthes Geschenk empfohlen werden.

Papierblumen und deren Her stell ung. Von Mathilde eon hard. Verlag von Otto Maier in Raxenz burg. Preiß 1 . 86 4. In dieser Schrift giebt eine praktische Lehrerin Helegenbeit, die Kunst der Herstellung von Papierblumen, wie klche zum Zimmerschmuck jetzt vielfach Verwendung finden, durch Etlbst unterricht zu eriernen, und jwar durch eine leicht aßliche, mit nellen Schnittmustern und Bildern versehene Anleitung. Das kleine Buch empfiehlt sich besonders als Geschenk für junge Mädchen.

Der Verlag von Otto Maier in Ravensburg hat einen neuen Katalog seiner Unterhaltungs⸗ und Beschäftigungs«— piele für die Jugend erscheinen lassen. Diese feit Jahren in heuschen Familien wohlbekannten Spiele vereinigen angenehme Unter⸗ biltung mit nützlicher Belehrung und passen sich den verschiedenen alenten und Neigungen von Knaben und Mädchen vortrefflich an. Er nreichhaltige Katalog verzeichnet außer den bewährten älteren 2 folgende neuen: Germania, ein vaterländisches Geschichts⸗— bil von Otto Robert (Preis 3 S); Großes Schattentheater, . Unterbaltung und Selbstbeschäftigung, von P. Widmayer r. 4 50 T); Lustiges Gesichterspiel, ein ethnologisch physiognomisch⸗ . Syiel von Fritz Pix (Preis l,50 „); Camera obscura, *. ,. lur selbständigen Herstell ing einer prakttschen umera; ut 6 Robert (Preis 3.50 S); Segeljacht, Beschaͤftigungs spiel Enn de, zur selbständigen Verstellung einer lenkbaren Segeljacht ben a lang), von Heinrich Eranz (Preis 6 „). Der oben genannte tlag versendet den Katalog auf Verlangen kosten und postfrei.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

1 den vom Auswärtigen Amt mitgetheilten Berichten der deutschen and. und forstwirthschaftlichen Sachverständigen im Auslande)

Die australische Butterbereitung. sshestalienzt Butterwirthschaft befindet sich gegenwärtig in hohem äwusg, Ba die Farmer sie für den einträglichsten Betriebzweg stesfen . Anlagen und Betriebeperfahren sind perschieden. Theils lbe 16. Farmer die Milch zur Molkerei, theils entrahmen sie die⸗ Gazfle st oder nehmen die Entrahmung auf einem benachbarten en. bor. Die sogenannten Butterfabriken beziehen und ver- In gen dlwöhnlich meist oder nur Rahm und hbesttzen zu diesem inf aͤufig eine größere oder geringere Zahl von eigenen Rahm⸗ engt n, in denen die Farmer die Milch, soweit sie nicht selbst bringen. In diesem Falle nennen sie sich auch Zentral⸗ ein zur Zeit beliebtes Verfahren, das sich mehr und ; Eins der größten solcher Unternehmungen ist die

n Melbourne, der gh Rahmanstalten zugehören.

verschiedensten Art,

Berlin, Montag, den 26. November

1900.

Die Größe der Molkereien ist sehr verschieden. Egs finden sich noch sehr viele von außerordentlicher Einfachbeit in Anlage und Be—⸗ trieb. Die größten Fabriken liefern in der Hauptjeit täulich 60 bis 80 dz Butter. Die Hauptlieferzeit ist der australische Winter, wo⸗ durch Australien den übrigen Wettbewerbsländern voraus ist, da . dann im europaͤtschen Sommer an den englischen Markt

mt.

Die Bezahlung ist vorwiegend nach dem Fettgehalt und erfolgt monatlich, entweder so, daß nach Abzug aller Unkosten der Ueberschuß aus dem Butterverkauf den gelieferten Fettmengen entsprechend an die Einzelnen vertheilt wird, oder so, daß jedem Lieferanten die den ein- gelieferten Fettmengen entsprechenden Buttermengen berechnet und dafür der volle Butterpreis bezahlt wird, nachdem ihm der vorher abgemachte Satz für Unkosten abgezogen ist. Seltener wird nach dem bloßen Fettgehalt oder nach dem Maßgewicht bezahlt.

In den größeren Molkereien werden täglich Proben genommen, die durch Formalin und Borsäure haltbar gemacht und wöchentlich einmal untersucht werden.

Die Heranschaffung der Milch ist bei der Einzellage der Farmen oft schwierig, weghalb sich viele Güter selber Milchschleudern an— schaffen. Bas mißfällt zwar den Molkereien; doch läßt fich bei den vorliegenden Verhältnissen wenig dagegen machen. Die Vorbereitungs⸗ verfahren sind nicht überall gleichmäßig gut durchgeführt. Die Regeln der Mischbehandlung und Entrahmung, besonders hinsichtlich Rein⸗ lichkeit beim Melken, Anwärmung beim Schleudern, werden noch häufig pernachlässigt, der Rahm selbst ungenügend für die Verbutterung vor bereitet. Einige hervorragende Fabriken sind freilich auf der Höhe; in ihnen ist Pastenrisation detz Rahms, Anwendung von künftlicher Milchsäure, gründliche Kühlung und Verarbeitung gleichmäßigen Ma— terials die Regel.

Man unterscheidet drei Klossen von Butter: ersamery, dairy und factory butter. In Melbourne bringt créamery 1,50 bis 2650 6 für 1 kg, je nach der Jahreszeit, dairy nur 1, Io— 10 S Im Jahres durchschnitt wurden für 50 kg beste Butter 95 AM gegen 9970 4 in Dꝛutschland bezahlt. Die Herstellung der dairy-GBuster geht immer mehr zurück, da die Farmer allmählich den Werth bester Erzeugnisse einsehen und daher den ganzen Beirieb verbessern. Die Versendung der Butter zum örtlichen Gebrauch geschieht in 4 oder kg- Stücken; im großen Ausfuhrverkehr werden 25,5 Eg fassende quadratische Kisten benutzt.

Die Wollerzeugung der letzten Jahre in den wichtigsten

Kolonialgebieten besprichl an der Hand eines australischen General ⸗Konsulatsberichts ein Aufsatz in Stück 38 der Mittheilungen der D. L. G.“ Die Wollpreiserhöhung der letzte! Jahre ist im wesentlichen durch die Veränderung der Schafverwerthungs. Möglichkeiten hervorgerufen, da es für Argentinien und Australien einträglicher wurde, für den englischen und neuerdings auch europäischfestländischen Markt frisches bezw. ge⸗ frorenes Schaffleisch statt Rohwolle zu liefern. Dazu kamen, wie be— kannt, die südafrikanischen Wirren, welche die dortige Schafzucht und den Wollhandel lahm legten. Für Australien kamen hinzu die anhaltenden Dürren der letzten Jahre, die den Schafbestand des Inselreichs von rund 124 Mill. in 1891 auf rund 93 Mill. in 1899 verminderten. Dementsprechend nahmen auch die Wollliefe⸗ rungen Australiens ab; während sie z. B. 1894/95 noch 1 959 000 Ballen betrügen, weist die Ausfuhr 1899/1900 nur 1 592 805 Ballen mehr auf. Der bei weitem größte Theil der australischen Wolle ist Merinowolle, die in Schweiß gehandelt wird. Der Rückgang der Wollzucht macht sich übrigens schon auch insofern be— merklich, als noch 1898/99 87 υ0 Merino und 13 909 Wollen von auf Fleisch getreuzten Thieren in den Handel kam, 1899/19600 dagegen S4 osg bezw. 16 O. Die geringsten Merinobestände hat der Staat Victoria; hier wurden in Melbonmne nur etwa 700,0 Merinowollen gehandelt. Per Hauptabnehmer für australische Wolle ist Frankreich mit Belgien (1899/60 321 281 Ballen), dann folgt England mit 180 371 und Deutschland mit 166 802 Ballen; die übrigen Staaten kommen nicht in Betracht. Die geschilderten Verhältnisse beeinflußten also die Wollpreiserhöhung günstig; für uns kam hinzu die erhöhte Kaufkraft des heimischen Marktes, die an die Webeindustrie große Anforderungen stellte, während unsere Ausfuhr sich nicht vergrößerte.

Dreißigjährige Wirthschaftserfahrungen des Ritter⸗ gutsbesitzerz Friedrich Schirmer-⸗Neuhaus. Herausgegeben von Walter Müller. Mit Porträt und Lebensbeschreibung Schirmer'z. Neudamm, Verlag von J. Neumann. Preis geh. 3 M, geb. 4 6. Ein praktischer Landwirth läßt seine langjährigen wirihschaftlichen Grfahrungen, die er schon in Vorttägen und Fachschriften mitgetheilt hat, durch die vorliegende Zusammenstellung weiteren Kreisen zugänglich machen. Das von Walter Müller Wilmersdorf zu— sammengestellte Buch bringt zunächst eine kurze Lebensbeschreibung des Verfassers nebst Bildniß desselben und behandelt sorann in vier Theilen unter den Ueberschriften „Acker und Wlesenbau“', „Vieh⸗ zucht“, „Fischzucht' und „Verschiedenes sämmtliche Gebiete der Land⸗ wirthschaft. Es giebt Autzlunft über die verbesserten neueren Me— thoden, besonders in der Behandlung des Bodens durch Düngung (Gründüngung), den Werth der stickstoffsammelnden Pflanzen, den Zwischenfruchtbau, das vortheilhafteste Ernteverfahren, über Räben« Kartoffel, und Futterbau. Auch über Pferde⸗, Geflägel⸗ und Fischzucht ertheilt das Buch Belehrung. Endlich findet man darin beachtenswerthe Winke für die Anwendung landwirth- schaftlicher Maschinen. Aus der Praxis für die Praxis ist das Buch geschrieben, und überall zeigt sich darin der auf der Höhe der Zeit stehende, praktisch erfahrene Landwirth, der zwar auch mit der Wissen⸗ schaft Hand in Hand geht, aber vorsichtig abwägt und ihre Ergebnisse für die Praxis erst empfiehlt, wenn er sich durch langes Probieren von ihrem Werth überzeugt hat. Namentlich jüngere Landwirthe ie,. aus der Schrist mannigfache Belehrung und Anregung schöpfen.

Im 54 Jahrgange 1901 erschien soeben Mentzel und von Lengerke's landwirthschaftlicher Kalender (Berlin, Ver— lagsbuchhandlung von Paul Parey; jwei Theile, Preis 2 S 50 „). Inhalt, Eintheilung und Ausstattung dieses in den Kreisen der Land— wirthe beliebten und weltverbreiteten Kalenders sind im wesentlichen die früberen geblieben. Der erste Theil, das gebundene Taschenbuch, bietet, außer den Formularen für wirthschaftliche Eintragungen der . Tabellen für Berechnungen, wie sie im praktischen Betriebe täglich auftauchen und dem Landwirth un⸗ entbehrlich sind. Sie sind für den neuen Jahrgang einer sorafältigen Durchsicht unterzogen und durch eine Anzahl neuer Tabellen bereichert worden. Der zweite Theil, das Jahrbuch, enthält mannigfache, alljährlich revidierte statißtische Zusammenstellungen, welche dem Landwirth eine Fülle verschiedenartiger Informationen bieten. An der Spitze dieses Theils findet man einen beachtenswerthen größeren Aufsatz von dein Herausgeber des Kalenders, Ministerial⸗ Direktor im Ministerium für Landwirthschaft ꝛc. Dr. Thiel, welcher die wichtigen Fragen des Anerbenrechts, der Verschuldung und Ent schuldung behandelt. Der Kalender hat sich seit vielen Jahren dem Landwsrth als ein so nützlicher und zuverlässiger Begleiter bewährt,

daß diese neue Ausgabe keiner besonderen Empfehlung bedarf.

Sandel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten Nachrichten für Handel und Industrie“ )

Belgien. Zolltarifentscheidungen. Es sind zu verzollen: Perforierte Papierstreifen, auf Holzwlinder aufgerollt,

für Drehorgeln: Wie ‚Musikinstrumente' (Tarifnummer 30), 10 066 vom Werth.

Garnituren aus Gold oder Silber, zu Sonnen und Regenschirmen, bestehend aus einem mit Steinen verzierten Knaufe und acht Endspitzen, letztere bestimmt, an die Schirmrippen angesetzt zu werden: Wie Metalle: Goldschmiedewaaren' (T. Nr. 39), 5Hoso vom Werth.

Tritte, zusammenlegbare, oder Schemel, aus einer ganz aus vergoldetem Eisen bestehenden Garnitur und vier hölzernen Tritt⸗ brettern gebildet: Wie Möbel“ (T. Nr. 40), 10 96 vom Werth.

Häute und Felle, geschwärzt oder schwarz gefärbt: Wie „Häute und Felle, gefärbte u. s. w.“ (T. Nr. 48), 30 Franken für 1 dz.

Kalbfelle und große Häute, so von Stieren, Ochsen, Kühen, jungen Stieren und Ochsen, Kälbinnen und Pferden, geschwärzt oder schwarz gefärbt, und außerdem gefettet (nourries), das heißt mit Fettstoff imprägniert: Wie „Häute und Felle, auf andere Weise zugerichtet' (T. Nr. 48), 15 Franken für 1 42.

Rauchschwaches Jag dpulver, sogenannt Lanit der anonymen Gesellschaft Nobel DVynamitwerke in Turin; elektrische Zünder sammt Detonatoren der Nobel's Explosives Go. Limited, Glasgow; Explosivstoff, sogenannt Densité Nr. 1, vorgelegt von Ghinijonet in Lüttich; auf Chlorsalzen beruhende Explosiv⸗ stoffe, fogenannt Street oder Streetit, Tyve 91 und 120, der Ge⸗ sellschaft für chemisch Produkte und Explosivstoffe Berges, Corbin et Cie in Chedde (Frankreich: Wie „Schießpulver [T. Nr. 52), 15 Franken für 1 dz.

Seife in Broten, sogenannt „Savon au bois de Eanama, Mortier, L'Hoir et Cie.“: Wie „Seife, andere“ (T. Nr. 59), 6 Franken für 1 dz.

Stöpsel von Schaumweinflaschen, gebraucht und nur nach Umarbeiten wieder verwendbar: Wie „Pflanzen und Pflanzen stoffe, nicht besonders tarifierte' (T. Nr. 65), zollfrei.

Glasplatten mit Einlage von Eisengitter in der Glas⸗ masse: Wie „Glaswaaren, andere“ (T. Nr. 66), 10 0,0 vom Werth.

Laternen, sog. „veilleuses Lacorre“, aus auf CGisenrahmen aufgespanntem Percalin bestehend und in photographischen Dunkel⸗ kammern verwendet: Wie wissenschaftliche Instrumente und Appa⸗ rate (T. Nr. 29), zollfrei.

Kabel aus Aluminium: Wie ‚Maschinen, mechanische Ge—⸗ räthe und Werkzeuge aus Kupfer oder jedem anderen Stoffe“ (T. Nr. 33), 12 Franken für 1 42

Kleine Apparate, sog. „eoryleurs“, aus einer Metallröhre bestebend, die mit einer speziellen Verschlußvoꝛrichtung versehen ist, welche das Entweichen einer sich bei Berührung mit der Hand ver⸗ flüchtigenden Flüssigkeit zu regeln gestattet: Wie „Kurzwaaren und Quincailleriewaaren, andere“ (T. Nr. 38), 15 oso vom Werth.

Flacons, Leim enthaltend, mit spezieller Verschlußvorrich⸗ tung oder speziellem Deckel oder mit Pinsel: Wie vorstehend.

Zusammenstellung von Einzeltheilen, welche verbunden Hahn's Patent⸗Klappfensterbeschlag „Famos“ bilden, in Papp⸗ schachteln eingehend, welche je die berschiedenen Theile einer kompleten Vorrichtung enthalten: Wie vorstehend.

Carburateure, nach Form und Dimension bestimmt, an Automobilfahrrädern angebracht zu werden: Wie, Wagen! (T. Nr. 70), 1200 vom Werth. (Austria)

Türkei.

Verbot der Finfuhr von talghaltiger Seife. Seife, zu deren Herstellung auch Talg genommen wird, ist von der medizinischen Schule in Konstantinopel als gesundheitsschädlich bezeichnet worden und darf daher nicht eingeführt werden. (Handels⸗Museum, Wien)

Griechenland.

Ursprungszeugnisse für die Waareneinfuhr über die Türkei. Nach einer Versrdnung des griechischen Finanz⸗ Ministeriums können durch die Türkei transitierende Waaren, welche aus Staaten, mit denen Griechenland im Handelsvertragsverhäͤltnifse steht, zur Einfuhr gelangen, nur dann nach den Vertragszollsätzen behandelt werden, wenn sie von Ursprungszertifikaten begleitet sind; Ddiese müssen von der zuständigen griechischen diplomatischen oder Konsularbehörde vidiert sein, sodaß aus ihnen die Provenienz der Waare aus dem betreffenden Vertragsstaate unzweifelhaft ersichtlich ist. (Handels · Museum, Wien.)

Vereinigte Staaten von Amerika.

Patentschutz und Urheberrecht im Territorium Hawaii. Die hawaiischen Gesetze über die Ertheilung von Pa⸗ tenten und den Schutz deg literarischen 21. Eigenthums sind durch die Kongreßakte der Vereinigten Staaten vom 30. April 1900 auf⸗ geboben. Gesuche um Ertheilung von Patenten, des Verlags⸗ rechts ꝛc. in dem genannten Territorium sind deshalb an das Patent⸗ amt in Washington zu richten.

In Ansehung der Eintragung von Waarenzeichen (prints), Handelsmarken und Etiketten sind die hawatischen Gejetze und Ver⸗ ordnungen nach wie vor in Kraft. (Ehe Board of Trade Journal.)

Der Umsatz von Baum wolle in den Vereinigten Staaten von Amerika im Oktober 1900 und der Weltvorrath zu Ende Ottober.

Nach der Feststellung der Baumwollbörse in New Orleans be— lief sich der Gejammtumfatz in Baumwolle im Oktober 1900 auf 2171 993 Ballen, gegen 1742 523 Ballen im Vorjahre. Die Zu⸗ nahme beirug daher 429 000 Ballen.

In den Monaten September und Oktober 1900 zusammen betrug die Zufuhr in allen Ablieferungshäsen der Union 2142156 Ballen 1899: 1 913 251 Ballen). Mit den Eisenbahnen wurden über die lüsse Mississippi, Ohio und Potomae 212 813 Ballen verschickt (1899: 299 430 Ballen). Die Fabriken des Südens nahmen 268 915 Ballen (1899: 282 063 Ballen) und die Lager im Innern des Landes enthielten 427 436 Ballen (im Vorjahre 366 491 Ballen). Der gesammte sichtbar gewordene Umsatz an Baumwolle betrug daher zu Ende Oktober 3 051 320 Ballen (1899: 2 861 235 Ballen).

Die Spinner des Nordens empfingen im Oktober 285 567 Ballen (im Vorjahre 355 661 Ballen). Die Ausfuhr in das Ausland stellte sich in den ersten beiden Monaten der Saison auf 1427 107 Ballen, demnach 184 309 Ballen mehr als in der Vorsaison. Die Vorräthe an der Seeküste und an den 29 hauptsächlichsten Märkten des Südens beliefen sich Ende Oktober auf 1147 8536 Ballen, gegen 1473 681 Ballen an dem gleichen Zeitpunkte des Vorjabreg. Mit Einschluß der aus der voriäͤbrigen Ernte stammenden Bestände stellte sich der

Um satz auf 3 173 854 Ballen, gegen 3 480 133 Ballen im letzten Jahre.