1904 / 13 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Jan 1904 18:00:01 GMT) scan diff

Per sonalver änderungen. öniglich Preußische Armee.

Offijiere, Fähnriche . Ernennungen, Beförde⸗ rungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. Breslau, 12. Januar. v. Gaba in, Oberlt., im Inf. Regt. 56 Hiller bon Ggertringen . Posen.) Nr. 59, in das Inf. Regt. Markgraf Karl (7. Brandenburg.) Nr. 60 versetzt. von Scheven, Lt. im 2. . Ulan. Regt. Nr. 14, vom 1. Februar d. J. ab auf ein 8. r zur Sehe t af in Bukarest kommandiert. Gamp, Lt. im . 3 Regt. Nr. 73, in das 2. Oberschles. Feldart. Regt.

r. 57 versetzt. ö der beim Sanitätskorps im Monat De—⸗ ember igos eingetretenen Veränderungen. Durch Ver ,. des Generalstabsarztes der Armee. Mit Wahr— nehmung offener Assistenzarztstellen sind beauftragt worden:

83 . Dr. Heise, einjährig freiwilliger Arzt beim 9 Regt. Prinz⸗Regent Luitpold von Bayern (Magdeburg.)

r. 4, unter Versetzung jum Fußart. Regt. Encke (Magdeburg. Nr. 4, Forjahn, einjährig- freiwilliger Arit beim Großherzogl. Mecklenburg. Füs. Regt. Nr. 99, unter. Versetzung zum Schlegwig⸗ Holstein. Trainbat. Nr. 9, beide unter Ernennung zu Unterärzten

des Friedensstandes. . - Wegener, Unterarzt beim 5. Westfäl. Inf.

R , egt. Nr. 53. gtzg Dezem ber. Stephan, Unterarzt beim 1. Masur. Inf. Regt. Nr. 146, Frief, einjährig-freiwilliger Arzt beim 3. Nieder⸗ ale Inf. Regt. Nr. 50, unter Versetzung zum 2. Niederschles. Inf. egt. Nr. 47 und Ernennung zum Unkerarzt des Friedensstandes.

11. Dejember. Illing, Unterarzt beim 1 Lothring. Inf.

Regt. Nr. 150, zum 3. Lothring. Inf. Regt. Nr. 135 versetzt.

Königlich Bayerische Armee.

Offiziere, Fähnriche ꝛ. Ernennungen, Beförde rcungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. 29. Dezem ber. List, Fahnenjunker, Unteroff. im 2. Ulan. Regt, König, Schlee, Vizefeldw. der Res., zur Zeit dienstleistend im Eisenhahnbat, in diesem Bat., Kaufmann, Fahnenjunker, Unteroff. im 2. Ulan. Regt. König,

zu Fähnrichen befördert. .

14. Januar. Heydenreich, Oberst z. D. beim Beʒirks⸗ kommando Nürnberg, Hueber, Oberstlt. z. D. beim Bezirkskom⸗ mando Ludwigshafen, zu Bezirkskommandeuren ernannt. Unter birker, Major z. D. beim Bezirkskommando Landshut, zum Bezirks- kommandeur, Frhr. v. Crailsheim, Rittm. und Eskadr. Chef im 1. Ulan. Regt. Kaiser Wilhelm II., König von Preußen, zum Ad- 1 beim Generalkommando J. Armeekorps, Aschauer, Oberlt. es 18. Inf. Regts Prinz Ludwig Ferdinand, unter Beförderung zum Hauptmann, zum Komp. Chef im 8. Inf. Regt. Großherzog Friedrich von Baden, Buz, Oberlt. des 2. Chev. Regts. Taxis, unter Be⸗ förderung zum Rittm., zum Eskadr. Chef im 1. Ulan. Regt. Kaiser Wilhelm II., König von Preußen, Kappler, Lt. im 4. Inf. Regt. König Wilhelm von Württemberg, zum Erzieher am Kadettenkorps, ernannt. Walther von Walderstötten, Major und Adjutant beim Generalkommando J. Armeekorps, zum Stabe des 1. Schweren Reiterregts. Prinz Karl von Bayern, Schwill, Lt. und Erzieher am Kadettenkorps, jum 4 Inf. Regt König Wilbelm von Württemberg, Ganzer, Feuerwerkslt. vom Art. Depot Ingolstadt, zu jenem in Germersheim, unter Kommandierung zum Kaiserlichen Art. Depot

Metz, versetzt. Eschenlohr, Oberfeuerwerker von der Ober- feuerwerkerschule, zum Feuerwerkslt. beim Art. Depot Ingolstadt befördert. Rüber, Oberlt. des 12. Inf. Regts. Prinz Arnulf, zum

29. Februar d. J. Wucher, Oberlt. des 15. Inf. Regts. König Georg von Sachsen, zum 1. Februar d. J,, vom Kommando als Insp. Offiziere an der Kriegsschule enthoben. Rosenschon, Oberlt. des 6. Inf. Regts. Kaiser Wilhelm, ug von Preußen, zum 1. Februar d. J, Storch, Lt. des 2. Inf. Regts. Kronprinz, zum 29. Februar d. J., als Insp. Offiziere zur Kriegsschule kom= mandiert., du Jarrvs Frhr. v. La Roche, QOberlt. a. D., mit dem früheren Patent (überzählig) im 10. Feldart. Regt. wiederangestellt.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 29. De⸗ em ber. Frhr. v. der Heydte, Major beim Stabe des 1. Schweren . Prinz Karl von Bayern, mit der Erlaubnis zum Fort⸗ tragen der bisherigen Uniform mit den bestimmungs mäßigen Abzeichen mit der . Pension zur Disp. gestellt. Miche ler, Hauptm. und Komp. Chef im 8. Inf. Regt. Großherzog Friedrich von Baden, mit der Erlaubnis zum Tragen der bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen mit der gesetzlichen Pension, Frhr. v. Andrian, Werburg, Oberstlt. z. D. und Kommandeur des Landw. Bezirks Ludwigshafen, mit der Erlaubnis zum Tragen der Uniform des 18. Inf. Regts. Prinz Ludwig Ferdinand mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, unter Fortgewährung der Pension, der Abschied bewilligt .

31. Dezember. Frhr. v. Wel ser, Lt. des Inf. Leibregts., kommandiert zur Kriegsakademie, mit der gesetzlichen Pension der Ab

schied bewilligt.

11. Januar. Dippert, Oberst z. D. und Kommandeur des Landw. Bezirks Nürnberg, mit der Erlaubnis zum Tragen der Uniform des 9. Inf. Regts. Wrede, Scheichenzuber, Oberstlt. z. D. und Kommandeur des Landw. Bezirks Landshut, Schwenk, Hauptm. j. D. und Kontrolloffizier beim Bezirkskommando 1 München, diesem unter Verleihung der Aussicht auf Anstellung im Zivildienst, beiden mit der Erlaubnis zum Forttragen der bisherigen Uniform, sämtlichen mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, unter Fortgewährung der Pension, Zeiler, Sousbrigadier der Leibgarde der Hartschiere, unter Verleihung des Charakters als Premierbrigadier und mit der Erlaubnis zum Fort⸗— tragen der bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vor—⸗ geschriebenen Abzeichen, mit der gesetzlichen Pension, der Abschied bewilligt.

Beamte der Militärverwaltung.

3. Januar. Dr. Stark, Unterveterinär, zum Veterinär im 2. Chev. Regt Taxis, Burger (Vilshofen), Hüther (Augsburg), Huth, Lang (Würzburg, Borst (Landau, Born, Seeber (Würzburg), Unterveterinäre, zu Veterinaͤren in der Res., befördert.

Deutscher Reichstag.

12. Sitzung vom 15. Januar 1904. 1 Uhr.

Tagesordnung: Interpellation der Abgg. Dr. Jänecke und Dr. Böttger (nl):

Aus welchen Gründen hat der Herr Reichskanzler es seither unterlassen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen egen die bei Herstellung und Veröffentlichung einer periodischen e cht beteiligten Personen der Zeugniszwang zur Er⸗ mittelung der für ihren Inhalt strafrechtlich verantwortlichen Per⸗ sonen ausgeschlossen wird?“

Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.

Abg. Dr. Jänecke (fortfahren): Man kommt zu dem un— weigerlichen Ergebnis, daß sowohl vom prozessualen, wie vom menschlichen Standpunkt aus diese Anwendung des Zwangsverfahrens absolut unhaltbar ist. Aber auch vom rein richterlichen Standpunkt, vom Standpunkt eines Richters mit chevaleretker Gesinnung aus ist fie unhaltbar, und es würde ferner kein anständiger Leser mehr ein Blatt in die Hand nehmen, wenn er weiß, daß dessen Redakteur eine ihm unter Digkretion gemachte Mitteilung preisgibt. Ich hoffe, das Zentrum steht dieser Frage noch ebenso gegenüber wie der Abg. Windthorst, der seinerzeit erklärte, wie beim Arzt, so sei es auch bei den Redakteuren in den Verhältnissen begründet, daß sie das, was ihnen vertraulich mitgeteilt ist, für sich behalten. Die Presse hat ja noch allerhand Beschwerden mit bezug auf die Judikatur und die in

ewisser Beziehung mangelhafte Anpassung an die außerordentliche Cen feen der . ü n Wag aber geeignet ist, die Ver⸗ treter der Presse gewissermaßen zu deklassieren, ist die Anwendung des Zeugniszwangs. . man heute schon dazu übergegangen ist, alle ö kanzen für die Haftharkeit heranzuziehen, so ist das mehr, als wenn es in den Geboten heißt, daß die Väter heimgesucht werden bis ins dritte und vierte Glied. Jetzt inquiriert man sogar die Zeitungs⸗ frauen und die Setzerlehrlinge nach einem Autornamen, und dabei ist es durchaus nicht ausgemacht, daß durch dies Verfahren auch immer der ö, Schuldige getroffen wird. Es ist sogar schon möglich geworden, 7 die Staatsregierung den Zeugniszwang angewendet hat, indem staatliche Organe festzustellen versucht haben, von wem eine Mitteilung in die Zeitung gebracht worden ist. Die Abschaffung ist also auch vom Standpunkt der Stgatsraison aus geboten. Wenn man eingewendet hat, nach der Abschaffung des Zeugniszwangs könnte ein Redakteur auch bei einem Verbrechen das Zeugnis verweigern, so kann bei einer anständigen Presse davon gar keine Rede sein. Es ist bekannt, daß oft, wo die polizeilichen Nachforschungen versagt haben, dur bie resse die Aufdeckung eines Verbrechens erfolgt ist. In der deutschen Presse ist ein klares und unerschütterliches Gefühl sür ihre Ehrenhaftigkeit und für die Verantwortung, die sie trägt, vor handen. Eine Verschärfung unserer Strafgesetzgebung mit bezug auf persönliche Beleidigungen durch die Presse kann gar nicht genug empfohlen werden. In England, dem Mutterlande des Konstitutionalismus, wird die Persönliche Ehre im öffentlichen Leben durch die Gerichte auf das allerschärfste . Ich möchte hier an die sozialdemokratische Presse den Appell richten, in der Heranziehung und politischen Ver⸗ wertung persönlicher Dinge sich die gebotene hr then aufzuerlegen im Interesse der gesamten deutschen Presse. Uebrigens hat sich die Presse mit ganz berschwindenden Ausnahmen den Folgen, die das Zeugnis⸗ zwangsberfahren für sie gehabt hat, nicht entzogen, sie hat das Redaktions geheimnis nicht preisgegeben und damit einen Beweis von Ehrgefühl geliefert, das ihr zur höchsten Ehre gereicht. Ich möchte den Staats— sekretär bitten, die Frage nicht nur juristisch zu erörtern, sondern uns auch zu sagen, ob wir in kürzester Zeit gesetzgeberische Maßnahmen zu erwarten haben. Mit der Abschaffung des Zeugniszwanges zu warten bis zur endgültigen Strasprozeßreform, geht doch nicht an. Daß man in Preußen über diese Frage früher ganz anders gedacht hat als heute, zeigt die Kabinettsorder Friedrich Wilhelms III. vom Jahre 1804; darin heißt es: daß, wenn ein Redakteur begründete Beschwerden vorbringe, man ihm dafür viel mehr danken müsse, als ihm Unannehmlichkeiten zu bereiten. Nicht jedem könne zugemutet

werden, sich den Unannehmlichkeiten einer offiziellen Denunziation auszusetzen. Eine anständige Publizität; duͤrfe deshalb nicht unterdrückt werden, weil sie Pflichtwidrigkeiten oder Nachlässig-

keiten böswilliger Unterbeamten öffentlich zur Sprache bringe. So urteilte man vor fast 190 Jahren in Preußen, als man weder eine Konstitution noch eine Preßfreiheit hatte. Heute beobachten die Re— ierungsorgane gegenüber der Presse eine gewisse Geheimniskrämerei. kan läßt Mitteilungen an die Presse erst dann gelangen, wenn es nicht mehr anders geht. Dadurch schädigt man aber die allgemeinen Interessen und zieht eine Hintertreppenpolitik groß. Wie schädlich ein solches Verfahren ist, hat sich gerade in der letzten Zeit bezüglich der Uniformen und Bekleidungsstücke in der Armee gezeigt. Es liegt auch im allgemeinen politischen Interesse, daß die Aufdeckung von Schäden nicht allein der sozialdemokratischen Presse überlassen bleibt. Man hat in maßgebenden Kreisen eine merkwürdige Scheu vor der 3 e. Wollen wir denn etwa eine Indiskretion in der Presse efürworten? Die Presse selbst hat ein Interesse an einer anständigen Art der Verwertung der ihr zugehenden Mitteilungen. Der jetzige Zustand wird sich auf die Dauer nicht halten lassen, und auch die verbündeten Regierungen werden sich auf den Standpunkt stellen müllen: Gazetten dürfen nicht genieret werden.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Die Interpellation wünscht zu wissen, welche Gründe den Herrn Reichskanzler bisher abgehalten haben, in eine gesetzliche Regelung des Zeugnisjwanges gegenüber der Presse ein— zutreten. Der Herr Reichskanzler könnte diese Frage mit der Gegen— frage beantworten: wie soll das Gesetz lauten, das Sie zu haben wünschen? Ueber den Inhalt eines solchen Gesetzes lassen sich sehr herschiedene Meinungen aufstellen. Soll der Zeugniszwang gegenüber den Redakteuren und ihrem Hilfspersonal fortfallen in Ansehung aller Mit— teilungen, die die Presse bringt, auch in Ansehung derjenigen, die keinen strafrechtlichen Inhalt haben, bezüglich deren also der Redakteur eine strafrechtliche Verantwortung nicht übernimmt? Das ist eine Auffassung, die vielfach in der Oeffentlichkeit vertreten worden ist, sie hat auch Vertreter gefunden in den Beratungen des Reichstags, aber nicht die Majorität. Oder soll die Zeugnispflicht des Redakteurs und seiner Umgebung für solche Mitteilungen der Presse fortfallen, die einen strafrechtlichen Inhalt haben, bezüglich deren also der ver— antwortliche Redakteur ebenso wie der Täter, nicht an Stelle des Täters, wie der Herr Vertreter der Interpellation anzunehmen schien, straf⸗ rechtlich sich zu verantworten hat? Das ist eine beschränktere Forde⸗ rung, die in verschiedenen Beschlüssen des Reichstags Anerkennung ge⸗ funden hat, die auch zu Grunde liegt früheren Anträgen der national⸗ liberalen Partei, die namentlich die Anschauung wiedergibt, die im Anfange der Diskussion dieses Problems im Reichstag von den Führern der Nationalliberalen, von den Abgg. Lasker und Dr. von Marquardsen, vertreten wurde. Oder aber diittens: Soll die Zeugnispflicht des Redakteurs und des Redaktions⸗ personals wegfallen, zwar nicht bezüglich aller Mitteilungen, die einen strafrechtlichen Inhalt haben, für die der Redakteur preßgesetzlich zu haften hat, aber doch bezüglich gewisser Mitteilungen, die eine be⸗ sondere Tragweite gegenüber dem Staatsinteresse nicht besitzen? Das ist eine Auffassung, die bisher im Reichstag noch nicht hervorgetreten ist, aber neuerdings in der Presse und von angesehenen Organen ver— teidigt wird. Der Heir Interpellant hat uns im unklaren gelassen, wie weit das Gesetz gehen soll, das er im Auge hat, und doch, wenn er die Absicht hat, etwas mehr Dampf hinter die Aktion der Regierung ju bringen, wie er das zum Ausdruck gebracht hat, so würde durch Beantwortung meiner Frage in der Unterscheidung der verschiedenen Fälle, wie ich sie hier angedeutet habe, nach manchen Richtungen hin eine Unterstützung für die Altion der Regierung gefunden werden können. Aber ich muß allerdings konstatieren, daß der Herr Reichskanzler in dieser Frage, über die er hier interpelliert ist, zur Zeit einer Unter stützung durch den Dampf aus dem Hause nicht mehr bedarf: der Herr Reichskanzler hat diese Sache bereits in Angriff genommen, er hat die Initiative ergriffen, um die Frage von neuem einem legis— latorischen Versuche zu unterwerfen, und die Veranlassung dazu hat die Tatsache gegeben, daß wir abermals an eine Reform der Straf— prozeßordnung herangetreten sind. Man hat sich sagen müssen, daß bei einer erneuten Beratung der Strafprozeßordnung im Hause die Regierung über die Frage des Zeugniszwangs nicht die frühere Zurückhaltung festhalten dürfe, um zu einem Ziele zu ge— langen, und die Reichtverwaltung hat sich verpflichtet gefühlt, den Versuch zu machen, Stellung ju nehmen, um den verbündeten Regierungen demnächst Anlaß ju geben, auch ihrerselts Stellung ju nehmen. Sie wissen, daß eine Kommission

denen aus die Reichsberwaltung den hohen Regierungen Vorschläge

für eine neue Gestaltung der Strasprozeßordnung machen kann. Unter den Fragen, welche dieser Kommission vorgelegt worden sind, befindet sich auch eine, welche die Frage des Redaktionsgeheimnisses gegenüber dem Strafrichter betrifft. Die Kommission ist bereits in eine Er⸗ örterung dieser Frage eingetreten, ist aber zum Abschluß noch nicht gekommen. Werden die Arbeiten der Kommission und damit auch die Beratungen über diese Frage zu Ende geführt sein, dann wird das gesamte Material der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das hohe Haus wird zu beurteilen vermögen, wie das Ergebnis ausgefallen ist, der Reichskanzler aber wird dann nicht säumen können, seinerseits Stellung zu nehmen. Aber, meine Herren, im voraus diese Frage aus der legislatorischen Behandlung der Strafprozeßordnung auszuscheiden und einer gesonderten legislatorischen Behandlung zu unterwerfen, das kann ich denjenigen Herren, die sich für eine glück⸗ liche, objektive, alle bei der Sache beteiligten Interessen befriedigende Lösung interessieren, wirklich nicht empfehlen. Ich glaube nicht, daß auf dem Wege, den der Herr Interpellant vorhin angedeutet hat, schneller ein Ziel sich wird erreichen lassen als auf dem Wege, den wir eingeschlagen haben, und ich möchte die Herren bitten, doch das Vertrauen in den Reichskanzler zu setzen, daß, nachdem unter seiner Initiative die Frage wieder aufgenommen ist, er auch dahin wirken wird, daß sie in einer befriedigenden Weise für die Interessen der Presse, freilich aber auch für die Interessen des Staats ihre Lösung finden wird.

Meine Herren, bedenken Sie doch, daß wir bei einer gesetzlichen

Regelung, die sich nur auf den Zeugniszwang beschränkt, hier nicht bloß die

Zivilstrafprozeßordnung, sondern auch die Militärstrafprozeßordnung ins

Auge fassen müssen, daß auch die Zivilprozeßordnung in Betracht kommt,

und daß bei der sehr nahen Verbindung, in welcher diese Frage zu dem Preßgesetz vermöge der preßrechtlichen Verantwortlichkeit des Redakteurs steht, sehr leicht sich Erörterungen anschließen können, welche auf eine Remedur unseres Preßgesetzes hinauslaufen, und dann, meine Herren, glaube ich, gehörte ein sehr glücklicher Optimismus dazu, wenn man erwarten wollte, daß dann die Verhandlungen schneller zum Ziele führen würden als auf dem Wege, den die Reichs- regierung eingeschlagen hat.

Ich glaube, meine Herren, daß ich im Namen des Reichskanzlers versichern kann, daß die Frage geprüft werden wird in der ernsten Absicht, endlich den langen Streit, auf dessen lange Dauer ja auch der Herr Vertreter der Interpellation hingewiesen hat, zwischen dem Reichstag und den verbündeten Re— gierungen zum Austrag zu bringen, und daß die Prüfung vorgenommen wird in der Würdigung der politischen Stellung und der geistigen Bedeutung, welche die deutsche Presse in unserem Vaterlande einnimmt. Der Herr Vertreter der Interpellation hat auf diesen Punkt nach drücklich hingewiesen. Ich nehme keinen Anstand, zu erklären, daß die Regierung in vielen Fällen und in vieler Be⸗ ziehung Veranlassung hat, für die Haltung unserer deutschen Presse dankbar zu sein, und ich zweifle nicht, daß der Reichs- kanzler auf diesen Gesichtspunkt bei der Prüfung der Sache auch seinerseits Gewicht legen wird.

Aber, meine Herren, wenn der Herr Interpellant hervorgehoben hat, daß man auf ein loyales Verhalten der Presse sich in allen Ver— hältnissen verlassen dürfe, so muß ich doch sagen: Strafgesetze macht man niemals im Hinblick auf die loyalen Elemente der Bevölkerung (sehr richtig! rechts), sondern sie werden gemacht und die loyale Bevölkerung muß sich das hier wie in anderen Fällen gefallen lassen mit Rücksicht auf die Elemente, die dem Gesetze voll zu entsprechen eben nicht geneigt sind. (Sehr richtig! rechts.) Solche gibt es überall im Leben, in allen Kreisen und leider auch in den Kreisen der Presse, und es würde eine Verletzung des Staats interesses sein, wenn wir diese Tatsache bei unseren Erörterungen außer acht lassen wollten.

Meine Herren, ich glaube, wenn Sie sich die tatsächlichen Ver

hältnisse, wie sie sich unter dem gegenwärtigen Rechtszustande ent-

wickelt haben, vor Augen führen, wird auch für Sie keine Ver⸗ anlassung vorliegen, den Weg zu verlassen, den der Reichstag bisher immer verfolgt hat, nämlich diese Frage zu lösen im Zusammenhange mit der Strafprozeßordnung, wo die einschlagenden Fragen ja ihre praktische Rolle vorzugsweise spielen. Ich glaube, trotz allen Lärms, der in manchen Blättern in den letzten Jahren gemacht worden ist, liegen die Dinge, wenn man sie vorurteilsfrei und so, wie sie sich wirklich abgespielt haben, nicht so, wie sie in der Presse vielfach erscheinen, übersieht, in der Tat nicht derart, daß man sagen könnte, es bestehe hier ein überaus dringliches Interesse, daß eine schleunige gesetzliche Regelung eintreten müßte, mit der man nicht warten könnte bis zur Erledigung der Revision der Strafprozeßordnung. Nein, meine Herren, da enthält unsere Strafprozeßordnung andere Kapitel, die praktisch viel wichtiger für die Bevölkerung sind, viel tiefer eingreifen in die Interessen des Lebens als diese Frage, und die Regierung müßte gewärtig sein, daß Interessenten, die an solchen anderen Fragen besonderen Anteil nehmen, auftreten und sagen: wenn nun einmal das Kapitel der Presse aus der Strafprozeßordnung vorweg genommen werden soll, dann wünschen wir das Gleiche von anderen Kapiteln. Ich erinnere Sie nur an die Frage der Untersuchungshaft und an die Frage des Eides, Fragen, die in meinen Augen eine viel größere Rolle spielen als die ganze Frage der Verantwortlichkeit der Presse gegenüber dem Strafrichter.

Meine Herren, es herrscht, was die tatsächlichen Wirkungen des gegenwärtigen Rechts und was die rechtliche Tragweite der im Reichstag früher über den Zeugniszwang gefaßten Beschlüsse betrifft, in der öffentlichen Meinung eine bedauerliche Unklarheit, und das hohe Haus wird es mir bei der Wichtigkeit der Angelegen— heit vielleicht gestatten, daß ich mit einigen Worten die Fälle auseinanderlege, die in der Oeffentlichkeit gegenüber dieser Frage hauptsächlich in die Erörterung gezogen werden, und die für die legislatorische Bedeutung der diskutierten Probleme von Wichtigkeit sind. Ich möchte hinzufügen, daß wir uns bemüht haben, die Zahl der Fälle festzustellen, in denen von dem Zeugnis— jwang der Presse gegenüber, d. h. dem verantwortlichen Redakteur und seinem Hilfspersonal gegenüber Gebrauch gemacht ist, und die Umstände festzustellen, unter denen dies geschehen ist. Wir haben zu dem Zwecke das gesamte Zeitungsmaterial, welches dem Reichsjustizamt zur Verfügung steht, seit dem Jahre 1879, seit der Zeit, wo die Strafprozeßordnung in Kraft trat, darauf angesehen, welche Fälle denn in der Presse eine Rolle gespielt haben. Ich kann

berufen ist, welche die Aufgabe hat, die Grundlagen zu sinden, von

ja keine Garantie dafür übernehmen, daß unsere Grmüittelungen er⸗

ö

schöpfend sind. Aber ich glaube, nahezu müssen Re doch vollständig sein; denn die Zahl der bei uns gesammelten Zeitungsblätter ist doch groß, und Fälle des Zeugniszwangs finden ja in der Presse eine so weitgehende Resonanz, daß man annehmen darf, es wird nicht leicht ein Fall in unserer Sammlung außer Betracht geblieben sein, der in Wirklichkeit die öffentliche Meinung beschãftigte.

Meine Herren, unter den Straffällen, die für den Zeugnis zwang in Betracht kommen, muß ich drei Gruppen unteuscheiden: zunächst diejenigen Fälle, von denen ich vorher schon dem Herrn Interpellanten gegenüber sprach, die Fälle, in denen der Artikel als solcher straf⸗ rechtlich zu verfolgen ist, in denen also der Inhalt der von dem Redakteur aufgenommenen Mitteilung an und für sich eine strafrecht⸗ liche Ahndung begründet. Zu diesen Fällen gehören für die praktische Handhabung des Zeugniszwangs hauptsächlich Beleidigungen, Angriffe auf staatliche und kirchliche Institutionen, hochverräterische, landesberrälliche und ähnliche Aufreizungen in der Presse. Es gehört freilich strafrechtlich an und für sich noch vielmehr hierher, das kommt aber für den Zeugniszwang praktisch kaum in Betracht. Für Mit⸗ teilungen der Presse dieser Art, für Artikel, deren Inhalt strafbar ist, haftet nach dem Preßgesetz der verantwortliche Redakteur als Täter. Weil er als Täter haftet, meine Herren, kann er in dem Strafver⸗ fahren nicht als Zeuge vernommen werden, denn es ist nach der fest⸗ stehenden Judikatur des Reichsgerichts, der unsere Gerichtspraxis, soweit ich weiß, einmütig folgt, ausgeschlossen, daß, wenn ein Strafver⸗ fahren eingeleitet ist wegen eines Straffalles, eine derjenigen Personen, die für den Straffall verantwortlich sind, zugleich neben ihrer strafrechtlichen Verfolgung auch noch als Zeuge in Anspruch ge⸗ nommen werden kann. Was folgt daraus, meine Herren? Daraus folgt, daß in dieser wichtigen Gruppe, für die Presse vor allem wichtigen Gruppe an sich inhaltlich strafbarer Artikel der verantwort- liche Redakteur überhaupt niemals zum Zeugnis herangezogen werden kann. Für diese, für die Presse ich wiederhole das vor allem bedeutungsvolle Gruppe kann immer nur die Zeugnispflicht des Nebenpersonals in Betracht kommen. Die so viel angerufene Ehre des verantwortlichen Redakteurs scheidet also hier von vornherein aus, er ist gedeckt vor jedem vermeintlichen Angriff auf seine Ehren⸗ pflicht durch die Bestimmungen unseres Prozeßrechts, er kann nicht zugleich Zeuge und Angeklagter sein. Er könnte ausnahmsweise als Zeuge figurieren müssen, wenn er eben nachweist, daß er bei der Bearbeitung des betreffenden Artikels nicht beteiligt gewesen ist, daß er beispielsweise an dem fraglichen Tage die Redaktion nicht geführt habe, und dergl. Das kommt hier aber nicht in Betracht; der regel⸗ mäßige Fall ist der, daß in Fällen, in denen ein Artikel vorliegt, der einen strafbaren Inhalt hat, der verantwortliche Redakteur überhaupt nicht Zeuge sein wird. Diese Gruppe von Fällen, meine Herren, ist aber diejenige, welche ausschließlich in den früheren Be⸗

schlüssen des Reichstags getroffen worden ist. Die Beschlüsse des ReichttagZs bejüglich des Zeugniszwangs haben sich aus⸗ nahmslos auf diese Gruppe von Straffällen beschränkt

von Anfang an seit den Beratungen der Strafprozeßordnung in der großen Kommission der siebziger Jahre. Es kann also nur daz Neben⸗ personal in Betracht kommen, und wie groß ist denn nun die Zahl der Fälle, in denen gegen ein Mitglied der Redaktion oder Druckerei aus Anlaß eines solchen Falles der Zeugniszwang in Anspruch ge⸗ nommen worden ist? Ich geniere mich fast, es zu sagen (Heiterkeit), wir haben nur einen einzigen Fall seit dem Jahre 1879 feststellen können.

Ich komme nun zur zweiten Gruppe, das sind diejenigen straf baren Handlungen, deren Tatbestand in der Mitteilung durch die Presse gar nicht beruht, die neben einer an sich gar nicht strafbaren Mitteilung in der Presse ihre selbständige Bedeutung haben, bei denen also eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Redakteur über—⸗ haupt nicht in Frage kommt. Falle also, in denen gemäß der Judikatur des Reichsgerichts auch der verantwortliche Redakteur als Zeuge eintreten kann. Aber ich glaube, diese Fälle werden die Presse weniger interessieren. E handelt sich beispielsweise um eine Brandstiftung, wie solche während des letzten Sommers eine Rolle in der Presse gespielt hat ob die Mitteilungen der Blätter wirklich zutrafen, weiß ich freilich nicht —, eine Brand⸗ stiftung aus Rache. Der Untersuchungsrichter hat Grund, an— junehmen, daß eine Mitteilung über diesen Brand in der Zeitung auf die Spur des Täters führen kann, es kommt nur darauf an, zu wissen, wer ist der Einsender der Zeitungsmitteilung gewesen. Kennt man den Einsender und steht er in Verbindung mit dem Brand— stifter, so hat man vielleicht eine Spur, den Täter ausfindig zu machen. Nach den Nachrichten in der Presse hat sich der Zeitungsredakteur geweigert, den Einsender zu nennen, hat also seine Hilfe nicht zur Verfügung gestellt, um den Täter eines so nichts⸗ würdigen und gemeinen Verbrechens zu ermitteln. Nach dem Gesetz ist er verpflichtet, Zeugnis abzulegen. Er würde auch dann verpflichtet sein, Zeugnis abzulegen, wenn die Beschlüsse, die die frühere Kom— mission und der Reichstag bezüglich der Befreiung vom Zeugnis zwang gefaßt haben, in Wirksamkeit getreten wären, die Zustimmung der verbündeten Regierungen gefunden hätten; denn bei diesen Beschlüssen handelt es sich nur um Artikel, deren Inhalt an sich strafbar war, nicht aber um solche Mitteilungen, die auf außerhalb liegende Tat—⸗ umstände hinweisen. Mehrere Fälle dieser Art sind nun seit 1879 vorgekommen, und auch sie haben in der Presse Veranlassung zu allerlei Auseinandersetzungen über den schweren Druck des Zeugnis⸗ wangs gegeben. Ich habe aber nur 4 Fälle dieser Art feststellen können 4 Fälle in 25 Jahren!

Nun komme ich zu der dritten und letzten Gruppe, zur Gruppe derjenigen Handlungen, die innerhalb einer amtlichen Tätigkeit liegen und zu einem Disziplinarverfahren Veranlassung geben. Ein Beamter hat einen Treubruch begangen gegenüber seiner Verwaltung, indem er eine Mitteilung, die geheim sein sollte, der Presse zutrug oder aber indem er ein Blatt, daß den Akten der Behörde angehört, an die Dresse auslieferte. Der Herr Vertreter der Interpellation hat diese Faͤlle berührt, er scheint also der Meinung zu sein, daß solche Ver— ke ungen der Amtspflicht unter diejenigen Fälle gehören, bezüglich ö der Zeugnisjwang weg fallen soll, und er behandelt Vorgänge . Art mit einer gewissen Leichtigkeit, ich will ihm ö. i . daß die meisten derartigen Verfehlungen . end, unerheblich sind. Ich kann ihm aber nicht . en, daß bier nicht sehr schwere und für große Staats⸗ ö essen wichtige Indiskretionen vorliegen können. Ich erinnere ihn ur an die militärischen, an die nautischen und an die diplomatischen

halten werden, daß gerade auf diesem Gebiete unbedingte Digkretion seitens der Beamten gewahrt wird, und sehr wohl kann die Regierung Veranlassung haben, für die Indiskretion nicht bloß das Zeitungsblatt und den vielleicht recht dunkeln Redakteur, der an diesem Blatte tätig ist moralisch haftbar zu machen, sondern zu erfahren, wer das Staate⸗ interesse verletzt hat, und gegen ihn mit der Strafgewalt vorzugehen.

Meine Herren, hier aber müssen wir noch unterscheiden: es handelt sich auf der einen Seite um die Reichsbeamten, deren Verhältnisse sind durch Reichsgesetz geregelt, und das Einschreiten im

Grund des Reichsgesetzes: es handelt sich auf der anderen Seite um die Landesbeamten, und wenn die Landesbeamten sich verfehlen, da tritt kein Reichsgesetz in Wirksamkeit, sondern Lander recht. Die Ver— folgung dieser Beamten erfolgt im Ditziplinarverfahren, das durch Landesrecht geregelt ist, und in das einzugreifen dem Reiche keine Kompetenz zusteht.

Meine Herren, wie liegen denn nun tatsächlich in dieser Be— ziehung die Verhältnisse? Seit dem Jahre 1879 sind nach den Ermittelungen, die wir angestellt haben, im Wege des Reichs⸗ dis ziplinarverfahrens überhaupt niemals Zwangsverfahren gegen die Presse eingeleitet werden. Diese Rubrik haben wir mit Null aus⸗ füllen dürfen. (Zuruf) Dagegen sind im Wege des landesrechtlichen Dikziplinarverfahrens 13 Fälle vorgekommen, die sich aber der Ein— wirkung der Reichsverwaltung vollständig entziehen.

ĩ Nun, meine Herren, wenn die Dinge also folgendermaßen liegen: wenn in den Fällen, in denen eine preßrechtliche Haftpflicht des Redakteur vorliegt und deshalb für die Zeugnispflicht der Redakteur nicht in Betracht kommt, sondern nur das übrige Redaktionspersonal, wir über⸗ haupt nur ein einziges Zeugniszwangsverfahren haben ermitteln können. wenn zweitens in den Fällen, wo es sich um gemeine Verbrechen handelt, wo die Hilfe der Presse, die uns der Herr Interpellant so bereitwillig in Aussicht gestellt hat, bloß in Anspruch genommen wird, um auf die Spur der ganz außerhalb des Preßbereichs befindlichen Täter zu kommen, die Zahl der Fälle des Zwangsverfahrens seit dem Jahre 1879 nur 4 beträgt; und wenn endlich auf Grund des Reichsdisziplinar— rechts, das hier allein in Betracht kommen kann, überhaupt kein Fall vorgekommen ist, dann, meine Herren, werden Sie nicht behaupten können, daß die Haltung des Herrn Reichskanzlers dringliche Interessen der Presse gegenüber vernachlässigt habe; dann werden Sie es per— stehen, daß die Reichsverwaltung es für das Richtige hält, auf dem normalen Wege der legislatorischen Frage näher zu treten, die hier behandelt wird.

Ich glaube nicht, meine Herren, daß auf diesem Wege die Sache geschädigt wird. Seit 25 Jahren ist dieses Problem allerdings im Reichstag und in seinen Kommissionen behandelt worden; aber in diesen 25 Jahren ist noch kein Antrag gebracht worden, der für die ver⸗ bündeten Regierungen annehmbar gewesen wäre. Immer ist in den Antragen, die überhaupt zur Annahme gelangten, gefordert worden, daß die Presse von der Zeugnispflicht entbunden werden sollte in allen Fällen einer Zeitungsnachricht, in der ein strafrechtlicher Inhalt ent⸗ halten ist, ausnahmslos und unbedingt, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Zeiten mit schwierigen Verhältnissen und erregten Stimmungen von großer politischer Tragweite handelt, ob das Blatt erschienen ist in einem Landesteil, in dem ruhige Zustände bestehen oder aufrührerische Elemente tätig sind, welche die Staatsinteressen bedrohen, ohne Rück— sicht darauf, ob es sich um schwere oder leichte Straftaten handelt. Selbst in den Fällen würde danach die Befreiung vom Zeugnis—⸗

zwang eintreten müssen, in denen es sich um Vorgänge handelt, die geradezu die Existen; des Staates bedrohen.

Meine Herren, diesem Verlangen haben die verbündeten Regierungen vom ersten Augenblick an, als diese Frage in den Bereich des Reichs tags trat, ihr Veto entgegengestellt. Sie haben es getan auf die Gefahr hin, daß die Strafprozeßordnung, eines der wichtigsten Elemente unseres gemeinsamen deutschen Rechtes, zu Bruche gehe. Sie haben später an dieser Auffassung festgehalten, und ich würde nicht so offen sein, wie ich es dem hohen Hause gegenüber ju sein verpflichtet bin, wenn ich mich aussprechen wollte, daß, soweit ich die Intentionen der hohen Regierungen kenne, sie auch in Zukunft daran festhalten werden, daß die absolute Befreiung der Presse vom Zeugnis zwang ihre Zustimmung nicht finden wird. Es wird also ein anderer Weg gesucht werden müssen, um hier für die Interessen des Staates . die Interessen der Presse eine Vereinigung zu finden. Der Herr Reichskanzler hat Erwägungen darüber eintreten lassen und ich glaube, die Presse wird es ruhig abwarten können, bis sie zum Abschlusse kommen. Ich glaube nicht nach den statistischen Zahlen, die ich Ihnen vorgelegt habe, daß die Presse behaupten kann, der rechtliche Zustand, wie er jetzt bestehe, habe irgendwie das Ansehen der Presse geschädigt. Ich kann jedenfalls versichern, daß dem Herrn Reichskanzler alles daran liegt, auch seinerseits das Ansehen der Presse hochzuhalten und nicht minder das Ehrgefühl der Herren zu wahren, die an der Presse beteiligt sind; denn er erkennt darin, daß dies geschieht, ein wesent⸗ liches Element für die gesunde Entwickelung der deutschen Presse. Ich hoffe aber, meine Herren, wenn dieses Haus nach allen Seiten die Sache vorsichtig erwägen wird, wenn die Presse auch ihrerseits anerkennt, daß hier doch auch wichtige Staatsinteressen be— teiligt sein können, und wenn die verbündeten Regierungen, wie ich das von vornherein annehmen darf, an die Prüfung der Frage mit Wohlwollen herantreten werden ich hoffe, sage ich, daß wir dann zu einer Lösung gelangen werden, die es uns gestattet, die Streitart zu begraben, die so lange in dieser Frage zwischen dem Reichstag und den verbündeten Regierungen eine Rolle gespielt hat. (Bravo!)

. Auf Antrag des Abg. Dr. Sattler (nl.) tritt das Saus in die Besprechung der Interpellation ein. d

Bevollmächtigter zum Bundegrat, Königlich sächsischer Geheime Rat Dr. Börner: Der Herr Interpellant bat . 2 gegen die Leipziger Volkszeitung“ erwähnt. Der Untersuchungsrichter bat eine ziemlich große Anjahl von Herren, nicht Zeitungefrauen und auch nicht Zeitungslehrlinge, an einem und demselben Tage ver— nommen. Man kann verschledener Meinung sein über die Zweck. mäßigkeit des Vorgehens des Untersuchungsrichtersß. Aber jedenfalls ist daraus nicht abzuleiten, daß ein Zeugniszwangsverfahren stattge— kunden habe. Ich setze in die Angaben darüber einigen Zweifel. . . . n m,, und ist auch nicht ange—

en. Es ist nicht Art des Gerichts, e a ,,,, 8 Gerichts, etwas anzudrohen und

Abg. Roeren (3enir): Ich stebe im großen und

33 roß ganzen, wenn ich auch nicht alles im einzelnen akzeptiere, auf dem Boden der Inter. ,, und ich freue mich, daß nach seinen Erklärungen der Staatg. ekretär des Meichsjustizamtz nicht auf einem so ablehnenden Stand

lnge. Allerdingg muß im Interesse des Gemeinwohls darauf ge⸗

punkt steht insofern, alg er eine Megelung der Frage wenigsteng im

Disziplinarverfahren einschließlich des Zeugniszwanges erfolgt auf—

Rahmen der zu erwartenden Strafgesetzreform zugesagt hat Vergleich der Redakteure mit den r fl, . . in 63 zus denn bei den Zeitungsartikeln handelt es sich um freiwillige

Mitteilungen, die zur Publikation bestimmt sind; ab der Verschiedenheit wird. man nicht ö. 223 tie zwingende Gründe vorliegen, auch den Geheimnissen der

Presse einen besonderen Schu zuzubilligen. Man die Achtung des Vertrauens, das 9 Ille la en der Zeitun und findet es nicht honett und nicht chevaleresk, wenn der dies Vertrauen mißbraucht und die Diskretion bricht. Wie viel schlimmer, wenn der Redakteur durch gesetzliche wangsmittel in die Lage versetzt werden soll, dieses Vertrauen zu mi brauchen! Eg liegt darin ein Gewissenszwang gerade für die Redakteure, die sich ihrer Beruftpflichten am meisten bewußt sind. Darum ist es geboten, hier Aenderungen zu schaffen, zumal der Redakteur ohnehin die bolle Ver⸗ antwortlichkeit für den Artikel trägt. Gewiß mag es für Behörden Staatsanwaltschaft und Polizei oft wünschenswert erscheinen, daß der Täter, der Urheber des Artikels, ermittelt wird; wenn nun ihre sonstigen Bemühungen keinen Erfolg haben, und dies lediglich daran liegt, daß der Redakteur sein Zeugnis verweigert, kann das in manchen Fällen zu beklagengwerten Unzuträglichkeiten führen. Aber ebenso viele Un⸗ zuträglichkeiten kommen vor in den Fällen der schon heute gesetzlich zulässigen Zeugnis verweigerung. Auch ich erinnere an die neuliche Verhandlung in Sagrhrücken, wo über die einzig wichtige Frage der amtlichen Wahlbeeinflussung stereotyp die Zeugnisverweigerung wegen der Pflicht der Amteverschwiegenheit erfolgte. Zuerst machte das einen komischen Eindruck, nachher verlor es aber den komischen Beigeschmack durchaus. Die Gründe für einen Redakteur, sein Zeugnis zu verweigern, dürften oft ebenso schwerwiegend sein wie diejenigen, die die Vorgesetzten ver⸗ anlassen, den Untergebenen Amtsverschwiegenheit aufzuerlegen. Dat öffentliche Interesse ist in jenen Fällen, wo Staatzanwalt und Polizei gern den Täter ermittesn möchten, nur in verschwindendem Maße beteiligt; es sind aber auch Fälle denkbar, wo es in er— heblichem Maße beteiligt ist und gebieterisch die Feststellung der Autorschaft erfordert. So etwa beim Bestehen eines Komplotts gegen die öffentliche Sicherheit; da wird aber auch die Presse keine Aus⸗ nahmestellung gegenüber anderen Staatsbürgern einnebmen wollen denn das wäre gleichbedeutend mit Begünstigung und Ermöglichung eines solchen Staatsverhrechens. Diefe Fälle mögen felten sein, aber es wird immer dergleichen geben, wo der Zeugnie zwang auch gegen Redakteure zur Durchführung gebracht werden muß. So aus dem Dandgelenk, wie der Interpellant zu meinen schien, läßt sich also die Sache nicht machen. Es kommt hinzu, daß auch Militãrstrafvrozeß und Zivilprozeß zu ändern sein würden. Es wind alfo nicht ad hoe zu enischeiden sein, sondern den Vorzug möchte es doch verdienen, die Materie der Regelung der Reform des ganzen Strafproʒesses zu ãber⸗ lassen. Bei, der Neugestaltung der Vorschriften ber die“ Amte. verschwiegenheit wird der richtige Platz zur Erledigung der Frage sein. Ich kann mich daher nicht für die Regelung rurch ein vorweg zu er⸗ lassendes Spezialgesetz aussprechen. Die Hauptsache ist, daß der Reiche⸗ tag auespricht, daß die zur Zeit bestehenden Zustände für die Presse unhalthar sind, und daß es die höchste Zeit ist, hier Abhilfe zu schaffen.

Abg. Heine (Soi): Der Abg. Traeger hat diese Sache schon vor 30 Jahren angeschnitten, jetzt, da er grau geworden iff, Hört er daß der Reichskanzler in „Erwägungen“ eintreten will. Wollen wir warten, bis alles mit einem Schlage geordnet wird, so können wir ewig warten. Wir müssen den Zipfel anfassen, damit etwas geschieht. Der Staatz sekretãr meint zwar die Frage wäre nicht so wichtig, denn es kämen hier nur sehr wenig Fälle in Betracht. Ich glaube, wenn es sich um die Verletzung des Rechtsgefühls handelt, fo genügt ein Fall. ja die theoretische Möglichkeit, um hier vorzugeben. Die Zahl der Zeugnis zwangs verfahrens fãlle würde viel größer sein, wenn nicht in vielen Fällen die ungücklichen Redakteure? usmw. sich gebeugt hätten, oder wenn in anderen Fällen das Verfahren nicht eingestellt worden wäre, weil die Betreffenden nichts wissen konnten. Allerdings ist durch alle diese Umtriebe das Ansehen der Presse nicht geschãdigt worden, das gebe ich dem Staatssekretär zu. Sie aufregendsten Fälle sind die Fälle, in denen gegen Unbekannt“ verhandelt wird. Am llatantesten ist der Fall gegen den Mitarbeiter des Vorwärts“ Veh bein hinsichtlich der Mißstände im Heere, mitgeteilt durch ein Schreiben. Sonst hat man immer den Vorwurf gegen uns erhoben, daß wir keine Beweise für unsere Beschwerden vor— bringen. Hier haben wir Gelegenheit gegeben, daß Ermitte⸗ lungen angestellt werden konnten. Und nun das Verfahren! Das ganze Vorgehen batte nur den Zweck, dem Schreiber des Briefes an den Kragen zu gehen, nicht den, Klarheit zu schaffen. Ein Redakteur, der einen, der ihm eine Militärbeschwerde mitteilt der Militärbebörde anzeigen würde, wäre ein elender Bube. Das wäre vom menschlichen Standpunkte dasselbe, als wenn man jemand den wilden Tieren vorwerfen würde. Schlimm ist es, daß sich sogar dandrãte herausnehmen, Richtern Vorschriften zu machen. Der Vorwärts. hatte den Brief eines Schreibers eines Landrats der- öffentlicht. Dieser Schreiber war entlassen worden, und da der Landrat dem Betreffenden nicht mehr an den Kragen konnte, so veröffentlichte man gegen den Redakteur des Vorwärts“ ein Verfahren, um sich an diesem schadlos zu halten. Es heißt, gegenüber der Presse müsse das gemeine Recht angewandt werden. Die Verhältnisse der Presse sind aber ganz eigener Art, gerade fo gut wie die des Arztes und der Hebamme Man sagt, der Staat könne nicht bestehen obne die Pflicht der Staatsbürger auf Wahrheit ihm gegenũber. Ganz gut, dann sollte man aber nicht behördlicherseits das *. der Religiontg⸗ freiheit und Meinungsäußerung beschränken. Es handelt sich in allen Fällen nicht um ein Recht des Staates, sondern der Bureaukratie, die sich nicht in ihre Karten sehen lassen möchte. Der Staat kann exi· stieren, wenn dieser oder jener Uebeltäter frei ausgebt, aber er kann nicht bestehen, wenn der Vertrauensbruch die Regel wird. Wenn seinerzeit Herr Brausewetter es ausplauderte: Es gibt keine Oeffentlichkeit, so hat er nichts anderes gesagt, als was die Mebrzabl der Beamten denkt und fühlt. Bei der Beratung der Strafprojeßordnung sagte seinerzeit Professor Marquardfen. von diefem Zeugnis jwang gegen Redakteure würde nur in den Fällen des vitalfien Staatz interesses Gebrauch gemacht werden, und kein Mensch werde daran denken, gegen einen Setzerlebrling den Zeugniszwang anzuwenden. Herr Böttger, einer der Mitunterzeichner der Interpellation, hat in einem Artikel der Nationaljeitung erwähnt, daß man den Zeugnis. zwang gegen Redakteure bei Staatsberbrechen, Dochderrat und bei jeder Veroffentlichung amtlicher Schriftstücke beibehalten wolle. Das richtet sich gegen uns, aber die wirklichen Intereffen des Staats sind durch drakonische Strasbestimmungen für den Verrat bon Amts— geheimnissen enügend geschützt. Der Staat scheut doch sonst dag Licht der Oeffentlichkeit nicht; namentlich, wenn ein Beamter einmal etwas Gutes leistet, stebt es gleich am nächsten Tage im Lokal · Anzeiger oder einem sonstigen hervorragenden Preßorgan. Was er nicht veröffentlicht haben will, das sind politische Schnüffcleien und der⸗ gleichen. Es wird jetzt auch verlangt, die Strafe für die Beleidi ung durch die Presse zu erböben. Das sind alles Mittel aus dem ũst zeug bureaukratischer Tyrannei. Es sollen also bei der Anwendung des Zeugnisjwanges wieder Ausnahmen gemacht werden. Gz gilt aber den Tamphf gegen die Vollsseindlichkeit der Bureaukratie alg Ganzes. Hier fällt der Herzog nur mit dem Mantel selbft.

Abg. Vim burg (8. fons ): Der Zeitpunkt der Einbringung der Intempellation ist nicht richtig gewählt. Da dem Reichstag in ab- sebbarer Zeit die Novelle einer Strafprozeßordnung vorgelegt werden soll, so wäre es nur Flickwerk, wenn wir diese Materie dabon abge- sondert behandelten. Aufgabe jedes Prozesses ist es, für jedes Ver- geben auch die richtige Sühne ju finden. Zu diesem Zwecke můũssen alle Beweismittel beigebracht werden, wozu auch dag Zeugnis geböͤrt. Nun bat man allerdings davon Geistliche, Rechtsanwälte und Aerzte befreit, insofern es sich um die Ausübung ibres Berufes handelte Die Lage dieser Kategorien ist aber eine andere als die der Redar= teure. Wenn der Redakteur gejwungen wird, über etwag Auskunft eben, was ibm mitgeteilt ist, so begebt er keinen 2 Allerdings kommen die Redakteure durch den 3

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mißliche Lage und vielleicht in einen Konflitt, aber so kann es

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