1901 / 287 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Dec 1901 18:00:01 GMT) scan diff

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Dentscher Reichstag. 103. Sitzung vom 3. Dezember 1901. 1 Uhr.

Am Tische des Bundesraths: Reichskanzler Graf von Bülow, Staatssekretär des Innern, Staats ⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner, Finanz ⸗Minister Freiherr von Rheinbaben, Minister für Handel und Gewerbe Möller, Staatssekretär des Reichs-Schatzamts Freiherr von Thielmann.

Das Haus ehrt zunächst das Andenken des verstorbenen Abg. Dr. Müller (Schaumburg⸗Lippe, fr. Volksp.) in der üblichen Weise.

Darauf wird die erste Berathung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes fortgesetzt.

Staatssekretär des Innern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Wenn ich seit Jahr und Tag die vielfachen Aeußerungen in der Oeffentlichkeit über dieses ernste Werk der Zoll⸗ tarifreform hörte, ein Werk, welches uns verpflichtet, mit den sieben Vertragsstaaten unsere handelspolitischen Verhältnisse auf einer neuen Grundlage zu regeln und indirekt damit auch unser handels⸗

politisches Verhältniß zu sämmtlichen meistbegünstigten Staaten, d. h..

fast zur gesammten zivilisierten Welt, anders zu ordnen, so überkam mich oft das Gefühl, mit welch geringer Sachlichkeit und welch ge— ringer Sachkenntniß dieses ernste Werk öffentlich beurtheilt wurde (sehr wahr! rechts; Lachen links), und es fiel mir manchmal das bittere französische Sprichwort ein: La mauvaise foi est l'àme de la discussion.

Meine Herren, zunächst muß ich eine geschichtliche Thatsache hier urkundlich feststellen. Ich sagte seiner Zeit in meiner Eigen⸗ schaft als Schatzsekretär unter dem 21. Januar 1897, daß es nothwendig sein würde, im Interesse unserer künftigen handels politischen Beziehungen einen modernen, d. h. spezialisierten Zoll⸗ tarif aufzustellen, und daß unsere neuen Handelsverträge nicht einfach die Abschrift der alten sein könnten. Dieses Wort hat mir viele gegen mich persönlich gerichtete Angriffe zugezogen. Aber ich muß der Wahrheit die Ehre geben, daß ich nicht der Autor dieses Plans bin, sondern in meiner früheren Stellung als Staatssekreär des Reichs—⸗ Schatzamts lediglich das ausführende Organ des Auswärtigen Amts war, und vorzugsweise des Mannes, der einen hervorragenden Antheil am Abschluß der früheren Handelsverträge hatte, der aber bei diesen Verhandlungen offenbar erkannte, daß unser veralteter Zolltarif ein ungeeignetes taktisches Instrument für die Führung der künftigen handelspolitischen Verhandlungen sein würde, und der deshalb, und bereits unter dem 26. Januar 1892, also anderthalb Jahre, ehe ich überhaupt in den Reichsdienst eingetreten bin, und bevor ich daran dachte, daß ich jemals an dieser Stelle stehen würde, hier im Reichs⸗ tage erklärte:

„Wir werden uns nach zwölf Jahren der Pflicht nicht entziehen können, unseren autonomen Tarif zu revidieren. 2

(Hört! hört! rechts.)

Wir haben daher gar keinen Anlaß, jetzt das Prinzip aufzu⸗ stellen, daß Zolltarife, die unmittelbar vor dem Eintritt in Vertrags verbandlungen errichtet werden, Popanze oder Paxier⸗ existenzen werden.“

Und derselbe Freiherr von Marschall, dessen Verdienste auf handels⸗ politischem Gebiete Sie gewiß gern anerkennen werden, wenn auch abwebrend (Heiterkeit rechts), dieser selbe Mann hat in der Sitzung vom 3 Februar 1897 erklart:

„Der Herr Vorredner bat an eine Aeußerung meines Herrn Kollegen vom Reichs Schatzamt erinnert das war ich damalt, meine Herren die er vor wenigen Tagen bier im Hause gethan hat, indem er die Mittbeilung machte, man sei im Reichs⸗Schatzamt mit der Aufstellung des Entwurfs eines spenialisierten autonomen Zolltarif beschäftigt. Man hat aus dieser Aeußerung draußen im Lande Raxital zu schlagen beabsichtigt, als ob ein klaffender Riß zwischen den bandelsvolitischen Anschauungen des Herrn Grafen von Posadoweko und mir bestände. Das ist in keiner Weise der Fall. Auf die Gefahr bin, daß ich vielleicht etwas Wasser in den Wein

ein ze schüte, muß ich erklären, daß der es Reichs⸗Schatzamts, bevor ung dieses Entwurfs ging, ni der Zustimmung des Herrn versicherte, sondern auch meiner Zustim⸗ Ja, ich kann mittbeilen, daß ich schon vorber aus eigener Iniative meinem Kellegen vom Reichs⸗ Schatzamt wiederbolt den dringenden Wunsch ausge⸗ daß möglichst bald an die Aufstellung tigen Entwurfs gegangen werde.“ ven Marschall sagte weiter bat, um den Nachweis zu fübren den Reichs resserte auf eine weitere Aeußerung des Derrn . ckretãrs des Reichs Schatzamt Bezug genommen, wo sagte, daß nach seiner Ansicht die neuen Handels. verträge nicht einfach eine Abschti erjenigen Handel verträge sein be Anschauung tbeile

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Aber schon damals, als wir diese Verhandlungen mit Rußland führten, war sich alle Welt einig, daß es unbedingt nothwendig sei, zur Information der bureaukratisch zusammengesetzten Regierung aus der Menge der sachverständigen Industriellen und Landwirthschaft⸗ und Handeltreibenden eine ständige Körperschaft zu bilden, die das große Maß ihrer Detailerfahrung der Regierung zur besseren Infor⸗ mation zur Verfügung stellen könnte. Meine Absicht und mein drin⸗ gender Wunsch war es damals, daß sich diese Körperschaft bildete aus der freien Initiative der großen wirthschaftlichen Verbände, und daß die Körperschaft als selbständiges freies Organ der Regierung gegenübertreten sollte. Zu meinem leb⸗ haften Bedauern war dieser Plan nicht zu realisieren, weil sich hier wiederholte, was wir leider in der deutschen Geschichte so oft finden: man konnte sich nicht einigen, wer die Führung haben sollte. Daraufhin entschloß sich die Regierung nothgedrungen, ihrerseits die Bildung dieser Körperschaft und deren Vorsitz in die Hand zu nehmen. Meine Herren, ich kann hier von dem Wirthschaft⸗ lichen Ausschuß nur mit Worten der aufrichtigsten Dankbarkeit und Anerkennung sprechen (Bravo! rechts), und ich muß für diese Körper= schaft, die sich aus Männern der verschiedensten wirthschaftspolitischen und politischen Auffassungen zusammensetzt, hier an dieser Stelle vor dem Lande gegenüber den unzähligen ungerechten Angriffen feststellen, daß die Herren mit einer Sachlichkeit, mit einem Eifer, mit einer Unparteilichkeit gearbeitet haben (Oho! links und bei den Sozialdemokraten; Bravo! rechts), mit einer Unparteilichkeit gearbeitet haben (Bravo! rechts; Unruhe links). Meine Herren, Sie kennen ja die Verhandlungen des Wirthschaftlichen Ausschusses nicht, Sie haben ja immer geklagt darüber, daß es eine Dunkel⸗ kammer sei; ich muß also doch das bessere Urtheil darüber haben. (Zurufe links Meine Herren, bitte, hören Sie doch weiter! ich unterbreche Sie auch nie —, daß diese Herren mit einer Unparteilich⸗ keit gearbeitet haben, die den handelspolitischen Beziehungen Deutsch⸗ lands dauernd zum Nutzen gereichen wird. Und wenn dieser Wirth⸗ schaftliche Ausschuß nichts geleistet hätte, als die Bearbeitung der Produktionsstatistik, die uns ein unschätzbares und noch von keinem Staate der Welt gesammeltes Material über unsere heimath⸗ liche Produktion geliefert hat, selbst dann hätte er sich schon ein bleibendes Verdienst erworben. Wir haben es mit Hilfe des Wirthschaftlichen Ausschusses durchgesetzt, daß ho 00 Betriebe befragt werden konnten und 920 von diesen Betrieben uns geantwortet haben. Wir haben dabei der Eigennutz, das ist eine alte Thatsache, ist oft ein schlechter Rathgeber, und wir haben freilich auch dabei erfahren müssen, daß manche Personen, die sonst auf einem recht freien wirthschaftlichen Standpunkt stehen, wenn es sich um ihre Interessen handelt, oft das rechte Maß verlieren für die Rechte und Interessen der anderen —, aber, meine Herren, wir haben dabei auch so ausgezeichnete Auskunft bekommen, so hervor⸗ ragend sachverständige Darstellungen über den inneren Betrieb der einzelnen Industrien, wie sie kaum eine andere Regierung bisher er⸗ halten haben dürfte, und auch diese Arbeit, das werden Sie in den Verhandlungen der Kommission über jede einzelne Position erfahren, wird eine wichtige Grundlage für unsere gesammten Detailverhand lungen bilden.

Meine Herren, man hat auch gesagt, die Spezialisierung und ich werde im weiteren Verlaufe meiner Rede darauf weiter zurück= kommen sei ein Fehler, sie sei eigentlich nicht nothwendig ge— wesen. Auch da möchte ich mich auf die Ansicht des damaligen Vertreters des Auswärtigen Amts berufen. Er sagte am 8. Fe⸗ bruar 1897:

„Ich bin auch der Ansicht, daß die Grenze zwischen unserem Zolltarif und dem amtlichen Waarenverzeichniß zum theil nicht richtig gezogen ist; dadurch ergiebt sich häufig die Nothwendigkeit von Verschiebungen im amtlichen Waarenverzeichniß, daraus ent stehen Reklamationen von auswärtigen Staaten, selbst Konflikte, wir setzen uns sogar dem Verdacht aus, daß wir nicht vollkommen loval verfahren.

Nun gestatten Sie mir eine weitere zolltechnische Erörterung, die jwar recht schwierig ist, die ich aber versuchen werde, so klar wie möglich zur Darstellung zu bringen. Gestern hat mein verehrter Herr Kollege vom Reichs Schatzamt Ihnen schon gesagt, wobin in unserem Zolltarif bei bandelepolitischen Verbandlungen die großen Sammelvositionen fübren. Weil wir feine Eisenwaaren“ einer Anzabl von Vertragsstaaten gegenüber gebunden batten, so waren die meistbegünstigten Staaten in der Lage, bei dem minimalen Zoll, der auf diesen zum tbeil kostbaren Waaren liegt, Präzisiong⸗ maschinen, wie Nähmaschinen, Fabrräder, in Deutschland massenbaft einzjufübren zum schwersten Schaden unserer entsprechenden Industrien, obne daß, wie ich bemerke und das ist das Charakteristische bei der Sache , wir von den meistbegünstigten Staaten rgend eine Gegenleistung bierfür erbalten bätten. Ich glaube, wenn man an dieser Stelle stebt, bat man die Pflicht, rüäckbaltlos seine Ansicht ju sagen, und ich will mich deshalb jetzt noch zu einer abn⸗ lichen Frage offen äußern. Ich bin mir jweifel baft. ob diejenigen welche für eine bobe Verzollung von Quebrachobol sind, damit das Ziel erreichen werden, was sie erreichen wollen, nãmlich eine Erbaltung des deutschen Schälwaldes; aber das stebt fest, daß durch die Bindung des großen Artikels J. Roberzeugnisse zum Gewerbegebrauch gegenüber unseren Vertragtstaaten, die meistbegünstigten Staaten in der ze waren und darauf lege ich den Nachdruck ohne Gegenkontession im Interesse unserer Auefubr diese Massen werth⸗ er Robmateri

ebenfalls

Deutschland einzufübren Meine Herren, wie

baben jetzt 357 Nummern in unserem

Entwurf die Nummern auf 918 Positionen

zealisierung ist Gegenstand ernsibafter Angriffe

r en aber die Tarife anderer Staaten auß? Und

meine ich, ist dech wobl das Entscheidende. Frankreich bat in

inem Tarif 651 Nummern, obgleich ich glaube, daß die franzesische

ndustrie mit dem setzwgen Justand der deutschen Industrie sich nicht

br messen kann, Rumänien bat 576 Nummern, die Schwein, ein

gegenüber Deutschland sfleiner

476 Nummern, und zereinigten Staalen ven Amerika

inichlicỹlich de Freiliste, 705 Nummern Meine

nern, die Auflöfung

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und unsere Unterhändler haben sich darüber schlüssig zu machen, große Sammelpositionen in unserem Zolltarif zu binden oder zollfrei zu machen, so werden sie sehr vorsichtig sein müssen, sich auf eine Ver⸗ handlung über eine solche Position einzulassen, weil man bei solcher Sammelposition in den meisten Fällen die Tragweite der Zollfreiheit oder der Bindung garnicht übersehen kann, indem viel zu viel heterogene Dinge in derselben zusammengefaßt sind. Hierdurch ver⸗ ringern sich aber unsere Kompensationsobjekte.

Wie stehen die Sachen aber zahlenmäßig? Und ich bitte, meine Herren, daß Sie mir hierbei folgen, um vielleicht auch dem Schlusse, den ich aus meinen Zahlen ziehen will, beistimmen zu können. Von dem Einfuhrüberschuß Deutschlands kommen über 61,4 0/09 aus den meistbegünstigten Staaten und nur 34300 aus den Tarifstaaten. (Hört, hört! rechts) Mit anderen Worten: aus den meistbegünstigten Staaten empfangen wir einen Einfuhrüberschuß von 640 Millionen, und aus den Vertragsstaaten empfangen wir nur einen Ueberschuß von 466 Millionen. (Hört, hört! rechts) Dabei möchte ich neben⸗

sächlich bemerken, daß sich unser Einfuhrüberschuß aus Amerika seit

dem Jahre 1891 mehr als verzwölffacht hat, und daß unsere Ein⸗ fuhr von dort für sich seit 1891 von 402 Millionen auf 1005 Millionen gestiegen ist. (Hört, hört! rechts.)

Woher kommen aber unsere Rohstoffe? Unsere Rohstoffe kommen überwiegend aus den von uns meistbegünstigten Staaten. Ich habe hier eine Zusammenstellung in dieser Beziehung vor mir liegen. Danach kommen aus den meistbegünstigten Staaten Rohstoffe im Werthe von rund 1370 und aus den Vertragestaaten nur Rohstoffe im Werthe von rund 300 Millionen. (Hört, hört! rechts.)

Die meistbegünstigten Staaten sind aber diejenigen Staaten, die entweder noch keine Industrie haben oder eine erst im Aufkeimen, in der Entwickelung begriffene Industrie; das sind aber auch die Staaten, wohin wir das dringende Interesse haben, unsere Ausfuhr zu leiten (Sehr richtigh, und ich möchte dabei in Parenthese bemerken daß eine Anzahl großer, meistbegünstigter Staaten von ihrem Standpunkt durchaus korrekt ihre Fabrikation fortgesetzt zu entwickeln suchen, weil sie mit Recht folgern: wo die Rohstoffe sind, ist es ein naturgemäßer Vorgang, daß man auch die Fabrikate daraus herstellt; ja daß es sogar meistbegünstigte Staaten sind, die sehr ernstlich sich mit der Hoffnung tragen, daß sie vielleicht in 10 Jahren beispielsweise unsere Zuckerausfuhr ganz ausschließen können.

Ich gestehe Ihnen hierbei offen, ich halte es für einen wirth⸗ schaftlichen Grundirrthum, auf die schlechte ökonomische Lage eines Landes zu schließen aus der passiven Handelsbilanz desselben. (Sehr richtig! rechts) Eine passive Handelsbilanz ist nur der Beweis dafür, daß wir durch größere wirthschaftliche und intellektuelle Regsamkeit, durch größeren Fleiß verstehen, fremde Rohprodukte, die in anderen Staaten nicht verarbeitet werden, unsererseits in werthvolle, ausfuhr⸗ fähige Fabrikate zu verwandeln. (Sehr wahr! links. Also ich stehe auf dem Standpunkt: eine passive Handelsbilanz ist nicht ein Zeichen eines ökonomischen Niederganges eines Staates; aber und darin werden mir vielleicht auch die Herren, die den Zolltarif bekämpfen, doch Recht geben man muß in der Lage sein, seine passive Handels- bilanz zu bezahlen. Sonst wird ein Staat mit einer fortgesetzt passiven Handelsbilanz schließlich ausgepowert.

Nun, womit bezahlen wir unsere passive Handelsbilanz? Wir bezablen sie zunächst mit den ausgeführten Fabrikaten, die wir her⸗ stellen aus den Robstoffen ihrer Ursprungsländers wir bezahlen sie mit dem Gewinn aus unserer Schiffahrt, aus unseren Frachten; wir bezablen sie endlich aus den Zinsen der deutschen Kapitalien, die im Auslande investiert sind.

Wenn wir aber uns vor einer Entwickelung befinden, daß gerade die meistbegünstigten Staaten, denen wir die Rohstoffe mit über 1370 Millionen zu bezahlen haben, anfangen, durch vollkommen prohibitive Zölle sich immer mebr abzuschließen gegen die Einfuhr unserer Fabrikate, daß ferner unsere Schiffsfrachten, wie ich nachher noch statistisch nachweisen werde, immer mehr zurückgehen, wenn es endlich dem deutschen Kapital immer schwerer gemacht wird, sich im Auslande zu investieren, dann, meine Herren, folgt daraus mit unerbittlicher Logik die einzige Thatsache: wir müssen unseren Zolltarif im Interesse unserer Ausfuhbrindustrie, far die ich jetzt spreche, so spezialisieren, wie nur möglich, um nicht in die Lage zu kommen, große Sammelpositionen unseren Tarif- Vertragsstaaten gegenüber im Wege der Verhandlung preisgeben zu müssen und dann den meistbegünstigten Staaten diese Konzessienen ohne jede Gegenleistung in den Schoß zu werfen. (Sehr wahr! rechts. Sebr richtig! links.)

Und welche große Rolle die wirtbschaftlichen Leben spielt, davon ich will Sie mit Zablen nicht zu sebr ermũden möchte ich Ihnen einige Proben geben, welche wir der von uns angestellten Produktionestatistik für das Jahr 1897 verdanken. Von unserer gesammten Fabrrad⸗Industrie geben über 20 00 ing Ausland, von unserer Stablfeder ⸗Industrie über 25900 von unserer Näbnadel⸗Industrie über 68 o, von unseren Näbmaschinen über 45 90 ich nenne bier immer nur die großen Zablen von unserer Tertilindustrie müssen wir über 20 60 ausfübren, und davon fallen 1 B. auf die Auefubr von seidenen und balbseidenen Waaren über 56 oM unserer eigenen Produktion, von den Wirkwaaren über

a, von Posamentierwaaten über 41 , von Stickereien über 520 Unsere chemische Industrie ist i 340 auszufübren, unsere Porjellanindustrie rund 67 9 unsere Kautschukindustrie über 530 dustrie führt fast 69 M aug, unsere

a

Ausfubr in unserem

3 osg, unsere Svielwaarenin Musskinstrumentenindustrie Hl osο und unsere Ubrenindustrie 43 o/. Unsere Zuckerindustrie endlich fäbrt aber 2 Yo aus.

Meine Herten, ich frage Sie nun, wenn es ung nicht moglich sst. durch enen svenialisierten Tarif Kompensationgobijekte ju schaffen gegenüber den meistbegänstigten Staaten, und ung ju diesem Zwecke dicse Obielte ju resewieren, statt sie in Sammel vositienen, die sũr unfere Vertragsstaaten unter Umständen sebr geringes Interesse baben, zu verschenken, und wenn ferner die industrielle Entwickelung der meist ·

Siaaten in dem bieberigen Temro ferischreitet ich eine Herren, wag soll dann aut unserer Ausfubrindustrie

auch bierfür, meine Herten, noch einige Bei⸗

hierfür Amerika beraug: unsere ugfubr

an Glasmaaren ist seit dem Jabre 1894

mlen. Unsere Maschinen⸗ und In⸗

strumentenindustrle, die früber über 9. Millionen ausführte, fũbtt nur nech 73 Millionen aus. Die Leinenindustrie, die frũber 12 Millienen auefubrte, führt nur nech 7 Millionen dabin aun.

An Literatur⸗ und Kunstgegenständen, die früher an der Aus⸗ fubr nach Amerika mit 22 Millionen betheiligt waren, werden nur noch 1636 Millionen ausgeführt. An Seiden und Seiden⸗ waaren, von welchen früher über 49 Millionen nach den Ver— einigten Staaten ausgeführt wurden, werden nur noch etwa über 30 Millionen ausgeführt. In Wollengarnen und Wollenwaaren ist die Ausfuhr von 21 Millionen auf 12 Millionen gesunken.

Wenn wir also auf Veranlassung des Auswärtigen Amts seiner Zeit an die Ausarbeitung eines moderneren, spezialisierteren Tarifs gegangen sind, so haben wir nicht so sehr gehandelt im Interesse des Schutzes unserer Produktion für den heimischen Verbrauch, sondern eminent im Interesse der Erhaltung unserer Aus fuhrindustrie, deren Märkte erhalten werden müssen, wenn unsere Arbeiter in Deutschland ernährt werden sollen. Ich glaube, daß diejenige wirthschaftspolitische Richtung, die im Interesse unserer Ausfuhr gegen den Zolltarif in der Oeffentlichkeit gefochten hat, sich in diesem Rennen auf ein falsches Pferd gesetzt hat.

Zu meiner Ueberraschung hat gestern der Herr Abg. Molkenbuhr den Einwand erhoben, Amerika, mit dem wir ja in den freundschaft⸗ lichsten Verhältnissen stehen, hätte eine schutzzöllnerische Politik nur eingeschlagen, weil wir vorgegangen wären, ich glaube, gegen amerikanischen Speck. Das ist ein Irrthum. Amerika hat seine Schutzzölle eingeführt nicht gegen Deutschland, sondern gegen die ganze Welt. Es hat seine Schutzzölle eingeführt seit dem Jahre 1789, und wenn es eine Zeit lang gewisse Ermäßigungen eintreten ließ, so war es wegen des wachsenden Einnahme-Ueberschusses und zum theil, so auch 1890, unter gleichzeitiger Steigerung eigentlicher Schutzzölle. Daß diese Maßregel in unerwarteter Weise zur Hebung der amerikanischen Finanzen beigetragen hat, ist bekannt.

Aber der Schatzsekretär der Vereinigten Staaten sagte in seinem Jabresbericht vom 4. Dezember 1889:

Einer der Hauptgesichtspunkte bei Erhebung der Einfuhrzölle anläßlich der ersten Tarifnovelle vom Jahre 1889 war die Förde— rung unserer Fabrikanten, sowie Schutz derselben. Der so auf— geworfene Lehrsatz hat sich mit Zunahme unserer Zivilisation und unserer Größe mehr und mehr erweitert, und wie verständig der— selbe gewesen ist, beweist die geradezu wunderbare Haltung unserer heimischen Industrien, welche durch Zölle geschützt waren.“

Meine Herren, ich glaube, das ist ein unwiderleglicher Gegen beweis gegen die Behauptung, daß Deutschland es gewesen ist, das Amerika schutzzöllnerisch gemacht habe. Amerika ist schutzzöllnerisch geworden um der Entwickelung seiner eigenen nationalen Industrie willen. Ich möchte nun zunächst noch die eine Frage stellen: sind wir denn überhaupt hochschutzzöllnerisch? Ist der Tarif, über den man auch in der ausländischen Presse so viel geklagt hat, thatsächlich hoch⸗ schutzzäͤllnerisch? (Zuruf links, Heiterkeit) Ich habe hier eine Zu— sammenstellung darüber, wie sich in den einzelnen Staaten die Zoll— einnahmen verhalten zu dem Werthe der Einfuhr. Ich glaube, das ist doch immerhin der objektivste Maßstab. In den Vereinigten Staaten betragen die Zolleinnahmen vom Werthe der Einfuhr 27,50 o, in Frankreich 66 oeso, in Italien 13,71 Cso, in Rußland innerhalb der europäischen Grenzen, wie ich bemerke, 3251 060 und, meine Herren, wie viele Prozente betragen die Zoll— einnahmen von dem Werth unserer Importe? 904 0,0. (Hört! bört! rechts. Zuruf links) Wie aber in Zukunft, wenn dieser Zoll— tarif vom Reichstage bearbeitet sein wird, und wenn wir unsere Handelsverträge abgeschlossen haben werden, dieser Prozentsatz sich stellen wird, das kann heute kein Mensch voraussehen, aber daß dieser Projentsatz ganz wesentlich zurückbleiben wird hinter Prozentsätzen, wie ich sie hier vorgelesen habe, ist ebenso unzweifelhaft. Also daß wir in Deutschland hochschutzzöllnerisch sind gegenüber den anderen Staaten, ist eine Behauptung, die nicht erwiesen werden kann.

Wir müssen unser deutsches Erwerbeleben schützen aus vielen Gründen, die auszuführen zu weit sein würde. Aber einen Grund will ich anführen: man kann nicht eine freihändlerische Dase inmitten von Schutz ollländern gründen. (Heiterkeit links, sehr richtig! rechts.) Man bat uns in der Presse, in der Oeffentlichkeit, in Versammlungen für unsere Zollvolitik verschiedene Vorschläge gemacht; man bat uns gerathen, wir müßten Erziehungszöllen einführen. Unter Erziehung zöllen verstand man in der früheren Zolltechnik solche Zölle, die be⸗ stimmt waren, eine in der Entwickelung begriffene Industrie, die noch mit verbältnißmäßig großen Bruttokosten arbeitet, weil sie noch lein ausreichend angelerntes Arbeitewersonal bat, weil sie die Technik noch nicht genug beherrscht, durch Schutzßölle emporzunieben. Solche Erfiehungszölle sind in Amerika eingeführt, solche Erziehungsjölle besteben in Rußland. Bei der Erörterung in der Oeffentlichkeit verstand man aber unter Erfiehungezöllen etwas ganz Anderes, da verstand man darunter Zölle, die wir herabsetzen sollen, um durch unser gutes Beispiel andere Staaten beim point d'honneur zu fassen, daß sie ibre Zölle auch berabsetzen (Deiter keit! Wir baben diesen Versuch einmal gemacht bei den Zucker⸗ vrämien, wir waren die Edlen, welche die Zuckertreype berunter⸗ egangen sind, aber kein Mensch ist uns gefolgt, im Gegentheil, man war sebr froh, daß wir das gethan baben, und wenn unsere Zucker- industrie nicht an den Rand des Abgrundeg kommen sollte eine Fabrik nach der anderen wurde bankerott waren wir gezwungen, die Zuckertreppe wieder beraufnikommen und ung wieder an die Tafel zu setzen, wo die anderen speisten. (Sehr richtig! rechts)

Man bat ung auch einen anderen Vorschlag gemacht, der sich auf derselben Linie bewegt. Man bat ung nämlich gesagt, wir bätten in unseren autonomen JZelltarif die Konventionalsätze ein⸗ setzen sollen. Wag heißt das? Die Konventienalsätze sind diejenigen Sätze, die wir erreicht baben im bandelepolitischen Kampfe mit anderen Staaten; sie stellen die Minimalsätze dar, die wir bei Verbandlungen mit anderen Staaten noch ertragen konnten, um unsere Indastrie lebenefäbig zu erbalten. Und dieselbe wirtbschaftevolitische Richtung, die sich mit Hand und Fuß gegen den Gedanken eines lůckenlosen Dopveltarifs wehrt ein Gedanke, der nie und an keiner Stelle innerhalb der Regierung jemals bestanden bat (bört! hört!) niemal! diese selbe bandelepolitische Richtung, die den Deppel- tarif damit bekämpft, daß man durch die Minimalsätze sosert dem

*

Gegner seine Teniessionen deklarierte, bat den Mutb, uns anzurathen

wir sollten einen Zolltarif aufstellen, in welchen unsere Konvent ionalsatze die in langen Kämpsen gegen Kenzessionen gewährt sind, als autonome ätze eingesetzt würden. (Bewegung) Ja, ich würde wirklich einen nat bewundern, der unter selchen Verbältnissen sich mit ung noch bandelevolitische Verbandlungen einließe. Denn, wenn wir ansere Rondentionalsätze als autonome einsetzen, baben wir nicht?

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mehr zu bieten; das sind dann die Mindestsätze, welche wir im Interesse unserer Industrie aufrecht erhalten müssen. Die fremden Staaten würden nie glauben, daß wir diese Konventionalsätze ein⸗ gestellt haben als Erziehungszölle, um die anderen Staaten durch unser gutes Beispiel von ihrem Hochschutzzollsystem zu bekehren, sondern würden selbstverständlich annehmen, wie man das von jedem vernünftigen Menschen glaubt, der sein Vaterland lieb hat (Unruhe links), daß wir die Sätze eingesetzt haben in unserem eigenen nationalen Interesse, daß diese Sätze unseren Interessen entsprachen. (Bravo! rechts)

Nun gestatten Sie mir noch eine kleine zahlenmäßige Be⸗ merkung. Man hat über diesen enorm hochschutzzöllnerischen Zolltarif geklagt und hat und Sie werden es uns nicht verdenken, wenn auch uns das bitter macht die gehässigsten Kritiken über diesen Zolltarifentwurf in der Presse veröffentlicht und sich nicht einmal die Mühe genommen, unseren autonomen Tarif an⸗ zusehen. Man hat über Zollerhöhungen gesprochen, die in unserem gegenwärtigen autonomen Zolltarif bereits stehen und nur in den Entwurf übernommen sind. Was hat sich nun in den einzelnen Sätzen thatsächlich geändert? Der Zolltarif weist 946 Stellen auf. Wir halten uns nicht für unfehlbar; wir sind sehr gern bereit, wo wir vorbeigegriffen haben bei einer so komplizierten, schwierigen Arbeit, uns in diesem hohen Hause eines Besseren belehren zu lassen. Von diesen ga Positionen sind 314 oder 33,A,2 0/0 überhaupt vollkommen unverändert geblieben, 65 Positionen oder 6,9 oo theils ermäßigt, theils unverändert geblieben, 44 Positionen oder 446 ermäßigt gegenüber dem autonomen Tarif, 241 Positionen oder 25,5 0 o er⸗ höht und 282 Positionen theils erhöht, theils unverändert geblieben, theils ermäßigt. Wenn Sie nur dieses zahlenmäßige Ver— hältniß ansehen, so werden Sie nicht behaupten können, daß wir einen hochschutzzöllnerischen Tarif aufgestellt haben, daß wir hochschutzzöllnerische Tendenzen verfolgen. Ich bin der Ansicht: ein Zolltarif ist nicht eine politische Frage, man darf sie auch nicht zu einer politischen machen, es ist eine wirthschaftliche Frage, ebenso wie die: ob Freihandel oder Schutzzoll. Ich möchte deshalb den Herren von der linken Seite des Hauses doch einmal die Erwägung anheimstellen, ob sie recht thun, wenn sie sich namentlich gegen eine größere Spezialisierung unserer Industriezölle und auch gegen eine theil⸗ weise Erhöhung derselben aussprechen. Warum haben wir denn die großen Sammelpositionen getrennt? Weil sie die heterogensten Dinge von den verschiedensten Ein- und Ausfuhrwerthen enthielten, weil darin Positionen stehen, die zum theil mit 30 ihres Werthes, zum theil mit 120, ihres Werthes verzollt werden. Was heißt überhaupt hohe industrielle Schutzzölle? Das Rohmaterial, das wir aus den meist— begünstigten Staaten bekommen, ist in der Regel dasselbe, ob wir eine Präzisionsmaschine herstellen oder ein ganz rohes Geräth machen. Der Zoll und der höhere Werth der Waare liegt in der darauf ver⸗ wendeten größeren Intelligenz und in der darauf verwendeten größeren Arbeit. Wenn wir deshalb unseren Zolltarif mehr spezialisieren, so thun wir nichts, als daß wir die Intelligenz und die Arbeitstächtigkeit des deutschen Arbeiters, entsprechend dem Werthe seiner Arbeit und dem Werthe der von ihm bergestellten Waare, in höherem Maße schützen. (Sehr richtig! rechts.)

Nun frage ich Sie: was wollen denn die Freihändler? Was wollen denn die Gegner des Zolltarifs? Ich spreche jetzt zunächst von den industriellen Zöllen. Wer auf dem Standpunkt steht und sagt: die Regierung treibt eine richtige Wirthschafts—⸗ politik, welche die Rohstoffe und die Fabrikate überall daher bezieht, wo sie am billigsten sind, der muß, wenn er konsequent ist, einen Antrag in drei Zeilen stellen: Die Schutzzölle werden überhaupt aufgehoben, land wirtbschaftliche und industrielle, und ich kann zu meiner Freude mit Herrn Molkenbuhr darin vollkommen einverstanden sein, daß es prinzipiell das Gleiche ist, ob ich einen Doppel zentner Weizen oder einen Doppel jentner Garn versteuere; schließlich wirkt es in derselben Weise. Wie wollen Sie aber in Deutschland solch ein Spstem durchfübren? Um die Einnahmen aus unseren Schutzzöllen zu ersetzen, müßten Sie kolossale direkte Steuern erheben. Wenn wir das thäten, würde der Erfolg eintreten, den man uns beim Börsengesetz immer voraus⸗ sagte, der aber nie eingetreten ist, nämlich daß die reichen Leute aus Deutschland auswanderten. Ferner, wenn Sie sich über ˖ zeugten, daß eine solche Finanzwolitik überbaupt nicht durchfübrbar wäre, dann müßten Sie zu dem englischen System übergehen, nur auf gewisse Cinfuhrartikel enorm bobe Schutzjzolle zu legen, um die 500 Millionen Mark wieder zu vereinnahmen, die uns an Zöllen durch den Freihandel verloren gingen. Ein solches Spstem kann man vielleicht in England, in einem Insellande mit schwer abordablen

Küsten einfübren. Wollten Sie aber so bobe Schutz;zölle in Deutsch⸗ land einführen, in einem Lande mit drei trockenen Grenzen und mit einer verbältnißmäßig leicht abordablen Seeküste, so müßte eine Armee aufgeboten werden, um den Schmuggel zu unterdrücken

Zustimmung rechts) Also dieses System ist nicht gangbar.

(Lebhafte

Gestebt man aber zu, daß man den radikalen Freibande durchführen kann, kompromittiert man also mit der Ansicht, de Staat aus sinanziellen und aus wirtbschaftevolitischen Gründen der Zwangelage ist, Schutznölle zu erbebe ausgepowert werden sell von anderen Schutz zolle erbeben, dann, meine wenn wir vor dem Abschluß steben, daß wir in Frage eintreten taktisches Instrument, um unsere ne zu schützen und so gut vflichtmãñß ig können? Aus diesem Gefübl der keit baben die ver⸗ bündeten Regierungen die Aufstellung eines neuen Zolltarifs be⸗ schlessen, se baben aus diesem Gefübl der Berantwertlichkeit heraus Ihnen den Jolltarif vorgelegt, und sie sragen vor der Geschichte und der lebenden Berölkerung diese Verantwortlichkeit gern und willig.

11 2 n, wenn er nicht vollständ

Staaten, die

(Bravo!) tien Verredner gestern aus der Mitte des boben Hauses eigentlich nur mit den landwirthschaftlichen Jöllen befaßt

lente aber Werth darauf, in meinen bisherigen Augfübrungen

Frage des Jelltarifs auch nech eine an 2

ines Grackteng ebenso wichtig

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Wer anvarteilsch die Entwickelung der letzten 10, 1852 2 2

trachtet, der wird jugesteben müssen, daß unsere Industrie einen

* 8 . . 22 6. wunderbaren Aufschwung genommen,

daß sie große Vermögen erworben

hat; er wird aber auch ebenso gut zugestehen müssen, daß dieser Auf⸗ schwung der Industrie gleichzeitig zusammenfiel mit einem Zustande der deutschen Landwirthschaft, der für sie zum theil sehr niedrige, unzureichende Preise und einen noch viel schwerer zu ertragenden Leute⸗ mangel bedeutete, letzterer förderte eine Erscheinung, die ich vom sozialpolitischen, ich sage ausdrücklich vom sozialpolitischen, und auch vom politischen Standpunkt für eine sehr gefährliche halte die Zwangslage, Tausende fremder Arbeiter über die Grenze herüber zu ziehen, um überhaupt unsere Landwirthschaft über Wasser zu balten. (Sehr richtig! rechts) Man wird also gerechterweise zugesteben müssen, daß der Aufschwung unserer Industrie mit der denkbar schwierigsten Lage unserer Landwirthschaft verbunden war, und wenn Sie, meine Herren, erwägen, welche gewaltigen Vermögen, welche gewaltigen Ge⸗ winne in der Industrie erworben sind, und damit die Rentabilität unserer Landwirthschaft vergleichen, Sie mögen die Ertragsberechnung aufstellen, wie Sie wollen, so werden Sie zugestehen müssen, daß unsere Landwirthschaft sich in der Zeit unseres industriellen Aufschwungs in der denkbar schwierigsten Lage befand. (Sehr richtig! rechts.)

Auf Grund zahlenmäßigen Materials ist man geneigt, die wirth⸗ schaftspolitische Bedeutung unserer Landwirthschaft zu unterschätzen. Statistik ist eine sehr schöne Wissenschaft, sie muß aber richtig an⸗ gewandt werden. Man stellt immer so glatt gegenüber: etwas über 340,9 von unserer Bevölkerung entfallen auf die Landwirthschaft, und etwas über 65 o / entfallen auf die übrige Bevölkerung, also ist Deutsch⸗ land in steigendem Maße Industriestaat, und die Interessen der Land⸗ wirthschaft können ein entscheidendes Schwergewicht für sich nicht mehr beanspruchen. Meine Herren, zunächst muß ich demgegenüber fest⸗ stellen, daß von der Landwirthschaft fast 18 Millionen Menschen er⸗ nährt werden, und daß sie deshalb einen Gewerbszweig darstellt, der der bei weitem größte ist, an den kein anderer Erwerbszweig in seiner Zahl auch nur annähernd heranreicht. Ich erinnere Sie daran, daß gegenüber den fast 18 Millionen, die in der deutschen Landwirth⸗ schaft ihren Unterhalt finden, 2.56 Millionen vom Waarenhandel, etwas über 1 Million von der Kohlenförderung, etwa 500 000 vom Hüttenbetrieb, etwa 240 000 von der Erzgewinnung sich nähren, also Zahlen, die verschwindend sind gegenüber der Bevölkerungszahl, die sich von der Landwirthschaft nährt. Dann muß man dazu rechnen, wenn man das wirthschaftliche Schwergewicht der Landwirthschaft voll⸗ kommen würdigen will, noch eine ganze Anzahl von Erwerbszweigen, deren Gedeihen und Verderben mit der Landwirthschaft eng ver⸗ bunden ist. Ich erinnere Sie an die Bauunternehmer mit etwas über 1 Million, an die Maurer, mit etwa 13 Millionen, eine große Anzahl Industrien, wie Kalkgewinnung, Kiesgewinnung, Gewinnung gewisser Rohstoffe, die mit der Landwirthschaft zusammenhängen, unsere ganze Zucker⸗ und Branntweinindustrie. Dann aber auch noch das sozial⸗ politische Moment! Es ist kein Wirthschaftszweig in unserem ganzen wirthschaftlichen Leben, in dem man so leicht selbständig werden kann als in der Landwirthschaft, und das halte ich für einen großen sozial⸗ politischen Gewinn. Ich werde mich darüber noch mit dem Herrn Abg. Molkenbuhr gelegentlich unterhalten; unsere Ansichten kommen hier etwas zusammen. (Zwischenruf rechts) Es ist unbedenklich! Heiterkeit.)

Meine Herren, die Zahl unserer selbständigen Landwirthe bat seit dem Jahre 1382 um 120, zugenommen. Die Abnahme der land⸗ wirthschaftlichen Bevölkerung beruht also nur auf den Angestellten, Arbeitern und Dienstboten. In der Landwirthschaft kommen auf einen Selbständigen nur 2,X Abhängige, während im Hütten und Salinen betrieb beispielsweise auf einen Selbständigen über 199 Abhängige kommen. Ich meine, also schon in diesem Zahlenverhältniß, das ich Ihnen hier vorführe, liegt ein sozialvolitischer Vorzug der Landwirth⸗ schaft, der die Vertreter aller Parteien in eine freundliche Stellung zur Landwirthschaft bringen muß. (Sehr richtig! rechts, Zwischenrufe links.)

Meine Herren, Sie sind doch nicht die Feinde der Landwirth⸗ schaft! Nein, Sie baben immer gesagt, Sie sind ihre Freunde, Sie sind nur Feinde der Landwirthe, soweit sie übermäßige Forde rungen stellen, und meine Ausführungen beziehen sich doch nur auf die Landwirthschaft als solche. Ich meine, Sie können also Ihren Widerspruch nicht aufrecht erhalten.

Nun kommen zu den 23 Millionen Selbständigen in der Land⸗ wirthschaft noch über 2 Millionen Landwirthe, die die Landwirtbschaft im Nebenbetriebe betreiben, Arbeiter, Handwerker, die müssen Sie zum großen Theil meines Erachtens auch der landwirtbschaftlichen Be⸗ völkerung zurechnen. (Sehr richtig! rechts.)

Der Herr Abg. Mollenbubr hat in Bezug auf die Landwirtb- schaft darauf bingewiesen, daß technisch rückständige Produktions verfabren auch sonst vor vollkommeneren weichen müssen, wie 3. B. die Handspinnerei und Handweberei vor der Maschinenindustrie. Das ist durchaus richtig; der Herr Abgeordnete irrt aber, wenn er die deutsche Landwirthschaft für technisch rückständig hält. (Sehr gut! rechts) Ich kann Ihnen hierfür unanfechtbare Zahlen geben.

In Deutschland baben wir im Jahre 1893 auf einen Hektar 1481 Dorvpeljentner Weizen geerntet, dagegen in Rußland nur 3 Dorrelientner, in Dst⸗Indien 5,63 Doppeljentner, in den Ver- einigten Staaten 35 Doppel jentner. (Dört, hört! links.) Roggen baben wir im Jahre 1895 in Deutschland geerntet 12 Doppel“ zentner, in Rußland nur 7 Doppeljentner auf den Hektar und in den Vereinigten Staaten nur S, 32 Doppeljentner. Aehnlich verbält es sich mit Gersse und Hafer. Eine Landwirtbschaft, die bei unseren so außerordentlich kurzen Vegetationgieiten und unseren ungünstigen flimatischen Verbältnissen solche Bruttoerträge erzielt gegenüber Ländern mit viel längeren Vegetationeverioden, mit viel günstigeren flimatischen Verbältnissen, eine solche Landwirtbschaft kann man nicht technisch räckständig nennen. Die Schwierigkeit unserer Landwirtb⸗ schaft liegt nicht in ibren mangelbaften Bruttoerträgen, sondern in ibren geringen Reinerträgen, und darauf gestatten Sie mir jetzt mit ein vaar Worten ju kommen.

Prosessor Heward in Leipnig bat durch Jabre bindurch die Ver- bältnisse von 110 Musterwirthschaften studiert. Er bat dabei sest⸗ gestellt und er ist ein Sachkenner allerersten Rangeg —, daß die Getreidepreise der letzten Jabrjebnte eine Steigerung der landwirth⸗ schaftlichen Erträge nicht mebr juließen, weil sie unvrodutiv sein würden. und daß diese Getreidepreise die Landwirtbschaft nötbigten. ertensid ju wöirtbschaften (sebr richtig! rechte), well senst die Brutto

g Verbältniß jum Reinertrag viel u bech seien der Landwirtbschaft immer ja, mit dem Getreide nicht mebr machen, ibr möäßt euch auf die Wieb- Ach frage sedes Mitglied dieseß beben Vauseg, dag

and wir tbichaft etwas derstebt und selne Kenntniß nicht nur