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merkt — die Angemessenheit der die Zeitungspresse betreffenden Vor- schläge erörtert. Meine Herren, wir sind mit vollem Bewußtsein von dem Standpunkt, den das Gesetz von 1870 in dieser Beziehung ein⸗ genommen hat, übergegangen zu einem verschärften Schutz der Zeitungspresse, nicht nur deshalb, weil in einem großen Theil der⸗ jenigen Staaten, die unsern. Kulturzustand theilen und in denen namentlich das Zeitungswesen eine außerordentliche Blüthe, eine sehr große Macht und eine ungewöhnliche Autorität behauptet, ähnliche Grundsätze gelten, wie wir sie Ihnen vorschlagen, ja zum theil, wie in Frankreich und England, noch viel strengere zum Schutze der Arbeiter der Presse bestehen, sondern auch deshalb, weil in der Zeit von 30 Jahren, die seit dem Erlaß des vorigen Gesetzes vergangen ist, bei uns in Deutschland das Zeitungs— wesen eine große Entwickelung genommen hat, die es verdient und die es zugleich erheischt, in der Gesetzgebung eine andere Stellung ein—⸗ zunehmen, wie das Gesetz von 1870 es gethan hat. .
Meine Herren, die Presse hat, das kann niemand leugnen, in dieser Zeit an äußerem Umfang und Vielseitigkeit und auch an innerer Gediegenheit in einer Weise gewonnen, daß es nicht nur eine ideelle, sondern auch eine materielle Frage ist, ob für die Zeitungen der Schutz erweitert wird, der bis jetzt besteht. Auf der anderen Seite ist die Konkurrenz unter den Zeitungen in einer Weise gestiegen, daß es immer nothwendiger wird, vor Zudringlichkeiten und Uebergriffen, die aus dieser Konkurrenz sich bereits entwickelt haben und, das dürfen wir voraussehen, sich noch weiter entwickeln werden, wenn die Gesetzgebung nicht einschreitet, einen verschärften Schutz zu gewähren. Ich glaube, wir gehen keinen falschen Weg, wenn wir in den Grenzen des Entwurfs den Schutz der Presse erweitern. Wir folgen darin anderen Staaten, die uns in der Entwickelung des geistigen Lebens gleichstehen, nur nach, und ich fürchte nicht, daß die Verpflichtungen, die damit für die Presse sich ergeben, die anständige Selbstbeschränkung, die ihr auf— erlegt werden soll, den Leitern der Blätter schwer fallen werden. Es sind heute und gestern in dieser Beziehung hier Worte gefallen, die mich lebhaft erinnern an die Ver⸗ handlungen, die 1870 über den gleichen Gegenstand stattfanden. Auch damals wurde ein erweiterter Schutz der Presse als nicht erforderlich bezeichnet, obwohl er in der Kommission des Reichstages damals schon ernstlich erwogen wurde. Man tröstete sich damit, daß die Entwickelung unserer Presse von selbst den richtigen Weg zu einer einwandsfreien Haltung finden werde und daß vor allem das Anstands⸗ gefühl sich derartig herausbilden werde, daß die Gesetzgebung nicht werde einzuschreiten brauchen. Wer einen Blick auf die Entwickelung der letzten 30 Jahre wirft, der wird, wenn er der Wahrheit getreu bleiben will, sagen müssen, daß diese Erwartungen sich nicht erfüllt haben und daß die Hoffnungen, mit denen man sich im Jahre 1870 getröstet hat, heute nach den Erfahrungen von dreißig Jahren nicht mehr ge hegt werden können.
Drittens ist zum Urheberrecht von seiten des Herrn Abg. Hauß— mann die allgemeine Bemerkung gefallen, daß derjenige Theil des Entwurfs als weniger gelungen erscheint, der den Schutz der musika⸗ lischen Geisteserzeugnisse betrifft. Meine Herren, ich will gegen diesen Vorwurf einen Widerspruch nicht erheben, da der Herr Abgeordnete selbst anerkannt hat, daß hier besondere Schwierigkeiten vorliegen. Wir sind uns dieser Schwierigkeiten wohl bewußt gewesen. Alle Begriffe, mit denen wir auf dem Gebiete der musikalischen Produktion zu thun haben, sind in so besonderem Maße flüssig, so unbesätimmbar und unbegrenzbar, daß sie sich einer gesetz⸗ geberischen Relation nur sehr schwer beugen. Wenn es dem Herrn Abg. Haußmann gelingen sollte bei den Kommissionsberathungen, wobei wir ihm gern zu Hilfe sein werden, bessere Vorschläge zu finden, so, glaube ich, werden die verbündeten Regierungen dafür nur dankbar sein.
Meine H ich komme dann zu dem bestritteneren Theil unserer Vorlage; das ist der Entwurf des Verlagsrechts. Zu diesem Entwurfe hat der Herr Abg. Schrader vorhin mit vollem Rechte heworgehoben was gestern nicht so gewürdigt wurde —, daß es sich hier nur um dispositives Recht handle, daß also die Parteien, der Autor auf der einen Seite, der Verleger auf der anderen Seite, es immer in der Hand haben, durch den einzelnen Vertrag dasjenige, was das Gesetz enthalten soll, für sich abzuändern. Das ist sehr richtig; das zwingt aber auch dazu, daß wir dieses dispositive Recht so einrichten, daß wir annehmen dürfen, in der großen Mehrzahl der Fälle werden die Parteien, d. h. der loyale Verleger und der unabhängige Autor, dieses Recht ihren Verträgen zu Grunde legen und von ihm nicht abweichen; denn, meine Herren, jedes dispositive Recht hat nur so lange und insoweit Berechtigung, als der Verkehr im großen Ganzen seinen Regeln sich anschließt. Wenn Sie ein dispositives Recht aber derartig gestalten, daß der Verkehr damit gezwungen wird, im einzelnen Falle regelmäßig von der gesetzlichen Vorschrift abzuweichen und durch besondere Verträge sich vor den Grundsatzen des dispositiven Rechts zu schützen, dann ist das eine Verirrung der Gesetzgebung. Dann wäre es besser, ein Gesetz dieser Art überhaupt nicht zu erlassen; denn dann fehlt dem Gesetze Geltung und dem Rechte Autorität. Das ist vor allem zu bedenken, wenn man sich die Frage vorlegt, was an ein⸗ zelnen Bestimmungen in diesem Entwurfe aufgenommen werden soll.
Nun hat gestern der Herr Abg. Dietz diesem Entwurfe den Vor⸗ wurf gemacht, daß er wesentlich den Interessen der Verleger diene, daß für die Autoren aus diesem Gesetz nicht viel herauskomme und daß vielleicht es so schlimm nicht wäre, wenn das ganze Gesetz nicht zu stande käme. Und verwandte Töne bat soeben auch noch der Herr Abg. Schrader angeschlagen. Meine Herren, ich glaube, Sie täuschen sich in dieser Auffassung von dem Verlagsrecht. Ich habe in mehrjährigen Verhandlungen mit den Autoren und mit den Verlegern die Stimmungen und die Tendenzen, die in diesen Kreisen bestehen, doch einigermaßen kennen gelernt und glaube sagen zu dürfen, daß, wenn das Verlagsrecht fallen sollte, niemandem damit ein größerer Gefallen erwiesen würde als den Verlegern. Die Verleger haben diesen Entwurf zwar angenommen, aber sie haben gute Miene zum bösen Sxiel gemacht: sie sind überzeugt, daß sie viel mehr, als die Regierung bietet, nach dieser Richtung nicht erreichen können. Aber, meine Herren, daß es ihnen lieber wäre, wenn sie bei dem bestehenden Rechtszuftande bleiben könnten, ist mir außer Zweifel. Der deutsche Verleger steht sich bei seiner Verlagsordnung und bei den Regeln, die ihm die eigene Geschäftsprarxis an die Hand giebt, leidlich wohl. Er kann damit auskommen den Autoren gegenüber. Diese Direktiven, die in einer bestimmten, von Vertrauens männern geschaffenen Verlags
ordnung, in einer bestimmten Geschäftserfahrung beruhen, fehlen der Welt der Autoren, und nach unserer Ansicht, nach den Intentionen des Gesetzentwurfs ist das Verlagsrecht wesentlich ein Schutz⸗ recht für die Autoren. Von diesem Gesichtspunkte möchte ich Sie bitten, den Entwurf anzusehen und vor allem möchte ich auch die Autoren, die mit den Rücksichten, die der Entwurf auf sie nimmt, noch immer nicht zufrieden sind, doch darauf aufmerksam machen, wie viel besser der Rechtszustand für sie wird, wenn sie, gestützt auf ein Gesetz auch nur diesen Inhalts, mit den Verlegern verhandeln, als wenn sie ohne jeden festen Anhalt über das, was sie vom Verleger fordern und was sie ihm verweigern können, sich entschließen müssen.
Ich glaube, auch der Herr Abg. Dietz und seine Partei⸗ freunde werden, wenn sie sich die Sache in dieser Richtung noch ein— mal überlegen, von dem Standpunkt zurückkommen, daß es für die Autoren besser sei, ein Verlagsrecht, wie es hier vorgeschlagen ist, nicht zu haben. Dieses Verlagsrecht ist ein werthvolles Gut für die Autoren, eine fühlbare Beschränkung für die Verleger.
Meine Herren, auch einige andere Redner sind bei der Beurthei⸗ lung des Verlagsrechts immer nur davon ausgegangen, ob denn den Interessen der Autoren in diesem Entwurf genügend Rechnung getragen sei. Wir haben, das kann ich wohl sagen, ernst und ge⸗ wissenhaft geprüft, was wir, ohne die Arbeit und die geschãftlichen Dispositionen des deutschen Verlagshandels ungebührlich zu be⸗ schränken, im Interesse der Autoren thun können, aber wir haben eine Schranke für dasjenige, was wir den Autoren zuwenden dürfen, darin gefunden, daß wir die Geschäfts, und Aktionsfreiheit unseres gesammten buchhändlerischen und musikalischen Verlagswesens, das doch ein sehr großes wirthschaftliches Gut für uns bedeutet, nicht zu sehr beengen. Nach der Richtung hin scheinen einzelne der gestrigen Redner über das hinausgegangen zu sein, was man billigerweise von einem solchen Gesetzentwurf verlangen kann.
Ich möchte das an zwei Fragen erläutern, die auch hier Gegenstand der Diskussion gewesen sind. Im übrigen gehe ich auf die Einzelheiten der Desiderien nicht ein, sie werden von uns erst in der Kommission diskutiert werden können. Meine Herren, die Bestimmungen des Entwurfs über die Fest⸗ setzung des Preises für Bücher und Musikalien sind Gegenstand der Erörterung gewesen. Der Entwurf bestimmt, daß der Preis festgesetzt werden soll von dem Verleger, daß der Verleger den Preis nicht er⸗ höhen darf, nachdem er ihn einmal festgesetzt hat, daß es aber in das Ermessen des Verlegers gestellt bleibt, den Preis später zu ermäßigen. Diese Bestimmung ist angefochten, es ist verlangt worden, der Autor müsse auch bei der Festsetzung eines niederen Preises mitwirken, der Verleger dürfe niemals einen Preis heruntersetzen, wenn der Autor nicht vorher seine Zustimmung gegeben habe. Nun, meine Herren, denken Sie sich doch mal unseren Großverkehr, der auch auf diesem Gebiet seine Stelle und Berechtigung hat; nehmen Sie an, der Verleger hat ein Buch herausgegeben; diesem er— wächst unerwartet bald in einem anderen Buch, das viel⸗ leicht besser ist oder das dem Geschmack des Publikums vielleicht nur besser gefällt — das ist ja nicht immer dasselbe —, eine gefährliche Konkurrenz, diese kann der Verleger nur bekämpfen, wenn er sein Werk billiger abgiebt als das später erschienene. Nun wollen Sie von dem Verleger verlangen, er soll sich erst mit dem Autor zusammenthun und mit dem Autor über die Nothwendigkeit und das Maß einer Preisherabsetzung verhandeln. Ja, meine Herren, der Autor ist erstens, der Regel nach, garnicht geschäftsverständig und zweitens hat er von der Preisermäßigung direkt garnichts; denn sein Honorar hat er ausbezahlt bekommen. So leicht, wie die Herren vielleicht glauben, ist mit den Autoren auch nicht immer fertig zu werden, und wenn die Autoren in ihren Eingaben so viel Besorgniß über die Geschäftsdispositionen der Verleger aussprechen, so muß ich sagen; mit den Autoren ist auch nicht immer gut Kirschen essen. Nun denken Sie sich den Fall, meine Herren, der Verleger wird durch den Eigen— sinn, den Widerspruch und die Langsamkeit seines Autors — alles das kommt doch vor —, außer stande gesetzt, die Preisermäßigung über— haupt oder auch nur rechtzeitig eintreten zu lassen, das Buch bleibt auf Lager und geht dem Veralten entgegen; der Verleger hat keinen Vortheil von seinem Verlagswerk, der Autor hat den Schaden, daß das Buch, das doch seinen Namen trägt, garnicht verbreitet wird. Er hat nur die Genugthuung, in einer Sache mitzusprechen, die er nicht verstehst. Sodann, meine Herren, komme ich auf die Uebertragung des Verlagsrechts. Ich kann demjenigen, was in dieser Beziehung juristisch gestern der Herr Abg. Spahn und wirthschaftlich der Herr Abg. Schrader heute ausgesprochen hat, nur bei⸗ stimmen und bin dankbar, daß nach den anderen Aeußerungen, die hier laut geworden sind und die nach meiner Meinung in einseitiger Weise nur den Standpunkt des Autors betont haben, auch der wirthschaft⸗ liche und juristische Standpunkt objektiv zur Sprache kam, der für die Interessen beider Theile maßgebend ist. Ich bin übrigens einigermaßen verwundert daruber, daß diese Frage, die in der Praxis bisher nur sehr selten einen Zwiespalt zwischen Autor und Verleger hervorgerufen hat, jetzt plötzlich solchen Staub aufwirbelt, solche Erregung hervor⸗ ruft, daß selbst der Lehrkörper einer ganzen Universität aus seiner wissenschaftlichen Beschaulichkeit geweckt wird und sich an den Reichstag wendet. Ich frage mich vergeblich, worin das beruht. Der Herr Abg. Schrader hat schon ausgeführt: das, was hier vorgeschlagen wird, besteht zur Zeit, es sind keine Schwierig⸗ keiten, keine Uebelstände, keine Beschwerden praktischer Natur, sachlichen Inhalts von seiten der Autoren geltend gemacht. Ein einziger Streitfall ist zu unserer Kenntniß gekommen, der Herr Abg. Haußmann bat ihn gestern berührt, das ist der bekannte Fall mit Victor Scheffel's Ekkehard, und in diesem Falle hat sich ergeben, daß dasjenige, was wir vorschlagen, zum richtigen, auch dem Autor nützlichen Ziele führte. Vergeblich habe ich mich bemüht, von seiten der Autoren oder in der Presse irgendwie bestimmte Fälle mitgetheilt zu erhalten, die erkennen lassen, daß der Zustand, wie er besteht, wie wir ihn aufrechterhalten wollen, wie er in den meisten Ländern Europas auch thatsächlich vorhanden ist und wie er nach meiner Meinung aus den Gesetzen des Wirthschaftslebens sich ergiebt, unhaltbar ist. Nichts nach dieser Richtung ist hervorgetreten. Ich babe auch in den Debatten keine Antwort darauf gefunden, wie es denn in der Praxis gemacht werden soll, wenn Fälle eintreten, die sehr nabe liegen, . B. wenn der Wortlaut einer Firma geändert wird — ich glaube, der Herr Abg. Schrader hat schon darauf auf⸗ merksam gemacht = eine Firma nimmt einen zweiten Gesellschafter in ihre Bezeichnung auf, oder eine Firma wird eine Gesellschaft mit be—⸗
schrãnkter Haftung, oder es wird für das ,,, ein Gesell
schaftsverhãltniß gebildet. Soll nun in allen derartigen Fällen der Verleger, der einfach eine geschäftliche und handel rechtliche Operation vornimmt, zunächst mit allen, nach dieser Richtung hin ganz unkundigen Autoren sich in Verbindung setzen? Welche Fesseln legen Sie da unserem Wirthschaftsleben an und zu welchem Zwecke ist denn dieses Ganze? Denken Sie sich, der Inhaber eines großen . bett gefesselt derart, daß keine Aussicht besteht, dag Geschäft wieder zu übernehmen, er hat unmündige Kinder, von denen er nicht erwarten kann, daß sie einmal in das Geschäͤft eintreten werden. Das Geschäft kann nun veräußert werden, oder es wird auf⸗ gelöst, wo dann seine Werthe in nichts zerfallen. Ein Käufer für das ganze Geschäft — die Zulässigkeit eines solchen Verkaufs wollen ja die Herren Autoren zugeben — findet sich nicht ohne weiteres, es ift keineswegs so leicht, ein großes Geschäft, wie es liegt und steht, zu verkaufen. Im einzelnen es zu verkaufen oder in Partien, das wollte der Herr Abg. Oertel heute ja schon zulassen, das wollen aber die Herren Autoren nicht. Meine Herren, stellen Sie Lage vor und fragen Sie: was soll daraus werden? Wollen Sie, daß das ganze Geschäft in solcher Weise vollstũndig zer geht? Und was hat dann der Autor davon? Er bekommt nur sein Verlagsrecht zurück das er dann sehr schwer und vermuthlich nicht besser als früher anderswo unterbringen mag.
Ein anderer Fall, wenn ein Verleger sich übernommen hat in Geschäften, wenn er infolge deß vor der Gefahr steht, in Zahlungs— unfähigkeit zu gerathen: er kann sich vor dieser Gefahr schũtzen, indem er einen Theil seines Verlags käuflich abgiebt, und sein Betriebs. kapital durch das Kaufgeld erhöht. Das soll nicht zu⸗ gelassen sein! Der Mann muß in den Konkurs hinein, weil sonst vielleicht die Vorliebe des einzelnen Autors für den Namen des Verlegers verletzt werden würde. Er muß in den Konkurs hinein, auch zum Nachtheil der von ihm vertretenen Autoren! Das ist doch ein vollständig allen Zwecken des Verlags. geschäfts widersprechendes Resultat. Es liegt ein merkwürdiger Wider spruch in den Aeußerungen der Herren, welche die Interessen der Autoren hier vertreten. Auf der einen Seite wird behauptet, es sei ein im hohen Grade persönliches Verhältniß, in welches die Verfasser mittels des Verlagsvertrages zu dem Verleger treten; dieser sei der Mann ihres besonderen Vertrauens, nur mit ihm wollen sie überhaupt zu thun haben, und in demselben Augenblick ängstigen sie sich vor der Gefahr, daß dieser Mann ihre Werke an einen dritten Unternehmer, vielleicht mit den Qualitäten eines Verbrechers, verkauft und sie dadurch schädigt. Meine Herren, Wahrheit und Klarheit in diesen Dingen! Entweder ist es Sache des Vertrauens und die Autoren ftehen wirklich in einem hochpersönlichen Verhältniß zu ihren Verlegern — dann müßten sie ihnen auch soviel zutrauen, daß sie das Werk nicht nur redlich und geschäftsmäßig in ihrem Betriebe behandeln werden, sondern daß sie auch redlich und geschäftsmäßig darüber verfügen werden, wenn es nicht anders geht. Sind aber die Autoren der Ansicht, daß sie Kautelen in dieser Beziehung haben müssen, dann müssen sie auch aufhören zu sagen, es handle sich hier um eine Sache des Vertrauent, dann handelt es sich nur um eine rein geschäftsmäßige Frage, wie sie sich für gewisse Fälle gegen einen Partner, der ihr persönliches Ver⸗ trauen nicht besitzt, schützen können. Uebrigens, dieser selbe Wider. spruch tritt, wenn ich darauf zurückgreifen darf, auch bei den Autoren hervor in der Frage der Bemessung des Preises. Auf der einen Seite sind die Petitionen voll von Klagen darüber, daß die Preise der Bücher bei uns zu hoch sind. Nun eröffnen wir ihnen dadurch, daß wir den Verlegern die Freiheit geben, den Preis eines Werkes zu ermäßigen, die Möglichkeit, unter Umständen zu billigen Bücherpreisen zu kommen, und da wollen Sie die Thür wieder schließen und sagen nein!“, da ist zunächst unsere Zustimmung erforderlich. Wenn das Interesse, die Preise der Bücher zu ver— billigen, vorhanden ist, dann sollen die Autoren den Verlegern die Möglichkeit nicht erschweren, das ganz aus eigener Initiative zu thun. Aber da wollen Sie die Möglichkeit, die Bücherpreise zu ermäßigen, gerade erschweren, indem darüber erst mit den Autoren verhandelt werden soll. Das sind Widersprüche, die sich dadurch erklären, daß die Herren aus gewissen idealen An— schauungen heraus ihre Wünsche niedergeschrieben haben, aber die harten Gesetze des wirthschaftlichen Lebens, die hier zur Geltung kommen, übersehen. Gerade nach dieser Richtung wird, wie ich hoffe, die Kommission, die das hohe Haus zu wählen geneigt ist, auch die Verhältnisse besonders sorgfältig prüfen. In unserer Zeit, in der wir mehr als früher bemüht sind, den Verkehr mit deutschen Büchern, unseren großen, nationalen Schatz an geistigen Erzeugnissen, auch dem Ausland in größerem Umfange zuzuführen, müssen wir unserem Buch⸗ handel die Aktionsfreiheit lassen, die nöthig ist, um im Auslande mit dem dortigen Buchhandel in fruchtbaren Verkehr zu treten. Man kennt in anderen Ländern die Beschränlungen nicht, die wir unserem Buch— handel, wenn es nach den Wünschen der Autoren⸗Petitionen ginge, auferlegen würden. Der Verlagehandel muß bei uns in derselben Freiheit stehen wie der Verlagshandel des Auslandeg, wenn wir diesen für unsere Schriften zugänglich finden wollen; die Erweiterung des Absatzkreises unserer geistigen Erzeugnisse und damit des Ansebens unserer Sprache und des Einflusses des deutschen Geistes hängt doch auch davon ab, daß wir einen thatkräftigen, nicht in kleinliche Fesseln geschlagenen Verlagsbuchhandel besitzen, der die Vermittelung dem Auslande gegenüber übernimmt. Ich kann aber nur wiederholen: wir haben nicht nur diese Seite der Sache berücksichtigt bei der Aufstellung des Verlagsrechts; sie stand bei uns erst in zweiter Linie. In erster Linie stand für uns der Schutz des Autors. Wir baben alles gethan, was wir dafür glaubten thun zu dürfen, und wenn die Autoren von den Rechten und Befugnissen Gebrauch machen wollen, die der Ent⸗ wurf ihnen giebt, so können sie auf Grund dieses Entwurftz, wenn überhaupt mit Ueberlegung gehandelt wird, was man doch voraussetzen muß, ihre Interessen vollständig wahren.
Meine Herren, erlauben Sie mir nur, nachdem ich mich zu dem Verlagsrecht ausgesprochen habe, eine Bemerkung zu machen, die auch allgemeiner Natur ist, aber noch zu dem Urheberrecht gehört. Es handelt sich um einen Gegenstand, der gestern sowohl wie auch heute berührt wurde Es handelt sich um den Schutz für Werke der Kunst und der Photo graphie. Von mehreren Seiten ist dem Bedauern Ausdruck gegeben worden, daß die vorliegenden Gesetzentwürfe diesen Schutz nicht mit umfassen. Meine Herren, wir haben uns diese Selbftbeschrãnkung auferlegt, nicht, um den Schutz für die Werke der Runft und der Photographie, wie er nach den Erfahrungen der letzten Jahre weiter
Geschäfts wird krank, an das Siechen.
sich diele
entwickelt werden muß, diesen Werken zu versagen, sondern umgekehrt, um die Herstellung einer entsprechenden Gesetzgebung möglichst zu er rn. Wir haben aus den Erfahrungen des Jahres 1870 die Lehre gezogen, daß man auf diesem schwierigen Gebiete nicht zu viel auf einmal erstreben soll, wenn man überhaupt Erfolg haben will. Damals hatte die Re⸗ giermg den Schutz der Kunsterzeugnisse mit in die Vorlage einbe⸗ pogen, und erft auf die Initiative des Reichstags hin wurde eine Trennung vorgenommen, um nicht das ganze Werk in den Brunnen fallen zu lafsen. Ich hoffe, meine Herren, daß, wenn wir erst zu dem neuen Schutze der literarischen und musikalischen Erzeugnisse gekommen sein werden, es nicht lange dauern wird, bis daß auch der Schutz der künstlerischen und photographischen Erzeugnisse auf gleichem Boden seine Regelung findet, und über dieses Endresultat werden nicht nur Sie, wird nicht nur der Reichstag, sondern es werden auch die verbündeten Regierungen darüber Genugthuung empfinden. (Lebhaftes Bravo)
Abg. Dr. Rintelen (Sentr.) findet es ungebührlich, daß nach § 38 der Konkursverwalter das Verlagsrecht unbedingt, übertragen dürfe. Das sei keine dispesitive Bestimmung. Er müsse bedauern, daß er im Punkte der Uebertragbarleit sowohl dem Staatssekretär als seinem Freunde Spahn widersprechen müsse. Autoren, Pro⸗ fessoren und Komponisten ständen geschlossen der Bestimmung egenüber, die Verleger allein. Das muͤsse doch einen Grund haben. utoren fuchten einen bestimmten Verlag aus in der Hoffnung, daß ihr geis ich . weiteste Verbreitung finde. Was dann, wenn z. B. ockhaus ein Buch an einen unbekannten Verlag verkaufe, und dieses so ganz von der Bildfläche verschwinde? Bisher sei der Verkauf eines Verlagsrechts eine sehr seltene Ausnahme gewesen; daher erkläre es s . daß aus den Kreisen der Autoren 6 nicht erhoben oder doch nicht bekannt geworden seien. Die geistige Arbeit des Autors stehe doch . höher als die Arbeit des Verlegers, der lediglich sein Geschäft machen wolle. Fine ganz ungeheuerliche Anforderung sei seitens einiger Verleger er⸗ hoben worden, die auch das Recht der Aufführung von Musikstücken als Theil des Verlagsrechts betrachtet wissen wollten. Redner hofft, daß sich die ene fer nicht darauf einlassen werde, dieser Begehr⸗ lichkeit Vorschub zu leisten, welche selbst den Verfasser eines Ton⸗ werks daran hindern würde, es zur Aufführung zu bringen.
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fr. Volksp.): Auch ich erkläre mit dem Esche die Vorlage für einen wesentlichen Fortschritt auf dem Gebiete des Schutzes des geistigen Eigenthums. Es ist den Vorlagen auch gelungen, die , ,, Interessen in hohem Grade miteinander in Einklang zu bringen. Auch die Verlängerung der Schußfrist hat meinen Beifall. Der e, der ¶ In⸗ dividualität des Autors soll durch die verschärften Bestimmungen über die Quellenangabe und über die Zulässigkeit von Aenderungen des Werkes ausgedehnt werden. In dieser Beziehung aber leiden die einzelnen . der Entwürfe an erheblichen Unklarheiten, wie auch in letzter Minute noch im Bundesrathe an den Ent— würfen mehrfache Verschlechterungen vorgenommen worden sind. Be⸗ deutsam und anerkennenswerth ist auch die Erweiterung des Schutzes der musikalischen Kompositionen. Allerdings steht, noch bis heute in der Praxis nicht fest, was eigentlich, gesetzgeberisch definiert, eine Melodie ist. Der Abdruck amtlicher Erlasse ist gegen die Straf⸗ bestimmung wegen Nachdrucks geschützt. Es könnte dagegen scheinen, als ob die Wiedergabe parlamentarischer Verhandlungen nicht gegen den unlauteren ttbewerb geschützt sei. Da sie eines Schutzes durchaus bedarf, müßte eventuell § 17 eine andere Fassung erbalten. Der 5 22 aber bevorzugt die Musikautomaten aller Art in einer so bedingungslosen Welse, daß von einem Urheber⸗ recht und seinem Schutze gar keine Rede mehr ist. Dieser Paragraph ist auch, wie mir scheint, nicht im Reichs⸗-Justizamt geboren, sondern in einem anderen Amt, wo sich Einflüsse geltend 4 haben müssen, die mit dem Schutz des Komponistenrechts nichts mehr zu thun haben. Jedenfalls präsentiert sich diese Ausnahmebestimmung als ein Schlag ins Gesicht der Komponisten. Theorie und Praxis haben sich seit Langem auf den Standpunkt gestellt, daß der Autor gerade in dieser Beziehung eines doppelten Schutzes bedürfe. Eine Verschlechterung ist auch die Be⸗ stimmung in § 24, daß Schulbücher⸗Herausgeber an Gedichten, Auf⸗ sätzen u. s. w. ihnen erforderlich sch einende Aenderungen vornehmen dürfen. Es ist schon an die Entstellungen erinnert worden, welche auf diese Weise von derartigen Herausgebern verbrochen worden sind; so an das Mein Onkel ist verschwunden?“, statt „Mein Liebchen ist verschwunden', und in dem Voltsliede: Kommt ein Vogel geflogen statt von der Liebsten einen Gruß‘, „von der Mama einen Gruß“, da ja die Liebste unter allen Umständen unsittlich ist. Die Nationalhymne hat man verhunzt, indem man die Strophen Nicht Roß, nicht Reisige“ einfach wegließ, um der Jugend nicht demokratische Gedanken einzuimpfen. Der Vervielfaltigung solcher Verballhornisierungen sollte man doch mit allen Mitteln ent⸗ gegenarbeiten. Daß man im §z 44 die berüchtigte lex Stumm“, welche auch Privatbriefe als. Geisteswerke eines besonderen Schutzes * würdig erklärte, schließlich wieder fallen gelassen hat, können wir nur ili Der reelle deutsche Buchhandel soll mit dem Entwurf, betreffend das Verlagsrecht, nicht getroffen werden, denn er kann damit garnicht getroffen werden, dafür bürgt eben seine Reellitãt; andererseits sind aber die Schilderungen, die uns hier über das Elend großer Journalistenkreise und ihre Ohnmacht gegenüber den Verlegern gemacht worden sind, doch nur allzuwahr, und diesen e hasf Schwächeren soll durch den Entwurf eine Stütze geboten werden. Wenn diesem Entwurf, etwas zum Vorwurf gemacht werden kann, so ist es seine Lückenhaftigkeit. Wir baben besonders dringend nothwendig auch ein Theaterrecht. Ueber die Grundlagen des ganzen Verlagsrechts scheint sich der Verfasser des Entwurfs sebr stark im Unklaren befunden zu haben. Der Verleger kann nicht die rechtliche Stellung des Autors usurpieren, wie es nach der Vorlage geschiebt. Die bedenklichste Bestimmung des Gesetzentwurfs ist die über die Uebertragbarkeit. Die Verleger nehmen lediglich einen vermögensrechtlichen Standpunkt ein, die Autoren dagegen einen individualistischen und wissenschaftlichen. Man hat behauptet, daß Beschwerden über die Uebertragbarkeit unter dem geltenden Recht nicht vorgekommen seien; aber nicht allein kheoretisch lassen sich Bedenken dagegen konstruieren, sondern thatsächlich haben wir Fälle erlebt, die sich als ungeheuerlichste Unge— rechtigkeiten darstellen. Dem Verleger des Stenographen Roller, der einen Lehrgang der Arends schen Stenographie für die Arbeiter—⸗ kreise verfa tte, wurde von Arends die Restauflage abgekauft und zurückgehalten, da Arends seinen Konkurrenten unterdrücken wollte; als dann Roller eine neue Auflage veranstaltete, wurde er von Felhaar, dem neuen Verleger des Herrn Arends, noch dazu wegen Nachdruckg angeklagt. Der Staatessekretär hat den Grundsatz für den Verlagsrechtsentwurf aufgestellt: in dubio pro auctore! ei der Uebertragbarkeit des Verlagärecht ist von diesem Grundsatz wenig zu svüren. Auch wir hoffen indeß, daß aus der Kommissionsberathung etwas 2 ür die deutschen Schriftsteller und für den deutschen Buchhandel herauskommen wird.
Abg. Beck h. Coburg (fr. Volkep.) bemängelt verschiedene Bestim⸗ mungen der Entwürfe. Er will auch den ohne Quellenangabe 6 — Na von Telegrammen, dessen sich namentlich kleine Zeitungen gegenüber den großen schuldig machten, bestraft wissen. Durch Stich
Toben werde man den unbefugten Nachdrug leicht feststellen können.
Nachdruck eines Werkes der Tenkunst will Redner verboten wissen, wenn die Dichtung durch den Dichter selbst oder wenigstens unter einer Ping von vornherein zusammen mit einer Komposition veröffentlicht worden sei. Er verkenne nicht, daß die Entwürfe Fort⸗ schritte brächten, aber Aufgabe der Kommissson würde es seden falls sein, zu untersuchen, ob 33 in der angedeuteten Richtung besse⸗ rungen eintreten müßten.
Damit schließt die . Berathung. Die beiden Vorlagen gehen an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern. Hierauf beginnt das Haus die zweite Berathung des k ts⸗Etats für 1901 mit dem Etat des . stages, welcher ohne Debatte unverändert angenommen wird.
Sodann wird die Vertagung beschlossen.
Schluß 5i/ Uhr. Nächsie Sitzung Donnerstag 1 Uhr. (Fortsetzung der Etatsberathung.)
Preusßischer Landtag. Herrenhaus.
2. Sitzung vom 9. Januar 1901, 11. Uhr.
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Nach Eich hl en Mittheilungen folgt die Inter— pellation des Grafen von Klinckowstroem:
Im Jahre 1902 läuft die Konzession der Ostpreußischen Südbahn ab. Welche Schritte hat die , ierung . um die Verstaatlichung dieser Bahn in die Wege zu eiten
Auf die Frage des Präsidenten Fürsten zu Wied, ob und wann die Regierung bereit sei, die Interpellation zu beantworten, erklärt der .
Unter -Staatssekretär Fleck; Der Minister der öffentlichen Ar⸗ beiten sieht sich durch einen schweren Trauerfall in seinem Hause zu seinem Bedauern außer stande, persönlich in diesem Hause zu erscheinen. In seinem Namen und Auftrage erkläre ich mich bereit, die Inter⸗
pellation sofort zu beantworten.
Graf von Klinckowstroem führt zur Begründung der Inter- ellation aus, daß die Ertheilung der . für den Bau der Bahn ein schwerer volkswirthschaftlicher Fehler gewesen sei. Der Stagt hätte die Bahn selbst bauen sollen. Die früher gegen die Verstaatlichung vorgebrachten Gründe seien inzwischen hinfällig ge⸗ worden, und da im nächsten Jahre die Konzession ablaufe, sei jetzt der rechte Moment gekommen, die Bahn zu verstaatlichen. Ziffern⸗ mäßig sucht der Redner nachzuweisen, daß der Staat mit der Ver— staatlichung ein gutes Geschäft machen würde und daß die Verstaatli uu dieser Bahn, die für den Import aus Rußland don größter Bedeutung sei schon im Tarif-Interesse geboten erscheine. Nur wenn die Bahn im Staatsbesitz sei, werde man deren Tarife in einer Weise gestalten können, die dem wirthschaftlichen Interesse des Ostens entspreche, besonders den Interessen der Landwirthschaft. Das K das immer für das Staatsbahnsystem und dessen Ausgestaltung gewesen sei, könne mit Recht die Verstaatlichung fordern. Dier könne man beweisen, ob man wirklich für die Interessen des Ostens und der Landwirthschaft eintreten wolle. ;
Unter Staatssekretär Fleck. Ich habe folgende Erklärung abzu⸗ geben: „Für die Staats regierung ist es unter allen Umständen mißlich, über die Frage der Verstaatlichung einer Privatbahn in eine parlamentarische Erörterung früher einzutreten, als der betreffenden Bahn eine entsprechende amtliche Eröffnung gemacht ist. Ich bin daher auch nicht in der Lage, für die Regierung eine Erklärung darüber abzugeben, ob und in beiabendem Falle zu welchem Termin sie beabsichtigt, die SOstpreußische. Süd⸗ bahn zu erwerben.“ Die Voraussetzungen und Bedingungen des Erwerbs dieser Bahn sind bereits durch das Gesetz von 1838 über die Eisenbahnunternehmungen geregelt, aber nichts⸗ destoweniger wäre diese Verstaatlichung nicht eine bloße Verwaltungs—⸗ maßregel, sie könnte auch durch freie Vereinbarung geregelt werden. Vor allen Dingen ist zu prüfen, ob diese Verstaatlichung im all⸗ gemeinen finanziellen Interesse des Staats, im Verwaltungsinteresse der Staatseisenbahnen und im Verkehrs- und volkswirthschaftlichen Interesse der betheiligten Landestheile nothwendig und zweckmäßig ist. Aber die Entscheidung über diese Verstaatlichung ist noch nicht so dringend, um sie zum frühesten Termin in Aussicht zu nehmen. In der Frein selbst wird die Sache verschieden beurtheilt.
Auf Antrag des Grafen von Mirbach findet eine Be— sprechung der Interpellation statt.
Ober⸗Bürgermeister Delbrück-Danzig hält es für wünschens⸗ werth, daß, wenn die Ostpreußische Südbahn verstaatlicht werde, derselbe Schritt auch bezüglich der Marienburg⸗Mlawkaer Bahn ge—⸗ schehe. Er müsse die Regierung bitten, bei der Prüfung der Frage doch auch die Handelsinteressen der Hafenstädte, ins⸗ besondere die Interessen Danzigs, zu berücksichtigen. Für die Hafen städte sei es keineswegs ohne Bedeutung, ob z. B. die Marienburg⸗ Mlawkaer Bahn weiter bestehe. Die Verstaatlichung dieser Bahn, die der Verstaatlichung der Ostpreußischen Südbahn kensequenterweise folgen müsse, würde Danzigs Handel zu Gunsten Rußlands schädigen.
Graf von Klinckowstroem beantragt eine Resolution,
Ober⸗Bürgermeister Struck mann⸗-Hildesbeim hält einen solchen Antrag für geschäftsordnungsmäßig unzulassig. 33
Graf von Mirbach unterstützt den Antrag des Grafen von Klinckowstroem und betont ebenfalls die Nothwendigkeit der Verstaat—
Er erwartet, daß der Antrag des Grafen von Klinckowstroem mit großer Mehrheit vom Hause angenammen werde.
Graf von Schlieben spricht sich in gleichem Sinne aus.
Unter ⸗Staatssekretär Fleck versichert, daß die Eisenbahnverwaltung die geltend gemachten finanziellen und volkswirthschaftlichen Gründe prüfen werde
Damit wird dieser Gegenstand verlassen.
Es folgt die Interpellation des Schlieben, die Zigeunerplage betreffend. pellation lautet: .
Ist es der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß die im Lande umberziehenden Zigeunerbanden eine Landplage für die Ein⸗ wohner geworden sind? Und was gedenkt die Königliche Staats regierung gegen dieses Unwesen zu thun?
Nachdem der Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben sich zur sofortigen Beantwortung der Intewellation bereit erklärt hat, begründet * 2 23
Graf von Schlieben unter Anführung verschiedener Falle von Belaästigungen durch Zigeuner die Intewellation, die durch die dringende Nothwendigkeit einer Abhilfe veranlaßt sei. In manchen Landestheilen seien die Zigeuner zu einer förmlichen Kalamität eworden. Ausländische Zigeuner sollten rücksichtslos abgeschoben, sinländischen solle eventuell ein Zwangswohnsitz angewiesen werden.
Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Ich würde dem Herrn Intewellanten sehr dankbar gewesen sein, wenn er die Güte gehabt hätte, seine Inter⸗ pellation früher anzukündigen; dann wäre ich in der Lage gewesen, Informationen über die von ihm behandelten Fälle einzuziehen. So bin ich dazu nicht im stande gewesen. Ich darf nur auf den einen Fall in Eupen eingehen. Der hat sich in der That so verhalten, wie der Herr Graf ihn andeutete. Plötzlich kam über die belgische Grenze eine große Zahl von Jigeunern, deren Staatsangehörigkeit nicht gleich festgestellt werden konnte. Jedenfalls waren es keine Preußen. Da sich später herausstellte, daß es Oesterreicher waren, wurden sie nach Desterreich abgeschoben. Aber die Verhandlungen haben in der That
Grafen von Die Inter⸗
eine geraume Jeit gedauert.
durch welche die Regierung aufgefordert wird, die Verstaat⸗ lichung der Ostpreußischen Südbahn unverzüglich vorzunehmen.
lichung der Ostpreußischen Südbahn im Interesse der Landwirthschaft. dur . . ⸗ ; ne. fie ui weis zu erbringen suchen, daß für die Schulversorgung ihrer Kinder
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In der Sache selbst kann ich dem Herren Interpellanten nur Recht geben, daß die Zigeunerplage für das Land und besonders das platte Land eine sehr üble Angelegenheit ist, die den Bewohnern des Landes, insbesondere unserer ländlichen Bevölkerung, die größten Be. schwerden verursacht. Die Regierung hat dieser Landplage — so kann man sie wohl mit Recht bezeichnen — von jeher ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Aber, wie der Herr Interpellant schon andeutete, ist die Sache nicht mit einem Schlage gemacht. Radikalmittel, die ganze Plage auszurotten, stehen nicht zur Verfügung. Die Sache ist ganz ver⸗ schieden, wenn es sich um ausländische oder inländische Zigeuner handelt. Der Herr Graf meinte, daß es schwieriger sei, gegen die ausländischen, und leichter, gegen die inländischen vorzugehen. Die Sache liegt umgekehrt: Gegen die ausländischen Zigeuner vorzugehen, liegt in unserer Macht. Der Staat vermag gegen Ausländer jedes Machtmittel anzuwenden, das anzuwenden er für gut befindet. Die Ausländer haben keinerlei Anspruch darauf, innerhalb der Grenzen Preußens oder des Deutschen Reichs zu weilen. Bereits in einer Verordnung von 1886 ist an⸗ geordnet, daß alle ausländischen Zigeuner an der Grenze feftgehalten und überhaupt nicht in das Inland hineingelassen werden sollen. Sie wissen ja nun selbst, meine Herren, wie das an der Grenze zugeht. Eine solche Anordnung ist nur dann vollständig durchführbar, wenn wir einen völligen Kordon an der ausländischen Grenze ziehen. So lange unsere Grenzen nicht in der Weise bewacht sind wie die russische, ist dagegen die volle Durchführung einer solchen Maßregel unmöglich. Die Zigeuner kommen auf dem grünen Rasen, auf verbotenen Wegen und bei Nacht über die Grenze, ohne daß die Polizeiorgane es verhindern können. Demgegenüber ist angeordnet, daß Zigeunerbanden, die widerrechtlich das Inland betreten, festgehalten und wieder über die Grenze zurückspediert werden sollen. Meine Herren, Sie wissen ja, wie die Sache zugeht. Der Schutz durch Gendarmen ist auf dem Lande kein übertrieben starker. Der einzelne Gendarm ist nicht in der Lage, den Kampf mit Trupps von 10, 20 und 30 Mann aufzunehmen. Bevor er den be⸗ nachbarten Gendarmen zugezogen hat, ist der Trupp bereits über die Grenzen des Kreises verschwunden. Ich habe auch den Eindruck, daß bei der Zigeunerplage wie im Gebet des heiligen Florian oft der Ge— danke maßgebend ist: „Herr, schütze unser Haus und zünd' andere an*. Wenn die Zigeuner nur aus dem eigenen Kreise abgeschoben sind, ist die Sorge nicht ihretwegen einstweilen beseitigt. In dieser Beziehung ist, namentlich damit finanzielle Rücksichten nicht weiter mitsprechen sollten, bereits im Jahre 1886 angeordnet worden, daß die Kosten des Rücktransports von Zigeunern auf Staatsfonds über- nommen werden sollen, um auf diese Weise die Angelegenheit nach Möglichkeit zu erleichtern. Soweit meine Kenntniß der Dinge reicht, ist auch in der That der Zuzug der ausländischen Zigeuner wesentlich geringer geworden als früher; wir können ihn aber, wie gesagt, aus den Gründen, die ich andeutete, nicht ganz verhindern, und ich darf dem Herrn Grafen gegenüber noch bemerken, daß vielfach Zigeuner über Grenzen kommen, die wir nicht bewachen können, aus Oesterreich, über die sächsischen und bayerischen Grenzen; kurzum, wir sind nicht in der Lage, eine völlige Absperrung der Grenzen durchzuführen. Indeß hat, soweit ich informiert bin, der Zuzug ausländischer Zigeuner doch nachgelassen.
Dagegen muß ich mit dem Herrn Grafen anerkennen, daß die inländische Zigeunerplage in keiner Weise in dem Maße zurückgegangen ist, wie es erwünscht ist, und gerade auf dem Gebiete der Bekämpfung der Landstreicherei inländischer Zigeuner liegen erhebliche Schwierigkeiten vor. Die inlän⸗ dischen Zigeuner sind Staatsangehörige wie jeder Andere und wir haben keinerlei spezifische Machtmittel gegen dieselben, wir können nur von den allgemeinen gesetzlichen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, Gebrauch machen, und diese sind im wesentlichen die Bestimmungen der Reichs⸗Gewerbeordnung. Es ist in dieser Be⸗ ziehung bereits durch den Erlaß vom 29. September 1887 den Be— hörden zur strengsten Pflicht gemacht, von den Bestimmungen der Gewerbeordnung gegen die Zigeuner den striktesten Gebrauch zu machen und erst, wenn die Voraussetzungen der Gewerbeordnung unzweifelhaft nach allen Richtungen erfüllt sind, den Wandergewerbe schein an Zigeuner auszuhändigen. Die S§ 5? ff. lassen die Versagung des Wandergewerbescheins zu, wenn die Zigeuner keinen festen Wohn— sitz haben und wenn für die schulpflichtigen Kinder nicht gesorgt wird, und diesen beiden Bestimmungen gehen die Zigeuner geschickt aus dem Wege. Sie sind, wie der Herr Graf schon mit Recht betont hat, so gerissen', daß sie bisweilen die Kinder einige Tage in die Schule schicken und dann durch die Bescheinigung des Lehrers über den Schulbesuch den Nach—
genügend gesorgt sei. Dem ist jetzt ein Riegel vorgeschoben worden. Es ist, und zwar bereits durch eine Verfügung vom Jahre 18539, den Lehrern eine entsprechende Weisung gegeben worden. Ferner ist bereits im Jahre 1887 die Instruktion an die Behörden hinausgegangen, die Anträge auf Ausstellung von Wandergewerbescheinen bei Zigeunern auf das strengste zu prüfen; sie scheint aber nicht, wie auch der Herr Graf mit Recht betont hat, in allen Landettheilen so gewirkt zu haben, wie es nöthig war. In vielen Landes—⸗ theilen ist die Zigeunemlage zurückgegangen, in anderen aber nicht, und es sind auch mir Klagen zu Ohren gekommen, daß die Behörden hinsichtlich der Versagung des Wandergewerbescheins nicht mit der Schärfe vorgegangen sind, die nothwendig ist. Ich habe daher bereits unter dem 28. April 1900 die Behörden erneut auf die strengste Handhabung des § 57 ff. der Reichs⸗Gewerbeordnung hingewiesen.
Ich habe noch auf einen besonderen Punkt aufmerlsam zu machen. Im Interesse der Erleichterung der Antragsteller wie der Behörden bei Erneuerung des Wandergewerbescheins braucht nur ein Schein des Inhalts vorgelegt zu werden, daß der Betreffende bereits im Vorjahr einen Wandergewerbeschein gehabt hat. Dies ist bei den Zigeunern als unzulässig bezeichnet und den Behörden zur Pflicht gemacht worden, in jedem einzelnen Falle und in jedem Jahre erneut eingehend zu prüfen, ob kein Grund für die Versagung aus der Reichs. Gewerbeordnung zu entnehmen ist. Dieser Erlaß ist im April 1900 ergangen, als die Gewerbescheine für das jetzt abgelaufene Jahr 1900 bereits ausgefertigt waren. Der Erlaß hat also in dem verflossenen Jahr seine volle Wirksamkeit nicht äußern können; ich hoffe aber, daß er in diesem Jahr zu einer weiteren Einschränkung der Zigeunerfrage führen werde. Sollte das nicht der Fall sein, so kommen verschiedene Maß⸗ regeln in Betracht, die in der gedachten Richtung wirken dürften.
Zunächst einige minder bedeutende. Es ist von einigen Behörden vorgeschlagen worden, man könne die im allgemeinen geltende Be⸗
stimmung, daß die zu gewerblichen Zwecken benutzten Wagen mit