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Deutscher Reichstag.
138. Sitzung vom 5. Dezember 1900. 1 Uhr.
Zur ersten Berathung steht der von den Abgg. Dr. Lieber und Genossen (Zentr) am 23. November ein⸗ 5 Gesetzentwurf, betreffend die Freiheit der
eligionsübung.
Nach 81 dieses Gesetzentwurfs steht jedem Reichs— angehörigen innerhalb des Reichsgebiets volle Freiheit des Religionsbekenntnisses, der Vereinigung zu Religionsgemein⸗ schaften, sowie der gemeinsamen häuslichen und öffEÆundeshen Religionsübung zu. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen.
Nachdem der Präsident die erste Berathung für eröffnet erklärt hat, nimmt das Wort der
Reichskanzler Graf von Bülow:
Im Namen der verbündeten Regierungen habe ich die Ehre, nachfolgende Erklärung abzugeben:
Obwohl sich die verbündeten Regierungen über gesetzgeberische Anträge, die aus dem Reichstage hervorgehen, erst schlüssig zu machen pflegen, nachdem der Reichstag seinerseite Stellung ge⸗ nommen hat, halten sie eg im vorliegenden Falle doch für noth— wendig, ju einer so ernsten und das Gewissen det deutschen Volkes berührenden Frage sich alsbald auszusprechen. Die verbündeten Regierungen achten die Ueberzengungen und Gefühle, welche dem Antrage der Herren Abgg. Lieber und Genossen zu Grunde liegen. Sie sehen sich jedoch außer stande, diesem Antrage zuzustimmen, welcher die verfassungsmäßige Selbständigkeit der Bundesstaaten auf einem Gebiete beschränken will, das sie der Zuständigkeit ihrer Landesgesetzgebung vorbehalten müssen.“
; Meine Herren, die aus älterer Zeit überkommene Gesetz gebung dieses oder jenes Bundesstaates mag Vorschriften enthalten, die mit den im größten Theil des Reichs anerkannten Grundsätzen freier Religionsübang nicht überall im Einklang stehen. Wenn ich für meine Person hoffe, daß derartige landesgesetzliche Disparitäten ver⸗ schwinden werden (Bravo!) ich bin durchaus für die Gleich— berechtigung der Religions gemeinschaften — so muß ich als Reichg⸗ kanzler mir doch vor allem var Augen halten, daß meine erste Aufgabe dahin geht, den bundesstaatlichen Charakter des Reichs und die Autonomie der Bundesglieder, soweit die Reichsgesetzgebung die⸗ selbe gewährleistet, nicht ohne willige Zuftimmung der Einzelstaaten beeinträchtigen zu lassen. (Hört, hört! links, Bravo! rechts.) Darin wurzelt das Vertrauen, auf welches die Reichsgewalt bei den Bundes. staaten jählen muß. Dieses Vertrauen ungemindert und ungeschmãlert ju erhalten, ist meine vornehmfste Pflicht (Bravo! rechts), und ich bin überzeugt, daß das hohe Haus mir in dieser Auffassung ; beistimmen wird. (Bravo! rechts.)
Alg. Dr. Lieber; Meine politischen Freunde erkennen an, daß der Reichskanzler bestrebt sein muß, das Vertrauen der verbündeten Regierungen zur Reiche gewalt dadurch zu erhalten, daß er für seine
erson alleg vermeidet, was alg ein Eingriff in die Rechte der
undesstaaten gedeutet werden kann. Dann aber sind melne politischen Freunde mit dem anderen Theile der Erklärung des Reichs⸗ lanzlers, wonach für alle anerkannten Religionsgemeinschaften volle Gleichberechtigung im Reiche berrschen muß, einverstanden. In der Erklärung deß hohen Bundesrathg selbst erblicke ich für meine Person einen wesentlichen Fortschritt. Wir haben heute sogar die erfreuliche Thatsache erlebt, daß der Bundegrath nicht einmal die Begründung des Antrages abgewartet, sondern seine Stellung sofort präzisiert hat.
An sich hat ung der Bundesrath nichts Neue gesagt, wir sind aber
durch die Mißichtung unserer Wünsche so wenig verwöhnt, daß wir schon dankbar dafür sind, wenn wenigstens etwaz gesagt wird. Wenn der hohe Bundegrath anerkennt, daß die religiösen Beichwerden, die wir in den einzelnen Bundegstaaten ju erheben haben, berechtigt sind, so erachten wir das schon als einen e ,n. Diese einzelnen Beschwerden wird mein Frattionegenosse Gröber noch vortragen. Ich hoffe, daß nach der Erklärung des Bundegraths dat Haus Gelegenheit nehmen wird, die einzelnen religiösen Beschwerden in einer besonderen Kommission von 28 Mitgliedern, die ich beantrage, gründlich ju prüfen. Zu meinem Theil habe ich den lebraften Wunsch, daß die Erörterung, welche unser Antrag hervorrufen wird, bler und in der Kommissien sowie in Schoß der verbündeten Re— gerungen ohne alle versönlice und konfessiogelle Schärfe gefäbrt wird. Ich stehe nicht an, zu erklären, daß wir nicht bistimmte Personen, namentlich auch nicht bestimmte Regenten der einzelnen Bun desssaaten im Auge haben, sondern die von Alters her siberkom menen Gesetz gebun gen und ü Diese machen wir für das verantwortlich, waz wir durch unsein
atrag autzuräu nen wünschen. Nichtg liegt ung ferner, als dafür bestimmte Herrscher oder bestimmte Mlnifter verantwortlich zu
machen. Wenn wir Klagen erheben, so erheben wir sie nicht gegen Perfonen, sondern gegen Zustände, gegen die Gesetzgebungen und die Verwaltungsgrundsätze, die wir als völlig veraltet bezeichnen müssen. Wir haben in erster Linie in den letzten Jahren derartige religiöse Beschwerden besonders zu erheben gehabt in Mecklenburg, Braun schweig und Sachsen. In den letzten Jahren haben sich die Klagen aus diesen Ländern über die Behandlung des katholischen Bevölkerungt— theils sehr stark gebäuft. Wenn ein Geistlicher für die Freiheit, an vier verschiedenen Orten eine Messe zu lesen, erst für jede Meffe die hohe poltjeiliche Eclaubniß einholen muß, so ist das eine Er— scheinung, an die wir in Preußen längst nicht mehr gewöhnt sind. In das Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutz ⸗ gebiete, hat ein 5 102 Aufnahme gefunden, welcher den im Deutschen Reich anerkannten Religionsgemeinschaften Gewisfensfreiheit und freie Ausühung ihrer Kulte gewährleistet. Wir haben geglaubt, auch der hohe Bundesrath würde ein Gefübl für das Beschämende des Zustandes haben, daß in den Schutzgebieten des Deutschen Reicht erlaubt ist, kraft eines Reichsgesetzes, ohne daß ein Wort des Bundetraths bei der Verhandlung darüber im Reichstage dagegen gesagt worden wäre, was in den einzelnen Staaten des Deuischen Reichs verboten ist. Daher scheint es ung eine gebotene Konsequenz dieses 8 10a des jüngsten Gesetzes für die Schutzgebiete, eine un— ausweichliche Konsequenz, daß die Reichs- Gesetzgebung nunmehr auch im eigenen Lande den Grundsatz zur Geltung führt, den sie für die Schutzgebiete angenommen hat. Und fo wäre auch ohne die Einzel⸗ beschwerden, die die Sache für uns brennend gemacht haben, die Noihwendigkeit gegeben, schleunigst einzugreifen. Run kommt man mit der Einrede der Nichtzuständigkeit des Reichs. Wir fordern die Religionsfreiheit der Reichgangebörigen und der Religions gemein ˖ schaften. Zunächst sind vor der Reichs ⸗Gesetz jebung die Religiong⸗ gesellschaften Vereine, wie alle anderen Vereine. Der Einwand der Nichtzuständigkeit kann also angesichts des Artikels 4 der Reichsverfassung nicht erhoben werden; man braucht sich ja nur unserer Erörterung aus Anlaß der Frage der Aushebung des Ver— bindungt verbot für Vereine ju erinnern. Wir wollen nicht etwa eine positive Reichs Kirchenhoheit, wir verabscheuen die Staats- hoheit, das jus circa sacra, wir wollen also nicht etwa auch noch dazu die Reichsboheit dem deutschen Volk als Weibnachtsgeschenk be— scheeren. Die Reiche verfassung spricht zwar ferner von der Religions⸗ freiheit der einselnen Reichtangehörtgen nicht, aber sie nennt sie auch nicht unter den Ausnahmen. Also auch dafür ist der Beweis nicht zu erbringen, daß die Religionsfreibeit der Reichs angehörigen nicht zur Kompetem der Reichsgesetzgebung gehört Aber muß man sich nicht überhaupt über das kurze Gedächiniß Derer wundern, die dies argumentieren? Schon i. J. 1869 gab der Nord. deutsche Reichstag ein Gesetz, welches die Äusäbung staatsburger⸗ licher Rechte für unabhängig vom religiösen Bekenntniß erklärte, auch für Mecklenburg, Bayern und Sachsen; und kaum war das Deutsche Reich geschmiedet, als man dieses Gesetz auf das Deutsche Reich augdehnte. Was thun wir also anderes, als dieses deutsche Reichsgesetz seinem Jahalte nach völlig jur Wahrheit machen? Und legte nicht der Bundesrath i. J. 1872 diesem Reichstage ein Jesuitengesetz vor? Kein Mensch hat damals an der Zuftändigkelt der Reichs gesetz⸗ gebung gejweifelt. Wer so in die religisse Freihest in den Einzel⸗ staaten eingegriffen hat, darf heute nicht von Unzuständigkeit reden; diese Klinke der Gesetzgebung darf nicht berührt werden. Und beute ist es offenes Zugeständniß, daß dieses Jesuitengesetz lediglich eine Gefälligkeit gegen Preußen war, um die dortige Kulturkampfgesetz gebung wirksamer zu machen Wer sich beute auf die Unzustãndigkeit des Reichs für die Annahme und Ausführung unseret Antrags besinnt, kommt etwas zu spät. Nichts ist in der Reichs verfassung augführlicher geordnet als der Abschnitt über daz Militärwesen. Fürsorge ist getroffen für alle möglichen und beinahe unmöglichen Eventualitäten; wir haben allgemeine Wehipflicht, ein einheitlicheg deutsches Heer. Da sehen wir auf einmal neben der einbeitlichen Landmacht eine auf der Freiwilligkeit aufgebaute ostasiatische Armee, gänzlich verschieden von allem, was die Reichsverfassung anordnet; wir seben sie entsteben, obne daß auch nur das nöthige Drittel des Bundesraths sich auffhui und die Versammlung des Bundegraths fordert, um Über diese absolute Neuerung sich zu unterhalten und die Zuständigkeit des Reichs dafür zu prüfen; unserem Antrage gegenüber seben wir aber plötzlich den Bundegrath auf dem hohen Rosse der Unzuständigkeit des Reichs. Sebr häufig babe ich gegenüber den Ginjelstaaten die Richt—= juständigkeit der Reichsgesetzzebung vertreten, alz Föderalist, wie unsere ganze Partei, in der redlichen Ueberzeugung von der, Nichtzuständigkeit des Reichs in den betreffenden Fragen. Nichts liegt ons ferner, als die Rechte der Einielfiaalen schmälern zu wollen; aber wir meinen, daß man ju unserem Schaden oft mit einem leichten salto mortale über Kompetenzbedenken hinweggegangin ist, und daß man daher, wenn eg sich um die religiöse Frelbent handelt, sich nicht allein auf die Fompeienzfrage verstesfen sollte. Man bai gesagt, unser Antrag verfolge nur katholische Interessen. Er verlangt nur die staatsbürgerliche Gleichbercchtigung der Bekenntnisse, wie sie durch Jahrhunderie lange Kämpfe erreicht worden ist. Nicht der dogmatischen Toleranz reden wir in unserem Antrage dag Woit, wobl aber können wir ung jusammensinden auf dem Boden der staatg⸗ bürgerlichen Toleranz.
Abg. Lr. Graf zu Stolberg⸗Werntgerode (d. kons.):
Gleich dem Reichskanzler widerstreben auch wir einer Mach terweiterung des Reiches und Schmaälerung der Hoheltgrechte der Cinzelstaaten.
Das ist unser prinzipieller Standpunkt. Dabei bleibt es freilich zweifelhaft, ob unsere prinzipiellen Bedenken gegenüber allen einzelnen Punkten des vorliegenden Antrages angemessen sind. Wenn eine große Partei des Hauseg, mit der wir erfreulicherweise auf manchen Gebieten zusammenarbeiten, ihren Antrag einer Kommission überwiesen zu sehen wünscht, so können wir dem nicht entgegentreten. Wir vinkulieren uns dabei in keiner Weise und behalten uns alles Weitere vor. Aufgabe der Kommission wird es sein, zu ermitteln, welche Pundte aus dem Antrage herausgeschält werden können, die der Reiche verfassung nicht zuwiderlaufen. In diesem Sinne stimmen wir für die Ueberweisung des Antrages an eine Kommission. Abg. von Vollmar (Soß): Wir Sozialdemokraten sind so ziemlich die einzige Partei gewesen, die den Kulturkampf nicht mit— gemacht hat. Wir haben allerdings wenig Dank vom Zentrum dafür Frhalten, baben ibn freilich als Realpolitiker auch nicht erwartet. Wir wissen auch, daß Gewohnheltssünden außerordentlich schwer ab— zulegen sind, daß die Nutzbarmachung religtöser Motive zu Partei⸗ zwecken so sehr die Wesenheit des Zentrums bildet, daß es ihm um so schwieriger werden muß, davon los zu kommen. Unter den Einwendungen gegen den Antrag ist eine ganze Reibe ohne weiteres hinfällig, so z. B. der, daß der Antrag lediglich agitatorisch sei und keinen praktischen Zweck habe. Jede Partei, welche nickt jede Wurzel im Volksleben verloren hat, muß sich an daz Volt wenden. Ein anderer Einwurf war der, der Antrag könne nicht ernst gemeint sein, weil die verbündeten Regierungen nimmermebr darauf eingehen würden. Wenn wir uns nur auf Anträge beschränken wollten, welche den verbündeten Regierungen gefällig sind, wäre der Parla— mentariemus eine Farce, an der ein ernfter Mensch sich nicht betheiligen sollte. Darum kann auch die Erklärung des Reichskanzler keinen Eindruck auf uns machen; er hat nur erklärt, daß den Herren die Ein— bringung unbequem ist. Dem Zentrum aber kann ich den Vorwurf nicht ersparen, daß es einer Anzahl unserer Anträge denselben Einwand entgegengesetzt hat. Einige andere Einwände sind ernfter zu nehmen. Der Antrag und sein Bruder, der den Staatsgerichtsbof will, der sogar Erbfolge und Regentschaftsstreitigkeiten vor sein Forum ziehen soll, sind Schritte zum Einheingstaaf und passen sehr schlecht zum föderativen Prinzip, welches die Partei hier stets ber⸗ treten hat. Die Art, wie Herr Lieber diese Einwände abthat, war zu allgemein; mit solcher Beweisführung kann man alles beweisen Das Reich soll zuständig sein für die Freibeit, aber nicht für die Sklaverei, meint Herr Lieber, und er weist auf das Gesetz von 1869 bin. Dieses Gesetz ist zwar an genommen worden, aber gegen den Widerspruch des Abg. Windthorst. Und wie hat sich das Zentrum zu den Anträgen gestellt, welche ver fassungs⸗˖ mäßige Zustände in Mecklenburg betreffen? Ez hat sich ablehnend verhalten wegen der Kompetenzbedenken bezüglich der Selb stãndigkett der Einzelstaaten. Nun kommt dasselbe Zentrum frank und frei mit diesem Antrage, der auch von dem baversschen Mitgliedern des selben unterzeichnet ist, mit welchen ich darüber an anderer Stelle zu reden haben werde Man hat dem Antrage ferner in der Presse vorgeworfen., der Antrag sei nicht ebrlich gemeint, er ses ein Ausfluß kirchenpolitlscher Heuchelei. Die Zusammenstellung der Worte Toleranz! und Zentrum hat allerdings für den ersten Augenblick etwas Verblüffendes. Aber der daraus konstrulerte Vorwurf hat doch keine Beweiskraft. Die hinter ung liegenden bistorischen Thatsachen kommen in diesem Punkte nicht in Betracht: aber es muß doch festgestellt werden, daß es eine bürgerliche und sittliche Freibeit gegenüber der Wahrheitanotm der katbolischen Kirche nicht giebt, die dogmatische Toleranz ist also für die katholische Kirche unsittlich, wie ich, um sichet ju gehen, nach dem Kardinal Dergen⸗ roether zitiere. Ver Antrag fordert, wie die latholische Kirche, die politische Toleranz für sich, nicht aber, um sie auch ihrerseits zu üben. Nun sind aber die Verhältnisse stärker gewesen als die mensch— lichen Satzungen. Ganze Völker sind von der katholischen Kirche ab⸗ gesallen, und lediglich diese veränderten Verhältnisse haben die katho— lische Kiiche jur Toleranz gejwungen; sie duldet das Uebel, weil fie es nicht andern kann. Auch die katholischen Parteien haben sich dem anbequemen müssen. Sie fordern für die Minderheit eine Toferan, die Sie, wenn Sie in der Mehrheit sind, nicht gewähren. (Zuruf im Zentrum: Bavern! Bayern ist doch kein katbo ischer, sondern ein parttättscher Staat. Gin Münchener katholisches Blait hat den Antrag bekämpft. (Zuruf im Zentrum: Sigl) Eg wird darin gefragt, ob die Juristen und Theologen des Zentrums ihre Studien jeit verschlafen oder sonst verbummelt haben. Im übrigen gehe die Sache dag Reich gar nichts an. Das Zentrum sei ein sehr zweiflbafter Hort der Religlonsfreiheit; ez verfolge bei dem Antrage nur feine eigenen Parteiinteressen. Wir Sozlaldemokraten nehmen den Antrag det 66636 als ernst gemeint und behandeln ihn sachlich. Wir ind Vertreter der Gewissens.; und Glaubentzfrelbeit. Der Staat hat sich in die Religlongübungen und den Kult der eln zelnen Religtongzgemeinschaften nicht einzumischen. Wir wünschen die Trennung der Kirche vom Staat. Dag Zentrum freilich bemüht sich, unsern Grundsatz; „Religion ist Privatsache“, aig nicht ernft gemeint hinzustellen. Wenn einzelne bon ung von diesem Grundsatz abweichen, so ist dag Ihre Schuld (Cum Zentrum), die Sie Religlon und Politik mitesnonder verquicken. Das Zentrum verqusckt fogar die Sontalpolitik mit der Religion; wir haben doch neuerdinag erlebt, daß von boher kirchlicher Seite und auch von einem Theil der Zentrumtyresse konfesstonellen, katholischen Gewerkvereinen dag Wort
geredet witd. Etz giebt freisinnige Leute in und außer dem Hault,
nichtKß mehr fürchten als die Invasion von Mönchen, Nonnen, . und Jesuiten. Ich weise nur . den Abg. Rickert bin. Aber Die Freihelt der Religtonsbeihätigung ol nicht nur katholischen Orden, sondern Allen gewährt werden. Wenn Sle (um Zentrum) konseguent sein wollen, so müssen Sie völlige Trennung der Kirche hom Staate wollen, wie sie in Nord⸗Rmerlka be—= feht. Vie Religionsfreiheit darf nicht von der Gnade der Einjel— staaten r egg gemacht werden. Rellgionsfreihest bedingt, daß die Religlonsgesellschaften von den Staats organen völlig unabhngig sind. Auch wir sind für Kommissionsberathung und werden in der Kom— misston beantragen, daß nicht allein die anerkannten, sondern sämmt. liche Rellgionsgesellschaften völlige Freihest haben müfsen. In diesem Sinne stimmen wir für den Antrag. Abg. Basserm ann (ul): Der sogenannte Toleranzantrag! des entrums hat in breiten Kreisen bedeutende Erregung hervorgerufen. ! sst bon weittragender Bedeutung, nicht nur in der Richtung der Toleranz, sondern auch in der Ausschaltung der Einzelstaaten. Wir werden den Antrag lediglich nach seinem sachlichen Inhalt be⸗ urthellen. Zei der Kritik des Antrages sind Uebertreibungen unter, gelaufen. Man hat von einer Rekatholisierung Deutschlands ge— sprochen. Das heißt doch die Kraft des evangelischen Glaubens in erheblichem Maße unterschätzen. Man hat von einem neuen Kultur ⸗ kampf gesprochen. Bei den sozialen Kämpfen unserer Zeit wird niemand das Bedürfniß haben, neue religiöse Kämpfe zu entfesseln. zich wir wollen den Frieden zwischen Staat und Kirche und jwischen den einzelnen Konfessionen. Ob aber dieser Antrag in allen seinen Thellen dazu dient, den Frieden zu fördern, das ist eine andere Frage. Das Zentrum proklamiert in dem ersten Abschnitt seines Antrages das Prinziv der Toleranz und der religiöfen Freiheit. Das sind schöne Grundsätze, denen wir unsererseit3s immer volle Anerkennung gezollt haben. Wir hoffen, daß daraus auch die Konsequenz gejogen und in allen den Staaten, in denen die Katholiken die große Majorität bilden, der Minder heit der anderen Konfessionen dieselbe Freiheit gewährt wird. Frühere Emanatlonen der katholischen Kirche nahmen einen anderen Stand⸗ punkt ein. Ich erinnere nur an den Syllabus. Diese Grundfätze der offtiiellen katholischen Kirche sind in diesem Antrage verlassen worden. Wag nun die verfassungsrechiliche Seite der Frage, die Kompetenz des Reichs, betrifft, so ist meines Erachtens in der Reichsverfassung eine Handhabe nicht zu finden, durch die die Regelung dieser Angelegenheit herbeigeführt werden könnte. Die Reicht berfassung enthält weder Bestimmungen über die Religions freiheit der Gemeinden, noch der verschiedenen Konfessionen. Wir glauben, daher, daß es sich hier um eine Er- weiterung der Reichsberfassung handelt, und zugleich um eine Aus— schaltung der Landeshoheit. Wir haben gegen eine reichsgesketzliche Festlegung der Religionsfreiheit, gegen eine Aufnahme solcher ein · jelnen Bestimmungen in die Reichsverfassung nichts zu erinnern. Daß entspricht unserer ganzen ⸗ Haltung, die wir in den Jahrzehnten seit Gründung des Reichs eingengammen haben. Wir haben von jeber die Reichsgewalt stärken wollen, und wir werden gewiß auch auf dem Gebiete der Toleranz nicht davor zurückschrecken. Wir haben gehört, daß der Reichskanzler und der Bundesrath es ab— gelehnt haben, eine Einschränkung der Rechte der Einzelstaaten auf diesem kirchenpolitischen Gebiete eintreten zu lassen. Wir haben aber auch gehört, daß der Reichskanzler die Gesetzgebungen, die in einzelnen Staaten bestebhen, als völlig veraltet bezeichnet hat, und das ist zweifellos der Ausgange punkt der ganzen Aktion der Zentrumspartei. Wenn derartige veraltete Einrichtungen bestehen, die Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit in einzelnen Staaten bedrücken und einengen, so müssen wir das überall mißbilligen und wünschen, daß die einzelstaat · lichen Gesetzgebungen möglichst bald Hand anlegen, um derartige ver⸗ altete Zustände aus der Welt zu schaffen. Wir billigen die Toleranz, wo wir sie finden, in jedem einzelnen Staate, aber wir haben diese unsere Tendenz auch stets zur Geltung gebracht. Der Abg. Büsing hat schon 1871, 1372 und in den folgenden Jahren entsprechende An- träge gestellt, die darauf abzielten, die mecklenburgische Ver fassung auf eine moderne Grundlage zu stellen. Wenn man an die Regelung der Religionsfreiheit berantritt, dann muß man sie — darin stimme ich dem Abg. von Vollmar bei nicht nur auf die Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften beschränken, sondern sie auch fordern für die Dissidenten, Altkatholiken und die anderen Religiong⸗ gemeinschaften, wie sie auch heißen mögen. Was die formale Seite der Frage anbetrifft, ob es möglich ist, mit einem der— artigen Gesetzentwurf eine Aenderung der Reichsberfassung zu ver anlassen, oder ob dazu andere Wege nöthig sind, ob eg nicht ing. besondere erforderlich ist, eine Verfassungsänderung herbeizuführen, so ist diese Frage bereits seit der Gründung des Deutschen Reiches aug⸗ führlich erörtert worden. Dazu gehört namentlich die Frage der Reichs Kompetenz. Windthorst stand seiner Zeit auf dem Stand. punkt, daß aus eigener Kompetenz beraus das Reich überhaupt nicht berechtigt sei, seine Kompetenz zu erweitern, und daß daju die Einftimmigkeit der Bundesstaaten notbwendig sei. Wir sind diesem Standpunkt jeweilig entgegengetreten, wir meinen, daß das Reich allerdings aus eigenem Rechte heraus seine Kompe— tenz erweitern kann. Eg fragt sich nur: kann auf diesem Wege ein⸗ facher Reiche gesezgebung eine Abänderung erfolgen unter der Voraus setzung, daß sie im Bundesrath die verfassungsmäßig nöthige Majoritãt sindet, oder muß sie in die Reichzverfassung aufgenommen werden? Ich möchte mich der letzteren Auffassung anschließen. Zweifellos wird eine Verfassungsänderung durch diesen Antrag bedingt. Auf die Einzel. helten des Abschnitts 1 will ich nicht näher eingehen. Wenn im 52 dem Kinde nach beendetem zwölften Lebensjahre die Entscheidung über sein religiöses Bekenntniß eingeräumt wird, so ist dieser Vorschlag für ung absolut unannehmbar. Er muß bei gemischten Ehen zu unerwünschten Konflikten führen. Das Landegrecht wird durch den Antrag in erheblichem Umfange beschränkt. Wir stehen auf dem Standpunkte: die katholische und die evangelische Kirche sind öffentliche Korporationen mit staatlichen Privilegien. Die Regelung ihrer Angelegenheiten kann deshalb nicht der Vereinsgesetzgebung überlassen werden. Die Staatzaufsicht ist in Bayern durch Konkordat geregelt, und in anderen Staaten herrschen befriedigende Zustände in⸗ solge staatlicher, autonomer Gesetzzebung. Wir halien also an dem Prinzip fest, daß man die großen geltenden Religtonz⸗ gemeinschaften nicht herabdrücken soll in die Stellung von Privat- vereinen. Diese Gemeinschaften sind auch mit so reichlichen Geldmitteln vom Staat auegestattet, daß eln vollfländiges Ignorieren und Ausschalten des Staates unmöglich ist. Wir müssen deshalb an der Staatgzaufsicht festhalten. Dem Antrag deg Abg. Lieber auf Kemmisstoneberathung schließen wir ung an,. Auch wir wünschen, daß die Punkte des Antrages in der Kommission eingehend geprüft werden, damit eisichtlich wird, ob auf dem Wege der einjelstaailichen Hesetzgebung Mißstände zu besestigen sind. Dabei werden wir aber mmer für die volle Wahrung der Rechte des Staates einzutreten aben. 6 Abg. Richter (fr. Volkep.): Es ist als ein Fortschritt zu be= eine daß n des Bundesraths vor Eintritt in die Debatte Erklärungen abgegeben werden. Damit ist die bisherige Praxig durch · brochen worden. Im letzten Abschnitt der Regierung des Fürsten Bismarck war die Praxis für den Bundesrath aufgekommen, sich an der Debatte nicht zu betheilsgen, bis ein Beschluß des Hauseg vorlag. Das Verhältniß jwischen Bundesrath und Reichstag wird jedenfalls in der jetzigen Praxis erleichtert. Ich hoffe, daß der Bundegrath noch weiter geben und sich nun auch an ber Debatte bethesligen wird. Freilich kann man auch in der setzigen Praxis ju weit gehen, indem zum Beisplel der Herr Reiche lanzler schon bestimmte Stellung genommen hat, ehe der Antrag selbst begründet worden war. Alg eg beuse ju Beginn der Sftzung bieß, der Reiche kanzler werde eine Erklärung abgeben, batte man nicht erwartet, daß sich diese Giklärung auf diesen Antrag beniehen würde. Man glaubte vielmehr, der Herr Relchskansler wärde sich über die Haltung der Regierung bei der Abweisung des Präsidenten Krüger aussprechen. Die einbeitliche Regelung der Reltgionsfreiheit är dag ganze Reich ist mit dem söceratipen Piinjip wobl vereinbar. Die Fortschrittzpartei hat diesen Standpunkt schon im Nord⸗
deutschen Reichstage im Jahre 1867 zusammen mit der bundes« staatlich konstitutlonellen Fraktion vertreten, und wir sind stol darauf, daß damals in die Reichsverfassung durch den Abg. 2 Wichers Mecklenburg) ein Theil des Artikeis 12 der preußischen erfassung erübergenommen worden ist. Damals hat der Abg. Windihorst da gef estimmt. Der ie g. S L des Antrags deckt sich sachlich mit dem
rtikel 12 der preußischen Verfassung; er will die individuelle Religions⸗ freiheit aller Reichsangehörlgen schützen. Uns geht der Antrag det Zentrums nicht weit genug, weil er sic nur auf die anerkannten Religionsgemeinschaflen bezieht. Wir verlangen Freiheit für alle Religionsgemeinschaften, für die Dissidenten sowohl wie für die Altlutheraner. Nicht nur in Braunschweig, Sachsen und Mecklenburg werden Kinder zum Unterricht in einer Religion gezwungen, welche die Eltern verabscheuen; es geschieht dies auch in Preußen gegenüber den Dissidentenkindern, bei welchen sich die Behörden herausnehmen, einen Normalbegriff von Religion ju statuleren, unter den die Difsidentenkinder einfach fallen sollen. Wir wollen nicht nur freien Austritt aus den anerkannten Kirchen, sondern auch Freiheit der Anschlleßung an alle Religionsgesellschaften. Gleich⸗ beit und Freiheit für alle, nicht allein für die anerkannten Gemein, schaften; keine Konzession der Obrigkeit; volle Vereingfreiheit. Wir verlangen, daß die juristische Persöonlichten für alle Religionsgesellschaften erworben werden kann.
Abg. Fürst Radziwill (Pole): Wir betrachten den Antrag im allgemeinen als ein viel verhelßendes legielatorischeg Vorgehen und begrüßen ihn als solches. Auch wir sind fär ein gemein sames, religiöses Röchtsbewußtsein für das ganze Reich. Gerade die polnische Be⸗ völkerung, welche in nationaler und religiöser Beziehung viel unter dem Druck der Behörden zu leiden hat, weiß am besten religiöse Freiheit zu schätzen. Redner giebt einer Reihe Beschwerden der Polen wegen des Religionsunterrichtß in der Muttersprache Augdruck und verliest einen Artikel der Posener Zeitung“, nach welchem die anti⸗ polnische Agitation von der Regierung unterstützt werde. Er fordert entschieden Religionsfreiheit auch für die Polen und volle Freihest des Religiongunterrichts in polnischer Sprache.
Staatssekretär des Innern, Staatg⸗-Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:
Meine Herren! Der verehrte Herr Vorredner hat in seinen Ausführungen Bezug genommen auf einen Artikel der „‚Posener Zeitung“. Ich möchte ihn dringend bitten, die Königlich preußische Staatsregierung nicht verantwortlich zu machen für diesen Artikel. Ich glaube, es liegt der Königlich preußischen Staatgregierung der Ge— danke vollkommen fern, irgendwie die legitime Verbindung zu unter brechen oder zu behindern, die zwischen der katholischen Kirche einer ⸗ seits und ihrem geistlichen Oberhaupt andererseits bestebt. Für Ge— danken, wie sie der Herr Vorredner aus jenem Artikel folgert, kann deshalb die Königliche Staatsregierung unmöglich verantwortlich ge— macht werden.
Der Herr Vorredner ist ferner auf eine Reihe Gravamina zu sprechen gekommen in Bezug auf die Handhabung der Schul⸗ und Kirchengesetzzebung in der Provinz Posen. Ich bin selbstverständlich nicht in der Lage, da ich zwar preußischer Staatz. Minister, aber nicht der Ressort⸗Minister bin, auf diese einzelnen Beschwerden, die sich gegen die preußische Kirchen, und Schulverwaltung richten, hier im Reichetage zu antworten. Ich muß das meinem Herrn Kollegen im Kultus⸗Ministerium vor dem preußischen Abgeordnetenhause über- lassen; aber, wenn der Herr Abgeordnete gesagt hat, die preußische Staatsregierung ließe sich treiben von den Wogen der Agitation (sehr richtig!, so bin ich genöthigt, dem bestimmt zu widersprechen. Die preußische Staatsregierung hat indeß die Verpflichtung, in einer Provinz, in der so außerordentlich schwierige politische und religiöse Verhältnisse vorliegen, vor allen Dingen darauf zu sehen, daß Ruhe und Frieden in dieser Provinz herrschen und daß dieselbe dauernd in der Lage bleibt, die Aufgaben, die sie der Gesammtheit des preußischen Staats gegenüber hat, auch zu erfüllen. (Zuruf von seiten der Polen.)
Abg. Rickert (f. Vga.): Es würde ung außerordentlich leicht werden, aus der polnischen Presse eine ganze Reibe von Aus sprüchen zu zitieren, welche viel gravierender sind als die von dem Fürsten Radziwill vorgebrachten. Diese Dinge gehören aber ins Abgeordneten haus, wo wir uns weiter darüber unterhalten werden. Die gegen wärtige Debatte wollen wir damit nicht belasten. Ueber die Frage der Zuständigkeit ernsthaft zu streiten, lohnt wirklich nicht. Auf die Ginzelheiten ist Herr Lieber nicht eingegangen, und das war vielleicht im Interesse des Friedens klug genug von ihm. Mit dem § 1 des Gesetzentwurfs sind wir einverstanden, anderg stehen wir aber zu dem jweiten Theil, der die Freibeit der Religionsgesellschaften betrifft. Die Beseitigung der Religions beschwerden, die in ver— schiedenen Einzelstaaten erhoben worden sind, wünschen wir auch und hoffen, daß die Erörterungen in der Kommissien den Weg dazu ebnen werden. Aber weshalb sollen nur die anerkannten Religionsgesell⸗ schaften der Freiheit lheilhaftig werden, die die Antragsteller ver⸗ langen? Wir haben indessen die Hoffnung, daß trotz dieser Be—⸗ schränkung aus der Kommissionsberathung eiwas Brauchbares ent- ; n wird.
1 Dr, Stockmann (Ry.): Dem Grundgedanken des Antrages
steht wohl jeder sympathisch gegenüber, der sich die humanistische
Bildung unserer Zeit ju eigen e ne. Bedenken haben wir
dennoch schon mit Rücksicht auf die Frage der Erwelterung der
Reichs kompetenz, und dann mit Rücksicht auf den Widerspruch, in dem
der Antrag zu dem Verbalten katholisch⸗ ultramontaner Mehbrbeiten in
gewissen Staaten steht. Zu dem letzteren Punkte hat der Abg. von
Vollmar schon das Nöthige bemerkt. Wenn dag Zentrum auch in letzter
Zeit eine nationale Haltung bewiesen hat, so hat es doch ftets bei
der Konkurrenz nationaler und religiöser Interessen die letzteren voran .
gestellt. Dag haben wir erst jlngst noch bei der Nachwabl im dritten
Posenschen Wahlkreis gesehen. Die n, . des Reichs bestebt
für den Antrag des Zentrums bisher nicht. as Zentrum hat schon
im Jahre 1871 bei Berathung der Reichsverfassung einen Antrag
eingebracht, der in nuce daeselbe enthielt, was der jetzige Antrag
bringt; jener Antrag ist aber vom ganzen Hause abgelehnt worden, weil man die Grundrechte nicht in die Verfassung aufnehmen wollte, da dadurch die Rechte der Einzelstaaten zu sebr beschnitten würden. Dar Gesetz von 1869 hat per Reichstag als ein schon vorhandeneg in den Kauf genommen, aber j de Erweiterung aug⸗ schließen wollen. Auch der Separatv trag mit Bavern schließt in seinem Artikel 2 eine Erweiterung det Reicht kompetenz aus. Der An- trag greift tbatsäblich außerordentsich tief in die Staatshoheit der evangelisch lutherischen Staaten Schsen, Braunschweig und Mecklen burg ein; aber auch für Bayrn j. B. würde das placetum regium damit beseitigt werden, und in Preußen würden damit nicht nur die aufgehobenen Artikel dt Verfassung wiederhergestellt, sondern darüber hinaus noch viel weitete Rechte den Kirchengemetnschaften ge⸗ geben werden. Mit dem Anttage würde überdieg das Jesuitengesetz sammt allen die Jesuiten Betreffenden einzelstaatlichen Vorschriften aufgehoben sein; darin erblicken wir eine Gefahr für den konfessionellen
Frieden und können schon aus diesem Grunde dem Antrage nicht zu
stimmen. Gegen die Kommissionsberathung haben wir nichts ein uwenden. ⸗ ;
; Abg. Dr. Pichler (Zentr.): Wir haben es schon als einen großen ortschritt zu betrachten, daß die seitentz der Katholiken in verschiedenen mnzelstaaten erbobenen Religionsbeschwerden vom ganzen Hause bei
seltener Einmüibigkeit aller . als berechtigt anerkannt worden
sind, und wir boffen, daß diese Ginmüthigkeit auch auf die betheiligten
Staaten und verbündeten Regierungen niht ohne Gin fluß bleiben werde.
Den Schutz der religiösen Freiheit haben die Vertreter der Katholiken
worden. Ueber die Zufländigkeit kann n Gesetz von 1869 und 1872 kein Zweifel sein. Es würde nicht schaden, wenn durch diesen Antrag dag placetum regium in Bayern aufgehoben würde; die Kämpfe, die darum ausgefochten werden müßten, sind längst aug⸗ gefochten worden und haben mit einer Niederlage der Regierung geendet. Wenn das Jesuitengesetz dieses Schicksal theilte, wäre es ebenfalls nicht schade darum, sondern nur eine erfreuliche Thatsache, da doch der Relchztag zu wiederholten Malen mit immer er,. Mehrheit die Beseintigung dieses Gesetzeh verlangt hat. or der Rückkehr der Jesuiten scheint Herr Stockmann große Angst zu haben; es ist aber noch die Frage, ob dieses Gesetz durch den . abrogiert wird. Es ist dann gesagt worden, die ultramontanen Parteien in anderen Ländern sollten sorgen, daß dort die anderen Konfessionen gleichberechtigt würden. Diesem Einwand gegenüber weise ich darauf hin, daß erst jüngst in Steiermark eine protestantische Kirche ein⸗ geweiht worden ist. Die Auslegung, welche der Abg. von Vollmar dem sozialdemokratischen Programmsatz Religion ist Priratsache“ ge= geben, war eine sehr subjeltive. (Widerspruch bei den Sogial⸗ demokraten.) Lesen Sie doch Ihre offtjiellen Parteitags protokolle. Zuruf bei den Sozialdemokraten.) ch kann nur konstatieren, daß über diesen Programmsatz innerbalb Ihrer Partei verschiedene Meinungen bestehen. Dann hat Herr von Vollmar die Ge⸗ legenheit benutzt, um auch die Gewerkschaftzfrage hereinzujieben. Diese Frage ist vorläufig durch die Erklärung des Erjbischosg von Freiburg an die Vertieter der Mannheimer katholischen Arbeiter · vereine erledigt. Unser Antrag bezweckt keineswegg nur eine Ver⸗ besserung der Lage der Katholiken. Nach seinem Wortlaut soll er vielmehr allen anerkannten Religionggemeinschaften, also auch . B. den Alt. Lutheranern, zu gute kommen. Wir hoffen auch, daß der Antrag in der Kommission sowohl wie im Bundesrath eine eingehende Würdi⸗ gung finden wird. Ich komme nun zu den Klagen, welche katholischerseits Über verschiedene Bundesstaaten zu erheben sind. Man kann lagen: je kleiner der Staat, um so größer die Klagen. Da ist zunächst Reuß j. C. In Gera, das etwa 2000 Katholiken aufweist, werden den Katholtken die Kirchen⸗ und Schulbauten äußerst erschwert. Die katholischen Gemeinden dürfen nicht einmal Schulgeld erheben. Die reußischen Katholiken sind geiwungen, ihre Glaubensbrüder anzubetteln. Auch in Sch warzburg⸗Sondershausen steht es schlimm. Dort ist der katholische Gottesdienst in polnischer und czechischer Sprache für die fremden In dustrie, und Bergarbeiter verboten worden. Ja, man bat sogar katholische Priester polnischer und böhmischer Natlonalität ausgewiesen, weil sie Gottesdienste in diesen Sprachen abgehalten haben. Erst lockt man diese fremden Arbeiter durch Agenten an, um ihnen dann den Gottesdienst vorjuenthalten. Auch aus Braunschweig ertönen tiefe Klagen. Dort müssen die katholischen Väter zwischen Geburt und Taufe der Kinder anmelden, ob dieselben katholisch getauft und erzogen werden sollen. Es herrscht hier die größte Imparität; denn gegenüber den evangelischen Vätern bestehen keinerlei Vorschriften. Den katho⸗ lischen Geistlichen werden die Bibeltexte vorgeschrieben, die sie dem sonntäglichen Gottesdienste zu Grunde zu legen haben. Will ein katholischer Geistlicher eine Trauung und Beerdigung vor⸗ nehmen, so darf er es nur thun, wenn er die Erlaubniß des Staats. Ministeriums hat und zugleich zu Protokoll angelobt, daß er die Porschriften des braunschweigischen Katholiken⸗Aufsichtegeseßzes von 1867 getreulich befolgen will. Auch auf dem Schulgebiet besteben allerlei Mißstände. Es ist vorgekommen, daß katholische Kinder gewaltsam zur Theilnahme am protestantischen Unterricht gejwungen sind. Unlängst hat eine große Katholikenversammlung in Braunschweig stattgesunden, welche die vielfachen Beschwerden in einer Eingabe dem Staats, Ministerium übermittelt hat. Damit kann ich Braunschweig verlassen. Ich komme zu Mecklenburg. Selbst die protestantischen Mitglieder der Ständekammern von Mecklenburg haben an die Re—⸗ gierung das Ersuchen gerichtet, mit Rücksicht auf die Zunahme der Fabrikarbeiterbevölkerung den Bedürfnissen der latholischen Arbeiter mehr entgegen ukommen. Dem Ersuchen ist, nicht entsprochen worden; dagegen hal das Schweriner Ministerium der geiftlichen Angelegenheiten eine Menge von Maßregelungen gegen katholische Geistliche und Ordensmitglieder verfügt. In Schwerin wurde den Grauen Schwestern der heiligen Elisabeth, die Nieder lassung persagt. In jedem Falle, wo ein katholischer Geistlicher Messe lesen will, muß er vom hohen Großberjoglichen Ministerium die Erlaubniß dazu haben. Ich kann diejenigen katholischen Geist- lichen, die den katholischen Arbeitein von der Einwanderung nach Mecklenburg abrathen, nur loben. Bleibt mir noch schließlich das Königreich Sachsen. Die sächsischen Katholiken kann man nicht aus den katholischen Kirchen ausschließen, aber es zommen doch böse Ver⸗ gewaltigungen vor, und das Vikariatsgericht, welches darüber ju ent- scheiden bat, zählt in seiner Mehrheit Protestanten. Das placetum regium besteht selbstverständlich auch in Sach sen. Aus. wärtigen katholischen Geistlichen ist das Lesen einer Messe in Sachsen ebenfalls nicht gestattet, wenn sie nicht vorher sich mit der Polizei verständigt haben. In den Ftreisen des Evangelischen Bundes hat in jüngster Zeit die Zunahme der Katholiken unter dem saͤchsischen Adel besondere Aufmerksamteit erregt; Professor Nippold hat darũber einen besonderen Vortrag gehalten. Weitere Aufregung hat dann das Auftreten des Prinzen Max und namentlich auch die bekannten Ver⸗ gänge bei der Fronleichnamsprozession hervorgerufen. Es wurde der Name des Kriegs ⸗Ministers Generals von der Planitz hinein-⸗ gejogen. Eine Eiklärung desselben nahm dag amtliche Blatt nur auf der letzten Seite unter den bezablten Inseraten auf. Dem Grafen von Schönburg, einem Katholiken, wurde in seiner eigenen Kapelle nicht gestattet, für die latholischen Arbeiter Gottesdienst abzuhalten. Redner zäblt noch eine Reihe weiterer Ent⸗ schließungen des sächsischen Ministeriums auf, welche gegen den Grafen Schönburg gerichtet seien. Es sei j. B. versügt worden, dat Kino eines Hautbediensteten des Grafen Schönburg dürfe nicht in dessen Hauskapelle getauft werden. Der Graf sei ein Schwager des österreichischen Thronfolgers. Auch diesem würde nach der Ent- schliehung des sächsischen Ministertums der Dauskaplaa die Theil⸗ nahme am katholischen Hausgottesdienst verweigern müssen, wenn die Reichsregierung nicht kesondere Maßregeln für den Fall träfe, daß es dem österreichischen Thronfolger einfallen sollte, den Grafen Schönburg, Vorderglauchau zu besuchen. Bei den Gottes diensten in dem gräflichen Schloß hielten Gendarmen die Zugänge besetzt, um das Publikum zurückzuhalten. Zeitweise seien sogar die eigenen Beamten des Grasen von dem Gonesdienst gewaltsam aus- geschloss'n worden. Das sächsische Kultutz. Ministertum babe die meisten Verfügungen der Amt, und Kreis hauptmannschaft lediglich bestätigt. Das Zentrum habe diesen Antrag gerade jetzt gestellt, weil diese Mißstände in der letzten Zeit so start hervorgetreten selen. Es hoffe, daß das Schicksal des Antrages ein solcheg sein werde, daß es die berechtigten Ansprüche der katholischen Kirche befriedige.
. Il glich sächsischer Bevollmächtigter zum Bundetzrath Dr. Graf von Hohenthal und Bergen (außerordentlich schwer verständlich) bemerkt! zunächst, daß die Erllärung, die der Reichskangler im Namen der verbündeten Regierungen abgegeben habe, ihn der Nothwendigkeit Therhebe, auf den matertellen Theil des Antrages einzugehen. Er be⸗ schäftigt sich ausführlich mit der Wechselburger Angelegenheit and führt auf Grund deg Aktenmaterials und der ministeriellen Ver⸗ ordnung den Nachweig, daß das Verhalten der Reglerung durchaut loyal sei und im Einklang mit der Auffassung deg katho— lischen Königs stehe. Wenn das apostolische Vikariat sich darauf berufen hätte, daß früher bereits die ministerielle Genehmigung zur Abbaltung öffentlichen katholischen Gottegsdienstes in der privaten Wechselburger Schloßkapelle ertheilt worden sei und deshalb setzt nicht verweigert werden düife, so müsse darauf bingewiesen werben, daß nur gewissen Geistlichen für ihre Person gestattet worden sei, die Hautzandacht zum sogenannten Privatgottesdienst zu erweitern, daß diese Erlaubniß aber ledegmal mit dem Abgange der benreffen⸗ den Geistlichen wieder binweggefallen sei. Stiftunge gemäß müßten die von der Mutter deg Grafen von Schönburg zum Ge- dächtniß ihreg Gemahls eingerichteten evangelischen Gottesdienste
schon im Jahre 1548 verlangt. Ihre ö allerdings abgelehnt
auch heute noch in der Kapelle abgehalten werden, weg halb die völlige