ü Q
mae e . ö a . 1
*
ö
ö : =
ö. ö . . ö ; J ö ; 1 1 * ; 4 / ö. Hö . ö ö. 1 . . 232 4 1 1 w K J 2 4 . ; . ö . . ö . 1 J . ö
vollkommen unausführbar.
die Sicherheit gegeben, daß es nicht gefälscht ist. Immerhin bieten aber die Grenzzahlen für die Untersuchung und für die Frage, ob ein solches unzulässig gestrecktes Getränk vorliegt oder nicht, einen werth⸗ vollen Anhalt. Ich möchte deshalb die Grenzzahlen nicht ganz ver⸗ worfen wissen.
Nun gestatte ich mir noch auf eine Frage mehr technischer Natur
einzugehen, die Zusammenhang hat mit dem ersten Gesetzentwurf, der heute Ihrer Berathung unterlegen hat, eine Frage, die auch bereits in der Oeffentlichkeit angeregt ist. Man hat nämlich gesagt: es ist ein Fehler des bisherigen Weingesetzes, den man bei Gelegenheit dieser Novelle verbesseru sollte, daß von den Bestimmungen des Weingesetzes die moussierenden Getränke, der sogenannte Champagner, zum theil ausgenommen sind, und würde man bei der jetzigen Novelle, die den Kunstwein ganz verbietet, während das vorige Gesetz nur die Dekla— ration verlangte, diese Lücke nicht ausfüllen, so würde die Konsequenz sein, daß alle Fälscher sich auf die Herstellung von moussierenden Weinen werfen würden. Die Frage ist keineswegs sehr einfach und wird in der Kommission noch eingehend erörtert werden müssen. Es ist nämlich, wie die Champagnersachverständigen versichern, ausgeschlossen, gewisse Sorten Champagner, namentlich die, welche nach dem Aus⸗ lande gehen, nach Indien, nach Sibirien, wo sie wegen der klimatischen Verhältnisse besonders dauerhaft sein müssen, herzustellen mit dem jetzt nur zugelassenen Zusatz von 100 Alkohol. Denn diese Cham⸗ pagner haben zum theil nur — es sind das leicht abgekelterte Weine — einen Alkoholgrad von 8 ,. Würde man deshalb nur 1 06, wie bei den übrigen Weinen, zusetzen dürfen, so würde dieser Alkoholgehalt nicht genügen, um den klimatischen Einflüssen in Rußland, in Indien, in sonstigen heißen und tropischen Ländern Widerstand zu leisten, vielmehr wäre, um die moussierenden Weine dort beständig zu erhalteu, mindestens ein Alkoholgehalt von 10 bis 110060ᷓ erforderlich. Ich glaube also, man wird die Frage, ob man auch die moussierenden Weine allgemein unter dieses Gesetz nehmen will, noch einer eingehenden Erörterung in der Kommission unterziehen müssen.
Dazu kommt, meine Herren, daß man auch bei den moussierenden Getränken mit den Grenzzahlen nicht recht auskommt, weil diese mous⸗ sierenden Getränke, namentlich die Lothringer Weine und Champagner⸗ weine, die nur leicht abgekeltert werden und einer Einmaischung nicht unterliegen, die Grenzzahlen nicht nachweisen sollen — wie wenigstens die Champagnerfabrikanten behaupten — welche die stillen Weine nach⸗ weisen, aus dem einfachen Grunde, weil diese moussierenden Weine nicht so lange in Berührung mit den Trestern bleiben wie diestillen Weine. Nach der Auffassung der Champagnerfabrikanten wirkt dieser Zustand, daß der Wein ohne Einmaischung gekeltert wird, auf die Grenzjahlen zurück. Andererseits behaupten aber die Fabrikanten, daß man Cham⸗ pagner nur herstellen könnte mit den schnell abgekelterten Weinen, die nicht gemaischt und infolge dessen erheblich dünner und deshalb dem Mousseur zugänglicher sind als ein dickerer, stiller Wein.
Nun noch eine letzte Frage; das ist die Kontrole des Zucker⸗ zusatzes, die seitens einer Anzahl Winzervereine erhoben ist. Man hat verlangt, daß dem Wein nur ein ganz bestimmter Prozentsatz von zuckeriger Lösung zugeführt werden dürfe, und manche Inter⸗ essentenkreise sind noch weiter gegangen und haben sogar die Forde⸗ rung aufgestellt, daß diese zuckerige Lösung nur bis zu einem be— stimmten Zeitpunkt, z. B. bis zum 1. Dejember, dem Most zugesetzt werden dürfe. Ich halte eine solche Bestimmung für vollkommen unausführbar. Wenn man eine derartige Bestimmung nicht einen todten Buchstaben sein lassen will, so muß man sie kontrolieren, und ich frage: wie denken sich in aller Welt die Interessenkreise, die eine solche Forderung stellen, wie eine solche Kontrole ausgeübt werden soll in den Tausenden von Kellern, wie lange einerseits zuckerige Lösung dem Wein zugeführt werden darf, und ferner: in welchem Projentsatz? Man wird darüber Untersuchungen anstellen müssen, wenn man im einzelnen Falle einen Mann, den man für einen Fläscher hält, faßt, aber eine allgemeine Kontrole auszuführen halte ich für Dann würde aber diese Bestimmung nichts weiter sein als die Aufstellung eines moralischen Grundsatzes für Winzer und Weinhändler, aber meines Erachtens ohne jede praktische Wirkung.
Meine Herren, ich gestatte mit eine Schlußbemerkung. Es werden von den Weininteressenten Forderungen aufgestellt, von denen ich bereits im Beginne meiner Ausführungen bemerkte, man überlege sich bei solchen Forderungen nicht, daß dies Gesetz gelten soll nicht nur für kleine Orte in Weingegenden, sondern auch für den Weinhandel, den Weinverkehr in den größten Städten, die wir in Deutschland haben, und andererseits vergißt man, daß die Chemie noch nicht zu dem Grad der Erkenntniß gelangt ist, die wünschenswerth wäre, um Fälschungen so schnell, billig und objektiv festzustellen, wie nothwendig wäre. Ich glaube, gerade der Schutz des ehrlichen Winzers in Form eines Weingesetzes kann nur allmählich erfolgen, und wir thun gut, nicht grundstürjende Gesetze zu fordern, sondern, wie es hier in diesem Gesetzentwurf geschehen ist, Lücken, die sich gejeigt baben, allmablich auszufüllen und auf diesem Wege fortzuschreiten nach Maßgabe der Erfahrungen und der verbesserten technischen Kenntnisse, die wir uns im Laufe der Zeit erwerben. Ich bitte deshalb, meine Herren, dem Gesetz ein recht wohlwollendes und freundliches Gesicht bei der Be⸗ rathung in der Kommission zeigen zu wollen.
Abg. Dr. Blankenhorn (nl): Ich freue mich der Anerkennung der Reformbedurftigleit des Weingesetzes ven 1892 durch den Staatz. sekretär. Leider geht dieser langerwartete Gesetzentwurf nicht weit genug. So lange können wir nicht warten, bis die Chemie so weit ist. . unbedingt erkennen zu können; denn dahin wird die Ghemie überbaupt nicht kommen. Der Entwurf bringt ung die langst ewünschte Definition des Begriffs Wein“. Ich selbst geböre zu den . und hätte gern die frühere Deklaration, welche seden Zusatz ausschloß, beibehalten; aber die Verhältnisse baben sich eben ge⸗
ändert, man will keine sauren Weine mehr, die früber leichter abzusetzen waren, und damit müssen wir uns abfinden und können von diesem Standynnkt aus die jetzt vorgeschlagene Definition alg einen Fortschritt anseben. , ef sich die Weine ganz übermäßig strecken, obne unter die Grenhablen und unter die Analvsefestigkeit zu sinken. Unerlaubt sind Jusatze bon Obstwein, dennoch werden diese nicht deklariert; ferner werden die Trestern mit Wasser übergossen, was durch das Gesetz von 18592 nicht verboten ist, und mit diesem Tresterwasser werden die Weine verlängert. Andererseits bleiben öfters Weine, in guten Lagen gewachsen, binter den Grennablen zurück, sodaß die Richter eventuell auf den Verdacht kommen, diese Weine müßten verzuckert sein. Mit den Grenzahlen kommt man also nicht mehr durch; sie müssen wenigsteng auß dem Tert des Gesetzes heraus. Was am messten begrüßt werden muß, ist das Verbot des Kunstweing, welches ung die Vorlage bringt. Mil der Qunstweinsteuer ist nichts ju machen — wir werden also nichtz gegen das Verbol haben. Den
uztrunk aber sollten wir weiter . damit wird keine Bresche
in das Gesetz gelegt. Ob die Branntweinbrennerci dieser Kunst— weine auch weiter nicht entbehren kann, vermag ich nicht zu beurtheilen, jedenfalls müßten dann aber schärfere Kontrolen e n, werden. Eine gewisse Kontrole halte ich unbedingt für nothwendig. Sie ist ja auch in Süddeutschland vorhanden, und in . ganzen Theil des Deutschen Reichs wird ja auch sehr wenig fabriziert. Die idealste Kontrolle wäre ja die dauernde Kellerkonkrole, aber sie ist schon wegen ihrer Kostspieligkeit nicht durchzuführen. Von der Wein⸗ stener hat man ja erfreulicher Weise bstand genommen. Nun sollen zu der beschränkten Kontrole Sachverständige und Vertrauens⸗ männer im Ehrenamt zugezogen werden. Sollen die Sachverständigen Käufer sein oder Wirthe oder andere Personen? Und sollen auch aus den Konsumentenkreisen Vertrauensmaänner entnommen werden? Da liegen nun allerhand Unklarheiten. Gegen die ausländischen Kunst⸗ weine können uns die Zölle schützen nichk aber gegen diejenigen Kunst⸗ weine, welche in dem Eldorado der Kunstweinfabrikation, in Luxemburg, hergestellt werden. Darum muß man sich dieserhalb mit Luxemburg direkt in Verbindung setzen, um eine Verständigung herbeizuführen. Beseitigt werden muß auch, der . von Roth⸗ und Weißweinen, wie wir ihn durch den italienischen Handelsbertrag bekommen haben. Hoffentlich ist, die Zeit dazu bald gekommen,. An dem Gesetz ist also durchaus zu ändern und zu bessern. Die bisherigen J ge⸗ statten uns sehr wohl, schon 9 t etwas weiter zu sehen als die Vor⸗ lage. Ich beantrage, das Gefetz der vorher eingesetzten Kommission gleichfalls zu überweisen.
Abg. Baumann (Zentr.); Die Weinbauern von Unterfranken begrüßen das Verbot des Kunstweins mit Freuden, vermissen in der Vorlage in der Definition des Begriffes Wein aber den enügenden J, des Publikums gegen Zusatzweine. Das Publikum hat ein Recht 9. reine Naturweine. Die Winzer wieder haben ein Recht auf den Schutz der Produktion reiner Naturweine. Das Mischen unserer Naturweine mit ausländischen Weinen sollte eingeschränkt werden. Nachdem die Brauereien und Brennereien bereits der Staatsaufsicht unterliegen, ist es unbedenklich, auch für die Wein⸗ produktion eine Kontrole einzuführen, nur sollte dieselbe durch besondere Wein⸗Inspektoren nach Art der Gewerbe⸗Inspektoren erfolgen. Redner erklärt zum Schluß, a g zu sein, zu versichern, daß das Zentrum niemals für eine allgemeine Reichs⸗-Weinsteuer stimmen werde, und stimmt der beantragten Kommissionsberathung zu.
Um 6 Uhr wird die Fortsetzung auf Sonnabend 1 Uhr vertagt.
Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
21. Sitzung vom 8. Februar, 11 Uhr.
Die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗EcEtats für 1901 wird im Etat der Justizverwaltung bei dem Titel „Gehalt des Ministers“ fortgesetzt.
Abg. Dr. Opfergelt (Zentr., schwer verständlich) beschwert sich über einen Fall, in dem einem Ausländer die Erlangung eines Heiraths⸗ attestes erschwert worden sei.
Justiz-Minister Schönstedt:
Meine Herren! Der von dem Herrn Abg. Dr. Opfergelt vor⸗ getragene Fall ist mir speziell nicht bekannt; aber ich bedauere auf⸗ richtig das junge Paar, welches so viel Zeit, Mühe und Wege gehabt, ehe es in den Hafen der Ehe einlaufen konnte. Die Schwierigkeiten, die demselben entgegengetreten sind, liegen im wesentlichen auf dem Gebiete der ausländischen Gesetzgebung. Sobald die Justizverwaltung angegangen ist, scheint nach dem Vortrage des Herrn Abg. Dr. Opfer⸗ gelt dasjenige sofort geschehen zu sein, was nach Lage unserer Gesetz⸗ gebung zulässig ist. Ich erkenne aber an, daß alles geschehen muß, um solche Schwierigkeiten bezüglich der Ausländer, die im Inlande eine Ehe eingehen wollen, zu beseitigen, und ich kann mittheilen, daß seitens des Auswärtigen Amts in Verhandlungen eingetreten ist mit einer großen Zahl von auswärtigen Staaten, jedenfalls mit den zunächst betheiligten Nachbarstaaten, die dahin gehen, daß wenigstens die Behörden bestimmt werden, die in den ausländischen Staaten zuständig sind, um solche Heirathsatteste zu ertheilen, nämlich Atteste, daß nach den Gesetzen des Landes der ECheschließung nichts entgegen⸗ stehe. Ich hoffe, daß diese Verhandlungen bald ein erfreuliches Er⸗ gebniß haben und daß dann diese Klagen verstummen werden.
Abg. Dr. Crüger (fr. Volksp.): An Stelle des erkrankten Abg. Hirsch komme ich auf die Grundsätze für die Ernennung von Beamten zurück, die der Minister neulich vertreten hat. Man kann es dem Minister nicht zumuthen, bestimmte Beamte anzustellen, denn er trägt die Verantwortung für die Beamten, aber er hat ein bestimmtes System vorgeführt, nach dem die Beamten angestellt werden, das mit der Ver fassung und der Reichsgesetzgebung nicht vereinbar ist. Es handelt sich nicht um einzelne Personalfragen, sondern um das System. Wir könnten uns dabei noch über andere Punkte unterhalten, z. B. wird eine große An⸗ zahl von böberen Richterstellen aus Beamten der Staatsanwaltschaft besetzt, die Rechtsanwälte werden so gut wie garnicht dabei berück⸗ sichtigt. Vielleicht ist auch auf diesem Gebiete noch nicht alles so, wie es sein sollte. Mit den Begriffen Antisemitismus und Philo⸗ semitismus sollte man hier nicht operieren. Die Frage ist so zu stellen: Macht die Zugehörigkeit zu einer Lonfession einen Mann ungeeignet, ein bestimmies Amt zu bekleiden? Ueber einzelne Miß⸗ griffe, die hervortreten und wieder verschwinden, könnte man binweggehen. Aber der Minister sagt, alle Verwaltungen, außer der Justiz, lehnten es ab, jüdische Herren aufzunehmen, und er hat diesen Grundsatz stillschweigend gebilligt. Sehen wir siberhaupt in den höchsten Stellen des Staates einen liberalen Mann? Die böchssen Stellen sind nicht nur den Angehörigen der jädischen Konfession verschlossen, sondern allein dem Adel vorbehalten. Es giebt keine höchste richterliche Instanz, die über die Anwendung solcher Verwaltungs grundsätze entscheiden kann. Hätte eine höchste richter⸗ liche Instanz,. J. B. das Reichsgericht, über die Gesetzmäßigkeit der Grundsaͤtze zu entscheiden, die der Minister vertreten hat, so würde die Regierung - ebenso schlecht abschneiden, wie Lübeck mit seinem Verbot des Strikepostenstebens. Ich widerspreche der Auffassung des Ministers über die Notare. Er geht von dem Gründsag aus, daß Notare eines ganz besonderen Vertrauens be⸗ dürften. Ich behaupte, daß die Rechtsanwälte noch viel mehr Ver⸗ trauenspersonen als die Notare sind. Deshalb ist die Meinung des Justiz⸗Ministers, daß an den Notar höhere Anforderungen zu stellen seien als an den Rechtsanwalt, unzutreffend. Ich gebe ju, daß kein Rechtaanwalt Anspruch darauf hat. Notar zu werden. Mein Angriff richtet sich nur gegen das System, daß gewisse Rechtsanwälte das Notariat nicht bekommen. Auch soll 82. nicht das Interesse der Rechtsanwälte maßgebend sein. sondern das der Bevölkerung, aber nur im Rahmen der Ver affung und der Reichs ⸗ Gesetzgebung. Der Justiz⸗Minister bat die Pflicht, die Bevölkerung darauf auf⸗ merksam zu machen, daß Wünsche, die sich außerbalb der Verfassung b en, nicht befriedigt werden können. Es wird eine Verwirrung im Volke bervorgerufen, wenn eg nicht weiß, was echt ist. Die einschlägigen Bestimmungen der Gesetzhebung sind dech far genug. Ich vermwesse nur auf die Artikel I! und Rll der Verfassung. Der letztere bestimmt, daß der Genuß staatsbürgerlicher Rechte unabbangig sst von rellglösem Bekenniniß, und auch Artikel XIV, der vom e e, Hekenntinß Kandest, beicht sich nur auf christliche Nellgions übung. Das Notariat hat mit dem Christenthum nichts zu thun. Dag Reiche geseg don 1869 bat allen Staatabürgern dieselben Rechte eingeräumt. Nach Briefen, die ich von christlichen Rechte⸗ anwälten erbalten habe, werden bei der Besetzung von Notariata stellen Grundsätze befolgt, die allgemeinen Unwillen hervorgerufen
ben. Man hat nach Kattowitz von auswärts einen christliche hirhhan zum Notar 4 der jũdische e n. das volle Vertrauen der Bevölkerung genoß. Der Justiz Minister wollte den jüdischen Rechtsanwälten und Notaren nichts vor= werfen, er ihnen im Gegentheil ein glänzendes zeugniß ausgestellt. Aber was nützt dieses glänzende Zeugniß? In der Praxis 3. es ganz anders aus. Es liegt ein System in der ganzen Sache.
seit Jahren . daß gewisse Kreise der Bevölk deklassiert
werden, daß wir Bürger erster und zweiter Klasse haben. Der Minister des Innern hat die Sozialdemokraten gewisser⸗ . für vogelfrei erklärt, weil sie eine andere Politische Au ung haben. Der Handels⸗Minister hat den Handel einer ö ranche für ein nothwendiges Uebel erklärt und diese Kaufleute damit als Bürger zweiter Klasse hingestellt. Die Reichs regierung erstrebe in Ching, 9 die Christen als ifi fr bt n Bürger zugelassen werden. Man sollte doch lieber darauf, halten, daß zunächst in Preußen in der Praxis ausgeübt wird, was in der Ver— Er steht. ir haben nicht einmal in Preußen erreicht, was für
ing erstrebt wird. Worin unterscheiden 6 gewisse Leute, die mit Dreschflegeln gegen die Mitglieder anderer Konfe sionen vorgehen und die Bevölkerung gufhetzen, von den chinesischen Borern? Wir wollen doch erst, Ruhe schaffen gegen die Boxerbande, die bei uns vorhanden ist. Diese Bewegung erhält Wasser auf ihre Mühle von oben herab, obwohl jene, Leute die obersten Richter der Be⸗ stechlichkeit bezichtigen. ir , ein System, welches in anderen Ressorts herrscht und nun auch Eingang in die Justiz gefunden hat. Welcher Widerspruch, daß man die Juden nicht zu den ö zulassen will, aber bei patriotischen Veranstaltungen und Wohlthätig⸗ keitszwecken sie nicht verschmäht! Dafür ind die Juden gut genug.
Man . doch konsequent und sperre die Juden lieber in bestimmte Stadtt ;
eile ein! Wir leben in einem Staat der allgemeinen Wehrpflicht und Steuerpflicht. Wie kommt nun der Staat, der von den Juden gewisse Pflichten verlangt, dazu, ihnen die Rechte abzusprechen? Darin liegt ein Un⸗ recht. Die Konfession ist ein Hinderniß zur Ausübung politischer und anderer Rechte, Wer , ob nicht einmal die Zeit kommt, in der es nöthig ist, das ganze olk aufzurufen, wie es 1870 noth⸗ wendig war. Hüten wir uns, dazu heizutragen, daß gewissen Kreisen die Liebe zum Vaterlande auf diese Weise so schwer beeinträchtigt wird, daß sie ihnen ausgetrieben wird. Wir miülssen doch Schulter an Schulter stehen in schweren Zeiten; Verfassung und Gesetz sollen ein Palladium sein, um das wir uns alle schaaren müssen. Ob ein paar jüdische Rechtsanwälte zu Notgren ernannt werden oder nicht, ist uns gleichgültig; aber es ist uns nicht fler i tig daß Grundsätze zur Geltung kommen, die die Gleich⸗ erechtigung der Staatsbürger 8 Wollen Sie 36 Glei berechtigung nicht, so bringen Sie einen Antrag ein zur Abänderung der w und der Reichs Gesetzgebung. Gerechtigkeit und Billig⸗ keit sind auch heute noch die Stütze der Stagten. Sorgen wir dafür, daß dieser Sinn im Volke hoch gehalten wird. Darum ist es unsere il ht , Grundsätzen, wie wir sie vom Ministertische gehört aben, mit aller Entschie denheit entgegenzutreten.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Der von dem Herrn Vorredner am Schlusse seiner Ausführungen ausgesprochene Wunsch, will ich nicht gerade sagen, aber die Forderung, daß eventuell beantragt werden möge, die Bestim— mungen der preußischen Verfassung und des Reichsgesetzes von 1869, auf die seine Ausführungen sich stützten, aufzuheben, wird wohl bei keiner Seite Gegenliebe finden. Wenn ich den Herrn Vorredner im Beginn seines Vortrages richtig verstanden habe — ich gebe aber die Möglichkeit eines Mißverständnisses zu — so hat er angedeutet, daß meine Ausführungen in der vorigen Sitzung auf antisemitischer Ge— sinnung beruhten. Sollte eine solche Behauptung von ihm aufgestellt sein, so müßte ich ihr mit Bestimmtheit widersprechen; ich bin nicht Antisemit, und wenn etwa die antisemitische Partei irgendwie den Versuch machen wollte, auf Grund meiner Ausführungen in der vorigen Sitzung mich für sich zu vindizieren, so müßte ich es dankend ab⸗ lehnen.
Ich folge dem Herrn Vorredner nicht in allen seinen Aus— führungen; ich folge ihm nicht nach China, und ich will auch nicht die Sätze zum Gegenstand einer Erwiderung machen, die er aufgestellt hat, und die von niemand bestritten werden. Ich halte mich einfach an die Sache, und da handelt es sich darum, ob die in der Justiz⸗ verwaltung bestehende Praxis, die zu vertreten ich in der vorigen Sitzung genöthigt worden bin, mit der Verfassung im Ein⸗ klang steht oder nicht. Hierbei möchte ich zunächst bemerken, daß ich einigermaßen über den großen Lärm erstaunt gewesen bin, der sich erhob auf Grund der Thatsachen (Unruhe links), die angeführt sind in der vorigen Sitzung. Ich habe also zunächst die Thatsache festgestellt, daß im Bereich der Justizverwaltung die jüdischen Be⸗ werber nicht lediglich nach Maßgabe ihres Dienstalters zur Anstellung gelangen und gelangen können; ich habe dabei zugleich bemerkt, daß die Verhältnisse für die jüdischen Bewerber in der Justiz günstiger seien als in anderen Verwaltungen, und habe dabei den Ausdruck gebraucht, in anderen Verwaltungen würden diese Herren überhaurt abgelehnt. Meine Herren, ich will die Möglichteit zugeben, daß ich diesen Ausdruck nicht ganz glücklich gewählt habe; denn ich weiß es nicht, ob die Herren dort abgelehnt werden. Ich weiß nur das Eine, was aber niemand in diesem Hause und niemand außerhalb des Hauses eine Neuigkeit gewesen sein kann, daß in den anderen Verwaltungen jüdische Assessoren nicht zur Anstellung gelangen, und ich habe konstatieren wollen, daß, solange ich im Amte bin, kein einziger jüdischer Gerichts ⸗Assessor in eine andere preußische Verwaltung über⸗ getreten ist. Ob sie abgelehnt sind, weiß ich nicht; möglicherweise bat sich keiner gemeldet (Heiterkeit); möglicherweise fühlen sie sich in der Justij am wohlsten und balten trotz der Angriffe, die gegen mich er= hoben worden sind, den Justiz⸗-Minister doch noch für einen gerechten Mann.
Nun, meine Herren, was die Verfassung betrifft, so berufen sich die Herren auf die Artikel 4 und 12, in denen die Gleichberechtigun⸗ der Konfessionen für die staatsbürgerlichen Rechte, für die Erlangung der Befähigung zu allen Aemtern ausgesprochen ist. Diesen Saß erkenne ich vollständig an, und habe ihn niemals bestritten. Wenn die Herren nun in der Verfassung einige Seiten weiter blättern, werden Sie den Artikel 47 sinden, der dahin lautet:
Der König besetzt alle Stellen im Heere, sowie in den übrigen Zweigen des Staatgdienstes, sofern nicht das Gesetz ein Andere? verordnet.
Meine Herren, da ist neben den Bestimmungen der Artikel 1 und 12 und neben den Bestimmungen des Reichsgesetzes von 1809 al⸗ verfassungsmãßiges Krenrecht hingestellt die ausschließliche Anstellungt. befugniß in Bezug auf sammtliche Staatsdiener. (Sehr richtig! rechts) Meine Herren, dieses Recht bleibt ein verfassungsmãßige⸗ Kronrecht auch da, wo es auf andere Bebörden delegiert ist, und ch könnte ja vielleicht nun den Srieß umkebren und sagen, daß diejenigen Herren einen Angriff auf die Verfassung machen, die es unternebmen, cine Beschränkung dieseg verfassunge mäßigen Kronrechts anmregen. (æebbafter Beifall rechts; lebhafter Wiserspruch link) Denn, meln
2
50 1
ir sind ja
wartkber besteht kein Zweifel — 1nd der Herr Abg. Criger
. wan auedracichausgessfecher dahtie Cle berechtigt sttant,
licher Konfessionen, daß die Erlangung der Befähigung zur Bekleidung aller Staats ãmter niemand ein Anrecht auf Erlangung eines solchen ntes giebt, daß in dieser Bahiehung diejenigen, die dies verfassungsmäßige echt der Anstellung auszuüben und dabei mitzuwirken haben, voll⸗ kommen freie Hand haben.
Ich darf mich, da der Herr Abg. Crüger sich auf Staatsrechts⸗ lehrer berufen hat, hier beziehen auf die neueste Auflage des Rönne⸗
jetzt Zorn schen Staats rechtẽ in dem sich auf Seite 426, im Anschluß an die eben erörterten Bestimmungen, der Satz befindet:
Ebensowenig besteht für die Staatsregierung eine Pflicht zur Anttlung im Staatsdienste, und es wird eine solche auch nicht duh die Zulassung zu den Vorstufen des Staatsdienstes begründet. Gui Zeilen weiter befindet sich der Satz: .
Durch Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen wird keine uachtlich begründete Anwartschaft auf Anstellung im Staatsdienst er⸗ worben.
Nun, meine Herren, in der älteren Auflage des Rönne steht an dier Stelle noch der weitere Satz, daß es allerdings mit den Bestimmungen der Verfassung nicht vereinbar sein würde, ganze Futegorien ein für allemal (aha! links), obwohl sie die Bedingungen fill, vom Staatsdienste auszuschließen. Meine Herren, ich er⸗ kmne die Berechtigung dieses Satzes an; es würde sich das in der Mat nicht vollkommen im Einklang mit den Bestimmungen der Ver⸗ ssung befinden. Ich glaube aber, daß niemand im stande ist, der Astizverwaltung den Vorwurf zu machen, daß sie den von Rönne kaworfenen Standpunkt jemals vertreten habe; denn auch sie schließt bine Kategorie aus, es sind außerordentlich zahlreiche jüdische Herren n Justizdienste angestellt, im Richteramt und im Notariat, (sehr nichtig! rechts) und daraus ergiebt sich, daß ein solcher Vorwurf gegen mich nicht erhoben werden kann.
Nun, meine Herren, der Buchstabe der Verfassung ist doch auch nicht immer das Entscheidende, sondern es sind zu berücksichtigen Be⸗ dürfnisse, Interessen der Bevölkerung. Ich habe es für meine Pflicht gehalten, auf solche Interessen, auf solche Bedürfnisse in meiner Amtsführung Rücksicht zu nehmen. Meine Herren, ich habe damit nicht allein gestanden, alle meine Vorgänger haben es ebenso gehalten. Ich habe schon erwähnt, daß gerade in Bezug auf die Anstellung jidischer Bewerber sämmtliche Oberlandesgerichts⸗Präsidenten von Fall zu Fall prüfen, ob solche berücksichtigt werden können. Ich weiß nicht, ob jemand unter Ihnen ist — an jener Seite (links) ganz gewiß nicht — der etwa behaupten möchte, daß der verstorbene Oberlandes⸗ gerichts-Präsident Dr. Falk jemals zu einer Verletzung der Verfassung seine Hand geboten haben würde. Meine Herren, ich könnte Ihnen Dutzende von Berichten des Präsidenten Falk vorlegen, die dahin gingen: im vorliegenden Fall ist es gänzlich ausgeschlossen, einen jüdischen Bewerber anzustellen.
Meine Herren, ich berufe mich darauf keineswegs zu meiner Ent⸗ lastung; die Verantwortlichkeit für das, was geschehen ist, trage ich ganz allein und kann ich tragen. Ich berufe mich darauf nur, um Ihnen darzulegen, wie die communis opinio der höchsten richter⸗ lichen Beamten in Preußen über diejenige Auslegung der Verfassung sst, die ich vertrete, und die von den anderen Herren angefochten ist. (Sehr gut! rechts.)
Die Bedürfnisse! Der Herr Abg. Dr. Barth hat mir vor⸗ geworfen, ich beurtheile die Bedürfnisse so, wie ich sie verstehe. Ja, meine Herren, ganz gewiß! Nur so, wie ich sie verstehe, nicht so, wie sie Herr Dr. Barth vielleicht versteht. (Bravo! und Heiterkeit rechts.) Und so lange ich an dieser verantwortlichen Stelle stehe, wird mir nichts anderes übrig bleiben, als lediglich nach meiner Ueberzeugung und nach meiner Erkenntniß der Verhältnisse und der Thatsachen zu verfahren. (Bravo! rechts Meine Herren, ich glaube, auch meine Nachfolger, deren erstem ich sehr gern den Platz hier räumen möchte, werden denselben Standpunkt vertreten. Ich glaube sogar, wenn Herr Dr. Barth Justiz⸗-Minister würde, er wäre es auch nicht anders machen. (Sehr richtig! und Heiterkeit rechts) Vielleicht im Anfang, nach seiner Rede halte ich nicht gan undenkbar, daß er sofort ho oder 100 jüdische Notare für Berlin anstellen wird, um sich dadurch ein lebendiges Denkmal seiner Ver fassungetreue zu setzen. (Seiterkeit) Meine Herren, dauernd würde er es nicht durchführen. Und da komme ich auf den Unterschied zwischen Theorie und Praxis, auf den Herr Abg. Crüger vorhin hingewiesen hat.
Meine Herren, man kann in der Theorie sehr schöne Ansichten laben; wenn man nachher in die Praris kommt, wird man sehr leicht allerlei Hindernisse finden, die einen bei der besten theoretischen Ueber⸗ seugung zu gewissen Abweichungen nöthigen. Meine Herren,
Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit,
Leicht beieinander wohnen die Gedanken,
Doch bart im Raume stoßen sich die Sachen. Das würde auch Herr Dr. Barth erleben, wenn er Justiz⸗Minister würde.
Nun, meine Herren, das, was ich in thatsächlicher Beziehung in der vorigen Sitzung festgestellt habe, kennte, ich wiederbole das, niemandem etwas Neues sein. Alle diese Umstände sind hier in aller Breite vor fünf Jahren verhandelt worden, und alle Zeitungen, die sich sezt so stellen, ald wäre etwas Unerhörtes enthüllt, werden unmöglich, wenn sie ein ordentliches Redaltionspersonal haben, der Meinung sein lönnen, daß ich in der That Ihnen etwas Neues gesagt habe. Ich glaube, daß ich mit Recht bemerkt habe, ich begriffe nicht vollständig den Lirm, und ich glaube, meine Herren, auch der Abg. Peltasobn wird vielleicht einsehen, daß er besser gethan hätte, sich nicht zu seiner Anfrage drängen zu lassen, sondern des Grundsatzes eingedenk zu keiben: quieta non movere! (Lebhaftes Oho! links. Sehr ahr] rechts)
Meine Herren, was ich gesagt habe, das habe ich gesagt, um dem Ham Abg. Peltasohn jum Bewußtsein zu bringen, daß sein Angriff eam die Justiwerwaltung nach meiner Auffassung vollständig de⸗ dlariert war (sehr wahr! rechte), und ibm weiter zum Bewußtsein iu beladen, daß eß faktisch unmäglich ist, in der Justüwerwaltung allein den ungemessenen Nachwuchs suüdischer Bewerber in der von den Herten sewünschten Weise zu absorbieren. (Sehr wahr! rechts.)
Meine Herren, der Herr Abg. Crüger bat in seiner Rede zugleich ciner Kritik unserer Gerichte Erwäbnung gethan, die er sebr bedauert und mit Necht bedauert einer Kritik, wie sie vielfach und obne
udlage laut wird. Meine Herren, das veranlaßt mich unter Ver- affang des Thema, mit dem ich mich biber beschaftigt babe, auf emen Vorgang wurückmkommen, der sich gestern im Reichstage wu
getragen hat. Dert hat ein Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion sich bewogen gefunden zu heftigen Angriffen auf unsere Gerichte und auf die preußische Justizverwaltung. Er hat die Be⸗ hauptung aufgestellt — nach den auszugsweisen Berichten, den Wort⸗ laut seiner Rede kann ich ja noch nicht kennen —, daß die Gerichte in Preußen einem starken Druck unterlägen, daß sie unter diesem Druck — er soll ihn auch einen brutalen Druck genannt haben — gegen ihre Ueberzeugung Entscheidungen fällten aus Schwäche oder aber aus anderen, vielleicht noch weniger anerkennenswerthen Motiven. Meine Herren, wenn ich im Reichstage anwesend gewesen wäre, so würde ich dem Herrn die Antwort nicht schuldig geblieben sein. Ich halte es aber nicht für meine Pflicht, habe auch keine Zeit dazu, allen Reichstagssitzungen beizuwohnen und mich gewissermaßen dort als Kugelfang hinzusetzen für etwaige Angriffe gegen die preußische Justizverwaltung. (Sehr wahr! rechts.) Ich glaube auch, daß der Umstand, daß ich in Berlin wohne, nach dieser Richtung hin mir keine weiteren Verpflichtungen auferlegt wie den Vertretern der betreffenden Ressortverwaltungen in anderen Bundesstaaten. Aber, meine Herren, hier ist der Platz, wo solche Dinge erörtert werden können (sehr richtig! rechts), und von hier aus will ich dem Abgeordneten die Antwort geben und will sie ihm dahin geben, daß, wenn er die Behauptung aufstellt, daß von mir jemals der Versuch gemacht worden sei, irgend einen Richter in Preußen zu beeinflussen, direkt oder indirekt, unverblümt oder ver⸗ blümt, durch Gunst oder durch Mißgunst — daß das eine grobe Un⸗ wahrheit ist (Bravoß), und daß ich den, der, nachdem ich diese Er⸗ klärung abgegeben habe, eine solche Behauptung wiederholen sollte, einen frechen Lügner nennen müßte. (Bravo! und Sehr gut! Meine Herren, die Gerichte in Preußen erfreuen sich einer Unabhängigkeit, die von keiner Seite angefochten wird. Wenn eine Beeinflussung der Richter unternommen wird, dann kommt sie nicht von oben, dann kommt sie von unten, dann kommt sie von dem Terrorismus, der von einem Theil einer zügellosen Presse ausgeübt wird (lebhaftes „Sehr wahr!“ rechts und links) in der Kritik über Richtersprüche, die einer solchen Kritik von Rechtswegen entzogen sein sollten.
Meine Herren, es ist insbesondere von dem Herrn Abg. Dr. Heine auf Majestätsbeleidigungsprozesse hingewiesen worden. Es ist ein früherer Fall erwähnt, über den ich mich nicht auslassen kann, der vor meiner Zeit liegt, ein Fall, der breit erörtert ist, den ich aber in seinen Einzelheiten nicht kenne, von einem Direktor Schmidt hier beim Land⸗ gericht. — Ich kenne den Fall, wie gesagt, nicht, er liegt vor meiner Zeit. — Wenn die Darstellung dieses Falles aber, wie sie der Abg. Heine gegeben hat, richtig ist, dann, meine Herren, muß ich bekennen, daß dieser Direktor Schmidt, der ein sehr ehrenwerther Mann ge⸗ wesen sein soll, zugleich ein sehr schwacher Mann gewesen ist. Meine Herren, ich würde es bedauern, wenn irgend ein Richter durch Rück⸗ sichten nach oben sich beeinflussen ließe, seiner freien Ueberzeugung in seiner amtlichen Thätigkeit überall Ausdruck zu geben. Bei mir würde der Mann kein Glück machen; das kann ich sagen.
Meine Herren, es ist ein stehendes Thema in den Zeitungen, die erhebliche, erschreckende Zunahme der Majestätsbeleidigungsprozesse, und gerade in Bezug hierauf hat der Abg. Heine gesagt, daß da ein Druck von oben auf die Richter ausgeübt würde. Ich habe wiederholt Gelegenheit gehabt, über meine Stellung zu der Behandlung der Majestätsbeleidigungsanklagen mich auszusprechen, im Reichstage und hier. An und für sich habe ich keinen Zweifel daran, daß Seine Majestät über solche Angriffe persönlich hoch erhaben steht. (Sehr gut) Aber ebensowenig habe ich einen Zweifel daran, daß den zu— ständigen Behörden die Pflicht obliegt, gegen gehässige, böswillige An⸗ griffe gegen Seine Majestät einzuschreiten mit den Mitteln des Gesetzes (bravo; daß diese Verpflichtung um so mehr besteht, je mehr das Bestreben zu Tage tritt, jede Autorität zu untergraben und die Achtung vor dem höchsten Landesherrn anzufechten. (Bravo Aber, meine Herren, ich liebe nicht diese kleinen Majestätsbeleidigungs⸗ anklagen gegen ungebildete Personen, die mal ein unbedachtes Wort hingeworfen haben, dessen Tragweite sie nicht gekannt haben, und so⸗ weit es in meinen Kräften gestanden hat, habe ich dahin gewirkt, daß solche Anklagen nicht erhoben werden, daß sie sich vermindern.
Ich habe vor zwei Jahren, glaube ich, Ihnen zahlenmäßig nach- gewiesen, daß seit dem Jahre 1895 von Jahr zu Jahr die Zahl der Majestãtsbeleidigungssachen abgenommen hat, die der Verurtheilungen wie die der Freisprechungen. Meine Herreng ich kann diese Statistik heute ergänzen und Ihnen nachweisen, daß gerade in den beiden letzten Jahren eine außerordentlich erhebliche Abnahme der Majestätsbelei⸗ digungssachen weiter stattgefunden hat. Ich konnte vor zwei Jahren konstatieren, daß im Jahre 1897 die Zahl der wegen Majestäte⸗ beleidigung Verurtheilten die geringste war seit dem Jahre 1886; es waren in dem Jahre 305 Verurtheilte. Diese Zabl ist in dem Jahre 1893 auf 301 zurückgegangen, im Jahre 1899 auf 246 und im Jahre 19090 auf 184. (Sört, hört!)
Trotz alledem, meine Herren, bin ich darauf gefaßt, daß nach einigen Monaten wiederum in den Zeitungen von der erschreckenden Zunahme der Majestãtsbeleidigungssachen die Rede ist. (Sehr gut! rechts) Alle diese Feststellungen haben keinen dauernden Erfolg. Es sst vor einiger Zeit in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ die Reichsstatistik bezüglich der Majestätsbeleidigungssachen urbi et orbi verkündet worden; sie ergab eine Abnahme für das ganze Reich. Da lag es sebr nahe und blieb nicht aus: wenn es im Deutschen Reiche so wäre, dann würde wahrscheinlich die außerpreußischen Bundes⸗ staaten das Lob treffen, dann hätten dort die Sachen abgenommen, aber in Preußen erschreckend zugenommen. Sie wissen jetzt, meine Herren, was Sie von der Behauptung Mu halten haben, und was Sie davon zu balten haben werden, wenn solche Be—⸗ hauptungen sich später wiederholen. Beinahe bat es den Anschein, als wenn die Frage von der erschreckenden Junahme der Majestãtebeleidigungesachen gewissermaßen auf Neproduktions verfuüqungen der Redaktions bureaur beruhe, daß von Zeit zu Zeit solche Mittheilungen im Volle verbreitet werden mũůssen. Deiterteit.) Ich habe das Gegentbeil bewiesen, und diejenigen, welche etwas von der Sache wissen, würden vielleicht in der Lage sein, zu konstatieren, daß diese in meinen Augen erfreuliche Abnabme der Majestatg. beleidigungssachen zum nicht geringen Theil auf die versönliche Gin wirkung des Justij⸗Ministers zurückjufübren ist.
Meine Herren, ich bin seit vorgestern so einigermaßen vogelfrei geworden, wenigstens nach den Zeitungsausschnitten, die mir alltãglich in größerer Menge zugeben; da regnet es nur Angriffe auf mich. Eg wird mir ein Sündenverzeichniß nach allen Richtungen bin vorgebalten.
Ich sebe zunächst ab von den Angriffen wegen der Gericht voll zeber⸗
ordnung und wegen der Berliner Gerichtsorganisation. Das sind sachliche Fragen, über die man verschiedener Meinung sein kann; wir werden darauf an anderer Stelle zurückkommen. Dann aber werde ich gewissermaßen als der Erfinder des doöolus eventualis hingestellt, den nicht ich, sondern große Juristen vor mir erfunden haben. Ich habe nur einige Male Gelegenheit gehabt, hier festzustellen, daß der dolus evèntualis in der Rechtswissenschaft ein feststehender Begriff ist, über den kein Richter sich hinwegsetzen kann, und jeder Jurist im Hause wird mir bestätigen, daß das so ist.
Es ist gesagt worden: seitdem der gegenwärtige Justiz-⸗Minister, auf den so große Hoffnungen gesetzt wurden, ans Ruder gekommen ist, wie haben sich die Verhältnisse gestaltet! Eine Bemerkung habe ich in der Vossischen Zeitung gelesen, die auf mein angebliches Ver⸗ hältniß zu meinen Mitarbeitern und Räthen hinwies. Meine Herren, ich glaube, daß diese Bemerkung im Justiz⸗-Ministerium einen großen Heiterkeitserfolg gehabt hat.
Dann ist weiter behauptet worden: in der Anwendung des Grobenunfugparagraphen sei doch viel weiter gegangen unter dem gegenwärtigen Justiz-⸗Minister, und ebenso höre man jetzt erst von dem bösen fliegenden Gerichtsstande.
Ja, meine Herren, diese Behauptungen sind alle das Gegentheil der Wahrheit, sie stellen die Thatsachen vollständig auf den Kopf.
Was den groben Unfug angeht, so habe ich niemals in Abrede gestellt, daß dieser Paragraph nicht immer eine richtige An⸗ wendung findet, daß Dinge darunter gebracht werden, die nach der Absicht des Gesetzes nicht darunter gebracht werden sollen, und, meine Herren, ich habe schon vor vier Jahren Gelegenheit genommen, in einer Rundverfügung die Beamten der Staatsanwaltschaft auf die richtige Auslegung dieses Paragraphen, wie sie sich nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts darstellt, aufmerksam zu machen und ihnen zur Pflicht zu machen, nicht diesen Paragraphen als ein Mädchen für alles zu betrachten, unter den solche Dinge ohne weiteres gebracht werden können, für die man andere Strafparagraphen nicht hat.
Dann, meine Herren, der fliegende Gerichtsstand. Nach der Rechtsprechuug des Reichsgerichts existiert dieser fliegende Gerichts⸗ stand für die periodische Presse von Rechtswegen. Das Reichsgericht hat in Uebereinstimmung mit dem früheren Ober⸗Tribunal in einer Reihe von Entscheidungen ausgesprochen, daß ein durch die periodische Presse verübtes Delikt überall da zur Vollendung kommt, wohin dieses Preßexemplar gelangt, und daß deshalb die Anklage nicht nur an dem Erscheinungsorte des Blattes, sondern überall sonst im Lande erhoben werden kann. Ja, meine Herren, diese rechtliche Ausführung ist nach meiner Auffassung unanfechtbar. Ich halte auch den fliegenden Gerichtsstand nicht für absolut entbehrlich; es kann Fälle geben, in denen ein dringendes privates oder öffentliches Interesse besteht, daß eine Anklage wegen eines Preßver⸗ gehens nicht am Orte der Erscheinung, sondern vielleicht an einem anderen Ort erhoben wird, wo der Artikel hat wirken sollen, wo die be⸗ sprochenen Verhältnisse spielen, wo man ein Urtheil hat zur Sache u. s. w. Aber, meine Herren, ich habe niemals verkannt, daß die rücksichtslose Anwendung des fliegenden Gerichtsstandes zu großen praktischen Unzuträglichkeiten führen kann und daß sie eine Belästigung und eine Beschränkung unserer Presse enthält, die in keiner Weise wünschenswerth ist. Ich habe deshalb — auch schon vor 4 Jahren, meine Herren — eine allgemeine Verfügung an die Beamten der Staatsanwaltschaft erlassen und habe sie angewiesen, Anklagen wegen Preßbeleidigung regelmäßig nur am Orte des Erscheinens des periodischen Blattes zu erheben, und nur, wenn solche besondere Aus⸗ nahmefälle vorliegen, welche die Erhebung der Anklage an einem anderen Orte angezeigt erscheinen lassen, in dem Forum des sogenannten fliegenden Gerichtsstandes, aber dies nur nach vorheriger Bericht— erstattung an den Ober⸗Staatsanwalt und mit dessen Zustimmung. Meine Herren, diese Verfügung wird seit 4 Jahren beobachtet, und eine für das vorige Jahr von mir vorgenommene Feststellung hat ergeben, daß im ganzen preußischen Staate im vorigen Jahre nur fünf solche Anklagen nicht am Erscheinungsorte des Preßorgans erhoben worden sind, da von zwei unter einer von den betreffenden Beamten zugestandenen Nichtbeachtung meiner Verfügung, eine in einem Falle, wo es vollkommen gleichgültig war, ob die An klage es handelte sich um ein Blatt in einem kleinen Octe in Nassau in Wiesbaden oder in Frankfurt erhoben worden ware. Die Anklage ist in Frankfurt erhoben worden mit Rücksicht auf einen Mitangeklagten. In den belden anderen Fällen babe ich die Umstände nicht feststellen können, weil die Akten dem Reichsgericht vorliegen.
Also, meine Herren, Sie sehen, wie es mit der Anschuldigung steht, als wäre ich der Vater aller dieser bösen Sachen. Mich für meine Person lassen diese Vorwürfe vollkommen kalt. Es werden ja so viele unrichtige Mittheilungen auf dem Gebiete der Rechtspflege und der Justiwerwaltung durch die Presse verbreitet, daß ich längst davon abgesehen habe, da etwa mit Berichtigungen berworzutreten. Ich müßt mir dafür einen besonderen Beamten durch den Herrn Finanz ⸗Minister be willigen lassen. Aber von Zeit zu Zeit halte ich es doch für gut, festzunageln, wie öffentliche Meinung gemacht wird. die Zeitungen, die diese Vorwürfe gegen mich erhoben haben, konn allerdings nicht wissen, wie ich zu den Sachen stehe. meine Verfügungen nicht, denn diese sind noch Redaktionstisch des Vorwärts geflogen. (eite hingeflogen wären, würde der Vorwärtg“ sie wahrscheinlie gffentlicht baben, weil er kein Geschäft damit machen konnte richtig) Das eine darf ich jedenfalls sagen, daß die die vositive Bebauptung aufgestellt baben, ich sei schuld an der
Meine Herren
ö. 191 rn ren L160 enigen wennn!
angeblichen mißbräuchlichen Anwendung des fliegenden Gerichtestandes
ich sei schuld an den übermäßigen Anklagen wegen groben insoweit doch um mich böflich ausdrücken vorsichtig gewesen sind, als sie wabrbeitewidrig T
haben, die sie nicht bebaupten konnten. Denn man
die man nicht weiß, nicht pesitiv bebaurten
(Lebbaftes Bravo rechtg und im Jentrum.)
Abg. Dr. Poersch (Jentr): Der Abg. Grüner bat die Frage auf geworfen, ob die Zug borigkeit m einer Venfessien ven einem Amt auzschliestt, und der Wäg. Barth bat fie direft an daz Jenktrum ge richtet. Uebrigeng kann man bier nicht den ciner sädilken enten sprechen. Dat denn der Abg. Bartb die Verbandlungen die ses Wanses nicht
— 2 clesen? Gr syricht boretbetich den ciner Impartt it derenüker den Rat beliken. Ich muß mein Erstaunen darüber ausdrücken, dan die Qrren setzs so sebr auf die Werfassung rechen. wenn eg sich nn Ve Juden handelt, während sie sebr käbl waren, wenn wir und über Jmrarit a beschwerten Das Hann aber unfere grundsänliche Stellang nich
1 2 * — —m 1 berlnträchtigen. In den bächtten Stellen der Staatederwaltung be-