an Eijsenbahneinnahmen zu rechnen sein. Nun * unsere Finanzen egenüber dem Reich ute; und die größte Vorsicht in der Be⸗ — * dieser Seite der gag; für Preußen geboten. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß wir den Ausfall aus anderen Einnahmen er⸗ setzen können. Es wird doch auch nicht zu umgehen sein, Anleihen aufzunehmen, und da wird auch nicht mit 300 auszukommen sein; s ist ferner, wenn man an das Schicksal des Dortmund⸗Ems⸗ Kanals denkt, zu berücksichtigen, daß die Voranschläge nicht innegehalten werden können, sondern daß wir ganz wesentlich theurer bauen müssen. Wenn wir diese Wasserstraßen von dem Westen durch die ganze Monarchie nach dem Osten durchbauten, so verliert der Staat die Herrschaft über die Eisenbahntarife vollständig, und diese Herrschaft muß in andere Hände übergehen. Die Dinge sind in diesem Punkte bis jetzt so gut geordnet, wie sie menschlich überhaupt ge⸗ ordnet werden können. Die Kontrole des Landes⸗Eisenbahnrathes und des Landtages, sowie die Tüchtigkeit der beiden letzten Eisenbahn⸗ Minister hat dazu erheblich beigetragen, sodaß uns kein anderes Land darin gleichkommt. Und das wollen wir uns jetzt plötzlich aus den Händen nehmen lassen? Während man verlangt, die Kanäle sollen sich mit 30/0 verzinsen und außerdem bloß noch o Amortifation aufbringen, sollen die Eisenbahnen eine höhere Rente ergeben. Ja, wenn man noch bestimmen könnte, gewisse Güter dürften nur auf der Eisenbahn oder nur auf den Kanälen gefahren werden, dann könnte man die Möglichkeit einer befriedigenden Gestaltung der Tarife zugeben; aber wer steht Ihnen dafür, daß man auf den Gedanken eingeht? Das Großkapital kann anderer⸗ seits, wenn wir erst die Sache aus der Hand gegeben haben, den Staat zwingen, sich ihm und seinen Ansprüchen zu fügen. Ich stelle Ihnen zur Erwägung, ob Sie die nützliche Herrschaft Über die Tarife, bei der Sie mitwirken und Mißgriffe verhindern können, aus der Dand geben wollen zu Gunsten dieser weniger erfreulichen Alternative. Wir werden die Vorlage an eine Kommission verweisen, dort die Vorschläge wohlwollend prüfen und das Beste behalten.
Abg. von Eynern (nl): Die Vorlage stellt einen Wasserweg durch das ganze Land vom Westen nach dem Osten, von Belgien nach der Weichsel in Aussicht. Die frühere Vorlage ist ergänzt nach den Wünschen der Parteien; und da begreife ich das in diefem Haufe ge⸗— fallene Wort nicht, daß man das Einbringen der Vorlage bedauere. Wir hätten lieber, die Vorlage noch weiter ergänzt gesehen, namentlich durch die Kanalisierung der Lippe, aber auch durch den Masurischen Kanal und die Kanalisierung der Mosel; aber die Schwierigkeiten der technischen Vorarbeiten, die wir ja nicht beurtheilen können, haben die Ergänzung bisher verhindert. Wir wünschen, daß der Minister uns schon in der Kommission Erfreuliches vom Fortschreiten dieser Arbeiten melden kann. Man sprach vor zwei Jahren und spricht heute von dem reichen Westen, dem allein der Kanal zu gute kommen solle. Mit dem reichen Westen ist es eine eigene Sache; wir haben reiche, arme und ganz arme Distrikte im Westen; andererseits kommt der Reichthum einzelner Distrikte doch auch dem Staatsganzen zu gute. (Der Redner, der im Laufe seines Vortrages die Stimme immer mehr sinken läßt und fast nur nach rechts spricht, wird auf der Tribüne nur noch bruchstückweise verständlich;. In den Aus— führungen des Abg. Grafen zu Limburg, denen ich nicht ganz habe folgen können, habe ich den einheitlichen Gedanken vermißt, nach dem man die Stellung seiner Partei der Vorlage gegenüber beurtheilen könnte. Ich habe ihn dahin verstanden, daß seine Freunde sich die ihnen am besten passenden Rosinen aus der Vorlage heraussuchen wollen. Bezüglich des Ausbaus der Lippe sind wir mit den Wünschen des Abg. am Zehnhoff und seiner Freunde im Allgemeinen einver— standen; wir werden in der Kommission mit den Herren zusammen— arbeiten. Herr von Schwerin ⸗Löwitz hat vor einem Monat im Reichstage erklärt, die Aufrechterhaltung eines Industriestaats sei für Deutschland unmöglich, und Graf Kanitz hat gesagt, daß wir dem Uebergang vom Landwirthschafts .! zum Industriestaat die Sozialdemokratie ver danken. Demgegenüber möchte ich bemerken, daß kürzlich ein Nord—⸗ amerikaner sich r richtig dahin ausgesprochen hat: Die Nation, die den billigsten Stahl hat, hat die übrigen Nationen zu ihren Füßen, das soll heißen: diejenige Nation, die die billigsten Maschinen für alle nur möglichen Zwecke hat. In England hat die Monarchie niemals gelitten, trotzdem Gngland ein Industriestaat par excellence ist. Wir brauchen uns keine Sorge zu machen, daß die industrielle Entwickelung der monarchischen Gesinnung zum Schaden gereichen könnte. Ein König⸗ thum, das den Verkehr hebt, das Kanäle baut, braucht keine Furcht ju haben vor der Abnahme seiner Popularität. Industrie und Land— wirthschaft sind Schwestern, und wenn die vorhandenen Verkehrswege aicht genügen, so müssen eben neue gebaut werden. Wie mir die ganze Agitation des Bundes der Landwirthe gegen die Kanal⸗ vorlage vom Standpunkte der vorgeblichen Interessen des Bauern standes unfaßbar ist, so ist es mir auch unbegreiflich, wie das Organ des Bundes der Landwirtbe behaupten konnte, die Begründung der Kanalvorlage durch den Großen Generalstab im Interesse der Landesvertheidigung, im militärischen Interesse überhaupt sei eine so durchsichtige, daß ihr nicht die geringste Bedeutung beigemessen werden könne. Meine Herren, wer 1870 die schwimmenden Lazarethe auf dem Rhein gesehen hat, der wird zugeben, daß für den nächsten Krieg, in welchem Millionen gegen Millionen kämpfen und Qunderttausende von Verwundeten vorbanden sein werden, diese Millionen, die jetzt für den Kanal ausgegeben werden sollen, schon um solcher Lajzarethe willen nicht umsonst ausgegeben sind. Die Stellung meiner volitischen Freunde zu der Tarspolitit ilt belannt; wir werden im Reichstage die landwirtbschaftlichen Interessen gemeinsam mit den Konservativen fördern und schützen, wir werden versuchen, durch die Handelsvertragspolitik der Landwirtl schaft zu helfen. Bezüglich der Kosten des Kanals wird uns der Finanz Minister sagen: Kinder, wir baben die ganze Summe schoen; sie liegt bei der Seebandlung und wird jetzt ur Lombardierung benutzt; über den finanziellen Punkt macht euch keine Sorge! Eine andere Einwendung der Kanalgegner ist die Behauptung einer Verminderung der Gisenbabn-Ginnahmen, die angeblich 53 0 00 * betragen soll. Dabei wird aber der Menschen⸗ suwachs vergessen, den wir abrlich baben. Die Bevölkerung vermehrt sich durchschnittlich jäbrlich um 600 099. (Jurufe: 300 0001 Bei einer solchen Bevöllerungszunahme braucht man feine Serge zu haben, daß die Gisenbahn in irgend einer Weise in die Lage komme, geringere Finnahmen zu baben. Der Redner schließt mit den Werten: Ich hoffe, unsere Entscheidung fällt nach dem Wert Seiner Majestät des Kaisers: Unsere Jukunft liegt auf dem Wasser! Die Jußkunft gebört uns.
Vize⸗Prasident des Staats⸗Ministeriums, Finanz- Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Ich babe der Debatte, die ja nicht ganz neu ist, weil sie vor wei Jahren auch schon gefübrt wurde, mit großer Auf— merksamkeit zugebort, ich sinde aber doch, daß die Gründe, welche die Gegner oder diejenigen, die überwiegend Bedenken haben, will ich aur sagen, nebeneinander anfübren, sich etwas in sich widersprechen (sehr richtig! links), oder mit den Gründen anderer Gegner in Wider svruch steben.
Derr Graf zu Limburg - Stirum scheint nach seinen ganzen Motiven die Jeit der Wasserstraßen überbaupt als nicht mebr ver banden anzuseben. Er lämpft grundsätzlich gegen die Wasserstraßen: er sindet so viele Bedenken dagegen, daß von ibnen überbaupt vrinzwiell nichta übrig bleibt. Vert am Jebnboff bingegen findet dag Dauptbedenken gegen dies ˖ Vorlage darin, daß sie nicht genug Wasserstraßen bringt. Er sagt: ich will die Mesel und die Lippe noch baben, er will außerdem eine Verbesserung der Gm von Papenburg abwärtz baben, ibm gensgt die Vorlage also nicht. Er läßt eg dunkel, ob er gegen die Vorlage stimmen wird, wenn die Forderungen, die er über die Vorlage binausg stellt, nicht
erfüllt werden, oder wie er sich dann verhalten wird. Er beklagt, daß der Dortmund⸗Rhein⸗Kanal vor Emden Rotterdam begünstige. Er erklärt diese Vorlage gewissermaßen für eine internationale, nicht für eine nationale, er schlägt uns aber die Lippe vor (sehr gut! links), die jedenfalls Rotterdam noch mehr begünstigen würde, wenn davon überhaupt die Rede ist (sehr richtig! links), und Emden noch mehr schädigen würde (sehr richtig! links); denn die Lippe würde einen größeren Verkehr aufnehmen, der nach der Vorlage der Staatsregierung nicht dem Rhein, sondern dem Dortmund⸗Ems-⸗Kanal zufällt. Er sagt, Schlesien kommt nunmehr ganz schlecht weg. Warum soll Schlesien schlechter wegkommen wie vor zwei Jahren? Dieselben Ga⸗ rantien der Ausgleichung, die wir vor zwei Jahren Schlesien geboten haben, bieten wir doch auch heute. Es ist ein vollständiger Irrthum, daß wir in dieser Beziehung weniger weit gingen als damals. Daß der Großschiffahrtsweg von Berlin nach Stettin gebaut würde, das wußte man vor zwei Jahren ebenso gut wie heute. Man war nur noch zweifelhaft, ob die Ostlinie in Frage käme oder die Westlinie. Daß die Westlinie Schlesien aber viel weniger Konkurrenz macht wie die Ostlinie, ist völlig klar. (Sehr richtig! links) Also diese Aus— führungen widersprechen sich selber. Es kommt einem fast vor — ich kann das aber nicht glauben — daß man in der Sache parti pris hat und hinterher die Gründe dafür zusammensucht. Aber wir müssen diese große Frage durchaus sachlich behandeln.
Meine Herren, Herr Graf Limburg-Stirum hat sich auf ernste Gründe gegenüber der Vorlage beschränkt, ihm ist die finanzielle Seite die Hauptsache. Er hat allerdings auch, wie Herr am Zehnhoff, von den wirthschaftlichen Verschiebungen gesprochen, die der Kanal ver⸗ ursacht. Ja, meine Herren, wenn wir auf wirthschaftliche Ver— schiebungen im Innern, nicht dem Ausland gegenüber, bei der Frage der Herstellung besserer und billigerer Verkehrsmittel ein entscheidendes Gewicht legen, dann dürfen wir überhaupt nichts thun zur Verbesserung der Verkehrswege und der Verbilligung der Transporte (sehr richtig! links; denn bei den Eisenbahnen liegt die Frage der Verschiebung ebenso. (Sehr richtig! links.) Wir kennen ja alle aus der Erfahrung, wie die Prosperität gewisser Ortschaften plötzlich durch die Eisenbahnen in die Höhe schnellte, und umgekehrt kleinere und größere Orte, die bis dahin Verkehr hatten, vollständig verkümmerten. Wir haben uns aber darum nicht abhalten lassen, die großen allgemeinen Interessen diesen kleinen Spezial⸗ interessen vorzuziehen. Wenn Sie diesen Gesichtspunkt hätten ver— folgen wollen die Jahre hindurch — und man muß doch annehmen, daß diese Verschiebungen Ihnen schon früher bekannt waren — warum haben Sie die ganzen Jahre hindurch mit uns, mit der Staats— regierung und mit dem ganzen Landtage sehr große Opfer ohne jeden Widerspruch bewilligt für die Verbesserung der Schiffahrt auf unseren vorhandenen großen Flüssen? (Sehr richtig! links.) Diese hat auch große Verschiebungen hervorgerufen. (Sehr richtig! links.)
Meine Herren, welche Summen hat der Rhein gekostet! die Elbe! die Weichsel! ich will es nicht weiter ausführen. Niemals ist man auf das Hinderniß gestoßen, daß dadurch ganz unzulässige Verschiebungen hervorgerufen würden. Außerdem wissen Sie ja, daß die Staatsregierung durchaus darauf bedacht ist, allzu starke Eingriffe in die Verhältnisse abzuwehren, Ausgleichungen in dieser Beziehung herbeizuführen. Die ganzen Debatten über die Herstellung von großen Kompensationsbauten, die wir vor zwei Jahren gehabt haben, wären garnicht nöthig gewesen. Sie brauchten in dieser Beziehung gar keine Gesetzesparagraphen und juristisch bindenden Verpflichtungen der Königlichen Staatsregierung. Diese Dinge entwickeln sich viel⸗ mehr so, daß die Staatsregierung nicht einzelne Provinzen begünstigen kann; das ist in Preußen noch nie vorgekommen, die Regierung hat stets die Gesammtinteressen des Staats ins Auge gefaßt.
Meine Herren, mit den Verschiebungen ist es überhaupt ein eigen Ding. Wir haben ja kaum einen großen Schritt in der Gestaltung unserer Verkehremittel gethan, ohne daß daran die größten, hinterher nicht eingetretenen Befürchtungen geknüpft wurden. Der Herr Graf zu Limburg⸗Stirum hat uns ein Beispiel angeführt, wie man sich in dieser Beziehung zu seinem Schaden irren kann; während man vor einer Einrichtung einen Vortheil erwartete, nachher aber einen Schaden erntete. Wollte man aber die Fälle anführen, wo es umgekehrt war, wo man unendliche Befürchtungen an ein neues Unternehmen knüpfte, sich alle möglichen Gespenster vormalte, und nachher trat das Gegen⸗ theil ein; dergleichen Fälle sind viel zahlreicher vorgekommen.
Meine Herren, jede Aenderung auf wirtbschaftlichem Gebiete wird von allen Betheiligten im wesentlichen, zuerst wenigstens, vom Standpunkte des ibnen am nächsten liegenden Interesses verstanden, sei es ihres eigenen, sei es des Interesses ibrer Gemeinde, ibres Kreises, ihres Bezirks, eines bestimmten Erwerbszweiges, und nach der Natur, die wir alle haben, kritische Leute zu sein
das ist nun mal deutsch alles möglichst ungünstig im Anfange anzuseben kommt man dann leicht dazu, daß man nur die Schattenseiten siebt, aber die Lichtseiten vollständig vernachlässigt. Alle großen Fortschritte, nicht bloß im Verlehrswesen, sondem auch auf anderen Gebieten, sind gegen solche Strömungen entstanden. Ich erinnere mich, wie wir vor 30 Jahren in Süd⸗ hannover uns bemühten, die Separation in Gang zu bringen, wie dag im Anfange gradezu lebensgefährlich war, und wie 6 Jahre später, wenn man in ein Dorf kam, die Leute garnicht mebr davon reden wollten und sagten: Ja, die Sache ist doch so schlimm nicht geworden, sie bat doch auch viel Guteg. So bat man das bei neuen wirth⸗ schaftlichen Unternebmungen fast in allen Fällen erlebt.
Meine Herren, man sagt: die Zeit der anäle und der Wasser⸗ straßen ist vorüber. Sie war eine Zeitlang, als die Gisenbabnen auf⸗ lamen, wirklich vorüber. Damals dienten dem im Ganzen noch schwachen Verkebr auf der Achse und auf dem Wasser nur mangel- bafte Ginrichtungen, kleine Schiffe, die auf Wasserstraßen von geringen Abmessungen fuhren. Nun kamen plätzlich die Gisenbabnen und zogen diesen Verkebr an sich; sie batten ja vor diesen damaligen Wasser⸗ straßen ganz außerordentliche Vorzüge voraug. Natürlich entstand der allgemeine Glaube: mit den Wasserstraßen ist es für immer aus, die kemmen nicht wieder. Jet, meine Herren, sind wir an die Grenze der Leistunge⸗« sfäbigkeit der Eisenbabnen gekommen (Widerspruch rechte), wir seben ung nach Hilfe um; ich glaube, meine Herren, der Herr Eisenbabn⸗ Minister von Thielen kann das besser beurtbeilen, bei allem Respekt vor Ihrer Sachkunde, als Sie. Wir baben jedenfalls große Bezirke, wo wir vor dieser Lage steben. Ja, da denkt man natürlich daran konnen ung die Wasserstraßen nicht wieder belfen, wenn wir sie namentlich den modernen Ansprüchen gemäß einrichten und auch die Schiffe allen modernen Ansprüchen genügen? Nach meiner Meinung
muß das Urtheil so lauten: die Zeit der Kanäle war vorbei, aber sie ist wiedergekommen. Daß sie wiedergekommen ist, ergiebt sich daraus, worauf auch schon der Herr Minister von Thielen bingewiesen hat, daß trotz der ausgezeichneten Einrichtung unserer Eisenbahnen, trotz der jährlichen Vermehrung unserer Eisenbahnen, trotz der gerade auf dem Gebiete der Massengüter eingetretenen Ermäßigung der Tarife der Eisenbahnen, der Wasserverkehr doch verhältnißmäßig noch stärker gewachsen ist als der Eisenbahnverkehr. Ich möchte wohl wissen, meine Herren, wie es möglich ist, den Verkehr von Berlin allein durch die Eisenbahn zu bewältigen! (Sehr richtig! links) Und wenn es möglich gemacht werden müßte, wenn wir nicht durch die Gunst des Schicksckks diese schönen Wasserstraßen in Preußen hätten, so würde das so kolossale Kosten verursacht haben, daß der Verkehr erheblich be⸗ lastet werden müßte mit hohen Tarifen, und er sich natürlich aufs äußerste einschränken müßte.
Meine Herren, dieses ganze Unternehmen ist ja durchaus kein neu geplantes; vor 50 Jahren schon war die Agitation, wenigstens im Westen, für den Mittelland-Kanal vorhanden. Sie selbst, dieser Landtag, haben ihn schon im Jahre 1886 ins Gesetz geschrieben, Sie haben es, meine Herren, sogar im Kompromißwege gethan, und viel⸗ leicht macht es auf die Herren vom Zentrum einigen Eindruck, wenn ich sage, der Führer dieses Kompromisses war der verstorbene Abg. Dr. Windthorst. Wie lag denn damals die Sache? Man wollte den allein geforderten Dortmund⸗Ems⸗Kanal nicht bewilligen, wenn nicht zugleich der Mittelland⸗Kanal ausgebaut würde, und daher beschlossen die Anhänger des Kanals von Dortmund nach Emden, namentlich dem westlichen Theil des Landes gegenüber, den ganzen Mittelland⸗Kanal zu versprechen und nahmen diese Versprechung ins Gesetz auf.
Meine Herren, seit der Zeit ist schon viel Wasser durch die Flüsse gelaufen, es sind viele Hindernisse entstanden; namentlich lagen sie auch auf finanziellem Gebiet. Diese Hindernisse sind heute weggefallen und daher wäre es jetzt endlich an der Zeit, das gesetzliche Versprechen nun⸗ mehr auszuführen.
Die Herren aus Schlesien wollen, daß die Garantien, die sie ver= langen, ins Gesetz geschrieben werden. Nun, sind denn diese gesetz= lichen Garantien für Schlesien mehr werth wie die gesetzlichen Garantien, die schon 1886 gegeben wurden? Wenn die letzteren nichts werth sind, so sind auch die ersteren nichts werth.
Meine Herren, ich habe vorher gesagt, das Haupthinderniß wären die finanziellen Bedenken; ich stehe ganz objektiv den Ausführungen in dieser Beziehang, namentlich des Herrn Grafen zu Limburg⸗-Stirum, gegenüber. Ich kann Ihnen sagen, meine Herren, ich habe mir oft ganz ernstlich die Frage vorgelegt: kannst du als preußischer Finanz= Minister dieses Unternehmen empfehlen oder mußt du Widerspruch erheben und nöthigenfalls dein Amt niederlegen, weil du dich davon überzeugen mußt, daß dies Unternehmen über die Kräfte des Landes hinausgeht? Meine Herren, ich gehöre nicht zu den Leuten, die sehr zufrieden sind, ein Knäuel aufzuwickeln, d. h. ein ganzes Jahrzehnt hindurch für die Prosperität der preußischen Finanzen zu kämpfen, und am Ende meiner Thätigkeit das Knäuel wieder abzuwickeln und die Finanzen des Landes zu gefährden. Ich würde mich nie entschlossen haben, hier auf dieser Stelle zu stehen, um den Kanal zu empfehlen, das Unternehmen als ausführbar und verträglich mit unseren Finanzen darzustellen, wenn ich nicht innerlich vollkommen überzeugt davon wäre. (Hört! hört! Sehr gut! links.)
Meine Herren, der Herr Abg. von Eynern hat die Berechnung der finanziellen Belastung nicht ganz zutreffend gemacht, und ich glaube bei der großen Bedeutung, die gerade die finanzielle Seite hat, in dieser Beziehung Ihnen die Rechnung in möglichster Kürze und in runden Zahlen richtigstellen zu dürfen. Die Gesammtunkosten be⸗ tragen für die verschiedenen Unternehmungen, die in der Gesetzesvorlage enthalten sind, einschließlich der Kapitalbeiträge der Interessenten, rund 397 Millionen. Auf die für Rechnung des Staats auszuführen⸗ den Bauten entfallen davon 329 Millionen Mark, auf die für Rech⸗ nung des Staats und der Nächstbetheiligten auszuführenden Verbesse⸗ rungen an der Oder, an der Havel und an der Spree 68 Millionen Mark. Die Kosten für den ersterwähnten Ausbau der Wasserstraßen mit 329 Millionen müssen vom Staat in voller Höhe aufgebracht werden. Die Interessenten beschaffen kein Kapital; der Staat muß das Kapital für die Interessenten, die Provinzen u. s. w. beschaffen, während derselbe an den Kosten für die Verbesserung der Vorfluth an der unteren Oder, der Havel und an dem Ausbau der Spree sich mit einem Kapitalbetrage von rund 69 Millionen betheiligt. In dem letzteren ist aber ich meine runde Zablen ein Betrag von 4 Millionen enthalten, welcher von den zu bildenden Deichverbänden an der unteren Oder mit 3 0 zu verjinsen und mit o zu tilgen ist. Der Staat muß aber doch dieses Kapital aufbringen; die Verzinsung und die Tilgung liegt big zur Höhe von 3I om den Interessenten ob. Die gesammte Kapital aufwendung des Staates wird danach 329 4 60 — 389 Millionen betragen.
Nun, meine Herten, rechnen wir, daß dieses Kapital in 15 Jabren aufzubringen ist, weil die Vollendung des Ganzen aller Wabrschein⸗ lichleit nach nicht früher stattfinden kann. Möglicherweise wird, wie das bei solchen großen Wasserbauten vielfach der Fall ist, die Bauzeit bis zur vollen Ausfübrung aller Projekte noch länger dauern; aber ich nehme 15 Jahre an, in denen allmäblich dieses Kapital beschafft werden muß. Wir würden dann jährlich 253 Millionen Kapital anleiben müssen, falls das ganze Baukapital durch Anleiben gedeckt werden müßte. Wenn Sie nun erwägen, daß wir seit dem Jabre 1830, also seit 21 Jahren, jährlich allein für Sekundärbabnen 438 Millionen Mark aufgebracht baben, ohne daß das unsern Kredit und unsere Finanzverbaltnisse irgendwie schädlich berührt bätte, so können Sie unmöglich in einer allmäblichen Aufbringung eines Kaxitalg in der bejeichneten Höbe — in 15 Jahren jährlich 268 Millionen eine Gefahr für unsern preußischen Staat erblicken (fehr richtig ); dag lann, wie Sie mir zugeben werden, lein verständiger Mensch thun, der von unseren Verbältnifsen einigermaßen Kenntniß bat. Thatsäch⸗ lich wird aber nicht der ganze Kavitalbetrag durch Anleibe zu beschaffen sein, sondern mindesteng der erwähnte Betrag von 60 Millonen Mark für die Verflutbverbesserung an der unteren Oder, Havel und Spree voraussichtlich aus Len laufenden Mitteln des Staalgbausbaltz bestritten werden können.
Schluß in der Dritten Beilage)
* 31.
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Meine Herren, wie wird sich nun die jährliche Belastung des Staates stellen? .
Der jährliche Aufwand an Zinsen zu 3 0½ und Amortisation zu Foo unter Zuwachs der Zinsen würde für die ganze Kapitalsumme von 389 Millionen Mark betragen 155 Millonen Mark, dazu kommen an Unterhaltungskosten, die dem Staat zur Last fallen, natürlich erst, wenn die Fertigstellung erfolgt ist, 3,7 Millionen Mark, sodaß die jährliche Bruttoausgabe des Staates für die ganze Vorlage betragen würde 19,3 Millionen Mark. Aber hiervon ist abzuziehen: 1) für die Verzinsung und Tilgung, welche den Deichverbänden für das Kapital von 4 Millionen zur Last fällt, 143 000 6, 2) die nach den mit den Provinzen abzuschließenden Verträgen garantierten Verkehrs⸗ abgaben in einer Höhe, daß daraus bestritten werden können die Aus— gaben für Verzinsung eines Baukapitals von 1135 Millionen zu 3 O und zur Tilgung desselben mit J S, macht jährlich 390000 S, 3) die Betriebs⸗ und Unterhaltungskosten der abgabenpflichtigen Wasserstraßen, namentlich des Mittelland⸗Kanals, welche die Provinzen auch garantiert haben, mit 3 333 000 6. In Summa sind rund 7 400 000 * abzusetzen von dem oben angegebenen Betrag der jährlichen Gesammtbruttoausgabe von 19 300 000 ( Bleibt Reft für den Staat 11 900 000 Wird aber, wie beabsichtigt, der obige Betrag von 60 Millionen Mark aus laufenden Mitteln be— stritten, so vermindert sich der Zins- und Tilgungsbedarf um 2,4 Millionen Mark, sodaß nur eine jährliche Ausgabe von 95 Millionen Mark verbleibt.
Meine Herren, dieses ist das Maximum, was der Staat zu leisten hat, wenn gar kein Verkehr auf dem Kanal sich entwickelte, wenn der Kanal gar nichts einbringen würde. ;
Meine Herren, das ist aber doch keineswegs gesagt, daß diese Kanäle fich gar nicht rentierten. Wer will das behaupten? Von wichtigen Theilen derselben, z. B. vom Dortmund⸗Rhein⸗Kanal, möchte ich wenigstens meinen allerbestimmtesten Glauben dahin aussprechen, daß sie sich rentieren werden. Meine Herren, wir haben Kanäle, die heute schon rentieren; und zwar mit sehr mangelhaft geordnetem Abgabenwesen. Der Finowkanal z. B. verzinst ein Kapital von 10 Millionen, während der ursprüngliche Kostenbetrag doch wohl viel geringer war. Der Oder⸗Spree⸗Kanal, kaum seit 10 Jahren in Betrieb, und mit sehr niedrigen Abgaben belastet so ein Betrieb entwickelt sich erst allmählich — rentiert auch schon mit rund 20.0. Meine Herren, die Straße von Berlin nach der Elbe ergiebt schon fast 3960. Daß also ein solcher Kanal, der die größten Industriebezirke mit unsern landwirthschaftlichen Bezirken verbindet, wo ein natürliches Austauschbedürfniß unter einander besteht, ein Kanal, der durch die reichsten Provinzen Preußens geht, an großen Städten vorbei, daß der nicht rentieren sollts, wer von uns kann das behaupten? Ich würde ja nicht entfernt wagen, eine bestimmte Rente in einer ge⸗ gebenen Zeit in Aussicht zu stellen — wer kann das? aber nach den Erfahrungen, die wir schon gemacht haben, dürfen wir wohl an nehmen, daß wahrscheinlich ein erheblicher Theil dieser Kanäle sich selbst erbalten werden. Der erweiterte Finowkanal wird wahrscheinlich größere Schiffsgefäße bekommen als heute; wir werden die Kanäle, ohne dem Verkehr Unrecht zu thun und den beabsichtigten Zweck zu verfehlen, ganz anders mit Abgaben belegen können als bisher.
Meine Herren, eine erhebliche Einnahme wird auch schon heute auf der Wasserstraße zwischen Warthe und Weichsel erzielt. Diese Einnahmen werden doch nicht verschwinden, sondern sich steigern und jedenfalls höher sein als die Unterhaltungskosten dieser Wasserstraße. Der Ver⸗ kehr wird sich zweifellos vermehren; die Schiffsgefäße werden andere werden; der Betrieb auf den neu eingerichteten Wasserstraßen wird an sich billiger sein als auf den mangelhaften Wasserstraßen und in dieser Beziebung auch noch eine höhere Abgabe vertragen.
Meine Herren, unser Flußabgabewesen ist bisher sehr mangelhaft. (Sehr richtig Es bat eine Zeit gegeben, und es ist noch gar nicht so lange her, wo der damalige Finanz- Minister jede Abgabe von der Schiffahrt, von der Benutzung der Wasserstraßen, für einen national oͤkonomischen Nonsens erklarte und systematisch darauf hinwirkte, die Reste von den Abgaben, die aus alten Jeiten noch vorhanden waren in beseitigen. (Juruf rechts: Leider!? Ja, meine Herren, wir baben aber schon seit mehreren Jabren, in voller Uebereinstimmung mit den Beschlüssen dieses hoben Hauses, seitens der. Staatsregierung in dieser Benebung nach allen Richtungen die bessernde Hand angelegt. Sowohl das System der Abgaben in dem eine Menge schwieriger Fragen steckten — nach meiner Meinung überlastet das gegenwärtige System die kleinen Schiffer bei weitem gegen die großen — die absolute Höbe den Abgaben, alles das ist doch schon genau nachgeyrüft, und wir haben schon viel in dieser Beziehung gethan; aber es muß noch mebr ge⸗ scheben. Ich bin der Meinung, daß in dieser Beziehung noch sebr viel mehr gescheben muß, und zwar nach jwei Richtungen. (Abg. Dr. Habn: § 54 der Reichsverfassung! Einmal, meine Herren, nach der Richtung, die jetzt in Frankreich so scharf betont wird, wo man die
Schiffabrtsabgaben ganz aufgehoben bat und noch gegenwärtig keine Abgaben erbebt, nach der Richtung, daß man in Frankreich mit vollem Recht sagt: das ist eine Begünstigung einer einzelnen Klasse auf Kosten des Staate (sebr richtig! rechte) eine Begünstigung der Nächstbetbeiligten an der Sache; es ist ganz sinnlos, wenn wir unsere Flüsse und Kanäle, die wir auf Staatskosten ausbauen, von den Nächstbetheiligten obne jedes Entgelt benutzen lassen; wir müssen in dieser Beniehung zu einer rationellen Ginrichtung der Abgaben zurück lehren. Abg. Hr. Hahn: Sehr richtig!! Aber auch nach einer anderen Richtung, auf die ich nachber kommen werde daß wir dadurch ein gerechtes Verhältniß des Verkebrs auf den mit Staatekosten ber= gestellten und unterhaltenen Wasserstraßen gegenüber dem Verkebr auf den Gisenbabnen herstellen.
Meine Perren, der Graf Limburg Stirum hat ja immer die Dauptbefürchtung dabin erbeben, daß die Eisenbabnäberschüsse infelge der Cenkurrenz der Wasserstraßen sebr wesentlich vermindert werden
Dritte Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Käniglich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Dienstag, den 5. Februar
würden. Er hat heute gesagt: wir verlieren durch diese Wasserstraßen die Herrschaft über die Eisenbahntarife. Meine Herren, das wäre ganz richtig, wenn wir die Wasserstraßen von Privatunternehmern hätten bauen lassen (sehr richtig! links) und ihnen die Aufstellung der Tarife freigeben würden. Heute, wo die beiden großen Verkehrsmittel in der Hand des Staates sind, kann dieser zweckmäßig das Verhältniß des einen zum anderen regulieren. (Sehr richtig! links.) Seine Souveränität über den Gesammtverkehr wird sogar größer durch diese Unternehmungen, nicht geringer. (Sehr richtig! links. Ich glaube, daß das eine Befürchtung ist, die auf keinen Fall sich bewahrheiten wird.
Nun kann man ja sagen, meine Herren: wenn der Staat aber so billige Wasserstraßen herstellt, daß es viel vortheilhafter ist, die Wasserstraßen zu benutzen, wenigstens für Massengüter, so wird der Verkehr auf den Eisenbahnen von selbst sehr stark zurückgehen. Gewiß, das ist bis zu einer gewissen Grenze richtig, und wenn wir in einem Lande von geringer Entwickelung, mangelhaften Unter— nehmungsgeistes, mit einem Wort: in einem Lande mit wirthschaft⸗ lichem Stillstand lebten, dann würde dieser Einwand allerdings von der allerkapitalsten Bedeutung sein. (Sehr richtig! links.)
Nun, wir haben doch in dieser Beziehung schon starke Er— fahrungen. Ich habe ja doch selbst erlebt, wie die Wasser⸗ straße vom Einfluß des Mains in den Rhein bis nach Frankfurt hergestellt wurde; ich habe beobachtet, welche Wirkung das hatte, und ich habe damals festgestellt, daß allerdings momentan der Eisenbahnverkehr etwas zurückging, aber längst nicht in dem Verhältniß, wie der Verkehr auf dem Wasser wuchs, der ganz eminent schnell wuchs. Warum? — weil vielleicht . des ganzen Verkehrs, den die Wasserstraßen be⸗ kamen, neuer Verkehr war. (Sehr richtig! links Es wurden Gegenstände bewegt, die bis dahin überhaupt nicht bewegt worden waren, sondern werthlos an ihrer Stelle lagen. (Sehr richtig! links.) Ich habe das namentlich bei dem Verkehr der Steinbrüche u. s. w. gesehen, wo man ganz bestimmt sagen konnte: der rothe schöne Sand— steinbruch konnte nicht im Betriebe sein, weil die Fracht zu theuer war. In dem Augenblick, wo die Wasserstraße kam, florierte der Steinbruch, und die Schiffe nahmen die schweren Steinblöcke mit, ohne daß der Eisenbahnverwaltung der mindeste Schaden daraus erwachsen wäre.
Ich bin auch der Meinung, und ich glaube, die ganze Staats— regierung, daß, wenn wir diese Kanäle bauten, eine anderweite systematische Regelung der Schiffahrtsabgaben stattfinden muß. Leider, meine Herren, können wir die Einführung von Abgaben auf unseren freien Flüssen nicht so leicht erreichen. Ob es bei irgend einer Gelegen⸗ heit gelingt, das lasse ich dahingestellt sein; vorläufig ist das wohl nicht erreichbar. Nun, meine Herren, wenn diese großen Flüsse ab⸗ gabenfrei sind und ein großer Verkehr auf dem Mittelland Kanal, der die drei großen Flüsse schneidet, sich bewegt, so werden wir um so höher, ohne Schädigung der Schiffahrt, die Abgaben auf den Kanälen halten können, weil diese Schiffe in die abgabenfreien großen Flüsse hineinkommen und dadurch gewissermaßen eine Ausgleichung statt— sindet. (Zuruf rechts: Gegen die Reichsverfassung!) Das ist nicht gegen die Reichsverfassung; auf den Kanälen kann ich Tarife bis zur Deckung der Herstellungskosten erheben, wie sie mir gefallen. (Abg. Dr. Hahn: Weser, Elbe, Rhein)
Ja, Sie haben mich nicht verstanden, wenn Sie mir den Einwurf
machen. Ich sage: wenn beispielsweise ein Schiff von Hannover nach Hamburg will, und bei Magdeburg in die freie Elbe kommt, so kann es eine höhere Abgabe auf der Strecke Hannover Magdeburg ertragen, als wenn es auch auf der Elbe Abgaben bezahlen müßte. — Also dieser Einwand trifft nicht zu. Herren! Für die Herstellung und Erhaltung aller geplanten Wasserbauten würden, wenn die Abgaben auf den auszubauenden abgabepflichtigen Wasserstraßen 31 99 für Ver zinsung und Tilgung einbrachten, die gesammten jährlichen Aus gaben des Staats auf 4,6 Millienen bezw. nach Abzug der Zinsen und Tilgungsbeiträge für die aus laufenden Mitteln zu be streitenden 60 Millionen Mark auf nur 2.72 Millionen Mark sich stellen. Das wäre das Ganze, was der Staat unter dieser Vorans setzung jährlich zusetzen müßte.
Meine
Nun ist vollkommen zuzugeben, meine Herren, daß ein ent— sprechender Verkehr sich nicht so schnell entwickelt. 10 bis 15 Jahre sollen dazu gehören, den Mittelland ⸗ Kanal herzustellen. Dann wird die Schiffahrt auf dem Mittelland Kanal erst sich allmählich ent⸗ wickeln, die Flottille ist noch nicht da u. s. w., wie wir das jetzt an dem Dortmund ⸗Ems⸗Kanal sehen. Das dauert auch noch 5. bis 6 Jahre. Bis dahin wird der Eisenbahn noch sebr wenig Abbruch gethan. Allmählich aber, etwa nach etwa 20 Jahren also, wird auf dem Kanal der volle Verkehr sich entwickeln. Dann wird zuerst die Eisenbabn verlieren, wie wir das auch thatsächlich bei der Eröffnung des Oder ⸗Sxree⸗Kanals geseben haben; nach 5 bis 6 Jahren aber wird die Eisenbahn den alten Verkehr wieder erlangt haben, und der Verkehr auf der neuen Wasserstraße wird sich auch gehoben baben. Das ist die Erfahrung, die wir bisher gemacht baben.
Nun aber giebt es hier im Hause sehr biele Herren, welche garnicht an den großen Verkehr auf dem Kanal glauben und sagen: die Wasser straßen können nicht mehr konkurrieren gegen die Eisenbahnen, und da wird sehr wenig, böchsteng etwas Lolalverkehr, auf dem Mittelland⸗ Kanal vorhanden sein. Wäre das richtig, so bätten wir das Anlage⸗ kapital allerdings weggeworfen, und der Staat müßte etwa 9 Mil- lionen jährlich verloren geben; aber ein Verlust träfe dann die Eisen⸗ babnen nicht. (Sehr richtig! linka) Dann ist das Hauptbedenken, welcheg man wegen der Gisenbabnen bat, damit von selbst ver⸗ schwunden. Entweder oder! Entweder der Kanal rentiert, dann hab wir für ihn nichts ju rielieren, dann haben wir böchsteng 2,2 Millionen juzujablen oder er rentiert nicht, dann baben wir allerding dag Kapital verloren. Dag hat kleine all große Bedeutung. Gine gewisse Bedeutung wurde sedenfallg namentlich in lolaler Bejiebung und in Betreff der Meliorationen für die Landwirtbschaft auch ein solcher Janal haben, der dadurch
schon einen sehr erheblichen Werth repräsentierte. Das Risiko aber, meine Herren, selbst von 9 Millionen Mark, kann ein Staat wie Preußen tragen. (Sehr richtig! links.)
Meine Herren, wir haben, um noch einen Augenblick bei der Frage des Verkehrsverlustes für die Eisenbahnen zu bleiben, eine gewaltige Steigerung der Bruttoeinnahmen der Eisenbahnen vom Jahre 1880 bis heute. Im Jahre 1880 81 haben wir eine Bruttoeinnahme von 350 Millionen Mark, heute, 1901, 1 437 000 000 S (Hört! hört! links. Meine Herren, ich sage Ihnen noch mehr: diese Steigerung ist konstant gewesen nicht bloß in guten Zeiten, sondern auch in un⸗ günstigen Zeiten; in den Zeiten, wo wir im Defizit waren, ist doch der Verkehr permanent gestiegen. Er ist, wenn ich mich recht erinnere, nur in zwei Jahren weniger als 3 o gestiegen, sonst, wie Herr Minister von Thielen schon gesagt hat, durchschnittlich etwas über Ho 0. Sie können mir aber einwenden: diese Zahlen beweisen nicht viel, weil wir ja jedes Jahr neue Eisenbahnen gebaut haben und dadurch natürlich die Bruttoeinnahmen auf den Verkehrslinien wachsen mußten. Ich werde Ihnen aber gleich beweisen, daß der Einwand nicht zutrifft. Ich habe die Rechnung auch pro Kilometer der jeweilig vorhandenen Eisenbahnlinien gemacht, und da haben wir im Jahre 188081 30 353 6 pro Kilometer und im Jahre 1899 44 486 M pro Kilometer. Obwohl wir also eine große Anzahl von Sekundär⸗ bahnen gebaut haben, die eine große Rentabilität nicht in Aussicht stellen, und die auch heute noch zum theil vielleicht kaum die Betriebs⸗ kosten decken, ist doch per Kilometer, und zwar jedes Jahr mit einer einzigen Ausnahme, von 30 auf 44 000 S, die Einnahme gewachsen. Was das heißt, meine Herren, ein solches Wachsthum von 30 auf 44 000 M per Kilometer für den preußischen Staat mit über 300090 km Eisenbahnen, brauche ich Ihnen nicht auseinanderzusetzen. Meine Herren, wenn dies nun 20 Jahre so gedauert hat, wenn die Eisenbahneinnahmen brutto fortwährend ge— stiegen sind, konstant, fast ohne Unterbrechung, wenn das nicht bloß in den günstigen Zeiten der letzten fünf Jahre der Fall war, welchen Grund können Sie mir dann anführen, daß das in Zukunft aufhören soll? (Sehr gut! links. Wir haben hier eine konstante Entwicklung des Landes: die Einwohnerzahl nicht bloß, die Wohlhabenheit, der Austausch der Güter, alles wächst konstant; wir sind eben in gesunden Verhältnissen; warum sollte eine solche Entwicklung im Verkehrswesen plötzlich aufhören? Dafür ist gar kein Grund anzuführen.
Den Muth, meine Herren, müssen Sie haben und das Vertrauen in die Zukunft der Entwickelung Preußens, daß nicht plötzlich wir von einer solchen segensreichen Entwickelung in das Gegentheil geriethen. Ja, wenn Krieg oder sonstiges Unheil uns überkäme, dann allerdings könnte zeitweilig das eintreten. Aber, meine Herren, mitten im Kriege baut man auch keine Kanäle; dann sind wir in der Lage, mit dem Bau der Kanäle aufzuhören, wie ja sogar heute die Franzosen ihre Kanäle nur aus Ueberschüssen bauen und die Bauten dann sistieren, wenn sie keine Ueberschüsse haben, allerdings etwas, was ich nachzuahmen nicht empfehlen möchte. (Heiterkeit.)
Meine Herren, wir haben in den letzten Jahren erheblich größere Schulden getilgt, als dieser ganze Kanal kosten würde. (Sehr richtig! links. Wir haben getilgt über 500 Millionen Mark, wenn ich den Ausdruck hier gebrauchen darf: netto, d. h. nach Abrechnung derjenigen Schulden, die wir in den vier Defizitjahren machen mußten. Wir haben, meine Herren, in derselben Zeit doch Extraordinarien in den Etat eingestellt, welche zum erheblichen Theil Vermögensverbesserungen enthalten (sehr richtig! links); wir haben eine Reihe anderer Resewen angelegt neben diesen eben geschilderten Maßnahmen. Wir haben allerdings in dieser Zeit unsere Schuldenlast auch um 900 Millionen — nicht ganz um das Doppelte der Tilgung vermehrt, aber doch fast ausschließlich für rentierende Unternehmungen. Und wenn auch namentlich im Anfange die Sekundärbahnen schwach rentieren, auf die Dauer haben sie das Verhältniß zwischen Einnahme und Ausgabe unserer Eisenbahnen nicht verschlechtert. Ein Land, welches eigentlich keine Schulden hat, welches allein aus den Eisenbahnen fast die ganzen Schulden verzinst und tilgt und daneben noch 180 Millionen in die Staatskasse bringt, ein solches Land kann sich ein Unternehmen, welches noch nicht einmal 409 Millionen in 15 Jahren kostet, wohl zugetrauen. (Sehr richtig! links
Meine Herren, ich bin unter diesen Umständen schließlich zu der sesten Ueberzeugung gekommen, daß ich lediglich von meinem finanziellen Standpunkt aus vollständig und mit gutem Gewissen dem Hause empfehlen kann, dieses Unternehmen zu bewilligen
Meine Herren, nun kommt aber doch auch hinzu, man kann doch nicht leugnen, daß an sich, von den Kosten und von den besonderen Verhältnissen zu unseren Staatseisenbahnen einmal abgeseben, der Mittelland Kanal für das ganze Land einen großen Fortschritt und eine große Wohltbat bedeutet. In der ganzen Welt ist doch unbestritten, daß billiger Verkehr, ut geordneter Verkehr, rascher Verkehr für die ganien pro⸗ duierenden Klassen in dem Lande eine Wohlthat sind. (Sebr richtig! linke.) Man schätzt die Wohlthat, wenn man die Ausgaben dor sich siebt, im Anfang viel zu gering. Meine Herren, die Landwirthschaft beispiels⸗ weise will noch immer nicht zugeben, daß dieser Kanal ihr nicht bleß nicht schadlich, sondern böchst nützlich ist. Ich stebe doch nicht in dem Mufe, das Wohl und Webe der Landwirtbschaft gering zu schätzen; ich bin aber der vollen Uebermengung, daß eine billigere Verbindung zu Wasser für Massengüter vom Osten nach dem Westen von der größten Bedeutung für beide Theile ist
Meine Herren, eg ist ein alter Saß schen, den fast alle National oölkonomen augsprechen! Wasserverlebr ist für Massengüter, und Massenversebr ist der Verkebr der Landwirtbschaft. Ferner, meine Derren, wir haben einmal wir mögen eg beklagen oder nicht die großen Industriejentren im Westen und eine faft augschließlich Land wirthschaft treibende Bedollerung im Osten. Man mag nun sagen von Industrie und Landwirtbschaft, was man will das muß men jeden alls geben, daß der natürliche Augtausch der Produkte sich swischen Industrie und Landwirtbschaft delllicbt. Ver kurzem erzablte mir ein alter Freund, ein Mitglied der Ferrenbanseg, nachdem er in