1 1 . . . ( . h kö —ᷣ2 ; ö j . 4 ! . 1 r
4 ö
6 — — 28 2. ö. * 2 2
r
1 . me. — — 2 * a 0 , Oe.
über die
// —
die ruhige und versöhnliche Form, mit der der Minister⸗Präsident die Debatte eingeleitet hat. Er hat sie in den richtigen 53 gebracht, indem er sagte, es handle sich um keine . olitische 9. e. Wenn man die ö. Vorlage zu einer hochpolitischen gemacht hat, so ist das nicht unsere Schuld gewesen. Wir haben in dieser Frage niemals einen . zwischen Landwirthschaft und Industrie . Die Rücksicht auf die Landwirthschaft hat uns nicht zur Ablehnung der Vorlage bestimmt. Wir haben von der Vorlage keine Vortheils für die Landwirthschaft erwartet, eher Nachtheile, aber wenn wir ge⸗ glaubt hätten, daß diese Vorlage eine wirkliche Förderung unserer ganzen öffentlichen ,, 3 könnte, so würden wir trotz unserer Bedenken für ihre Annahme gestimmt haben. Es war nicht die Frage, ob wir der Industrie das verlangte Verkehrsmittel überhaupt n. sondern ob das verlangte Verkehrsmittel das beste, glück ichste und gesündeste Mittel sei. Wir te, die Besorgniß, daß durch einen solchen Kanal die Herrschaft über unsere Tarife verloren gehen, das ganze Finanzwesen gefährdet werden könnte. Diese Be— denken sind bei uns nicht beseitigt, wir werden aber die Vorlage ernstlich prüfen; wir sind es uns und unseren Wählern lein in dieser Frage na unserer Ueberzeugung zu stimmen
und nicht zu gestatten, daß diese Vorlage mit irgend welchen anderen
Fragen verknüpft wird. Aber wir sind dem Reichskanzler dankbar dafür, daß er üher sie in einer versöhnlichen Weife n, . und dadurch die Möglichkeit geboten hat, daß, mag nun die Vorlage an⸗ enommen oder abgelehnt werden, eine Verstimmung zwischen den arteien, die darauf angewiesen sind, miteinander und mit der Regie⸗ rung zu arbeiten, nicht eintreten wird. Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Rede des Grafen Bülow war eine schoͤng Rede, er t überhaupt schöne Reden. Die Bemerkungen über die Zusammengehörigkeit des Qstens und Westens waren sogar
so schön, daß . einen manchesterlichen Anklang hatten und ich sie
lt unterschreiben könnte. Alle Welt hat aber gehört, daß der Reichs- anzler von einem erhöhten Schutzzoll , Die Journalisten⸗ tribüne ist darüber einig. kann mir unter gesichertem Schutzzoll überhaupt nichts denken. Wir haben eine aufsteigende Tenden; im Lande, wenn nicht etwa die Weltpolitik einen unheilvollen Einfluß ausübt. Die Landwirthschaft hat eine gute Ernte hinter sich. Die e,. können mit demselben Recht über den gesunkenen Zinsfuß
lagen wie die Grundrentner über den Rückgang der Grundrente.
Der Finanz⸗Minister hat sehr viel Geld. Durch das neue Einkommen- steuergesetz, also durch eine neue Belastung des Landes, ist die Ein— kommensteuer allein im Verhältniß von 109: 250 gestiegen. Trotz dieser ah Einnahme aus der Cinkommensteuer und aller Klagen ärte des Gesetzes wird nicht . angelegt, um dieses vor acht Jahren erlassene Gesetz zu ändern. Abgeordnetenhaus kann dazu nicht die Initiative ergreifen. Die Eisenbahnen bringen in 30 Mill. Mark mehr. Ich meine nicht, daß diese Mehreinnahme unficher ist. Tro dieser steigenden Einnahmen keine Reform der Tarife! Die Personentarif⸗ reform . vollständig, daher kommt das viele Geld. Nicht mit einem einzigen Milliönchen Ausfall aus irgend einer Tarifreform wird . Der ganze Etat ö. zu . auf Ueberschüsse. 5. Millionen, 192 Millionen Ueberschüsse, das ist ft so die Regel. Die Finanzpolitik des Herrn Ministers bon Miquek ist eine rein ,. sie ist aber volkswirthschaftlich nicht berechtigt. Im Gegen— atz zur glänzenden he n fg. reußens steht die finanzielle Lage im Reich. Das Reich hat 1900 eine Unter⸗Bilanz von 80 Millionen, 1901 eine solche von 84 Millionen, und dazu kommt noch die neue China . Anleihe. Auf eine Verminderung der Ausgaben im Reich hat Herr Minister von iquel niemals hingewirkt. Sonst erscheint er nicht im Reichstage, bei der Flottenvermehrung hat er aber dort gesagt: „Finanziell haben Sie nichts zu befürchten. Im Rei erwartet man nicht, daß die veranschlagten Einnahmen wirkli eingehen werden, und doch sollen in diesem für das Rei ungünstigen Jahre die Einzelstaaten noch um 63 Millionen ark in ihren Beziehungen zum Reich besser fahren, und zwar lediglich nach der automatischen Spannungstheorie, weil sie im vorigen Jahre etwas schlechter gefahren sind. Die Finanzlage im Reich und in den Einzelstaaten wird immer un— klarer. Warum will der Finanz⸗Minister das . Band zwischen Reich und Einzelstaaten lösen? Diese . ist thatsä . . tikularistisch; die Herren im Zentrum sind in diesem Urtheil sach⸗ verständig. Der Hinweis auf die siebziger Jahre ist nicht stichhaltig, denn damals, als die Frankenstein sche Klausel Gesetz wurde, bestand noch keine so geh Reichsschuld. Das Reich greift doch nur deshalb auf die Einzelstaaten zurück, weil das Reich auf die Be— lastung des Massenkonsums. und des Verkehrs angewiesen ist und die direkten Steuern den Einzelstaaten vorbehalten sind. In Preußen werden Hunderte von Millionen thesauriert, und im Reich bringt man eine Million auf durch eine neue Schiff fahrtsabgabe. Das. Zentrum sollte sich mit uns vereinigen, um dem Finanz- Minister eine gehörige Summe von den Ueberschüssen abzunehmen. Was die Ausgaben für die Kriminalpolizei betrifft, so muß mit dem Grundsatz gebrochen werden, d Jeder gut genug dafür ist, der irgendwo in . . Schiffbruch gelitten hat. Der Minister interessiert sich für die Wohnun frage der Beamten. Die 3 ist doch, daß er das Geld dafür auf dem äsentierteller bringt. Im nächsten Jahre werden die Miethen eher teigen als sinken. Im internen Extraordinarium tritt eine gewisse esaurierung hervor. Ob die Uebertragung auf die nächsten Jahre zweckmäßig und verfassungsmäßig ist, ist mir zweifelhaft. Es ist ja sehr gut, daß für Kunst und die * etwas mehr ge⸗ ieht. Die Ausgaben für die Schulbauten sind das Paradepferd. er wird aber dadurch entlastet? Wir haben über diesen dis— kretionären Fonds gar keine Kontrole. Man hat ein Schuldotations— gesetz in bie en Jahre erwartet. Aber ein solches Schuldotations. gesetz würde alle die Kontroversen ju Tage gefördert haben, die sich seinerzeit an den Zedlitz'schen Entwurf geknüpft haben. Unter dem Krummstabe wollen wir bei Regelung dieser Frage nicht ruhen. Bedauerlich ist es allerdings, daß eine durchgreifende Reform in diesem Jahre nicht vorgenommen wird, denn die ünstige Finanzlage dieses Jahres wäre die beste Gelegenheit dazu. 5 einmal hat man die Gelegenheit verpaßt. — bei der Steuer⸗ reform. In Bezug auf die Polenfrage hat sich herausgestellt, daß die angewandten Mittel nicht im stande waren, das Polenthum zurück- zudrängen. Die polnische Bevölkerung wächst eben, und vom Staate werden die ensätze verschärft. arum stehen die geforderten Mittel für Bibliotheken, Theater u. s. w. der polnischen Landestheile im Etat des Finanz ⸗Ministeriumz? Man sagt doch, es sei eine olitische Frage. nn müßten aber die Ausgaben dem Minister⸗ . unterstehen. an ist 6 die Sypothekenbanken zu rechen gekommen. Welche Papiere sind denn heute noch mũndel . Die Befürchtungen sind 6 * viel zu weit gegangen. kan will die Treuhänder finanziell derantwortlich machen; das säßt tief blicken. Was die Gerichtspolißzieher betrifft, fo sst niemals ein größerer Fehlschlag eingetreten als mit der Neuord= nung des Gerichtsvollsiehermesens; ln den großen Städten berrscht Eradezu eine Kalamität. — Ich wende mich ju dem Ministerium des 36 Auf die Frage der ätiqung der Beamten werden wir i anderer Gelegenheit eingehen. Erfahrungen des Proꝛesses Stern haben das schon durch den i , ozeß geschw Ansehen der Kriminalpolizei nicht verstärkt. echne es dem neuen Minister · Prãsidenten hoch an, daß er sich sefort mit dem Minister des nnern in eine Rontrbyrerfe vor der Deffentlichkeit lber diese ra * hat. Was die Organisation der Kriminalpolizei fft, so ist doch nicht der Minister der Chef der gerichtlichen Polizei, sondern die Staatsverwaltung, die im e Sternber der ni . wenig unterstũtzt worden 2 ir kommen n als bis die pöoͤlitische Polizei überhaupt besei ĩ mit zu an. vor machen 22 wo einzelnen Minister litische Pollzei und Wohl⸗ ennt Die ter⸗
get werden wieder merkwürdige Blẽũthen
e. 649 von einander
letzter
üũ rtlich ist der 6. Landrath [ ö 4 er. seine Qua-
ten des P
en 9. raf
33 3
bg. Fritzen
inn,
.
.
e
Die Annahme der Kanalvorlage kann h schleppt werden. Ein Theil der Konservativen wird in der Opposition verbleiben, und er wird schließlich froh sein, daß er besiegt ist. Es wird sich darum handeln, die Rosinen aus dem Kuchen heraus⸗ zusuchen. ie Regierung hat die Rosinen gerade in den 8 gesteckt, um den Ost-Elbiern den Kuchen schmackhaft zu machen. Durch neue Kompensationen wird vielleicht nur erreicht werden, daß auf der linken Seite mehr Abgeordnete das Schiff ver⸗ lassen als es bestiegen. Wir sind für den . aus rein sachlichen Gründen, mußten aber dabei die Bemerkung machen, daß unser Eifer die Regierung unruhig machte. Wir haben unsere Pflicht gethan, mag nun die Regierung die ihrige thun.
,, , des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Ich kann den bisherigen Rednern zum Etat, selbst einschließlich des Herrn Abg. Richter, nur dankbar sein.
Was die beiden ersten Redner betrifft, so hat der Herr Abg. Fritzen die finanziellen Grundsätze, nach denen die preußischen Finanzen seit Jahren in Uebereinstimmung mit diesem hohen Hause geführt sind, vollkommen gebilligt. In einzelnen Punkten weicht er ab; das ist ja aber bei einem so großen Etat durchaus natürlich.
Herr Graf Limburg⸗Stirum hat mir — ganz im Gegensatz gegen den Herrn Abg. Richter — übrigens in sehr freundlicher, leiser Weise vorgehalten, ich hätte die Situation zu günstig geschildert, und er hat — wiederum im Gegensatz gegen den Herrn Abg. Richter — wohl gemeint, daß ich diese allzugünstige Schilderung der Finanzlage Preußens mit einem bestimmten Zwecke, wahrscheinlich um das Durchgehen der Kanalvorlage zu erleichtern, vorgetragen hätte. Meine Herren, ich möchte glauben, daß es mir gelingen wird, zuvörderst den Herrn Grafen Limburg zu überzeugen, daß ich in beiden Fällen in der Art und Weise, wie ich früher die Lage geschildert und welche Warnungen ich daran geknüpft habe, und in der Art und Weise, wie ich es heute gethan habe, mir vollkommen konsequent geblieben bin.
Man macht immer die Erfahrung, daß in den Zeiten des Auf⸗— schwungs dieser Aufschwung in seiner Bedeutung und Dauer über⸗ schätzt wird, und daß daraus sehr nachtheilige Folgen für die dauernde Belastung des Staats entstehen können. In der Zeit dieses großen Aufschwungs war es meine Aufgabe, das Anstürmen gegen die Staatsfinanzen, das fortwährende Drängen, die Ausgaben des Staats zu erhöhen und ganz neue Ausgaben und Aufgaben dem Staat aufzulegen, möglichst zu mäßigen. Ich mußte naturgemäß, wenn ich meine Aufgabe erfüllen wollte, unaufhörlich darauf hinweisen: glauben wir nicht, daß dieser Aufschwung, die hohen Ziffern der Ein⸗ nahmen dauernd bleiben werden, hüten wir uns, dauernde Ausgaben in allzu hohem Betrage auf diese vergänglichen Einnahmen zu werfen. Heute nun, meine Herren, ist die Lage — Herr Fritzen hat sie im Ganzen durchaus richtig geschildert — eine andere. Heute ist das Ge⸗ fühl vorhanden: die wirthschaftliche Entwickelung geht eher rückwärts, wir werden vielleicht bald eine Periode des Stillstands oder gar des Rückgangs haben. Heute können aus dieser Lage leicht allzu pessimistische Konsequenzen hergeleitet werden, und da ist es, meine Herren, meine Aufgabe, auch dies zu verhüten. Es liegt im Staatsinterẽsse und im gesellschaftlichen Interesse, daß eine solche Direktive, die die gewerbliche Entwickelung giebt, nicht nach der ungünstigen Seite hin übertrieben wird, um so mehr, als ich durch diese Art der Behandlung mir selbst und dem hohen Hause, welches stets trotz der unaufhörlichen Abmah⸗ nungen des Herrn Abg. Richter mit dieser Finanzpolitik gegangen ist, zeigen wollte, daß gerade die Politik der Vorsicht und des Denkens an die Zukunft uns jetzt sicherer macht gegen einen allzu starken Rück- schlag, der unseren Staatsfinanzen gefährlich werden könnte und ohne diese Politik gefährlich geworden wäre. Es ist doch für uns alle tröstlich, daß wir in der Vergangenheit nicht nach dem Rath des Herrn Abg. Richter die Früchte einer vorübergehenden Zeit verzehrt haben, um jetzt in der vielleicht kommenden knapperen Zeit nichts zu
Ga ist tröstlicher für uns, Reserven aufgehäuft zu haben, die uns über solche ungünstigen Zeiten hinweghelfen werden.
Was ist die ganze Finanwolitik des Herrn Abg. Richter? Gs ist die Politik desjenigen Unternehmens oder Unter nehmers, welcher hohe Ginnahmen in einer Hausseperiode hat und sie für sich selbst verbraucht, um gar keine Reserven zu haben in Zeiten, wo die Woge zurückgeht, wo die Ginnahmen knapp werden und wo die Mittel, die großen Ausgaben zu decken, nicht mehr vor⸗
handen sind. Das ist die Politik des Herrn Abg. Richter hier und
im Reiche. Ich kenne ihn in dieser Beziehung seit .o Jahren; ig habe nie was anderes gesehen. Er ist sich ja überhaupt immer en. seduent; er hat ja nicht die Neigung, sich selbst zu kritisieren und zu
fragen, ob seine eigenen Meinungen überhaupt richtig waren oder ob sie noch richtig sind, und die Lehren aus den Erfahrungen
und aus den veränderten Thatsachen zu ziehen. (.
Meine Herren, ich möchte auf die Frage des Verhältnisses Preußens zum Reich hier nicht tief eingehen. Zu denen, die die Ge. schichte der Reichsfinanzen kennen, von Anfang an mitgewirkt haben, kann ich mich selbst rechnen; die Paragraphen in der Reichsverfassung über das Finanzwesen rühren wesentlich von mir her, und ich bin derjenige gewesen, der am ersten Tage bei der Berathung der Ver⸗ fassung des Norddeutschen Bundes darauf hingewiesen hat, daß daz Wesen der Matrikularumlagen als ein lediglich vorübergehendes Aug kunftsmittel, so lange die Reichs⸗Finanzverwaltung noch nicht ge— nügend geordnet war, zu betrachten sei. Also ich weiß ganz genau, was im Sinne des Reichs und im Sinne der föderativen Verfassung Deutschlands die Matrikularumlagen bedeuten sollten. damals daran gedacht, daß das eine dauernde Institution werden sollte.
Meine Herren, der Herr Abg. Richter, immer sehr geneigt, sich hinter den breiten und starken Rücken des Zentrums zu stecken (Heiterkeit), thut nun so, als wenn seine Politik die Politik des Zentrums wäre. Meine Herren, der Herr Abg. Richter ist ein entschiedener Gegner von Schuldentilgung stets gewesen; höchstens will er Schulden tilgen lassen aus zufällig vorhandenen Ueberschüssen; wenn die Ueberschüsse aber verzehrt sind, so ist es auch gut, so werden eben keine Schulden getilgt. Dem Zentrum und seinen Führern ist es zu verdanken, daß endlich die Schuldentilgung im Reiche eingeführt ist, und wir können auch seitens der Regierung dem Zentrum in dieser Beziehung nur durchaus dankbar sein. Ich habe diese Politik immer gebilligt, obwohl die Matrikularumlagen dadurch höher oder die Ueberweisungen geringer wurden. Meine Herren, im vorigen Jahn, als neue Ausgaben durch das Flottengesetz nothwendig wurden, ist din Zentrum das Bestreben zu verdanken gewesen, nun auch aus Reich mitteln die erforderlichen Einnahmen dazu herbeizuschaffen. Eine derart Politik würde nach meiner Ueberzeugung der Abg. Richter nie billigen; daher glaube ich auch, daß in Zukuuft die Herren vom Zentrum sich überzeugen werden, daß der Hauptgrund, den sie für die Beibehaltung der Matrikularumlagen anführen, daß nämlich dann sparsamer regiert würde, weil die Einzelstaaten dann das Interesse hätten, die Matrikular⸗ umlagen, d. h. die Ausgaben des Reichs möglichst niedrig zu halten, ein vollkommener Irrthum ist.
Meine Herren, wir haben im Deutschen Reiche nur einen ver⸗ antwortlichen Beamten, das ist der Reichskanzler; wir können, ohne die Verfassung des Reichs von Grund auf zu ändern, einen zweiten selbständig verantwortlichen Chef, der für die Finanzen oder für das Innere verantwortlich wäre, im Gegensatz zu dem verantwortlichen
Beamten für die auswärtige Politik nicht schaffen. Das ist nach
meiner Ueberzeugung ein Axiom, das jeder, der unsere Verhältnisse und den Föderativstaat, die Existenz des Bundesraths u. f. w. in Erwägung zieht, nicht bestreiten kann. Folglich können Sie im Reiche die Garantie einer sparsamen, sorgfältigen, vor⸗ sichtigen Verwaltung durch einen dafür ausschließlich und direkt verantwortlichen Minister nicht bekommen. Außerdem sind in Reiche aber mächtige Ressorts, denen selbst von einem solchen, persõnlich verantwortlichen Minister schwer zu widerstehen ist. Worin liegt, meine Herren, die Garantie einer wirklich sparsamen Ver= waltung? einfach in der Nothwendigkeit, die Mittel für die Aut gaben, die man bewilligt, auch selbst herbeizuschaffen. (Sehr richtig) Wenn der Reichs⸗Schatzsekretär den Ressorts, die auf Mehrausgaben drängen, oder dem Reichstage, der Mehrausgaben ja oft auch fordern wenn dann der Schatzsekretär erwidern kann: die Mittel sind erschöpft; wenn ihr mehr ausgeben wollt, so müßt ihr die Mittel herbeischaffen — das ist eine wirkliche Garantie! War's mit der lex Huene nickt genau so? Das war genau dieselbe Frage. Wenn die Herren in Reiche, wenn sie keine Mittel für ihre Ausgaben haben, einfach die Matrikularumlagen erhöhen können, so ist das für schwache Ge⸗ müther geradezu eine Einladung, die Ausgaben zu vermehren Ich bin noch vor kurzem in einem Kreise gewesen, wo 0h das Kreishaus besucht habe; ich fand wirklich nach meinen Begriffen einen wahren Palast. Da habe ich mich erinnert, wie nützlich es ge wesen ist, daß wir einen Zustand aufgehoben haben, wo den Kreisen das Geld von außen nur so in die Taschen flog. Leicht gewonnen. leicht zerronnen! Meine Herren, diesen Zustand konservieren Sie im Reich, wenn Sie ihn dauernd erhalten.
Der Herr Abg. Fritzen hat ja allerdings gesagt: wir erkennen an, daß man die Matrikularumlagen möglichst niedrig halten muß, daß eine Steigerung bedenklich ist, und wir haben gezeigt, daß wir danach streben, indem wir der Spannungstheorie zugestimmt haben. In. meine Herren, ich glaube nicht, daß, wenn der heutige Zustand, die verfassungs mäßige Ordnung, wie sie besteht, bleibt, das in einem volla Maße durchzuführen ist. Wenn ich gesagt habe, Preußen kam auf Ueberweisungen verzichten, so habe ich direkt hinzugefügt: wem wir nur dann auch von weiteren Anforderungen des Neichs befreit sind! Aber, meine Herren, wir könnten selbst das noch eher ertragen als eine Reihe von kleineren und mittleren Staaten in Deutschland, die diese Ressourcen nicht besitzen, die keine Eisenbahn haben u. s. x. Wie wollen diese ein solches Steigen der Ausgaben mit korrespen. dierendem Wachsen der Matrikularumlagen ertragen! Da kommt allerdings der Punkt, wo eine Entwickelung, wie ich sie beim Zentrum gesehen habe, die im wesentlichen höchst erfreulich ist, hier aber n weit geht in der Unifitzierung — eine Entwickelung, die sich nicht s sehr zur Aufgabe macht, ansschließlich und vorzugsweise die Interefs⸗ der Ginzelstaaten zu vertreten, sondern die Reichsinteressen in der Vordergrund stellt — daß diese Entwickelung doch nach der finamie ll Seite übertrieben wird, und daß, wenn man den Föderalismus n Deutschland aufrecht erhalten will, man in dieser Beziehmm jedenfalls mit der größten Vorsicht vorangehen muß. 1 hoffe eben, daß das Zentrum durch die Erfahrungen, die macht, auch in dieser Beziehung auf einen vorsichtigen und maßb Weg zur Erhaltung der mittleren und kleineren Staaten kommen wird
(Schluß in det Zweiten Beilage
Niemand hat
ö
bor
*
(Schluß aus der Ersten Beilage)
Meine Herren, der Herr Abg. Richter hat uns hier einen Vor— ag gehalten, den er, so lange ich hier bin, jedes Jahr gehalten hat. Heiterkeit rechts) Ich habe immer gehört: „‚Ueberschußwirthschaft“, Heiden mäßig biel Geld“, „Uebermäßige Bedrängung des Beutels des einzelnen Steuerpflichtigen', „Der Staat macht sich unnütz reich“, Das ist ein ganz verkehrtes Finanzsystem!“ Das haben wir immer gehört. Heute hätte vielleicht der Herr Abg. Richter diese Tonart weniger überzeugend anschlagen sollen; denn er selbst giebt ja zu, daß wir bielleicht an einer Wende der wirthschaftlichen Entwicklung stehen. Er giebt damit zu, daß die Einnahmen wahrscheinlich rückwärts gehen werden. (Abg. Richter: Das Gegentheil!)) — Ich habe wenigstens — bielleicht liegt es an der Akustik des Hauses (Heiterkeit), die der Herr Abg. Richter mir nicht, wohl aber sich selbst zu gute rechnen wird — nicht anders verstanden, und wenn er es nicht gesagt hat, so hat er es doch wohl denken müssen. (Heiterkeit Es sst a offenkundig, daß unsere Wirthschaft in diesem Glanz nicht mehr weiter geht, in dem sie in den letzten vier, fünf Jahren vorangeschritten st, und daß die JZeit kommen kann, wo wir mal auch wieder möglicher— pbelse von den getilgten Schulden einiges hergeben müssen. Da paßt am wenigsten diese Rede. Er sagt, wir hätten die Steuer ins Un— gemessene gesteigert. Nichts von alledem. Ich habe hier mehrfach nachgewiesen, daß die Steuerreform als solche abfolut keine Erhöhung der Steuern herbeigeführt hat. Wenn die Steuern gestiegen sind, so sst das lediglich infolge der gestiegenen Wohlhabenheit und der Er— höhung der Einnahmen der Zensiten geschehen, durch nichts Anderes. Das ist gerade der Vorzug dieses Steuersystems, daß in Zeiten, wo die einzelnen Pflichtigen viele Netto-Einnahmen haben, sie auch dem— enlsprechend zahlen, daß sie aber auch weniger zahlen, wenn die Be— wegung eine rückwärtige ist und die Einnahmen sich vermindern, während früher die Grundsteuer gezahlt werden mußte, ob der Eigenthümer etwas geerntet hatte oder nicht, die Gebäudesteuer und die Gewerbesteuer im wesentlichen ebenso. Heute haben wir ein Staatssteuersystem nach der Leistungsfähigkeit. Wir haben schon gesehen, daß in zwei Jahren nach Einführung der neuen Einkommensteuer weniger gezahlt wurde an Steuer, z. B. von den Aktiengesellschaften; findet denn Herr Richter ein Steuersystem schön, wenn die Aktiengesellschaften
steuern sollen auch dann, wenn sie keine Dividende geben, keine Ein— nahmen haben?
Aber im übrigen, meine Herren, sind wir unserer Einnahmen nicht Herr. Ein Staat, der drei Fünftel seiner Ausgaben deckt durch die Erträge seines eigenen Vermögens, durch die Betriebsverwaltungen, hängt in einem solchen Maße von den Konjunkturen der wirthschaft⸗ lichen Bewegung ab, daß wir nur in geringem Maße auf die Netto⸗ ergebnisse dieser großen Betriebseinnahmen einwirken können. Soweit wir das aber können, haben wir es auch gethan. Es ist durchaus
irrig, wenn man meint, das gesammte Extraordinarium enthalte Ver—
mögensverbesserungen des Staats, vermindere seine dauernden Ausgaben
ber daß wir in der guten Zeit, in der Zeit einer wahren Finanzblüthe unser Extraordinarium so gestaltet haben, daß wir, ohne eine zu große Be⸗ nachtheiligung der wirthschaftlichen Entwickelung herbeizuführen, dasselbe in ungünstigen Zeiten auch wieder etwas vermindern können, kann kein Fehler sein, es ist das vernünftige, vorsichtige Verhalten eines guten Hausvaters. Ich will weiter auf diese Sache nicht eingehen. Der Herr Abg. Richter hat nun noch gemeint, hier schwämme alles in Geld, und die Lage des Reichs wäre kläglich. Ich schließe mich de Auffassung des Herrn Reichs Schatzsekretärs an, daß die Lage der Finanzen des Reichs nicht mehr so günstig ist wie früher. Kläglich lann man sie aber noch in keiner Weise nennen. Wir wissen noch nicht, wie in den nächsten Jahren der Gang der wirthschaftlichen Be⸗ wegung auf die Reichsfinanzen einwirken wird. Wenn der Herr Abg. Richter wirklich der Meinung ist, daß unsere wirthschaftliche Bewegung flott weiter geht in der bisherigen Höhe, dann braucht er, dech auch keine Sorge zu haben, daß die Zölle, die Einnahmen aus der Post, aus den Eisenbahnen sich vermindern; dann kann er auch selbst annehmen, daß die neue erhöhte Stempel⸗ steuer, wie sie veranschlagt ist, Einnahmen bringen werde und vielleicht noch über die veranlagten und veranschlagten Beträge hinausgehen werde. Das sind ja alles innere Widersprüche; je nachdem es dem Herrn Abg. Richter paßt, einmal einen Satz mit dieser Behauptung zu beweisen, oder einen anderen Satz mit der entgegengesetzten, wird uns dieses hier vorgetragen.
Aber es kommt weiter hinzu: wie nun auch die Gestaltung mnserer Zölle in den nächsten Etats sich stellen wird, das ist klar, daß in allen Fällen auf die Reichsfinanzen auch die Gestaltung unserer Zolleinnahmen einwirken wird. Heute eine feste Meinung sich hier u bilden über die Lage der Reichsfinanzen in einer längeren heriode der Zukunft, ist überhaupt nicht möglich. (Sehr ichtig) Aber das ist zu hoffen, daß der Herr Abg. Richter bei seinem Einfluß im Reichstage darauf hinwirken wird, wenn diese angünstigen Chancen wirklich eintreten, daß dann das Reich selbst seine Nagliche· Lage verbessert; es hat die Mittel dazu in der Hand.
nsere indirekten Steuern sind noch niedriger als die aller anderen dulturstaaten; wir haben solche, wo die indirekten Steuern 3 und mal so hoch sind, und diese Staaten bestehen doch dabei. Wir vir den nicht untergehen, wenn z. B. eine mäßige Biersteuer oder g. Andere derartige Steuer eingeführt würde (Heiterkeit; hört, hört! inteh und der Herr Abg. Richter hat eg dann ja in der Hand, die 3 6 Lage der Reichsfinanzen selbst zu bessern. Ob dieser
„an ihn aber irgend einen Erfolg haben wird, das ist mir aller dings dunhanng sweifel haft. (Heiter eit) Herren, der Herr Abg. Richter meint, ein Etat, wie der selbfst die radikale Presse einen glänzend dotierten nennt,
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Dienstag, den 15. Januar
sogar alles bewilligt, was sie forderten. Das Haus selbst hat be⸗ schlossen, die Gehaltsaufbesserungen sollen vorläufig abgeschlossen sein. Wir können auch damit nicht ewig weiter gehen. Dringende Bedürf⸗ nisse, welche dieses Jahr decken muß, sind nicht unberücksichtigt ge⸗ blieben. Und wenn wir das Extraordinarium stärker ausgestattet haben als das Ordinarium, so haben wir gerade in diesem Jahre dazu erst recht alle Veranlaffung. Ich hoffe, das hohe Haus wird dieser Auffassung, der es immer gefolgt ist in den letzten Jahren, in diesem Jahre erst recht treu bleiben, wir werden so mit viel größerer Ruhe der Zukunft entgegengehen, als wenn wir die Politik des Abg. Richter befolgt hätten. (Bravo rechts, Lachen links. Rufe: Kanal) — Meine Herren, ich höre vom Kanal reden; die Sache war mir zu unbedeutend in dieser kleinen Anzapfung des Herrn Abg. Richter, als daß ich es für nöthig gehalten hätte, darauf zurückzukommen. Man hat mir spystematisch vorgeworfen, mir sei die Sache nicht recht ernst schon bei der ersten Berathung, weil ich der Hoffnung, welche der Herr Abg. Richter aussprach, die bei der Kanalfrage sich bildenden Gegensätze würden das Zusammengehen der produzierenden Klassen, was ich damals die Politik der Sammlung ge— nannt habe, von nun ab unmöglich machen, widersprach und sagte: die Frage der Neubildung unseres Zollwesens kann nicht entschieden werden durch die Kanalfrage, — daraus hat man mir vorgeworfen, als wenn mir die Vertretung des Kanals nicht recht ernst gewesen wäre. Ich kann behaupten, ich habe niemals einer Gesetzesvorlage, die einem andern Ressort angehörte, so viel Arbeit gewidmet, wie der Kanalvorlage. Ich berufe mich auf die Reden, die ich hier gehalten habe; ich berufe mich darauf, daß ich fast ausnahmslos jeder Kom— missionssitzung beigewohnt habe. Es kann keine Vorlage sein, die ich entschiedener vertreten habe. Meine Herren, daß ich die Vorlage aber nicht gleich als eine politische Kriegsvorlage behandelt habe, — diese Art von Behandlung ist jetzt durch die Erklärung des Herrn Reichs— kanzlers legalisiert worden, und, meine Herren, die Regierung hat niemals die Auffassung gehabt, daß man die Kanalvorlage benutzen müsse, um eine andere politische Situation im Lande herbeizuführen. Sie wollte eben auch wie der Herr Abg. Richter nur die Kanal⸗ vorlage, und sie hoffte, das in Uebereinstimmung und in Frieden mit diesem hohen Hause zu erreichen, mit welchem sie solange frucht— bringend für das Land gewirkt hat.
Wenn der Herr Abg. Graf zu Limburg-Stirum sogar be⸗ fürchtet, daß meine ganze Färbung unserer jetzigen Finanzlage den Zweck habe, die Kanalvorlage zu erleichtern, — wie kann der Herr Abg. Richter denn daraus, daß ich expreß hier in einer allgemeinen Etatsrede diese Spezialfrage nicht behandelt habe, herleiten, daß mir die Sache nicht recht ernst sei? Aber, meine Herren, ich frage die⸗ jenigen, die die Lage hier im Hause kennen, die Stimmungen ver— stehen: ob die Prophezeiungen des Herrn Abg. Richter, der Kanal würde zu stande kommen, und die Gründe, die er dafür abgiebt, ge⸗ eignet sind, den Kanal zu fördern? (Sehr richtig! — Ich will das absichtlich nicht weiter ausführen, — ein System kennzeichnen, welches schon bei der früheren Kanalvorlage in der Presse auch viel zum Vor— schein kam, es denjenigen, die geneigt waren, für den Kanal zu stimmen, schwer zu machen, dafür einzutreten (sehr richtig!, und ich meine, der Herr Abg. Richter hätte seine innere Neigung — ich möchte fast sagen: sein Müũthchen an Anderen zu kühlen, doch etwas zurückhalten sollen in diesem Falle; er würde dem Unternehmen des Kanals dadurch einen größeren Dienst geleistet haben. (Heiterkeit)
Minister des Innern Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Der Herr Abg. Richter hat in seinem gütigen Herzen bereits vor Jahresfrist bei der ersten Lesung des Staatshaus⸗ halts⸗Etats seinem Mißtrauen gegen die neu hinzugetretenen Minister, den Herrn Kultus⸗Minister und mich, Ausdruck gegeben. Er hat heute Gelegenheit genommen, den Herrn Vize⸗Präsidenten des Staats⸗ Ministeriums und mich dieses Mißtrauens nochmals zu versichern. Ich freue mich darüber, denn dieser Zustand ist zwischen dem Herrn Abg. Richter und meinen Herren Amtsvorgängern immer gewesen, und ich glaube, ein Minister des Innern, der sich einmal der vollen Zustimmung des Herrn Abg. Richter erfreuen würde, wäre eine nicht ganz unbedenkliche Erscheinung. (Sehr richtig! Heiterkeit rechts.)
Aber, meine Herren, wenn der Herr Abg. Richter in dieser Weise Vorwürfe gegen einen Minister erhebt, dann meine ich, müßte er besser gewappnet sein, und seine Informationen müßten zutreffender sein als diejenigen, welche er hier vorgetragen hat.
Zunächst ist er auf die Theaterzensur eingegangen und hat mich als den Ausfluß aller Böswilligkeit hingestellt. Er hat erklärt, soweit ich seinen Worten ganz folgen konnte, ich hätte die Polizeibehörden angewiesen, Stücke von zweifelhaftem Kunstwerth zu verbieten. Das ist mir niemals eingefallen. Es würde die Aufgaben der Polizei weit⸗ aus überschreiten, wenn sie in dieser Weise das Amt des Kritikers übernehmen wollte. Ich habe vielmehr in einer Verfügung vom 5. Dezember v. J. die mir nachgeordneten Behörden auf die Aufgaben auf dem Gebiete der Theaterzensur hingewiesen. Ich habe sie an⸗ gewiesen, einmal nachdrücklich all' den Dingen entgegenzutreten, die das Scham⸗ und Sittlichkeitsgefühl verletzen, andererseits wirklichen Kunst⸗ werken keine unberechtigten Hindernisse in den Weg zu legen. (Bravo! bei den Nationalliberalen. Aus der damaligen Anweisung an die Behörden möchte ich folgende Stelle hervorheben:
Namentlich haben manche von den Behörden zugelassene Theater⸗ vorstellungen vom sittlichen Standpunkte erheblichen Anstoß geben müssen, während anderen Bühnenstücken ungerechtfertigte Schwierig- keiten gemacht worden sind. Im Hinblick auf den doppelten Zweck der Bühne, eine Erholungsstätte und eine Stätte der Bildung und Erhebung für weite Schichten der Bevölkerung zu sein, darf die Zensur nur solchen Beamten anvertraut werden, die nach ihren Kenntnissen, ihren Erfahrungen und ihrem sittlich gereiften Urtheil genügende Gewähr vor Mißgtisfen bieten. Theatralische Vor—
stellungen, Singspiele, Gesangg. und dellamatorische Vorträge,
Schaustellungen von Personen und ähnliche Aufführungen, die
9
1901.
das Scham und Sittlichkeitsgefühl gröblich verletzen, sind unter keinen Umständen zu dulden. Geben die zur Zensur eingereichten Texte und Beschreibungen zu Bedenken Anlaß, so empfiehlt sich meistens der Weg der mündlichen Verhandlung mit dem Verfasser oder dem Unternehmer, der das Werk zur Aufführung einge⸗ reicht hat, und erst wenn dieser Weg nicht zum Ziele führt, ein auf das nothwendige zu beschränkendes Verbot.
Von großem Nutzen kann die vorherige Befragung von ge⸗ eigneten literarischen Sachverständigen sein, namentlich dann, wenn die Grundtendenz des Stückes bedenklich oder sein Kunstwerth zweifelhaft erscheinen. Zu beachten bleibt aber in allen Fällen, daß Verzögerungen der Entscheidung im allseitigen Interesse nach Möglichkeit vermieden werden müssen. Dies gilt besonders bei nachträglichen Beanstandungen, die sich bei der Kontrole der Auf⸗ führungen als nothwendig erweisen sollten.
Also es hat mir völlig fern gelegen, für die Polizeibehörden eine derartige Befugniß in Anspruch zu nehmen, wie der Herr Abg. Richter das hier ausgeführt hat.
Dann hat der Herr Abg. Richter gesagt, ich hätte die Verbote, die so viel — ich muß sagen — unberechtigtes Aufsehen in der Presse erregt haben, meinerseits erlassen. Ich habe auch nicht ein Verbot erlassen. Es ist das auch gar nicht meine Zuständigkeit, sondern zu— ständig sind die Polizeibehörden, und ich bin im letzten Falle Be⸗ schwerdeinstanz. Ich würde die Behörden in ihrer pflichtmäßigen Thätigkeit lähmen, wenn ich mich unter Verletzung des Instanzenzuges in diese Dinge mischen wollte. Ich habe es daher abgelehnt, unter Verletzung des Instanzenzuges jene Anordnungen des Polizei⸗Präsidiums meinerseits aufzuheben.
Der Herr Abg. Richter hat beispielsweise auch gesagt: ich hätte »die Gestrengen Herren“ verboten, und es sei lange Zeit vergangen, bis ich das Stück durchgelesen und meine Monita gezogen hätte. Ich habe von dem Verbot des Stückes überhaupt erst Kenntniß bekommen, als es längst ergangen war. Ich habe speziell dieses Verbot für nicht gerechtfertigt gehalten. Die Grundtendenz des Stücks war durchaus einwandsfrei, und die einzelnen Punkte, die vielleicht zu einer Be⸗ mängelung Anlaß geben konnten, hätten, wie in der Zirkularverfügung angedeutet ist, nicht zur Beanstandung des ganzen Stücks führen sollen, sondern dahin, die Beseitigung der einzelnen beanstandeten Passagen zu verlangen. Der Herr Abg. Richter ist so weit gegangen zu sagen, es sei gut, daß der selige Schiller nicht mehr lebe; denn man könne nicht wissen, was ihm unter dem Ministerium von Rhein⸗
baben passiert wäre. Nun, meine Herren, es kommt mir wunderbar
vor, wenn ich so in der Presse und andererseits jetzt als Böotier dritter Ordnung hingestellt werde. Ich habe von jeher das lebhafteste Interesse für Kunst und Literatur gehabt. Ich habe das Glück gehabt, 33 Jahre Erster Kurator der Kunst-Akademie in Düsseldorf zu sein und habe meinerseits in der Rheinprovinz einen Verein ins Leben ge⸗ rufen, der bezweckt, klassische Festvorstellungen in regelmäßiger Wieder⸗ kehr zu geben. Diese Vorstellungen sind bereits mit großem Erfolg gegeben worden. Im ersten Jahre sind Goethe'sche Stücke aufgeführt
ͤ en, worden, im vorigen Jahre haben wir Schiller'sche Stücke aufgeführt. durch die Art und Weise, wie man die Gegner des Kanals behandelte,
Und wenn der selige Schiller aufstände, meine Herren, ich bin so un⸗ bescheiden anzunehmen, er würde sich vielleicht für mich entscheiden und nicht für Herrn Richter. (Heiterkeit)
Was die Frage der Theaterzensur betrifft, so möchte ich mir ge⸗ statten, mit einigen Worten darauf einzugehen. Ich halte die Kunst, die dramatische Kunst, für ein wahrhaft werthvolles und nicht zu ent— behrendes Bildungsmittel unseres Volkes, und ich meine, wir sollten alle bemüht sein, diese Kunst heilig und hehr zu erhalten, und alle dahin streben, daß nicht diese Kunst durch eine Afterkunst, die nur diesen Namen verdient, in den Schmutz gezogen wird. (Sehr richtig, bravo! rechts und im Zentrum.)
Meine Herren, vor einiger Zeit es ist wohl ein Jahr her waren in mehreren Berliner Blättern sehr richtige Artikel, in denen darauf hingewiesen wurde, wie das, was theilweise der Bevölkerung, namentlich jugendlichen Gemüthern in Schaufenstern, in Mutoskopen und mitunter auch auf der Bühne geboten wird, den Keim zum sitt⸗ lichen Verfall bilde, der später hervortrete und der namentlich bei Gerichtsverhandlungen zum allgemeinen Erschrecken in die Erscheinung getreten ist. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum) Ja, meine Herren, wenn wir gegen diese Dinge vorgehen wollen, müssen wir suchen, die Quelle des Uebels zu verstopfen und zu verhüten, daß nicht schon in frühester Jugend das Gemüth des Kindes verdorben wird. (Sehr richtig So hoch ich die Kunst schätze, und gerade, weil ich sie hochschätze, muß ich dem Unfug, der sich Kunst nennt und keine Kunst ist, entgegentreten. (Bravo! rechts und im Zentrum.)
Nun bin ich weit entfernt, jedes einzelne Verbot, das in der Monarchie erlassen worden ist, meinerseits für gerechtfertigt zu halten. Ich erkenne vielmehr unumwunden an, daß in dem einen oder andern Falle Mißgriffe geschehen sind. Aber ich frage: wo kommt es in der Welt nicht vor, wo eine so große Anzahl von Bebörden thätig ist, und wo die Auffassung dessen, was die Polizei zu thun und zu lassen hat, in der That sehr streitig sein kann, daß solche Mißgriffe ge⸗ schehen? Meine Herren, die Grenzen der polizeilichen Befugnisse sind an sich flüssig; es giebt keine feste Linie, die der Polizei sagt: so weit kannst du gehen und nicht darüber hinaus. Nun kommt hier hinzu, daß die Polizei vor allem ja auch unterscheiden muß: ist das über- haupt eine polizeiliche Frage, oder eine Frage des Geschmacks, der Kritik? Ju letzterem Falle kann sie nicht einschreiten, nur in ersterem Falle. Da, meine ich in der That, ist es erklärlich, wenn die Polizeibehörden im einzelnen Falle geschwankt haben, ob sie so oder so entscheiden sollen. Ich darf an ein Stück erinnern. dessen Verbot ganz erhebliches Aufseben erregt bat, das ist: Die Macht der Finsterniß von Tolstoi. Der Inhalt ist grausig, das Stück bewegt sich in den niedrjgsten Kreisen der russischen bäuerlichen Bedällenha; ein Verbrechen jagt das andere; schließlich aber bricht der Schuldige unter der Macht seiner Schuld zusammen. Der ganze Gegenstand ist