Dentscher Reichstag. 18 Sitzung vom 12. Dezember 1800. 1 Uhr.
Fortsetzung der ersten Berathung d * , dn nn r *in zralbung. den
a n (kr. Vgg.): Es ist mehrfach angedeutet worden, daß die Einführung eines neuen Gewehres in der Arrtee bevorstände, und Deutschland damit abermals eine 100 Millionen Ausgabe ju leiften hätte. Nach meinen Erkundigungen beruhen diese Gerüchte auf einem Irrthum. Es wäre aber sebr verdienstlich, wenn der Kriegs ⸗ Minifter auch seinerselts eine berubigende Erklarung abgäbe; denn
ä der heutigen Leichtgläubigkeit des Publikums findet auch das Widersinnigfte sehr leicht Anklang. Waß die Finanzlage betrifft, so muß in der That eine Reform des Steuersystems Platz greifen. Führen Sie eine ReichzErbschaftssteuer ein, ich bin durchaus dafür; ich sehe aber nicht, wie die dagegen vorhandenen Widerstände beit den . und bei den verbündeten Regierungen gebrochen werden ollen. Die Furcht vor einer Erhöhung der Matrikularheiträge ist
mir ganz unverständlich. Man hat sich jetzt viel zu sehr daran
gewöhnt, daß die Matrikularbeiträge durch die Ueberweisungen mindestens aufgewogen werden; und wir haben doch früher ine serbal gen bis zu 90 Millionen obne jede Ueberweisung gehabt. Auch für den neuen Zolltarif verlange ich volle Oeffenilichkeit; es darf die Bevölkerung nicht stückweise und auf dem Wege der Ver hökerung, wie es leider immer beim Etat geschieht, davon unterrichtet werden, durch Leute, die durch Verbindung mit Ministerien = — denn die Bundesrathgmitglieder sind ja zur Geheimhaltung verpflichtet — in den Besitz dieser Aktenstücke kommen. Man braucht ja bloß die Zu⸗ sammensetzung des wöthschaftlichen Ausschusses anzusehen, um dieses Verlangen gerechtfertigt zu finden. Graf Limburg freilich braucht die Deffentlichkeit nicht, es stehen ja die Herren des wirthschaftlichen Aus—= schusseg zur Verfügung. Handel und Industrie hätten längst ihre Stimme für die Erneuerung der Handelsverträge erheben müssen, wenn es auch den Herren Agrartern nicht gefällt, die ja schon darüber sich aufregen, daß Herr Professor Schmoller vom Reichskanzler empfangen wird. In den Versammlungen des Bundes der Land⸗ wirthe fordert man, daß der Staatz die kommunglen Steuern des Landes trage, daz beißt doch, daß die Städte auch noch die Kom munalsteuern für daz platte Land tragen sollen. Daß der Be, trieb der Landwirthschaft bei den fetzigen Zollsaͤtzen nicht mehr lohnend sei, wie es die Herren Agrarier behaupten, hat der preußische landwirthschaftliche Minister in aller Form im preußlschen Abgeordnetenhause für falsch erklärt. Gewiß ist die Leute, noth eine sehr unerfreuliche Erscheinung; aber die Zölle sind nicht daran schuld. Die Herren Agrarier wissen heute den Bruder Bauer sehr gut ju nehmen; das ist von ihnen sehr praktisch, und ich beklage, daß die Herren vom Handel und von der Industrie sich zu vornehm daiu dünken. Graf Kanitz hat ja schon die Meinung ausgesprochen, daß es zur Erneuerung der Handelsyerträge nicht kommen werde, weil die Zölle in den anderen Staaten in die Höhe gesetzt seien. Ja, wer hat sie denn in die Höhe getrieben? Niemand anders als unsere Agrarier. Die Russen und ihre Vertreter sind doch auch so klug, zu wissen, wie in Deutschland auf wirthschaftlichem Gebiete der Hase läuft. Die Anbaustatistik widerlegt ebenfalls die pessimistischen Ausstreuungen der Agrarier. Das Veilangen nach einer gründlichen und umfassenden landwirthschaftlichen Enquste habe ich meinerseits schon seit langen Jahren in Preußen erhoben, ohne daß man bis jetzt diesem Gedanken entsprochen hätte. Jitzt soll eine solche stattgefunden haben, aber das Ergebniß bleibt geheim, und nur auf dem Umwege über die Münchener Allgemeine Zeitung“ erfährt man Ginigeg dataug. Baden hat eine derartige Enqutte längst veranstaltet und der breiten Oeffentlichkeit überliefert. Aber selbst an jener Enquéte, die zweifellos mangelhaft hergestellt ist, läßt sich erkennen, daß der Grundbesitz ein viel größeres Interesse an der Viehhaltung bat als am Körnerbau. Die Erhebungen des Bauernvereins Nord.⸗Oste haben ebenfalls erwiesen, daß die meisten mittleren und kleinen Besitzer Getreide zukaufen müssen. An Getreide⸗ jöllen hat nur ein ganz geringer Prozentsas der agrarischen Be— völkerung Interesse. (Widerspruch recht.) Sie verneinen das, Herr Graf Limburg? Die Siemens'schen Zahlen baben bewiesen, daß eg ein ganz ungeheuerliches Verlangen ist, um dieser wenigen Tausend Großgrundbesitzer willen die Gesetzgebungsmaschine in Bewegung ju setzen, um Millionen und Millignen der unbemittelten Be⸗ völkerung diese Zolllasten aufzuerlegen. Ist es wirklich geboten, die ganze deutsche Bevölkerung mit einem unerhörten Kornzoll zu belasten, nur um diese wenigen Tausende, die zum großen Theil sehr stark verschuldet sind, unter denen sich viele Grandseigneurs befinden, über Waffer zu balten? Da wäre es doch viel praktischer, wenn man vie Leute von Staatswegen einfach auskaufte. Der Bund der Landwirthe spricht sich das Verdienst zu, durch den Abg. Roesicke, Kaiserslautern in der südafrikanischen Frage im Reichstage den einng richtigen Stand punkt vertreten zu hahen. Das muß ich entschieden bestreiten. Wenn die Herren in dieser Weise gegen unsere äußere Politik auftreten, so sind sie schlechte Stützen von Thron und Altar. Sie (nach rechts) verlangen geradezu von der Regierung, daß sie ju Gunsten der Buren eine Intervention eintreten läßt. Ich behaupte im Gegentheil: auch der Nichtempfang des Präsidenten Krüger in Berlin war ganz korrekt und geboten, so schmerslich das auch für manche Kreise sein mag. Sollten sich etwa in Berlin dieselben Scenen wiederholen wie in Köln? Nachdem England ein Schiedsgericht abgelehnt hat, können die ver⸗ schiedenen Nationen nicht auf ein solches Schiedagericht dringen, da dag nur zu Verwickelungen mit England führen müßte. Das wird auch im Ausland anerkannt. Die Neue Zürcher Zeitung“, ein demokra— tisches Blatt (Zuruf links: Liberales ), nun streiten wir nicht dar⸗ über, also ein liberales Blatt, bezeichnet die Haltung unseres Kaisers als vollständig richtig. Wenn die französischen Chaupinisten sich über etwas in Deutschland erhitzen, so ist immer größte Vorsicht geboten. Krüger's Empfang in Berlin hätte weder ihm noch, uns nützen können. Auch Fürst Bismarck bat seiner Zeit immer die Nothwendigkeit betont, daß wir mit England uns gut stehen. So wie Fürst Bismarck seiner Zeit praktische Real volitik getrieben bat im Interesse Deutschlandg, so mußte es auch jetzt weiter gescheben. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn die deuische Regierung in einer Stuation, die ohnehin schon eine Masse von Schwierigkelten in sich birgt, sich jetzt auch noch in den Trangoaal⸗ konflikt mischen wollte. Ich hoffe, daß die große Mehrheit deg Reichstages hinter dem Reichzkanzler fteben wird, und ich habe auch die Hoffnung, daß der Reichskanzler rotz aller gegentheiligen Strö— mungen eg fertig bringen wird, auch den wirthschaftlichen Frieden unter den Völkern iu erhalten.
Kriege⸗Minister, General der Infanterie von Goßler:
Der Herr Abg. Rickert hat die Güte gehabt, mir zu versichern, ich glaubte nicht, wie leichgläubig das Publikum wäre. Das mag ja sein, aber ich hätte es doch nicht für möglich gehalten, daß die Gerüchte von der Umbewaffaung der Infanterie und Artillerie hier in diesem hohen Hause geglaubt werden könnten, wenn nicht der Herr Abg. Bebel ein derartiges Gerücht, das im Vorwärts“ stand, und nach welchem eine Division deg X. Armee storps umbewaffnet werden solle, hier erwähnt bätte. Derartige Gerüchte finden sich nach meinen Erfah— rungen übrigens regelmäßig im ‚Vorwärtt“ dicht vor den Etattzreden des Abg. Bebel, auf die er sich dann in der Regel bezieht, die jedoch gewöhnlich unrichtig sind.
Die Thatsache bejüglich der Gewehre ist folgende: In den Zeitungen war die Rede von einem skandinavischen Gewehr mit auto— matischer Ladeelnrichtung. Die Gewehr ⸗Prüfungekommlission, die dazu da ist, sich über derartige Erfindungen auf dem Laufenden zu erhalten, beantragte infolgedessen, ein solches Gewehr zu beschaffen. Es wurde deshalb bel dem Erfinder angefragt, und hat er die Lieferung eineg Gewehrg zugesagt. Big zum beutigen Tage ist eg aller⸗
Auch dieseg trifft nicht zu.
dings noch nicht eingegangen. (Hört! bört! Wie man mit diesem Gewehr, das nicht vorhanden ist, eine Division um bewaffnlen soll, ist unerfindlich. (Heiterkeit) Was die Artillerie
anbelangt, so wurde behauptet, unsere jetzige Artilleriebewaffnung
wäre verworfen worden, und würde ein neues Geschütz eingeführt.
Fabriken Krupp und Ehrart eine bessere Vorrichtung jur Hemmung des Rücklaufes angeboten, und ist den genannten Fabriken anheim⸗ gegeben worden, sie der Artillerie ⸗Prüfungskommission, als der Ressortbehörde, jur Prüfung vorzulegen. Auch diese Geschütze sind noch nicht eingetroffen. (Große Heiterkeit, ;
Dem Heirn Abg. Liebermann von Sonnenberg erwidere ich, daß es nach den Ausführungen, die er gestern über einen Unteroffizier, dessen Versorgung ihm nicht ausreichend erschien, gemacht hat, doch den Eindruck gewinnen könnte, als ob das Versprechen, das unser verehrter alter Kaiser ihm seiner Zeit gegeben hat, nicht ge— halten worden wäre. Das trifft in keiner Weise zu. Die Tüchtigkeit dieses Unteroffiziers im Kriege erkenne ich durchaus an. Der Mann hat sich das Militär⸗Ehrenzeichen 1. Klasse und das Eiserne Kreuz 2. Klasse erworben. Infolgedessen wurde er in den Militär Verwaltungsdienst übernommen, und hat er es in diesem bis zum Garnison. Verwaltungs ⸗Inspeltor, also zur Stelle eines oberen Beamten, gebracht. Im Jahre 1893 wurde er infolge einer Denumiation in eine gerichtliche Untersuchung verwickelt, aber freigesprochen, doch suchte er bald darauf seine Pensionierung wegen Blutandranges zum Kopte und Gedächtnißschwäche nach, die ihm im Jahre 1894 be— willigt wurde. Seine Pension beträgt 1941, also annähernd 2000 (Heiterkeit)
Abg. von Gleboeki (Pole) führt aus, es sei von der großen Mehrhelt des Hauses anerkannt, daß im Deutschen Reichstage auch die Angelegenheiten der polnischen Preußen erörtert werden können, besonders wenn es sich um Reichstagswahlen handle. Von dieser Voraugzsetzung ausgehend, nimmt Redner das Verhalten des Erz— bischoft von Stablewekti gegen den Propst von Krzesinsti in Alt ⸗ Kloster nachdrücklich in Schutz. Die scharfen Angriffe, welche der Abg. Dr. Sattler gegen den Gtjbischof aus
diesem Anlaß gerichtet, seien ganz und gar nicht berechtigt gewesen.
Gegen einen solchen Ton, wie ihn der Abg. Dr. Sattler ohne alle Veranlassung in den Reichstag eingeführt habe, müßten die pol⸗ nischen Vertreter protestieren, ingbesondere auch gegen derartige Aus⸗ falle auf die katholische oberste Kirchenbehörde, Der Abg. Dr. Sattler habe zu diesen unquatifizierbaren Angriffen die Tribüne des Reichstags mißbraucht.
Präsident Graf von Balle strem: Eg steht dem Herrn Ab— geordneten nicht zu, einen solchin Ausdruck zu gebrauchen. Dar—⸗ Über zu entscheiden, ob ein Redner die Tribüne mißbraucht, steht mir allein zu.
Abg. Graf von Schwerin -Löwitz (8. kons. ; Nach den Aus—⸗ führungen des Abg. Rickert halte ich es bei der großen Bedeutung der Landwirthschaft für die Entwickelung des Reichs für nothwendig, hier auch einiges zur Frage der landwirthschaftlichen Zölle beizutragen. Ich halte es angesichts der Interessengegensätze wwischen den ver— schiedenen Erwerhszweigen für geboten, daß bel dem Kampfe mit dem Auslande die verschiedenen Jateressengruppen zusammengehen müssen, und daß rieses Zusammengehen auch bei der Vorbereitung dez neuen Zolltarifß und der neuen Handelsverträge zum Aus druck kommen muß. Es handelt sich hter um gemeinsame Arbeit bei gemeinsamen Aufgaben. Diesem Eindruck hat sich auch der Wirthschaftliche Ausschuß nicht verschließen können. Auf allen Seiten macht sich die Erkenntniß geltend, daß die Gegensätze gemildert werden müssen. Die große Bedeutung der deutschen Land⸗ wirthschaft ist bereits von dem Abg. Grafen Limburg Stirum her⸗ vorgehoben worden; er hat dazu werthvolle statistische Zahlen vor geführt die bis heute nicht widerlegt sind. Unstreitig ist der volks⸗ wirthschaftliche Werth der landwirthschaftlichen gegenüber der induftriellen Produktion ein höherer. Ja dieser Beziehung bat sich der Abg. Rickert bei seiner Berechnung der nationalen Produktion sehr geirrt. Von einer richtigen Verzinsung der landwirthschaftlichen Kapitalien ist schon längst nicht mehr die Rede. Es muß daher unbedingt durch Erhöhung der landwirthschaftlichen Zölle etwas geschehen. Da nach den bisherigen Erfahrungen das Ausland den Zoll trägt, so ist eine Vertheuerung aus geschlossen. Wir beabsichtigen auch gar keine Vertheuerung; wir wollen nur die Preise der beiden Jahrzehnte von 1870 bis 18990 wiederherstellen. In den letzten 10 Jahren sind diese Peeise erheblich heruntergegangen, wobei noch erschwerend ins Gewicht sallt, daß in der Zwischenzeit die Arbeitslöhne erheblich gestiegen sind. Unsere Forde⸗ rung ist deshalb nicht unbillig; sie ist bescheiden. Ein Vergleich mit dem Steigen der Koblenpreise, den der Abg. Pachnicke neulich ver— sucht hat, ist umjutreffend; denn die Kohlenpreise sind stetig gestiegen, die Getreidepreise dagegen gesunken Wir würden am liebsten auf jeglichen staatlichen Schutz verzichten; aber die Landwirthschaft ist nicht in der günstigen Lage, den Schutz entbehren zu können. Der Redner, welcher in der zweiten Hälfte seiner Rede nur sehr schwer verständlich ist, führt welter aug, daß das monarchische Regiment wesentlich mit von dem Gedeihen der Landwirthschaft abbänge. Er hoffe, daß Deutschland sich wirtbschaftlich möglichst vom Ausland un⸗ abhängig machen und daß sich Industrle und Landwirthschaft auf der Grundlage eines Maximal, und Minimaltarifs verständigen möchten.
Abg. Dr. Hasse (ul.): Der Abg. Richter hat gestern den Wunsch ausgesprochen, mich gestieselt und gespornt, mit eingelegter Lanze in die Arena dieses Haases einreiten zu sehen zum Kampf wegen des Nichtempfangs des Präsidenten Krüger. Ich kann ihm den Spaß nicht machen. Ich finde die ganze Angelegenheit überbaupt nicht spaßhaft. Ich kann den Geschmack des Abg. Richler nicht theilen, der es bei der Berathung des ‚Toleranzantrags für zweckmäßig und geschmackooll hielt, die ganze Angelegenheit mit einem Witz, und noch dazu mit einem nicht guten Witz, zu streifen. Ich kann auch den Geschmack derer nicht theilen, die diesen Witz mit Lachsalven beantworteten. Diese An⸗ gelegenheit ist, ich wiederhole es, zu ernst. um sie anders als ernst zu behandeln. Es hätte auch nicht Fer Aufforderung des Hamburgischen Gorrespondenten' und anderer Blätter dieser Richlung berurst, um mich an diese Stelle zu führen. Ist es sonderbar, wenn man die alldeutsche Presse angreift, so ist es noch viel sonderbarer, daß fast die ganze deutsche Presse denselben Standpunkt vertritt. Ich bin nicht so unbescheiden, die ganze deutsche Presse, die sich in der Krüger⸗Frage auf denselben Stand puntt gestellt hat, als eine alldeutsche zu bezeichnen. Ich müßte dann unter anderen auch das „Berliner Tageblatt“, dag dem Abg. Rickert nahe—⸗ steht, als eine alldeutsche Zeitung betrachten. Er hat heute freilich einen anderen Standyunkt eingenommen als sein Blatt. (Abg. Rickert: Mein Blatt?! Dieses hat jüngst elne Reihe Artikel ver—⸗ oͤffentlicht, die ich ebensogut hätte schreiben können, die aber merk—⸗ würdigerweise damit endeien, daß die Allbeutschen natürlich etwa
anz Anderes wollten; was sie aber wollen, wurde nicht ge—⸗ agt. Es ist mir und meinem Freunde Lehr in einem Theil dieser Presse vorgeworfen worden, daß wir am vorigen Montag in diesem Hause gefehlt hätien. Es ist eine merkwürdige Naivität, ung einen solchen Vorwurf zu machen. Man scheint nicht zu wissen, daß hier nicht jeder Bellebige zu jeder beliebigen Zeit zum Worte kommen kann. Wir wußten ganz genau, daß seitens der Frattion als erster Fraktiongredner der Abg. Sattler sprechen werde, und daß es für ung ganz ausgeschlossen war, an diesem Tage das Woit zu erhalten. Sie wissen übrigens, daß (8 mir trotz meiner gestrigen Anwesenheit eist heute gelungen ist, das Wort zu be— kommen. Uebrigeng war für die Vertretung deg Alldeutschen Ver bandeg auch am Montag gesorgt. Die Hauptleitung diefes Ver- bandes besteht aug fünf Personen, und nur zwei waren nicht
Ez haben vielmehr nur die beiden
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mit der Sozialdemokratie sympathisieren und sich mit ihr in Uebereinstimmung befinden in der Kritik einiger Handlungen dieser Regierung. Wenn das der Fall ist, so kann man wohl vermuthen, daß es doch nicht ganz richtig ist im Deutschen Reich. Ich wende mich nun zu der Rede des Reichskanilers vom vorigen Montag. Ich geböre ju der großen Zahl von Kollegen, die darüber erfreut sind, daß wir in ihm endlich einen wirklichen Staatsmann besitzen, der auch auf unsere Erörterungen einen person⸗ lichen Einfluß uͤbt. Aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, und ich meine, daß die glänzende Rhetorik des Reichekanzlers uns doch manchmal über gewisse Schwächen seiner Beweitführung hinweg⸗ täuschen wird. Der Reichskanzler hat hier eine große Summe von einwandfreien Sätzen vorgeführt, die selbstverständlich Beifall ge⸗ funden haben. Aber ich glaube, daß er nicht immer aus den Vordersätzen die entsprechenden Folgerungen abgeleitet hat. Wenn er gesagt hat: „Nachdem der Krieg ausgebrochen war, konnten wir im Hiablick auf die allgemeine Weltlage und vom Standpunkt des deutschen Gesammtinteresses aus keine andere Haltung ein— nehmen als strikte Neutralität“, so ist das an sich richtig und wird auch von niemand bestritten, auch von mir nicht. Aber es fragt sich nur, ob diese Neutralität wirklich eingehalten ist, und ich be— haupte, daß wenigstens der Schein nicht vermieden worden ist, daß diese Neutralität nur zu Ungunsten der Buren und zu Gunsten Englands bethätigt worden ist. Für diese Behauptung sind gestern und vorgestern verschiedene Beweise angeführt worden. Ich möchte nur auf den Fall hinweisen, wo ein deutsches Schiff der Woermann · Linie sich in der Beförderung englischer Soldaten an die Sürkäste Afrikas gegen die Neutralität vergangen bat, und es ist mir nicht bekannt geworden, ob seiteng unserer Regierung dagegen ein⸗ geschritten worden ist. Zu den allgemein richtigen Sätzen des Reich kanzlers gehört auch: „Die Politik eines großen Landes darf in einer keitischen Stunde nicht von Eingebungen des Gefühls be⸗ herrscht werden, sondern sie muß sich möglichst richten nach den rubig und nüchtern erwsgenen Interessen des Landes. Selbstverständ— lich! Es fragt sich nur, ob es jweckmäßig war, in den Begleiterscheinungen, welche in der Polink eine grohe Rolle spielen, die deutschen Empfindungen zu verletzen. Es können Fälle vorkommen, wo der leitende Staatsmann gezwungen ist, gegen die öffentliche Meinung zu schwimmen. Ich glaube, daß cine Ver— anlassung zu einem derartigen Herolsmus nicht vorlag. Was wollen wir denn? Man wirft uns vor, wir betzen zum Krieg gegen GEanland. Niemand hat einen Beweis für diese Behauptung er. bracht, und ich fordere erneut dazu auf, bier und außerhalb des Hauset diesen Beweis zu erbringen. Wir wollen in dem vorliegenden Falle weiter nichts, alz daß wir von England und England don uns auf dem Fuße der Gleichberechtigung behandelt werden, und wa den Pläsidenten Krüger anbelangt, daß er in Deutschland ebene behandelt werde, wie eg in den Niederlanden geschehen ist. Man will dort bekanntlich auch keine Intervention, aber man hat den Präsidenten dort in einer Weise behandelt, die meinen Empfindungen besser ens. spricht. Der Reichekanzler hat nun zwar gesagt: wir ständen England gegenüber vollstäntig unabhängig da; wir seien nicht um eines Haares Breite mehr auf England an gewlesen, als England auf ung; wir seten bereit, auf dieser Basig mit England in Frieden, Freundschast und Gintracht, n leben, u. f. w. Gben o selbftwerständiich. Aber es fragt sich nur, ob die elbe Meinung auch von der anderen Seite geteilt wird. Gz ift doch Agentkünlich, daß die ‚Timeg“ in der Lage war, vorher anzukündigen daß Krüger in Berlin nicht empfangen werden würde. Eg scheinen d tebt innig? Beziebungen jwischen der Wilhelmstraße, und der „Times“ zu bestehen. Bei allen Abmachungen mit England, vom Sansibar⸗ Vertrag ab, sind wir immer überg Ohr gehaten wor gh, Wo blieb die Gegenleistung für den Delagoabay Vertrag? . Frankfurter Zeislung“ und die „Hamburger Nachrichten?“ ban ausdrücklich anerkannt, daß wir dabei übers Ohr gehauen worden sind. Aehnlich liegt es mlt dem deutsch en glsschen Vangtsellan Abkommen. Offiziell und offinlös ist gesagt worden, ter we , enthalte nichts als was in ibm stehe. Der Lokal. Anzeiger, dei auch offtziöser Beziebungen rühmt, hat die Sache aber in ein 6* würdiges Licht gerückt, Er sagt, daß eine spätere Jeit üher . zösssch? Ginflüsse Auftlarungen bringen werde. Der Reichelam
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hofft, daß der Ausgang des südgfrikanischen Krieges unfere Interessen nicht schädigen werde. Wir werden daz abwarten nüffen. Jedenfalls wäre die Zukunft unseres afrikanischen Besitzes für unt eine guͤnstigere, wenn die Burenstaaten erhalten blieben. Ich kann nicht so rosig in die Zukunft blicken, wie der Reichskanzser. Die Anstedelungsfrage dürfte ung noch manches zu schaffen machen, namentlich die Interessen des Großkapitalg, der Herren Scharlach and Cecil Rhodes. Der Reichskanzler mag die Empfindungen der deutschen Volksseele zwar kennen, aber er weiß sie nicht zu würdigen. Watz in den letzten Wochen in Deutschland geschehen ist, das ist empor⸗ gesttegen aus der deutschen Vollsseele, aus allen ihren Schattierungen, Ich erinnere an den großartigen Empfang Krüger's in Köln. Die dabei por— geiommenen kleinen Autschreitungen sind nicht nennenswerth. In Köln ist der Präsident Krüger mit einer Begeisterung empfangen worden wie kein Fasser und kein König. In München hat jüngst eine Volks- bersammlang stattgefunden, besucht von 7000 Personen, welche in der begeistertsten Weise Kundgebungen für den Präsidenten Krüger veranstalteten. Nicht meine Freunde waren die Veranstalter, sondern der Münchener Freisinn und die Münchener Demo ratte in allen ihren Abstufungen. (Zuruf des Abg. Rickert) Ja, Sie halten doch Ihre Freunde nicht für eine quantité négligeable? (Abg. Rickert: Ich habe ja garnichts gesagt! Ja, gelagt haben Sie nichts, Sie haben mich nur unterbrochen; Ste haben auch vorhin eine lange Rede gehalten und sehr wenig gesagt! Die englischen Brutalitäten gegen Deutsche aus Süd⸗-A Afrika auf eng lischen Schiffen und an Ort und Stelle sind noch heute nicht gesühnt. Franjosen, Amerikaner, selbft Griechen kamen recht gut davon; aber bei den Deutschen hieß es: „Only a German!“ — Nur ein Deutscher! Das Wort brennt, besonders wenn man es dem „civis germanus sum“ gegenüberstellt. Seit 1890 übersetzen wir dieses Wort dahin: „Bedenke, daß Du ein Deutscher bist; benimm Dich auch danach, und erfülle auch die Pflicht jedes Volksgenossen!“ Diese Losung hat der Alldeutsche Verband nicht von Don Quixote, sondern bon dem Realpolitiker Friedrich Wilhelm dem Großen Kurfürsten übernommen. Das rufe ich Denen zu, die die Krüger ⸗Frage mit Witzen belachen und abthun wollen, aber auch Denen, die das freche Wort „Only a German“ gesprochen; es wird die Zeit kommen, wo der furor téutonicus darauf die richtige Antwort giebt.
Reichskanzler Graf von Bülow:
Meine Herren! Der Herr Abg. Hasse hat nicht ohne eine gewisse Erregung gesprochen, auch nicht ohne Pathos, mit schönem Pathos. Ich werde mich bemühen, so ruhig und nüchtern als möglich zu reden; denn meine verantwortliche Stellung legt mir die Pflicht auf, mich lediglich von der Staatraison leiten zu lassen. Es hat mich auch interessiert, ju sehen, wie munter der Herr Abg. Hasse herumplätscherte in den blauen Wellen des unbegrenzten Ozeans der Konjekturalpolitik. (Heiter keit, Auch an diesem Vergnügen kann ich mich nicht betheiligen. Ich muß auf der terra firma der Wirklichkeit bleiben. Ich zweifle ja nicht daran, daß der Herr Abg. Hasse mir an diplomatischer Ge⸗ schicklicheit, an staatsmännischer Erfahrung und Einsicht, an Willenskraft weit überlegen ist (Heiterkeit, ich bin aber doch überzeugt, daß, wenn er an meiner Stelle stände — dag glaube und erwarte ich von seinem Patriotismus und wenn er die Ver⸗ laͤltnisse in der Welt und in Europa so kennte, wie ich sie kenne, er dann ganz genau dieselbe Politik machen würde wie ich. Der Herr Abg. Hasse hat selbst erwähnt, daß er am vergangenen Montag bei der Einleitung der Etatsdebatte bier nicht zugegen war. Ich denke nicht daran, ihm daraus einen Vorwnrf zu machen, aber ich kann nicht bloß seinetwegen alles wiederholen, was ich schon vor gestern gesagt habe. Ich gehe also nicht ein auf denjenigen Theil meiner damaligen Ausführungen, durch die ich, wie ich glaube, vieles bon dem, was der Herr Abg. Hasse heute sagte, schon im voraus wizerlegt habe. Ich wende mich zu dem, was er neues gesagt hat.
Der Herr Abg. Hasse hat sich gewandt gegen unsere Art und Weise det Vorgehens, gegen unseren modus procedendi gegenüber dem Herrn Präsidenten Krüger. Die Sache lag einfach so. Als wir hörten, daß der Präsident Krüger die Absicht habe, nach Berlin zu kommen, — diese Nachricht war für uns überraschend, diese Nachricht bekamen nir 24, böchstens 43 Stunden, bevor die Abreise stattfinden sollte. Bis ber war allgemein angenommen worden, der Präsident Krüger würde sich von Parig nah Holland begeben. Worauf die Sinnetzänderung des Herrn Präsidenten Krüger zurückzuführen war, das will ich hier nzerörtert lassen. (Hört, hört! links.) Aber, als wir börten, der Präsident Krüger wolle sich in kleinen Etappen über Köln und Magde— burg nach Berlin begeben, da haben wir ihn in der böflichsten und rück sichtepollsten Weise durch die Vermittelung uaserer Botschaft in Paris und des Derrn Dr. Leyds darauf aufmercksam machen lassen, daß Seine Ma⸗ lestat der Kaiser zu Seinem Bedauern nich! in der Lage wäre, jetzt den Herrn Präsidenten Krüger zu empfangen, und daß Er ihn deshalb baͤte von seiner Reise Abstand zu nehmen. Als darauf der Präsident Krüger doch seine Reise ins Werk setzte, da ist ihm in Köln, wiederum in der allerücksichts collsten Weise, durch den Kaiserlichen Gesandten in Laremburg nochmals gesagt worden, Seine Majestät sei außer stande, ihn jetzt zu sehen, und bäte ihn deshalb, ven einer Reise nach hier abzusehen. Ueberrumpeln lassen wir uns nicht, und verge. waltigen lassen wir ung auch nicht. (Sehr gut! linke.)
Nun hat der Herr Abg. Hasse — und er ist darin ja, wie er sich selbst rühmt, in die Fußstapfen des Herrn Abg. Bebel getriten — east, daß unsere Haltung gegenüber der Reise des Präsidenten griger kervorginge aus Rücksichten auf das Ausland, und in seinen offtidsen Blättern babe ich sogar den Auedruck gelesen, aus Liebe dienerei gegen das Ausland — das bemerke ich auch gegenüber dem
errn, der soeben sehr richtig!“ rief. User Verhalten gegen den Du derten Krüger ging nur bervor autz der Wahrung unserer genen Interessen. Wir haben das gethan, was für unt nützlich ar, und wag unz die Erhaltung des Weltfriedens erleichterte. bei war ung der Belfall der Ginen — ich spreche von unseren
Nachbarn in Europa — ebenso gleichgültig wie der Aerger der Anderen.
Dann hat der Herr Abg. Hasse, gerade so, wie gestern der Herr Abg. Bebel, auch angedeutet, daß unsere Haltung gegenüber der Reise des Präsidenten Krüger oder überhaupt unsere Haltung gegenüber dem südafrikanischen Kriege zurückzuführen wäre auf die verwandtschaftlichen Beztehungen des Trägers der Krone. (Zuruf) — Das hat gestern der Abg. Bebel gesagt; ich habe verstanden, Herr Hasse, daß Sie sich wie in dem übrigen Theil der auf Transvaal bezüglichen Ausführungen des Herrn Abg. Bebel auch diesen Vorwurf zu eigen gemacht hätten. (Zuruf) Wenn Sie dag nicht gethan haben, so konftatiere ich dat mit Vergnügen und antworte zunächst nur dem Herrn Abg. Bebel.
Wie die englische Regierung und wie der englische Hof zur Reise des Präsidenten Krüger stehen, das weiß ich nicht. Das erkläre ich aber auf das allerentschiedenste, daß von seiten des englischen Hofes oder von selten der englischen Regierung weder an Seine Majestät den Kaiser, noch an mich als den verantwortlichen Reichskanzler hinsichtlich der Reise des Präsidenten Krüger oder hinsichtlich unserer Haltung im südafrikanischen Kriege weder ein Wunsch noch irgend ein Antrag herangetreten ist. Anzunehmen, daß Seine Majestät der Kaiser Sich durch verwandtschaftliche Beziehungen beeinflussen lassen könnte, das zeigt wenig Kenntniß des Charakters Seiner Majestät des Kaisersß und der Vaterlandsliebe Seiner Majestät des Kaisetgz. (Bravo! Für Seine Majestät den Kaiser sind lediglich nationale und deutsche Gesichtspunkte maßgebend, und wenn dem anders wäre, wenn irgend welche verwandtschaftlichen Beziehungen, wenn irgend welche dynastischen Rücksichten Einfluß hätten auf unsere auswärtige Politik, dann würde ich nicht einen Tag länger Minister bleiben. (Lebhaftes Bravo
Meine Herren, nun ist der Herr Abg. Hasse auch zu sprechen gekommen auf das deutsch⸗englische Abkommen, und er hat in sehr schwarzen Farben alle Folgen geschildert, die dieses Abkommen für uns haben müßte. Dag hat mich insofern etwas erstaunt, als der Herr Abg. Hasse ja garnicht weiß, was in dem Abkommen steht (Heiterkeit und sehr richtig! links), und ich werde es ihm auch jetzt nicht sagen, denn ich darf es nicht sagen. Die deutsche Regierung und die englische Regierung sind übereingekommen, dieses Abkommen bis auf weiteres und bis zum Eintritt bestimmter Umstände nicht der Oeffentlichkeit zu übergeben. Solche Zusagen von Regierung zu Regierung muß man halten. Wenn ich nicht schweigen könnte, so würden wir das Vertrauen der übrigen Regierungen verlieren, dann würde kein Mensch mehr mit uns unterhandeln wollen, und damit wäre auch Ihnen nicht gedient. Das kann ich aber mit aller Bestimmtheit sagen, daß das deutsch⸗englische Abkommen keinen Artikel, keinen Paragraphen, keine Bestimmung enthält, die sich bezöge auf einen Konflikt zwischen England und den südafrikanischen Republiken. Unsere Haltung gegenüber dem südafrikanischen Kriege würde genau dieselbe von beiden Seiten unabhängige und gegenüber beiden Theilen neutrale Haltung gewesen sein, wenn das deutsch⸗englische Abkommen nicht exlstierte; denn dieses Abkommen ging nicht hervor aus irgend⸗ welchen von uns übernommenen Verpflichtungen, sondern lediglich aus unserem wohlverstandenen Interesse, aus der europäischen Gesammt⸗ lage wie aus unserem speziellen deutschen Interesse.
Das Samoa⸗Abkommen und das Jangtse⸗Abkommen, über welche der Herr Abg. Hasse, wie ich glaube, mit großem Uarecht — das wird die Zukunft zeigen — so abgünstig urtheilt, enthalten überhaupt keine geheime Bestimmung, keine geheime Klausel, enthalten garnichts, wag dieses hohe Haus nicht wüßte, und was nicht die ganze Welt wüßte.
Nun, meine Herren, hat der Herr Abg. Hasse ja auch, wenn ich ihn recht verstanden habe — oder war es gestern der Abg. Bebel? — erinnert an das Telegramm, welches Seine Majestät der Kaiser im Jahre 1396 — (Zuruf) — ich glaube, indirekt erinnerte der Herr Abg. Hasse doch daran, es lag im ganzen Geist seiner Ausführungen —, also er hat erinnert an das Telegramm, welches Seine Majestät der Kaiser nach Neujahr 1896 an den Präsidenten Krüger gerichtet hat, als es sich nicht um einen regulären Krieg jwischen zwei Staatswesen, sondern um ein Flibustierunternehmen handelte. Ich denke garnicht daran, dieses Telegramm zu verleugnen, durch welches Seine Majestät der Kalser Seinem richtigen Empfinden für das Völkerrecht korrekten Ausdruck gegeben bat. Aber ebensowenig haben wir beabsichtigt, durch jenes Telegramm unsere Politik für immer in omnes casus et eventus, in saecula saeculorum festzulegen, und das konnten wir um so weniger, als sich die Verhältnisse seitdem geändert haben. Ich begehe
keine diplomatische Indiekretion, wenn ich sage, daß dieses Telegramm
jedenfalls das Verdienst gebabt hat, durch die Aufnahme, welche es fand, nicht in Deutschland, sondern außerhalb Deutschlands, die Situation für uns insofern aufzuklären, als diese Aufnahme keinen Zweifel darüber ließ, daß wir im Falle eines Konfliktz mit Gagland in Afrika auf unsere eigenen Kräfte, allein auf unsere eigenen Kräfte angewiesen sein würden. (Hört! hört) Daraus mußte eine gewissen⸗ hafte Regierung ihre Schlüsse ziehen, und daraus baben wir unsere Schlüsse gezogen.
Die Ausführungen deg Herrn Abg. Dr. Hasse kamen im Großen und Ganzen darauf binaug, daß er uns den Vorwurf macht, wir hätten die Buren preisgegeben; gerade diesen Ausdruck habe ich auch in einer Reihe ihm nabestehender Blätter gefunden. Von einer Preisgebung der Buren kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil wir nie ein Protektorat über die südafrikanischen Re⸗ publiken ausgeübt oder auch nur erstrebt haben. Es kann von einer solchen Preiggebung aber vor allem deshalb nicht die Rede sein, weil wir nur deutsche Interessen in der Welt zu wahren haben. Transvaal und die südafrikanischen Republiken können nicht zum Angelpunkt unserer ganzen Politik werden. Das Hemd liegt näher als der Rock, und jedenfalls liegt eg mir näher, der ich deutscher Minister des Aenßern bin und nicht Minifter in und für Pretoria.
Wenn aber der Herr Abg. Dr. Sasse unter Berufung auf Adressen wie auf Volksversammlungen gesagt bat, daß die öffentliche Meinung für seine Auffassung ginge und gegen die von mir der tretene, so macht mich auch das nicht irre. Nicht, als ob ich nicht sehr wobl die Macht und die Bedeutung der öffentlichen Meinung kennte. Die öffentlichꝛ Meinung ist der starke Strom, der die Räder der staatlichen Müble treiben soll. Wenn aber dieser Strom Gefahr drobt, die Räder in eine falsche Richtung zu treiben oder gar ju zerstören, so ist es die Pflicht einer Wegierung, die diesen Namen verdlent, sich elnem solchen Strom entgegenzustellen, unbekümmert um etwalge Unpopularltül. Eg giebt noch böͤbere Kränze als die‚
jenigen, die der Alldeutsche Verband auszutheilen hat, nämlich das Bewußtsein, sich lediglich und ausschließlich leiten in lassen von den wirklichen und dauernden Nationalinteressen. (Bravo!) Die deutsche öffentliche Meinung hat auch gerade in Fragen der augwärtigen Politik — ich scheue mich nicht, dies offen zu sagen — durch- aut nicht immer das Richtige getroffen. Sich für die Interessen fremder Völker einzusetzen und zu erhitzen, wie das jetzt in einem Theile von Deutschland geschieht, einzusetzen und zu erhitzen bis zur Gefährdung deutscher Interessen, daz ist ein menschlich schöner Zug des deutschen Volkes, politisch jedoch ein Fehler, der sich in der Ver⸗ gangenheit oft genug an uns gerächt bat. (Sehr richtig! links.) Es macht dem guten Herzen des Herrn Abg. Dr. Hasse Ehre, wenn er die Aufgabe unserer Politik vor allem darin sieht, fremde Völker zu retten. Das ist aber nur im Privatleben schön; im internationalen Verkehr kommt man nicht weit damit. Fremde Völker retten zu wollen, hat nicht immer Glück gebracht. Dafür bietet die Geschichte lehrreiche Beispiele.
Blicken wir in unsere eigene deutsche Geschichte. Als Fürst Blamarck in den 60er Jahren nicht für die Polen eintreten wollte gegen Rußland, da hieß es, er habe sich erniedrigt zum Schergen russischer Henker und Gendarmen. Und als derselbe große Staats⸗ mann 20 oder 22 Jahre später — ich gehörte damals schon der aut⸗ wärtigen Carrisre an und erinnere mich sehr wohl dieser Periode — sich nicht mit Rußland brouillieren wollte wegen der schönen Augen der Bulgaren und der schönen Augen des Prinzen Battenberg, da wurden dieselben Vorwürfe laut Damals ging fast die ganze deutsche öffentliche Meinung ganz entschieden in den 60er Jahren für die Polen und in den 80er Jahren für die Bulgaren. Damals waren die Helden der polnischen Insurrektion, war später der Fürst Alexander ebenso populär, wie es heute der Präsident Krüger ist. Es wird aber niemand im Zweifel darüber sein, daß Fürst Bismarck in beiden Fällen das Richtige getroffen hat, und daß er einen großen, einen garnicht wieder gut zu machenden Fehler gemacht hätte, wenn er unsere Politik anders instradiert, anders manövriert hätte. Wir werden niemals durch Preisgebung deutscher Interessen fremde Zuftimmung erkaufen, für fremde Interessen dürfen deutsche Interessen nicht preig⸗ gegeben werden. (Bravo)
Ich habe in den letzten Tagen immer wieder gehört und immer wieder gelesen, daß das Recht auf seiten der Buren stünde. Ich scheue mich nicht, auch hier ganz offen zu sagen, daß das nicht das Entscheidende fär uns sein kann. Wir können — das sage ich nicht bloß für dieses hohe Haus, ich sage es auch für das deutsche Volk, dessen Rechte⸗ sinn so ausgebildet ist — wir dürfen bei Streitigkeiten zwischen fremden Völkern nicht fragen, wo das Recht liegt und wo das Unrecht liegt. Der Politiker ist kein Sittenrichter, er hat lediglich die Interessen und Rechte seines eigenen Landes zu wahren. Vom Standpunkte der reinen Moralphilosophie kann ich auswärtige Politik nicht treiben — das hat auch Fürst Bismarck nicht gethan — und vom Standpunkt der Bierbank auch nicht. (Heiterkeit und sehr gut! links.)
Meine Herren, als ich hier am vergangenen Montag an die politische Vernunft dieses bohen Hauses appellierte, an die man sich ja zum Aerger mancher Leute nicht umsonst wendet, da befand sich der Herr Abg. Dr. Haffe im Haag. Ich denke nicht daran, ihm daraus einen Vorwurf zu machen. Ich achte den Idealismus, der in dem Herrn Abg. Dr. Hasse steckt. Das ist ein schönes Erbtheil des deutschen Volks, und den wollen wir alle unserem Volk erhalten. Aber die Kreise unserer auswärtigen Politik darf dieser Idealismus nicht stören, das Wohl und die Zakunft der Nation darf er nicht gefährden, und so lange ich bier stehe, muß ich den Frieden und die Wohlfahrt des dentschen Volks gegen alle Störungen und Gefahren in Schutz nehmen, von welcher Seite sie auch kommen mögen, wie das meine verdammte Pflicht und Schuldig- keit ist. (Lebhafter Beifall.)
Staatesekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Richthofen:
Es sei mir gestattet, einige tbatsächliche Bemerkungen sowohl im der Rede des Herrn Abg. Dr. Hasse als auch zu der gestrigen Rede des Herrn Abg. Liebermann von Sonnenberg ju machen. Von beiden Stellen aus ift gegen die Reichsregierung der Borwurf er- boben worden, daß sie in dem gegenwärtigen englisch ⸗südafrtkanischen Kriege die Pflichten der Neutralität nicht streng gerecht gewahrt, vielmehr mit ungleichem Maß gemessen und die englische Seite bevorzugt babe. Es find hierfür nun jwei Punkte angeführt worden. Der Herr Abg. Dr. Hasse hat einen Vorfall zitiert, der sich auf die Walfisch ⸗ Bay bezog. Sobald es bekannt geworden war, daß auf einem deutschen Schiffe ein britisches Ablösungekommando eingeschifft war, welches Truppen von der Kapstadt nach der Walfisch⸗Bay führte, um die dort in der Walfisch⸗Bav befindlichen etwa 70 Mann nach Kapstadt zurück⸗ zuführen, so haben wir sofort der betreffenden deutschen Rhederei mitgetbeilt, daß wir auch eine solche Ueberführung von Ablöfange-⸗ mannschaften als nicht im Ginklang mit unserer Neutralität stebend erachten, und die Rhederei hat sofort Maßnabmen getroffen, damit Aehnliches sich nicht wiederhole. Wir haben aber auch gleichzeitig in London Vorstellungen erhoben und der englischen Regierung die gleiche Ansicht kundgegeben, worauf dieselbe ihrerseits sofort die Anordnung bat ergeben lassen, daß derartige TKommandotrangporte nicht auf anderen als auf englischen Schiffen zu gescheben hätten.
Der jwelte Fall betrifft die von Herrn Abg. Liebermann don Sonnenberg erwähnte Lieferung don Geschätzen durch eine rbeinische Fabrik. Am 7. d. M. ist zur amtlichen Kenntniß des auswärtigen Amtes durch eine Zeitungsmeldung gelangt, daß die Rheinische Maschinen ⸗ und Metallwaarenfabrik eine größere Bestellung auf Ge- schütze von der englischen Regierung erdalten und dieselbe theilweise ausgeführt babe. Infolge dessen ist auf Weisung des Herrn Reichskanzlers der Regierung Präsident in Düsselderf sogleich angewiesen worden. die Sachlage aufjuklären. Gg ergab sich aus seinen Mittheilungen, daß der Sachverbalt richtig dargestellt sei, daß die englische Regiersng eine größere Anjabl von Feldbatterien bei der gedachten Gesellschaft bestellt babe, und ein Theil derselben bereits abgeliefert worden sei. Da eine solche Lieserung alg mit den Pflichten der Neutralität nicht in Ginklang stebend betrachtet werden könnte und wir der Ansicht waren, daß derartiges nach Möglichkeit zu verbindern sei, so bat der Herr Reichekanmmler in ganz der gleichen Weise, wie seinerseit eine Anregung an die Firma Krupp beim Beginn deg Rrieges er- gangen war, so auch jetzt an die Rheinische Maschinen ⸗ und Metall
wagten fabrik dag deingende Ersuchen gerichtet, aus Rücksicht auf die