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Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
23. Sitzung vom 11. Februar, 11 Uhr.
Die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗-Etats
für 19091 wird im Etat der Justizverwaltung bei dem Titel „Gehalt des Unterstaatssekretärs?“ fortgesetzt.
Abg. Nadbyl (Zentr) will auf die vom * Faltin am 31. Ja⸗
nuar berührte Frage des Dolmetscherwesens zurückkommen, wird aber vom Präsidenten von Kröcher daran verhindert mit dem Bemerken, daß diefe Frage beim Titel für Dolmetscher erörtert werden müsse. Abg. Dr. Por sch. entr. klagt über Widersprüche zwischen den Entscheidungen des Reichsgerichts und des Gerichtshofs zur Entschei⸗ dung gon Kompetenzkonflikten. Letzterer habe in einer Kirchenbaufache in Schlesien eine Entscheidung des Reichsgerichts unwirksam gemacht, wodurch die Kirche geschadigt worden sei. Der Redner bittet den Minister, der Sache Aufmerksam keit zu schenken. .
Präsident von Kröcher erklärt, daß er in seiner Schwäche dem Abg. Porsch einige allgemeine Ausführungen tate habe. Bei den folgenden Titeln werde er aber allgemeine Bemerkungen nicht mehr zulassen.
. um Kapitel „Justiz-Prüfungskommission“ eine Frage des Abg. Dr. Göschen (nl,) der
Justiz-Minister Schönstedt:
Meine Herren! Die Frage ist schon vor einigen Tagen hier ge⸗ stellt worden — ich glaube, in der Generaldebatte — und ich habe darauf schon eine kurze Antwort gegeben, die dahin ging, daß diese Frage gegenwärtig in Vorbereitung sich befindet, daß das Staats— Ministerium sich noch nicht damit beschäftigt hat, und daß die Frage der Neuregelung des Vorbereitungsdienstes und des akademischen Studiums bedingt ist durch die Entscheidung der Frage, wie es in Zukunft mit der Vorbereitung zum höheren Verwaltungsdienst ge⸗ halten werden soll. Diese Frage wird zu allererst zur Entscheidung gebracht werden müssen; sie ist präjudiziell für die Regelung des Studiums und des juristischen Vorbereitungsdienstes. So lange sie nicht entschieden ist, kann auch nach der eben angedeuteten Richtung eine Entscheidung noch nicht getroffen werden.
Abg. Trim hon Gentr) wünscht, daß die Kandidaten auch in der sozialen Gesetzgebung geprüft würden. Wenn das jetzt geschähe, würden wahrscheinlich 96 69 beim Examen durchfallen.
Bei dem Kapitel „Qherlandesgerichte“ bemängelt
Abg. von. Mendel-Steinfels (kons.), daß bei Konkursen in der Landwirthschaft Kaufleute zu Konkursverwaltern bestellt würden. Es komme daher häufig vor, daß bei freihändigem Verkauf von Vieh 2c. zu niedrige Preise erzielt würden. Es müßten deshalb Landwirthe zu Kenkursverwaltern bestellt werden oder dem Konkursverwalter wenigKzstens ein landwirthschaftlicher Beirath gegeben werden. Alle in . sollten gesetzlich nur unter Schonung des Schuldners tattfinden. Am nöthigsten sei sie da, wo das ganze Eigenthum des Schuldners in Frage stehe. Die Tonkursordnung müsfe in allen Provinzen einheitlich gehandhabt werden, was jetzt nicht der Fall sei.
Justiz-Minister Schönstedt:
Meine Herren! Auf dem Gebiete des Pfändungswesens habe ich von der Befugniß, die die neue Fassung der Zivilprozeßordnung der Landes⸗Justizverwaltung gegeben hat, einen weitgehenden Gebrauch ge⸗ macht im Interesse der Landwirthschaft, und zwar in der Verfügung, die der Herr Abg. von Mendel-Steinfels vorhin erwähnt hat. Dort hatte ich die gesetzliche Unterlage zum Erlasse einer solchen Verfügung; auf dem Gebiete des Konkurses fehlt sie mir. Die Ernennung des Konkursberwalters ist in das Ermessen des Konkursrichters gestellt, und die vorgesetzte Aufsichtsbehörde ist nicht in der Lage, dieses Er— messen durch bestimmte Anweisungen zu beschränken. Selbstverständ— lich kann ich es nur für durchaus erwünscht halten, wenn bei der Ein— leitung ländlicher Konkurse die Auswahl des Konkursverwalters auf solche Personen fällt, die auch mit den ländlichen und landwirthschaftlichen Verhältnissen vertraut sind. Es liegt das zweifellos im Interesse der Ge⸗ sammtheit. Ob derartige Personen den Gerichten immer zur Verfügung stehen, weiß ich nicht. Ich würde es für sehr wünschenswerth halten, wenn die Landwirthschaftskammern und sonstige landwirthschaftlichen Ver— tretungen den Amtsgerichten der Bezirke Personen von vornherein bezeichneten, die bereit und geeignet seien, solche Verwaltungen der ländlichen Konkurse zu übernehmen.
Ueber die Verhandlungen, die mit den Oberlandesgerichts⸗˖ Präsidenten stattgefunden haben, ist mir nur das bekannt, was Herr von Mendel soeben vorgetragen hat. Wenn dort eine Meinungsver schiedenbeit zwischen den Präsidenten in Naumburg und in Breslau hervorgetreten ist, so scheint sie mir nicht sehr tiefgehend zu sein. Auch der Herr Präsident in Breslau hat, wie ich glaube aus den Mittheilungen des Herrn von Mendel entnehmen zu müssen, sich nicht für befugt gebalten, den Amtsrichtern in diesem Punkt eine An weisung zu ertheilen; er bat den Konkursrichtern nur anheimgestellt, den Konlureverwaltern einen landwirtbschaftlichen Beiratb zu geben. Meine Herren, dafür kennt das Gesetz die Form des Glãubiger ausschusseg, und die Gläubiger sind jedesmal in der Lage, bei den Amtegerichten den Antrag zu stellen und ihrerseits zu beschließen, daß ein Gläubigerausschuß gebildet werde. Sie haben auch die Wabl der Mitglieder des Gläubigerausschusses; es würde also in den meisten Fällen in den Händen der Gläubiger liegen, einen solchen landwirthschaftlichen Beirath dem Richter beizugeben. Ich bin aber gern bereit, wenn darauf Werth gelegt wird., den Gerichten zu empfehlen, daß sie bei Eröffnung landwirtbschaftlicher Konkurse auf die landwirthschaftliche Qualifikatien der zu bestellenden Verwalter nach Möglichkeit, seweit ibnen ein geeignetes Material zur Verfügung stebt, Rücksicht nehmen.
Ab. Dr. Paasche (nl. bemängelt, daß die Präsidenten der Dberlandesgerichte, also die höchsten Vertreter der Justiʒ verwaltung in der Propinz, nur den Rang der Räthe zweiter Klasse haben, während die Ober Praäͤsidenten den Rang der Rätbe erster Klasse haben.
Abg. von Mendel ⸗Steinfele dankt dem Minister für seine entgegenkommende 3 Es werde sebr leicht sein, den Gerichten geeignete Personen als Konkursverwalter vorzuschlagen.
Bei dem Kapitel Landgerichte und Amtsgerichte“ wünscht
Abg. Goer deler (freikons.) die Errichtung einer zweiten Direkter. stelle beim Landgericht in Graudenz und einer neuen Richterstelle beim Amtsgericht daselbst.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Die im vorigen Jahre ven mir gegebene Jusage, auf die Ein stellung einer neuen Direkterstelle an dem Landgericht Graudenz bin— juwirken, ist von mir erfüllt worden; ich babe aber die Zustimmung deg Herrn Finanz Ministers dazu nicht erbalten. Es bat eine mäßige Vermehrung der Geschäfte an dem Landgericht Graudenz allerdings in den letzten drei Jahren stattgefunden; sie ist aber dem Herrn Finanz Minister nicht genügend erschienen, um die Einstellung einer
erklärt auf
diesem Jahre weiter stattgefunden hat, so glaube ich hoffen zu dürfen, daß im nächsten Etat diese Stelle erscheint. Die Errichtung einer 7. Richterstelle an dem Amts⸗ gericht Graudenz hat bisher nicht in Aussicht genommen werden können. Ich möchte nur im allgemeinen be⸗ merken, daß eine bloße Zunahme der Bevölkerung zu einer Ver⸗ mehrung der Richterstellen noch nicht führen kann; das deckt sich keineswegs, sondern es muß nachgewiesen werden eine Vermehrung der Geschäfte, und zwar nicht nur eine vorübergehende, sondern eine solche Vermehrung der Geschäfte, die man als eine dauernde be— trachten kann. Nach diesem Gesichtspunkt muß auch für das Amts— gericht Graudenz die Frage geprüft werden. Abg. Schmidt -Warburg (entre): Die Einführung des neuen B. G.⸗B. hat sich allerdings glatt vollzogen, aber alle Schwierigkeiten sind doch nicht überwunden. Es sind eine Menge von Nebengesetzen und die in Geltung gebliebenen Landesgesetze mit zu berücksichtigen, sodaß man oft nicht weiß, an welcher Stelle man eine gesetzliche J zu finden hat. Es ist für die Richter außerordentlich schwierig, si durch das gesammte umfangreiche Material durchzufinden und na dem neuen Gesetz ein Urtheil zu fällen mit dem Bewußtsein, daß es wirklich richtig sei. Der Richter muß nicht nur eine Unmasse von Gesetzesbestimmungen beherrschen, sondern auch die Entscheidungen der obersten Gerichtshöfe verfolgen. Richtern inuß immer Zeit zum Studium gelassen werden; die Richter in Berlin kommen zu einem solchen Studium überhaupt nicht. Wie schwer ist es für einen Richter, wenn er nachher findet, daß er irgend einen Paragraphen in irgend einem Gesetz übersehen und die Partei um ihr Recht gebracht hat! In den Sitzungen müssen die Dinge mit aller Eile abgehaspelt werden. Es sollte einmal einer der Räthe, des Justiz-Ministers oder des Finanz— Ministers sich die Sitzungen beim Landgericht in Berlin inkognito an⸗ sehen, und er sollte sich dann fragen, ob er, wenn eine Beweisauf⸗ nahme geschlossen ist, und der Gerichtshof sich zur Berathung zurück⸗ zieht, selbst über den Fall genügend ,, ist. Wir brauchen mehr Richter, es geht, absolut nicht mehr so weiter. Die Richter thun ja nach Möglichkeit ihre Pflicht, aber es muß mehr für unsere Justizpflege geschehen. Ich wünsche ferner eine Aenderung bei der Gerichtskostenfestsetzung, welche dem Richter zu viel Zeit wegnimmt. Die Kostenfestsetzung könnte den Gerichtsschreibern übertragen werden. Wenn der Richter jede Position der Kostenfestsetzung genau prüfen will! wie es das Gesetz vorschreibt, so braucht er dazu wöchentlich mindestens 10 Stunden, die er besser zum Studium verwenden könnte. Wenn die Gerichtsschreiber auch überlastet sind, so müssen den Richtern andere Hilfskräfte zur Verfügung gestellt werden.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Die Schilderung von den außerordentlichen Schwierigkeiten, die die neue Gesetzgebung unseren Richtern bietet, und von den ungewöhnlich großen Aufgaben, zu deren Lösung sie durch diese neue Gesetzgebung berufen sind, war nicht übertrieben. Ich erkenne vollständig an, daß zur Zeit ganz außergewöhnliche An⸗ forderungen an unsere Richter gestellt werden, Anforderungen, wie sie vielleicht nie zuvor in unserer rechtsgeschichtlichen Entwickelung an sie herangetreten sind. Ich kann die Anerkennung, die ich schon vor einigen Tagen ausgesprochen habe, nur dahin wiederholen, daß die Richter in ihrer Gesammtheit bemüht gewesen sind, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Diese große Erschwerung in der Anwendung der Gesetze, deren Uebersicht ja eine ungemein schwierige geworden ist, da wir mit Reichs- und Landesrecht, mit Haupt-, Einführungs⸗ und Ausführungsgesetzen, mit Ausführungsverordnungen u. s. w. zu rechnen haben, treffen aber sämmtliche Gerichte in der Monarchie und nicht bloß die Berliner Gerichte. Wenn aus diesen Verhältnissen Folgerungen nur für die Berliner Gerichte gezogen werden sollen, so würde das eine Unbilligkeit gegenüber den Gerichten in der Provinz sein. Es handelt sich hier um Uebergangszustände, die vielleicht einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen werden, ehe sie vollständig bewältigt sind. Aber solche Uebergangszustande können nicht zu einer größeren etatsmäßigen Besetzung der Gerichte führen, sie können nur dazu führen, daß da, wo das Bedürfniß be⸗ sonders lehhaft hervorgetreten ist, vorübergehende Aushilfe gewährt wird. Zur Gewährung solcher Aushilfe bin ich überall bereit gewesen und werde auch fernerhin bereit sein.
Die Geschäfteverbältnisse in Berlin sind eigenartig und schwieriger als in den Provinzen. Das wird aber auch seitens der Justizver— waltung berücksichtigt. Bei keinem Gericht hat im Laufe der Jahre eine so starke Vermehrung des Personals stattgefunden wie gerade bei den Berliner Gerichten. Es liegt mir eine Uebersicht vor, us der sich ergiebt, daß in den letzten 10 Jahren, also seit dem 1. April 1892, einschließlich derjenigen Verstärkungen des Personals, die in dem vorliegenden Etat gefordert wer⸗ den, das Personal bei dem Landgericht ! um 11 Direktoren und 35 Richter, bei dem Landgericht II um 8 Dircktoren und 23 Richter vermehrt werden ist. Das sind doch sebr ansehnliche Zablen, und diese Vermehrung des Personals hat sich vollständig im Einklang mit der zahlenmäßigen Vermehrung der biesigen Geschäfte gehalten. Ich sage dabei allerdings: zablenmäßig. Es giebt für die Justizverwaltung gewisse Berechnungen, sogenannte Penjenberechnungen, die auf vieljäbrigen Erfahrungen beruhen, und die bei der Bemessung des Bedürfnisses an Beamten zu Grunde gelegt werden. Bei Fest— baltung dieses Standpunkteg bat namentlich beim Landgericht 1 bierselbst in den letzten Jahren die Jabl der Richter sich mit der Zabl der Pensen etwa die Waage gehalten. Es ist auch nicht richtig, wenn bezüglich des Landgerichts 1 behauptet wird, daß dort in den letzten Jahren eine besonders starke Vermehrung der Geschäfte ein— getreten sei. Im̃ Gegentheil, die Geschäfte baben in einzelnen der letzten Jabre einen zahlenmäßigen Rückgang erfahren; es ist ein Schwanken hin und ber, das sich immer so ziemlich auf derselben Stufe bewegt. Nun können ja vielleicht gerade für das Landgericht nicht ausschließlich die Pensenzahlen, die im übrigen für die ganze Monarchie gelten, ju Grunde gelegt, sondern es muß berũcksichtigt werden, daß bier eine größere Zabl von schwierigen Geschäften zu be— wältigen sind. Hier sind die Zivilprozesse vielfach verwickelter und schwieriger, die Strafsachen sind größer als anderswo. Vierauf wird aber auch bei der Besetzung des Gerichtes Rücksicht genommen. Uebrigens in einer Großstadt wie Berlin lebt man rascher, arbeitet man rascher und genießt man rascher, und das muß auch in der Thätigkeit der Gerichte zum Ausdruck kommen. Es wird in allen Großstädten rascher gearbeitet, intensiver gearbeitet als auf dem Lande, das liegt in der Natur der Sache und wenn bier so gearbeitet werden sollte, so ruhig, so besennen, so langsam, wie es in einfachen ländlichen Verbälmnissen möglich ist, dann würden wir zu einem geschäftlichen Stillstand
neuen Direktorstelle u begründen. Wenn, wie ich ven dem Herrn Abg. .
Goerdeler glaube gehört zu haben, die Zunahme der Geschäfte in
gründliche Verhandlungen, wie sie vom idealen Standpunkte aus betrachtet vielleicht wünschenswerth kein können, gar nicht einlassen Meine Herren, ich habe mir sagen lassen, daß es schon jetzt außer ordentlich schwierig ist, Recht anwãlte über eine gewisse Mittagsstundẽ hinaus in den Sitzungen der Kammern festzuhalten, und wenn Herr Abg. Schmidt gemeint hat, es wäre sehr wünschenswerth,
um die Mittagsstunde Kommissarien der Minister und die Ministe selbst, falls sie sich noch für unbekannt genug halten, an die Gericht stelle kommen möchten, um dort mal einen Einblick in die Ver. hältnisse zu thun, dann wäre das die schlimmste Stunde, wo scho alles nach Hause zu gehen drängt, und wo deshalb eine gewij Hetze in den Geschäften eintritt, die nicht wünschenswerth, aba vielleicht unvermeidlich ist.
Meine Herren, beschränkt. Um so mehr freue i mich, daß es troz alledem unter unseren Praktikern eine große Zahl von Herren giebt, die noch zu eingehendem wissenschaftlichen Studium Jeit gefunden haben, und die zu sehr schätzenswerthen Bearbeitungen unsen neuen Gesetze Muße gefunden haben. Ich freue mich nicht minder darüber, daß trotz der schweren Arbeit, die den Herren zugemuthet ss, die meisten ihren guten Humor nicht verloren haben, und dazu rechn ich an erster Stelle den Herrn Abg. Schmidt. (Heiterkeit.
Meine Herren, bezüglich einer anderen Frage hat der Herr Aby. Schmidt sich nicht ganz ohne Unrecht selbst als Rädelsführer bezeichnet das ist die Frage der Kostenfestsetzungen. Meine Herren, ich erkenne auch hier wieder vollständig an, daß es verdienstlich ist von dem Herrn Abg. Schmidt, wenn er auf diese Frage immer und immer wieder zurückkommt. Es ist für keinen Richter eine Lieblingsbeschäftigung und aus Freude zur Sache werden gewiß nicht viele sich in eine ein. gehende Prüfung der Kostenrechnung vertiefen. Ob die daraus er⸗ wachsende Arbeit für die Richter, falls sie selbst sich ihr unterziehen, so umfangreich ist, wie sie hier geschildert wurde, daß sie auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden zu veranschlagen sein möchte, das weiß ich nicht; es scheint mir etwas hoch gegriffen zu sein. Nur das muß ich bestreiten, daß es sich hier um ein Minimum handelt. Die Kostenfestsetzung ist ein sehr wichtiges Geschäft, die richtige Kostenfestsetzung ist von der allergrößten Bedeutung für das Recht suchende Publikum. Es können Verstöße von großer Tragweite vorkommen; es sind sehr schwierige, zweifelhafte Fragen zu entscheiden, wie der Herr Abg. Schmidt schon selbst angedeutet hat: was Gegen⸗ stand der kontradiktorischen Verhandlung des Beweisverfahrens ge—⸗ wesen ist, was in einem Nachverfahren etwa noch von kostenpflichtigen Akten vorgekommen ist, das sind Dinge, die zweifellos als Gegenstand rein richterlicher Handlungen angesehen werden müssen, und die ich durch keine Verfügung mich berechtigt halten würde, in Bureaugeschãfte umzuwandeln. Das Gesetz, die neue Fassung der Zivilprozeßordnung gestattet den Richtern, daß sie sich bei Festsetzung der Kosten der Hilfe eines Gerichtsschreibers bedienen. Meine Auffassung davon, wie diese Bestimmung in der Praxis anzuwenden ist, habe ich in der Ver— fügung niedergelegt, die vorher der Herr Abg. Schmidt vorgetragen hat, und da der Herr Abg. Schmidt selbst anerkannt hat, daß er teinen der Sätze in dieser Verfügung anzufechten in der Lage sei, so brauche ich sie wohl nicht weiter zu vertheidigen.
Wenn nun in dieser Verfügung auch der Wunsch und die Er— wartung ausgesprochen ist, daß der Richter in der Ausübung der ihm beigelegten Befugniß, sich der Hilfe des Gerichtsschreibers zu bedienen, im Interesse der vielbeschäftigten Gerichtsschreiber nicht zu weit gehen möchte, und wenn dieser Wunsch bei den hiesigen Gerichten so vielfach Beachtung gefunden hat, so kann ich mich darüber nur freuen. Zu weil brauchen die Herren aber darin nicht zu gehen. Ich werde keinem Richter zumuthen, daß er z. B. selbst nachprüft, ob die unseligen Schreibgebũhren richtig in die Rechnung aufgenommen sind, ich würde ihm auch nicht zumuthen, daß er eine seitenlange Kostenrechnung in Bezug auf die Addition selbst nachprüft; alle derartige Kleinigkeiten würde er nach meiner Meinung vollkommen berechtigt sein, an das Bureau weiter zu geben. Aber in den wesentlichsten Punkten muß die Vor— prüfung des Richters eintreten und erst, nachdem dies geschehen ist, mag er das übrige an den Gerichtsschreiber abgeben.
Wenn nun der Herr Abg. Schmidt sagt, daß auch die Gerichts schreiber derart überbürdet seien, daß man aus Menschlichkeit gewisser maßen ihnen eine solche Arbeit nicht weiter zumuthen könnte, und wenn er den Wunsch ausgesprochen hat, daß ihnen auch noch Hilfe— arbeiter beigegeben werden möchten, so bin ich bereit, eine Prüfung dieser Frage eintreten zu lassen; aber ohne Berichtserforderung von der unteren Instanz kann ich das nicht machen. Dag würde ein so ungewöhnlicher Eingriff sein in Verhältnisse, die man von der Jentral . stelle aus nicht übersehen kann, daß mir auch Herr Abg. Schmidt der artiges nicht zumut hen wird. Wenn mir aber Material geliefert wird, daß es erwünscht sei, dem Richter ausschließlich für diesen Zweck der Prüfung der Kostenrechnungen Hilfsbeamte zur Seite zu stellen, dann werde ich das mit Wohlwollen prüfen.
Das ist, glaube ich, im wesentlichen dasjenige, was Herr Abg Schmidt hier angeregt bat, abgeseben von der Funktionsgzulage für die Aufsichtsrichter bei Amtsgerichten, ein etwas beikler Punkt, der jedenfalls wohl noch nicht spruchreif ist.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit, was ich vorhin versäumt babe im Anschluß an die Bemerkung des Herrn Referenten über die Zabl der Assessoren und den juristischen Nachwuchs, bier eine kurze Mit⸗ theilung machen, die durch einen Bericht veranlaßt worden ist, den ich in den Zeitungen gelesen habe, über Verhandlungen in der Budget. lemmissien ich weiß nicht, bei welchem Etat. Dort ist gesayt worden, bei der Justiz bätten sich die Anstellungsverhältnisse insomest erbeblich verbessert, als die Assessoren jeßt durchschnittlich im Dienst alter ven 4 Jahren zur Anstellung gelangten. Meine Herren, na meinem lebhaften Bedauern ist diese Angabe nicht zutreffend. Ich babe noch für die letzten 17 Monate, also für diejenigen, die mit dem 31. Januar d. J. abgelaufen sind, feststellen lassen, wie sich thatsächlich die Verbaltnisse gestalten, und das Ergebniß ist, daß dat Durchschnittedienstalter bei der Anstellung für die Land und Amte richfer 5 Jahre und 5 Monate und für die Staatganwälte sogar 5 Jahre und 11 Monate beträgt, so daß wir also von einer Durch schnittsanstellung in einem Dienstalter von 4 Jabren leider noch recht weit entfernt sind. Und wenn ich dabei berücksichtige, daß nach den statistischen Nachweisen über unsere Universitäten die Zabl der Studierenden der Rechtewissenschaften sich in fortgesetzter Junabme befindet, dann sebe ich nicht obne Serge in die Zukunft für diejenigen
kommen, auch wenn wir die Zabl der Richter verdoppelten. Uebrigens würden auch unsere Herren Rechtganwälte sich auf so eingebende so
Herren, welche sich dem Studium der Rechten flege widmen wollen (Schluß in der Zwelten Beilage)
die Zeit zum Privatstudium ist ganz 2
=. 1 1 * — 3 z
. // a ,
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
wiederholt seinen im Vorjahr aus⸗
ntr. ñ . Wah, itt n den oberschlesischen Industriebezirk ein 6. andgericht zu Kattowitz errichtet werde.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Infolge der vorjährigen Verhandlungen habe ih Bericht von den Vorstandsbeamten des Oberlandesgerichts in greölau darüber eingefordert, ob ein Bedürfniß zur Schaffung eines neuen Landgerichts in Kattowitz anzuerkennen sei. Der Bericht ist negativ ausgefallen. Die Herren haben das Bedürfniß derneint und haben auch eine solche Theilung des Bezirks der Landgerichte Beuthen und Gleiwitz nicht für wünschenswerth erklärt; sie haben, was speziell die Forderung für Kattowitz betrifft, darauf hingewiesen, daß die Verbindung von Kattowitz nach Beuthen eine sehr günstige und das Gericht sehr leicht zu erreichen sei. Sie haben ferner darauf hinge⸗ wiesen, daß der Bezirk Beuthen eine wirthschaftliche Einheit bilde, deren Zerreißung in zwei Landgerichtsbezirke mancherlei Unzuträglich⸗ keiten für die Rechtspflege haben müsse mit Rücksicht auf das Fluk⸗ tuieren der Bevölkerung, namentlich der Arbeiterbevölkerung, die viel⸗ fach von einem Orte des Bezirks in einen anderen hin- und herziehe.
Meine Herren, an und für sich sind die Gerichte in Oberschlesien, die ja, wie die Gerichte in den Industriebezirken überhaupt, in Ober— schlesien und auch im Westen fortwährend mit einer zunehmenden Geschäftslast zu rechnen haben und bei denen die Bevölkerung ia bon Jahr zu Jahr in außerordentlicher Weise wächst — an und für sich, sage ich, sind die Gerichte trotz alledem nicht zu groß, als daß ihre Theilung sich aus dienstlichen Rücksichten geböte. Wir haben größere Gerichte, deren Geschäftsführung zu besonderen Schwierigkeiten noch nicht geführt hat. An und für sich erkenne ich vollständig an, daß es für einzelne Orte in diesen Bezirken wünschenswerth sein mag, selbst Sitz eines Landgerichts zu werden. Das ist nicht Kattowitz allein; ich glaube, ich habe im vorigen Jahre auch schon gesagt, daß mit Kattowitz auch andere Orte konkurrieren. Myslowitz meint, es hätte Anspruch, auch Königshütte, auch von Pleß ist mir ein Antrag zugegangen. Diese Städte kämpfen um die Ehre und um den Vorzug, Sitz des Landgerichts zu werden, und da ist die Wahl, wenn überhaupt ein neues Gericht geschaffen werden soll, außerordentlich schwierig. Nun ist in den letzten Tagen, ich glaube, im Laufe der vorigen Woche — ein neuer Antrag der Stadt Kattowitz gekommen auf Bildung eines Landgerichts daselbst. Dieser Antrag wird selbstverständlich zur nochmaligen Prüfung der Sache Anlaß geben. Ich bin auch gern bereit, eine Prüfung an Ort und Stelle eintreten zu lassen, Kommissarien hinzuschicken und in per— sönliche Verhandlungen einzutreten mit den leitenden Beamten des Land und Amtsgerichts, um ein vollständig klares Bild zu erlangen.
Diese Zusage zu geben, bin ich bereit, und werde sie einhalten. Welches Resultat sie haben wird, entzieht sich heute meiner Be—⸗ urtheilung.
Abg. Dr. Göschen (nl) tritt für eine Vermehrung der Gerichts, stellen eln, da ein Bedürfniß dazu nicht nur in Berlin, sondern auch sonst im Lande vorhanden sei. Beim Landgericht 1 in Berlin beftehe allerdings ein Uebermaß von Arbeit. Durch einen Prozeß, wie den egen Sternberg, trete ein Stillstand für viele andere. Sachen ein. Den aufsichtführenden Amtsrichtern müsse eine gewisse Bevorzugung ju theil werden, aber eine Funktionszulage sei dafür nicht geeignet.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Ich will nur in Ergänzung meiner Bemerkungen bezüglich der Geschäftslast bei den Berliner Gerichten noch bervorheben, daß, wenn ußerordentliche Verhältnisse eintreten, wenn solche Prozesse hier zur Derhandlung kommen, wie der Prozeß Sternberg, Spieler“, große Bankerottprozesse, dann regelmäßig den Gerichten in ausgiebigster Weise für die Dauer dieser Prozesse und einige Zeit nachher Hilfs— lräfte bewilligt werden, daß besonders während der Verhandlung des Prozesses Sternberg eine neue Hilfekammer gebildet worden ist, die die laufenden Geschäfte der mit der Verhandlung dieses Prozesses be⸗ saßten Kammer erledigte. In anderer Weise läßt sich hier kaum helfen.
Die von dem Herrn Abg. Dr. Göschen angeführte Thatsache, daß bier Kammern gebildet worden wären unter anderem Vorsitz als dem von Direltoren, ist mir unbelannt. Nach der mir vorliegenden Geschäftsvertheilung ist das nicht richtig, und es würde sich auch nicht mit dem Gerichtsverfassungsgesetze vertragen. Nach der Geschäftsvertheilung des Landgerichts 1. ist jeder Straflammer ein Direktor als Vorsitzender beigegeben. Allerdings liegt die Sache so, daß der Direktor nicht den Vorsitz in allen Sitzungen führt, sondern mit Rücksicht auf den großen Umfang der Geschäfte in einzelnen Sitzungen sich durch das äͤlteste Mitglied vertreten läßt. Das ist ein Zustand, der in dem Gerichtsverfassungsgesetze ausdrücklich zugelassen ist. Mit dem wird nicht nur bier, sondern bei zahllosen anderen Gerichten gerechnet.
Abg. Trim born (Jentr) wänscht unter Berufung auf die Ver— kältnisse im Rbeinlande, daß bei den Schwurgerichten der Vorsit ebenso wie bei den Strafkammern in der Regel einem Landgerichts. direktor übertragen werde.
JustizMinister Schönstedt:
Meine Herren! Mein Referent für die Rbeinprovinz ist im Augenblick dienstlich anderweit in Anspruch genemmen. Ich bin des— balb nicht in der Lage, mich in Bezug auf die tbatsächlichen An= führungen des Herrn Abg. Trimborn ju äußern. Ich weiß nicht. ob der Herr Abg. Trimborn für die gesammte Provinz oder nur für den Lenirk des Landgerichté Köln die Verbältnisse übersiebt. Für den Versitz der Schwurgerichte gilt nicht die fär den Vorsitz in den Zivil= und Straflammern maßgebende Vorschrift des Gerichteverfassunge. gesetzeg. Die Bestimmung deg Vorsigenden für das Schwurgericht anterliegt dem Ermessen des DOberlandesgerichts. Prasidenten. Er ist acht beschränkt auf die Mitglieder des Oberlandesgerichts und die Direktoren, sondern er lann auch Müglieder des Landgerichte dann
zum Deutschen Reichs⸗An M 37. .
Zweite Beilage . zeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Dienstag, den 12. Februar
wird es auffallen, wenn es richtig sein sollte, daß dort mehr oder weniger ausschließlich Landgerichtsräthe zu Vorsitzenden bestellt werden, weil man da früher an eine viel größere Feierlichkeit der Schwurgerichtsverhandlungen gewöhnt war: Der Code de procedure beschränkte ja die Auswahl zu Schwurgerichts⸗Vorsitzenden ausdrücklich auf Mitglieder des Appellationsgerichtshofes. Nun hat die Bestellung von Direktoren zu Schwurgerichts⸗Vorsitzenden immer den einen großen Uebelstand, daß dadurch wochenlang der Direktor der Leitung seiner Kammer entzogen wird und ich denke mir, daß dieser Gesicht punkt wesentlich maßgebend gewesen ist, wenn der Präsident in Köln nur selten Direktoren nimmt. Es liegt auf der Hand, daß in einer Kammer ein Mitglied leichter entbehrt und ersetzt werden kann wie der Direktor, der die Leitung der Kammer hat, und in gewissem Sinne verantwortlich ist für den Ge⸗ schäftsgang und die Gleichmäßigkeit der Geschäftsbehandlung. Nichtsdestoweniger würde ich es nicht für wünschenswerth halten, daß ausschließlich Landgerichtsräthe mit dem Schwurgerichtsvorsitz be⸗ traut werden, so nützlich es im übrigen ist, den Herren auch hier Gelegenheit zu geben, ihre Befähigung für höhere leitende Stellen darzulegen. Ich halte es für wünschenswerth, wenn das gemischte System beobachtet wird, daß auch Mitglieder des Oberlandesgerichts und Landgerichts⸗Direktoren mit herangezogen werden neben den dand⸗ gerichtsräthen. Die Heranziehung der Oberlandesgerichtẽräthe wird freilich in Köln besonders große Schwierigkeiten machen, weil das Kölner Oberlandesgericht mit Geschäften überhäuft ist, was zu recht unerfreulichen Zuständen geführt hat und noch weiter führen würde, wenn diesen Herren regelmäßig noch der Schwurgerichtsvorsitz zu— gemuthet würde. ; ‚
Abg. Kirs; ) stimmt dem Minister bei, hält aber au den . ern , nl, nicht für unberechtigt und tritt für eine Theilimg des Landgerichtsbezirks Düsseldorf ein. Der Redner tadelt ferner, daß den Richtern ein Theil ihrer Ferien durch Ver— tretungen genommen werde. Man könne vielleicht vorschlagen daß überhaupt keine Gerichtsferien gemacht werden und die Richter wie die höheren Verwaltungsbeamten sechs Wochen Urlaub erhalten; aber dann sei zu befürchten, daß die Urlaubsgesuche alle, zu gleicher Zeit während der Reisezeit kämen. Es sollten deshalb für die Ferien ge⸗ nügende Hilfèekräfte eingestellt werden.
Justiz⸗-Minister Schönstedt:
Es ist garnicht zu bezweifeln, daß der Genuß der Ferien den Mitgliedern größerer und höherer Kollegien in höherem Maße zu theil wird wie den Richtern der unteren Instanzen, namentlich der kleineren Land- und Amtsgerichte; das liegt in den geschäftlichen Verhältnissen, die zu ändern sehr schwer ist. Im Großen und Ganzen besteht ja der Grundsatz, daß nach Möglichkeit die Hälfte der Ferien oder wenigstens ein Zeitraum von vier Wochen jedem Richter zu seiner Erholung während der Ferienzeit gewährt werden soll. Aber diese Verschiedenheit, die nun einmal in den Verhältnissen begründet ist— auszugleichen, ist außerordentlich schwierig, und am allerwenigsten möchte ich den Weg beschreiten, den der Herr Abg. Kirsch ja auch nur mit einer gewissen Zaghaftigkeit empfohlen hat: die Beurlaubung der Richter über das ganze Jahr zu vertheilen, also auch außerhalb der Ferien einem Theil der Herren Urlanb zu geben. Die Berechti gung der langen Ferien von jwei Monaten liegt für mich zum großen Theil darin, daß es dadurch ermöglicht wird, für den übrigen Theil des Jahres die Kollegien zusammenzuhalten; denn jedes Ausscheiden eines Richters während der eigentlichen Geschäftszeit, also während der 10 Monate außerhalb der Ferien, führt nach der be stehenden Gesetzgebung zu den allergrößten Störungen und zu einer Benachtheiligung des Publikums. Unser mündliches Verfahren bringt es mit sich, daß, wenn das Kollegium bei einer fortgesetzten Ver— handlung anders als bei der früheren Verhandlung besetzt ist, dann die gange Verhandlung wiederholt werden muß. Wenn ein Referent ausscheidet, der die Sache kennt, so ist das manchmal für die Sache selbst von dem allergrößten Nachtheil. Das vermeidet man, wenn man die Beurlaubung auf die Jeit der Ferien konzentriert, weil in den Ferien — abgesehen ven schleunigen Sachen die Prozesse ruhen.
Im übrigen, meine Herten, möchte ich bemerlen, daß wir in meiner Jugend bescheidener waren. Die Ferien betrugen damals nur sechs Wochen, und jeder freute sich, wenn er davon seine drei Wochen belam. Heutzutage, wenn ich von mir selbst sagen soll ja leine eigentlichen Ferien, aber ich bekomme meinen Urlaub 2 kommt es mir, nachdem ich vier Wochen draußen gewesen bin, eigentlich immer mehr zum Bewußtsein: zu Haufe ist es doch am besten. (Veiterłeit.)
Abg. Schmitz Düsselderf empsieblt für die Vertbeilung der Ge— schäfte das m Rheinland übliche Nellensystem und meint, daß den Beschwerden des Abg. von Mendel Steinfels am besten durch die
—
Bildung eines Gläubigerausschusses abgebolfen werden könne. Dadurch hätten die Landwirte es in der Hand, ibre Interessen zu vertreten. Die Assessoren sollten auch einen Tbeil ibrer Dienstieit bei den Land wirthschaftelammern verbringen, unter der Vorausosctzu ng daß ihnen diese Thätigkeit auf ihr Dienstalter angerechnet werde Der Redner bedauert ferner den großen Andrang der Juristen im Rbeinland.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Wenn ich auf die Bemerkung des Herrn Abg. Schmitz über die Verjüge des Rollensystems nicht erwidere, so bitte ich, daraug nicht auf meine Zustimmung zu schließen. Ich möchte bier nicht in eine Diekussien über das Nollenspstem eintreten; das würde wobl über den Rabmen der Etatsberathung binaugge hen. Nach meiner Meinung bat dag Rollensystem, wie es auch jeßt noch tbat⸗ sächlich in der Rbeinvroding geübt wird, recht erbebliche Schattenseiten.
Wag die Beschäftigung der Gericht Assesseren bei den Land⸗ wirtbschaftelammern angeht, so kann ich dem Derrn Aba. Schmitz erwidern, daß ich wiederbolt in der Lage gewesen bin, Añsessoren zu einer solchen Beschäftigung ju beurlauben — das ist gescheben in der Provin Sachsen und für die ostvreußische Landwirt bschafte kammer daß ich ee sogar gern ebe, wenn die Herten auch außerbalb den
berusen. We nun die Sache im Ginzelnen gebandbabt wird, dat fi je nach den Provinzen außerordentlich verschieden. In Köln
ich babe
1901.
zu bereichern suchen. Es ist auch bisher regelmäßig den Herren die
Zeit, die sie dort thätig waren, voll angerechnet.
Die allgemeine Klage, daß die Herren von der Justiz vielfach
den praktischen Verhältnissen des Lebens entfremdet seien, findet zum
großen Theil in den gegebenen Verhältnissen ihre Erklärung. Seit
Jahren ist man bestrebt, den ordentlichen Gerichten alle möglichen
Dinge zu entziehen. (Sehr richtig) Man verlangt für die ver⸗
schiedensten Streitfragen Sondergerichte; man will außer den Handels⸗
und Gewerbegerichten, die wir haben, agrarische Gerichte, besondere
Gerichte für Streitigkeiten zwischen Kaufleuten und Handlungsgehilfen,
man will Gerichte für Streitigkeiten aus sonstigen Spezialgebieten.
Das öffentliche Recht ist den Gerichten fast ganz entzogen. Da ist es
kein Wunder, wenn die Herren, die ausschließlich in der ordentlichen
Zivil- und Strafgerichtsbarkeit beschäftigt werden, nicht den Ueberblick über die geschäftlichen und die Verkehrsverhältnisse haben, der er⸗ wünscht wäre. Aber dafür können Sie die Herren nicht verantwortlich machen; das liegt in den Gesetzen, die von den beiden Häusern des Landtags gebilligt sind. Ich für meine Person bedauere es sehr, wenn das Bestreben, den Gerichten immer noch weitere Zweige zu entziehen, weiteren Anklang findet. (Sehr richtig) Ich bin aber aus demselben Gesichtspunkte immer gern bereit, Assessoren, die bei uns verfügbar sind, für andere Zweige des praktischen Lebens zur Verfügung zu stellen.
Die Wartezeit der Assessoren ist, wie Herr Abg. Schmitz mit Recht hervorgehoben hat, sehr ungleich in den verschiedenen Bezirken; sie ist am höchsten in den westlichen Bezirken, am niedrigsten an der russischen Grenze u. s. w. Das liegt theilweise an dem ungewöhnlich starken Nachwuchs in der Rheinprovinz, theilweise auch an der Ab⸗ geneigtheit der Herren, ihre Heimathprovinz zu verlassen und in eine andere überzugehen. Bei mir liegt gegenwärtig ein grundsätzliches Bedenken nicht mehr vor, die Herren aus dem Westen, namentlich auch die rheinischen Juristen, an anderen Amtsgerichten anzustellen; die Meldungen zu solchen Stellen kommen außerordentlich selten; ich bin aber wiederholt in der Lage gewesen, solchen Meldungen Folge zu geben, und wenn sie weiter kommen, werde ich bemüht sein, die Rheinprovinz nach Möglichkeit zu entlasten.
Abg. Schmidt⸗Warburg Gentr.): Die Geschäfte haben bisher nicht abgenommen. In Berlin wird gewiß rasch gearbeitet, ob auch gut, das steht dahin. Der Justiz⸗Minister sollte für die Entlastung der Berliner Richter doch mehr thun.
Abg. Dr. Göschen (ul.) spricht sich nochmals für Vermehrung
9. 97 R 2 6. 3 i e . 6 en (nl): Eine ostpreußische Gemeinde Lappienen wünscht, in einen anderen Gerichtsbezirk aufgenommen zu werden bew. einen eigenen Gerichtsbezirk zu bilden.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Die Erfüllung der Wünsche der Gemeinde Lappienen würde wahrscheinlich die Bewohner von Seckenburg, welches gegenwärtig isich im Besitz eines Gerichtstags befindet, sehr wenig befriedigen. Auch da liegt die Sache so, daß diese beiden Orte sich darum streiten, wer am meisten berechtigt sei, Sitz eines neuen Amts- gerichts zu werden. Dieser Streit wird vielleicht mit dazu führen, daß sie alle beide noch eine Zeit darauf werden warten müssen. Lappienen befindet sich in einer gewissen Entwicklung, deren Verlauf abgewartet werden muß. Es ist ein neuer Deich gezogen gegen die Ueberflutbung der Haffwässer, und es sollen infolge dessen neue An siedelungen im Entstehen sein. Ich glaube, daß auch einige neue Kleinbahnen geplant oder in der Ausfübrung begriffen sind. Welche Bedeutung das für die Entwicklung des Ortes und seiner Verkebre verhältnisse haben wird, läßt sich zunächst noch nicht überseben! Ver läufig liegt, soweit mir bekannt, in Lappienen die Sache so, daß alles neu geschaffen werden müßte, das Gerichtsgebäude, das Gefängniß, Wobnungen für alle Beamten, Richter, Gerichteschreiber und Unter beamte. Es ist ein Dorf mit so primitiven Verbältnissen, daß zur Zeit einem Richter laum zugemuthet werden kann, dortbin zu geben. Ich glaube, die Gemeinden werden gut thun, noch einige Jahre zu warten; dann kann man sehen, ob die Hoffnungen und Erwartungen, die sie in Bezug auf die Entwickelung ihre Verbältnisse baben, sich in Thatsachen verwandeln werden.
Abg. Dr. Beumer (nl. bemängelt die baulichen ꝛc. Verhältnisse des Amtsgerichts in Oberbausen.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Serren!“ Wo der vierte Amtgrichter in Oberbausen zunächst sitzhn soll, weiß ich nicht: aber ich nebme an, es wird ibm irgendwo Unterkunft verschafft werden. Ich glaube boffen zu dürfen, daß Sie aus den Schwierigleiten, ibm einen angemessenen Plat dert zu ge⸗ währen, leinen Anlaß nehmen werden das würde auch den Wünschen des Verrn Dr. Beumer nicht entsprechen — diese neue Stelle zu streichen. Die Bauverhältnisse in Oberbausen liegen außererdent lich schwierig. Daß die dert bestebenden Justände im bächsten Grade der Abhilfe bedürftig sind, wissen wir alle. Eg ist biaber nicht ge lungen, einen geeigneten Platz zu finden, auf dem ein neucg Gebäude errichtet werden könnte. Bei dem Neubau, dessen Nothwendigkeit von allen Betbeiligten anerkannt wird, muß wesentlich auch Rücksicht genommen werden auf die Grweiterungefabigkeit des Gebäudes bei der außerordentlich raschen Entwickelung in diesem Industriebezirk. Eg kann uns also nicht ein Platz genügen, der für den augenblicklichen Bedarf ausreicht, der aber, wenn nach einigen Jabren sich eine Ver⸗ größerung alg nothwendig erweist, nicht mebr verwendet werden kann.
Nun sellen die Plätze, die von der Stadt angeboten worden sind, die Mönglichleit einer solchen Erweiterung nicht bieten. Die 1000090 , welche die Stadt gefordert bat, srielen leine entscheidende Rolle. Es ist auch ven keiner Seite versucht werden, die Forderung der Stadt berunterzudrücken, sondern die Sache liegt so, daß der Stadt Kenkurrenz gemacht wird ven privater Seite, die für einen niedrigeren Preig eder umsenst einen Platz anbietet. Ueber die Brauch- barkeit der verschiedenen Platze finden jur Zeit einge bende
Bereiche der Juriepruden ibren Gesichtalreig und ihre Erfabrungen!
technische Erwägungen statt. Eg bandelt sich dabei auch darum, eb die Märe berasicher sind. Gg ist ja belannt, daß die Misfe