1901 / 58 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Mar 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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Reifezeugnisse vereinbart worden ist. Demgemäß werden fortan die nach den Bekanntmachungen vom 14 Dezember 1891 und 26. Februar d. J. an die Reifezeugnisse der preußischen Ober⸗Realschulen geknüpften Berechtigungen, nämlich:

I) zur Zulassung zur Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen,

2) zur Zulassung zu den Staateprüfungen im Hochbau⸗ Bauingenieur⸗ und e m n.

3) . Studium auf den Forst⸗Akademien und zur Zu⸗ af un zu den Prüfungen für den Königlichen Forst⸗ verwaltungsdienst,

zum Studium des Bergfaches und zur Zulassung zu den Prüfungen, durch welche die Befähigung zu den technischen Aemtern bei den Bergbehörden des Staats darzulegen ist,

auch den Reifezeugnissen der Ober⸗Realschule vor dem Holsten—⸗ thor in Hamburg zuerkannt. Vorbehalten ist nur, daß über die Zulassung der Abiturienten der gedachten Anstalt in Ham— burg zu dem unter 4 genannten Fache von Fall zu Fall ent— schieden wird. Berlin, den 6. März 1901. ö. Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗Angelegenheiten. Im Auftrage: Althoff.

Die Diphtherie-Heilsera mit den Kontrol— nummern 25 von Ruete⸗Enoch in Hamburg und 143 der chemischen Fabrik auf Aktien Gorm. E. Schering) in Berlin sind wegen eingetretener Verminderung ihres Ge— haltes an Immunisierungseinheiten zur Ein zieh ung bestimmt.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 8. März.

Ueber das Befinden Seiner Majestät des Kaisers und Königs ist heute Vormittag folgendes ärztliche Bulletin ausgegeben worden;

Das Befinden Seiner Majestät des Kaisers und Königs am estrigen Tage war befriedigend, der Schlaf in der Nacht gut. Die Wunde zeigte sich beim Verbandwechsel reizlos. Mäßige Schwellung der Augenlider und Wange rechts. Kein Fieber.

Dr. von Leuthold. Dr. von Bergmann. Dr. Ilberg.

Gestern Nachmittag traf der Bürgermeister Schultz aus Bremen hier ein und wurde alsbald von dem Reichskanzler Grafen von low empfangen, um über die Vorgänge am vorgestrigen Abend bei der Abfahrt Seiner Majestät des Kaisers aus Bremen zu berichten. Im Allerhöchsten Auf— trage theilte der Reichskanzler dem Bürgermeister Schultz mit, daß Seine Majestät die freundlichste Gesinnung für die Bremer Bürgerschaft bewahre und Sich hierin durch die Un— that eines Einzelnen in keiner Weise beirren lasse.

Der Bundes rath versammelte sich heute zu einer Plenar—⸗ sitzung. Vorher beriethen die vereinigten Ausschüsse für Rechnungswesen und für Elsaß-Lothringen, die vereinigten Ausschüsse für Rechnungswesen, für das Landheer und die Festungen, für das Seewesen und für Eisenbahnen, Post und Telegraphen, sowie die vereinigten Ausschuͤsse für Justizwesen und für Handel und Verkehr.

Laut Meldung des,? S. M. S. „Moltke“, Kommandant: Kapitän ; Franz, am 5. März in w am 18. März die

Kaypitãnleutnant Freiherr von Dalwigk zu Lichtenfels, ist am 6. März von Piraeus in Nauplia angekommen und beabsichtigte, letzteren Hafen heute zu verlassen, um nach Alexandrien zu gehen.

S. M. S. „Vineta“, Kommandant: Kapitän zur See da Fonseca-⸗Wollheim, ist am 6. März in Puerto Cabello eingetroffen und beabsichtigt, am 9. März nach La Guaira in See zu gehen. 2 S. M. S. „Möve“, Kommandant: Korvetten⸗-Kapitän Schönfelder, ist am 6. März in Brisban gekommen.

S. M. S. „Kurfürst Friedrich Wilhelm“, Kom⸗ mandant: Kapitän zur See von Holtzendor und der Dampfer H. H Meier“ mit den abgelösten Besatzungen der Schiffe der II. Division des J. Geschwaders, Transportführer: Oberleutnant zur See Bunnemann, sind gestern in Wusung eingetroffen.

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Königsberg i. Pr., 7. März. Die Bürgerschaft Königsbergs, welche Ihre Kaiserlichen Majestäten am kommen⸗ den Sonntag hier zu sehen hoffte und für Allerhöchstderen fest⸗

lichen Empfang bereits große Vorbereitungen getroffen hatte,

ist, wie dem ‚W. T. B.“ berichtet wird, tief ergriffen und entrüstet über das Attentat auf Seine Majestät den Kaiser. Nach einer amtlichen Bekanntmachung ist die Einweih ung der Königin Luise-Gedächtnißkirche vorläufig ver— schoben worden.

Wilhelmshaven, 7. März. Der Inspekteur der 2. Marine⸗Inspektion, Kontre⸗Admiral Frantzius, machte, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Vormittag bei der Be⸗

nah cn des , ,. für Ost⸗Asien den Offizieren un

Mannschaften Mittheilung von dem Attentat auf Seine Majestät den Kaiser und verlas hierauf ein Telegramm des Kaisers, in welchem Allerhöchstderselbe dem Transport eine glückliche Reise wünscht. Der Admiral von Frantzius brachte sodann, indem er der Vorsehung dafür dankte, 19 Seine Majestät vor einem Unglück bewahrt worden ei, ein Hurrah auf den Kaiser aus. Die Kapelle spielte die

ationalhymne. Der Dampfer „Andalusia“ hat mit dem Ablösungstransport um 2 Uhr Nachmittags unter lebhaften Kundgebungen der Bevölkerung die . nach Ost⸗Asien angetreten.

bezeichnete es als wesentliche

Bayern. Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent hat, wie die Allg. Ztg.“ 3. aus Anlaß seines 80. gi e e., auf

Vorschlag des Staats Ministeriums der Justi T Perfo nen,

die von den bürgerlichen Gerichten zu Strafen 2 worden sind, begnadigt. Außerdem hu Seine Königliche Hoheit 47 militärgerichtlich abgeurtheilten Personen die gegen sie ausgesprochenen Strafen ganz erlassen oder gemildert und den Militärpersonen, gegen die bis zum

FFII. März 1901 einschließlich im Bereich der bayerischen

Militärverwaltung Strafen im Disziplinarwege verhängt worden sind, diese Strafen, soweit sie bis zum 11. März 1961 noch nicht vollstreckt sind, erlassen.

Württemberg.

Seine Majestät der König hat, wie der „St ⸗A. ö meldet, auf die Nachricht von der Gefahr, der Seine Majestät der Kaiser in Bremen entgangen ist, Allerhöchstdenselben telegraphisch beglückwünscht.

Hessen.

Zwölf ländliche Abgeordnete der Zweiten Kammer haben, dem „W. T. B.“ zufolge, den dringlichen Antrag ein⸗ gebracht, die Regierung zu ersuchen, im Bundesrath für Auf⸗ hebung der gemischten Transitlager und der Zoll⸗ kredite einzutreten.

Sachsen⸗Coburg⸗ Gotha.

Der Landtag des Herz ö Coburg ist, der „Cob. Ztg.“ zufolge, zum 18. d. M. einberufen worden.

Bremen.

„Boesmann's Telegraphisches Bureau“ meldet aus bester Quelle: Die gestern vorgenommene Ver nehm ung Weiland's habe den unzweifelhaften Eindruck ergeben, daß er die That unter dem Einfluß seiner geistigen Erkrankung vollbracht habe. Zu⸗ nächst scheine ani Belastung vorhanden zu sein, da sein Vater, seinen Angaben gemäß, ein Säufer gewesen, seine Schwester an Krämpfen leide und sein Bruder einen anormalen Brustbau habe. Er will bei Tisch manchmal Messer und Gabel kurzer Hand nach rechts und links geworfen haben. Diese Angaben hätten sich von der Polizei nicht als thatsächlich konstatieren lassen, jedoch erklärten Zeugen, welche ihn näher kennen, daß er ein geistig beschränkter Mensch sei, welcher häufig an Epilepsie leide. Bezüglich der That habe Weiland geäußert: er habe am Mittwoch sich nicht wohl gefühlt und stets einen Anfall befürchtet. Als er nun mit der Menschenmenge auf das Herannahen Seiner Majestät des Kaisers gewartet habe, sei in ihm durch das Rauschen des Teichmanns- Brunnens auf dem Domshof und durch das Stimmengewirr des Publi⸗ kums die Vorstellung entstanden, daß er wieder, wie vor Jahren, als Schiffer auf seinem Schiffe fahre; er sei dann immer erregter geworden und habe im beginnenden Krampfe, im Wahne, er werfe ein Loth aus, das Eisen von sich geschleudert. Dann habe er das Bewußtsein verloren. Bei diesen Aussagen habe Weiland nicht den Eindruck eines Simulanten, sondern den eines bedauernswerthen Kranken gemacht. Das Eisen, mit dem Weiland geworfen hat, ist nach polizeilichen Angaben eine sogenannte Lasche von 21 em Länge, 5 em Breite und 8 mm Dicke und einem Gewicht von 550 g. Dasselbe war mit vier Schraubenlöchern versehen und an⸗ scheinend noch nicht in Benutzung gewesen. Weiland behauptet, es auf dem Domshof gefunden zu haben. Weiland ist vor— läufig im Gerichtsgebäude zu Bremen interniert worden.

Elsaß⸗Lothringen.

Bei einem gestern zu Ehren des Landes-Ausschusses veranstalteten Festmahl hielt, wie ‚W. T. B.“ meldet, der Statthalter Fürst zu Hohenlohe-Langenburg eine An— sprache, in welcher er hervorhob, daß die Bewilligung des Zuschusses zur Wiederherstellung der Hohkönigsburg große Freude bereitet habe. Eine besondere Genugthunng sei es ihm gewesen, den Abgeordneten den Dank Seiner Majestät des Kaisers übermitteln zu dürfen. Der Fürst

Aufgabe des Landes Aus⸗ schusses und der Regierung, für eine Schiffahrtsverbindung zwischen Straßburg und dem Niederrhein zu sorgen, welche für den Handel und die Industrie des ganzen Landes von größter Wichtigkeit sei, und sprach die Hoffnung aus, daß die Vorarbeiten zur Regulierung des Oberrheins im Laufe des Sommers beendet sein und die eigentlichen Arbeiten beginnen würden. Der Statthalter schloß mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und das Reichslan d. Der Prä— sident des Landes⸗Ausschusses Dr. von Schlumberger brachte ein Hoch auf den Statthalter aus.

Oesterreich⸗ Ungarn.

In die aus Anlaß des gegen Seine Majestät den Deutschen Kaiser verübten Attentats in der deutschen Botschaft aufliegenden Listen trugen sich gestern, wie, W. T. B.“ meldet, zahlreiche Persönlichkeiten ein, unter ihnen der Admiral Freiherr von Spaun, der Vize⸗Admiral Berghofer und der Sektions⸗Chef im Ministerium des Aeußern Graf Szécsen.

Die „Wiener Abendpost“ schreibt: die ganze gesittete

Welt vereinige sich mit der deutschen Nation in dem Gefühle

der Freude darüber, daß die That ohne ernste Folgen geblieben und die Ursache des Ereignisses lediglich in der pfychischen Irritation des Thäters zu suchen sei. Dieses Gefühl der Freude werde nirgends wärmer empfunden werden als in Oesterreich⸗ Ungarn, wo dem mächtigen Herrscher des Deutschen Reiches, dem ritterlichen Freunde und Bundesgenossen des Kaisers Franz Joseph, die verehrungsvollsie Sympathie ent⸗ gegengebracht werde. Auch alle übrigen Abendblätter geben übereinstimmend der aufrichtigen Freude darüber Ausdruck, daß ein schweres Unglück von dem Deutschen Kaiser abge⸗ wendet worden sei, und daß die Unthat eines Unzurechnungs⸗ fähigen nicht noch schlimmere Jolgen gehabt habe. Das im österreichischen Abgeordnetenhause ein⸗ gebrachte Gesetz zur Förderung der Industrie bestimmt, daß Unternehmungen bisher in Oesterreich nicht bestehender Pro⸗ duktionszweige, sowie Unternehmungen, welche alten Betrieben neue, im Inlande noch nicht vorhandene Betriebszweige anfügten, eine zwöl fiährige Steuerfreiheit genießen sollen und unter Um⸗ ständen ihnen auch ein staatlicher Zuschuß gewährt werden soll. Ferner bestimmt das Gesetz, daß Banken und andere Attlen— gesellschaften von den 2 noch unbegebener Aktien der von ihnen begründeten Industrie⸗Unternehmungen wesentlich verminderte Steuern zahlen sollen. Endlich wird der Grundsatz aufgestellt, daß der Bedarf der Staats⸗ Landes⸗ und Gemeinbe⸗

verhältnisse bezugnehmende Dokumente.

behõrden durch heimische isse gedeckt werd en soll Ein weiterer, im eordnetenhause eingebrachter Gesetzentwurf über Arbeits statistik entspricht im wesentlihen den frũheren BVeschlüssen des Hauses. Derselbe statuiert die Auskunfta⸗ pflicht des Publikums zu Gunsten arbeitsstatistischer Er⸗ n, . sowie das Recht amtlicher Organe zum Eintreten in Arbeitsräume und zur Einsichtnahme in gewisse, auf Arbeits . Das Strafverfahren bei Zuwiderhandlungen wird den politischen Behörden zu⸗ gewiesen, die eine Geldstrafe bis zu 1000 Kronen verhängen dürfen. Der Gesetzentwurf enthält schließlich Bestimmungen über die Pflicht zur Verschwiegenheit für die von den Be— . zu arbeitssiatistischen Erhebungen verwendeten Beamten, owie über die Gebührenfreiheit von Eingaben in Angelegen— heit der Arbeitsstatistik. .

Der Wehrausschuß hat gestern nach langer Debatte die Vorlage, betreffend das Rekruten-Kontingent, an— genommen.

Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses theilte, wie W. T. B. berichtet, der Üinter⸗Staatssekretär des Aeußern Lord Cranbourne mit, daß eine Depesche des britischen Bot— schafters in St. Petersburg, in welcher dieser über seine Unter— redung mit dem russischen Minister des Aeußern bezüglich der . Occupation der Mandschurei berichte, dem Par⸗ lament unverzüglich werde vorgelegt werden. Der Wortlaut der Depesche sei dem Grafen Lamsdorf unterbreitet und von diesem Ende Februar genehmigt worden. Der Erste Lord des Schatzamts Balfour erklärte auf eine Anfrage Sir Henry Campbell Bannerman's, daß mit dem Burengeneral Botha Unterhandlungen stattgefunden hätten, die Regierung aber nicht in der Lage sei, darüber augenblicklich irgend welche Mittheilung zu machen. Die . von den Sitzungen, welche über eine Anzahl irischer Mitglieder des Hauses verhängt worden ist, wurde in Betreff eines der— selben zurückgezogen, weil sich herausgestellt hatte, daß in seinem Falle ein Irrthum stattgefunden 9 Sierauf brachte der Erste Lord des Schatzamts Balfour seinen bereits gestern gemeldeten Antrag auf Aenderung der Geschäfts⸗ ordnung ein und erklärte, das Haus dürfe nicht hilflos sein gegenüber von Mitgliedern, welche sich gegen die Ordnung des Hauses vergingen. Sir Henry Campbell Bannerman wünschte, der Antrag möge dahin abgeändert werden, daß die Strafe nur dann ausgesprochen werde, wenn körperliche Gewalt habe angewendet werden müssen. John Redmond meinte, der Antrag richte sich gegen die ixischen Mitglieder. Dieselben ständen aber dem Antrage gleichgültig gegen⸗ über und würden eine auf diesem Wege über sie ver— hängte Strafe als eine Ehre, nicht als einen Vorwurf be— trachten. Die irischen Mitglieder würden sich nicht abhalten lassen, alle ihnen durch die Mitgliedschaft zustehende Macht in Anwendung zu bringen, wenn sie es zum Wohle Irlands für nöthig erachteten, ohne Rücksicht auf die englischen Mit⸗ glieder. e rste Lord des Schatzamts Balfour er⸗ klärte sich mit der von Sir Henry Campbell Bannerman beantragten Abänderung einverstanden und führte aus, die Rede Redmond's sei eine Rechtfertigung der Abänderung der Geschäftsordnung. Im weiteren Verlauf der Debatte wurden die von der Regierung genehmigten Anträge unter⸗ geordneter Bedeutung ohne besondere Abstimmung ange⸗ nommen und ein Unterantrag Dillon 's, daß das Haus die Suspendierung der Iren für den Rest der Session beschließen solle, mit 413 gegen 79 Stimmen abgelehnt. Mit der Minder⸗ heit stimmten auch einige Radikale. Der Zusatzantrag Hugh Cecil's über Verhängung einer Gefängnißstrafe wurde von Balfour bekämpft, und Cecil erklärte sich bereit, diesen Antrag zurückzuziehen. Die Irländer bestanden jedoch auf der Ab— stimmung, worauf der Antrag mit 4265 Stimmen abgelehnt wurde, für denselben stimmte niemand. Nachdem die Be⸗ rathung über den Antrag Balfour die ganze Nacht n. hatte, wurde derselbe heute früh gegen 6 Uhr mit 261 gegen 51 Stimmen angenommen.

Die von dem Unter-Staatssekretär des Aeußern Lord Cranbourne gestern erwähnte Depesche des briti⸗ schen Botschafters in St, Peiersburg ist dem Unterhause zugegangen. Die Depesche giebt im wesentlichen eine Interhaltung des Botschafters mit dem Grafen Lams dorf bezüglich des die Mandschurei betreffenden russisch-⸗chinesischen Abkommens wieder. Graf Lams⸗ dorf hat sich mit der , der Depesche einverstanden erklärt, da sie ein genauer Bericht über seine Aeußerungen sei. In der de, = sagte Graf Lamsdorf, es sei unwahr, daß Rußland eine Konvention abgeschlossen habe, die ihm neue Rechte oder ein thatsächliches Protektorat über die Mandschurei gewähre. Was immer auch für ein Abkommen abgeschlossen sei, so habe es lediglich die Natur eines modus vivendi zwischen den Militärbehörden und den lokalen chinesischen Zivilbehörden. Der Kaiser von Rußland habe nicht die Absicht, irgendwie von seinen öffentlichen Zu⸗ sicherungen abzugehen, daß die Mandschurei Chia werde zu⸗ rückgegeben werden, sobald die Umstände es gestatteten. Ruß⸗ land sei in der Mandschurei in derselben Lage wie die Verbündeten in Peking bezüglich der Schwierigkeit der Festsetzung eines Zeitpunktes für die Räumung.

Frankreich.

Der Senat setzte, wie W. T. B. meldet, gestern die Verhandlung über den Antrag, betreffend die Schaffung von Einfuhrgutscheinen für Mehl und Getreide, fort. Der Ackerbau⸗Minister Du puy bekämpfte den Antrag, der für den Staatsschatz gefährlich sei, und führte aus es heiße Staatssozialismus treiben, wenn man dem Ge— treide einen Mindeswerkaufspreis sichern wolle. Es sei nicht richtig, die Zollrückvergütungen Deutschlands als Bei⸗ spiel anzuführen, denn Deutschland führe Getreide ein, während Frankreich solches ausführe. Das für die Gutscheine geopferte Geld würde hauptsächlich in die Taschen der Zwischenhändler und Spekulanten fließen.

Die Deputirtenkammer nahm die Berathung des Vereinsgesetzentwurfs wieder auf. Artikel 12 bestimmt, daß Vereinigungen, die ihrer Mehrzahl nach aus Ausländern be⸗ stehen, sowie solche Bereinigungen, die ihren Sitz im Aus⸗ lande haben und deren Machenschaften eeignet sind, die normalen Verhältnisse des Effekten und ? aarenmarltes zu stören oder die innere oder die äußere Sicherheit des Staates zu gefährden, von dem Ministerrath durch Dekret aufgelöst werden können. Der Deputirte Va ill ant (Soz) beantragte, dem Worte „Vereinigungen! das Wort eis, zu⸗ zufügen. Der Minister⸗Präsident Waldeck-⸗Rousseau

wurde. Artikel 12 wurde hierauf ange⸗

Bei der Berathung des Artikels 13 verlangte der

Deputirte va es die Aufhebung aller Kongregationen, der

enehmigten wie der nicht genehmigten, und erging sich in

efligen Angriffen gegen die Kongregationen, auf welche der

eputirte Abb Gayrand erwiderte. Die Weiterberathung wurde dann auf Montag vertagt.

Italien.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer verlas, dem, W. T. B.“ zufolge, der Minister⸗Präsident Zanardelli

a r diesen Antrag, welcher mit 472 gegen 90 Stimmen abgelehnt

eine Erklärung des Ministeriums und fuhr dann fort:

Er würde bei, der jetzigen Lage in der Kammer vorgezogen haben, die Ehre, ein Kabinet zu bilden, abzulehnen, da es ihm sehr schwierig scheine ein Kabinet zu bilden, welches Dauer verbürge und im stande e Aufgaben von großer Bedeutung u lösen. Da er sich jedoch überzeugt habe, daß er sich, ohne Schwäche zu zeigen, nicht der Ehre der Kabinetsbildung entziehen könne, habe er sich ent⸗ schlossen und voll froher Juversicht ans. Werk gemacht. Das Ministerium werde seine Kräfte einer liberalen, reformatorischen Politik weihen und durch feste und sich gleichbleibende Handhabung der Gesetze Jedermann Achtung vor den freiheitlichen Institutionen abnöthigen. Das Ministerium werde bestrebt sein, für eine gerechte Handhabung der Verwaltung in Gemeinden und Provinzen sowie für Vereinfachung und schnelle Erledigung der öffentlichen Geschäfte Sorge zu tragen. Unbeschadet dessen, daß er nach weiteren Studien ausfuͤhrlichere Zellrefeorm-⸗Entwürfe vorzulegen beabsichtige, lege er unterdessen Maßnahmen vor, die darauf abzielten, die Steuern, welche die unteren Volksklassen träfen, herabzusetzen. Zur Deckung dieser Steuernachlässe liege es völlig außer der Absicht, neue Schulden aufzunehmen oder die Tilgung der schwebenden Schulden einzustellen; auch werde nicht auf das Mittel eines Kredits zum Ausbau von Eisenbahnen zurück egriffen werden. Der Grundgedanke sei, das durch die Steuernach⸗ lässe hervorgerufene Defizit durch eine gerechtere Vertheilung der Lasten auszugleichen. Man werde daher die Abschaffung der Ver. zehrungssteuer auf Mehl und Brot für alle offenen Genieinden und in den geschlossenen Gemeinden dritter und vierter Kategorie be⸗ antragen; es werde mithin dieser Zoll nur in 59 Gemeinden in Kraft bleiben; allein das Ministerium behalte sich vor, demnächst einen Gesetzentwurf auf Abschaffung der Steuer auch in den erwähnten Gemeinden einzubringen. Außerdem beantrage das Ministerium neue Maßnahmen vorsorgender Art, wonach die 24 Gemeinden dritter und vierter Kategorie für offene erklärt würden. Die Ge— meinden würden so 47 Millionen verlieren. Man werde für den Ersatz dieses Verlustes Rath schaffen mittels anderer lokaler Steuern und einer Beihilfe der Regierung im Betrage von 21 Millionen, die man einst in Belgien vorgegangen sei, um den Oktroi abzuschaffen. Die Solidität des Staatsbudgets werde hierbei durchaus nicht leiden. Durch diese Reform, welche sowohl in politischer Hinsicht als auch in ihren Folgen für die Wohlfahrt des Landes von günstigem Einfluß sein werde, würden die Abgaben der von dem Oktroi Be⸗ troffenen um 39 Millionen vermindert werden. Das bedeute in Anbetracht der Natur dieser Steuer für die Volkswirthschaft des Landes mindestens das Dreifache. Die Reform, welche hauptsächlich Süditalien im Auge habe, werde am 1. Januar nächsten Jahres in Kraft treten. Um den dadurch entstehenden Ausfall im Staatsschatz zu decken, schlage das Ministerium vor: 1) Abänderung der Erb= schaftssteuer in progressivem Sinne, entiprechend dem Beispiel Englands und Frankreichs. 2) Eine Stempelabgabe für ver—= arbeitetes Hold und Silber. 3) Eine Abgabe auf Börsenabschlüsse und eine Reform der Abgabe auf Pulver. 4) Allgemeine Ersparnisse. Das Ministerium 6 außerdem die Verpflichtung, in ganz kurzer Zeit einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher den Preis des Salzes herabsetze.

Der Minister⸗Präsident kündigte ferner eine Reihe von Verlagen auf dem Gebiete der sozialen Gesetzgebung an und führte schließlich aus:

Italien werde den Verträgen, durch welche es mit dem Werk des Friedens im europäischen Konzert verbunden sei, treu bleiben und sich auch die Pflege herzlich freundschaftlicher Be— ziehungen zu allen Mächten angelegen sein lassen. Die Regierung werde, ohne sich überheben zu wollen, nicht nur die Ehre und den Namen Italiens in der entschiedensten Weise wahren, fondern auch die durch seine im Auslande lebenden Staatsangehörigen geschaffenen Interessen. Ganz besonders werde die Regierung dahin streben, die liberale Monarchie dem Lande immer theurer zu machen, und ver= suchen, dem Lande volles Vertrauen in die Zutunft einzuflößen. Der Minister⸗Präsident schloß mit einer warmen Aufforderung an die Liberalen um Unterstützung.

Nachdem die Deputirten de Andreis, Ferri, Bertelli und Sacchi sich zu der Erklärung geäußert hatten, führte der Minister⸗Präsident Zanardelli in einer Er⸗ widerung aus, er wolle, um jeden Zweifel darüber zu zer⸗

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streuen, daß er bei der Bildung des Kabinets nicht völlig frei gehandelt habe, erklären, daß er auch als Minister die militärischen Vorschläge und Ausgaben gutheiße, für die er schon als Deputirter eingetreten sei. Hierauf wurde die Dis— kussion geschlossen.

Im Senat gab der Minister-Präsident hierauf dieselbe Erklärung ab.

Spanien.

Der Minister rath hat beschlossen, die konstitutionellen Garantien im ganzen Gebiete wiederherzustellen. Der General Linares ist zum General-Kapitän von Madrid, der Verzog Bivoma zum . und Albert Aguileva zum Maire ernannt worden. Der Ministerrath hat die eien und hohen Beamten, welche ihre Entlassung gegeben atten, wiederernannt.

Niederlande.

Gestern Vormittag wurden, wie dem „W. T. B.“ berichtet wird, im Königlichen Schlosse zu Amsterdam die Abord— ungen empfangen, welche 6ish n ke überbrachten. Die in Moskau lebenden Niederländer überreichten als Geschenk eine Mappe mit Photographien von Rußland, insbesondere n Moskau, sowie eine silberne Schüssel, in welcher Salz d, Brot dargereicht wurden. Die aus Süd⸗Afrika Ausge— wiesenen überbrachten eine Huldigungs⸗Adresse. Das National⸗ schenk der Niederländer bilden ein! Diadem, zwei mspangen und ein Halsgeschmeide aus Diamanten 2 Saphiren, alles Amsterdamer. Arbeit. Die Stadt msierdam überreichte als Angebinde silbernes Tafel= Fraͤth; die Eisenbahngefellschaften schenkten einen vollständigen, für die Königliche Familie bestimmten Eisenbahnzug. Zahl⸗ Dereine aus dem ganzen Lande und den Kolonien, in arine, sowie die Bürgergarden sandten ebenfalls

nke. Das Geschenk des Weben! Krüger be⸗ 6 in einem silbernen Tintenfaß, welches das Kriegs⸗ . „Gelderland“ darstellt, auf dem Krüger nach aha kam. Später besuchten die Königin, der . Heinrich, die König in-WMutter und der Her og⸗ Went von Mecklenburg⸗Schwerin im fe, , 1j am die indische Ausstellung, welche im vorigen Jahre seld er Pariser Weltausstellung zu sehen war und em noch durch Sammlungen aus anderen Museen be—

reichert worden ist. Am Abend machten die Ma⸗ jestäten mit dem Prinzen Heinrich und dem Herzog—⸗ Regenten eine Rundfahrt durch die festlich beleuchteten Straßen und wohnten dann im Konzertsaal des Königlichen Schloffes einer Musikaufführung bei. Zum Vortrag gelangten Theile der Oratorien „Die Schöpfung“ und „Der Mefsias“ sowie der Oper Rosamunde“. Am Schlusse der Vorstellung sangen alle Anwesenden die Nationalhymne.

Bulgarien.

Die außerordentliche Session der Sobranje ist gestern in Sofia in feierlicher Weise von dem Fuürsten Ferdinand mit einer Thronrede eröffnet worden. In der⸗ selben wird, dem W. T. B.“ zufolge, konstatiert, daß das neue Ministerium das Ziel verfolgen werde, das Gleich⸗ gewicht im Staatshaushalt herbeizuführen und die finanzielle Krisis zu lösen. Der Fürst giebt der Ueberzeugung Ausdruck, daß das aus dem Schoße der Mehrheit der gewählten National⸗ vertretung hervorgegangene Ministerium auf deren wirksame Unterstützung rechnen konne. Die Regierung werde alles thun, um die Bande, welche das Land mit seinem Befreier Rußland verbänden, zu kräftigen und seine Beziehungen zu den anderen

Mächten, namentlich den Nachbarstaaten, zu entwickeln.

Asien.

Von dem General⸗Feldmarschall Grafen von Waldersee ist, wie W. T. B.“ erfährt, folgende Meldung aus Peking in Berlin eingetroffen: Die Kompagnie des Hauptmanns Knoerzer G. Regiment) ist am 5. d. M. südwestlich von Mantscheng auf 400 Mann anscheinend abgedrängter chinesischer Truppen gestoßen, welche nach kurzem Gefecht unter Verlust von 50 Todten und 2 Fahnen völlig ver— sprengt wurden. Von Tientsin ist am 3. d. M. ein kleines Detachement unter dem Rittmeister Fritsche auf Thsang und am 5. d. M. ein Detachement von 3 Kompagnien, 1 3ug Reiter, 1 Batterie und 1 Zug Pioniere unter dem Oberst⸗ leutnant von Arnstedt auf Yungtsing entsandt worden, um das Räuberwesen zu unterdrücken. ;

Die „Kölnische Zeitung“ meldet aus Peking vom 5. d. M., der GeneralFeldmarschall Graf von Waldersee beabsichtige, sich am 14. d. M. nach Kiautschou zu begeben. Der dortige Aufenthalt solle 5 Tage dauern.

Der „Agenzia Stefani“ wird aus Peking vom 7. 8. M. gemeldet: Ueber einen Brand, der in einem Tempel des Sommerpalastes stattgefunden hat und dessen Verursachung irrthümlicher Weise italienischen Soldaten zugeschrieben worden ist, werden folgende Einzelheiten bekannt: Die Befehls haber der britischen und der italienischen Truppenabtheilungen gaben ihre Einwilligung dazu, daß Soldaten anderer Nationalität mit ihren Offizieren den Sommerpalast besuchten. Durch einen unglücklichen Zufall verursachten diese Soldaten hierbei einen Brand in einer ehemaligen kleinen Pagode; der Schaden beschränkte sich auf einige Holztheile. Nachdem italienische Truppen zur Hilfe herbeigeeilt waren, wurde das Feuer gelöscht.

Afrika.

Nach einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus Johannesburg vom 5. d. M. hat die dortige Handels— kammer am 4. d. M. eine Sitzung abgehalten, bei welcher ungefähr ein Drittel der Mitglieder anwesend war. Es wurde eine Kommission gewählt, welche sich zu Sir Alfred Milner begeben und die Nothwendigkeit hervorheben soll, daß er sämmtlichen britischen Kaufleuten und Handwerkern gestatte, zurückzukehren, damit der Handel wieder auflebe.

In Pretoria herrscht demselben Bureau zufolge eine hoffnungsvolle Stimmung bezüglich der Wahrscheinlichkeit, daß die Feindseligkeiten bald würden beendigt werden. Man erwarte, daß die Buren die Initiative ergreifen würden, um Friedensbedingungen zu erlangen.

Wie aus Kapstadt gemeldet wird, hat der Oberst Gorringe am 5. . M. Pearston wieder genommen.

Ein Telegramm Lord Kitchener's aus Pretoria vom s. d. M. besagt, daß Lichtenburg von den Streitkräften Delarey's angegriffen worden sei. Das Gefecht habe den ganzen Tag fortgedauert. Zwei englische Offiziere seien getödtet worden. Die Garnison bestehe aus 500 Mann mit 2 Geschützen. Es seien Verstärkungen dorthin abgegangen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen 53 des Reichs⸗

tages und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (44 Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Hr. Studt beiwohnte, theilte zunächst der

Präsident von Kröcher das heute von dem Hof⸗Marschallamt aus— gegebene Bulletin über das Befinden Seiner Majestät des Kaisers und Königs mit und fuhr dann fort: Ich glaube, Sie werden den Wunsch haben, Seiner Majestät nach Seiner völligen Wiederherstellung den Schmerz des Hauses über den unseligen Vorfall in Bremen und den Glückwunsch zur Wiederherstellung auszusprechen. (Lebhafter Beifall) Damit ist das Haus einverstanden. Ich werde den Herrn Ober⸗Hofmarschall seiner Zeit bitten, die Befehle Seiner Masestät darüber einzuholen, ob und in welcher Form Seine Masestät die Kundgebung des Hauses entgegennehmen will.

Nachdem hierauf dem vom Abg. Goerdeler erslatteten Bericht und dem Antrag der Geschäftsordnungskommission gemäß das Mandat des zum Ober -Bergrath er⸗ nannten Abg. Lohmann (n.,, Vertreters des Wahl⸗ bezirks Saarbrücken Ottweiler St. Wendel, für erloschen erklärt worden war, wurde die Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten bei dem Kapitel „Höhere Lehranstalten“, und zwar zunächst die gestern abgebrochene Debatte über die Schulreform, fortgesetzt.

An derselben betheiligten sich bis zum Schluß des Blattes der Abg. Wetekamp (fr. Volksp. , der Geheime Ober⸗ Regierungsrath Dr. Köpke, der Abg. von Knapp (nl)) und der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Studt.

Kunst und Wissenschaft.

In der Sitzung der philosophisch historischen Klasse der Akademie der Wissenschaften Gorsitzender Sekretar: Herr Vahlen) las Herr,. Tobler „vermischte. Beiträge zur französischen Grammatik. Die drei unter einander nicht zusammen⸗ hängenden Aufsätze, die derselbe vorlegte, beschäftigen sich theils

mit syntaktischen Eigenthümlichkeiten des Französischen, theils mit seltsamen und nicht unmittelbar verstãndlichen Verwendungen des Verbums devoir in den älteren Denkmälern dieser Sprache. = Herr Darnack las über Probleme im Texte der Leidensgeschichte Jefu5. In der Abhandlung wird gezeigt. daß Luc. 22, 43. 44 zuversichtlich, Luc, 23, 34 mit großer Wahrscheinlichkeit als ursprünglich zu be—= trachten ist, ferner daß in Marc. 15, 34 die Lesart Greta (fur ẽrzærSc lies) herzustellen ist.

In der Sitzung der physikalisch⸗mathematischen Klasse der Akademie von demselben Tage (vorsitzender Sekretar: Herr Waldeyer) las Herr Fischer eine in Gemeinschaft mit Dr. GS. Roeder bearbeitete Mittheilung über Synthese des Thymins und anderer Uracile. Durch Schmelzen von Harnstoff mit ungesättigten Säuren entstehen, wie darin ausgeführt wird, Dihydrouracile, deren Brom— verbindungen durch Alkali in Uracile verwandelt werden. Das Produkt, welches man durch dieses neue Verfahren aus Methactyl⸗ säure erhält, ist identisch mit dem von Kossel und Neumann als Spaltungsprodukt der Nucleinsäure gefundenen Thymin. Serr Fischer las ferner nach einer in Gemeinschaft mit Br. W von Locken ausgeführten Untersuchung über die Verbrennungswärme der Glucofide.ꝓ.

Der 22. Balne ologen⸗Kongreß ist gestern unter dem Vorsitz des Professors Dr. Liebreich⸗ Berlin hier eröffnet worden. Der Kongreß hat wieder zahlreiche bekannte Badeärzte und sonstige medizinische Autoritäten zu gemeinsamen Berathungen vereinigt; u. A. sind dazu eingetroffen die Professoren Winternitz und Schenk Wien, Professor Kisch⸗Prag, Dr. August Haupt-Soden und Dr Emil Lindemann⸗ Helgoland. Gestern besuchten die Kongreß -Theil⸗ nehmer die von Dr. Lindemann geleitete Lichtheilanstalk in der Potsdamerstraße und die Anstalt für Gymnastik und Nöntgenphotographie in der Lützowstraße, wo Dr. Immelmann die Führung übernahm. Abends sprach im dichtgefüllten Hörsaal des Physiologischen Instituts Profefsor Dr. Martius⸗Nostock über das Vererbungsproblem in der Pathologien. Der Vortragende ergriff die Gelegenheit, um vor allem der Furcht vor einer Degeneration der Menschbeit entgegenzutreten. An sich sei ja eine Verschlechterung der Art nicht ausgeschlossen, ebensowenig eine Verbesserung, aber beide voll— zögen sich dech so langsam, daß in geschichtlich abmeßbaren Zeiten sichere Beweise hierfür nicht zu erbringen seien. Das Wesen der Ver— erbung offenbare sich am überzeugendsten in der Erhaltung der Arten. Gleichwie man nun zwar geistige Anlagen, aber nie erakte Kenntnisse ererben könne, so könne man auch wehl An— lagen zu Krankheiten, aber nicht diese selbst ererben, sondern Jeder müsse sie gewissermaßen erst erlernen“. Selbst da, wo die Vererbung der Krankheit vermeintlich am greifbarsten in die Erscheinung trete, bei der Tuberkulose, seien die Ansichten getheilt, und wenn auch im allgemeinen vor Heirathen unter Tuberkulösen gewarnt werden könne, so seien doch anderer— seits Fälle beobachtet worden, bei denen aus unzweifelhaft tuberkulösen Eltern ganz gesunde Kinder hervorgegangen seien. Heute Vormittag besuchlen die Kongreßmitglieder das neue Patho— logische Institut in der Charits; für den Sonntag ist ein Besuͤch des von Dr. Martin Klopstock geleiteten Instituts für medizinische Diagnostik am Schiffbauerdamm vorgesehen. Dort sollen verschiedene interessante Demonstrationen zur Röntgenphotographie des Herzens, über die Anwendung hochgespannter Ströme zu therapeutischen Zwecken und Über neuere Methoden und Üintersuchungen aus den Gebieten der Bakteriologie und Serodiagnostik sowie der klinischen Harnuntersuchung vorgeführt werden. Im Hörsaal des Pharma kologischen Instituts werden die übrigen wissenschaftlichen und eschäftlichen Sitzungen stattfinden. Es sind deren sechs geplant: für jseute und Sonnkag je eine, für Sonnabend und Montag deren wei. Die Gesammtzahl der hierzu angemeldeten Vortrage beläuft sich auf 33. Es soll u. a. gesprochen werden über „Wesen und Behandlung des Asthman, über „die Bedeutung der Kalkwässer für Gicht“, über „die Hydrotherapie der Gicht“, über „die physikalische Therapie der Lungentuberkulosen, über „die hydriatische Behandlung bei Masern und Scharlach sowie bei Neurosen“ und über „die Lichttherapie“.

Im Salon von Eduard Schulte wird die Ausstellung der Gesellschaft deutscher Aquarellisten am Sonnabend, den 16. März, geschlossen. Nur die Kollektion Hubert von Herkomer's wird in die neue, am 17. d. M. beginnende Ausstellung mit hinübergenommen, welche außerdem auch noch andere Werke dieses Malers, darunter ein großes Emailportrait Seiner Majestät des Kaisers und Königs ent

halten wird. Theater und Musik.

Berliner Theater. gelangte am ragödie in fünf Akten von Die Dichtung sowie die s Motiv us zu ver anzen Aufbau ihres ze ist voll Anmuth, woll und durchseßt mit poet ildern und Symbolik; als stück ist das Werk aber zu unreif und langathmig, schreitet sweilen auf zu hohem Kothurn einher und wirkt auf die Dauer er üdend, zumal die Aufführung den Zeitraum von vier Stunden bean sprucht. Bei zweckmäßiger Kürzung und Ersatz verschiedener, nur des allgemeinen Verständnisses wegen eingeschobener Episoden durch ander⸗ weitige Klärung des Stoffes hätte der Gesammteindruck wohl befriedigender gestaltet werden können, und es wäre manches kindlich⸗naiv Anmukthende dann vielleicht auch weniger aufgefallen. Beim Lesen mag dieser Uebel stand wohl in geringerem Maße hervortreten. Die Auswahl der Dar steller war gleichfalls keine durchweg glückliche. Herr Eisfeldt, ein mit seinem Können im modernen Schauspiel wurzelnder Künstler, fand für die Rolle des Dedipus nicht den rechten Stil, fo redliche Mühe er sich auch bei den vielen hochtönenden Reden gab. Als guter Sprecher führte sich Herr Beaurepaire ein, welcher den König Laios auch mit angemessener Würde darstellte. Die beiden größeren Frauenrollen waren weder dankbar, noch zweckmäßig besetzt, und obwoebl hierbei Fräulein Holgers (Jokaste) den Vortheil ihres weichen, klangvollen Organs hatte, so ließ bei ihr namentlich die Plastil der Bewegungen zu wünschen. Trotzdem sich die Vertreter sämmtlicher Haupt⸗ und der überaus zahlreichen Nebenrollen die redlichste Mühe gaben, trugen sowohl das Stück, wie die Darstellung den Stempel des Dilettantismus. Die Inscenierung war jedoch eine sehr stimmungevolle; hauxtsachlich seien die Nachtscenen im Palast des Laios und bei der Sphinx hervorgehoben. Der Verfasserin wurde von ihren jzahlreich anwesenden Freunden ein Erfolg bereitet, und sie konnte mehrmals mit den Mitwirkenden vor dem Vorhang er scheinen.

Mittwoch

Konzerte.

Die Reihe der zehn diesjährigen Philharmonischen Kon zerte hat am Montag in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Saale der Philharmonie mit einem hächst anmuthenden, ge schmackvollen Programm ihren würdigen Abschluß gefunden. Alles war bei bester Disposition: Herr Nikisch temperamentvoller denn je, das Künstlerorchester frisch und angeregt, als handelte es sich um den Beginn der Saison, aber nicht um deren Schluß, die Zuhörerschaft . gestimmt und beifallsfreudig. Als erste Gabe bot das Konzert Cherubini's Ouvertüre zu Anakreon“„, ein zierliches Tonwerk, das leider nur viel zu selten zu Gebör gebracht wird, obwohl es stets einer freundlichen Aufnahme gewiß sein darf, zumal wenn es so tadellos zur Vorführung gelangt, wie das hier der Fall war. Von zündender Wirkung war die schwungvolle, bis in die kleinsten technischen Einzelbeiten binein sauber und gewissenhaft durchgeführte Wiedergabe der greßen Ouvertüre Leonore. Nr. 3 von Beethoben, die ein Wunderwerk der Komposition ist und für alle Zeiten bleiben wird, wie Richard Wagner von ihr urtheilt, nicht mehr eine Ouvertüre, sondern das