so, wie es jetzt tatsächlich ist, daß in sehr häufigen Fällen alle paar Jahre ein Wechsel eintritt, daß wieder neue Beamte hinkommen, die den Verhältnissen fremd gegenüberstehen, die sich erst neu einarbeiten müssen, und die, wenn sie die nötige Vertrautheit mit den Ver⸗ hältnissen erlangt haben, dann wieder nach außen hinstreben und weg⸗ zukommen suchen.
Ich glaube deshalb, meine Herren, erwarten zu dürfen, daß der Gesetzentwurf in diesem hohen Hause bei rein sachlicher, objektiver Beurteilung eine wohlwollende Aufnahme finden werde und daß, wenn er zur Annahme gelangt, Sie dadurch dem Lande einen Dienst erweisen werden.
Nun, meine Herren, bin ich zweifelhaft, ob es innerhalb der heutigen Tagesordnung liegt, auch über die Frage schon zu reden, die die Hebung der Stellen bei den großen Staatsanwaltschaften betrifft. Ich glaube fast, daß das nicht den Gegenstand der heutigen Tages ordnung bildet, weil diese Frage bei der Etatsberatung zur Erörterung gelangen wird. Ich bin aber bereit, wenn der Herr Präsident es wünscht, auch über diese Frage mich zu äußern, und ich möchte den Herrn Präsidenten bitten, mir nach dieser Richtung hin eine Direktive zu geben.
Nach einer Bemerkung des Präsidenten schließt der
Justizminister Dr. Schönstedt:
Dann verzichte ich für jetzt darauf und behalte mir nach dieser Richtung hin das Weitere für die Etatsberatung vor.
Abg. Roeren (3entr.): Ich möchte mich zunächst der zweiten Vorlage zuwenden. Wenn diese Gesetz wird, dann ist damit zum ersten Male der Grundsatz des z 79 des Ausführungsgesetzes zum
Gerichtsverfassungsgesetz durchbrochen. Die Regelung bezüglich Berlins hat stets als so exzeptionell gegolten, daß sie jede
generelle Ausdehnung ausschloß. Die Regierung macht den heutigen Versuch nicht zum ersten Male, sondern der erste Versuch wurde schon 1890 gemacht, blieb aber ergebnislos. Der Justiz- minister stellt heute die Sache so dar, als ob die Vorlage damals nicht durchberaten worden sei, und als ob ihr Grundgedanke gar keine prinzipiell. Anfechtung erfahren habe. Diese Dar⸗ stellung ist in wesentlichen Punkten unrichtig. Die damalige Vorlage stellte als den Hauptzweck die Entlastung der Landgerichtspräsidenten bin; sie kam zuerst an das Herrenhaus, und da stellte man sich auf den Standpunkt, daß die Vorlage den Hauptzweck habe, eine ver= schärfte Aufsicht über die Amtsrichter einzuführen und Nachlässigkeiten, Bummeleien und dergleichen schärfer zu fassen. Die Beratung im Abgeordnetenhause hat sich tatsächlich prinzipiell gegen den Grund— gedanken der Vorlage, die Ausdehnung der Dienstaufsicht auf die richterlichen Beamten, gewandt; der Abg. Windthorst hat dies damals mit aller Bestimmtheit nachgewiesen und eindringlich vor dem Ein— bruch in die Unabhängigkeit des Einzelrichters gewarnt. Aehnlich sprach sich der nationallibergle Fraktionsredner Dr. Krause aus, der ebenfalls von der Herabdrückung des Standes der Amtsrichter, wie sie die Vorlage involviere, absolut nichts wissen wollte, desgleichen der verstorbene Redner der Freisinnigen Czwaling, und sogar der freikon⸗ servative Landgerichtspräsident Krah hatte schwere Bedenken. In der Kommissionsberatung wurde die Vorlage mit 8 gegen 6 Stimmen ab— gelehnt, und zwar wie der Bericht zeigt, wesentlich aus Bedenken gegen ihren Grundgedanken. Seitdem haben sich die Verhältnisse nicht ge⸗ ändert. Zu der Zahl von Amtsgerichten mit mehr als 15 Richtern sind vielleicht? oder 3 hinzugetreten; die Gejamtzahl beträgt 17. Unsere damaligen Ablehnungsgründe gelten für uns auch jetzt. Es ist doch ein Widerspruch in sich, wenn man gerade die Amks— gerichte am Sitze des Landgerichtspräsidenten, die er am leichtesten beaufsichtigen kann, der Aufsicht des letzteren entziehen will; logisch wäre es, die von diesem Sitze entfernt gelegenen Amtegerichte der Aufsicht eines Landgerichtsdirektors zu unterstellen und so den Land⸗ gerichtspräsidenten wirklich zu entlasten. Für den weiteren Zweck die etwaigen Ordnungspwidrigkeiten und Bummeleien bei den Amtsrichtern strammer zu kontrollieren, gilt genau dieselbe Erwägung. Wird die Vorlage in dieser Session Gesetz, dann würden wir sehr bald auch über die auswärtigen Amtegerichte den Amtsgerichtsdirektor haben, und zwar überall; über kurz oder lang ständen dann unsere sämtlichen Einzelrichter unter dieser Dienstaufsicht, und mit ihrer Selbständigkeit wäre es vorbei. Irgend ein Nachweis für die Notwendigkeit dieser Doppelkontrolle ist weder von der Vorlage, noch von dem Minister erbracht worden. Schon jetzt gebt die Dienstaufsicht über ihre natür- liche Grenze hinaus. Mir ist mitgeteilt worden, daß ein Landgerichts— präsident in einer größeren Stadt angeordnet hat, daß die Amts⸗ richter ihre Termine zu einer bestimmten Stunde anzufangen und zu einer bestimmten Stunde zu beenden und über das, was sie in der Zwischenzeit getan haben, selbst Buch zu führen haben. Der Land— gerichtspräsident mag sich für zuständig halten, eine solche Anordnung zu erlassen; aber daß die Richter über sich selbst Konduiten⸗ listen führen sollen, wann sie zu spät gekommen sind, ob sie fleißig gearbeitet haben oder nicht, das geht denn doch wirklich zu weit; wäre ich Amtsrichter in diesem Bezirk, ich würde dieser Anordnung nicht nachkommen. Als am 29. März 1991 im Herrenhause die Vorlegung eines Gesetzes beantragt wurde, sagte ein Redner, daß auch bei den großen Amtsgerichten der Provinzialstädte der Geschãftsgang jetzt durchaus prompt und eine Aenderung nicht erforderlich sei; und dieser Redner war der Herr Justizminister Schönstedt. Deshalb könnte ich in Uebereinstimmung mit dem Justijminister beantragen, diese Vor— lage a limine abzulehnen. Ich will aber die Ueberweisung der Vor⸗ lage an eine Kommission beantragen. Das gleiche beantrage ich bejüglich des andern Entwurfs, dem ich im ganzen sympathisch gegen⸗ überstehe. Ich bitte aber den Minister dringend, für alle Amtsrichter ebenfalls das System der Dienstaltersstufen einzuführen.
Justizminister Dr. Schönstedt:
Meine Herren! Ich glaube, nach der Auffassung des Herrn Abg. Roeren hätte er sich dahin aussprechen müssen, daß der zweite Gesetz⸗ entwurf gegenstandslos wäre durch die von ihm gewünschte Ablehnung des ersten; denn daß der Herr Abg. Roeren sich der Hebung der Staats⸗ anwaltschaft freundlicher gegenüberstellen würde wie der Bestellung von Amtsgerichts direktoren, glaubte ich nach seiner bisherigen Haltung in dieser Frage einigermaßen bezweifeln zu müssen, und wenn er da dasselbe erreicht, was er hier zu erreichen bestrebt ist, dann hat der erste Gesetzentwurf, betreffend die Regelung der Richtergehälter, gar keinen Boden mehr, er fällt einfach unter den Tisch.
Nun, meine Herren, bezüglich der Ausführungen des Herrn Abg. Roeren will ich mich nicht auf alle Einzelheiten einlassen. Ob er den Kern der Verhandlungen von 1891 richtig wiedergegeben hat, darüber, meine Herren, stelle ich anheim, sich selbst ein Urteil zu verschaffen, indem Sie den stenographischen Bericht der damaligen Verhandlungen von 1891 lesen. Ich habe selbstverständlich nicht die sämtlichen Reden hier vortragen können; ich habe nur diejenigen Stellen vor⸗ getragen, aus denen für mich ganz klar hervorgeht, daß die Fraktions⸗ redner in ihrer überwiegenden Mehrheit dem Entwurf zwar so, wie er eingebracht war, sich ablehnend gegenüberstellten, daß sie es aber keineswegs für ausgeschlossen hielten, einem anderen Entwurf zu⸗ zustimmen, der die von ihnen hervorgehobenen Bedenken beseitigen würde. Diese Auffassung habe ich auch noch jetzt.
Wenn darauf Bezug genommen worden ist, daß damals sogar ein Landesgerichtspräsident erklärt habe, er sei vollständig in der Lage gewesen, die 17 Amtsgerichte seines Bezirks zu revidieren, ja, meine Herren, dann begreife ich das sehr gut.
Es war der Landgerichts⸗
präsident von Flensburg, wo es außer dem in Flensburg selbst be⸗ findlichen, mit sechs Richtern besetzten Amtsgericht nur Amtsgerichte von einem bis drei Richtern gibt, dem also die eigene Erfahrung be⸗ züglich der streitigen Frage fehlte. Derselbe Herr hat aber geäußert, er glaube, daß da, wo ein Landgerichtspräsident, wie in großen Städten der Fall, ein sehr großes Landgerichtskolleg zu leiten habe, er vielleicht nicht die nötige Zeit finden werde, auch noch ein großes Amtsgericht an demselben Ort in genügender Weise zu beaufsichtigen.
Nun, meine Herren, hat auch die sogenannte Doppelkontrolle eine gewisse Rolle gespielt und es ist dabei erzählt worden, daß irgendwo ein Landgerichtspräsident den Amtsrichtern zur Pflicht gemacht habe, gewissermaßen Buch zu führen über ihre Tätigkeit, über Anfang und Ende ihrer Arbeit, ihr Erscheinen bei Gericht usw. Ich weiß davon nichts, ob eine solche Verfügung erlassen ist, und ich würde es für bedenklich halten, wenn sie erlassen wäre; aber wenn sie erlassen ist, kann ich sie nur als Folge des Umstands auffassen, daß der Land⸗ gerichtspräsident sich gar nicht in der Lage fühle, die ihm obliegende Aufsicht aus der Ferne in genügender Weise auszuüben, und daß er deswegen zu diesem immerhin außergewöhnlichen Mittel gegriffen hat, um sich die Unterlagen für die Ausübung seines Aufsichtsrechts zu schaffen. (Unruhe und Oh! oh! links und im Zentrum.)
Dann, meine Herren, soll das Ansehen der Amtsrichter im Publikum geschädigt werden, wenn dem Amtsrichter ein Direktor vor gesetzt würde. Ich habe schon vorhin darauf hingewiesen, daß in anderen großen Bundesstaaten diese Einrichtung unangefochten besteht, ohne daß dort eine derartige Schädigung des Ansehens eingetreten ist, Ich kann es mir auch absolut nicht denken, daß das Publikum, wenn es nicht irre geführt wird durch gänzlich falsche Darstellungen der Sachlage, sich in seinem Urteil über das Ansehen der Amtsrichter dadurch bestimmen lassen könnte, daß an die Spitze des Amtsgerichts ein höherer Beamter, ein Direktor gestellt wird. Und daß deshalb der Amtsrichter als minderwertig gegenüber dem Landrsichter angesehen werden sollte, dafür fehlt mir eigentlich das richtige Verständnis. Was der Herr Abg. Windthorst hauptsächlich bekämpft hat, war die Präponderanz eines Amtsrichters über den andern Amtsrichter; wenn diese Präponderanz beseitigt würde und höhergestellte Beamte an die Spitze gestellt würden, dann hat er ausdrücklich des weiteren sich bereit erklärt, in die Erwägung einzutreten, ob nicht einer ver⸗ änderten Vorlage zugestimmt werden könne.
Nun hat, meine Herren, der Abg. Roeren zum Schluß seiner Ausführungen, allerdings ja nicht ganz ungeschickt, mich festgenagelt auf eine Aeußerung, die ich vor drei Jahren im Herrenhause gemacht habe. (Heiterkeit, Ja, meine Herren, da muß ich zunächst daran erinnern, daß es sich damals um einen ganz improvisierten Antrag oder eine improvisierte Anregung an die Justizverwaltung handelte, die in ihrem Kern darauf hinausging, es sollte noch einmal das frühere Gesetz wieder eingebracht werden, das im Jahre 1891 abgelehnt war. Da habe ich unvorbereitet erklärt (Heiterkeit, daß ich dazu nicht geneigt sei, und ich habe, wie es hier an einer von Herrn Abg. Roeren nicht vorgelesenen Stelle heißt, ausdrücklich gesagt:
Ich bin der Ansicht, daß der Versuch, auf den früher abge— lehnten Entwurf zurückzukommen, ohne Not wieder dieselbe Auf— regung in den Kreisen der Richter hervorrufen würde, die damals zutage getreten ist.
Also ein Zurückgehen auf den früher abgelehnten Gesetzentwurf, von dem sich der jetzige Gesetzentwurf in der augenfälligsten Weise gerade in seinen wesentlichen Bestimmungen weit entfernt! Und wenn ich dann im allgemeinen gesagt habe zur Ehre der Amtsgerichte, für die ich immer eintrete, wo ich dazu Gelegenheit finde, daß im großen ganzen die Geschäfte auch bei den großen Amtsgerichten ordnungs⸗ mäßig geführt würden, und daß sich da ein dringendes Bedürfnis nicht herausgestellt habe, die bestehenden Aufsichtsbefugnisse zu verschärfen — ja, meine Herren, mir daraus einen Strick zu drehen gegenüber der heutigen Vorlage, die nach viel eingehenderen, gründlicheren Er⸗ wägungen aufgestellt ist als jene improvisierte Antwort an ein Mit— glied des Herrenhauses, das halte ich für nicht ganz — ich will nicht sagen: loyal, aber vielleicht für nicht ganz schön. Eine Widerlegung der sachlichen Gründe, die für die heutige Vorlage vorgetragen sind, werden Sie in den damaligen Aeußerungen meiner Meinung nach nicht finden können. (Bravo! rechts.)
Abg. Himburg ((kons.) scheint sich unter gewissen Vorbehalten für beide Vorlagen auszusprechen und beantragt ihre Ueberweisung an die Justizkommission.
Abg. Schiffer (nl. ): Die Justizkommission erscheint uns nicht als die richtige Kommission; denn man darf die vorliegende Frage nicht nur justiztechnisch behandeln. Ich beantrage daher ihre Ver⸗ weisung an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern. In dieser wird der Schwerpunkt der Verhandlungen liegen. Doch erscheint es mir wichtig, schon heute einige wesentliche Ge— sichtspunkte zur Geltung zu bringen. Ich möchte vor allem, daß die beiden Vorlagen nicht in der Weise miteinander perbunden werden, wie es in der Begründung geschehen ist; man kann jede einzeln prüfen, jede einzeln erörteimn und kann bei jeder einzelnen Re— sultate erzielen. Ich behalte mir vor, Gründe für eine eventuelle Einführung von Amtsgerichtsdirektoren vorzubringen, auch wenn die Vorlage, soweit sie die Vienstaufsicht auf die Richter erstreckt, nicht angenommen wird. In der Tat sind die Bedenken hiergegen groß. Diese Maßnahme bedeutet einen wesentlichen Eingriff in die Zustände, die sich äußerlich und innerlich eingelebt haben. Wir haben jetzt nicht zu prüfen: wie wird eine Maßnahme wirken? sondern zu fraßen: ist es notwendig, die bestehenden gerichtlichen Einrichtungen zu ändern? Daß wirkliche Schäden in der Aufsicht bei einem größeren Amts: gerichte bisher eingetreten sind, dafür hat weder die Begründung der Vorlage, noch der Justizminister heute etwas beigebracht. Wir müssen also mindestens in der Kommission prüfen, ob bei diesem oder jenem Amtsgericht Zustände eingetreten sind, die eine Verschärfung der Aufsicht notwendig machen. Sind aber an sich Mängel nicht nur bei den größeren, sondern vielleicht noch in höherem Grade bei den kleinen Amtsgerichten entstanden, so wäre es falsch, den Hebel da anzusetzen, wo die Mängel nicht so bedeutend sind.
Soll hier der Anfang mit einer gänzlichen Umaͤnderung des Amtsgerichtsverfahrens gemacht werden, so müssen wir eine be— timmie Eiklärung darüber verlangen, wie sich die Regierung diesen
lan denkt. Handelt eg sich lediglich um die Aufsicht, so entsteht die Frage, ob der Landgerichtspräsident dadurch entlastet werden kann, daß man einen anderen neben ihn oder unter ihn stellt, der die Auf— sicht bei den Amtegerichten führt. Wir müssen Michter haben, die selbständig sind und nicht erst Direktiven von oben erwarten. Die Aufsicht des Landgerichtspräsidenten ist ganz leicht zu führen, zumal überhaupt die große Mehrzahl der Amtsrichter gar keine Aufsicht nötig hat. Wir müssen die Unabhängigkeit und den Idealismus unseres Richter⸗ standes aufrecht erhalten. Es ist besser, wenn das Unabhängigkeits« gefühl etwas zu stark, als wenn es zu schwach ist. Auch für die Not- wendigkeit, die Aufsicht über die Subalternbeamten und über die Richter zu zentralisieren, hat die Vorlage kein genügendes Material beigebracht. ern wir demnach gegen die Vorlage bezüglich der Dienstaufsicht schwere Bedenken, so llegt es anders mit der Frage der
Schaffung von Amtsgerichtsdirektoren bei den größeren Gerichten Der Wunsch nach besserem Avancement bei den Richtern ist durchau elf tit Mit dieser Frage wird sich die Kommission beschäftigen müssen.
Abg. Viereck ffreikons. ): Meine Partei wünscht, daß der die Aufsicht führende Richter mit einem höheren Titel und mit dem Gehalt
der Landgerichtsdirektoren ausgestattet wird. Das entspricht selnen
Pflichten der Repräsentation und dem Umfange seiner Tatigkeit. Be. züglich der Vorlage über die Dienstaufsicht muß sich meine Frakflon die Entscheidung noch vorbehalten, weil eine ganze Reihe von Be— denken noch zu klären sind. Das Bedürfnis, die dem Landgerichtz—, präsidenten zustehende Aufsicht auf den die Aufsicht führenden Richter bei den größeren Amtsgerichten zu übertragen, ist noch nicht klar ge—
stellt. Erwünscht ist es jedoch, den Landgerichtspräsidenten nicht so sehr mit Verwaltungsgeschästen zu belasten, daß er der Rechtsprechung
entzogen wird. Wenn er die Aussicht nicht genügend führen kann, so
ist damit noch nicht gesagt, daß die Aufsicht über das Ganze an den Wenn in der Kommission ein Bedürfnis hiernach erwiesen würde, dann müßte man Verbesserungen
die Aufsicht führenden Amtsrichter überzugehen hat.
Vorlage jedenfalls
anerkennen, daß die neue Aher es kommen außer der Be—
gegenüber der früheren enthält. dürfnisfrage noch andere Fragen in Betracht. Aufsichtsinstanz eingeschaltet, deminutio erblicken würden.
an, wenn das Verhältnis zwischen den Kollegen ersprießlich sein soll. In der Kommission wird die Vorlage sine ira et studio ge— prüft werden, im Interesse des Richterstandes sowohl wie im Inter— esse der Rechtspfleze. Irgend ein Mißtrauen soll gegen die Amts— richter nicht ausgesprochen werden; sie sind mit Geschäften überlastet, haben aber unentwegt ihre Pflicht erfüllt. Bei unserer Beratung wird jedes Mißtrauen gegen den Richterstand auszuscheiden haben. Abg. Cassel (fr. Volksp.): Meinen Freunden wäre die Vor—
lage über die Richtergebälter lieber gewesen, wenn sie allgemein die ö gebracht Ver anderen Vorlage können auch wir nicht sympathisch gegen-
,, . der Richter mit den ätte. überstehen, und wir schließen uns im wesentlichen den Gründen dez Abg. Roeren an. Eine gewisse Aufsichtführung ist allerdings nötig, aber nicht etwa wegen der Qualität unseres Richterstandes. Pflichtgefühl, Hingabe und Gewissenhaftigkeit wird selten in einem Richterstande gefunden werden, wie gerade in dem Aber darum wird man die Vorlage doch nur annehmen können,
Verwaltungsbeamten
wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen eine innere Begründung haben. Wenn die Regierung in der Vorlage von 1890 dieselbe Anordnung
für Amtsgerichte mit 10 und mehr Richtern für notwendig hielt,
so ist, nicht einzusehen, warum es jetzt bei Gerichten mit 15 Richtern der Fall sein soll. Die ganze Vorlage ist wider⸗ spruchs voll. Warum soll sie gerade gelten für die großen Amts—
gerichte, an deren Ort auch ein Landgericht ist, sodaß der Land— gerichtspräsident leicht die Aufsicht üben kann, aber nicht für diejenigen größeren Amtsgerichte, bei denen dies
der Amtsgerichtsditektoren, die immer mehr mit Verwaltungsgeschäften zu
tun hätten genommen würden, und dann träte der von uns nicht ge. wünschte Zustand ein, daß den Landgerichtsdirektoren das Aufsteigen Wir wünschen, daß die Präsidenten an der Rechtsprechung teilnehmen; auf dem Wege der Vorlage würde aber mit der Zeit eine zweite Klasse von Richtern geschaffen werden; dann hätten wir Richter, die Recht sprechen, und? Richter, die nur die Tätigkeit ihrer Kollegen überwachen. Das ist das schwerste Bedenken gegen die Vorlage, daß Richter eingestellt werden sollen, die eigentlich nicht an der Rechtsprechung teilnehmen, Wir werden die Vorlage in der
zum Landgerichtspräsidenten erschwert würde.
sondern nur die Aufsicht üben. Kommission im Interesse der Richter und der Rechtspflege prüfen.
Abg. Peltasohn (fr. Vgg.: Wenn die beschränkte, dem aufsichtführenden Richter einen höheren Charakter und ein höheres Gehalt zu geben, so könnten wir dafür sein. wenige kleine Bundesstaaten, wo der aufsichtführende Richter kein be—⸗ sonderes Aequivalent hat. Aber im übrigen teilen wir vollkommen die
Bedenken des Abg. Roeren gegen die Vorlage. Wir fürchten auch, daß eine Beeinträchtigung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der
Es würde eine vierte in der die Amtsrichter eine capitis; Bei der jetzigen Stellung des aufsicht, führenden Amtsrichters kommt es immer auf den gegenseitigen Takt
So viel ö preußischen. .
nicht der Fall ist? Bei der immer mehr zunehmenden Zahl der Richter würde diese Maßregel mit der Zeit immer weiter um sich greifen müssen. Dann liegt die Gefahr nahe, daß die Landgerichtspräsidenten aus der Zahl
Vorlage sich darauf
Es gibt nur (
Amtsrichter eintreten könnte und die Amtsrichter sich dadurch verletzt .
fühlen könnten, daß für sie eine vierte Aussichtsinstanz geschaffen würde, Es kommen da namentlich
die es für die übrigen Richter nicht gibt. viele ältere Amtsrichter in Betracht. Ein sehr schweres Bedenken erblicken wir darin, daß in Zukunft die Amtsgerichtsdirektoren dazu bestimmt wären, Landgerichtspräsidenten zu werden.
Beamtenklasse geschaffen wird. nach oben schauen und nach unten drücken. Wir wünschen, daß die Amtsrichter möglichst mit der Bevölkerung verwachfsen; die Amtsgerichtsdirektoren werden aber nur so lange bei den Amtsgerichten bleiben, bis sie zu Landgerichtspräsidenten ernannt werden. Sollte uns in der Kommission das Bedürfnis nachgewiesen, sollten uns jetzt herrschende Mißstände vorgeführt werden, so be— halten wir uns unsere Stellungnahme vor. Wir stimmen der Be— ratung in einer Kommission von 21 Mitgliedern zu. Die zweite Vorlage wird durch die erste notwendig; für die Amtsgerichtsdirektoren müßte das System der Dienstaltersstufen eingeführt werden. Die zweite Bestimmung dieser Vorlage ist erforderlich, wenn die Etats position bewilligt wird, nach der die ersten Staatsanwälte an manchen Gerichten eine pensionsfähige Zulage erhalten sollen. Es muß hierbei von der Kommission geprüft werden, ob nicht bei der Beförderung der Richter im allgemeinen ähnliche Bestimmungen zu treffen sind.
Abg. Dr. Rewoldt lfreikons .): Wenn auch der Gedanke der Unabhängigkeit der Richter gut ist, so darf anderseits dieser Gedanke auch nicht überspannt werden. Die Unabhängigkeit der Richter steht zu hoch, als daß sie durch eine solche Organisations— änderung beeinträchtigt werden könnte. Man braucht also der Vorlage gegenüber gar nicht so ängstlich zu sein und kann ihre Vorzüge an— erkennen und sie wohlwollend prüfen.
Darauf wird die Debatte geschlossen. Bei der Abstimmung stimmen die beiden konservativen Parteien für die Ueberweisung der Gesetzentwürfe an die Justizkommission, die übrigen Parteien für ihre Ueberweisung an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern. Das Resultat ist zweifelhaft, die Stimmen müssen daher ausgezählt werden. Dabei stimmen 88 Mit— glieder für die Justizkommission, 76 für die besondere Kom— mission von 21 Mitgliedern; das Haus entbehrt also der Be— schlußfähigkeit, zu der 217 Mitglieder erforderlich sein würden.
Der Vizepräsident Dr. Porsch beraumt darauf die nächste Sitzung zur Beratung des Etats der landwirtschaftlichen Ver— waltung und zur Wiederholung der Abstimmung über die beiden Justizvorlagen auf M Uhr an.
Schluß A Uhr.
14. Sitzung vom 8. Februar 1904, */ Uhr.
Das Haug setzt die Beratung des Etats der land— wirtschafilichen Verwaltung bei den Ausgaben zur Förderung der Fischerei fort.
Abg. Fretherr von Eynatten (Zentr) beschwert sich über die für die Fischzucht gefährliche Verunreinigung der Flüsse durch die Abwässer der Industrie und weist auf einen . in, der in einer ac Angelegenheit schon seit 4 Jahren schwebe. Die landwirt⸗ chaftliche Verwaltung habe nicht immer die nötige Energie in diesen Dingen bewiesen. Namentlich müsse bei der Konzession neuer Industrieanlagen genau geprüft werden, wie GG mit den Abwässern stehen werde.
Die Regierung scheint gerade einen Vorzug der Vorlage darin zu sehen, daß eine solche für die Stellen der Landgerichtspräsidenten geeignete neue Es werden da immer manche Leute
Abg. von Böhlen dorff⸗Kölpin (kons.) wiederholt seine vor⸗ jährige Klage, daß die Küstenfischer geschädigt würden durch die Schleyp— netzfischerei, die sogenannte Zeesenfischerei, welche den Grund aufwühle und den Fischen die Nahrung nehme. Die Hochseefischerei müsse der Aufsicht von e,, unterstellt werden. In der Binnenfischerei bringe jede Stromregulierung schwere Schädigungen für den Fisch⸗ bestand mit sich. Die landwirtschaftliche Verwaltung müsse energisch Das Interesse der Fischerei gegenüber den Anforderungen der Wafsser— bauverwaltung wahrnehmen, denn es handle sich dabei um das Interesse der allgemeinen Landeskultur. Von der Wasserbauverwaltung würden die Klagen der Fischereiinteressenten niemals mit der nötigen Wärme aufgenommen.
Minister für Landwirtschaft ꝛc. von Podbielski:
Ich möchte auf einige Ausführungen, die die beiden Herren Vor— redner gemacht haben, näher eingehen.
Zunächst muß ich Herrn von Eynatten zugeben: es ist im Inter esse der Landwirtschaft, die Verunreinigung der Flüsse sehr zu be— dauern, und die landwirtschaftliche Verwaltung hat die Aufgabe, nach dieser Richtung die Interessen der Interessenten nach Möglich— keit zu schützen. Ich möchte mir aber erlauben, darauf hinzuweisen, daß ich es sehr wohl für möglich halte, die Industrie, die die Gewässer durch ihre Abflüsse verunreinigt, zum Grsatz des verursachten Schadens heranzuziehen. Dabei setze ich aber voraus, daß zunächst im Wege der Privatklage die Verhältnisse ge⸗ klärt werden. Meine Herren, wir können doch unmöglich, auch beim besten Willen, bestehende industrielle Etablissements beseitigen oder sperren, das geht nicht; die sind doch mal errichtet, nachdem der Be— zirksausschuß die Pläne genehmigt hat und worauf dann die Kon— zessionierung erfolgt ist. Also ein Vorgehen gegen diese Etablissements können Sie unmöglich von mir erwarten und verlangen, meine Herren.
Anders liegt indessen die Sache, wenn die betreffenden Inter— essenten im Wege der Klage ihre Schäden nachweisen. Der Herr von Eynatten hat das ja ausgeführt, daß ein größerer Besitzer damit vorgegangen ist, und ich kann Ihnen ver— sichern, daß schon eine ganze Reihe von Klagen auf diesem Gebiete vorliegt. Das ist der richtige Weg. Ich kann nur empfehlen, diese Klagen auf das eingehendste zu betreiben.
Was die Polizeiverordnungen betreffs der Beaufsichtigung der kleineren Flüsse anbelangt, meine Herren, so sind diese nach meiner Kenntnis der Hauptsache nach doch innerhalb der Kreise von den Kreitsausschüssen und durch die Landräte erlassen, und ich möchte doch glauben, daß hier nicht der grüne Tisch obwaltet; denn meistenteils sindet die Beschau nicht allein von dem Landrat, sondern von den Beteiligten mit statt. Ich möchte doch auch darauf hinweisen, daß man umgekehrt der Regierung sehr oft den Vorwurf gemacht hat: warum sind die Flüsse nicht genügend beaufsichtigt worden? Hätte man besser und strenger vorgesehen, dann wären die Schäden nachher bei Hochwasser und anderen Kalamitäten nicht eingetreten.
Also, meine Herren, in demselben Maße, wie ich für gut erhaltene Landstraßen eintrete, trete ich auch für gut unterhaltene Flußbetten ein, und wenn auch mal einem einzelnen eine Auflage unbequem wird, so muß er bedenken, daß die ergriffenen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit allen mehr oder weniger nützen. Dann kann man Schwierigkeiten bei Wasserkalamitäten leichter entgegentreten. Wenn die Ufer der Flüsse nicht unterhalten werden, dann entstehen Abrisse, wodurch nicht nur der Uferbesitzer geschädigt wird, sondern gewöhnlich auch noch andere, die vielleicht ihre Flußstrecken sehr gut in Ordnung gehalten haben.
Was die Ausführungen des Herrn Abg. von Böhlendorff anlangt, so muß ich zunächst darauf hinweisen, daß durch internationalen Ver⸗ trag eine Hoheitsgrenze wenigstens in der Nordsee festgelegt ist; es sind das die bekannten 3 Seemeilen oder 55 km. Es sind dort auch Bestimmungen getroffen über die Beziehungen der Grundschleppnetz— sischer zu den Treibnetz⸗ und Angelfischern. Aber das Verlangen, diese Grenzen durch Baken oder dergleichen genau festzulegen ist meines Erachtens unerfüllbar; das würde die ganze Küste entlang viel mehr Kosten machen als wir, glaube ich, in langer Zeit an Fischen ge— winnen. Und was die Aufsicht betrifft, meine Herren, wieviel Marineboote wären da wohl in Bewegung zu setzen, um die Aufsicht an der ganzen Küste vorzunehmen? Wir müssen erwarten, daß die Anordnungen der Aufsichtsbehörden eingehalten werden; kommen Ueber⸗ tretungen vor, so wird dem nachgegangen.
Ebenso habe ich schon im vorigen Jahre erklärt: ich halte mich verpflichtet, die Fischereifahrzeuge der Fischmeister und Oberfischmeister allmählich zu verbessern; wir können aber nicht auf einmal lauter neue große Dampfer einstellen, sondern können auf diesem Ge— biete nur schrittweise vorgehen. Gewiß beklage ich es ja, daß an manchen Stellen vielleicht die Fischerei geschädigt wird; Herr von Böhlendorff wird aber wohl wissen, daß gerade, wo er geglaubt hat, daß Schädigungen vorgekommen sind, die Staatsregierung in reichem Maße zu einer Entschädigung beigetragen hat.
Ich glaube, man kann hier in alle Details unmöglich eingehen; der Schwerpunkt liegt darin, im Interesse der Bevölkerung die Fischerei als ein Teil unseres landwirtschaftlichen Gewerbes nach Möglichkeit zu erhalten und die Bestrebungen zu unterstützen, die zu einer Hebung der Fischerei im allgemeinen geeignet sind.
Abg. Dr. Dah lem (Hentr.) bittet den Minister, den Bestimmungeu gegen das Abfangen von Fischen durch die holländischen Fischer Gel⸗ lung zu verschaffen.
Hierauf wird das Kapitel genehmigt.
Zu dem Kapitel „Landes meliorationen“ bemerkt
Abg. von Pappenheim (kons.): Ich habe von meinen Freunden den Auftrag, den Landwirtschaftsminister zu bitten, scharf darüber zu wachen, . der Einfluß auf die Landesmelioration gewahrt werde.
Abg. Wallbrecht (n.) betont, daß die Wasserbauten auch 6, zu gute kämen, da sie die großen Ueberschwemmungen esei ;
i Wallenborn (Zentr.) erklärt, seine Freunde hätten den Wunsch, daß auch in Zukunft nichts geschehe, was den Uebergang . ö an das Landwirtschaftsministerium erschweren
nnte.
Abg. Oeye⸗Nienburg (nl) führt Klage über die mangelhafte Entwässerung und über die Versumpfung von Wiesen infolge von Flußüberschwemmungen in seinem Heimatkreise.
Abg. Kriege⸗Bentheim freikons. schildert die schädlichen Folgen, die die Flußkorrektion an der Aue und Vechta in seinem Heimatkreise für die Unterlieger gehabt habe.
Minister für Landwirischaft 2c. von Podbielski:
Meine Herren! Ich kann das hohe Haus nur bitten, nicht Sachen zu berühren, die ich gar nicht kenne. Der Herr Vorredner hat hier die Autzarbeitung von Meliorationsprojekten angeregt. Grundsätzlich dränge ich niemanden zu einem Meliorationsprojekt; ein solches muß ämmer aus den Kreisen der Interessenten selbst herauskommen und won ihnen getragen werden. Wir wissen alle, welche Schwierigkeiten
oft in den Meliorationsprojekten liegen, wie sie fehlschlagen können, und nun soll ich hingehen und sie aufdrängen? Das muß ich un—
bedingt ablehnen. Dabei bemerke ich, daß veischiedene Male die Besitzer an der Vechte gefragt worden sind, ob sie die Regulierung der Vechte wünschten. Bis jetzt ist im Ministerium nur bekannt, daß diese Regulierung nicht erwünscht ist.
Weiter muß ich bedauern, daß über den Staatsvertrag, der von Kommissarien vorläufig vorbereitet und vorberaten, aber zur Zeit noch nicht abgeschlossen ist, hier überhaupt Mitteilungen gemacht werden. Wenn hier darauf hingewiesen worden ist, daß der Staatsvertrag noch nicht endgültig abgeschlossen worden sei obwohl sich die beiderseitigen Kommissare bereits vor 9 Monaten über den Entwurf geeinigt hätten, so muß ich daran erinnern, daß sowohl dieses hohe Haus, wie auch die Generalstaaten des Königreichs der Niederlande, die beide ihre Ge⸗ nehmigung geben müssen, erst im Winter zusammentreten. Ich war also gar nicht in der Lage, den Vertrag eher zur Vorlage zu bringen. Es liegt in meiner Absicht, ihn sobald wie möglich dem hohen Hause vorzulegen.
Was nun die Aue anlangt, so verkenne ich gewiß nicht die großen Kalamitäten, die hier wie auch an der Vechte zweifellos bestehen. Leider könnte ich aber viele Gegenden bezeichnen, wo im vorigen Jahre die Leute nicht in der Lage gewesen sind, ihre Wiesen zu ernten, z. B. an der Oder und an der Warthe. Es sind das große Kalamitäten, die ich als Vertreter der Landwirtschaft unbedingt beklage und bei deren Beseitigung ich gern bereit bin, nach Möglichkeit zu helfen. So habe ich für die Aue, wo die Beteiligten zweifellos nicht sehr leistungsfähig sind, die Kosten der Vorarbeiten bereits bewilligt. Die Sache ist also in Gang. Natürlich müssen demnächst, nach Fertigstellung des Projekts, sich erst erst mal die Interessenten äußern, und dann wird vielleicht auch das hohe Haus sich mit der Frage beschäftigen müssen, ob Staatsmittel für die Durchführung des Projekts bereit gestellt werden müssen. Solche Unternehmungen sind tatsächlich nicht so kurzerhand auszuführen, darüber vergeht eine geraume Zeit. Ich möchte die Herren bitten, nicht dahin zu drängen, daß wir solche Projekte überstürzen, denn wir haben mit der Ueber— stürzung von Meliorationsprojekten mitunter sehr ungünstige Er— fahrungen gemacht. (Sehr richtig!)
Ich meine immer, solche Sachen muß man sich zwei⸗, dreimal überlegen und nicht aus den Erfahrungen einzelner Jahre Räckschlüsse auf die Dauer machen. Jedenfalls ist die landwirtschaftliche Ver— waltung nur dann bereit, Meliorationen zu fördern, wenn deren Rentabilität gesichert erscheint. Hier im hohen Hause sind ja Klagen über verunglückte Meliorationen besonders in früherer Zeit oft laut geworden, denn es werden hier die kranken Kinder sehr gern vorgesührt. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß diejenigen, bei denen die Melioration geglückt ist, denen es gut geht, die sich zu Hause freuen, hier nicht erscheinen. (Heiterkeit) Es kann beim besten Willen nicht jedes Meliorationsprojekt glücken. Ich möchte nochmals bitten, daß sich erst die Interessenten selbst über das, was sie wollen, klar werden, und daß sie dann ihre Anträge zur Kenntnis der landwirtschaftlichen Verwaltung bringen. Dann werde ich erforderlichenfalls die Vor⸗ bereitungskosten bewilligen, und dann wollen wir sehen, in welchem Umfang die Sache durchzuführen ist. Ich glaube, daß aus der Be— willigung der Gelder für die Vorbereitungskosten für die Aue die Herren ersehen werden, daß ich die Uebelstände anerkenne; bei der Vechte kann ich das zur Zeit noch nicht, da tatsächlich noch keine An— träge der Interessenten mir vorgelegt worden sind.
Auf eine Anfrage des Abg. Seydel (anl.), der die Ausführung des Hochwasserschutzgesetzes von 1399 bemängelt, erklärt der
Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:
Bis jetzt ist die Durchführung des Gesetzes auf besondere Schwierigkeiten nicht gestoßen, und ich hoffe, daß sie nach allen Richtungen hin möglich sein wird. Was die Kontrolle der Durch— führung anlangt, so glaube ich, daß diese am besten durch die König— lichen Oberförster erfolgt; diese sind von mir mit Anweisung ver—
sehen. Ich glaube, es ist dies der beste Weg, besser als wenn besondere Kontrollbeamte angestellt werden, da ja meist größere
Waldungen von den Bestimmungen des Gesetzes betroffen werden. Das Kapitel wird bewilligt. Bei den allgemeinen Ausgaben und zwar bei dem Dis— positionsfonds zur Unterstützung der landwirt—
schaftlichen Vereine und zur Förderung der Land⸗
kultur im allgemeinen bittet
Abg. Sernau (kons.), aus diesem Fonds auch die landwirtschaft⸗ lichen Schulen zu unterstützen.
Abg. Cahensly (Zentr.) bittet um Unterstützung des Nassauischen Bauernvereins.
Darauf wird die Beratung abgebrochen.
Es erfolgt sodann die Wiederholung der Abstimmung über die beiden Gesetzentwürfe, betreffend die Regelung der Richtergehälter und die Dienstaufsicht bei den größeren AÄmts⸗ erichten. Das Haus beschließt die Ueberweisuug der Vor⸗ agen an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern.
Schluß K / Uhr. Nächste Sitzung: Mittwoch, 11 Uhr. (Etats der landwirtschaftlichen und der Gestütverwaltung.)
Nr. 6 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 5. Februar, hat folgenden Inhalt: 1) Allgemeine Verwaltungssachen: Allerhöchster Erlaß, betreffend Aenderungen am Paletot der Beamten des Reichs militärgerichts. —2) Konsulatwesen: Ernennung; — Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstandsakten. — 3) Versicherungswesen: Bekannt— machung, betreffend die Unfallversicherung der Sceefischer; — Bekannt⸗ machung, betreffend den Fortbezug von Unfall⸗, Invaliden, und Altersrenten in Grenzgebieten und die Teilung des österreichischen Grenzbezirkes Neustadt. — 4) Zoll und Steuerwesen: Erteilung der Eigenschaft eines Zollausschlußgebiets des im Emder Außen kasen errichteten Freibezirkes; — Abänderungen und Ergänzungen des amt— lichen Warenverzeichnisses zum Zolltarife. — 5) Polizeiwesen: Aus weisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.
Nr. 11 des Zentralblatts der Bauverwaltung“, beraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 6. Februar, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Dienstnachrichten. — Nicht- amtliches; Das neue Herrenhaus in Berlin. (Fortsetzung.) — Grenzen der Architekturbeschreibung. — Blattstoßoberbau mit Stützlaschen und Schwellenbrücken. — Giaybishe Frmittelung der Profilnummer eines ] Eisens, das als Pfette dient. — Vermischtes: Gedenktafel für Wilhelm Böckmann. — Technische Hochschule in Berlin. — Das Moderne in der Architektur der Neuzeit. — eh, der keramischen und verwandten Vereine. — Regierungsbaumeister Ernst Schmidt in Togo F. — Blͤcherschau. — Patente.
Handel und Gewerbe.
Nach der Wochenübersicht der Reichsbank vom 6.7. Februar ( und — im Vergleich zur Vorwoche) betrugen:
Aktiva: 1904 1903 19802 Metallbestand (der 16 A M . an kurt⸗ sähigem deutschen Gelde und an Gold in Barren oder aus- ländischen Münzen, das Kilogr. fein zu 2784 A berechnet) 915 397 000 910 995 000 1019328 099 ( 2694000 (4 19419 000) ( 10 876 000) Bestand an Reichs⸗ lassenscheinen 25 435 000 26 702 000 23 8654 000 C 904 000 (4 943 000) (4 767 000) Bestand an Noten anderer Banken 10 884 0900 7106 0900 11185000 C 5 140 000 ( 3943 000) (4 2527 000) Bestand an Wechseln 747 700 000 687 837 000 717 545 000 C 63 128 000) (- 41 260 000) (- 23 973 000) Bestand an Lombard⸗ forderungen 5h 628 000 8 606 000 64 548 000 2 698 000 (- 2452 000) — 1127 000) Bestand an Gffekten hl 376 000 82 496 000 63 678 000 19 984 000, (- 45 001 000) (- 9975000) Bestand an sonstigen Aktiven. ö 100 365 000 88 002 000 91 746 000 C 2472000 ( 4605 000) (4 127000 Passiva: das Grundkapital 150 000 000 150 000 000 150 000 000 (unverändert) (uunverändert) (unverändert) der Reservefonds 47 587 000 44 639 000 40 500 000 (unverändert) (unverändert) (unverandert) der Betrag der um⸗ laufenden Noten. 1199 255 O00 1176 320 000 1149 483 000 ( 40 858 000) (- 58 402 000) (- 52 058 000) dle sonstigen täglich fälligen Verbind⸗ lichkeiten 467 194 000 453 872 000 608 967 000 33 423 000) (— 18216 000) ( 29 955 000) die sonstigen Passiva 42 749 000 37 213 000 42 934 000 ( 319 000) ( — 281 000) (4 1 325 000).
Nach dem vorstehenden Ausweis blieb die Zunahme des Metall bestandes in der letzten Woche um etwa 17 Millionen Mark hinter dem vorjährigen Zufluß zurück. Die Verminderung des Wechsel⸗ bestandes war um 22 Millionen Mark erheblicher als im Vorjahre; der Wechselbestand selbst ist noch 60 Millionen Mark bedeutender als im Vorjahre. Der Betrag der täglich fälligen Verbindlichkeiten über⸗ a die entsprechenden Summen des Vorjahres um 13 Millionen Mark.
(Aus den im Reichsamt des Innern zu sammengestellten Nachrichten für Han del und Industrie“ )
Frankreich.
Geplante Erhöhung der Zölle für Großuhren. Die französische Regierung hat der Deputiertenkammer den Entwurf eines Gesetzes zum Zweck der Erhöhung der Zölle auf Großuhren vorgelegt. Hiernach sollen die betreffenden Nummern des Zolltarifs folgende Fassung erhalten:
504. Werke von Pendeluhren, Großuhren, Maß General ⸗ Minimal⸗ Weckeruhren, mechanischem Spiel⸗ ' tarif tarif zeug, Telegraphen und Zählwerken ö Franken Franken sowie überhaupt alle Uhrwerke, mit Ausnahme solcher von Taschen⸗ uhren, vollständige oder unvollstän⸗ dige, ohne oder mit Triebkraft oder irgend einem Triebkraftsystem 100 kg 225 150
ö,, 75
504 bis. Groß und Pendeluhren aller Art, zum Stellen oder Aufhängen, mit irgend einer Triebkraft, ein⸗ schließlich der Großuhren aus Holz;
Weckeruhren aller Art mit oder ohne Musikspielwerke, und Gehäuse von Weckeruhren, mit Ausnahme derjenigen aus Edelmetall) . 1100 kg 225 150 Bisher: Großuhren aus Holz . 100 kg 45 66 38 Gehäuse für Weckeruhren . 100 Eg ee m, Im übrigen 199 125
) Gehäuse don Pendel- oder Großuhren werden in allen Fällen nach ihrer Beschaffenheit und nach der Art des Materials, aus dem sie bestehen, verzollt.
Dieselben Grundsätze waren bisher auch für Gehäuse von Weckeruhren maßgebend. 505. Zählwerke für Elektrizität, Wasser, Gas, Gespinstfäden und überhaupt alle Zählwerke und Vorrichtungen mit Uhrwerk. 2 Wie bisher.]
hOß bis. Phonographen, Graphophone, Grammophone und andere Sprech⸗ maschinen und getrennt eingehende Teile dieser Apparate. 100 e TM 159
(Bisher: Phonographen usw. und andere Sprechmaschinen: Zusammengesetzt: *) ohne Nickelteile 2. — Zoll der Indukte und Teile von elek- trischen Maschinen (Nr. 536); mit Nickelteilen ꝛc. Zoll der vernickelten Waren fur diese Teile und Zoll der Indukte für den Rest (Nr. 536 u. 579); getrennt eingehende Teile: Walzen oder Rollen aus Wachs e. Zoll für Paraffin (Nr. 199); andere — Zoll für Fernsprech-⸗ apparatenteile. ) Die zugebörigen Kautschuk⸗— röhren unterliegen in allen Fällen dem auf sie entfallenden Zoll.] 509. Furnituren von Großuhren lo0 kg 220 145 , e 50 Der Entwurf ist an die Zollkommission verwiesen worden. (Ghambre des députés. Nr. 14060)
100 75
Portugal.
Vorübergehende Freigabe der Weizeneinfubr und Hen lz tens des Eingangszolls auf Weizen. Laut Qöniglichen Dekrets vom 31. Dejember 1903 können 69 Millionen Kilogramm fremden Weizens für die Bereitung von Brot und Nudeln vom 15. Januar bis zum 31. Juli 1901 eingefübrt werden. Einfub ist nur denjenigen in der Matrikel eingetragenen Fabrikanten ge
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