1904 / 16 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 19 Jan 1904 18:00:01 GMT) scan diff

Vom bisherigen Präsidenten des Herrenhauses Fürsten zu Wied ist nachstehendes Schreiben eingegangen;

Ich erlaube mir, dem der f meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen für die freundlichen Wünsche für meine Wiederherstellung.

Der Schriftführer Graf von Hutten-Czapski verliest die zahlreichen, bereits bekanntgegebenen Veränderungen, die seit dem Schluß der vorigen Session in dem Personalbestande des Herrenhauses eingetreten sind. Das Andenken der ver⸗ storbenen Mitglieder von Bemberg⸗Flamersheim, ö. zu

senburg, von Levetzow, Graf von Houwald, Freiherr von

chenk, D. Dr. Barkhausen, Graf von Schwerin⸗Schweins⸗ burg, von Kessel, Graf von Arnim⸗Mellenau, Freiherr von Wendt, von Guaita, von . und Dr. von Oehlschläger 6 das Haus in der üblichen Weise.

Der Präsident Fürst zu Inn- und Knyphausen er⸗ nennt zum Quästor Herrn Dr. Ittenbach und zu dessen Stell⸗ vertreter Herrn Hammer.

Das Präsidium erbittet und erhält sodann die Er⸗ mächtigung, Seiner Majestät dem Kaiser und König zu Aller⸗ höchstdessen Geburtstage die ehrerbietigsten Glückwünsche des Hauses zu übermitteln.

Die neu eingetretenen Mitglieder Herzog von Arenberg, Graf von Haeseler, von Hahn Graf von Schlieffen, Graf von Wartensleben, von Czapski und Arnold von Siemens werden in der üblichen feierlichen Weise auf die Verfassung vereidigt.

Bei der Wahl von drei Mitgliedern zur Statistischen Zentralkommission werden auf Vorschlag des Ersten Vize⸗ präsidenten Freiherrn von Manteuffel die Herren Graf von Alvensleben, Dr. Ittenbach und von Rochow gewählt.

Dann folgt die allgemeine Diskussion über den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Befugnis der Polizeibehörden zum Erlaß von Vorschriften über die Verpflichtung zur Hilfeleistung bei Bränden. Die Vorlage bestimmt:

„Durch Polizelverordnungen können Vorschriften uͤber die Ver⸗ pflichtung zur Hilfeleistung bei Bränden, insbesondere über die Errichtung von Pflichtseuerwehren, über die Regelung der mit den⸗ selben verbundenen personlichen Dienstpflichten, über die Gestellung

der erforderlichen Gespanne und über die Verpflichtung zur Hilfe— leistung bei Bränden in benachbarten Gemeinden, getroffen werden.“

Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:

Meine Herren! Der Gesetzentwurf, der Ihnen heute vorliegt, ist Ihnen nicht neu. Er ist im wesentlichen schon im vorigen Jahre hier zur Erörterung gelangt. Er ist nur geändert und amendiert worden nach den Gesichtspunkten, die bei den Beratungen dieses hohen Hauses und des Abgeordnetenhauses im vorigen Jahre, neu zutage getreten sind; die wesentliche Grundlage ist dieselbe geblieben. Ich gestatte mir, nur mit einigen kurzen Worten auf diese Grundlage zurückzukommen und hier zu skizzieren, um was es sich bei dem Ent— wurfe handelt.

Daß die Fürsorge für Leben und Eigentum bei Feuersgefahr eine besondere Obliegenheit der Polizei ist, das unterliegt keinem Zweifel. Es fragt sich nur, wie diese Fürsorge auszuüben ist. In einzelnen großen Städten und Verkehrszentren hat sich die Einrichtung von Berufsfeuerwehren als notwendig erwiesen, während in der Mehrzahl der mittleren Städte und vielfach auch auf dem Lande freiwillige Feuerwehren entstanden sind, deren Förderung und weitere Ausdehnung ich als hervorragende Aufgabe des Ministeriums des Inneren betrachte. Es soll überall da, wo die Ansätze dazu vorhanden sind, wo man glaubt, etwas damit zu erreichen, dahin gewirkt werden, daß freiwillige Feuerwehren sich entweder neu bilden, oder derart weiter in sich ausbauen, daß sie tatsächlich den Aufgaben des Schutzes gegen Feuerunfälle gewachsen sind. Dieses Bestreben ist schon in einem Runderlaß eines meiner Herren Amtsvorgänger vor etwa sechs Jahren ausgesprochen, und nach denselben Grundsätzen habe auch ich verfahren. Aber, meine Herren, es bleibt eine Anzahl von Gemeinden übrig, wo es nicht möglich ist, derartige freiwillige Feuerwehren ins Leben zu rufen, oder wo sie, wenn sie ins Leben gerufen sind, versagen; und in solchen Bezirken ist es Pflicht der Polizei, nunmehr ihrerseits die Initiative zu ergreifen und dafür zu sorgen, daß der Feuerschutz, die nötige Hilfe bei Feuersgefahr auch tatsächlich vorhanden ist. Das ist seither auf dem Wege von Polizeiverordnungen geschehen, und jahrelang war sowohl seitens der obersten Verwaltungsgerichte als auch der obersten Zivilgerichte anerkannt worden, daß dieser Weg gangbar sei, daß durch Polizeiverordnung angeordnet werden könne, wo und wie der Feuerschutz zu regeln ist. Erst seit etwa vier bis fünf Jahren sind die höhern Gerichte in Preußen von diesem Grundsatz abgewichen und haben seit dem konstant eine andere Auffassung zutage treten lassen, welche dahin geht, daß die Polizei nicht befugt sei, ihrerseits organisatorisch für das Feuerlöschwesen zu sorgen, sondern daß ihr nur das Recht zu—⸗ stehe, von der Gemeinde zu verlangen, daß sie im Wege des Orts—⸗ statuts die nötigen Vorkehrungen für die Feuerwehr treffe. Diese neuerliche Rechtsprechung hat. in den verschiedensten Landesteilen zu sehr großen Unzuträglichkeiten geführt. Einmal ist die Rechtsbeständig⸗ keit der bestehenden Polizeiverordnungen dadurch in Frage gestellt worden, anderseits aber auch die Erkenntnis erwacht, daß derartige statutarische Anordnungen nicht ausreichend sind. Die statutarische Anordnung hat sich innerhalb unserer preußischen Gemeindeordnungen in Verbindung mit dem Gemeindeabgabengesetze zu bewegen und kann die Dienste der Gemeindeangehörigen nur insoweit in Anspruch nehmen, als das Kommunalabgabengesetz dies gestattet. Es handelt sich da um Hand⸗ und Spanndienste, nämlich um die Bedienung der Sprtltze und dergleichen, und von diesen Diensten schließt unsere ommunal⸗ abgabengesetzgebung, welche nur die Steuerpflichtigen solchen Diensten unterwirft, in der Regel die Heranziehung gerade derjenigen Leute aus, auf die es am meisten ankommt, nämlich die unselbständigen Haussöhne und die sonstigen jugendlichen Kräfte in einer Gemeinde, welche ja in der Regel noch nicht steuerpflichtig sind. Wenn Sie sich in eine kleine Gemeinde zurückdenken, meine Herren, so werden Sie immer sehen, daß zu den Handdiensten vorzugsweise diejenigen tat⸗ sächlich geeignet sind, die noch nicht direkt besteuert sind. Durch eine statutarische Anordnung sind also gerade diese Leute nicht zu treffen. Aber noch ein zweiter, sehr unbequemer Nebenpunkt ist dabei zu beachten: Die Kommunalabgabengesetzgebung gestattet, auch soweit sie Hand⸗ und Spanndienste erfordert, die Stellvertretung. Das ist aber gerade eine Möglichkeit, die bei dem Feuerlöschdienst absolut aus⸗ geschlossen sein müßte. Es kann nicht geduldet werden, daß derjenige, der nun einmal, sei es durch Ortsstatut, sei es durch Pol izeiverordnung, dazu verpflichtet erachtet ist, sich den Uebungen, die zur Bestellung der Schlagfertigkeit der Feuerwehr notwendig sind, nach Belieben entzieht und einen beliebigen Dritten auf seinen Platz hinstellt oder gar an einem Tage, an dem es brennt, überhaupt nicht erscheint und einen Dritten

glaube, daß diese Aenderung keine glückliche war.

hinschickt. Dann wird die Hilfe nicht zur Hilfe, sondern die Gefahr wird auf diese Weise nur vergrößert. Um dem zu begegnen, soll dieser Gesetzentwurf darauf hinwirken, denjenigen Zustand wiederherzustellen, der bis zum Jahre 1899 bestanden hat: nämlich er soll allen den⸗ jenigen Behörden, welche befugt sind, Polijeiverordnungen zu erlassen, das gesetzliche Recht geben, auch lüber das Feuerlöschwesen Polizeiver⸗ ordnungen zu erlassen. Das ist der kurze Sinn dieses Gesetzes. Durch die Beschlüsse des anderen Hauses im vorigen Jahre ist der Gedanke des Gesetzentwurfs im ganzen angenommen worden, man hat ihn aber dahin abgeändert, daß die Befugnis, Polizeiverordnungen zu erlassen, nur den Oberpraͤsidenten, Regierungspräsidenten, Landräten und Ortspolizei⸗ behörden der kreisfreien Städte, aber nicht den Ortspolizeibehörden auf dem Lande und in den nicht kreisfreien Städten gegeben sein soll. Ich Entstanden ist diesẽ Aenderung in Rücksicht darauf, daß in einem Teile des König⸗ reichs, in Westfalen und der Rheinprovinz eine große Mehrzahl der Ortspolizeibehörden ohne Mitwirkung irgendwelcher Selbstverwaltungs⸗ körper Polizeiverordnungen erlassen kann, während in den übrigen Teilen des Vaterlandes die Ortspolizei beim Erlaß derartiger Ver⸗ ordnungen an die Mitwirkung von gewählten Körperschaften gebunden ist. Meine Herren, weil in diesen jwei Provinzen solche Be⸗ stimmungen nicht gelten, hat die Mehrheit des Abgeordnetenhauses Bedenken getragen, den Ortspolizeibehörden überhaupt das in Rede stehende Verordnungsrecht zu geben! Dem gegenüber möchte ich aus⸗ drücklich konstatieren, daß das Polizeiverordnungsrecht, welches den Ortspolizeibehörden in Westfalen und den Rheinlanden zusteht, auf allen Gebieten der Polizei mit gutem Erfolg ausgeübt wird, und daß dagegen niemals ein wirklich berechtigter Tadel erhoben ist. Es ist wohl hie und da über eine einzelne Verordnung Beschwerde erhoben, niemals aber an dem Verordnungsrecht selbst eine Kritik dahin geübt worden, daß dieser Zustand nicht segengreich gewirkt hätte. Es würde sehr zu bedauern sein, wenn nun nur in Rücksicht auf die Ungleichheit der Gesetzgebung auf dem Gebiete des Polizeiverordnungs— rechtes sowohl die Polizeibehörden der östlichen Provinzen als auch die westfälischen und rheinischen das Recht, die notwendigen feuer⸗ polizeilichen Anordnungen durch Polizeiverordnungen zu treffen, über⸗ haupt nicht erhalten sollten.

Aus diesem Grunde ist die Vorlage des Vorjahres, wie sie vom Abgeordnetenhause an dieses hohe Haus gelangt ist, nunmehr wieder nach Maßgabe des ursprünglichen Entwurfs, das heißt dahin ab⸗ geändert worden, daß das gedachte Polizeiverordnungsrecht auch den Ortspolizeibehörden auf dem Lande und in den kleineren Städten zustehen soll.

Ich bin überzeugt, daß etwaige andere, insbesondere juristische Bedenken, welche ja auch in diesem hohen Hause wieder geltend ge⸗ macht werden dürften, in der Kommission, an welche Sie den Entwurf, wie ich vermute, verweisen werden, sich sehr bald erledigen werden, und daß aus den Beratungen der Kommission ein Gesetz.« entwurf hervorgehen wird, der sowohl in diesem Hause wie auch im anderen Hause angenommen wird und dann allgemein in Preußen die sichere Bekämpfung der Feuersgefahr ermöglicht. (Bravo)

Oberbürgermeister Becker⸗Cöln: Im vorigen Jahre wurde dieser Entwurf zuerst dem Abgeordnetenhause vorgelegt. Das Herren- haus wünschte damals, daß solche allgemeinen Gesetzentwürfe zuerst dem Herrenhause zugingen. Ich erkenne dankbar an, daß diesem Wunsche diesmal gefolgt ist. Der vorjährige Entwurf erstreckte sich auch auf die Bildung von Berufsfeuerwehren. Das Bedenken gegen den Entwurf ist jetzt fortgefallen. Es wäre besser, die Sache durch Ortsstatut zu regeln und diesem durch Polizeiverordnung einen Zwang beizulegen. Aber dies hat sich nicht als möglich erwiesen. Es sollte jedoch geprüft werden, ob nicht diese Polizeiverordnungen nur da zu erlassen sind, wo die Sache nicht bereits durch Ortsstatut geregelt ist. Eine besondere Frage entsteht in den größeren Städten, wo Königliche Polizei besteht, die Feuerwehr aber eine städtische Einrichtung ist. Alle diese Fragen muͤssen in einer Kommission geprüft werden, des— halb beantrage ich die Ueberweisung der Vorlage an die Kommunal- kommission.

Professor Dr. Löh ning: Ich bin mit diesem Antrage und mit der Tendenz der Vorlage einverstanden; es müssen aber eingehend die hier in Betracht kommenden Instanzenfragen, wie die Mitwirkung der städtischen Organe und der Bezirksausschüsse, geprüft werden. Nach dem Wortlaut der Vorlage könnte auch die Bildung von Berufs— feuerwehren später einmal, wenn die Regierung ihre Ansicht vielleicht geändert hat, von einer Polijeiverordnung abhängig gemacht werden. Beshalb bedarf die Vorlage der Prüfung in einer Kommisston.

Die Vorlage wird darauf der Kommunalkommission über⸗ wiesen.

setzs Verhandlungen des Landeseisenbahnrats werden der Kommission für Eisenbahnangelegenheiten, die Nachrichten der Berg⸗, Hütten- und Salinenverwaltung der Rechnungs⸗ kommission überwiesen; die Staatsverträge wegen Errichtung gemeinschaftlicher Landgerichte in Meiningen und Rudolstadt und wegen Anschlusses preußischer Gebietsteile an den Bezirk des gemeinschaftlichen thüringischen Oberlandesgerichts zu Jena werden der Justizkommission überwiesen.

Es folgt die Interpellation des Grafen von Schlieben:

Durch das Bürgerliche Gesetzbuch ist das Publikum gegen Körper- und Sachbeschädigun gen, welche durch den Be— sitzer, bezw. Lenker der Au to mobile herbeigeführt werden, nicht genügend gesichert. Gedenkt die Königliche Staatsregierung durch gesetzliche Maßregeln diesem Uebelstande abzuhelfen?“

Der Justizminister Dr. Schönstedt erklärt sich auf die Frage des Präsidenten bereit, die Interpellation sofort zu beantworten.

Graf von Schlieben sucht zur Begründung der Interpellation nachzuweisen, daß die Bestimmung des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Haftpflicht nicht genüge; denn der Verletzte müsse die Schuld des Automobilbesitzers, der einen Unfall verursacht habe, nachweisen, und

enn der Automobilbesitzer nur die nötige Sorgfalt in der Auswahl seiner Angestellten, die das Gefährt führen, geübt habe, könne er nicht hh gemacht werden. Der Redner weist auf ver⸗ schiedene juristisch in Betracht kommende . hin, in denen die Haft⸗ pflicht des en,, nicht bestehe. Er halte es für an⸗ gebracht, analog dem Haftpflichtgesetz für Eisenbahnen vorzugehen, nach welchem der Eigentümer für jeden Schaden hafte, wenn er nicht nachweisen könne, daß der Geschädigte an dem Unfall selbst schuld war. Das würde mehr angebracht sein, als eine Regelung ent⸗ sprechend der Tierhaftung.

Justizminister Dr. Schönstedt:

Meine Herren! Die von dem Herrn Grafen von Schlieben er— orterte Frage berührt eine Reihe von Ressorts, an erster Stelle viel leicht das der öffentlichen Arbeiten, aber nicht minder auch das Ministerium des Innern und der Landwirtschaft. Die Justiz ist nur insoweit beteiligt, als es fich um eine formale Regelung der Frage handelt, und da glaube ich zunächst erklären zu können, daß eine formalrechtliche Regelung irgend welchen Schwierigkeiten nicht begegnen würde. Die Schwierigkeiten der Sache liegen nur in der Materie selbst, und

wenn trotz der wiederholten Anregungen, die durch Beschlüsse, ich glaube des Landesskonomiekollegtums, der vereinigten Landwirtschaftskammem sowie des Reichstags an die Regierung herangetreten sind, di Königliche Staatsregierung doch noch nicht in der Lage gewesen is, sich über ein gesetzgeberisches Vorgehen auf diesem Gebiete schlüssh zu machen, so hat das im wesentlichen seinen Grund darin, daß wer, hältnigsmäßig wenig Erfahrungen bisher vorliegen, die eine genügend sichere Unterlage für ein solches gesetzgeberisches Vorgehen bieten würden. Wie Herr Graf von Schlieben schon hervor, gehoben hat, hat bei der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Frage eine Regelung überhaupt deshalb nicht finden können, weil man damals von dem Automobilismus noch wenig wußte. So viel wußte man allerdings davon, daß man es angezeigt fand, die Frage der Landesgesetzgebung vorzubehalten. Es würde deshalb die Landesgesetzgebung in der Lage sein, die Frage ihrerseitz zu regeln, solange nicht die Reichsgesetzgebung dieselbe für sich in Anspruch genommen und sich angeeignet hat.

Meine Herren, die Königliche Staatsregierung ist aber auf diesen

Gebiete keineswegs müßig gewesen. Sie hat sich schon seit längerer Zeit bemüht, das nötige Material für ihre Entschließungen zu sammeln. Es sind darüber Berichte eingefordert seitens der Herren Oberpräsidenten durch den Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten, und Berichte der Oberlandesgerichtspräsidenten durch mich. Die letzteren sind vor wenigen Tagen vollzählig eingegangen, sie haben sich allerding nur auf die Frage beschränkt, ob bezüglich der Haftung der Automobil. besitzer und Führer für Personenschäden aus der gerichtlichen Praxis ein Bedürfnis zur Aenderung der nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch bestehenden, vom Herrn Grafen von Schlieben richtig dargelegten Rechtslage hervorgetreten ist, und da hat sich er— geben, daß in den beiden letzten Jahren 1902 und 1903 nur 32 Proꝛesse in dem ganzen Umfange der Monarchie auf Schadenersatz wegen Personenbeschädigung durch Automobile anhängig gemacht worden sind, Prozesse, die in ihrer Mehrheit gegenwärtig noch schweben. Ich bin weit entfernt davon, aus der geringen Zahl dieser Prozesse den Schluß zu ziehen, daß deshalb das Bedürfnis zu einem gesetzgeberischen Ein schreiten vernelnt werden könne. Die geringe Zahl der Prozesse kann sich leicht auch dadurch erklären, daß in manchen Fällen eine Rechtt— verfolgung nach der bestehenden Gesetzgebung von vornherein aussichtsloz erschien; sie wird zum Teil ihre Erklärung darin finden, daß die Automobil, besitzer wie die Versicherungsgesellschaften, die sich mit der Versicherunz der letzteren gegen Ansprüche aus Automobilbeschädigungen befassen, und die, soviel ich weiß, zu Verbänden jusammengetreten sind, schon in eigenen Interesse bemüht sind, solche Schadenersatzansprüche unter Vermeidung des Rechtsweges auf gütlichem Wege zu regeln, und daß dies in vielen Fällen gelungen ist.

Die Berichte der Herren Oberpräsidenten sind bis jet nicht vollzählig eingegangen; ich kenne sie selbst nicht. Nach den uns gemachten Mitteilungen enthalten sie ein gan außerordentlich weitschichtiges Material, was der sorgfältigen Durcharbeitung und Sichtung bedarf, einer Arbeit, die nach der Meinung des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten noch einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird. Erst wenn diesch Material verarbeitet ist, wird die Staatsregierung in der Lage sein, zu der Frage eines gesetzgeberischen Vorgehens Stellung zu nehman. Es wird aber dabei zu berücksichtigen sein nicht nur der Gesichtspunk der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, sondern auch die Bedeutung des Automobilwesens selbst, und die Bedeutung der Industrie, die sich mit der Herstellung der Automobile beschäftigt und die gerade in den letzten Jahren einen außerordentlich lebhaften Aufschwung genommen hat, insbesondere nach den mir gemachten Mitteilungen, seitdem ein deutsches Automobil auf dem letzten Gordon Bennettrennen in Irland den Sieg errungen hat, der zur Folge hatte, daß das nächste Rennen auf deutschem Boden stattfinden wird. (Bravo!)

Also, meine Herren, die Sache ist für die Königliche Staatt— regierung noch nicht spruchreif. Es bezieht sich das auf die Frage zunächst, ob schon jetzt ein dringendes Bedürfnis zur gesetzgeberischen Regelung vorliegt, und wenn diese Frage bejcht wird, ob die Landeb— gesetzgebung oder die Reichsgesetzgebung in Anspruch zu nehmen ist, und ch für den einen oder für den anderen Fall zunächst nur für Personenschaden die umfassendere Sicherung zu geben ist, wie dies die Reichsgesetzgebung in dem Haftpflichtgesetz von 1871 getan hat, oder ob auch der Sachschaden hineingezogen werden soll, für den das preußische Eisenbahngesch einen gleichwertigen Schutz gegeben hat, wie er nach der Reichsgeset⸗

gebung nur den Personen, die etwa zu Schaden kommen, gegeben itt. ö

Ich möchte also die Bitte an das hohe Haus richten, sich noch einige Zeit zu gedulden; denn das glaube ich versichern zu können daß die Sache seitens der Königlichen Staatsregierung eifrig und gewissenhaft verfolgt werden wird, und ich zugleich erklären ju können, daß die Entschließung der Königlichen Staatsregierung darüber, wie sie sich ju der Sache stellen soll, nicht zu lange auf sich warten lassen wird. (Bravo!)

Graf von Tiele-Winckler: Unsere Automobilindustrie hat sich eine große Bedeutung auf dem Weltmarkt erobert. Die Cut wickelung dieser Industrie darf nicht gestört werden. Deshalb bitte ich Sie, die Regierung nicht zu einer Gesetzgebung auf diesem Gebiete zu drängen. Heute sind die Kommunen schon gezwungen, Wege sin die Radfahrer anzulegen. In wenigen Jahren werden wir vielleich fo weit sein, daß auch Bestimmungen zu Gunsten des Automobils ge troffen werden können. .

Herr von Reinersdorff kann nicht einsehen, wes halb die Automobilbesitzer unter ein Ausnahmegesetz gestellt werden sollten Die Unfälle würden in der Hauptsache nicht durch die Automobil⸗ besitzer, sondern durch die Unachtsamkeit der Passanten hervorgerufen

Graf von Mirbach bedauert, daß die Regierung nicht dieselb Snergie, die sie heute gegenüber den Automobilen zeige, seinerzeit be Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Frage des Ersatzes de Schaden, der durch diese berurfacht wird, gezeigt habe. Es zwelfelloß, führt er aug, daß die Automobile entgegenkommend Passanten und Gefährte in Gefahr bringen. Ich begreife nich, daß man Automobilrennfahrten auf öffentlicher Chaussee zulassen konnte

Wagz hätte man gesagt, wenn Pferderennen auf den Chausseen stat, .

gefunden hätten! Manche Bestimnmungen det B. G. B. hätten anden ausfallen können, wenn man dag B. G. B. nicht im Plenum d Reichstages durchgesetzt hätte. Die Haftpflichtbestimmungen für d Schaden durch Tiere sind wesenkllich durch die Freisinnigen mit Hi des linken Flügels des Zentrums in das Gesetzbuch hinein gekommen. Darin muß eine Aenderung getroffen werden, und meine Freunde

halten sich einen entsprechenden Antrag 53 vor. Auf der an f. Seite gibt es gar keine Haftpflicht für den aden durch Automobile

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Neichsan

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3weite Beilage

Berlin, Dienstag, den 19. Januar

zeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1904.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Prinz zu Schönaich Caxrolatzh erklärt sich für die Tendenz der Interpellation. Die Unglücksfälle, bemerkt er, mißt das Publikum den Automobilen zu, und etz kann nicht länger darauf, warten, daß die Sicherbeit auf den Landstrgßen wieder hergestellt werde. An jedem Automobil ö eschrieben stehen: iebe Deinen Nächsten wie Dich selbst. Rücksicht wird von zen Auto⸗ mobilbesitzern nicht genommen, die Wagen fahren so schnell, daß bei Unfällen die Namen der Besitzer gar nicht festgestellt werden können.

Angesichts des in. Deutschland stattfindenden Gordon Bennet⸗Rennents

ollte Graf Schlieben sich ein Verdienst dadurch erwerben, daß er f! Automobilbesitzer auf größere Vorsicht hinweist. Ich wäre der Regierung dankbar, wenn sie das Tempo vorschreiben würde, in dem die Automobile fahren dürfen. Wo soll denn der Landmann mit seinen Wagen, die vielfach noch mit Ochsen be— spannt sind, bleiben, wenn die Automobile durch die Straßen rasen, hlelfach von solchen Leuten gelenkt, denen es Vergnügen macht, den Kontinent zu durchqueren. Die Landleute können sich nicht so schnell mit der Sache abfinden, sie bleiben in ihrer Verlegenheit mitten auf der Straße stehen, wenn ein Automobil ankommt. Auch in den Straßen von Berlin fahren die Automobile viel zu schnell. In Breslau ist ein Mann von einem Automobilbesitzer totgefahren worden, und dieser hat nur acht Tage Gefängnis bekommen. So ist der Fall ohne Widerspruch der Regierung im Reichstage dargestellt worden. Ein solches Urteil stimmt nicht mit dem Rechtsbewußtsein des Volkes überein.

Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:

durch die Worte des Herrn Vorredners gezwungen, wenigstens auf einiges von dem, was der geehrte Herr gesagt hat, zu erwidern. Ich bin insbesondere darauf aufmerksam gemacht, daß die Schnelligkeit der Automobile durch Polizeiverordnungen geregelt werden solle. Meine Herren, das ist längst geschehen! Es besteht eine Verordnung, die dahin geht, daß außerhalb der Ortschaften, wenn gerade und über⸗ sichtliche Wege befahren werden, eine höhere Geschwindigkeit zugelassen ist, das heißt, daß in der Regel die Geschwindigkeit von etwa 30 km in der Stunde nicht zu übersteigen ist, daß aber in den Ortschaften diese Geschwindigkeit sehr erheblich zu ermäßigen ist, und daß diese Ermäßigung je nach der Enge der Straßen id Verkehrswege bis zu der Geschwindigkeit eines gewöhnlichen fahrenden Wagens oder noch weiter gherabgehen soll. Ja, aber meine Herren, so weit zu gehen, wie der Herr Vorredner will, den Verkehr eigentlich ganz zu verbieten, er hat von Kreisstraßen ge— sprochen, auf denen es nicht mehr möglich sei zu fahren, seine Wagen wären gezwungen, in den Graben zu fahren; ja, meine Herren, das geht, meine ich, zu weit, und ich weiß auch nicht, wie der geehrte Herr Vorredner damit den von ihm ausgesprochenen Wunsch verbinden kann, daß die Automobilindustrie in Deutschland auch weiter blühen und gedeihen solle. Das scheint mir eine Kontradiktio zu sein, deren Lösung mir zur Zeit fehlt. Ich stehe persönlich auf dem Standpunkt, daß der Automobilverkehr noch eine große Zukunft in Deutsch— land hat, daß wir uns aber im Augenblick noch in einem Stadium des Kreisens und Werdens befinden und einige Uebelstände dabei mit in den Kauf nehmen müssen. Selbstverständlich ist es aber Pflicht der Regierung, diese Uebelstände zu beseitigen und ihnen entgegenzutreten. Dies darf aber nicht dadurch geschehen, daß wir in den ganzen Automobilverkehr so störend ein⸗ greifen, daß die Entwickelung, die er zu nehmen scheint, dadurch ge⸗ hemmt wird. Wir müssen sowohl unsere Landsleute wie ihr Eigentum, Sache und Person gegen Schäden durch Automobile schützen, wir müssen aber auch andererseits den Automobilverkehr nicht durch drakonische Maßregeln unmöglich machen. Insbesondere bei dem bevorstehenden Rennen, von dem auch gesprochen ist, ist es Pflicht der Regierung, alle diejenigen Maßregeln zu ergreifen und für deren Durchführung wirksam zu sorgen, welche notwendig sind, um den Schutz des Publikums und der Anwohner der von dem Rennen be— troffenen Landesteile zu sichern und sie absolut gegen die Gefahren zu sichern, die ihnen durch die Automobile drohen. Ich hoffe, daß die Anordnungen, welche getroffen werden, auch diesen Erfolg haben werden. Ich hoffe dann aber auch ferner, daß dieses Rennen, das in der Gegend von Homburg stattfinden wird, zum Ruhme unserer deutschen Automobilindustrie und zur Freude unserer deutschen Automobillieb⸗ haber unter Beobachtung aller notwendigen Sicherheitsmaßregeln ge⸗ lingen möge. (Bravo!)

Herjog von Ratibor: Der Klub der Automobilbesitzer, dessen Vorsitzender ich bin, kann für diese Ausführungen nur dankbar sein; das Gordon⸗Bennet Rennen wird so eingerichtet sein, daß das . kum während des Rennens vollkommen geschützt ist; die befahrenen Strecken werden vollständig für den Verkehr gesperrt werden, die Uebergänge werden durch Drahtgitter geschützt werden. Sämtliche Automobile, die zu dieser Gelegenheit nach Homburg kommen werden, auch die aus dem Ausland, werden Schilder n die sie so kenntlich machen, daß sie bei Unfällen festgestellt werden können. Der gute, sichere Automobilbesitzer wird niemanden gefährden, aber daß es auch wilde Automobilbesitzer gibt, läßt sich nicht vermeiden. Die Klagen betreffen immer nur solche Leute, die keine Rücksicht nehmen. Ein Automobil kann ohne Gefahr schneller fahren als ein Wagen mit Pferden, weil es auf viel kürzerem Wege zum Stillstand gebracht werden kann als ein Gespann. Warten wir den weiteren Entwicklungs⸗ ang ab, und überlassen wir es der Regierung, die Sache zu regeln. Mit der Zeit wird man sich mit den Automobilen befreunden und sie für ein nützliches Verkehrsmittel halten.

Graf von Hoensbroech:; Das Publikum wird sich mit der Zeit an die Automobile gewöhnen. Maßregeln gegen den Verkehr würden diese Gewöhnung verlangsamen. Normalsätze für die Ge⸗ schwindigkeit lassen sich gar nicht aufstellen. Warum soll das utomobil in unbewohnter Gegend auf völlig freier Strecke nicht auch einmal ho bis S0 km fahren dürfen? Das Scheuen der Pferde ist nicht so gefährlich, wie die Scheu der Kutscher vor den Auto⸗ mobilen. Vor den Radfahrern scheuten die Pferde auch erst, u haben sie sich daran gewöhnt. Es wäre ganz verfehlt, jetzt ö ehe wir Erfahrungen gesammelt haben, gegen den Automobilverkehr mit gesetzlichen Bestimmungen vorzugehen. Dadurch würde unsere Auto⸗ mobilindustrle zu Grunde gerichtet. Graf von Schlieben bemerkt, es sei ihm gar nicht eingefallen, gegen daß Automobilwesen an sich Sturm zu laufen. Es handele sich

um die Bekämpfung des Unfugs der Fahrer und den Schutz des Publikums gegen Unglücksfälle.

Damit ist die Interpellation erledigt.

Es folgt die Interpellation des Freiherrn von Du rant:

„»Ist der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß seitens der Landbank in Oberschlesien ausgedehnte Ankäufe größerer lebensfähiger Ritter üter behufs Zerschla—⸗ gung erfolgen, und gedenkt dieselbe? kaßnahmen zu treffen, um diesem sowohl in volkswirtschaftlichem wie in sozialem Interesse schädlichen Verfahren zu steuern?“

Auf die Frage des Präsidenten erklärt sich der Minister für Ea där ff 2c. von Podbielski bereit, die Inter⸗ pellation sofort zu beantworten.

Freiherr von Durant; Von der Rentengutsgesetzgebung erhofften wir die Wiederbelebung und Wiederschaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und die Seßhaftmachung von Arbeitern für die größeren Besitzungen. Beide erhofften Erfolge sind leider nicht oder nur in sehr ge⸗ ringem Maße eingetreten. Die Generalkommission wurde geradezu versucht, jede Gelegenheit zu Ansiedlungen zu suchen, und sie hat dieser Ver— suchung nicht widerstanden, sondern viele große Güter zu Ansiedlungs⸗ jwecken zerschlagen. Erst in den letzten Jahren ist die Generalkommission vorsichtiger geworden. Dagegen ist jetzt die Landbank aufgetreten, welche in derselben Weise vorgeht, Sie kauft alles in Picmmern und Schlesien, besonders in jüngster Zeit in Oberschlesien, zu Parzellierungs⸗ jwecken auf, ohne Rücksicht darauf, ob die von ihr geschaffenen Güter leistungsfähig sind oder nicht. Die großen Majorate sind gerade die Träger der Kultur, der Selbst verwaltung, des Patriotizmus. Die Beseitigung derselhen halte ich für schädlich in sozialethischer Beziehung. Was will, die Landbank dafür an die Stelle setzen? Die Landbank zahlt für die Güter exorbitante Preise, bei denen die Schaffung eines leistungsfähigen Kleinbesitzer⸗ standes gar nicht möglich ist. Das starke Angebot von Gütern für die inen n beweist nichts für die Notwendigkeit der Zerschlagung, ondern ist lediglich durch die hohen Preise verursacht, welche die Land⸗ bank anlegt. Bie Folge wird sein, daß nur leistungsunfähige und darum unzufriedene Elemente geschaffen werden. Die Unzufriedenheit hat leider schon einen sehr hohen Grad erreicht. Der Mittelstand kämpft einen schweren Kampf zwischen den Arbeitern auf der einen und dem Großkapital auf der anderen Seite; er ist das festeste Bollwerk gegen d Umsturz; er wird am meisten durch dieses Vorgehen geschädigt werden. Man sehe den Agitatoren scharf auf die Finger, aber beunruhige nicht die Bevölkerung dadurch, daß man sie gewaltsam zu germanisieren sucht. Siedelt die Landbank katholische Ansiedler an, so würden Dasen von deutschen Ansiedlern innerhalb rein polnischer Bezirke entstehen und dasselbe Schicksal erleben, wie in der Provinz Posen. Will man aber evangelische Ansiedler ansetzen, so müßten erst evan⸗ gelische Kirchensysteme geschaffen werden, was neue Streitigkeiten hervorrufen würde. Wenn es richtig ist, daß den von der Landbank angesiedelten Besitzern auch staatliche Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen, so würde ich eine solche Unterstützung der Landbank durch den Staat für verfehlt halten. Ich richte an die Regierung die Frage. ob die Landhank, von der Regierung oder von ihr nahestehenden Instituten Geldmittel erhält. Die General⸗ kommission sollte die Genehmigung der Ansiedlung versagen, wenn nicht die Lebensfähigkeit der neuen Besitzer absolut feststeht. Der Staat sollte selbst ohne die Landbank dort, wo ein Uebergang von Gütern in andere Hände stattfindet, eintreten, um aus diesen Gütern Kommunalbesitz zu schaffen.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Meine Herren! Es ist von dem Herrn Vorredner bei der Be⸗ gründung der Interpellation, die an sich ziemlich kurz war, eine Reihe von Betrachtungen angestellt worden, die mich veranlassen, wenn auch nicht so umfangreich, so doch in gedrängter Kürze auf die Einzelheiten einzugehen.

Auf die Interpellation selbst habe ich in ihrem ersten Teile das zu antworten, was, glaube ich, zur Zeit offenkundig und auch durch die Zeitungen gegangen ist. Auch die Königliche Staatsregierung hat Zeitungen gelesen, aus denen sich ergibt, daß die Landbank in Ober— schlesien Güter kauft. Ich habe also auf die Anfrage, ob dies der Staatsregierung bekannt ist, mit Ja zu antworten.

Nun ist Herr Freiherr von Durant zunächst auf frühere Zeiten eingegangen, auf die Ausgestaltung der inneren Koloni⸗ sation, auf die Absichten, die man bei der Rentenguts—⸗ gesetzgebung gehabt hat, und er hat, glaube ich, in einem Falle mit Unrecht, meinem Herrn Vorgänger respektive dem Herrn Finanz minister von Miquel vorgeworfen, daß er den sogenannten Zwischen⸗ kredit nicht habe bewilligen wollen zum Ankauf von Gütern zwecks Rentengutsbildung. Gerade das Gegenteil trifft zu. Wenn Herr Freiherr von Durant die Verhandlungen des Herrenhauses nachliest, so wird er finden, daß die Regierung es allerdings wollte (Zustimmung); das Herrenhaus aber hat damals den Zwischenkredit zu diesem Zwecke abgelehnt. So liegt es, Herr Freiherr von Durant. Ich glaube, daß Sie aus dem hohen Hause nach dieser Richtung hin die Bestätigung hören werden. (Zustimmung.) Ich möchte Sie bitten, die steno—⸗ graphischen Berichte über die früheren Verhandlungen nachzulesen; dann werden Sie zu einem anderen Urteil kommen als zu dem, daß die Regierung die Mittel nicht habe bereit stellen wollen. Nein, gerade hier im Herrenhause ist die Gewährung des Zwischenkredits aus bestimmten Gründen abgelehnt worden.

Nun muß ich offen gestehen: bei der wenig erfreulichen Lage unserer preußischen Landwirtschaft ist es meiner Ansicht nach eine der traurigsten und bedenklichsten Erscheinungen beinahe in allen Provinzen, daß sich am schwersten der mittlere Grundbesitz erhält.

Von sämtlichen Autoritäten ist es anerkannt, daß sich wohl der bäuerliche

Besitz, wo der Mann selbst mit seiner Familie arbeitet, noch zu er⸗ halten vermag, daß aber gerade der mittlere Besitz, von dem Herr Freiherr von Durant sprach, am allerschwersten zu kämpfen hat, näm-⸗ lich der Besitz über 500 Morgen. Diese Landwirte, die meistens größere Lebensansprüche machen, sind bei den geringeren Erträgen jetzt tatsächlich nicht mehr in der Lage, ihre Familien ihren Ansprüchen entsprechend zu erhalten, sodaß diese Güter, wenn man die Statistik beobachtet, zur Zeit am meisten am Markt liegen, wenn ich mich so ausdrücken darf.

Ich würde mich sehr freuen, wenn es gelänge, durch diese ver⸗ schiedensten beabsichtigten Maßregeln, insbesondere durch besseren Zoll- schutz, diesem Besitz wieder Lebensfähigkeit ju geben, aber die Er— scheinung ist meiner Ansicht nach unbestreitbar, daß es dem mittleren

ländlichen Grundbesitz am allerschlechtesten geht, und daß auch der größere Grundbesitz eigentlich nur da vorwärts kommt oder wenigstens sich erhalten kann, wo der Wald ihm noch eine weitere Stütze gewährt. (Sehr richtig.) Ich bin verpflichtet, es klar auszusprechen, wie nach meiner Auffassung die Verhältnisse liegen, und ich glaube, daß das zur Zeit eine traurige Erscheinung ist, mit der wir rechnen müssen.

Es entsteht nun die weitere Frage: was soll mit diesem Besitz geschehen? (Zuruf) Ich komme vielleicht noch einmal auf den Punkt zurück, wie die Domänenverwaltung in Betreff der Parzellierung vor⸗ geht. In Neuvorpommern, wo der bäuerliche Besitz ganz minimal ist, haben wir nur größeren Besitz zerschlagen und verwenden das Geld zu anderweitem Ankauf. Es hat sich in Pommern eine Ansiedelungsgesellschaft gebildet, dieser habe ich zwei Domänen zur Parzellierung übergeben; aber was bedeutet das Ganze? Noch nicht rund 400 000 S . Ich will weiter erwähnen, daß ich öfters im Westen einige Mittel flüssig mache, und daß ich in dem einen Falle verkaufe, um an anderer Stelle das Geld wieder anzulegen. Diese Verkäufe haben im letzten Jahre circa eine Million betragen. Was will aber eine Million sagen gegenüber den Anforderungen, die an die Staatsregierung herantreten aus Pommern, Ostpreußen, Schlesien und Schleswig! Meine Herren, das sind Tropfen Wassers gegenüber der Flut von Gütern, die zum Verkauf gestellt werden. Und wenn mir auch in den Provinzen Posen und Westpreußen ein Fonds von 100 Millionen zur Verfügung steht zu Ankäufen von Domänen, so ist das doch immer nur für eine längere Reihe von Jahren, denn ich halte mich nicht für berechtigt, das Geld in ein paar Jahren aufzubrauchen. Die Anträge sind aber so er⸗ heblich, daß ich nicht allen Wünschen entsprechen kann. Also die Mittel, die der Staat zur Verfügung stellt, muß ich als so gering be⸗ zeichnen, daß sie kaum in Betracht kommen. Ich muß hervorheben, und das werden mir die Herren Vertreter aus Pommern bestätigen können: was sind für Wünsche aus dem Bezirk Köslin an mich herangetreten? Genau dasselbe trifft für Schlesien zu. Ueberall der⸗ selbe Ruf: Kauft Domänen! Aber, meine Herren, ich bin tatsächlich nicht in der Lage, abgesehen von den Provinzen Westpreußen und Posen, irgend welche erheblichen Mittel zur Verfügung stellen zu können. Ich habe deshalb auch den Herren Oberpräsidenten immer antworten müssen: ich kann keinerlei Versprechungen machen, daß ich eine Domäne ankaufe, weil mir tatsächlich die Mittel dazu fehlen.

Ich komme nun auf die Frage: Ist das Vorgehen der Landbank in der Tat ein so schädliches, wie der Herr Interpellant ausgeführt hat? Ich glaube, daß er eine Reihe von Hypothesen in den Vorder⸗ grund geschoben hat, ohne behaupten zu können, daß sie verwirklicht sind. Er hat z. B. gesagt, es wäre das eine gewaltsame Kolonisation, es würden leistungsunfähige Gemeinden geschaffen, alles Behauptungen, meine Herren, wo ich frage, wo ist der Beweis dafür? Er fehlt! (Zuruf des Freiherrn von Durant: das kommt noch erst) Ja, meine Herren, ob eine Maßregel so oder so ausschlägt, das wird, glaube ich, Freiherr von Därant auch nicht mit absoluter Sicherheit vorauszusagen ver- mögen.

Es wäre dies auch ein herber Vorwurf gegen die General⸗ kommission von Schlesien, der, glaube ich, Freiherr von Dürant selber als Berater angehört. Denn wo es sich um Rentengüter handelt, für die der Kredit der Rentenbank in Anspruch genommen wird, ist die Generalkommission gesetzlich verpflichtet, für die Leistungsfähigkeit der geschaffenen Güter einzustehen. Die Generalkommission darf erst die Rentengutsbildung unter ihrer Mitwirkung zulassen, wenn sie die Ueberzeugung hat, daß die neuen Gemeinden und die einzelnen Güter leistungsfähig sind. Und alle Beamten würden sich einer Pflichtverletzung schuldig machen, wenn sie ohne diese Voraussetzung ihre Zustimmung geben würden. Ich muß ausdrücklich hervorheben, daß der Vorgänger des Präsidenten der Generalkommission, wie auch der jetzige Präsident, dabei alle Vorsicht geübt haben, sodaß außer einer einzigen Rentengutsbildung, die mir in meiner Dienstzeit bekannt geworden ist, das war in Niederschlesien, wo eine solche mißglückt ist, ich nehme an, auch dank der Mitwirkung des Herrn Inter- pellanten, keine Ausstellungen gegen die Tätigkeit der dortigen General- kommission zu erheben sind. Da muß ich immer wieder fragen: warum der Vorwurf, wo doch leistungsunfähige Gemeinden tatsächlich nicht gebildet sind?

Nun kann ich Herrn Freiherrn von Durant weiter Gerade um diese Frage zu erörtern, ob Rentengutsbildungen in Oberschlesien vorgenommen werden sollen, ob dies im politischen Interesse richtig ist, ob dort eventuell in einer anderen Form kleinerer oder mitt- lerer Besitz gebildet werden soll, ob ich vielleicht dort Domänen kaufen soll, habe ich beschlossen, eine Kommission anfangs Februar in Breslau zusammenzuberufen. Ich babe diese Kommission nicht etwa erst im Verfolg der Interpellation, wie ich ausdrücklich hervorhebe, sondern schon vorher aus Vertretern der Regiminalbehörden, der General- kommission, der Landbank und meinen Kommissaren ge⸗ bildet, um diese Fragen wegen ihrer eminenten politischen und wirtschaftlichen Bedeutung zu prüfen. Diese Kemmission soll Anfang Februar zusammentreten, vielleicht nimmt Freiherr von Durant an ihren Beratungen teil, aber jetzt schon zu sagen, es werden leistungsunfähige Gemeinden gebildet, wo tatsächlich noch nicht einmal die Landbank an Parzellierungen berangegangen ist, halte ich für ein vorgreifendes Urteil. Ich kann da nur sagen: gewiß kommen im wirtschaftlichen Leben Erscheinungen vor, die dem einen nicht passen und ibn zu einem kritischen Urteil fübren. So kann ich mir denken, daß don mancher Seite der Landbank ein Vorwurf gemacht wird. Ich kann aber nur bestätigen, daß in neuerer Zeit die Direktion der Landbank unbedingt bestrebt ist, die Interessen der Staatz regierung nach jeder Richtung bin zu unterstützen und zu fördern. Sie ist in Oberschlesien seither nicht tätig gewesen, ohne unausgesetzt den dortigen Bebörden Kenntnis von der Sachlage zu geben. Nach dieser Richtung kann also den Herren von der Landbank kein Vor wurf gemacht werden. Ob nun aber Domänenbildung oder Dig.

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