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ist. Die von den Polen angefachte Bewegung bezweckt nur, die Re⸗ , zu zwingen, überall polnische F, er anzustellen.
. achdem die g. Dr. Vonderscheer (b. k. F.) und Dr. Krzyminski (Pole) für die Beschwerden der Polen eingetreten sind, erklärt der
Staatssekretãr des Reichs⸗Postamts von Podbiels ki: Ich möchte zunächst konstatieren, daß naturgemäß auch in anderen
Bezirken und auch früher, d. h. vor dem November v. J., Beschwerden eingegangen sind. So liegt mir z. B. eine vor aus dem Bezirk Bromberg und vom 26. Februar 1900. Doch handelte es sich hier um Postanweisungen an je zwei Personen gleichen Namens in dem⸗ selben Ort. Die Zusätze in polnischer Sprache, die zur näheren Bezeich⸗ nung des Empfängers dienten, waren den Beamten eben nicht verstandlich. Aber darüber, glaube ich, wird doch kein Zweifel sein, daß es weder in der Absicht der Reichspostverwaltung noch in meiner Absicht gelegen hat, die Herren etwa chikanieren zu wollen. Dann würde ich that—⸗ sächlich andere Mittel aufwenden, ich träte mit meiner Person ein und würde mich nicht zurückhalten oder auf dem halben Wege stehen bleiben. Es ist aber, wie ich schon ausgeführt habe, thatsächlich nichts geschehen, und ich weiß nicht, ob dieser Rechtsanwalt, den der Herr Vorredner anführte, derjenige gewesen ist, der jetzt andere Mittel an⸗ wendet. Ich kann mich nur verlassen auf die Berichte der Ober⸗Postdirektionen. Da ist konstatiert, daß eine Zunahme der pol⸗ nischen Adressen — namentlich bei Werth⸗ und Packetsendungen — seit November vorigen Jahres stattfand. Ja, meine Herren, ich stehe der Sache sehr kühl gegenüber, ich habe Ihnen gesagt, die Herren sollen die Verpflichtung in sich fühlen, durch einfache, deutliche Adressen uns den Dienst zu erleichtert. — Wenn Sie aber 3. B. eine Adresse schreiben und erst den polnischen Namen für Posen, dahinter Posen, dann die Straße in polnischer und deutscher Sprache schreiben, warum machen Sie es uns so schwer, warum schreiben Sie so viel Namen darauf, warum schreiben Sie nicht einfach die Ihnen bekannten deutschen Ausdrücke darauf? Es liegt einfach kein Grund vor, die Adresse durch all dieses Beiwerk zu erschweren.
Die ganze Sache ist von Ihnen auf das politische Gebiet hinüber⸗ gespielt worden, während dies der Postverwaltung absolut fern ge— legen hat. Wenn der Herr Vorredner aus dem Elsaß auch anderer Ansicht ist, so möchte ich ihn fragen, haben Sie aus dem Elsaß etwa gehört, daß der Bevölkerung aus postalischen Anforde⸗ rungen Schwierigkeiten entstehen? Wir haben keinen Grund gehabt, dort etwa vorzugehen. Es kommt vielleicht auch die Ver⸗ tretung von Schleswig; ich kann versichern, wir haben auch dort keine Schwierigkeiten gehabt. Ich resümiere mich dahin, daß ich di Herren nur auffordern kann, helfen Sie die Schwierigkeiten mit seitigen, indem diejenigen, die Deutsch können, auch thatsächlich Adressen deutsch schreiben, die anderen sich mit der Angabe Namens und Bestimmungsortes begnügen.
Abg. Roeren vertheidigt nochmals kurz seinen Standpunkt gegen verschiedene Angriffe.
Abg. Schrempf (d. kons. . Als Süddeutscher bin ich der Mei⸗ nung, daß in einem polnischen Reichstag die Schmerzen einer deutschen Minderheit schwerlich so aufmerksam angebört werden würden, als die Beschwerden der Polen im Deutschen Reichstage. Das Vorgehen der Postverwaltung kann ich nur billigen.
Abg. Haußmann⸗Böblingen (d. Volksp.): Ich kann als Süd⸗ deutscher dieser Auffassung nicht zustimmen, finde vielmehr die Be⸗ schwerden der Polen begründet. Da der Vorredner bei den letzten württembergischen Landtagswahlen durchgefallen ist, hat er die nõthige Muße gewonnen, um die Polenfrage zu studieren.
Abg. Schrempf: Der Vorredner hat bewiesen, daß die süd⸗ deutsche Demokratie sich an Vaterlandslosigkeit von Niemand über⸗ treffen läßt. (Präsident Graf von Ballestrem erklärt, daß derartige Bemerkungen, angewendet auf Mitglieder des Hauses, unzulassig seien.) Redner bemerkt fortfahrend, daß er nur die süddeutsche Demokratie außerbalb des Hauses gemeint habe. Er sei im Wahlkampf nur in⸗ folge einer unverschämten demokratischen Wahllüge unterlegen.
Damit wird dieser Gegenstand vektlassen und in die erste Lesung des Gesetzentwurfs wegen Versorgung der Theilnehmer an der ostasiatischen Erpedition und ihrer Hinterbliebenen eingetreten.
Abg. Dr. Graf zu Stolberg⸗Wernigerode Vorlage kann bezüglich ihres Inhalts nur mit Freuden
(d. kons.): Die ; i reuden begrũßt werden, doch ist ihre späte Einbringung zu tadeln. hãtte schon längst eingebracht werden können. Daß bei Idealismus nicht ausgestorben ist, ist
Blatt anerkannt worden. 8 vas in den Metiven der Vorlage steht. Es wird darin zugegeben, daß die bisherige Versorgung unserer Invaliden eine ungenügende sei. Das ist zweifellos richtig, und ich kann nur den dringenden Wunsch aussprechen, daf allen Invaliden aus den früheren Kriegen sobald als möglich eine auskömmliche Unterstützung gewährt wird, nachdem jetzt für die Theilnebmer der China⸗Expedition höhere Versorgungesãtze bewilligt werden sollen. Es wird auf die Dauer auch nicht gehen, drei verschiedene Pensionsgesetze für die Invaliden aus früheren Kriegen, für die Schutztruppen und für die Theilnehmer an der China⸗Expedition bestehen zu lassen.
Reichskanzler Graf von Bülow:
Meine Herren! Die von dem Herrn Vorredner aufgestellte Forderung, daß die den Invaliden der Cbina⸗Expedition und deren Hinterbliebenen zu gewãhrenden erhöhten Versorgungsgebuhrnisse auch den Invaliden und Hinterbliebenen aus den früheren Feldzügen zuge⸗ wendet werden, erkenne ich als berechtigt an. (Hört! hört! und Bravo! Ich nebme auch keinen Anstand, eine Aufbesserung der Be⸗ züge aller Kriegsinvaliden und ihrer Hinterbliebenen zu ihrer Sicher⸗ stellung gegen Noth und Sorge für dringlich und für unaufschiebbar zu erklären. (Lebhaftes Bravo!)
Neber die Unzulänglichkeit der nach dem geltenden Recht zu⸗ standigen Versorgungsgebũhrnisse bestebt ja allseitiges Einverständniß, Einverstãndniß auch jwischen den Ausführungen des Herrn Vor⸗ redners und den Motiven zu diesem Gesetzentwurf. Wenn dem hiernach zweifelles vorhandenen Bedürfniß einer ausgiebigeren Versorgung bin⸗ ichtlich der Invaliden der China⸗Exvpedition Rechnung getragen wird durch Erhebung des zu Ibrer Berathung stebenden Entwurfs zum Gesetze, so darf auch die gleiche Aufbesserung der gesetzlichen Bezüge den durch die früheren Feldzüge dienstunfähig gewordenen Personen des Soldatenstandes und den Hinterbliebenen der infolge von Kriegs⸗ beschãdigung Verstorbenen nicht verweigert werden. (Lebbaftes allseitiges Brave) Ich werde deshalb das Erforderliche veranlassen, um noch in der laufenden Session (sebr gut! eine Gleichmãßigkeit in der Ver⸗ sorgung der Invaliden und Hinterbliebenen aus sämmtlichen Feldzügen berbeizufũhren. (Lebhaftes Bravo auf allen Seiten.)
Darauf wird nach 5i / Uhr die weitere Berathung auf mee eg 1 Uhr vertagt. An herdem Fortsetzung der ic
athung.)
Preußßischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
10. Sitzung vom 24. Januar, 11 Uhr.
Das Haus setzt zunächst die am 17. Janugr abgebrochene Besprechung der Interpellation der Abgg. Funck, Saenger (frs. Volksp) und Gen, betreffend die Ver⸗ hinderung von Eisenbahn-Unglücksfällen, fort.
Abg. Macco (ul.): Ich bin sehr damit zufrieden, daß an der Einrichtung der D-Wagen nichts geändert werden soll. Eine Eisen- bahnverwaltung wie die preußische sollte in Bezug auf die technische Einrichtung allen anderen als Vorbild dienen und eisenbahntechnische rn ritte in kürzester Zeit einführen oder wenigstens prüfen. In Bezug auf den Oberbau haben wir in den letzten Jahren einen Fortschritt gemacht, aber der Oberbau ist noch nicht so ein⸗ Eichtet daß er den zukünftigen Anforderungen genügen wird. Die, neue Unterbettung ist, gut, aber ich fürchte, daß nicht genügend Sorgfalt auf die Unterhaltung der Unterbettung gelegt wird; die Unterhaltung derselben ist ebenso wichtig wie die erste Einrichtung. Die D-Wagen wurden sehr schnell beliebt. Es ist charakteristisch fur unsere Finanzverwaltung: sobald sie sah, daß aus diesen Wagen eine große Einnahme zu erzielen sei, waren sofort alle technischen Schwierigkeiten übermunden. Ebenso war es mit den Speisewagen. Der Einführung der Luftdruckbremse wurden seiner Zeit die größten Schwierigkeiten von der Verwaltung entgegengesetzt; es be⸗ durfte erst einer energischen Agitation, um diese Verbesserung durch⸗ zubringen. Danach kann ich nicht anerkennen, daß unsere Cisenbahn⸗ verwaltung an der Spitze marschiert. Unsere technischen Fortschritte sind gut, man führt sie nur nicht ein. Im Auslande fährt man schon mit Güterwagen von 350 Tonnen Tragfähigkeit, bei uns nur mit Wagen von 25 Tonnen. Unsere Eisenbahnverwaltung sollte damit, endlich einen großen Versuch machen. Mit unserer Kuppelung haben wir seit zwanzig Jahren noch keinen Fortschritt gemacht. Auf die Kuppe— lung sind ; aller Unglücksfälle beim Rangieren zurückzuführen. Die
Verwaltung sollte Versuche mit der Jentralkuppelung machen. In der Leistungsfähigkeit unserer Maschinen stehen wir hinter den anderen Ländern zurück. Mit der elektrischen Beleuchtung sind allerdings Verfuche, gemacht, aber auf Kosten der Privatgesellschaften, Ist das richtig, daß die preußische Verwaltung die Kosten von den Privat gesellschaften tragen laßt? Wir haben allerdings im Auslande bei unseren Gesandtschaften technische Attaches, aber die Herren klagen über ungenügende Unterstützung durch unsere , Nur reiche Leute können einen solchen Posten übernehmen, weil sie nicht mit hinreichenden Geldmitteln versehen werden. Das Blocksignal. bei welchem das Offenbacher Unglück geschehen ist, ist nur auf einer Seite angebracht und sehr schwer zu erkennen, namentlich, wenn auf dem anderen Geleise ein Zug entgegenkommt. Aller⸗ dings ist an diesem Unglück hauptsächlich der Nebel schuld ge⸗ wesen. Auf die Gefährlichkeit der Stelle hat aber schen längst ein Betriebs beamter aufmerksam gemacht. Dem Fisenbahn. Minister gebe ich keine Schuld, er ist sicherlich vom besten Willen beseelt, aber die ganze Sache liegt an dem Spstem, an der Abhängigkeit unserer Eisenbahn⸗Verwaltung vom Finanz⸗Ministerium. Bei allen Maß⸗ nahmen ist erst der Fiskus maßgebend, die technischen Anforderungen kommen erst in zwester Linie. Wir müssen uns hier im Hause viel einge hender um die Eisenbahnangelegenheiten kümmern. Dazu reicht die Berathung in der Budgetkommission nicht aus. Wir müssen eine esondere Kommission für Eisenbahnangelegenheiten einsetzen.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen:
Meine Herren! Ich bin in der vorigen Sitzung, in der der Offenbacher Unfall verhandelt wurde, nicht mehr dazu gekommen, dem Herrn Abg. Saenger eine Antwort auf seine Angriffe zu geben. Ich muß das zu meinem Bedauern heute nachholen; denn diese Angriffe sind derart, wie das wohl in einem Theil der Presse — ich will als prägnantes Beispiel dafür den Vorwärts“ hier anführen — vor⸗ kommt, aber wie sie doch in dem Munde eines Mitgliedes des Ab⸗ geordnetenhauses eigentlich, soviel mir erinnerlich ist, ziemlich un—⸗ erhört sind.
Er führt die Opfer, die der Unfall von Offenbach leider herbei⸗ geführt bat, auf die Plusmacherei! und den „Profithunger“ der preußischen Staatseisenbahn⸗Verwaltung zurück. Der Herr Abg. Saenger bat zwar hinzugefügt, er wolle damit persönlich gegen mich keine An— griffe richten; aber es ist das meines Erachtens eine ziemlich inhalts⸗ leere Höflichkeit, denn der Herr Abg. Saenger weiß ebenso gut wie jeder andere, daß in den beinahe zehn Jahren, die ich die Ehre habe, an der Spitze der Staatseisenbahn⸗Verwaltung zu stehen, ich auch die volle Verantwortung für alles, was geschehen, und fũr alles, was unterlassen ist, zu übernehmen habe. Es ist das meine Pflicht, und wenn ich jemals in die Lage gekommen wäre — etwas, was ich für nothwendig, insbesondere auch in Bezug auf die Sicherheit des Betriebes, vom Herrn Finanz⸗Minister nicht hätte erlangen können, dann hätte ich auch den Weg gewußt, auf welchem solche Konflikte zwischen den einzelnen Ressort⸗Ministern zu beheben sind. (Hört! hört!)
Meine Herren, wenn ein preußischer Abgeordneter derartige Vor⸗ würfe von Plusmacherei? und Profithunger hier zum Ausdruck bringt, so ist er meines Erachtens auch verpflichtet, die hierfür sprechenden Gründe anzuführen. (Sehr richtig! rechts.) Ich fordere den Herrn Abg. Saenger biermit ausdrücklich auf, mir diese Gründe bekannt zu geben! Solange er das nicht thut, muß ich seine Angriffe auf das entschiedenste zurückweisen namens der Staatseisenbahn⸗Verwal⸗ tung und namens der Staatsregierung. Sind wir denn schon soweit gekommen, daß eine sparsame Verwaltung, eine Betriebsverwaltung, die Ueberschüsse erzielt, als eine tadelnswerthe hingestellt wird?
Meine Herren, woher sind denn die Ueberschüsse in den letzten Jahren entstanden? Doch in erster Linie durch die außerordentlich gesteigerten · Verkehrseinnahmen. (Sehr richtig! rechts) Wieweit der Minister dabei bat mithelfen können — das ist nicht viel; das wissen Sie alle. Die Einwirkung des Ministers erstreckt sich zum überwiegenden Theil darauf, daß eine gesunde Wirthschaft in den Ausgaben erzielt wird. Woher sind denn die — ich will mal sagen — Ausgabeverminderungen entstanden? Erstens dadurch, daß infolge der Neuorganisation der ge⸗ sammten Verwaltung innerbalb des bureaukratischen Gebiets, nicht aber innerhalb des Betriebsgebiets, ganz außerordentliche Er⸗ sparnisse erzielt worden sind. Alle Theile des Landtags haben sich mit diesen Ersparnissen durchaus einverstanden erklärt, und noch heute wirkt die Reorganisation der Eisenbahnverwaltung in Bezug auf den bureaukratischen Dienst so, daß heute noch direkt und absolut 7 Mil⸗ lionen jährlich erspart werden und der indirekte Nutzen auf etwa 20 Millionen zu veranschlagen ist. Daneben sind die Besoldungen der Beamten ganz außerordentlich gestiegen; ebenso die Lohnausgaben für letztere durch Vermehrung der Zahl und durch Lohnerhöhung um etwa S0 Millionen. (Hört! hört! rechts) Heute — ich habe dies das vorige Mal schon gesagt — steht die Sache so, daß das Personal jeder anderen Eisenbahn⸗Verwaltung sich glücklich schätzen würde, wenn es in den Etat der preußischen Staatseisenbahn⸗Verwaltung auf⸗ genommen würde. (Sehr gut! rechts) Möge der Herr Abg. Saenger doch mal bei den Beamten der Main⸗Neckar⸗Bahn und bei den Be⸗ amten der ehemaligen Hessischen Ludwigs ⸗Babhn nachfragen (sehr gut!
rechts), wie sie zur Sache stehen und möge er sich sonst lbernl erkundigen, so wird er finden, daß der preußische Minister der offen lichen Arbeiten keine Sparsamkeit, die unangebracht wãre, hat walten lassen.
Meine Herren, wo sind denn weiter die Ersparnisse zu suchen⸗ Es thut mir leid, daß ich hierüber sprechen muß; denn es könnte 6 ausgelegt werden, als wollte ich damit renommieren — das habe i niemals gethan, und es würde mir auch jetzt nicht einfallen. Ein großer Theil der Ersparnisse rührt daher, daß es mir möglich gewesen ist, für unsere Betriebsmaterialien ganz außerordentlich günstige Ve träge abzuschließen. (Sehr richtig! rechts) Millionen und A= millionen sind durch günstige Kohlenverträge und durch günstige Ve träge über Schienen und Schwellen erspart worden. W haben Zeiten gehabt, wo wir für unser altes Matern das wir verkauften, mehr bekamen, als wir für n neue Material ausgeben mußten. Dadurch sind natürlich ganz außerordentlich hohe Ersparnisse erzielt worden. Ein anderer Theil der Ersparnisse rührt daher, daß wir vermöge der Reorganisation eine straffe Verwaltung führen können die überall nachsieht, wo unnöthige Ausgaben gemacht werden.
Sind es denn aber alles wirkliche Ueberschüsse, die in der Rechnung der Eisenbahnverwaltung als Ueberschüsse erscheinen? Mit nichten! Ein großer Theil der Ueberschüsse ist bereits eine dauernde Ausgabe der allgemeinen Staatsverwaltung geworden, und zwar durch Ihre Mitwirkung, die Sie diese Ausgaben bewilligt haben. Diese Ueberschüsse wandern sofort in den allgemeinen Staatssãckel und müssen auch dahin wandern; denn, wenn sie nicht dahin wandern würden, so müßte der Finanz⸗Minister auf neue Steuern sinnen. (Sehr richtig! bei den Freikonservativen,. Wohin wandert denn der zweite Theil der Ueberschüsse? Er wandert zum allergrößten Theil wieder in die Eisenbahn⸗Verwaltung zurück. Sehen Sie Ihren Etat nach. Da stehen unter den Extraordinarien 101 Millionen, obwohl wir noch über 100 Millionen aus früheren Bewilligungen im Extraordinarium zur Disposition haben, die wir bisher bei Anspannung aller Kräfte nicht haben verwenden können. Sehen Sie weiter in Ihrem Etat nach, da finden Sie andere Fonds, die gebildet worden sind, um aus denselben außergewöhnliche Bedürfnisse der Eisenbahn⸗Verwaltung zu decken. Nehmen Sie irgend einen Etat einer anderen Eisenbabhn⸗ Verwaltung, so werden Sie finden, daß die meisten der Ausgaben, die wir in dem Extraordinarium selber durch den Staat? eisenbahnbetrieb aufbringen, vielfach nur zum überwiegenden Theil, im Wege der Anleihe beschafft werden.
Alles das spricht doch nicht dafür, daß die Eisenbahnverwaltung mit „Profithunger' und „Plusmacherei“ vorgeht. (Sehr richtig! bei den Freikonsewativen. Im Gegentheil! Ich glaube, unsere Finanz verhältnisse in der Staatseisenbahn-Verwaltung sind, namentlich in den letzten fünf Jahren, so gut und so vorsichtig gehandhabt worden, daß dagegen vom Standpunkte der Volksvertretung kaum ein Be—⸗ denken geltend gemacht werden könnte, es sei denn, daß bewiesen wird, wir hätten infolgedessen nöthige Bedürfnisse der Staatsbahn— verwaltung, insbesondere in Bezug auf den Betrieb, vernachlässig. Wir haben einen Bahnhof nach dem andern ausgebaut, der Bahnhofsumbau figuriert unter den extraordinären Ausgaben jedes Jahres mit ganz außerordentlichen Millionen, und das wird auch noch eine Zeit lang so fortgehen. Ich bin sogar der Meinung, aber nur persönlich, daß wir vielleicht in der Beziehung was die Hochbauten anbetrifft, hier und da zu weit gegangen sind und daß ich es gar nicht bedauern würde, wenn knappere Zeiten in der Beziehung auch eine knappere Auffassung herbeiführen würden. Aber wir sind jetzt schon so weit, daß jede mittlere Stadt einen nach ibm Abschätzung würdigen Bahnhof, d. h. Empfangsgebäude haben me während man in anderen Ländern mit weit einfacheren Bauwerken zufrieden ist — das kostet natürlicherweise sehr viel Geld — und daß die Städte auch bei der Gelegenheit versuchen, das Straßen system in der Nähe der Bahnböfe auf Kosten der Staatseisenbahn Verwaltung zu verbessern. Ich nehme ihnen das garnicht übel, jeder sorgt für seinen Theil.
Aber ich komme zum Schluß. In Bezug auf die Aeußerung de Herrn Abg. Saenger erwarte ich ven ihm den strikten Nachweis, de wir wirklich aus Profithunger und „Plusmacherei nöthige Di vernachlässigt hätten. Wenn er das nicht kann, so bega er sich auf dasselbe Gebiet, auf dem die Presse, die ich verre bezeichnet habe, sich befindet (sehr richtig! bei den Freikonsewatine⸗ eine Presse, die zum theil sich nicht scheut, auch die blödsinnigke⸗ Angriffe, die irgendwo erscheinen, gegen die Preußische Staatsbab⸗ verwaltung oder gegen die Preußische Staatsregierung mit Bebagen abzudrucken. (Sehr gut! bei den Freikonservativen) Blödsinnigen Bemerkungen als die, daß wir aus Feindschaft gegen Sachsen de Wagen an der Grenze ihres Oels beraubten (Heiterkeit rechts, oder den Bundesbrüdern kranke Wagen zuschẽben damit sie sie auf ihre Kosten reparieren, giebt es nickt Und in dasselbe Kapitel fällt die Behauptung, daß wir Sachsen den ihm zukommenden Verkehr entzögen, während dech mit Sachsen wie mit allen anderen Staaten auf durchaus freund schaftlichem Fuße die Verkehrsbeziehungen in allen einzelnen Punkten und einzelnen Linien durch Verträge geregelt sind, in denen wir, wie unsere Nachbarn ausdrücklich anerkannt haben, in der lovalsten Weise von unserem Rechte des Stärkeren keinen Mißbrauch gemacht baben. Also ich erwarte mit Ruhe die Beweise des Herrn Abg. Saenger.
Nun darf ich mich vielleicht noch mit einigen Worten an den Herrn Vorredner wenden. Der Abg. Macco bat die Gelegenbeit de⸗ Offenbacher Unfalls benutzt, um einige seiner Lieblingsanschauungen wiederum zum Vortrag zu bringen. Das ist zunächst unser Güter wagenrark. Er hat angeknüpft an meine Behauptung, daß unser Güterwagenvark sich mit dem jedes anderen Staats messen kann. und wird mir in einer Beziehung vollständig Recht geben: wir babea von allen Staaten der Welt den einheitlichsten Gũterwagenvark i⸗ Bezug auf Konstruktion, Tragfähigkeit, Instandhaltung, Verwendun! nur besten Materials, insbesondere für das Untergestell, durchgebende Zugapparate, elastische Puffer. Eine solche Einheitlichkeit bestebt n keinem anderen Lande, abgesehen von unseren deutschen Nachbar= Ueberhaupt ist unser Wagenvark nach einem einheitlichen, wohlerwogene⸗ Programm aufgestellt, gegen das sich im allgemeinen nichts einwende⸗ lãỹt.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
(;ört! hört! recht:!
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Der Herr Abg. Dr. Macco ist wieder darauf zurückgekommen, deß es zweckmäßig wäre, die Tragfähigkeit, die wir schon allgemein ron 10 auf 125 und bei allen neuen Wagen auf 15, Tonnen erhöht haben noch höher zu greifen nach Vorgang von Amerika. Zuruf des Abg. Macco: Für Massengüter) — Für Massengüter: Ich habe nich über dieses Kapitel schon wiederholentlich ausgesprochen und habe uuch meine Meinung darüber nicht zurückgehalten, daß für gewisse Transporte, die sich in Regelmäßigkeit und Dichtigkeit der Auf⸗ tinanderfolge zwischen zwei Punkten bewegen, dieses System wohl seine Berechtigung hat, vorausgesetzt, daß Verlader und Empfänger willens sind, sich ihre Einrichtungen so umzugestalten, daß sie diese schwereren Wagen brauchen können. Das hat der Herr Abg. Macco auch bereits bemerkt. Diese Willigkeit besteht im allgemeinen noch nicht; ich muß sogar hinzusetzen: außer Herrn Macco auch im zesonderen noch nicht.
Zweitens hat Herr Abg. Macco auch darauf hingewiesen, daß wir noch keine durchgehenden Bremsen auf den Güterzügen haben. Gewiß, auch ich erkenne das als einen Mangel an, dem aber sehr schwer ab⸗ zubelfen ist; das hat auch der Herr Abg. Macco zugegeben. Es giebt derartige Züge in Amerika, und, wie ich höre, hat man auch von Parlaments wegen jetzt in England eine Untersuchungskommission niedergesetzt, die die Frage studieren soll. Ich habe mich aber gleich⸗ zeig wieder unterrichten lassen, daß die englischen Eisenbahngesell⸗ scheten sämmtlich dagegen sind. Das wäre ja nun an und für sich uch kein durchschlagender Grund; aber ich fürchte, in England wird man dieselben Schwierigkeiten finden wie bei uns.
Dann drittens hat er darauf aufmerksam gemacht, daß die Riwpelung bei uns noch immer nicht zu einer völlig befriedigenden Eösunß gekommen ist. Meine Herren, die völlig befriedigende Lösung ist aber eben so schwer. Ich bin doch schon ein sehr alter Eisenbahner; aber seit der Zeit, daß ich in den Eisen⸗ bahndienst getreten bin, ist diese Frage ventiliert, und es ist keine Veche in meinem Eisenbahn-Dasein vergangen, daß nicht einer oder mehrere glaubten, das Problem erfunden zu haben, und an uns heran⸗ naten. Ich bin lange Jahre hindurch Vorsitzender der Vereins⸗ pommission zur Prüfung neuer Erfindungen gewesen; wir haben damals ne Prämie von, wenn ich nicht sehr irre, 10 000 auch wirklich mer Erfindung ertheilt, die auf der Bahn, bei der ich damals in der Rerwaltung war — bei der rheinischen — die sich verpflichtet fühlte, weil ich der Vorsitzende der Kommission war und die Prämie auch mit ertheilt hatte, wenigstens den Versuch zu machen — auch ein⸗ gefübrt wurde; der Versuch hat aber keine drei Monate gedauert, da haben wir das Ding ebenfalls wieder in das Museum gebracht. So ist es bis jetzt noch meistentheils gewesen. Die Amerikaner sind in dieser Beziehung ja sehr viel besser dran. Leider Gottes hat der erste Vorsahr auf deutschem Boden, der eine Eisenbahn gebaut hat, den unglückseligen Gedanken gehabt, zwei Puffer an das Fahrjeug zu bringen statt eines Puffers. (Seiterkeit.) Hätten wir einen Puffer, so wäre die Frage gelöst. Da wir aber leider zwei Puffer haben und aus dem Zweipuffersystem zu dem Ein— pufferspstem nur durch ein Uebergangssystem von drei Puffern kommen können (Heiterkeit), so ist die Frage außerordentlich schwierig. Von den Kosten will ich gar nicht reden; das ist ja ein sehr verpöntes Kapitel. In diesen beiden Punkten muß die Zukunft noch irgend etwaz bringen, was die Verhältnisse verbessert, ebenso wie in Bezug auf die Elektrizität.
Das war ja der dritte Punkt, auf den der Herr Abg. Macco lam. Er meinte, wir thäten nicht genug für die Elektrizität, wir sähen wobl bei Anderen zu, was die thäten, aber selbst wären wir auf diesem Gebiete nicht zu Hause, namentlich nicht, was das Geld anbelangt. Meine Herren, wir haben ja auf der Wannseestrecke Berlin — Zehlendorf versuchsweise einen elektrischen Betrieb eingerichtet, und zwar ist dieser elektrische Betrieb unter unserer Beihilfe in der Hauptsache seitens der elektrischen Gesellschaft ausgeführt worden. Die elektrischen Züge fahren, und fahren auch zu unserer vollen Zufriedenheit. Allein bisher haben wir doch noch nicht uns ver— anlaßt sehen können, diesen elektrischen Betrieb auszudehnen, ind wäre es auch nur auszudehnen bis zum Endpunkt der Wannsee— bahn, bis nach Potsdam; und zwar aus zwei Gründen. Einmal genügen die vorhandenen elektrischen Kraftanstalten, die für die Aus— dehmig des eleftrischen Betriebes erforderlich sind, und auch selbst für den Betrieb im gegenwärtigen Umfange, nicht, da sie keine Reserven ent⸗ halten. Wir müßten also, wenn wir den elektrischen Betrieb als einen dauernden und in größerem Umfange einrichten wollen, noth⸗ wendig zur Einrichtung einer zweiten Kraftanstalt übergehen. Schon setzt sind aber bei der einen Kraftanstalt die Betriebskosten bisher er heblich höher als beim Dampfbetrieb, ohne etwas mehr leisten zu linnen, im Gegentheil, sie leisten etwas weniger; aber das würde dielleicht ausreichen; jedenfalls leisten sie nicht mehr. Ueber die An— nehmlichkeiten, die mit dem elektrischen Betriebe verbunden sind, be⸗ stebt ja kein Zweifel. Es giebt keinen Rauch, die Wagen ziehen ver⸗ hältnizmäßig rasch an, — aber auch nur darum rasch an, weil wir an der Anfangs, und an der Endstation nochmals große Accumulatoren— batterien aufgestellt haben, die den ersten Schub geben, was natürlicher weise alles Geld kostet. Aber ich will hier durchaus kein absprechendes Unheil über den elektrischen Betrieb abgeben. Bekanntlich müssen alle clche Einrichtungen ihre Kinderkrankheiten erst überwinden. Einst— weilen liegen aber doch noch nicht die Verhältnisse so, daß wir uns deranlaßt sehen könnten, mit der Einführung des elektrischen Betriebes in weiterem Umfange vorzugehen.
Zweitens bin ich der großen Gesellschaft beigetreten, die sich hier . bat um Studium des lettische Schrelbetrickes. Da die
und Studien noch nicht zu einem Abschluß gekommen sind, ö. sie auch nach der Meinung vieler Betheiligten einen befriedigenden bschluß in Bälde erwarten lassen, so möchte ich mich heute über
Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Azeiger.
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Berlin, Freitag, den 25. Januar
diese Sache noch nicht aussprechen. Jedenfalls haben wir uns auf das Lebhafteste an diesen Versuchen betheiligt.
Der Herr Abg. Macco hat auch dann darauf hingewiesen, daß der elektrische Betrieb für den Kanal das Gewiesene sei. Darin stimme ich mit ihm vollständig überein, vorausgesetzt, daß einmal die Verhältnisse des betreffenden Kanals den elektrischen Betrieb über⸗ haupt geeignet erscheinen lassen, und zweitens, daß die bisherigen mit dem elektrischen Betriebe, wesentlich in Frankreich und in Belgien gemachten Versuche zu einem durchaus befriedigenden Resultat kommen. Bei unseren großen Kanalvorlagen haben wir allerdings an⸗ genommen, daß zu dem Zeitpunkt, wo diese in Betrieb kommen, auch wohl die elektrische Frage gelöst sein würde. Es ist nicht zu be—⸗ streiten, daß der elektrische Betrieb auf den Kanälen sehr viele Vor⸗ züge hat; der größte Vorzug besteht darin, daß der elektrische die Wandungen und die Soolen nicht so angreift, wie ein Dampfbetrieb mit Schrauben⸗ und Raddampfern.
Endlich ist der Abg. Macco auch nochmal auf den Offenbacher Unfall gekommen, wenn auch nicht mit kurzen Worten. Er legt das Hauptgewicht darauf, daß kein Vorsignal an der Blockbude gewesen ist und daß der Signalmast an der einen Seite beide Signale vereinigte. Es hätten nach seiner Ansicht Vorsignale aufgestellt und die Signalmasten für die beiden Fahrrichtungen auseinander gezogen werden müssen. Er führt an, daß das einseitige Signalgeben für den Lokomotivführer immer eine gewisse Schwierig⸗ keit der Orientierung mit sich bringt. Allein, meine Herren, der Lokomotivführer ist nicht allein auf der Maschine, sondern neben ihm steht, und zwar in diesem Fall auf der richtigen Seite, der Heizer, und seine Aufgabe ist es ja, den Lokomotivführer in Bezug auf die Wahrnehmung der Signale zu unterstützen. Das trifft für alle Fälle zu, trifft aber namentlich dann zu, wenn das Signal durch unsichtiges Wetter oder sonstige Umstände überhaupt schwer zu erkennen ist, wie das ja beim Offenbacher Unglück der Fall war.
Ich habe schon in meinen ersten Auslassungen darauf aufmerksam gemacht, daß diese Fragen von uns auch auf das Programm der Ver⸗ handlungen gestellt worden sind, die demnächst im Reichs-Eisenbahn⸗ amt zwischen allen Bundesregierungen stattfinden werden. Das Vor⸗ signal und die Auseinanderziehung der Blocksignale ist ebenfalls mit in das Programm aufgenommen worden. Was übrigens die Vor⸗ signale betrifft, so habe ich ja schon erklärt, daß die bundesräthlichen, also gesetzlichen Vorschriften das Vorsignal vor den Blocks nicht kennen. Trotzdem haben wir uns veranlaßt gesehen, im Laufe der Jahre bereits über 500 Vorsignale vor den Block⸗ signalen aufzustellen an solchen Punkten, wo die Terrain⸗ verhältnisse im wesentlichen so liegen, daß das Signal nur in kurzer Entfernung zu sehen ist. Das trifft aber auf den Block zwischen Mülheim und Offenbach nicht zu; hier war der Grund der Unsichtigkeit oder Schwersichtigkeit der Nebel.
Meine Herren, ich glaube, damit habe ich im allgemeinen die—⸗ jenigen Punkte erschöpft, die der Abg. Macco angeführt hat. Ich könnte höchstens noch darauf eingehen, daß er tadelt, daß wir die Attachés bei den Botschaften nicht genügend honorierten. Es sind jetzt vier Attachés oder vielmehr technische Beamte bei den für uns wichtigen Botschaften. Für dieselben sind im Etat 55 000 ausgewiesen, und es sind nach Maßgabe der Verhältnisse der einzelnen Botschaften die Remunerationen verschieden. Meine Herren, wenn Sie in Betracht ziehen, daß zu diesen Posten nur verhältnißmäßig jüngere Beamte herangejogen werden, und auch Beamte, ebenso wie zu den Bot⸗ schafter⸗ und Attachéposten, die aus eigenem Vermögen sich einen Zu⸗ schuß leisten können, so werden Sie das, glaube ich, auch für genügend erachten. Ich muß noch darauf aufmerksam machen, daß diese Kom⸗ mandierung zu den Botschaften mit Recht als eine besondere Auszeichnung seitens der Beamten angesehen wird und an
Bewerbungen dafür durchaus kein Mangel ist. Im Gegen⸗ theil, es drängen sich die jungen Herren mit Recht dazu; ich würde an ihrer Stelle dasselbe thun, und es sind auch viele junge Herren unter ihnen nicht verheirathet, das erleichtert ja die Sache, und infolge dessen sind sie in der Lage, mit diesen Remunerationen auszukommen. Ich kann hier nochmals wiederholen, daß wir den Berichten dieser technischen Beamten bei den Botschaften sehr vielen Dank schuldig sind; sie haben uns reichliches Material, theils aus eigener Initiative, theils von uns darauf hingewiesen, beigebracht.
Abg. Fritzen-Borken (Zentr): Wir können mit, dem Resultat der Besprechung zufrieden sein. Der Minister hat die Ueberlastung des Sffenbacher Bahnhofs anerkannt und einen Umbau versprochen. Gegen die Vorsignale verhält der Minister sich nicht mehr so ab⸗ lehnend wie früher. Die D-⸗Wagen sind ebenso in den Himmel ge— hoben wie getadelt worden. Ich möchte sie nicht mehr missen; sie dienen zur Bequemlichkeit der Reisenden. Allerdings sind die Gänge viel zu eng, und das kann zu großen Katastrophen führen. Die Gepäckträger verstopfen die Eingänge, Die großen Gepäck stücke sollten nicht früher in die Wagen gebracht werden, als bis der größere Theil der Passagiere darin ist. Ein unheimliches Gefühl er— greift Einen, wenn man an die Ausgänge denkt. Eine Seitenthür ließe sich wohl in jedem Wagen anbringen. In Bezug auf die Be— leuchtung hat der Minister gemeint, daß im Offenbacher Fall eine Ex⸗ ploslon des Gasbehälters nicht stattgefunden habe. Es ist aber doch gleich gültig, ob eine Explosion oder Verbrennung erfolgt ist. Ich verzichte lieber auf eine hellere Beleuchtung, wenn der Betrieb sicherer ist. Da wäre doch zu erwägen, ob man nicht zur elektrischen Beleuchtung übergehen solle. Kurzschlüsse können ja vorkommen, aber sehr selten, und das Feuer kann leicht gelöscht werden. Andere Staaten, wie Belgien, sind zu dieser Beleuchtungsart übergegangen. Es werden dadurch Arbeitskräfte gespart; die are n, ist aber die größere Sicherhest. Ich freue mich, daß der Eisenbahn-⸗Minister sich durch die
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Kostenfrage nicht bestimmen lassen will, diesen Fortschritt eventuell einzuführen. Eine große Gefahr ist der elektrische Straßenbahnbetrieb, dem in Berlin ein hervorragender Mann zum Opfer gefallen ist. Der Staat sollte eine strengere Aussicht einflihren. Es wird in vielen Fällen viel zu schnell gefahren. Bei der besten Bremse laufen die Wagen noch 16 bis 26 in weiter, ehe sie halten. Die Straßenbahnen sollten angehalten werden, diejenigen Vorsichtsmaßregeln zu treffen, welche die Betriebssicherheit erhöhen, 6
Abg. Felisch (kons.) : Das Offenbacher Gisenbahnunglück ist auf vis masor zurückzuführen. Keinen Beamten trifft, soweit ich das übersehen kann, ein Verschulden. Eisenbahnzusammenstöße werden
Umstände herbeigeführt zu sein.
1901.
ebenso wenig zu vermeiden sein, wie Schiffszusammenstöße bei dichtem Nebel, trotz der besten Vorsichtsmaßregeln. Die elektrische Beleuch⸗ tung ist allerdings noch nicht aus den Kinderschuhen heraus. Es kommt aber nicht in erster Linie auf helle Beleuchtung an. Im In⸗ tereffe einer großeren Betriebssicherheit würde ich sogar zu einer primi⸗ tiveren Beleuchtung zurückkehren. Die D⸗-Wagen möchte ich nicht abgeschafft wissen. Die Schwere und Stabilität dieser Wagen ist sehr geeignet, dem entgegenkommenden Zug einen Theil seiner Kraft zu nehmen. Ich sehe aber nicht ein, weshalb nicht ein bis drei Roththüren an dem Seitenweg der D-Wagen angebracht werden könnten. Die Stabilität der Wagen braucht darunter nicht zu leiden. Wenn bei einem Zusammenstoße nicht alle diese Noththüren funktionieren, so werden doch immer einige sich öffnen lassen. Die Hauptsache ist das moralische Moment, daß das Publikum weiß, daß solche Thüren vorhanden find. Ich glaube, die Ausführungen des Ministers haben gezeigt, daß die ganze Sache in den besten Händen ruht. Die An⸗ griffe des Abg. Saenger weisen auch meine Freunde als unbegründet zurück.
Abg. Daub (nl): Der Ton, den der Abg. Saenger angeschlagen hat, sst bereits in der zweiten hefsischen Kammer erklungen. Die An⸗ klagen waren insofern unberechtigt, als die hessisch⸗preußische Betriebs⸗ gemeinschaft eine große Zahl weitgehendster Betriebsverbesserungen auf der bessischen Ludwigsbahn durchgeführt hat. Ob der Offenbacher Bahn⸗ hof überlastet war, kann man ohne Kenntniß der Akten nicht übersehen; ich glaube bis auf weiteres nicht, daß der Bahnhof an dem Unfall nicht schuld ist. Sollte eine Aenderung nothwendig sein, so wird sie gewiß er⸗ folgen. Der Unfall scheint durch ein Zusammenwirken verschiedener Der Redner geht im einzelnen auf die vorgeschlagenen Verbesserungen ein. Bei manchen Blocksignalstationen feien Vorfignale vorhanden. Schutzwagen in ⸗Zügen vorn und hinten würden ja einen gewissen Schutz bieten, diese Einrichtung werde sich aber schwei durchführen lassen, weil auf Zwischenstationen Wagen an⸗ und ab⸗ gehängt werden müßten. Die elektrische Beleuchtung müsse sehr ein⸗ fach eingerichtet werden, um von jedem Arbeiter bedient werden zu können; denn es könne nicht überall ein Techniker zur Verfügung stehen. Die elektrische Einrichtung sei aber, wenigstens vorläufig, viel zu kompliziert, um allgemein eingeführt zu werden. Die Gasbeleuch⸗ tung sei auch nicht so gefährlich, nur in Wannsee und in Offenbach seien Brände entstanden, und zwar nicht durch Explosion. Möge es den Fortschritten der Technik gelingen, die Zahl der Unfälle möglichst zu vermindern!
Abg. Funck (fr. Volksp.): Ich lasse es dahingestellt, ob die Aeuserungen des Abg. Saenger so waren, daß sie eine solche Zurück⸗ weifung vom Minister verdienten. Der Minister hat auf eine Ver⸗ minderung der Ausgaben hingewirkt. Wir haben bei der EFtats⸗ berathung immer darauf hingewiesen, daß darin nicht zu weit ge⸗ gangen werden darf. Die Löhne sind allerdings erhöht, das schließt aber nicht aus, daß darin noch weiter gegangen werden könnte. Die Besetzung einer Blockstation wie bei,. Offenbach mit einem einzigen Mann ist nicht genügend. Die Mittheilungen des Ministers waren theils dilatorischer Natur theils verklausuliert. Ich hätte bindendere Erklärungen gewünscht. Wenn bei der Blockstation bei Offenbach ein Vorsignal gewesen wäre, wäre das Unglück nicht passiert. Ich hoffe, daß man sich seitens der Eisenbahn⸗Verwaltung den nothwendigen Verbesserungen nicht entzieht. Mit Freuden be⸗ grüße ich es, daß technische Konferenzen für das ganze Reich und nicht nur für Preußen stattfinden sollen. Hoffentlich werden solche Konferenzen von Zeit zu Zeit abgehalten. Ich bitte den Minister, von dem Ergebniß der Konferenzen dem Hause Mittheilung zu machen. . .
Darauf wird die Besprechung geschlossen.
Es folgt die Berathung des Antrages der Abgg. Dr. von Koörn-Rudelsdorf (kons.) und Genossen:
„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, die geeigneten Maßregeln zur Beseitigung der Mißstände . dem Verschleiß der Kohlenproduktion und der daraus entstehenden erheblichen fozialen und materiellen Schäden zu ergreifen“.
Abg. Dr. von Korn-Rudels dorf (sehr schwer verständlich, da er von der Journalistentribüne abgewendet spricht): Die vorliegende Frage hat nicht nur eine materielle, sondern auch eine hervorragend sozialpolitische Bedeutung. Wir haben die Form des Antrags ge⸗ wählt, um die Sache in einer Kommission näher erörtern zu können. Graf Pofadowsky hat im Reichstage zugesagt, daß eine Enquöte über die Kohlenfrage stattfinden soll; ich hoffe aber, daß unsere Kom⸗ misfion die Sache noch eher erledigt als die Enquste abgeschlossen ist. Die Debatte im Reichstage hat der Stimmung im Lande entsprochen; aber die Sache ist dabei doch unter den Tisch gefallen, weil sie, nur im Plenum behandelt ist. Ich bin mit der Stellung des preußischen Handels- Ministers, die er im Reichstage eingenommen hat, nicht ganz Iinverstanden. Die Vertreter der Regierung sprachen im Reichstage die Erwartung aus, daß durch die Entwickelung der Produktion und dur die natürliche Regelung von Angebot und Nachfrage die Kohlennot vorübergehen werde; aber acht Tage darauf stand in den Zeitungen, daß das Rheinisch⸗Westfälische Syndikat seine Förderung einzuschränken beabsichtige. Herr Schmieding hat neulich gesagt, die ganze Kohlen⸗ frage sei eine Arbeiterfrage, weil durch den Arbeitermangel die Pro⸗ duktion beeinträchtigt würde. Im Essener „Glückauf“ steht, daß die Förderung gestiegen sei, die geförderte Menge aber ohne Schwierig keiten habe untergebracht werden können und die Marktlage durchaus befriedigend sei, auch der Versand sei ohne alle Schwierigkeiten vor sich gegangen. Allerdings ist die Arbeiternoth, wie sie in der Landwirkhschaft herrscht, ebenso auch in der Industrie eine große Kalamität; aber ganz allein auf der Arbeiterfrage beruht die Kohlen⸗ frage nicht. In einer Denkschrift, die wir bekommen. haben, wird gesagt, die Einschränkung der Produltion habe mit der Preis. bestimmung nichts zu thun. Ich glaube auch, daß das nicht fo sein sollte; aber durch den Iwischenhandel wird der Preis der Kohlen ungeheuer vertheuert. Nicht durch die Arbeiterfrage, sondern durch die Einschränkung der Produktion oder durch das Vorgehen des Großhandels ist die Kohlennoth erzeugt worden. Ich habe mich ge freut, daß im Reichstage der Abg. Richter sich objektiv über die Frage ausgelassen hat. Er hat den Großhändlern gegeniiber kein Blatt vor den Mund genommen und gesagt, daß ihr Vorgehen nicht zu vertheidigen sei. Ich kann der Auffassung der Re⸗ gierung nicht beistimmen, daß keine Kohlennoth bestehe. Gewiß ist die Kohlenproduktion gestiegen; aber um dauernd eine Kohlenknappheit zu erzeugen, ist der größte Theil der Mehr⸗ produftion ins Ausland gegangen. Trotz alledem war eine Kohlennoth und eine Kohlentbeuerung nicht nothwendig, wenn nicht der Groß— handel und die Syndilate bestrebt wären, die natürliche Entwickelung zu pintertreiben. Es ist gewiß absolut berechtigt, daß die Industrie und der Bergbau Belohnung für ihre Thätigkeit, für ihren Aufwand an Arbeitskraft und Kapital haben; aber wenn der Geschäfts. gewinn über Gebühr hinaus zur Ausbeutung der Konsumenten aus⸗ artet, so kann ich nur sagen. daß Schritte 6 werden müssen, um das zu verhindern. Die Regierung könnte einen größeren Einfluß darauf ausüben; denn es * Schäden heworgetreten, die sehr bedenklich sind. Ünsere Verwaltung befindet sich in einer Ab. hängigkeit, die ich im böchsten Maße bedauere. Einige. Beamte der g fer Gruben haben in Oberschlesien die Kohlen billiger geliefert, als sie direkt bei den Gruben zu haben sind. en wb Gäsar Wollheim werden gewissermaßen von seiten des Fiekus unterstützt.