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nisse im Auslande bei der vorgerückten Zeit nicht verlesen, möchte aber doch hervorheben, daß daraus hervorgeht, wie man überall wegen der Schwierigkeiten, die sich in der Praxis ergeben haben, sehr viele Kautelen hat treffen müssen, die teils das Militär, teils die Postverwaltung belästigt. Der Herr Abg. Gröber hat selbst vorge⸗ lesen, daß in den anderen Ländern die Soldaten sowohl für die Sendungen, die sie bekommen, als die sie absenden, nur eine Porto⸗ ermäßigung haben. Was die Kautelen anlangt, so hat er ja auch vorgelesen, daß in England der Umschlag mit der Unter— schrift des Kommandanten versehen sein muß. Das ist doch eine sehr lästige Vorschrift, und ich glaube, dem Kommandanten wird es schwer fallen, stets alle die Briefe nachzusehen. Tatsächlich sind auch bei allen Ländern ungünstige Wahrnehmungen mit den Portover⸗ günstigungen für Sendungen von den Soldaten gemacht worden, und das habe ich den Herren nur vorführen wollen zum Beweise dafür, daß es sich bei allem Wohlwollen für das Heer nicht empfiehlt, auf die in Vorschlag gebrachte Maßnahme, die hier zum letzten Male im Jahre 1891 zur Sprache gekommen ist, zurück⸗ zugreifen. Selbstverständlich kann eine neue Erwägung stattfinden, ich möchte nur die Herren davon abhalten, eine Resolution zu fassen, die womöglich Hoffnungen erweckt, die sich nachher doch nicht erfüllen lassen. Ich bin überzeugt, daß, wenn wir uns eingehend darüber unterhalten und Sie sehen, wie groß die Schwierigkeiten sind, und andererseits, welcher Einnahmeausfall daraus entstehen würde — ich habe Ihnen bereits 23 Millionen bloß für die Briefsendungen genannt — dann werden Sie bei unserer Finanz⸗ lage selbst zu der Ueberzeugung kommen, daß es sich nicht empfiehlt,
geführt werden muß. Die Entfernung von Tabora nach Muanza beträgt 370 Km, während die Entfernung von Tabora nach Ujiji 100 kin ist. Die Herstellungskosten belaufen sich auf ungefähr 520 000 M für die Linie Tabora=Muanza und auf 570 000 4 für die Linie Tabora—-Ujiji. Nun würde es möglich seln, bei der Be⸗ willigung der 300 000 M bis nach der wichtigen Missionsstation St. Michael im nächsten Jahre zu kommen. Die Herren wollen sich gegenwärtig halten, daß es bei einem so großen und wichtigen Werk, wie dem gegenwärtigen Telegraphenbau der Linie nach Tabora, nicht möglich ist, bis auf ein Drahtkilogramm oder eine Stange unser Be⸗ dürfnis zu berechnen, daß es notwendig ist, ein gut ausgebildetes schwarzes Personal zur Verfügung zu haben. Durch die jahrelangen Bauten ist ein eingearbeitetes Personal vorhanden, wir haben auch weiße Leute draußen, die sich mitten in Afrika befinden und die sich für das Klima und die Anlage dieser Linie besoders geeignet gezeigt haben. Ich kann Sie nur bitten, uns die Mittel zu bewilligen, daß wir die Linie von Tabora auf dem Wege nach Muanza fortsetzen. Für diese Linie ge⸗ nügen die eingestellten 300 000 4 Es würde sich dann lediglich darum handeln, in dem Etatstitel statt für die Herstellung einer Telegraphenlinie im Innern von Deutsch⸗Ostafrika von Tabora nach Ujjjit zu sagen: „von Tabora über St. Michael nach Muanza“. Gerade die Wahrnehmungen, die wir in der letzten Zeit in den Kolonien gemacht haben, würden es empfehlenswert erscheinen lassen, daß wir es dem Gouvernement ermöglichen, sich auch mit den entferntesten Stationen leicht in Ver— bindung zu setzen, und wenn sich eine feindliche Bewegung unter den Eingeborenen vorbereitet, bei Zeiten vorzubeugen und dadurch viele
zu großen Hoffnungen erwachsen, die Petition nicht zur Berücksichtigun
sondern zur Erwägung ju geben. Dadurch würden Sie anerkennen daß dies eine Frage ist, die einer eingehenden Erwägung bedarf und nicht so schnell als erledigt zu betrachten ist, daß sie nun schon sofut in Berücksichtigung gezogen werden könnte. Die Ueberweisung in Berücksichtigung könnte dagegen so gedeutet werden, daß daz in Haus selbst sich schon darüber vollständig einig, daß der Petition en sprochen werden soll. Deshalb empfiehlt es sich meines Erachtens, di mildere Form zu wählen und die Petition zur Erwägung zu geben Ich bin gern bereit, in eine eingehende Erwägung der Frage einzu ö.
Die Petition wird den verbündeten Regierungen dennoch zur Berücksichtigung überwiesen. ur Erwägung überweist das Haus die Petition des Post sekretärs Montag in Darmstadt um Ansltellung derjenigen Postassistenten, die früher als Gendarmen ein höhere Gehalt bezogen, mit einem entsprechend höheren Gehalts saße der Assistentenklasse und Festsetzung rückwirkender Kraft fuͤr diese Bestimmung.
Ueber die Petition des Bauunternehmers Königer in Witten a. R. um Aufführung eines Neubaues in der Ni e der neuen. Bahnhofsanlage an Stelle des geplanten Umbaueg des Postdienstgebäudes in Witten geht das Haus zur Tageg⸗ ordnung über.
Der Etat der Reichsdruckerei wird ohne Debatte . .
. Gegen 6 Uhr vertagt sich das Haus. Nächste Sitzu Dienstag 1 Uhr. (Erste Lesung des Gesetzentwurfs, betre nn den Schutz von Erfindungen, Mustern und Warenzeichen auf Ausstellungen; Eisenbahnetat.)
3weite Beilage f zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen
Berlin, Dienstag, den 23. Fehruar
Staatsanzeiger. 1904.
Die Erneuerung des terroristischen Kampfes in Rußland erscheint nach unserer Meinung jetzt nicht nur als das dringendste Erfordernis der revolutionären Bewegung, sondern auch als unvermeid⸗· liche Bedingung für dieselbe. Sagen wir es mit den Worten des verstorbenen Stepnjak: Wir sind Revolutionãre nicht nur bis zur direkten Volkserhebung, sondern auch bis zu Militärverschwörungen, bis zu nächtlichen Ueberfällen auf den Valast, bis zu Bomben und Dynamit.“ Unsere Kampfesweise soll die Wiederaufrichtung der Partei ‚Volksfreiheit' sein. Mit diesem Aufruf wenden wir uns dann auch an die in Rußland arbeitenden Revolutionäre und werden sie inbrünstig überreden, möglichst ent⸗ schieden und möglichst schnell den Weg zu betreten, den Leute wie Sheljabow, Perowskaja, Chalturin und ihre Freunde gegangen sind, und dem Vermächtnis zu lauschen, das sie uns hinterlassen haben. In ihrem Vermächtnis liegt unser Programm. Ich bemerke dabei, daß der genannte Sheljabow beteiligt war an drei Attentaten gegen Kaiser Alexander 1I. und an dessen Ermordung am 1. März 1881; er ist hingerichtet worden am 3. April 1881. Die Perowskaja war an zwei Attentaten gegen Kaiser Alexander II. be⸗
M 46. — er heißt Skubnik oder so ähnlich — gesandt sein sollen und die
(Schluß aut der Ersten Beilage.) er von ihm erhalten haben will. Diese Schrift hat in der Uebersetzung die Ueberschrift: Wiedergeburt des Revolutionismus in Rußland.! Es heißt darin im Eingang:
Wenn auch die Gegner des Terrorismus es für nötig halten werden, gegen ihn anzukämpfen, ihn von der negativen Seite zu beleuchten, so werden sie doch die Notwendigkeit der verstärkten politischen Agitation unter den Massen an die Spitze stellen, und die zurückhaltende politische Propaganda, die keinen Tag, keine Stunde für die Verwirklichung ihrer Ideale kennt, wird von der ständigen Agitation abgelöst werden, die zum Begräbnis der gegen⸗ wärtigen politischen Ordnung und zur Begründung einer neuen auf⸗ fordert, und das ist nämlich gerade das Ziel, welches der Terror in den Vordergrund zu stellen sich bemüht. Hat einmal die verstärkte energische Agitation unter den Massen begonnen, so ist seine exzitative Rolle erfüllt, und ob er dann die Eigenschaft eines wirklichen Terror behält oder sofort seinen Platz einer Reihe bewaffneter Massen⸗ erhebungen gegen die regierenden Gewalten überläßt — darüber
die Annahme, sie hätten hochverräterischen oder anarchistischen Inhalts sein können, werde schon durch die ihm bekannte Person des Absenders ausgeschlossen, den er bezeichnet hat als einen maßvollen jungen Mann, einen entschiedenen Gegner der Propaganda der Tat, des Terrors. Der Abg. Bebel hat hinzugefügt, daß, wenn es sich um einen Kampf gegen Anarchisten handele, doch junãchst Anarchisten da sein müßten, und die fehlten hier vollständig. Und sogar ein Mitglied der deutsch⸗ freisinnigen Partei, wie ich glaube, der Herr Abg. Schrader hat die Meinung ausgesprochen, daß die Anarchisten im russischen Sinne nicht zu verwechseln seien mit den Anarchisten, die man anderswo, in anderen Staaten als solche ansehe (Lachen rechts), als Anarchist werde in Rußland jeder betrachtet, der mit den beste henden Zuständen unzufrieden sei. Meine erren, dem gegenüber lege ich Wert darauf, nunmehr, soweit es möglich ist nach Lage der Ver⸗ hältnisse — die ganze Angelegenheit befindet sich im Stadium der
Ausgaben zu ersparen. (Bravo!)
Abg. Dr. Spahn beantrggt hiernach, statt „na sagen über St. Michael nach Muanza“ und mit dieser den Titel zu bewilligen.
Abg. von Böhlen dorff⸗Kölpin (d. kons.) weist den in den Aus⸗ führungen des Abg. Spahn enthaltenen Vorwurf für die Kolonialver— waltung zurück. Der Postverwaltung könne man nur dankbar sein, daß sie die Fortsetzung der Linie von Tabora nach Ujijt betrieben habe. Gegen—⸗ wärtig sei der Ueberlandtelegraph von Kapstadt nach Ujiji fertig; auf welcher Linie der Weiterbau erfolgen solle, stehe aber noch nicht fest. Damit entfalle einer der Gründe dafür, mit dem ostafrikanischen Telegraphen zunächst von Tabora nach Ujiji weiter zu gehen. Seine Partei sei mit der von dem Abg. Spahn beantragten Aenderung durchaus einverstunden.
Kolonial⸗
Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor der
abteilung im Auswärtigen Amt Dr. Stuebel: Es beruht nur auf einem Versehen, daß ich nicht in der Budgetkommission erschienen bin, um diese Angelegenheit zu erörtern. Die Ver— bindung, welche die englische Ugandabahn mit dem großen Seenbecken hergestellt hat, hat diesen Teil Innerafrikas zu einem großen Ver⸗ kehrszentrum umgeschaffen. In einigen der dortigen Bejirke am Viktoria Nyanza sind, Goldfelder aufgefunden worden. In Er— mangelung einer Eisenbahn ist wenigstens ein schneller Nachrichten- dienst nach und von Muanja dringendes Bedürfnis. Die Wege von dort nach Tabora gestatten den Verkehr mit Ochsenwagen, ein beachtenz. wertes Moment; da sonst bloß Trägerkarawanen dort fortkommen. Auch wichtige Missionsinteressen spielen hier mit; die weißen Väter unterhalten hier eine Neihe von Schulen; die Bevölkerung dieses Teils des Schutzgebiets ist verhältnismäßig dicht. Der Handel hat im 61 gebiet erheblich zugenommen, aber absolut ist diese Zunahme 3 fh gering. Der Reichstag hat es in der Hand, in dieser Hinficht zu bessern.
Abg. Dr. Sattler (ul.) beantragt Zurückverweisung der Sache an die Budgetkommission, um von der Wendung der Angelegenheit den Eindruck des Ueberraschenden zu entfernen. .
Abg. Dr. Müller⸗-Sagan (fr. Volksp) erklärt, er schließe sich dem Antrage an. Es sei doch ein mehr als ungewöhnlicher Vorgang, so ohne weiteres eine Linienänderung vorzunehmen. Der Direktor des Kolonialamts müsse in der Kommission auch darüber Auskunft geben, wie er dazu gekommen sei, diese neue Linie zu empfehlen, obwohl der . die tunlichste Beschleunigung der Linie Tabora — Miji ausdrücklich erlange.
Abg. Dr. Stockmann (Rp.): Wir haben zwar über die Ver⸗ legung nach Muanza in der Kommission schon gesprochen, aber es mn, namentlich der Kostenpunkt in der Kommission noch klargestellt werden.
Abg. Sin ger legt auch dagegen Verwahrung ein, daß mitten in der Diskussion eine Veränderung des Dispositivs vorgeschlagen werde, die auf eine ganz andere Bewilligung hinguslaufe, als der Etat fordere. Entgegen allen bisherigen Gepflogenheiten sei heute gerade durch Herrn Spahn der Versuch gemacht worden, etwas in den Etat auf' zunehmen, was die Regierung gar nicht verlangt habe. Man werde auf der Linken die entsprechenden Folgerungen ziehen.
Abg. Dr. Spa hn erklärt, er stelle fest, daß sein Antrag nichts geschäftsordnungsmäßig Neues enthalte.
Abg. Singer: Das Dispositiv ist allerdings häufig geändert worden. Hier aber handelt es sich um eine dem Gehirn des Dr. Spahn entsprungene Linie, die nachher von der Regierung gut⸗ geheißen wurde.
Abg. Dr. Arendt (Rp.): In der Kommission ist mein An— trag, die Sache bis zum Kolonialetat zurückzustellen, um eine gründ⸗ lichere Verhandlung zu ermöglichen, gerade durch die Stimmen der Linken zu Falle gekommen. Abg. Dr. Müller⸗Sagan: Der Schlußantrag, der der Sache ae ,,. 2. 23 5 . gerade von den Freunden e g. Spahn eingebra worden, und ich habe dort gegen den Schluß gestimmt. . 29
Der betreffende Titel des Extraordinariums geht mit dem Antrag Spahn an die Budgetkommission zurück. Im außer⸗ ordentlichen Etat des Extraordingriums sind 2 655 0600 4 für Fernsprechzwecke ausgeworfen.
Bei den Einnahmen, erster Titel: Porto und Telegraphen— gebühren 448 Millionen Mark“, bittet ö Abg. Singer den Staatssekretär, die weitere Erleichterung der Sendungen der Krankenkassen in dem Umfange, wie dle Berufs⸗ genossenschaften und die Versicherungtanstalten folche Erleichterung genießen, zuzulassen. Die Verwaltung habe diefe weitere Erleich⸗ terung bisher abgelehnt, es sei aber durchaus ungerechtfertigt, hier einen Unterschied zwischen den Krankenkassen und den genannten Korporationen zu machen.
Abg. Gröber (Zentr.) kommt auf die Einwände zurück, die der Staatssekretär gegen den Antrag Erzberger, betreffend die freie Be⸗ förderung der Postsendungen von Soldaten an ihre Angehörigen er— hoben hat. Er weist demgegenüber darauf hin, daß die Schweiz und England diese Einrichtung schon hätten, ohne daß sich daraus irgend eine Unzuträglichkeit ergeben hätte. .
Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:
Selbstverständlich ist die Reichspostverwaltung bereit, eine so wichtige Frage noch einmal in Erwägung zu ziehen, aber ich möchte auf das zurückkommen, was ich schon bei der vorigen Beratung gesagt habe, daß es sich bei den meisten Ländern darum handelt, daß die Soldaten auch nur nach einer Rich—⸗ tung hin — nur die Schweiz geht weiter — Portofreiheit haben. Nun ist in der Schweiz ein ganz anderes Verhältnis; dort ist das Milizsystem, und es handelt sich, glaube ich, nur um 15000
Ujiji“ zu bänderung
diese Aenderung eintreten zu lassen.
Abg. Guenter (ul.) erklärt, er müsse gegen den engherzigen Bureaukratismns, der im Fernsprechwesen herrsche, Verwahrung ein— legen. Der Tartf leide an zahlreichen Inkongruenzen; die Gebühren seien auf kürzeren Strecken verhältnismäßig viel höher, als auf den längeren. Redner legt das an den für einzelne ostpreußische Städte geltenden Gebührensaͤtzen näher dar. Ein Gespräch nach Mannheim koste 1 S6, nach Karlsruhe und Stuttgart 50 S Redner bittet um Vereinfachung und Ermäßigung des Tarifs.
Unterstaatssekretär im Reichspostamt Sydow: Der frühere Einheitstarif von 1 0 brachte dieselben Erfahrungen, wie jeder Einheitstarif. Die weiter Wohnenden fanden ihn ganz angenehm, die Näherwohnenden fanden ihn zu teuer. 1899 ist man einigermaßen zu einem Zonentarif gekommen. Auch dieser hat natürlich den Nachteil, der mit jeder Stufenbildung zusammenhängt. Es kann ja vorkommen, daß ein in der Luftlinie näher liegender Ort teuerer ist als ein ent⸗ fernterer; wir müssen aber nach der wirklichen Entfernung rechnen. Im einzelnen haben wir den Tarif nach dem bei der Paketporto⸗ berechnung schon seit 40 Jahren geltenden System der Taxquadrate aufgestellt; durch kleine Unebenheiten soll man sich nicht beirren lassen. Bei einer Entfernung bon 5066 Km würden wir mit 1 t kaum noch auf die Selbflkosten kommen.
Die Resolution Erzberger wird angenommen, desgleiche: der Rest . Etats. . , Vor gintritt in die Beratung der zum Postetat vor— liegenden Petitionen erklärt der
Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:
Meine Herren! In der Sitzung vom 19. Januar 1903 hat der Herr Abg. Haase Beamten der Reichspostverwaltung vorgeworfen, daß sie das Briefgeheimnis verletzten. Damals hat mein Herr Kollege vom Auswärtigen Amt den Herren anheimgestellt, beim Postetat der. artige Fälle zur Sprache zu bringen. Ich habe bis jetzt gewartet, daß die Herren derartige Fälle vorbringen würden. Das ist nicht geschehen, was ich konstatiere; ich konstatiere weiter, daß ich Ermittelungen habe anstellen lassen, ob irgend ein Fall der Verletzung des Briefgeheimnisses durch Beamte vorliegt. Dabei hat sich ergeben, daß kein Anlaß zu einer derartigen Beschuldigung vor⸗ liegt. (Lebhafte Rufe: Hört! hört h Abg. Dr. Müller⸗Sagan referiert über etat eingegangenen Petitionen.
Die Postunterbeamten in Bruchsal bitten, alle Unter— beamte bei genügender Qualifikation zu Oberschaffnern zu be⸗ fördern und erkrankte Unterbeamte auf Kosten der Verwaltung ärztlich behandeln zu lassen. Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:
Meine Herren! Wie der Herr Berichterstatter hier schon aus,. geführt hat, ist diese letztere Frage eine Frage von großer Bedeutung und — ich möchte sagen — augenblicklich in ihrer Tragweite noch gar nicht zu übersehen; es ist eine Frage, die ganz neu aufgestoßen ist. Wir haben bisher vielleicht in 60 Orten Postvertrauensärzte. Diese Aerzte sind eigentlich angenommen worden, um die Leute, die sich der Postkarriere widmen wollen, zu untersuchen; die Postverwaltung wollte sich an den Orten, wo viele Anwärter in den Postdienst ein⸗ treten, Aerzte sichern, die mit unseren Verhältnissen genau vertraut sind und wissen, welche besonderen Anforderungen wir stellen, damit nicht ungeeignete Leute angenommen werden. Da wir nun an diesen Orten die Aerzte haben, so ist deren Tätigkeit dahin ausgedehnt worden, die Unterbeamten unentgeltlich zu behandeln, eine gewiß sehr nützliche Maßnahme.
Was nun die vorliegende Petition anlangt, so bitte ich Sie, meine Herren, sie nicht zur Berücksichtigung, sondern zur Erwägung zu überweisen, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Frage so weittragend ist, daß sie einer weiteren und eingehenden Erwägung bedarf.
Die Frage der allgemeinen freien ärztlichen Behandlung liegt bei der Post nicht so einfach wie bei der Eisenbahn, die, was den Herren wohl vorschwebt, Eisenbahnärzte hat, die das Personal zu besuchen und zu behandeln haben. Bei der Eisenbahn wohnt das Personal nur in Orten, die an Bahnstrecken liegen, und der Arzt kann infolgedessen im allgemeinen seine Besuche leicht und billig mit den Eisenbahnzügen ausführen. Unsere Unterbeamten sind zerstreut über das ganze Land; die Entfernung zwischen Arzt und Unterbeamten ist vielfach eine sehr große. Es fragt sich, ob die beantragte Maßnahme überhaupt ausführbar ist und ob nicht unübersehbare Schwierigkeiten daraus erwachsen können. Wer soll z. B. darüber bestimmen, ob es nötig ist, daß der Arzt komme, was je nach Umständen sehr hohe Kosten verursacht? Liegt nicht die Gefahr vor, daß Unterbeamte in weitentfernten Landorten, um vielleicht für einen guten Bekannten oder für den Ort einen Vorteil zu schaffen, den Arzt für sich unnötig herbeirufen, damit die Reichspostverwaltung für den ersten Besuch, der teuer ist, die Zahlung übernimmt, während für die später folgenden Besuche eine geringere Taxe erhoben wird? Es könnten dabei die Unterbeamten auf eine schiefe Bahn geleitet werden. Die Frage bedarf jedenfalls ein—
die zum Post⸗
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 25. Sitzung vom 22. Februar 1904, 12 Uhr.
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Lesung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungzg— jahr 1904, und zwar die Beratung des Etats der Ju stiz⸗ verwaltung.
Abg. Dr; Frie dberg (nl) bemerkt zur Geschäftsordnung, daß er den Justizminister über die Königsberger Geheimbundsprozesse, das Ver— halten der Polizei und die Ausweisungen interpellieren wolle, und bittet eine besondere Debatte hierüber stattfinden zu lassen.
Das Haus beschließt diesem Vorschlage gemäß.
Abg. Dr. Friedberg (nl): Die Verhandlungen des Reichtz⸗ tags über den erwähnten Gegenstand haben großes Auffehen erregt und, sind von der Sozialdemokratie in sehr stark agttatorischer Weise ausgenutzt worden. Die Angeklagten haben Bücher und Schriften aus der Schweiz nach Rußland gebracht. Warum sie dies getan haben, ist aus den Reichstagsverhandlungen nicht klar geworden. Es werden wahrscheinlich in Rußland verbotene Bücher und Schriften gewesen sein. Über selbst wenn es ver—= botene Bücher waren, lag noch kein Anlaß vor, Reichs deutsche so, zu behandeln und der Geheimbündelei zu beschuldigen. Die betreffenden Reichsdeutschen haben die Bücherpakete geöffnet und nicht weitergegeben und haben aus dem Empfang gar kein Ge— heümnis gemacht. Ein Strafantrag der russischen Regierung zur Ver⸗ folgung ist erst von der deutschen Regierung extrahiert worden. Die Interpellation im Reichstag nahm an, daß nur aus Gefälligkeit gegen Rußland ein Verfahren gegen die Reichsdeutschen eingeleitet worden sel. Andere Beschwerden der Interpellation im Reichstag be⸗ zogen sich auf das Vorgehen der Polizeibehörden. Es wurde hervor. gehoben, daß Rußland in Deutschland einen höheren Beamten unter— hält, um die russischen Anarchisten in Deutschland zu überwachen. Das ist an sich nicht auffallend; in Paris, London und anderswo sollen ähn⸗ liche Einrichtungen bestehen. Es wird aber behauptet, daß jener russische Beamte sich mit einem ganzen Stabe von Agenten umgeben habe und auch deutsche Reichsangehörige überwachen lasse. Die geheimen Agenten sollen sich der verwerflichsten Mittel bedienen, ohne daß unsere Polizei⸗ oder Justizbehörden dagegen einschritten. Die Agenten sollen sogar Haussuchungen vorgenommen haben, in einein Falle eine Wohnung von einem Schlosser haben öffnen lassen; sie sollen einen Postbeamten durch Bestechung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses veranlaßt haben. Besonders sollen russische Studenten diefen Vexationen aus, gesetzt sein. Die Universitätsbehsrden sollen beauftragt sein, vor der Immatrikulation über jeden russischen Studenten Auskunft einzuziehen. Ein Posener Dr. Werzeslaw soll ausgewiesen worden sein, und zwar merkwürdigerweise gerade nach der russischen Grenze. Ueber die Auswelsungen haben wir gesetzliche Be⸗ stimmungen; in diesen ist nicht der Ort vorgeschrieben, nach dem jemand ausgewiesen werden foll. Die Aus⸗ lieferung nach der russischen Grenze soll geradezu eine Aus— lieferung an Rußland sein. Dieses Material wurde im Reichstag bei der Interpellation geboten. Die Dinge sind nun, nachdem der Staagtssekretär des Auswärtigen Amts im Reicht tag die. Interpellation beantwortet hat, zu einer maß— losen Agitation benutzt worden. Wir müssen uns dagegen verwahren, daß im Reichstage über Dinge verhandelt wird, die nur die preußischen Behörden angehen. Ich hoffe, daß die Regierung sich hier darüber äußern und die Agitation damit gegenstandslos werden wird.
Justizminister Dr. Schönstedt:
Meine Herren! Ich bin dem Herrn Abg. Friedberg dankbar, daß er der Königlichen Staatsregierung Gelegenheit gegeben hat, gegenüber den Angriffen, die mit Bezug auf den sogenannten Königs— berger Geheimbundsprozeß und auf die Behandlung russischer Staats⸗ bürger in Preußen durch die preußische Polizei im Reichstage und demnächst in der Presse von sozialdemokratischer Seite erhoben worden sind, den Sachverhalt an derjenigen Stelle klarzustellen, an welcher allein die Königliche Staatsregierung sich als veipflichtet ansehen kann, sich über ihr Vorgehen in diesen Dingen zu verantworten.
Mit vollem Rechte hat der Herr Abg. Friedberg im Eingang seiner Ausführungen hervorgehoben, daß in der Verhandlung im Reichstage vom 19. Januar die Vorgänge, die den Gegenstand der Untersuchung in Königsberg bilden, von sozialdemokratischer Seite als äußerst harmlos hingestellt worden seien, sodaß es darnach nicht wohl zu begreifen wäre, wie preußische Justizbehörden sich hätten veranlaßt sehen können, von Amts wegen einzu⸗ greifen, zu Verhaftungen zu schreiten, zu Haussuchungen usw. Gewiß, meine Herren, seitens des Hauptredners im Reichstage, des Abg. Haase, der als Verteidiger in dem Königsberger Geheimbunds⸗ prozeß der Angelegenheit besonders nahe steht und sicherlich von seinem Standpunkt aus recht wohl informiert war, oder wenigstens sein konnte, ist alles geschehen, um die Sache als möglichst unbedeutend hinzustellen, sodaß in der Tat die öffentliche Meinung über die Bedeutung der ganzen Angelegenheit irregeführt werden konnte. Auch andere Herren im Reichstage haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Der Herr Abg. Haase hat hervorgehoben, daß die Schriften, um deren Verbringung nach Rußland es sich handelte, durchaus harmlosen Inhalts gewesen seien;
Mann. Ich will, die Zusammenstellung der bezüglichen Verhãlt⸗
gehender Erwägung, und darum möchte ich bitten, damit keine
1
(Schluß in der Zweilen Beilage.)
gerichtlichen Voruntersuchung, und ich bin deshalb selbstverstãndlich verpflichtet, mir eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen in meinen Mitteilungen, — aber ich lege doch Wert darauf, wenigstens in großen Zügen den Sachverhalt klarzulegen, der dem Vorgehen der Justizbehörden in Königsberg zu Grunde liegt. Was das Verfahren der Polizei betrifft, so wird demnächst wohl mein Herr Kollege, der Herr Minister des Innern, die nötige Aufklärung geben. . Die Sache hat also folgendermaßen begonnen: Im Herbst des vorigen Jahres, ich glaube im Oktober, kam es zur Kenntnis der Staatganwaltschaft in Königsberg, daß in verschiedenen Orten Ost⸗ preußens in der Nähe der russischen Grenze bedeutende Mengen von Schriften in russischer und lettischer Sprache aufgesammelt und auf⸗ gestapelt werden, welche bestimmt waren, über die russische Gren gebracht zu werden. Eine Einsicht in einzelne dieser Schriften ließ sofort erkennen, daß die Schriften zum Teil hochderrãterischen bezw. anarchistischen Inhalts waren. Es ergab sich aber zu⸗ gleich aus verschiedenen Umständen der dringende Verdacht, daß dieser Schriftenvertrieb nach Rußland nicht etwa neuerdingz eingeführt war, sondern daß er schon seit Jahren von der Schweiz, insbesondere von Zürich aus, in systematischer Weise betrieben wurde, teils auf dem Seewege, teils auf dem Landwege, — daß an bestimttte Ver⸗ trauensmänner auf bestimmten Wegen diese Schriften gebracht wurden mit dem Auftrage, sie an russische Agenten, die sie bei ihnen abholen würden, weiter abzugeben. Diese Angelegenheit hatte sich der Kenntnis der Behörden bis dahin vollständig entjogen. Es ergab sich aber aus verschiedenen Anzeichen, deren nähere Ausführung ich mir zu erlassen bitte — ich halte mich dazu nicht für berechtigt —, und aus ver— schiedenen Briefen, die bei den beteiligten Personen vorgefunden wurden, die Vermutung, daß die Sache als eine geheime behandelt wurde, und zwar nicht nur der russischen Regierung, sondern auch der preußischen Regierung gegenüber, worauf es hier allein ankam. Es ergab sich nach der Auffassung der Staatsanwaltschaft, daß teilweise unter Deckadressen korrespondiert war, daß die ganze Korresponden: als eine streng vertrauliche von den beteiligten Personen geführt war, und daß man bestrebt war, um das Bekanntwerden dieser Dinge bei den Königlich preußischen Behörden zu verhindern. Nun, meine Herren, die Staatsanwaltschaft in Königsberg hielt sich deshalb zu der Annahme berechtigt, daß es sich hier um eine Ver⸗ bindung handle, die ihre Tätigkeit vor der preußischen Staats⸗ regierung geheim zu halten gewillt sei und die sich zu dieser Geheim⸗ haltung verbunden habe. Die Staatsanwaltschaft erkannte deshalb den Tatbestand des 5 128 des Strafgesetzbuchs als vorliegend, der
dahin lautet:
Die Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll,
ist an den Mitgliedern zu bestrafen.
Auf Grund dieses Paragraphen leitete zunächst die Staatszanwaltschaft in Königsberg eine Untersuchung gegen diejenigen Personen ein, bei denen solche Schriften gefunden waren, bejw. von denen ihr bekannt wurde, daß sie
Es wurden ver⸗ schiedene Hauesuchungen vorgenommen, und zwar, soviel ich weiß, Es sind große Quantitäten, teils in Man hat sich daran begeben,
an dem Vertrieb dieser Schriften beleiligt waren.
sämtlich auf richterliche Anerdnung. ganze Ballen von solchen Schriften gefunden worden, russischer, teils in lettischer Sprache. . ihren Inhalt zu studieren. Es war das eine nicht leichte Aufgabe schon in quantitativer Beniehung. Lettische Uebersetzer sind selten
und auch gewandte russische Uebersetzer sind nicht überall leicht zu haben. Et hat sich um eine ganz gewaltige Arbeit gehandelt, die bis Es ergab sich aus diesen Schriften, daß sie verschiedener Natur und verschiedenen In⸗ Ein Teil, vielleicht der größte Teil, bewegt sich von seiten preußischer Behörden zu beanstanden eine gesetzliche dand⸗ 2. Ein anderer Teil der Schriften, zweifellos
der russischen Regierung gegenüber hochverräterischen, anarchistischen Inhalttz. Ich muß mir erlauben, Ihnen Aus ũge aus einzelnen dieser Schriften mitzuteilen, damit Sie sich selbst ein Urteil darüber
jetzt noch nicht vollständig beendet worden ist.
halts waren. d in den Gleisen sozialdemokratischer Ausführungen, die
habe nicht gegeben gewesen wäre.
und jwar ein nicht ganz unerheblicher, aber
ist
bilden können, ob meine Auffassung richtig ist oder nicht.
Ich hile roch eirwal hervor, daß der Abg. Haase im Reichstage speüell beherrtet hat, der ihm offenbar bekannte Absender dieser Schriften sei ein maßvoller, der Propaganda der Tat und dem Terror — es ist das ein in der russischen revolutionären Literatur sehr häufig vorkommender Ausdruck — entschieden ablehnend gegenüberstehender junger Mann. Nun, wenn wir davon ausgehen, daß die Schriften, deren Inhalt ich Ihnen zum Teil mitteilen werde, von diesem lungen Manne abgesandt worden sind, dann möchte ich glauben, daß Sie in das Urteil des Abg. Haase und in die Charakteristik, die er von
diesem Absender gibt, nicht vollständig einstimmen werden.
(Bewegung rechts.)
1
— heißt es an einer späteren Stelle —
(Bewegung),
wird das Leben selbst entscheiden.
Weder ein Zaun von Bajonetten,
weder die Spürhunde Gendarmen, weder die Beutel großer Kapita⸗ listen, weder das Geheul der getreuen adligen Untertanen, noch die Autorität des „Zaren ⸗Väterchens! in den Augen der dunklen Massen — nichts wird den Thron des Selbstherrschers erretten können, ebenso wie nichts Alexander II. vor der blutigen Vergeltung der Terroristenkämpfer für die Volksfreiheit bewahrt hat,
nichts wird ihn erretten, weil dieser Thron in dem entbrannten Kampfe erscheinen wird als ein unnützes, vermodertes Stück oder aber auf alle Falle dessen nicht wert, um seinethalben einen Kampf bis auf den Tod (und nicht zum Leben) mit den aufständigen Arbeitermassen zu führen. Die Auf. gabe der Gegenwart bildet also die Organisierung eines zentralen Arbeiterkomitees der russischen revolutionär ⸗sozialistischen Partei: I) für eine planmäßige Leitung der Arbeiterbewegung, 2) für die Ausnutzung der Gärungen und aktiven Unter— nehmungen im Studentum zu Revolutions wecken usw., 7) zur Organisation eines systematischen Terrors als eines besonderen exzitativen Mittels zu einer weiteren politischen Bewegung unter
den Massen. Es heißt dann weiter: Gehen wir über zu der Darlegung einer Beweisführung für unsere Ansichten über den Terror, oder genauer ausgedrückt, unsere Ansichten über die politischen Morde. Sind sie erforderlich in dem gegenwärtigen Kampfe des Proletariats mit der Regierung des Zaren? Nach unserer Ansicht kann es nur eine Antwort geben: die Bejahung! (Hört, hört!) Und daß sie so äusfallen muß, das läßt sich auch ganz gut aus den Anschauungen der Gegner des Terrors beweisen. Plechanow lagt: „In jedem von uns Sozialdemokraten sitzt und muß auch ein Stück Terrorist wie Robespierre sitzen. Ich bin selbst Terrorist in meinem Innern, aber ich ziehe es vor, daß Nikolaus II. nicht durch die Kugel stirbt, sondern auf dem Schaffott, auf dem Kasanschen Platze. Bewegung.) . . urg aus IH. im Wagen von dem Kasanschen Markte oder Semjenowschen Platze fortgefahren wird, ob man ihn auf dem dast⸗ wagen mit schmutziger Wäsche expedieren wird, wie man einst einen Führer der Reaktion zur Zeit der Revolution fortbrachte, oder ob er im Frauenkleide entfliehen wird, wie es ein anderer Magister der finsteren Macht getan hat, das interessiert uns sehr wenig. Die Geschichte selbst wird für den Zaren das Schafott Ludwigs XVI. oder den Unterrock Guizots bestimmen, das ist Sache der Zukunft.“ Meine Herren, bei demselben Herrn Nowagrodski in Königsberg wurde weiter eine Schrift beschlagnahmt, deren Titel in der Ueber setzung wiedergegeben ist: Die Volksfreiheit (oder der Volksbeglücker) Herausgegeben von der Gruppe der Volksbeglücker.“ In dieser Schrift ich folgende Stellen: 466 3 9 der Volkgwille vorzüglich verstanden, und das bildet sein Haupwerdienst in der Geschichte: die erste Bestimmung des Vollstreckungskomitees ging dahin, den Zaren als den Dauptreprã-· sentanten der russischen Regierung hinzurichten. Ohne Kampf mit dem Zaren kann es in Rußland keinen ernsten politischen Kampf geben. Das terroristische Programm im Jahre 1897 verteidigend, haben wir in Nr. 1 des „‚Volksbeglückers' gesagt: ‚Unser Kampf⸗ programm muß in einem Punkte gipfeln . dem Zarenmorde * und wenn es sich als nötig erweisen sollte, in einer ganzen Reihe von Zarenmorden, und in dem systematischen politischen Terror. Dieses muß auch für die zeitgenössischen russischen Revolutionãre bis heute das Programm des Minimums bleiben. Die Revo⸗ lutionäre müssen in die Arbeiter und Volksmitte, wo sich so viel Brennstoff angehäuft, den Aufruf zu aktivem, wirklich revolutionärem
Kampf hineintragen. Gefahr für die Regierung machen. Klein in Memel. gegebene erste Satz lautet:
richtig Schüsse sind erforderlich! Lautes Schießen au
Man muß das Volk in seinem Kampfe
wappnen und nicht nur mit Büchelchen wappnen, sondern mit den · jenigen Dingen, die die Volksmassen wirklich zu einer drohenden
Eine weitere Beschlagnahme hat stattgefunden bei einem Arbeiter Dort wurde eine Schrift gefunden, die den Titel trägt Nieder mit dem Zaren!“ Der in einem Auszuge mir wieder
Der Gedanke von der Vernichtung des Caesar ist natürlich der ganzen Linie ist erforderlich, sonst fangt die Gesellschaft von
neuem an zu zaudern, und wird es schwer sein, sie zu neuem Leben anzufachen. Es bedarf der alten Terroristen, der Helden, der
teiligt; sie ist an demselben Tage hingerichtet worden. Chalturin ist im Jahre 1882 hingerichtet worden. Er ist der Hauptbeteiligte an der Dynamiterplosion im Winterpalais und Mörder des Prokurators Streljnikow (18. März 1882). . . Also diese Männer sollen als Vorbilder der lebenden Generation in Rußland dienen! U Es schließt sich daran ein Aufruf, der ebenfalls bei dem Arbeiter Klein in Memel gefunden worden ist, an die Gesinnungefreunde von der Gruppe der Volksbeglücker. Aus diesem Aufrufe will ich, um Sie nicht zu lange aufzuhalten, nur einen Teil verlesen. Es heißt darin: . In Rußland braucht man jetzt eine Partei, die sich nicht nur mit der Agitation und Propaganda beschäftigt, sondern Angriffe auf die Regierung organisiert und in allernächster Zukunft ihrer Existen? ein Ende bereitet. Wir brauchen jetzt einen Kampf mit der Re⸗ gierung gleich dem, wie er vor 20 Jahren durch das Vollstreckungs⸗ komilee der ‚Volksfreiheit“' geführt wurde. Einen anderen Kampf gibt es für das russische Volt nicht. Wir fordern daher die rufsi⸗ schen Revolutionäre auf, unter das Banner von Sheljabow. Chalturin, Suchanow, Grinewitzky, der Perowskaja, das Banner des Vollstreckungskomitees der. Volksfreiheit?! von 1879 bis 18381 zu treten. ᷣ Auch diese Namen deuten alle hin auf Personen, die sich an Attentaten auf den Kaiser oder hochgestellte Beamte und Generäle beteiligt haben; sie werden hier als Vorbilder hingestellt. An einer weiteren Stelle beißt es: . Die damaligen Revolutionäre sahen ein, daß sie zu ihrer aus⸗ gedehnten agitatorischen und propagandistischen Tätigkeit unter anderm den systematischen Terror hinzunehmen mußten, und sie antworteten der Reaktion durch die „Hinrichtung“ von Mesenzew, Kropotkin, durch die Explosion im Winterpalais, die Attentate auf den Faiser· lichen Zug, den Zarenmord. Aus der Tätigkeit der Revolutionäre jener Zeit müssen die heutigen Revolutionäre die Hinweise auf das. was sie jetzt tun sollen, schöpfen. Die Revolutionäre müssen be⸗ greifen, daß für sie von allen nicht zahlreichen Mitteln zu An⸗ griffen auf die Regierung und zur Ausübung eines Einflusses auf sie, in gleicher Reihe mit bewaffneten Ueberfällen und Verschwörungen das mächtigste Mittel der Terror“ bildet, und zwar der systematische Terror“, der direkte Angriff mit der Waffe in der Hand auf die Hauptrepräsentanten der Reaktion, unter ihnen auf den Zaren — auf Nikolaus II. —. Die Propaganda, Agitation, Demonstration, das freie gedruckte Wort, die Gründung revolutionärer Organisationen — all das sind sehr wichtige Mittel zur Erziehung und Revolutionierung der Volksmassen und der Gesellschaft, um in ihnen Proteste gegen die Reaktion wach zu rufen. Dieser Art Tätig- keit müssen die Revolutionäre viele Kräfte widmen, wie es s. 3. die Anhaͤnger der Partei . Volksfreiheit“ (1879 bis 1881) getan haben. Aber hierauf kann sich der revolutionäre Kampf nicht beschränken. Man muß mit dem Revolver und der Bombe in der Hand den Kampf mit den Vertretern des gegenwärtigen reaktionären Systems aufnehmen und diese Nichtswürdigen ohne Gnade töten, sie für jedes ihrer Verbrechen strafen. Man muß sie vor den Revolutio⸗ nären verantwortlich machen, muß sie dazu bringen, daß sie zittern; laß sie begreifen, daß sie von heute ab ihr Streben nach Gütern des Lebens, um derentwillen sie ihr Gewissen, ihre Scham verkauft haben, das Blut des Volkes trinken, friedliche Demonstranten peitschen, jeden freien Gedanken erdrosseln, daß sie dieses Streben mit ihrer „eigenen Haut“ bezahlen werden. Einen solchen energisch geführten Kampf werden Nikolaus und seine abscheulichen Subjekte nicht lange aushalten. Sie lieben das, was ihnen ihre ver⸗ brecherische Tätigkeit gewährt, aber ihr eigenes Leben ist ihnen das Kostbarste auf der Welt. Jetzt üben sie ihre Verbrechen frei und ungezwungen aus, ohne auf irgendwelche Hindernisse ju stoßen — bei einem systematischen, politischen Terror“, der über ganz Rußland organisiert ist, wird das Damoklesschwert über den Köpfen aller reaktionären Hauptvertreter schweben. Sie werden sich vor der revolutionären Partei verantwortlich fühlen.
Ohne „Terror“ kann der revolutionäre Kampf in Rußland nicht auskommen. Der Terror ist eines der Dauptlampfesmittel gegen die Regierung. Jetzt muß in Rußland im ernstesten Sinne des Wortes eine Epoche terroristischen Kampfes der Revolutionäre mit der reaktionären Regierung Nikolaus II. eintreten. Es ist notwendig, so schnell wie möglich eine spezielle terroristische Or⸗ ganisation ins Leben zu rufen, welche, ähnlich dem Vollstreckungs⸗
f komitee der Volksfreiheit“ die Initiative zu einem systematischen terroristischen Kampfe ergriffe usw. usw.
Der Terror“ ö.
— heißt es am Schluß — muß spstematisch und allerorten geführt werden, überall, wo es
Es sind zunächst bei einem Herrn Nowagrodzki 93 Eremplare einer Schrift beschlagnahmt worden, die von diesem Herrn in Zürich
leugnen. Schläge, Schläge von allen Seiten sind erforderlich! .
Apostel der Freiheit, des Blutes und der Rache, die sich selbst ver⸗
⸗ Leute wie Wahl,