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ndet sich nicht nur kein Jude, sondern auch kein Zentrumsmann. ch heile 2 die 6 die die Herren gegeben haben. 35 Recht auf Anstellung und Beförderung haben wir allerdings nicht. Die praktische . des idealen Gedankens wird aber gestört durch die . und konfessionelle Zerrissenheit. Das zeigt sich nicht bloß im Stagt. Sehen Ysich doch die rren einmal die städtischen freisinnigen Kommunen an! Würde in Berlin eder Breslau vielleicht ein Mann meiner religiösen Auf⸗ y als Bürgermeister oder Syndikus angestellt werden? u⸗ rufe: a ) von 6 war nicht ein Mann meiner religiösen Gesinnung. r war sogar Mitglied des kirchlichen Gerichtshofs, Als er sich zunächst meldete, wurde, ihm gerathen, seine Kandidatur zurückzuziehen, weil er Katholik war. Wir sind im Besitz der Briefe, und thatsächlich hat er seine Kandidatur zurückgezogen. (Zurufe links: Er wurde doch Bürgermeister !) Glauben Sie denn, daß man bei der Besetzung der Verwaltungs⸗ stellen politische Rücksichten ganz 44 Acht läßt! Wir Katholiken haben Beschwerde nur dann, und insoweit erhoben, als wir bei der Besetzung der Stellen nicht im Verhältniß der Bevolkerungsziffer be⸗ rücksichtigt wurden. Wir haben niemals eine .. Parität ver⸗ langt, sondern eine angemessene Vertretung. Wir haben uns niemals darnber beschwert, daß in Pommern, Sachsen u. f. w. keine katholischen Ober⸗Präsidenten angestellt werden, sondern darüber, daß im Rheinland, in Westfalen und Schlesien Katholiken nicht, diese Stellen erhalten haben. Ich würde aber dem Minister keinen Vorwurf machen, wenn er es ablehnte, einen katholischen Notar anzustellen, weil auch die anderen Konfessionen berücksichtigt werden müßten; und wenn er meint, es könnten nicht alle Notare Juden sein, es müßten auch christliche Notare angestellt werden, so finde ich das auch begreiflich. Die heutigen ern en des Ministers geben nach meiner einung keinen Anlaß zu eh hen Rekriminationen, soweit sie Berlin betreffen. Die Herren würden gut thun, wenn sie ihre Beschwerde nicht in der allgemeinen n. vor⸗ trügen, sondern etwaß mehr Wasser in ihren ein gössen. ch möchte auch davor warnen, eine ewegung ins Land zu tragen. bin ebensowenig Antisemit wie der Minister; aber Aussprüche wie heute der Vergleich mit den Boxern sind doch hedenklich. Es ist nicht nur Antisemitismus, der zur Ablehnung der Forderungen . erren führt. Ein großer Theil des Volks wünscht in einem christ⸗ ichen Staate zu leben und christlich regiert zu werden.
Abg. Reichardt (nl.) Das Kronrecht und das Ernennungsrecht des Ministers wollen wir nicht angreifen, aber der Justiz⸗Minister ist doch an die Norm gebunden, daß kein Staatsbürger wegen seiner Zu⸗
ehörigkeit zu einer Religion von einem Amt , lossen werden kann.
1 ist, daß es Gegenden giebt, wo es unthunsich ist, jüdische Richter hinzuschicken. Das ist bedauerlich; aber wahrscheinlich würde der Minister überhaupt keine jüdischen Richter finden. Ohne Antisemit zu sein, kann man doch ö es würde nicht gut sein, wenn hier in Berlin z der Notare Juden wären. Der Minister hat feine früheren Aussprüche eingeschränkt insofern, als nach seiner heutigen 6 n, preußische Verwaltung Juden nicht grundfätzlich aus= schließt. äre das der Fall, so würden auch meine Freunde es für verfassungswidrig halten. Der Redner geht dann noch auf die Schadensersatzpflicht der Straßenbahnen ein.
Justiz-Minister Schönstedt:
Meine Herren! Die von dem Herrn Abg. Reichardt angeregte Frage ist mir nicht unbekannt. Ich weiß, daß vielfach Klagen darüber erhoben worden sind, daß das Eisenbahngesetz von 1838 nicht Anwen— dung findet auf die durch Straßenbahnen zugefügten Sachschäden. Solche Klagen sind auch schon an mich herangetreten, und ich habe darauf Veranlassung genommen, im vorigen Jahre von sämmtlichen Oberlandesgerichts⸗Präsidenten Berichte darüber zu erfordern, ob sich aus der Praxis ein Bedürfniß zu gesetzgeberischem Einschreiten ergeben habe. Diese Berichte sind eingegangen; ich habe sie sämmtlich dem Herrn Eisenbahn⸗-Minister vorgelegt, zu dessen Ressort die Frage ge⸗ bört. Zu welcher Entschließung dieser kommen wird, ob er geneigt ist, ein Spezialgesetz einzubringen, oder ob er es vorziehen wird, eine generelle Revision des Kleinbahngesetzes abzuwarten, weiß ich nicht, und möchte deshalb dem Herrn Abg. Reichardt anheimstellen, auf seine Frage bei der Berathung des Eisenbahn-Etats zurückzukommen.
Abg. Kirsch (Zentr. beschwert sich über den Dualismus in der Ge fängnißverwaltung. Ein Theil der Gefaͤngnisse, führt er aus, untersteht dem Pinisterium des Innern, ein anderer dem Justiz-Ministerium. Beide Theile der Verwaltung sollten in einer Hand vereinigt werden. Die Strafvollstreckung wird durch übermäßiges Schreibwerk zwischen Amtsrichtern und Staatsanwälten sehr erschwert. Die betreffende Be— stimmung müßte revidiert werden. Man bat verlangt, daß der Vor⸗ bereitungsdienst der Juristen reichsgesetzlich eregelt werde. Es kommt dabei in Frage, ob auch die — in gleicher Weise wie die Justizbeamten vorgebildet werden sollen. Im Großen und Ganzen bin ich auch dafür, knüpfe aber daran die Bedingung, daß beide Kategorien im Gehalt gleich behandelt werden. Geschießt das nicht, so geht ein großer Theil der jungen Leute zur Verwaltung über. Die Verwaltungs keamten dürfen nicht höher stehen als die Richter. In Bezug auf die Zulassung der Real Abiturienten zum juristischen Studium möchte ich mir die Frage erlauben, welche Enischließung die Regierung in dieser Frage zu fassen gedenkt. Der überwiegende Theil der Juristen ist nicht für die Zulassung. Die Frage der Strafmündigkeit gebt eigentlich nur den Reichstag an. Es bat mich gefreut, daß der Staatssekretãr darauf hingewie en hat, daß die Kinder in den großen Städten viel reifer und raffinierter sink als auf dem Lande. Auch darüber möchte ich um Auskunft bitten. Auf die Anstellung der judischen Assessoren gebe ich nicht näber ein, um se weniger, als die Frage des Derrn Peltasohn eizentlich mehr am Plaßzze wäre beim Etat des Ministeriums des Innern, des Kriegs ⸗Ministeriums und des Jwillabinets. Das Bürgerliche Gesetzbuch jetzt schon zu ändern, ware unthunlich. Man muß erst einig Jahre abwarten, wie dag Gesetz gewirkt hat. Den Woh nungẽverbaͤltnissen der Justizunterbeamten, namentlich in großen Städten, sollte die Justizwerwaltung ibre Auf⸗ merksamkeit zuwenden. Diese Beamten missen einen großen Theil ihres Gehalts jzur Mietbe verwenden. Sollte es nicht im hnlich fein, für diese Beamten Wohnungen zu bauen, so müßte das Geckalt dieser Beamten erhöht werden. Der Justin-⸗Minister Fat befürchtet, daß die Vichter weit weniger von oben als von unten beeinflußt werden können. Der Richter soll aber weder einem Druck von unten, nech einem solchen von oben weichen, und zu diesem Zweck müssen die Richter ie unabhängig wie mogiic gestellt werden. Der Justi. Minister bat gemeint, er wolle dem Reichstag nicht als Rugelfang dienen. Die Berechtigung des Reichstages, darüber zu sprechen, kann doch nicht ge. leugnet werden. Es empfleblt sich, daß der Regierung das Materlal vorher mitgetheilt wird, damit dieselbe im Reichstage darauf ant worten kann. Der Justiz⸗Minister aätte ut getban, im Reichstage Abst zu erscheinen oder einen Kommissar binzuschicken, um über den ö — die Konitzer ordsache u. s. w. Auskunft zu geben. Jetzt wird bei der weiteren Berathung im Reichs. tage auf die nee e,. des Abgeerdnetenhauses zuruck Ch fte werden. Gs wäre sachentsprechender, wenn sosche
inge 66 an der richtigen Stelle ibre GrledigHung fänden. Der ustir Minister bat auf verschiedene Fragen bier nich geantwortet. ilt bier: qui tacet, Consentire videtur? Dies dürfte jum Beil⸗ spiel von der größeren Stabilitãt der Richter gelten. * konnte man mehr über eine Mobilität der Richter 43 über die 4 der Gerichtekosten hat der Minister biaber eine Antwort nicht aß. In der Kemmission bat er gesagt, daß Erhebungen daruber angestelst seien. n g Material penugt aber nicht: ge muß eine Vorlage e. Derabsetzung der Gerichtefosten eingebracht und jwar in dleser Session.
Justiz⸗Minister Schön stedt:
Meine Herren! Aus den verschiedenen Anfragen des Herrn Abg. Kirsch will ich zunächst diejenige herausgreifen, die einen politischen Anklang hat, nämlich die Frage meines Erscheinens im Reichstage.
Ich bestreite nicht die Befugniß des Reichstages und seiner Mit-
glieder, auch solche Angelegenheiten dort zur Sprache zu bringen, die
zunächst die einzelnen Bundesstaaten betreffen. Die Erklärung, die ich abgegeben habe, und die ich nur wiederholen kann, war nur die,
daß ich es nicht für angezeigt halte, mich nun, wenn dort ein be⸗
stimmter Etat, der eine gewisse Verwandtschaft mit dem von mir hier in Preußen zu vertretenden Etat hat, zur Verhandlung kommt, ohne weiteres im Reichstage einzufinden und abzuwarten, was kommt. (Sehr richtig! rechts) Ich glaube, daß auch der Herr Abg. Kirsch von der Auffassung ausgeht, daß es zunächst Sache der Herren ist, die dort bundesstaatliche Angelegenheiten zur Sprache bringen wollen, die zuständige Stelle zu verständigen. Wenn die Herren also wünschen, daß der zur Sache informierte Vertreter eines bundesstaatlichen Ressorts ihnen gegenübertrete, so würde es für sie sehr naheliegen ihn selbst direkt oder durch Vermittelung des betreffenden Reichs- beamten vorher in Kenntniß zu setzen. Das liegt aber gerade bei den Herren, die ich im Auge habe, umgekehrt. Die wünschen garnicht, daß vorher der Ressortchef benachrichtigt wird, die wollen ihn über— fallen in einer Sache, von der er gar keine Ahnung hat; dann sitzt der Ressortchef da und kann nichts erwidern, und dann sagen sie: da seht ihr, solche Anklagen werden vorgebracht, und der preußische Minister ist garnicht im stande, darauf irgend etwas zu sagen. Dem wollen wir uns nicht aussetzen.
Außerdem halte ich das immerhin für recht gefährlich in Bezug auf die Konsequenzen, die sich ergeben würden, wenn ich dem Rathe
des Herrn Abg. Kirsch folgen wollte. Es würde dann doch, glaube
ich, in einem Umfange im Reichstage auf die Besprechung bundes— staatlicher Sachen eingegangen, die den Schwerpunkt dieser Angelegen⸗ heiten aus den Einzel⸗Landtagen in den Reichstag zu verlegen geeignet wären. Dazu die Hand zu bieten, würde ich ablehnen müssen. Ich würde nur ausnahmsweise, wenn ich vorher informiert bin, die Frage mir vorlegen, ob ich dorthin gehen soll oder nicht.
Dann, meine Herren, der Dualismus in der Gefängniß⸗ verwaltung! Die Sache liegt geschäftlich noch ebenso wie im vorigen Jahre, der Dualismus besteht fort, und die zu⸗ nächst betheiligten Ressorts haben sich noch nicht verständigen können, wie die Sache geändert werden soll. Der in der Sache zuletzt votiert hat, war der Justiz-Minister. Ich habe hier ein großes, schönes Votum, das auch die finanzielle Seite eingehend be⸗ handelt, die von dem Herrn Abg. Kirsch angeschnitten worden ist. Das Votum ist vom 23. November 1899. Darauf habe ich noch keine Erwiderung bekommen; die muß ich zunächst abwarten, und dann erst wird der Herr Finanz-Minister auch wohl in der Lage sein, zu der Frage Stellung zu nehmen. Ich bemerke aber, daß die Sache nicht so schlimm ist. Allerdings ist es nicht gerade schön, daß die Gefängnißverwaltung unter zwei verschiedene Ressorts getheilt ist, aber die Unzuträglichkeiten, die sich daraus ergeben, lassen sich sehr leicht tragen, und eine gute Seite hat es wenigstens: es findet nun zwischen beiden Ressorts ein Wetteifer statt; jedes sucht das andere zu übertreffen in guten, zweckmäßigen Gefängnißeinrich⸗ tungen, in Anordnungen für die Vollstreckung, für die Beschãftigung und Besserung der Gefangenen. Das hat immerhin auch sein Gutes.
Meine Herren, einige sonstige kleine Fragen brauche ich eigentlich bei dieser Frage garnicht eingehend zu berühren. Daß die Ausstand⸗ bewilligung in amtsgerichtlichen Strafsachen zum theil durch die Staatsanwaltschaft geschehen und nicht durch den Amtsrichter, hat seinen Grund darin, daß auf eine gleichmäßige Praxis in diesen Dingen gehalten worden ist. Für gewisse Strafaussetzungen ist der Amtsrichter zuständig, nämlich da, wo es sich um Aussetzung aus gesundheitlichen Rücksichten wegen Geisteskraakheit oder sonstiger schwerer Krankheiten handelt; wo aber lediglich die Rücksicht auf persönliche Verhältnisse oder andere Rücksichten in Frage kommen, da ist in der Verfügung von 1879 dem Amtsrichter die Zuständigkeit nicht gegeben, sondern dem Ersten Staatsanwalt beim Landgericht, damit die Sachen nach gleichmäßigen Grundsãtzen im Landgerichtsbezirk be⸗ handelt werden. Ob ein besonderes Bedürfniß vorliegt, daran etwas zu änder? ich werde die Frage prüfen, kann sie aber nicht ohne weiteres bejahen. Wenn durch die Schreibereien zwischen Amtsgericht und Staatsanwaltschaft der Ge⸗ fangene, der um einen Ausstand nachsucht, unter allen Umständen einen gewissen Aufschub gewinnt, so wird ihm diesen der Abg. Kirsch gewiß gern gönnen.
Auf die Präsentationsstempel und solche kleinen Dinge will ich garnicht eingehen. Die Vorbereitungen für den höheren Justizdienst bilden seit langer Zeit den Gegenstand eingebender Prüfung, ebenso die damit zusammenhängenden Fragen der Studien ⸗ und Prũfungs⸗ ordnung. Für die Beantwortung. der letzteren Frage ist nach meiner Ansicht präjudiziell die Entscheidung, wie es mit dem Vorbereitungs⸗ dienst für den höheren Verwaltungsdienst werden wird; falls ein ge⸗ meinsamer Vorbereitungedienst vom Staats. Ministerium beschlossen werden soll, so würde das auf die Frage der Studien und Prũfungs⸗ ordnung zurückwirken. Vorläufig liegt die Sache noch in den einzelnen Ressorte, sie wird aber, soweit ich mit der Sache bekannt bin, in aller⸗ nãchster Zeit dat Staate. Ministerium selbst beschäftigen.
Bezüglich der Hinausschiebung der Strafmündigkeit kann ich nur mittheilen, daß auch diese Frage das Staats. Ministerium als solches noch nicht beschäftigt bat. Ich habe mich als Ressortchef mit dem Staatesekretär des Reichs. Justijamts dahin verständigt, daß wir die Frage nicht als eine dringende betrachten und noch weiter hinaus- schieben.
Die Beamtenwohnungen für Unterbeamte balte ich für in hobem Grade erwünscht in tbeueren Gegenden, wo die Beamten garnicht in der Lage sind, die Miethen für die Wohnungen aufzubringen. Einige solcher Wohnungen sind in den gegenwärtigen Etat für solche Ge— fangenenaufseber in Tegel eingestellt, für deren Unterbrinqung nicht sofort bei dem Neubau dieseg Gefängnisses bat Vorsorge getroffen werden können. Meinerseitg werde ich gern bestrebt sein, in weiterem Umfange auch für die Bedürfnisse in den Provinzen zu sorgen, falls ich dazu die Zustimmung des Herrn Finanz⸗Ministers erlangen kann. Die ganze Wohnungefrage beschäftigt ja, wie den Herren bekannt ist, das Staats. Ministerium in eingebender Weise, es sind umfangreiche Maßregeln in Aussicht genommen, die eine Besserung der bestebenden Zustände auf diesem Gebiete bemwecken. Daß dabel die Unterbeamten
nicht in letzter Reihe herankommen, ist selbstverständlich, und ich würde mich sehr freuen, wenn auch für die mir unterstellten Unterbeamten dabei etwas zu erreichen wäre.
Endlich, meine Herren, die Gerichtskostenfrage. Der Herr Abg. Kirsch hat zu meiner Freude auch noch heute das warme Herz für die Gerichtskosten, das ihn, wie schon so oft, eine Lanze dafür hat brechen lassen. Ich erkenne auch in diesem Jahre reumüthig an, daß ich nicht das ganze Material, was ich in Aussicht gestellt hatte, schon jetzt habe bringen können. Wenn die Indemnität, die mir im vorigen Jahre ertheilt ist, nur für ein Jahr gelten sollte, dann habe ich zu dem guten Herzen des Herrn Abg. Kirsch das Vertrauen, daß er die Frist noch einigermaßen verlängert.
Wenn ich nicht auf die Frage des Herrn Abg. Noelle nach dieser Richtung geantwortet habe, ob in dieser Session auf die Vorlegung eines Gesetzes zu rechnen sei, so ist das nur deshalb geschehen, weil dem, was ich in der Kommission erklärt habe und was durch den Kommissionz⸗ bericht zur Kenntniß der Herren gelangt ist, nichts hätte hinzusetzen
können. Insbesondere werden diejenigen Herren, die die Kommissions, ⸗
verhandlungen gelesen haben, sich erinnern, daß ich meinerseits ver— sprochen habe, auf den Herrn Finanz⸗Minister dahin zu wirken, daß dort das Material schleunigst bearbeitet werde und daß der in der Kommission anwesende Referent des Finanz -Ministers seinerseits die Erklärung abgegeben hat, an ihm solle es nicht liegen, wenn die Sache sich verzögere. Mehr kann ich zur Zeit da nicht thun.
Wenn ich schließlich nun noch bezüglich derjenigen Fragen, die ich nicht beantwortet habe, erinnert worden bin an den Satz: qui tacenl gonsentirs videtur, dann möchte ich bitten, auch aus dem Satz den Schluß zu ziehen, insoweit auch der Nachsatz zutrifft, der dem Herrn Abg. Kirsch wohl auch bekannt ist: eum 10qui potuait et debuit.
Abg. Hilgendor ons.): möchte im Namen mei grakti . 3. ier en lf , . des Konitzer Ye richten, der in weiten Kreisen eine große Erregung hervorgerufen hat. Die Untersuchung ist nach meiner Ansicht nicht so ge . wie es hätte geschehen müssen. Es befremdet, daß erst jetzt die Kleidungsstücke des Ermordeten zum Vorschein kommen, die schon in der ersten Zeit
durch energische Haussuchungen hätten zum Vorschein kommen müssen. Ki groß die Erregung ist, geht schon daraus hervor daß
sich eine Kommission am Drte gebildet hat, um den Mord auftutklãren
Als Abgeordneter des Wahlkrelses habe ich es für meine Pflicht ge— halten, . u 366 zu kommen und einen Aufruf zu unterschreihen. Ist der ustz⸗ inister in der Lage, uns neue Gesichtspunfte über den Mord zu geben?
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Niemand mehr als die preußische Justizverwal⸗ tung und ich für meine Person kann es bedauern, daß der gräßliche Mord in Konitz bis jetzt vollständig unaufgeklärt und ungesühnt ge⸗ blieben ist. Aber ich bin nicht im stande, die Frage des Herrn Abg. Hillgendorf zu beantworten, ob gegenwärtig Aussicht vorhanden sei, den Thäter zu entdecken. Die Frage ist so außerordentlich allgemein gehalten, daß ich überhaupt nicht in der Lage bin, darauf eine sachliche Erwiderung zu geben. Davon werden die Herren ja wohl alle aus— gehen, daß wir hier nicht den Konitzer Prozeß in seinen Einzelheiten mit allen seinen Verzweigungen reproduzieren können. Meine Herren, ich glaube, daß das hohe Haus weder die Aufgabe noch die Fähigkeit hat, in eine Nachprüfung des Prozesses einzutreten. Was ich erklären kann, ist nur, daß die Justizverwaltung von Anfang an mit der größten Aufmerksamkeit, dem größten Eifer dieser Untersuchung gefolgt ist und ihrerseits alles gethan hat, um zur Entdeckung dieses schweren Verbrechens zu gelangen.
Meine Herren, ich könnte von meiner Person sagen: Ich war in Italien, als ich aus den mir dort zugänglichen ausländischen Zeitungen ersah, daß der Mord bisher vollständig unaufgeklärt geblieben war, noch nach Wochen, und daß allmählich eine große Aufregung der Be⸗ völkerung in der ganzen Gegend sich bemächtigte. Ich habe Ver⸗ anlassung genommen, damals von Italien aus an meinen damaligen Unter⸗Staatssekretär zu schreiben und zu bitten, doch alles zu thun, was in unseren Kräften steht, daß nichts verabsäumt werde in der Untersuchung nach keiner Richtung hin, ohne Ansehen der Person. Und, meine Herren, das ist unsererseits auch geschehen. Ich glaube nicht, soweit ich die Sache übersehe — und ich habe mir eine ziemlich gründliche und sorgfältige Kenntniß in der Sache zu eigen gemacht —, daß irgend einen der in der Sache thätig gewesenen Beamten der Vor wurf trifft, daß er sich irgend einer pflichtwidrigen Unterlassung schuldig gemacht habe. Ich will nicht dafür einstehen, daß von Anfang an alle Schritte in ausgiebiger, erschöpfender, genügend energischer Weise unter · nommen worden sind, (bört, hört! die Klarheit in die Sache hätten bringen können. Wenn das nicht geschehen ist, dann, meine Herren, erklärt sich das mir aus den Umständen. Es ist sehr leicht, zu sagen, daß es doch eigentlich unerklärlich sei, wie in einer so kleinen Stadt wie Konitz ein solches Verbrechen unentdeckt bleiben könne. Wenn Sie sich aber vergegenwärtigen, was alles in der langen Zeit ge⸗ schehen ist, wie doch eigentlich die gesammte Bevölkerung das dringendste Interesse hat, der Sache auf den Grund zu kommen, und wie wenig es gelungen ist, irgend eine verfolgbare, greifbare Spur zu finden, dann, meine Herren, werden Sie, glaube ich, nicht sagen können, daß aus diesem negativen Erfolge der gegenwãrtigen Untersuchung unbedingt ein Vorwurf den betheiligten Behörden ge macht werden müsse.
Das Verbrechen als solches ist erst entdeckt worden zel Tage nach dem Morde. Bis dahin hatte niemand dara⸗ gedacht, daß dieser unglückliche Winter das Opfer eines Ver brechens geworden sein könnte. Man vermuthete, er habe sich fra willig entfernt, es könne ihm ein Unglück auf dem Eise passiert sen oder so etwas; aber an die Möglichkeit eines Verbrecheng und nament⸗ lich eines in Konitz begangenen Verbrechens dachte niemand, und nut die Vermuthung, daß er lvielleicht auf dem Gise eingebrochen sein könnte, führte den Vater Winter, der am jweiten Tage vom Ver schwinden seines Sohnes benachrichtigt wurde, an den Mönchser, der damals mit Eis bedeckt war. Dabei fanden sie zufallig die Körrer⸗ theile, die ich ja nicht näher zu bezeichnen brauche.
(Schluß in der Dritten Beilage)
zum Deutschen Reichs— .
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Nun, meine Herren, aus dem Zustande der Leiche ergab. sich zu⸗ gleich, daß, wenn nicht der Mord, so doch die Zerlegung des Körpers durch eine sachkundige Hand ausgeführt war, daß mindestens ein ge⸗ schulter Metzger dabei thätig gewesen sein müsse. Nach dieser Richtung hin erstreckten sich nun die ersten Maßnahmen der Polizeiverwaltung und der Staatsanwaltschast. Es sind nach den mir vorliegenden Berichten sofort in sämmtlichen Schlächtereien von Konitz, in jüdischen und christlichen, Durchsuchungen vorgenommen worden — ohne jeden Erfolg.
Es ist der Vorwurf erhoben worden, daß diese Durchsuchungen nicht so gründlich gewesen seien, wie sie hätten sein sollen, daß ins⸗ besondere in einem christlichen Hause und ebenso in einem jüdischen Hause man Halt gemacht habe vor Wohn- und Schlafräumen, die die Leute benutzten und die gerade besetzt waren, ebenso daß man in der Synagoge nicht in ein Badezimmer eingedrungen sei, in dem gerade eine Frau badete. Ja, meine Herren, das läßt sich ja nachher sehr wohl sagen, daß so etwas nicht hätte geschehen dürfen, daß eine gründ⸗ liche, erschöpfende Durchsuchung auch vor diesen Räumen nicht hätte Halt machen sollen; aber die weitere Folgerung zu ziehen, daß, wenn dies geschehen wäre, dann eine Spur des Verbrechens gefunden worden wäre — diese Folgerung halte ich doch für eine im höchsten Grade gewagte. Es mag, wie gesagt, in den ersten Tagen nicht mit der wünschenswerthen Energie vorgegangen sein; aber daß irgendwie auf Grund prinzipieller Anschauungen der Untersuchung eine falsche Richtung gegeben worden sei, das muß ich nach den mir vorliegenden pflichtmäßigen Berichten entschieden in Abrede stellen. Man hat sich nicht gefragt, ob der Mörder ein Christ oder ein Jude sein könne; es ist nach jeder Richtung hin vorgegangen worden.
Ob man an einen Ritualmord geglaubt hat, das ist eine Frage für sich; ich mache es keinem Richter zur amtlichen Pflicht, daß er an einen Ritualmord glaubt, ich mache es ihm nur zur Pflicht, daß er alle Möglichkeiten sich vergegenwärtigt, die im übrigen auf die Spur des Thäters bringen könnten. Das ist geschehen nach bestem Wissen und Willen. Es sind Kommissionen hingeschickt worden vom Minister des Innern, vom Justiz⸗Ministerium; die Herren haben sich die größte Mühe gegeben, nachzuprüfen, was etwa noch geschehen konne. Die bestgeschätzten Beamten der Polizei sind hingeschickt worden, haben ihre Kraft darauf verwendet, um der Sache auf den Grund zu kommen — es hat alles nichts geholfen.
Als der gegenwärtige Ober-⸗Staatsanwalt in Marienwerder am 1. Oktober sein Amt antrat und sich vorher bei mir meldete, habe ich es ihm zur besonderen Pflicht gemacht, sich ungesäumt und ausschließlich nur mit dieser begonnenen Untersuchung vertraut zu machen, die Sache nach allen Richtungen durchzustudieren und zu prüfen, wo vielleicht etwas verfehlt sei, wo nachgegangen werden könne und wo etwa nach eine Spur zu suchen sei. Meine Herren, dieser Derr war als Erster Staatsanwalt am Rhein, in Neuwied und in Düsseldorf, wegen seiner besonderen Sachlichkeit und Objektivität in allen ihm von seinen Vorgesetzten ertheilten Zeugnissen ganz besonders seit Jahren gerühmt, und ich habe nicht den mindesten Zweifel, daß er sein ganzes Können und Wissen darauf verwendet hat, das zu ermitteln, was etwa noch zu ermitteln war. Das Resultat ist Null gewesen; dem Herrn daraus einen Vorwurf zu machen, lehne ich ab; ich würde ihn für nicht berechtigt halten.
Meine Herren, ich begreife es allenfalls, daß man nunmehr, nach= dem die Thätigkeit der Behörden so ergebnißlos gewesen ist, in gewissen Kreisen geglaubt hat, man müsse zur Selbsthilfe schreiten und im Vege der Vereinigung etwas zu erreichen suchen, was die Behörden nicht zu finden gewußt haben. Wenn ich dies auch begreiflich finde, so finde ich es auf der anderen Seite doch bedauerlich. Es ist nicht gut, wenn in dieser Weise Privatversonen den Beruf übernehmen wollen, für das einzutreten, was Pflicht der Behörden ist. Es liegt darin ein Mißtrauen, ein Vorwurf gegen die Behörden, der, wie ich glaube, der Begründung entbehrt.
Ein solcher Vorwurf ist auch aus dem von dem Herrn Abg. Hilgendorff vorher erwähnten und von ibm mitunterzeichneten Aufruf zu entnehmen, in welchem folgende Sätze sich finden:
Noch erscheint es möglich, daß der geheimnißvolle Mord Auf— llärung und Sũhne findet.
Diese Möglichkeit ist der selbstlosen und unermüdlichen hãtig⸗ keit einiger weniger Männer zu verdanken, die obne ausreichende Geldmittel, aber mit Aufbietung aller ihrer Krafte den Spuren des Mordeg nachgegangen sind. Die ungeheuren Schwierigkeiten und Hindernisse, die sich jedem Schritte zur Entdeckung des Mörders entgegenstellen, können aber schließlich nicht durch den Eifer und die Thatkraft Einzelner übernommen werden.
Meine Herren, ich glaube, daß jeder, der unbefangen diesen Aufruf lag, jwischen den Zeilen die Andeutung finden mußte, daß die Herren, de den Aufruf unterschrieben haben, nun schon im Besitz des Ergeb⸗ nisses einzelner Grmittelungen seien, die nur noch nicht stark genug eien, um sie auch schon der Staatsanwaltschaft vorzulegen und diese a weiterem Eingeben zu deranlassen. Für die Staatzanwaltschaft nr eg vom allergroßten Interesse, nunmehr sofort festzustellen, ber welche Lenntniß zur Sache die Unterzeichner des Aufruf verfũgten. Die Herren ind auf Antrag der Staatganwaltschaft sammtlich vernommen worden d baben sammtlich erklärt, daß sie absolut garnichts wisstten als das, dis bereitg allgemein bekannt war. (Hört! hört bei den Freisinnigen.) Nenn man in einer solchen Sache aber garnicht; weiß und dann en großen Aufruf erläßt, der dahin verstanden werden muß, daß die Deren doch über ermittelte Thbatsachen verfügten, und daß sie wissermaßen die Behörden zwingen würden, weiter in die Sache . neinzugeben, dann lann ich nur wiederholen: ich balte ein solches Vorgeben far sehr wenig fundiert und far sehr bedauerlich, sowie fũr Wrgnet, dag Ansehen der Behörden ju schädigen. Ich lann degbalb ach mit meinem Bedauern nicht jnrückbalten, daß eine Meibe sonst lebener Männer, Geistliche besder Konfessionen und andere Naänner in angesebener Stellung, dlesen Aufruf an dag ganze deutsche
Dritte Beilage Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Sonnabend, den 9. Fehruar
Volk erlassen haben. Was sie damit erreichen werden, das ist ganz gewiß, daß ziemlich viele Geldmittel einfließen, die vielleicht später auch noch zu Broschüren, zu Agitationen u. s. w. verwendet werden; aber das eigentliche Ziel, der ganze Zweck der Sache wird, wie ich glaube, verfehlt bleiben. Die Staatsanwaltschaft und ebenso die Kriminalpolizei sind unausgesetzt beschäftigt, jedes kleinste Anzeichen einer Spur, das sich etwa noch findet, weiter zu verfolgen, und zwar selbst da, wo sie eigentlich von vornherein keine Hoffnung auf Erfolg haben, nur um nichts versäumt zu sehen.
Ich will auf die Einzelheiten des Prozesses nicht eingehen, ich habe nach den Anregungen des Herrn Abg. Hilgendorff auch keine Veranlassung dazu; ich müßte sonst auch viel tiefer in die Materie eingehen und mancherlei Mißverständnisse, die bezüglich der Sache vielleicht weit verbreitet sind, hier aufklären und klarlegen. Indessen glaube ich mich dessen hier enthalten zu können, weil, wie ich schon vorhin gesagt habe, ich das Haus nicht für den geeigneten Ort halte, hier diejenige Aufklärung zu suchen, die bisher den berufenen Behörden trotz aller Mühe nicht gelungen ist. Wenn aber spezielle Fragen gestellt werden, bin ich selbstverständlich bereit — der Herr Abg. Hilgendorff hat es ja angekündigt — auf diese Fragen, soweit ich es kann, einzugehen und sie zu beantworten.
Abg. Rickert (fr. Vgg): Aus der Rede des Abg. Porsch sprach leider nicht mehr der Geist, den die Reden des Abg. Windthorst athmeten. Der Vorwurf, daß wir die berechtigten Beschwerden des Zentrums nicht unterstützt hätten, ist vollkommen unbegründet. Wenn Fürst Hohenlohe und der Justiz-Minister Katholiken sind, von In deren abgesehen dann kann man von einem Mangel an Parität nicht sprechen. So weit wie in Baden lind wir aller⸗ dings noch nicht, wo 25 Jahre lang ein Jude Finanz⸗Minister gewesen ist. von Forckenbeck war ein überzeugter Katholik, aller⸗ dings nicht in dem Sinne wie Herr Porsch, aber wie Herr von Stauffenberg. Er wurde in Berlin zum Ober⸗-Bürgermeister gewählt, obwohl man fe daß er Katholik sei. Es ist mir gleichgültig, ob jemand katholisch oder evangelisch ist, aber nach der heutigen Rede des. Derrn Porsch würde ich allerdings Bedenken tragen, ihm meine Stimme für ein höheres städtisches Amt zu geben. Herr Porsch will die Sache ziffernmäßig und mathematisch regeln. Das ist falsch, man muß nicht die Sache mit dem Rechenbuch in der Hand lösen. Man kann nur nach der Qualifikation wählen, und dabei hat nach der Ver⸗ fassung die Religion kein Hinderniß zu sein. Das ist allein ausschlag⸗ gebend. Ich komme zum Herrn Hilgendorff. Nichts hat mich mehr überrascht, als seine Rede. Wir waren auf eine große Aktion gefaßt, und nun diese kurze Anfrage. Die Antwort des Ministers war sehr sanftmüthig. Ich hätte gewünscht, er hätte denselben Ton auch uns egenüber angeschlagen. Es handelt sich hier um absolut de— ien n Tendenjen bei der, Aufklärungskommission. Der Müi— nister hätte vor dem Lande erklären sollen, daß solche Tendenzen das Vertrauen zur Justiz erschüttern müssen. Die Herren der Kommissien sind vernommen worden, und sie haben erklärt, sie wüßten garnichts. So etwas Naives ist mir noch nicht vorgekommen. Als ein Kriminalkommissar auf Anordnung des Ministeriums des Innern nach Konitz gesandt wurde, sagte das „Berliner Blatt“, ein Organ des Bundes der Landwirthe: Jetzt ist die Aussicht, den Thäter zu ermitteln, sehr gesunken. Im Hauptorgan des Bundes der Landwirthe wurde immer auf die Verhaftung des Leyy hingewirkt. In England, dem freiesten Lande der Welt, ist man so weit, daß man sich solche Angriffe verbeten und die Richter in den Stand gesetzt hat, solche Leute beim Kragen zu nehmen und einzustecken. So weit will ich ja garnicht 96. Die ernsteste Aufmerksamkeit aller Parteien verdient es aber, ob es richtig ist, auf dem Wege fortzuschreiten, den jene Herren betreten haben. Ich frage Herrn Hilgendorff: Tritt auch er für die von Herrn von Liebermann befürwortete anonyme Broschüre ein? Wissenschaftliche Autoritäten werden darin in unerhörter Weise verdächtigt und bes impft, indem deren Gutachten auf jüdische Bezahlung zurückgeführt werden. Ist das nicht Gift für das Volk, wenn die Stüßen von Thron und Altar in dieser Weise agitieren? Geben Sie sich dazu her rechts), dazu mitzuwirken? Ich gratuliere Ihnen dazu. Die Broschüre sagt weiter: Warum sind die Mörder nicht gefunden?“ Weil die Behörden dort nicht suchen, wo die Mörder zu finden ind. Was sagt der Minister dazu? Es wird ferner direlt vom Ritualmord gesprochen; man hätte Christenblut gebraucht und zum Schauplatz Konitz gewählt. Bezeichnend ist daz Verhalten 'des Schlächtermeisters Hofmann. Er hat in seiner Eingabe an den Staats anwalt behauptet, daß Levy und sein Sohn die Mörder seien. Der Erste Staatsanwalt hat ihn als Zeugen gefragt, welche thatsãchlichen Vor gänge ihm belannt geworden seien, auf Grund deren er seine Schrift eingereicht habe. Hofmann erwiderte, daß er niedergeschrieben, was der Volksmund sagte, und auf Vorhalten des Präsidenten bestätigte er, daß er selbst nichts gesehen habe. Uebernehmen bie Herren Hilgen⸗ derff und Osiander auch für die Schlußsake der Broschüre die Verantwortung, daß die Juden den utschen einen Blutzoll durch Ritualmorde auferlegten, und daß es bedenklich sei, Juden und Christen noch weiter als gleichberechtigt anzuerkennen? Die christlichen Eltern werden gewarnt, ihre Kinder müt jũdischen Kindern zusammenkommen zu lassen; die jungen CGhristen sollen Begleiter mitnehmen, wenn sie jädische Geschäfte betreten. Dag sind die Blüthen unserer Toleranz, unserer christ lichen Toleran in unserem weit vorgeschrittenen Zeitalter. Diese destruktive Tendenz ist geeignet, den Glauben an die Gerechtigkeit und die Rechtspflege zu untergraben. Der Justiz⸗Minister ist erstaunt uber den großen Lärm hinsichtlich der jüdischen Netare. Ich bin selbst erstaunt über die Aenßerungen des Ministers. Soll das Volk in allen seinen Theilen (Rufe rechts: Volk ?), die überhaupt noch Verständniß für die Verfsassung haben, darüber nicht auch erstaunt sein? Ich werde ez dem Minister nicht so bald vergessen, daß er seine Ministerkollegen des Verfassungäbruchs beschuldigt hat, als er von ihnen behauptete, daß sie Juden nicht an⸗ stellen. Sinn. Geist und Wortlaut der Verfassung iss: Die Neliglon soll bei der Bestallung kein Hinderungegrund sein; ist ein Jude qualifiziert, so soll er angestellt werden. Wollen Sie die Verfassung nicht, so heben Sie sie doch durch Gesetz auf. Wer bat denn die
Judenemanzipation am eifrigsten betrieben? Die Blüthe der Aristokratfe. Der Redner zitiert dafür u. a. eine Mede des Abg. von Vincke gegen den Abgeordneten für Naugard, der behauptet babe, eg geböre zu den Grundrechten des vreußischen Volkes, nicht von Juden regiert zu werden.
Justiz Minister Schönstedt:
Meine Herren! Ich habe auch nach der Rede des Herrn Abg Rickert nicht das Bedürfniß, mich über die Frage der Verfassungd. verletzung hier noch des weiteren ju verbreiten. Ich meine, die Sache ist genügend erörtert, und ich glaube, daß ich das Nöthige dazu gesagt babe. (Sehr richtig! recht) Ich möchte nur nech auf eine We. merkung zurẽckkommen. Der Herr Abg. Ridlert, der sonst mir genen über immer sebr liebengwürdig war, bat mir gesagt, er würde ez mir
1901.
niemals vergessen, daß ich kalten Bluts meine Kollegen des Ver⸗ fassungsbruchs bezichtigt habe. Meine Herren, das habe ich nicht gethan. Ich habe den Sinn und die Bedeutung dieser meiner Aeußerung schon richtig gestellt. Ich habe gesagt, daß ich mich viel⸗ leicht im Ausdruck vergriffen habe, wie das ja vorkommen kann, wenn man sich eines unvermutheten Angriffs zu erwehren hat, wie das bei mir vor acht Tagen der Fall war. Wenn meine Kollegen sich hiernach irgendwie verletzt fühlen möchten, dann werde ich mich mit denselben ohne Vermittelung des Herrn Abg. Rickert auseinandersetzen. (Bravo! rechts.)
Meine Herren, der sonst so höfliche Herr Rickert hat mir ferner zum Vorwurf gemacht, daß ich dem Herrn Abg. Hilgendorff eine höfliche Antwort gegeben habe. Meine Herren, ich wüßte nicht, wie ich dazu hätte kommen sollen, ihm nicht höflich zu antworten. Der Herr Abg. Hilgendorff hat in der denkbar ruhigsten und sachlichsten Weise an mich nur eine Frage gerichtet; wie soll ich ihm da anders antworten?
Herr Rickert hat mir ferner zum Vorwurf gemacht, daß ich nicht in meiner Erwiderung an Herrn Hilgendorff auf die Broschüre eingegangen bin, aus der er uns verschiedene drastische Stellen vor⸗ gelesen hat. Ja, meine Herren, wie hätte ich dazu kommen sollen? Hat sich denn Herr Hilgendorff zu dieser Broschüre bekannt? ist sie etwa von ihm ausgegangen? Ich glaube, es wäre ganz unverant— wortlich gewesen, wenn ich Herrn Hilgendorff für diese Broschüre ver⸗ antwortlich gemacht hätte. Im übrigen ist es nicht Sache der Minister, hier von diesem Tische aus sich mit derartigen Be⸗ schwerden zu beschäftigen, die von unbekannter Seite unter das Volk geworfen werden. Ich hätte um so weniger Veranlassung dazu, als ja Herr Rickert als nächster Redner gemeldet war. (Heiterkeit rechts.) Endlich hat der Herr Abg. Rickert noch eine Paritätsklage erhoben, nämlich dahin, daß ich Herrn Hilgendorff höflich und jene Seite un— höflich behandelt habe. Ja, meine Herren, was war mir von jener Seite vorgeworfen? Herr Dr. Barth hat sich nicht gescheut, mir, unter besonderer Betonung meiner Eigenschaft als Justiz⸗Minister, den Vorwurf der Verfassungsverletzung zu machen. Soll ich auch auf einen solchen Vorwurf höflich antworten, den schwersten, der einem Justiz⸗Minister gemacht werden kann? (Nein! rechts) Meine Herren, ich sage: wie man in den Wald schreit, so hallt es wieder heraus. (Bravo! rechts.)
Abg. Gogrdel er (freikons.): Herr Rickert hat bedauert, daß die Anfrage des Abg. Hilgendorff so ruhig war; er hat wohl gehofft, daß dieler eine große Anklage erheben würde,. Ich gehe auf die Ko⸗ nitzer Sache nicht ein, weil ich als Richter über den Parteien stehe, und weil ich den Inhalt der Akten nicht kenne. Stellen aus einer Broschüre interessieren hier nicht. Wir können nur unser Vertrauen zur Justiz und darauf aussprechen, daß sie den Mord aufdecken wird. Bestätigen aber muß ich das Bedauern, daß von Anfang an nicht mit der nöthigen Energie vorgegangen worden ist. Die Be schwerde des Abg. Peltasohn habe ich bedauert, denn es wär bisher nicht Sitte, die Judenfrage hier aufzurollen. Die Anklage war formell und materiell unbegründet. Man muß die Verfassung nicht nach dem Wortlaut, sondern nach dem Sinn auslegen. Formell ist die Beschwerde ungerechtfertigt, weil die Ernennung ein Recht der Krone ist. Der Minister braucht dem Hause nicht zu erklären, aus welchen Gründen er einen Beamten anstellt gder nicht anstellt. Die Minister sind verant wortlich dafür, daß die Maßnahmen der Krone mit dem Gesetz überein stimmen. Der Minister würde nur zur Verantwortung gezogen werden lönnen, wenn gr einen Referendar zum Nichter ernennt. Materiell ist Artikel der Verfassung maßgebend, nach welchem alle Staatsbürger leich und. Christen und Juden alle Richter und Notarstellen zugänglich ind. Gin echt, auf Anstellung hat weder der jädische, noch der christliche Assessor. Es kommt in erster Linie auf das Interesse und die religiösen Gefühle der Bevölkerung an, oder soll die Meligion im Staat gar keine Rolle spielen? T ie christliche Be böllerung — ich spreche nicht von Berlin — wünscht christliche Beamte. Doch ist man sehr human vorgegangen. Man hat jüdische Richter, Anwälte und Notare angestellt; sie sind gleich tüchtig. In West preußen kommt auf die südischen Notare ein ganz unverbãaltnißjmãßig hoher Projentsatz, in Posen sind 30 0, jüdische Notare. In dreißig Jahren konnte es dazu kommen, daß die meisten Richter, Rechts auwalte und Notare Juden sind. Dag will die Bevollerung nicht. Die Unabhängigkeit der Richter muß ich gegen den Abg. Heine auf das Nachdrücklichste in Schutz nehmen. ̃ ; . Abg. Dre. Porsch. Ich babe nicht meine Person als Kandidaten ür einen freisinnigen Verwaltungsposten hingestellt. Ich frage Serrn Vickert jetzt würde er mich vor imeiner beutigen Rede gewählt baben? Ich kann ihm mit Beispielen dienen, in denen die Freisinnigen einen Katholiken refüsiert haben. Ich babe ibnen daraus keinen Vorwurf gemacht. Gewiß ist die Qualifilation maßgebend aber bei der religissen und politischen Zerrissenbeit unseres Vaterlandes ge— schieht es häufig, daß Sie (nach links) nur einen politischen Gesinnung für qualisiziert balten. Daben Si lierung Verfassungeverletzung vorgeworfen, als sie Katboli Staatsämter ausschloß? Erinnern Sie sich der Bestrebungen vfennig'. Wir sind im Laufe der 90er Jabre Tode daju gekommen, uber Imparitat zu llagen. so weit gegangen wie Sie, wir baben Wafer r geschüttet, und die Juden können nicht verlangen für sie mehr eintreten alg für ung s würde die gleiche Stellung eingenommen Ven einem Grundrecht, in einem cristlichen regiert zu werden, habe ich
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