8 nehmen; andererseits ist aber einem Mißbrauche solcher erechtigungen, soweit es gesetzlich zulässig ist, energisch ent⸗ egenzutreten, und auf eine Verbesserung der 2 . nach Möglichkeit hinzuwirken. Zu diesem Zwecke 2. die bestehenden Anlagen thunlichst einer regelmäßigen ufsicht zu unterstellen, die sich insbesondere auf eine rüfung
283
1
Um eine solche Maßnahme thunlichst zu vermeiden, empfiehlt es sich, nicht erst abzuwarten, bis schädigende An⸗ lagen vielleicht mit erheblichen Kapitalsaufwendungen aus— geführt sind und ihre Wirkungen zeigen, sondern von vorn . den Unternehmer auf die Folgen einer unzulässigen Verunreinigung der Wasserläufe aufmerksam zu machen. Bei genügender Aufmerksamkeit und Befolgung der oben unter gegebenen Anordnungen muß es den Polizeibehörden möglich sein, in dieser Weise rechtzeitig die erforderlichen Vorbeugungs— maßregeln zu treffen. Namentlich erscheint es zweckmäßig, gelegentlich der Ertheilung von Bauerlaubnissen für Anlagen, mit welchen die Gefahr einer Wasserverunreinigung verbunden ist, den Unternehmer ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß er für eine unschädliche Abführung der unreinen Stoffe und Ab⸗ wässer Sorge tragen müsse, widrigenfalls auf Grund der gesetz—⸗ lichen Vorschriften polizeilicherseits gegen ihn vorgegangen werden würde.
Auf bereits bestehende Anlagen dieser Art findet das vorstehend unter Nr. 1b im Abs. 2 Gesagte sinngemäße Anwendung.
VI. Soweit es sich um eine Verunreinigung der Gewässer durch den Bergbau handelt, ist den Berg⸗ behörden (Ober⸗Bergämtern, Revierbeamten) durch die Ss 196 bis 199 A. L-R. die Aufgabe übertragen, jeder gemeinschäd⸗ lichen Einwirkung des Bergbaues entgegenzutreten. Es ist jedoch bereits in dem gemeinschaftlichen Erlasse der mitunter— zeichneten Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten und für Handel und Gewerbe vom 7. April 1876 wergl. Zeitschr. für das Berg- Hütten— und Salinenwesen Bd. 24 S. 23) angeordnet, daß die Bergbehörden sich in wichtigeren Fällen mit den Wasserpolizeibehörden ins Benehmen zu setzen haben. Dort ist es auch bereits als zweckmäßig
ezeichnet, daß die Wasserpolizeibehörden Maßnahmen,
die auf den Bergbau zurückwirken können — abgesehen von den Fällen einer dringenden Gefahr — thunlichst erst nach Anhörung der Bergbehörden und möglichst im Ein⸗ verständnisse mit ihnen treffen. Bei diesen Bestimmungen kann es einstweilen sein Bewenden behalten.
20 Exemplare dieser Verfügung werden mit dem Bemerken beigefügt, daß ein etwaiger Mehrbedarf binnen 14 Tagen bei der Geheimen Registratur des Ministeriums für Landwirth⸗ schaft, Domänen und Forsten anzumelden ist, da der Satz so lange stehen bleibt.
Berlin, den 20. Februar 1901.
Der Der Minister
Minister für Landwirthschaft, für Domänen und Forsten. Handel und Gewerbe.
Freiherr von Hammerstein Brefeld.
Der Minister Der Minister der der geistlichen, Unterrichts⸗ öffentlichen Arbeiten. und Medizinal⸗Angelegenheiten. Im Auftrage: Im Auftrage: Schultz. Förster. Der Minister des Innern. In Vertretung: von Bischoffshausen.
An die Herren Ober⸗Präsidenten zu Danzig, Breslau, Magdeburg, Hannover, Koblenz und Münster als Chess der Strombauverwaltungen, sowie an die sämmtlichen Herren Regierungs⸗Präsidenten und den Herrn Polizei⸗Präsidenten zu Berlin.
* 66 . ĩ ö Durchlaucht Abschrift dieser Verfügung erhalten Eure ; . in 2 gung erh ; Grcellen; mit dem Ersuchen, über deren Durchführung und die dabei gemachten Wahrnehmungen und erzielten Erfolge binnen Jahresfrist gefälligst zu berichten. Berlin, den 20. Februar 1901. J Der er Minister Minister für Landwirthschast, für Domänen und Forsten. Handel und Gewerbe. Freiherr von Hammerstein. Brefeld. Der Minister Der Minister ö der . der geistlichen, Unterrichts⸗ öffentlichen Arbeiten. und Medizinal⸗Angelegenheiten. Im Auftrage: Im Auftrage: Schultz. Foͤrster. Der Minister des Innern. In Vertretung: von Bischoffshausen.
An die sämmtlichen Herren Ober⸗Präsidenten.
schiff⸗ und flößbaren Flü
Anlage JI.
i,, der bestehenden gesetzlichen Vor⸗ schriften über die Reinhaltung der Gewässer. J. Gesetze, die für die ganze Monarchie gelten: — 1) Feld⸗ und Forstpolizei⸗Gesetz vom 1. April 1880 (Gesez Summül. S. 230. §8 A.
Mit Geldstrafe bis zu 50 6 oder mit Haft bis zu 14 Tagen wird bestraft, wer unbefugt
I) abgesehen von den Fällen des 63 Nr. 7 des I e freigesetes vom 30. Mai 1874 Flachs oder Hanf röthet;
4 in Gewässern Felle aufweicht oder reinigt oder Schafe wäscht; 3) abgesehen von den Fällen des s 366 Nr. 10 St.⸗G.B. Gewässer verunreinigt. 2) Fischereigesetz für den preußischen Staat vom 30. Mai 1874 (GesetzSamml. S. 197). 5 43.
Es ist verboten, in die Gewässer aus landwirthschaft⸗ lichen oder gewerblichen Betrieben Stoffe von solcher Be⸗ schaffenheit und in solchen Mengen einzuwerfen, einzuleiten oder einfließen zu lassen, daß dadurch fremde Fischereirechte geschädigt werden können.
Bei überwiegendem Interesse der Landwirthschaft oder der Industrie kann das Einwerfen oder Einleiten solcher Stoffe in die Gewässer gestattet werden. Soweit es die örtlichen Verhältnisse zulassen, soll dabei dem Inhaber der Anlage die Ausführung solcher Einrichtungen aufgegeben werden, welche geeignet sind, den Schaden für die Fischerei möglichst zu beschränken.
Ergiebt sich, daß durch Ableitungen aus landwirth⸗ schaftlichen oder gewerblichen Anlagen, welche bei Erlaß dieses Gesetzes bereits vorhanden waren oder in Gemäßheit des vorstehenden Absatzes gestattet worden sind, der Fisch⸗ bestand der Gewässer vernichtet oder erheblich beschädigt wird, so kann dem Inhaber der Anlage auf den Antrag der durch die Ableitung benachtheiligten Fischereiberechtigten im Verwaltungswege die Auflage gemacht werden, solche ohne unverhältknißmäßige Belästigung seines Betriebes aus⸗ führbaren Vorkehrungen zu treffen, welche geeignet sind, den Schaden zu heben oder doch thunlichst zu verringern.
Die Kosten der Herstellung solcher Vorkehrungen sind dem Inhaber der Anlage von den Antragstellern zu erstatten.
Die letzteren sind verpflichtet, auf Verlangen vor der Ausführung Vorschuß oder Sicherheit zu leisten.
Die Entscheidung über die Gestattung von Ableitungen nach Abs. 2 sowie über die in Gemäßheit des Abs. 3 an⸗ zuordnenden Vorkehrungen erfolgt, sofern die betreffende Ab⸗ leitung Zubehör einer der im 816 der Gewerbeordnung für den Rorddeutschen Bund vom 21. Juni 1869 (Bundes⸗ Gesetzbl. S. 45) als genehmigungspflichtig bezeichneten An⸗ lagen ist, in dem für die Zulassung dieser Anlagen an⸗ geordneten gesetzlichen Verfahren, in anderen Fällen nach demjenigen Verfahren, welches über die Genehmigung von Stauanlagen für Wassertriebwerke festgesetzt ist.
5§ 44.
Das Röthen von Flachs und Hanf in nicht geschlossenen Gewässern ist verboten.
Ausnahmen von diesem Verbote kann die Bezirks⸗ regierung, jedoch immer nur widerruflich, für solche Ge⸗ meindebezirke oder größeren Gebietstheile zulassen, wo die Oertlichkeit für die Anlage zweckdienlicher Röthegruben nicht geeignet ist, und die Benutzung nicht geschlossener Gewässer zur Flach- und Hanfbereitung zur Zeit nicht entbehrt werden kann. J
§8 50.
Mit Geldstrafe bis zu 150 6 oder mit Haft wird bestraft: n
7) wer den Vorschriften des S 43 oder den zur Aus—⸗ führung desselben getroffenen Anordnungen zuwider den Gewässern schädliche, die Fischerei gefährdende Stoffe zuführt oder verbotswidrig Hanf und Flachs in nicht geschlossenen Gewässern röthet (8 44).
3) Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 3. Februar 1876 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 39). 8 366.
Mit Geldstrafe bis zu 60 6 oder mit Haft bis zu 14 Tagen wird bestraft:
106 wer die zur Erhaltung der Sicherheit, Bequem⸗ lichkeit, Reinlichkeit und 31 auf den öffentlichen
. Wasserstraßen erlassenen Polizeiverordnungen übertritt. IH. Gesetze, die nur in den sogenannten alten Provinzen (Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen, Westfalen und der Rheinprovinz)
gelten. . 1) Allerhöchste Kabine
ets-Ordre vom 24 Februar 1818, die Verhütung der 16 Je
Verunreinigung der
1 und Kanäle betreffend
(Gesetz⸗Samml. S. 108).
Auf Ihren Bericht vom 18. d. M. setze Ich zur Ver⸗ hütung der Verunreinigung der schiff⸗ und flößbaren Flüsse und Kanäle hierdurch fest: daß kein Besitzer von Schneidemühlen Sägespäne oder Borke und überhaupt nie⸗ mand, der eines Flusses sich zu seinem Gewerbe bedient, Abgänge in solchen Mengen in den Fluß werfen darf, daß derselbe dadurch, nach dem Urtheil der Provinzialbehörde, erheblich verunreinigt werden kann, und daß jeder, der awider handelt, nicht nur die Wegräumung der den Wasser⸗ lauf hemmenden Gegenstände auf seine Kosten vornehmen lassen muß, sondern auch außerdem eine Polizeistrafe von 10 bis 5 Thalern verwirkt hat.
2) Gesetz über die Benutzung der Privatflüsse
vom 28. Februar 1843 (GesetzSamml. S. 41), ein⸗
geführt in der Rheinprovinz durch Verordnung vom 9. Ja⸗
nuar 1815 (GesetzSamml. S. 4 Das zum Betriebe von Färbereien, Gerbereien, Walken und ähnlichen Anlagen benutzte Wasser darf keinem Flusse zugeleitet werden, wenn dadurch der Bedarf der Umgegend In reinem Waffer beeinträchtigt oder eine erhebliche Be⸗ lästigung des Publikums verursacht wird. ꝛ Die Entscheidung n,. steht der Polizeibehörde zu. 8 6. Die Anlegung von Flachs⸗ und Hanfröthen kann von der Polizeibehörde untersagt werden, wenn solche die Heil⸗ samkeit der Luft beeinträchtigt.
9 3 Für den Geltungsbereich des Rheinischen echts. Ordonnance du mois d'aoùt 1669 sur le fait des eaux et forẽts. Titre XXVöͤI. Article 42.
Nul, soit propristaire ou engagiste, ne pourra faire... dans les fleunves et rivières navigables et flottables, ni méme y jetter aucunes ordures, immondices ou les amasser sur les quais et rivages, à peine d'amende arbitraire.
Anlage II.
— für die Einleitung von Abwässern in Vorfluther (Wasserläufe und stehende Gewässer). 1
Die Nutzung der Gewässer erfordert ihre thunlichste Rein⸗ haltung und gebietet im allgemeinen gesundheitlichen und wirthschaftlichen Interesse, Schmutzwässer, wie solche beim Wirthschafts- und Gewerbebetriebe, durch Abflüsse von Abort⸗ und Jauchegruben, Dungstätten u,. dergl, erzeugt werden, nach Möglichkeit von den Vorfluthern fernzuhalten oder wenigstens da, wo die Benutzung der Vorfluther zur Ableitung geboten und eine schädigende Verunreinigung (siehe Ziffer 2 zu ge⸗ wärtigen ist. ö dem jeweiligen Stande von Wissen⸗ schaft und Technik bestmöglich ö. reinigen.
Verunreinigungen von Vorfluthern geben zu ästhetischen, wirthschaftlichen und hygienischen Mißständen Veranlassung.
Wässer, welche trübe, gefärbt, mit Geruch behaftet und von schlechtem Geschmack sind, erregen ästhetische Bedenken; sie können zugleich wirthschaftliche Schädigungen verursachen, wenn das Wafer unterhalb für gewerbliche Zwecke, zur Be— wässerung von Feldern und Wiesen, zur Viehzucht oder zu Fischereizwecken Verwendung findet. Sie führen auch zu be en Unzuträglichkeiten, wenn Geruchsbelästigungen auftreten, wenn Unterlieger auf den Vorfluther zur Entnahme von Trinkwasser oder Wasser für häusliche oder gewerbliche Zwecke angewiesen sind, und wenn durch n,, oder durch Vermittelung des Grundwassers der Eintritt des Vorfluthwassers in Brunnen möglich ist.
Enthalten die unreinen Wässer Ansteckungskeime, Gifte oder durch ihre chemischen Bestandtheile nachtheilig wirkende Stoffe, so drohen bestimmte Gesundheitsschädigungen. Von Ansteckungskeimen kommen für den Menschen namentlich die Erreger des Typhus, der Cholera und anderer Krankheiten des Darmkanals in Betracht, für Thiere diejenigen des Milz— brandes. Gifte und die oben genannten Stoffe wirken unter Umständen nicht nur auf die Gesundheit der Menschen und Thiere (auch der Fische), sondern auch auf den Pflanzenwuchs schädigend.
3
Bei der Beurtheilung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Einführung von Abwaͤssern in die Vorfluther sind an erster Stelle maßgebend die Menge und Beschaffenheit der Abwässer einerseits und die Wasserführung und? e ne. des Vor⸗ fluthers andererseits. Allgemein gültige feste Verhältnißzahlen für die Mengen giebt es nicht ünd können der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden. Die Entscheidung muß unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der größten Ab⸗ wässermenge und der geringsten Wassermenge des Vorfluthers, für den gegebenen Fall . werden.
Ferner ist zu beachten, daß der Vorfluther für die Auf⸗ nahme des Abwassers günstige oder ungünstige Verhältnisse bieten kann. Günstig sind im allgemeinen große Wasser⸗ menge, hohe Stromgeschwindigkeit, kiesiges Bett, glatte, feste Ufer und Zuflüsse von Grundwasser oder anderen reinen Wässern, ungünstig dagegen geringe Wassermenge, fehlende Wafferbewegung, geringe öder wechselnde Stromgeschwindigkeit, Stauungen, schlammiges Bett, buchtenreiches Ufer, bereits vorhandene Verunreinigungen und unreine Zuflüsse.
9.
Unter günstigen Bedingungen hat ein Gewässer die Fähig— keit, zugeführte Schmutzwaͤsser in einer von Fall zu Fall wechselnden Menge zu verdauen. Diese sogenannte Selbst⸗ reinigung tritt um so eher ein, je größer die Wassermasse im Verhältniß zu den Schmutzwässern und die dadurch bewirkte Verdünnung! der letzteren ist, je reiner die Beschaffenheit der Vorfluthwässer ist, und je rascher und gleichmäßiger sich die Mischung der letzteren mit dem Abwasser vollzieht. Deshalb ist es wesentlich, daß die Schmuzwässer nicht am Ufer und bei Wasserläufen nicht in stilles, sondern in strömendes Wasser eingeleitet werden. Wo diese Verhältnisse nicht gegeben sind, tritt eine Ablagerung der gröberen Bestandtheile an der Einleitungsstelle ein und kann dort zu Verschlammungen und zur Bildung von Fäulnißherden Vergnlassung geben Zur Verhütung solcher Zuͤstände ist öftere Räumung erforderlich.
Den biologischen Vorgängen kann bei der Selbstreinigung für gewöhnlich nur eine unierstützende, aber keine ausschlag⸗ gebende Wirkung beigemessen werden. *
Durch den Vorgang der Selbstreinigung wird die Gefahr der Uebertragung von Krankheitserregern durch eingeleitete Abwässer zwar vermindert, aber nicht sicher beseitigt.
6.
Sind die Voraussetzungen einer augreichenden Selbst⸗ reinigung nicht gegeben, so ist eine künstliche Reinigung der Abwässer erforderlich. Die Art dieser Reinigung (durch Bodenberieselung, Klarung mit oder ohne Desinfektion u. s. w.) kann nur von Fall zu Fall unter eingehender Prüfung der Gesammtverhältnisse bestimmt werden.
6.
Kommt die ordnungsmäßige Beseitigung größerer Mengen von Abwässern aus Orischaften, Gewerbebetrieben u. dergl. in Betracht, so sollte ihre Reinigung in erster Linie durch Boden⸗ berieselung angestrebt werden.
8. Die Schmutzwässer und die , , nr. können entweder gemeinschaftlich oder getrennt abgeführt werden.
Das erstere ist im allgemeinen dort zweckmäßig, wo für die Gesammtwaͤsser genügend große und geeignete Vodenflächen wecks Berieselung zur Verfügung stehen. Dabei ist jedoch Vorkehrung zu treffen, daß die Nothauslässe, die zur Ent⸗ lastung der une bei starken e,, in der Regel nicht entbehrlich find, nicht zu oft und jedenfalls erst bei ge⸗ nügender Verdünnung der Schmutzwässer in Thätigkeit treten
Die getrennte Abführung der Schmutz⸗ und Niederschlags⸗ wässer kann da von Nutzen sein, wo eine Berieselung bei beschrankten Bodenflächen g efuͤhrt werden muß, oder von einer Berieselung ganz abgesehen und die Reinigung der
Schmutzwässer durch ein anderweites Klärverfahren bewirkt , gn Die getrennte Abführung der Niederschlagswässer bietet den Vortheil, daß Nothauslaäͤsse zur Entlastung der Schmutz wasserkanãle nicht erforderlich sind. Sie bedingt aber noch eine besondere Prufung, ob die Niederschlagswässer vor ihrer Einführung in den Vorfluther einer Reinigung bedürfen. Für diese Reinigung wird es in der Regel genügen, wenn die mechanisch entfernbaren Schwimm⸗, Schwebe⸗ und Sinkstoffe zurückgehalten werden. ö *
Die Zusammenführung sämmtlicher Schmutzwässer eines Ortes empfiehlt sich in der Regel wegen der leichteren Durch⸗ führbarkeit der Beaufsichtigung und zumeist auch wegen der Verbilligung des Betriebes.
Abwässer besonderer Art, namentlich aus größeren Ge— werbebetrieben, können oder müssen unter Umständen einer Bchandlung für sich unterzogen werden. Dabei ist auch die Wärme des in Vorfluther und Kanäle eingeleiteten Wassers zu beachten; dieselbe soll 300 C. im allgemeinen nicht über⸗ steigen. Die Ifen von wärmeren Abwässern ist nur nach genauer Erwägung des . zuzulassen.
1
Für Ortschaften, in welchen erhebliche Unterschiede hin— sichtlich der Menge und der Beschaffenheit zwischen den Ab⸗ wässern während der Tag⸗ und der Nachtstunden nachgewiesen sind, können ausnahmsweise die Forderungen für Tag und Nacht verschieden bemessen ö
2
Auf ordnungsmäßige Beseitigung der bei der Reinigung sich ergebenden Rückstaͤnde und deren thunlichste Verwerthung für landwirthschaftliche Zwecke ist Rücksicht zu nehmen. Hierbei kann vielfach mit Nutzen eine Vermengung mit dem Haus—⸗ müll, Straßenkehricht oder ö. vorgenommen werden.
1
Zur Unschädlichmachung der in den Abwässern etwa ent— haltenen Krankheitserreger dient die Desinfektion. Von Fall zu Fall ist zu entscheiden, ob eine solche dauernd oder nur beim Ausbruch ansteckender Krankheiten vorzuschreiben ist, oder ob einer Ansteckungsgefahr durch eine im Hause auszuführende Desinfektion der Fäkalien und sonstigen Schmutzwässer wirksam begegnet werden kann.
Beim Bau von Kläranlagen ist darauf Bedacht zu nehmen, daß eine etwa nothwendig werdende Desinfektion jederzeit un— verzüglich ausgeführt werden kann.
Die Desinfektion wird an Abwässern, aus welchen die Schwimm⸗ und Schwebestoffe durch Vorklärung entfernt worden sind, mit geringeren Kosten und sicherer Wirkung vorgenommen, weil kleinere Mengen von Desinfektionsmitteln zur Abtödtung der Krankheitskeime genügen, auch kann der Erfolg leichter überwacht werden.
Für den praktischen Zweck, die Weiterverbreitung von ansteckenden Krankheiten zu verhüten, ist nach dem heutigen Stande der bakteriologischen Wissenschaft die Desinfektion als ausreichend zu erachten, wenn unter den hierbei in Frage stehenden Bakterien die koliartigen abgetödtet sind. Dieses ist anzunehmen, wenn nach der Aussaat der zu untersuchenden Abwässerprobe auf Jodkalium⸗Kartoffelgelatine oder einem anderen für das Wachsthum der Kolibakterien günstigen, für andere Bakterien ungünstigen Nährboden die ersteren Keime nicht zur Entwickelung gelangen.
Deutscher Reichstag. 60. Sitzung vom 4. März. 1 Uhr.
Am Bundesrathstische: Kriegs-Minister, General der Infanterie von Goßler, Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski, Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Freiherr von Thielmann.
Zur ersten Berathung steht der Gesetzent wurf, be⸗ treffend Aenderung des Gesetzes über das Post— tarwesen im Gebiete des Deutschen Reichs vom 28. Oktober
1871. Danach sind Gebühren für Postscheine über die Ein⸗ lieferung von Sendungen zur Post und Packkammergeld nicht zu erheben, ebensowenig Fachgebühren für abzuholende Briefe
und sonstige Gegenstände, sofern nicht die Postverwaltung dem
Empfänger auf seinen Antrag ein ihm unmittelbar zugäng⸗
liches, verschließbares Abholungsfach überläßt. Die Be⸗ dingungen für die Ueherlassung solcher Fächer werden durch mn 3
die Postordnung festgesetzt.
Abg. Dr. Schädler (Zentrum): Die hier vorgeschlagene Aenderung ist vom Handelsstande mit Freuden begrüßt worden. Zweifel könnte vielleicht die in Aussicht genommene jährliche Gebühr für die Postabholungsfächer hervorrufen. In Bayern hat man sich mit einer einmaligen Gebühr von 18 „ begnügt. Da es sich aber um eine dauernde Leistung handelt, dürfte die jährliche Gebühr vor— zuziehen sein. Ob dafür 12 oder 18 46 zu zahlen sind, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. Einer kommissarischen Prüfung bedarf die Sache nicht. 28 — . — Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.): Auch ich halte eine lommissarische Berathung nicht für nothwendig. Durch die neue Einrichtung wird die Post entlastet. Gegen die Gebühr habe ich nichts, wohl aber dagegen, daß wir hier dem Verordnungswege einen weiteren Spielraum Überlassen. Die Firmen haben bei dem Televhon verjeichniß schlechte Erfahrungen gemacht. Es müßte eine bestimmte Grenze gesteckt werden, bis höchstens 20 4 Im übrigen freut es mich, daß der jetzige Leiter der Reichs-Postverwaltung sich den An forderungen des Verkehrs gewachsen zeigt, und ich will hoffen, daß von der Einrichtung der weiteste Gebrauch gemacht wird.
Staatssekretär des Reichs⸗-Postamts von Podbielski:
Ich kann dem Herrn Vorredner nur versichern, daß ledig⸗ lich die Pflege der Verkehrsinteressen maßgebend gewesen für den Gesetzentwurf, den ich hier dem hohen Hause unter⸗ breitet habe. Er ist, wie auch der Herr Abg. Dr. Schädler hervorgehoben hat, aus Wünschen der Handelskammern und der Geschäftswelt hervorgegangen, die auch bei den Ver⸗ bandlungen, die im Reichs ⸗Postamt mit den Interessenten stattgefunden haben, immer wieder geltend gemacht worden sind. Wir haben seit einer Reihe von Jahren zwei Aemter im Reichs -Postgebiet zur praktischen Erprobung der verschließbaren Abholungsfãcher eingerichtet, das eine in Bremen, das andere in Mann⸗ beim, und es hat sich hierbei schon gezeigt, welch großer Unterschied es ist, ob wir die Einrichtung bei Neubauten oder in bereits bestehenden Gebäuden treffen. In Bremen hat die Ein⸗ richtung beinahe 30 009 , in Mannheim aber noch nicht 6000 4 gekostet. In Mannheim war damals bei der Einrichtung im Jahre 1832 ein neues Gebäude zu erbauen, in Bremen mußte die Ein— richtung in einem schon bestehenden Gebäude getroffen werden. Wir haben es zur Zeit meistentheils mit beste henden Gebäuden zu thun;
*
die Kosten der Einrichtung der letter boxes werden daher überall erhebliche sein.
Dann, meine Herren, ist es jedenfalls beser, eine jährliche Abgabe zu erheben, wie der Herr Abg. Dr. Schädler bereits hervorgehoben hat, als eine einmalige. Glauben Sie nicht, daß durch die Ein⸗ richtung der Fächer eine Entlastung der Postverwaltung eintritt. Wir kommen nur den Bedürfnissen weiter Kreise entgegen, die heute mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, daß sie alle an den Ausgabeschaltern thunlichst schnell abgefertigt werden. Ganz anders werden künftig die Verhältnisse liegen, wenn jeder an sein Fach gehen und dort direkt abholen kann. Aber die Herren mögen auch geneigtest bedenken, daß wir besondere Beamte halten müssen, die die Sortierung in die einzelnen Fächer vornehmen; wir müssen nämlich besonders sorgfältig sortieren, um zu vermeiden, daß die Briefe in das unrichtige Fach gerathen. Ich glaube, Herr Dr. Müller (Sagan) wird mir auch zugeben müssen, daß eine wesentliche Entlastung für unsere Briefträger nicht stattfinden wird. Der Briefträger muß seinen Weg doch machen, ob er einige Briefe künftig weniger auszutragen hat. Ausschlaggebend für unsere Unkosten sind wesentlich die theueren Sortierbeamten, die wir infolge der Neueinrichtung zweifellos halten müssen. Es erwachsen der Ver⸗ waltung also nicht nur einmalige Einrichtungskosten, sondern auch laufende Unterhaltungskosten für Personaäl und dergleichen.
Ich möchte mich aber auch gegen die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Müller (Sagan) wenden, betreffend die Zuschlags⸗ gebühr für die Eintragung in das Fernsprechtheilnehmer⸗Verzeichniß. Meine Herren, wir haben im allgemeinen öffentlichen Interesse den Wunsch, die Fernsprechtheilnehmer⸗Verzeichnisse möglichst einfach zu gestalten, also wir sind dagegen, daß besondere Zusätze gemacht werden. Bekanntlich erfolgt die einfache Eintragung umsonst. Anders liegt es, wenn eine Firma irgend eine Empfehlung oder weitere Nachrichten diesem Buche einverleiben will; dann sind wir theurer, aber nicht etwa, um daraus eine Einnahme für uns zu schaffen, — nein, um nicht das Buch bis ins Unendliche anwachsen zu lassen. Es kann für keinen Theilnehmer erwünscht sein, ein Buch etwa wie das Berliner Adreßbuch zu bekommen, sondern er will ein leicht handliches Buch haben. Also wir betrachten diese erhöhte Gebühr mehr als Prohibitivzoll, wir wünschen eben nicht, daß jemand über den Rahmen dessen, was er umsonst hat, wesentlich hinausgeht, und Herr Abg. Dr. Müller wird mir zugeben müssen, daß das allgemeine Interesse dahin geht, das Buch nicht zu umfangreich zu gestalten.
Bei dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfe, meine Herren, empfiehlt es sich meines Erachtens nicht, einen Höchstsatz — wie Herr Dr. Müller vorschlägt, bis zu 20 M — in das Gesetz aufzunehmen. Wenn wir so theuer werden, meine Herren, kommt eben niemand, das liegt in der Sache selbst, und warum Einengungen machen, die meines Erachtens höchstens dazu führen können, daß die Entwickelung der neuen Maßnahme nicht so erfolgt, wie es das allgemeine Interesse wünschenswerth macht. Wir wünschen, uns keine weiteren Einnahmen zu schaffen, als zur Deckung der durch die Neueinrichtung entstehenden Kosten nothwendig ist. Wenn die Herren den früheren 5 8 des Posttargesetzes nachsehen, so heißt es da: Gefachgebühren für abzuholende Briefe kommen nicht zur Erhebung —, und jetzt soll es heißen: es können Gebühren erhoben werden, sofern die Postverwaltung dem Empfänger auf Antrag ein ihm unmittelbar zugängliches, verschließbares Abholungsfach überläßt. Die verbündeten Regierungen haben sich ja übrigens schon festgelegt durch die Be gründung, in der am Schluß steht: Die Vergütungen sollen zunächst auf jährlich 12 bezw. 18 6 festgesetzt werden. Es können ja aber andere Verhältnisse kommen, und das wird Herr Dr. Müller (Sagan) mir auch zugeben müssen, daß es nicht wünschenswerth ist und den Interessen des Verkehrs nicht entspricht, bei jeder Aenderung, die dieser ge⸗ bieterisch fordert, immer erst wieder an das hohe Haus kommen zu müssen. Vergegenwärtigen Sie sich, meine Herren, was Herr Abg. Schaedler angeführt hat, z. B. die Frage der Badeorte. Da ist vielleicht ein
das bloß
* Mar 829 R vn 9 mw . drei Monate und nicht wie anderwärts
ie hier gewünscht wird nämlich, daß die Ueberlassung der Fächer durch die Postordnung festgesetzt wird naturgemäße Korrektur hat sie darin, daß einfach, n wir mit der Gebühr zu hoch hinaufgehen, kein Mensch benutzen
wird. Ich bitte daher, meine Herren, genehmigen Sie die Aenderung
8
des Gesetzes, wie sie Ihnen seitens der verbündeten Regierungen vorgelegt ist. Abg. Dasbach (Zentr.) tritt für den Vorschlag des Abg. Müller, eine Maximalgrenze von 20 6 festzusetzen, ein. Damit schließt die erste Lesung. In der zweiten Lesung erklärt der Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski: Meine Herren! Ich möchte mich noch einmal gegen den Antrag wenden. Wenn die Herren geneigtest mal die Verfassung des Deutschen Reiches nachsehen, so lautet Art. 18 Die im Art. 4 vorgesehene Gesetzgebung des Reichs in Post— Telegraphenangelegenheiten erstreckt sich nicht auf diejenigen zegenstände, deren Regelung nach den in der norddeutschen Post⸗ und Telegraphenverwaltung maßgebend gewesenen Grundsätzen der reglementarischen Festsetzung oder administrativen Anordnung über lassen ist. Wenn Sie im weiteren dann 8 50 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 nachlesen, so ist dort vorgesehen, daß die Festsetzung solcher Gebühren dem Reglement vor behalten ist. Eine Mitwirkung des Reichstages bei der Festsetzung solcher Gebühren ist nicht vorgesehen, und ich muß das hohe Haus bitten, nicht durch Annahme des Müller'schen Antrags Schwierigkeiten hervorzurufen. Ich glaube, die Materie ist bei ihrer Einfachheit nicht dazu angethan. Wenn einer der Herren Redner bei der ersten Berathung die Nothwendigkeit der gesetzlichen Festlegung der Ge⸗ bühren betont hat, so muß ich dem entgegenhalten: so wichtig ist doch die ganze Sache nicht, um ein Durchbrechen der hier thatsãchlich vorliegenden gesetzlichen Bestimmungen resp. der Bestimmung, wie sie im Artikel 48 der Verfassung vorgesehen ist, zu rechtfertigen. Abg. Dr. Müller⸗Sagan hält seinen Antrag aufrecht. Man dürfe der Postverwaltung keinen Blankowechsel ausstellen. ᷣ Abg. Dr. Marcour (Zentr.) befürwortet im Interesse der kleinen Geschäͤftälente eine variable Gebühr. Es handele sich bier um eine
reine Geschäfts., und Zweckmäßigkeitsfrage. Die Gebühr könne ja
drei Monate Betrieb hat. Soll ich da nicht unter
einen höheren Satz nehmen können? Denn hier
ertheilen. Ihre
später sogar ermäßigt werden, nachdem die Einrichtungskosten einmal erledigt seien.
Abg. Dr. Oertel (d. kons.): Die Verwaltung wird die Sache jedenfalls kaufmännisch betreiben und sie möglichst billig machen, um sie populär zu machen. Legen wir 20 40 fest, so nöthigen wir förmlich die Verwaltung, auch einen solchen Satz zu erheben. Der Staats⸗ sekretär ist ein so guter Geschäaͤftsmann, daß wir zu ihm volles Vertrauen haben können. .
Abg. Bassermann (ul.) befürchtet nicht, daß die Einrichtung werde fiskalisch betrieben werden, und spricht sich deshalb für die un⸗ veränderte Annahme des Gesetzentwurfs aus.
Abg. Dr. Müller⸗Sagan glaubt, daß sein Antrag nicht miß⸗ verstanden werden könne. Er habe eine höchste Grenze beantragt.
Der Gesetzentwurf wird unverändert angenommen.
Darauf wird die zweite Berathung des Reichshaus⸗ halts⸗Etats für 1901 bei dem Etat für die Verwaltung des Reichsheeres, und zwar beim Extraordinarium des sächsischen Etats fortgesetzt.
Gestrichen werden 261 0900 6 zum Erweiterungsbau eines Feldfahrzeugschuppens in Bautzen, 5000 6 für den Entwurf des Neubaues eines Dienstgebäudes und Kasernements für das Bezirks⸗Kommando L in Dresden, 259 000 46 als erste Bau⸗ rate zum Neubau eines Kasernements für eine Eskadron Jäger zu Pferde in Leipzig. Abgestrichen werden 109 900 6 von den geforderten 350 000 6 zum Neubau eines Dienstgebäudes für die Intendanturen u. s. w. in Dresden.
Die Kommission schlägt ferner vor, 75 000 (6 zur Be⸗ schaffung und Einrichtung eines Militärbegräbnißplatzes für die Garnison Dresden zu streichen.
Abg. Br. Oertel beantragt, als erste Rate 25 000 6 zu bewilligen.
Koͤniglich sächsischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Major Krug von Nidda empfiehlt die Annahme dieses Antrags und tritt der in der Kommission geäußerten Befürchtung entgegen, als könnte künftig jede Militärgemeinde einen eigenen Friedhof beanspruchen und von der Zivilgemeinde die Hergabe des Terrains fast unentgeltlich verlangen. In Dresden handle es sich um ganz exceptionelle Ver— hältnisse.
Abg. Dr. von Frege-Weltzien (d. kons.) erklärt sich für den Antrag Dertel.
Abg. Gröber Gentr.) glaubt, daß man die Rechtsfrage voll⸗ ständig bei Seite lassen könne, ohne sich für die Zukunft zu engagieren.
Unter Ablehnung des Kommissionsvorschlages werden dem Antrage Oertel gemäß 25 000 6 als erste Rate be⸗ willigt. ö
Im württembergischen Etat werden 5000 6 für den Ent⸗ wurf des Neubaus eines Dienstgebäudes nebst Kasernement für das Bezirks-Kommando in Ravensburg gestrichen.
Die Kommission schlägt ferner vor, 2140 000 6 zum Er— werbe und zur Herrichtung eines Exerzierplatzes für die Garnison Tübingen, letzte Rate, zu streichen.
Abg. Dr. Paasche (nl) beantragt, 235 000 66 zu bewilligen.
Königlich württembergischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Ober⸗Kriegsrath von Schäfer befürwortet diesen Antrag.
Der Antrag Paasche wird angenommen.
Damit ist die Berathung des Militär-Etats beendet.
Es folgt die Berathung des Etats für das Reichs⸗ Militärgericht.
Dazu liegt folgende Resolution der Abgg. Gröber und Genossen vor:
den Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß die Ver öffentlichung einer Statistik über die Militärstrafsachen ergänzt wird durch eine Statistik über die bedingte und unbedingte Be⸗ gnadigung in Militärstrafsachen.
Der ÄUntragsteller weist darauf hin, daß die gewünschte Statistik für eine Verbesserung des Militärstrafrechts unbedingt noth wendig sei. Er sei in Verlegenheit gewesen, an welcher Stelle des Etats er seine Resolution beantragen solle. Vielleicht empfehle es sich, die Ausgaben für das Reichs⸗-Militärgericht an die Spitze des Militär⸗Etats zu stellen.
Kriegs⸗Minister, General der Infanterie von Goßler:
Der Herr Abg. Gröber hat bei seiner mir bekannten Geistes schärfe in diesem Falle das Formelle in den Vordergrund gestellt und ist auf die eigentliche Begründung der von ihm vorgeschlagenen Re⸗
solution weniger eingegangen, weil er ganz genau weiß, daß die Sache
Militär ⸗Strafsachen rbaupt nicht giebt, und daß deshalb ion nicht richtig gewählt ist.
as dann die unbedingte Begnadigung betrifft, so hat der Herr Abg. Gröber darauf hingewiesen, es wäre erwünscht, für den Fall einer etwaigen späteren Aenderung des Militär⸗Strafgesetzbuchs eine Statistik über diejenigen Vergehen, welche am meisten bei Be gnadigungen in Betracht kämen, zur Hand zu haben. Dieser Wunsch mag vielleicht bestehen, er schließt aber die grundsätzlichen Bedenken, die auf einem anderen Gebiete der Resolution entgegenstehen, nicht aus. Es handelt sich nämlich nicht um ein Begnadigungsrecht, welches für die einzelnen Kontingente von dem Kaiser ausgeübt wird, sondern dieses Begnadigungsrecht wird von den einzelnen Kon— tingentsherren, für die preußische Armee, also von dem König von Preußen, und zwar auf Grund der preußischen Verfassung ausgeübt, die im Artikel 49 festsetzt: ‚Der König hat das Recht der Begnadigung und Strafmilderung.“ Ich glaube nicht, daß der Herr Abg. Gröber der Ansicht sein wird, daß eine Kontrole der Rechte der Landesherren durch die gesetzgebenden Faktoren des Reichs erfolgen kann, und daß der Bundesrath in der Lage sein wird, dieser Resolution, wenn sie beschlossen werden sollte, Folge zu geben. Auf Grund der Einwendungen, die vom staatsrechtlichen Standpunkte gegen diese Resolution erhoben werden müssen, kann ich nur befürworten, dieselbe abzulehnen, jedenfalls dürfte die preußische Stimme im Bundesrath für diese Resolution nicht abgegeben werden.
Abg. Beckh⸗Coburg (fr. Volksp.) macht darauf aufmerksam, daß es auch Begnadigungen gebe, die garnicht vom obersten Kriegs herrn, sondern von anderen Kommandes ausgingen. Man müsse unterscheiden zwischen Begnadigung und Bestätigungsordre, also Voll streckbarkeitserklärung des Gerichtsherrn. Nach der Militär-⸗Straf prozeßordnung seien die Militärgerichte in ihrer endgültigen Entschei dung unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Nach der Inter pretation aber, die der Kriegs-Minister neulich den n ,,, gegeben habe, handle es sich da nicht um eine endgültige Entscheidung, sondern um eine Art Gutachten. Der Gerichtsherr habe nur eine Vollstreckbarkeitserklärung zu erlassen, während dem obersten Krieg? herrn das Begnadigungsrecht zustehe. Der Gerichtsherr könne mit seiner Vollstreckbarkeitserklärung eine Begnadigung nur verbinden unter Zustimmung des obersten Kriegsherrn nach Anhörung des Kriegs- Ministeriums. Die Verordnung, die dem wider⸗ . sei also mit dem Gesetz nicht in Ha-, zu bringen. Allerdings könne der Finanz-Minister in seinem Ressort Strafmilderungen eintreten lassen, das stehe aber im Gesetz. Ven einer Begnadigung und Strafmilderung durch den Gericht gherrn stehe dagegen nichts im 66 Die Unabhängigkeit der Militãrgerichte werde in Frage gestellt. Es sei zu wünschen, daß auch über diese Be⸗=
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