Diese sind durchaus nicht daran gebunden. Und wird ein Kind in einer Familie untergebracht, so ist das doch sicher eine erzieherische Maßnahme. r , muß man allgemein anerkennen, daß das Gesetz eine bedeutende Besserung gegen früher gebracht hat. Daß einigs Mängel sich zeigen, kann gegen das Gesetz im ganzen nichts beweisen. Um gewisse Elemente zu bändigen, dazu reicht eben die Fürsorgeerziehung nicht aus. Will man die Petition als Material Üüberweisen, so wälzt man damit einfach die Lasten vom Armenverband auf andere Schultern ab. Der Antrag des Herrn Dr. Lentze wird angenommen. Herr Dr. von Burgsdorff. beantragt, über eine Petition der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen um Be⸗ eitigung der Anrechnung des wirtschaftlichen Wertes ei Festsetzung einer Rekognitionsgebühr zur Tagegordnung überzugehen, weil es sich dabei um eine rein privatrechtliche An gelegenheit handle. Das Haus tritt ohne Debatte dem Antrage bei. Ebenfalls ohne Debatte wird eine Petition des Gemeinde vorstehers Rahe in Bad Essen (Bez. Osnabrück) um Verlegung des Amtsgerichts von Wittlage nach Bad Essen bei Ge— legenheit des Neubaues des Gerichtsgebäudes nach dem Referat des Herrn von Burgsdorff durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. Das Haus vertagt sich bis Freitag 1 Uhr. (Petitionen und Ansiedelungsgesetz⸗ entwurf.)
Schluß 5i½ Uhr.
Haus der Abgeordneten. 52. Sitzung vom 14. April 1904, 11 Uhr.
Das Haus setzt die zweite Beratung des Staats— haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1904 im Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten bei dem Kapitel „Kunst und Wissenschaft“ fort.
Ueber den Beginn der sich an dieses Kapitel knüpfenden Diskussion ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Abg. Kirsch (Zentr): Es gereicht mir zunächst zur Freude, daß dieser Etat zum ersten Male für die Arbeiten in Milet eine größere Summe votsieht. Ein lebhafter Dank gebührt dem deutschen Ge— lehrten, der dort die Ausgrabungen leitet, dem Dr. Wigand. In dem Streit der Kunstrichtungen kann der Laie und das Parlament keine bestimmte Stellung nehmen. Es ist natürlich, daß, wenn neue Künstler neue Bahnen einschlagen, die anderen an den alten Richtungen festhalten. Herr Traeger hat eine Lanze für die Sezession eingelegt, während Herr Rewoldt die deutsche Kunstgenossenschaft vertrat. Wenn behauptet wird, daß die sezessionistischen Werké in unseren Galerien auf Hintertreppen erworben seien, so muß man uns nach— weisen können, was das für Hintertreppen gewesen sind. Wenn man will, daß das Parlament auf die Ankäufe einwirke, sollen dann die sämtlichen Abgeordneten darüber entscheiden, oder sollen wir eine be— sondere Kommission dafür wählen? Und wie sollen wir uns der Landeskunstkommission gegenüber stellen? Sollen wir dieser Kunst— kommission Direktiven geben? Wir werden niemals in der Lage sein, der Landeskunstkommission und der Verwaltung vorzuschreiben, was sie ankaufen soll, sondern wir werden immer nur nachher Kritik über die Ankäufe üben können. Man verlangt Freiheit der Kunst, aber die Redner, die dies gesagt, haben selbst anerkannt, daß die Kunst auch eine Grenze haben muß. Selbst der nationalliberale Redner hat be— dauert daß besonders unsere Jugend von der neuen Richtung ergriffen sei. Ich hoffe deshalb, daß eine neue lex Heinze die Nationalliberalen nicht mehr zu Fall bringen werden. Unsere Fraktion verlangt eine Kunst auf christlicher Grundlage. Mag ein Kunstwerk technisch noch so vollendet sein, es paßt nicht in eine Galerie hinein, wenn es z. B. die religiösen Gefühle verletzt. Es ist ganz schön zu sagen: wir müssen eine freie Kunst haben, aber eine gewisse Grenze nach der ethischen Seite hin müssen wir haben. Es ist verlangt worden, daß die Regierung die neueren Werke möglichst schnell ankaufe, aber es vergeht bei allen Künsten immer einige Zeit, ehe ein Kunstwerk die richtige Schätzung findet, sodaß man von ihm sagen kann: a6rs per- 2nnius. Man muß also bei der Wahl der Kunstwerke recht bor— sichtig zu Werke gehen und nicht so oft nur deshalb kaufen, damit der Künstler noch vor seinem Tode etwas davon hat. Der Minister muß das Gute nehmen, wo er es findet, dann wird er auch auf dem Gebiete der Kunst die richtigen Wege wandeln.
Abg. Winckler (kons.) : Auch in unserer Fraktion sind die An— sichten über die Kunst sehr auseinander gegangen, und doch haben wir uns auf Grund gewisser Grundsätze zusammengefunden. Ich will hervorheben, worin wir uns zusammengefunden haben; einer meiner Freunde wird seiner eigenen Auffassung nachher Ausdruck geben. Ich schließe mich der Anerkennung für die Arbeiten unserer deutschen Gelehrten im Osten, auf die wir stolz sein können, vollkommen an. Vom preußischen Standpunkt will ich hier alles ausscheiden, was sich auf die Ausstellung in St. Louis bezieht. Es wäre eine erfreuliche Frucht der heutigen Debatte, wenn die Erklärungen des Ministers, die wir doch wohl erwarten dürfen, in die Kreise der Künstler Be— ruhigung bringen würden, da jetzt eine Beunruhigung darüber herrscht, daß eine einseitige Richtung von der Regierung bevorzugt werde. Es wird behauptet, daß der Landeskunstkommission verwehrt sei, sezessio⸗ nistische Werke zu kaufen; eine fernere Klage geht dahin, daß bei den Ankäufen für die Nationalgalerie die Person des Künstlers mit in Frage komme. Ich weiß nicht, was von diesen Klagen begründet ist. Meine Freunde wünschen weder eine einseitige Bevorzugung, noch eine einseitige Unterdrückung irgend einer Richtung, wir wollen die freie Betätigung einer jeden Richtung. Wenn hier bureaukratische Schranken angelegt würden, so würden wir das bedauern. Von diesem Gesichtspunkt, in dem wir einig sind, würden die Klagen, wenn sie überhaupt wahr sind, einer inneren Berechtigung nicht entbehren. Für irgend eine Richtung will ich nicht Partei ergreifen. Es ist über baurt nicht richtig, von einer sezessionistischen Richtung zu sprechen. Es sprechen dabei lokale und geschäftliche Rücksichten mit. Man hat sich gewöhnt, die Künstler als sezessionistisch zu bezeichnen, welche in gewissen Ausstellungen nicht ausstellen. Man sollte aber nicht von einer sezessionistischen Richtung sprechen, sondern lieber von einer Mehrjahl von Richtungen, in welchen sich Gutes und Schlechtes jusammen findet. Es muß auch hier ausgleichende Gerechtigkeit geübt werden, jede Einseitigkeit muß bei der Kunst und bei den Kunstwerken ausgeschlossen sein. Darin gebe ich Herrn Traeger recht, daß Pinsel und Meißzel sich nicht in einer bestimmten Richtung dirigieren lassen. Dezentralisation in unserem Vaterlande hat für die Kunst nur Gutes gewirkt.
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. 17 ie Ich hoffe, daß nach der Beunruhigung, die in den Känstlerkreisen eingeriffen ift, die heutige Aussprache zu einer Beruhigung führen wird.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt: Meine Herren! Die Schärfe des Tones, in welchen der erste Derr Redner seine Angriffe gegen mich zu kleiden sich bestimmt ge⸗ funden hat, legte mir die Versuchung nahe, sofort nach Schluß seiner Rede das Wort ju ergreifen; ich habe dieser Versuchung widerstanden
in der Voraussetzung, daß ich mir ein Gesamtbild aus den ver— schiedenen Reden der Vertreter aller Parteien, die heute zum Worte gekommen sind, zunächst zu formen haben würde, und mir danach ein Urteil über die Angriffe schaffen könnte, die aus der Mitte dieses hohen Hauses gegen die Kunstberwaltung gerichtet sind. Das Resultat dieser von mir geübten Selbstprüfung ist das, daß ich diesen Angriffen mit gutem Gewissen und voller Ruhe gegenüberstehe, und ich werde den Nachweis führen, daß namentlich die auf dem Gebiete der persön— lichen Auseinandersetzungen, um mich nicht eines schlimmeren Ausdrucks zu bedienen, gegen mich gerichteten Vorwürfe der tatsächlichen Grund⸗ lage durchaus entbehren. Eine gewisse Beunruhigung mag in Künstler⸗ kreisen vorhanden sein, das gebe ich ohne weiteres zu; aber die Schuld, diese Beunruhigung hervorgerufen zu haben, liegt nicht in dem mir unterstellten Ressort, sondern ich glaube sie im wesentlichen in einer gewissen sensationssüchtigen Presse finden zu müssen, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, eine gewisse Kunstrichtung um jeden Preis in ihrem Werte einseitig hervorzuheben und die Kunstverwaltung für gewisse Er⸗ scheinungen verantwortlich zu machen, für die sie nicht verantwortlich ge⸗ macht werden kann. Das dürfte auch dem Herrn Abg. Traeger, der dieser Beunruhigung den charakteristischen Ausdruck gegeben, von Scheinwerfer und von gewaltiger Gärung gesprochen hat, nicht ent— gangen sein.
Was ich an den übrigen Ausführungen des genannten Herrn Abgeordneten ohne weiteres billigen kann, das ist der von ihm aus— gesprochene Satz, daß alle wahrhaft künstlerischen Bestrebungen ihre gleiche Berechtigung haben. Den Satz unterschreibe ich ohne weiteres; aber Sie wollen mir freundlichst gestatten, daß ich auf das Wort wahrhaft“ den Akzent lege. Ich fürchte, daß ich mich mit dem Herrn Abgeordneten über das, was wahrhaft künstlerisch ist, nicht verständigen kann; es sind in dieser Beziehung vielfach nur individuelle Meinungen maßgebend. Die Maßnahmen der Kunstverwaltung, die nach den Grundsätzen der vorhin betonten justitia distributiva vor— zugehen hat, beruhen im wesentlichen auf der persönlichen Auffassung des Ressortchefs, der die verantwortliche Rolle zu übernehmen hat, aber die Ratschläge berücksichtigt, die von bewährter sachverständiger Seite gegeben werden, sowie die Gutachten, die in der viel⸗ seitigsten Form aus allen Richtungen heraus von der Kunstverwaltung gesammelt werden. Die Kunstverwaltung braucht in ihrem Bestreben, die wahrhaft künstlerischen Richtungen zu fördern, eine Kontrolle nicht zu scheuen; ich bitte im Gegenteil, daß diese Kontrolle von Ihrer Seite recht gründlich geübt werde, sie wird zu einem Ergebnis führen, mit dem — davon bin ich fest überzeugt — die mir unterstellte Ver— waltung durchaus zufrieden sein kann, und zu Beschlüssen, die den Beweis führen werden, daß die Kunstverwaltung vollständig gerecht fertigt hervorgehen wird. Ich bitte, sich unsere Museen anzusehen und ebenso die Nationalgalerie, dort die neueren und neuesten Er⸗ werbungen zu prüfen und dabei auch die Aufträge in Berücksichtigung zu ziehen, die sonst noch staatlicherseits an Künstler in neuerer Zeit erteilt worden sind. Dann stelle ich auch anheim, unsere Kunst— schulen zu besichtigen, und zwar sowohl die in Berlin wie auch die Akademien in Königsberg, Cassel, Düsseldorf und die Kunstschule in Breslau. Sie werden dabei finden, daß alle möglichen, nur irgendwie vom Standpunkt der staatlichen Kunst— verwaltung zulässigen Richtungen in vollem Maß zur Geltung kommen, und zwar in solchem Maße, daß schon von unterrichteter Seite das Bedenken geltend gemacht worden ist, ob nicht in einzelnen Fällen zu weit gegangen wäre.
Wenn nun heute der Vorwurf erhoben worden ist, daß wissentlich und unter dem Druck des amtlichen Einflusses, den ich zu üben in der Lage bin, die eine oder die andere Richtung beiseite geschoben, eine Art von Gewissensdruck auf die beteiligten Leiter und Lehrer der betreffenden Kunstanstalten geübt werde, so weise ich diesen Vor— wurf hiermit ausdrücklich zurück.
Das führt mich darauf, daß der Herr Abg. Traeger sich bemüßigt gefunden hat, mir keine einzige von den persönlichen Anfeindungen zu ersparen, die in der Presse gegen mich gerichtet worden sind. Ich komme nachher noch darauf zurück und möchte mich zunächst mit der Landeskunstkommission beschäftigen.
Meine Herren, die Landeskunstkommission hat ein consultativum in bezug auf die Erwerbungen für unsere Galerie und Staatsaufträge, kein votum decisivum. Trotzdem wird die Ansicht der Landeskunstkommission in solchem Umfange jedesmal von der Kunstverwaltung und speziell auch von mir, seitdem ich die Ehre habe, Minister zu sein, berücksichtigt, daß nur in einer ganz verschwindenden Zahl von Fällen eine abweichende Entschließung seitens der Kunstverwaltung erfolgt ist. Auf zwei spezielle Fälle, die mir zum Vorwurf gemacht sind, komme ich nachher noch zurück und möchte die minime Zahl von Fällen, in denen in den letzten Jahren eine abweichende Entschließung gegenüber den Vorschlägen der Landes— kunstkommission stattgefunden hat, auf kaum mehr als fünf beziffern.
Meine Herren, ich darf nun noch hinzufügen, daß ich vor dem sachverständigen Urteil der Landeskunstkommission die größte Hochachtung habe, daß die Vorschläge und Erörterungen, die an die Verhandlungen der Landeskunstkommission sich knüpfen, seitens der Kunstverwaltung auf das gewissenhafteste und sorgfältigste geprüft werden. Das persönliche Einvernehmen zwischen mir und der Landeskunstkommission ist — ich glaube, nicht zu viel ju sagen — ein ganz vortreffliches. Ich habe nie gehört, daß irgend eines von den verehrten Mitgliedern dieser Kommission nur die geringste Veranlassung gehabt hätte, sich darüber zu beschweren, daß es nicht voll zu Worte gekommen wäre, daß sein besonderes Votum nicht die vollste Würdigung gefunden hätte. Daraus ist auch erklärlich, daß ein durchaus harmo— nisches Einvernehmen zwischen Landeskunstkommission und dem ver— antwortlichen Ressortchef besteht, und ich hoffe, daß es auch für alle Zukunft so bleiben wird zum Wohl und zum Gedeihen der von der staatlichen Kunstverwaltung zu verfolgenden Ziele.
Es wird über die Erwerbungen für den Staat und staatliche Aufträge alle 7 Jahre ein Rechenschaftsbericht erstattet, nebenbei laufen aber noch — das wird den Herren nicht unbekannt sein — die vierteljährigen Berichte, die von der Generalverwaltung der Museen herausgegeben werden und über die Erwerbungen eine ganz genaue und umfassende Auskunft erteilen. Der Forderung allerdings, die einer der Herren Vorredner ausgesprochen hat, daß auch die Preise der einzelnen Erwerbungen, der Bilder usw, bekannt gegeben werden möchten, kann die staatliche Verwaltung nicht entsprechen. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Preisforderungen etwas rein Persönliches darstellen, und es entspricht, glaube ich, auch
Votum
nicht einmal dem Interesse der Künstlerschaft, wenn detj nähere Notizen in die Oeffentlichkeit gelangen; jedenfalls ist es u der Wunsch der Künstlerschaft. Ich habe noch nie gehört, daß he wegen uns gegenüber ein Wunsch geäußert worden sei.
Meine Herren, ich habe schon hervorgehoben, daß alle fu richtungen, die irgendwie als berechtigt anerkannt werden können und in der Beurteilung der Kunstrichtungen ist eine Sanft beobachtet worden, wie sie, glaube ich, nicht ängstlicher geübt wer kann — in unseren Kunstinstituten vertreten sind und ebenso in h Erwerbungen für die Nationalgalerie usw. Ich stelle hiermit c daß namentlich auch aus den Kreisen der sogenannten Seessions Bilder sich in der Nationalgalerie befinden, und wenn da von ein Art von Hintertreppenpolitik gesprochen worden ist, so weise ich ii Andeutung als durchaus unberechtigt zurück. Wir spielen da n ganz offenen Karten, und ich gewärtige den Gegenbeweiz. I übrigen übernehme ich die volle Verantwortlichkeit für alle bezglih Akte, insbesondere auch für die erteilten Auszeichnungen, für , käufe usw.
Wenn nun gar der Herr Abg. Traeger so weit geht, mir darn einen Vorwurf zu machen, daß eine Aenderung in dem Referate u Kunstverwaltung stattgefunden hat, so lehne ich mit voller Bestimm heit die Zumutung ab, gerade über diese Aenderung irgendwelche u kunft zu geben. Ich bin der verantwortliche Ressortchef, und ich h noch nie gehört, daß hier im Abgeordnetenhause an den verantnun lichen Ressortchef die Zumutung gestellt ist, über die Frage, nn welchem Gesichtspunkte er sich seine Referenten aussucht usw., ci Auskunft zu erteilen. (Bravo! rechts.)
Meine Herren, ich habe schon mein Bedauern darüber ausge zroche daß Herr Abg. Traeger sich bewogen gefunden hat, mir von du persönlichen Klatsch, wie er durch eine sensationssüchtige Presse h breitet ist, nichts zu ersparen. Ich könnte eine gewisse Schadenfren darüber empfinden, daß die Presse sich auf dieses Gebiet begcn hat, weil es notorisch ist, daß in solchen Fällen, in denen eh sir die Verteidigung einer solchen Angelegenheit an sachlichen und ch jektiven Gründen fehlt, eine persönliche Anfeindung Ersatz bieten muß Das sage ich nur in bezug auf die Presse; daß der Herr Abgeordje⸗ selbst von anderen Motiven ausgegangen sein mag, will ich zugeltn
Nun, meine Herren, ist mir nach einer nunmehr A456 jährigen amt lichen Tätigkeit der Vorwurf nicht erspart geblieben, daß ich mij einer Lüge schuldig gemacht habe. Ich habe diesen Vorwurf m stiller Verachtung gestraft und mich nicht etwa auf den Weg eint Beleidigungsprozesses begeben; aber ich bedaure, daß ich heute wiede genötigt bin, die weimarische Angelegenheit hier zur Spruhr zu bringen.
Meine Herren, wir haben mit der weimarischen Regierung ka schiedene Angelegenheiten zu verhandeln, die sich durchaus nicht auf irgend einen Punkt der Kunstfragen oder der Kunstverwaltung beziehen. Ci s das das Denkmal der hochseligen Kaiserin Augusta, die Errichtung ein Kaiserin Augusta.⸗ Gedächtniskirche und die Herderstiftung. Meine Herm, daß sich die beteiligten Regierungen von Weimar und Preußen i Verbindung gesetzt haben, um an der Hand der in dem g preußischen Staat in reicherem Maße zur Verfügung zu ste Mittel — aus der Einwohnerschaft, aus freiwilligen Ba trägen sind da größere Summen bereit zu stellen —, insbesondere il die dabei in Betracht kommenden Organisationsfragen sich zu be ständigen, liegt auf der Hand. Das hat schon vor zwei oder dig Jahren dazu geführt, daß ich den Wunsch geäußert habe — abgeschen davon, daß ich Mitglied des Goethevereins und des She vereins bin — an Ort und Stelle mich genau zu unterrichten. D Wunsch konnte nicht erfüllt werden, weil der Umstand, daß Königliche Hoheit der Großherzog, dem ich pflichtschuldig meine wartung zu machen hatte, aus Anlaß längerer Reisen mir den Wunsch zu erkennen geben ließ, meine zu einer späteren Zeit einzurichten. Schließlich Anfang Dezember vorigen Jahres dazu bestimmt, Hofe meinen Besuch abzustatten und die Besprechung leitenden Herrn Minister in Weimar vorzunehmen. Ich habe sells verständlich denjenigen meiner Herren Referenten, welcher bei die Gelegenheit mir mit dem tatsächlichen Material zur Seite mußte, mitgenommen.
Als nun in Weimar selbst, wo ich nicht ein Wort über Fragen der Kunstorganisation mit irgend einer Person gesprochen habe (hän
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wurde wuülbde
abe (hol hört! rechts) meine Aufgabe zu Ende war und ich mich in freulichsten Weise über die eben angegebenen Themata verständigt hatte trug mir mein Referent auf der Rückreise seine Beobachtungen vor, k unter anderem auch darin gipfelten, daß anscheinend eine Künstlerbund in Weimar sich in der nächsten Zeit bilden würde — n erste, was ich von der Sache überhaupt erfahren habe! hintellg wurde die Vermutung zur Tatsache; denn wenige Tage darauf kt sich der Künstlerbund gebildet. Der Künstlerbund ist mir in seing Entstehung gleichgültig, so gleichgültig, wie es nur möglich sein lim Was hatte ich für eine Veranlassung, mich überhaupt dafür oder gegen zu echauffieren? Nicht die geringste! Ich bin der Meinung und das ist auch schon heute zum Ausdruck gekommen — daß es best ist, in solchen Dingen tunlichste Einigkeit nach außen zu wahtt als sich in Sonderbestrebungen einzulassen, namentlich da der Künstlt bund sich einen ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht hat, wenige Woche bevor die Anmeldungen für die Ausstellung in St. Louis geschles⸗ werden mußten. Der Bund hatte nicht einmal Zeit, sich in ige einer Weise zu bewähren und durch die Tat zu beweisen, daß die in sprüche, die er erhoben hat, begründet seien. Abgesehen davon, in ich die Ausstreuungen, die die Presse an die Tatsache meiner Re geknüpft hat, als eine höchst bedauerliche Lüge bezeichnen und lli dabei, daß mir in der Beziehung ein schweres Unrecht geschehen ge. Nun ist ein weiterer Angriff gegen mich gerichtet, ich hätte Bestrebungen, die darauf hinausgingen, gewisse deutsche Künstlerke zu einer Sonderausstellung in Chicago zu vereinigen, vereitelt. lun dies ist unrichtig. Richtig ist nur, daß der deutsche Konsul Chicago es angeregt hat, in Amerika die immer unbekannter gemornn⸗ deutsche Kunst zur Hebung des deutschen Namens wieder Aufschwung zu bringen und gleichzeitig der deutschen Kunst unt s. deutschen Künstlern das verloren gegangene Absatzgebiet Amerika wieder zu erschließen. Zu dem Zwecke wünschte er, daß ‚ private Ausstellung der deutschen Kunstwerke in Chicago eran i werden möge, und bat mich um Förderung der Sache. Ich sall. ihm gern zu und erklärte mich bereit, aus meinem Dispositionzsan jzur teilweisen Deckung der Unkosten einen erheblichen Beitrag in ; willigen. Die Ausstellung war als eine private gedacht. Der .
1 f, der it
fefssor Arthur Kampf hatte sich, wie ich auch an dieser Stelle an— erkennend hervorheben möchte, in dankenswerter Weise bereit erklärt, seine Kräfte für das Zustandebringen der Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Im übrigen waren bei der Ausstellung, wie aus den Ver⸗ handlungen bei ihrer Inszenierung hervorgeht, auch sehr wesentliche staatliche Interessen beteiligt, zu deren Förderung ich den Betrag aus meinem Dispositionsfonds bereitstellen wollte. Die weiteren
Verhandlungen wurden zum großen Teil mündlich und schriftlich
jwischen dem Konsul und seinem Bruder, dem Unterstaatssekretär
meines Ministeriums geführt. Bei diesen Verhandlungen wurde seitess des Konsuls in Chicago wiederholt und nachdrücklich be— tont, man möge bei dem ersten Versuch einer Ausstellung den
Neigungen und Wünschen des amerikanischen Kunstmarktes Rechnung
tragen, deshalb bei der Auswahl von Bildern vorsichtig sein, und
namentlich solche von extrem ⸗moderner Richtung wenigstens zur Zeit fern halten, wenn anders man nicht eine Niederlage erleiden und man sich den amerikanischen Kunstmarkt wieder verschließen wollte. Noch während diese Ermittelungen über die zur Zeit maßgebenden
Neigungen und Wünsche des amerikanischen Kunstmarktes und die
Außwahl der aufzufordernden Künstler schwebten, erhob auch der
Reichskommissar Bedenken gegen die Veranstaltung einer derartigen
privaten Kunstausstellung kurz vor der Eröffnung der Weltausstellung
in St. Louis und bezeichnete es als wünschenswert, erst die Er— fahrungen an diesem Ort abzuwarten und erst dann auf eine Kunst— ausstellung in Chicago zurückzukommen. Unter diesen Umständen schien es angezeigt, daß zur Zeit von einer Sonderausstellung in Chicago abgesehen werde; ich hielt es für besser, dieselbe einem der nächsten Jahre vorzubehalten und eine Beihilfe aus meinem Dis— pöositionfonds nicht für das laufende, sondern für eins der nächsten
Jahre in Aussicht zu nehmen. Ich wiederhole hiermit, daß den be—
teiligten Kreisen die Summe zur Verfügung gestellt werden soll,
wenn nach Ueberzeugung der Kunstverwaltung und nach sorgfältiger
Erwägung der obwaltenden Verhältnisse der geeignete Zeitpunkt ein
getreten sein wird.
Nun ist mir heute von dem Herrn Abg. Traeger der Fall Dettmann um Vorwurf gemacht. Es wird Ihnen bekannt sein, daß Dettmann seit ungefähr 2 Jahren Direktor der Kunstakademie in Königsberg ist; seine Bilder auf der Ausstellung werden die Herren vielleicht gesehen haben, sie erfreuen sich eines nicht ganz ungeteilten Beifalls; jedenfalls ist ein erhebliches Talent aus denselben ersichtlich. (Abg. Metger⸗Flens⸗ burg: Sehr richtig) Ich habe wiederholt Gelegenheit gehabt, mit Herrn Dettmann da und dort über die Sache zu sprechen; wie ich mich überhaupt für verpflichtet erachte, mein Urteil möglichst viel⸗ seiig zu bilden und mit den einzelnen Künstlern der verschiedenen Richtungen in persönliche Berührung zu treten, um möglichst vor— urteildlos den verantwortungsvollen Aufgaben gegenüberzustehen, die mir gestellt sind. Als nun in der Presse der Vorwurf erhoben wurde, ich hätte Herrn Dettmann irgend welche Vorhaltungen gemacht, um ihn in einseitiger Richtung zu beeinflussen, ist von Herrn Dettmann albbald aus eigener Initiative brieflich folgende Erklärung ab⸗ gegeben worden:
Von Berlin erhalte ich diesen Zeitungsausschnitt, von Zeitung weiß ich nicht:
schreibt Herr Dettmann unter dem 11. Januar dieses Jahres —
„Zur sezessionistischen Bewegung. Die Zeitungen werden dem— nächst genötigt sein, eine ständige Rubrik über die Vorfälle im Reich des Schönen, Wahren und Guten einzurichten. Also:
wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, soll an den preußischen Kunstbeamten Professor Ludwig Dettmann, der zu Königsberg in Preußen der Akademie vorsteht, neulich seitens der Regierung
also das ist der Minister —
die Mahnung ergangen sein, seine sezessionistische M al⸗
weise fortan aufzug eben oder auf sein Lehramt zu ver⸗
zichten. Das Gist eines Neide,
— das ist ein früherer Professor an der Kunstakademie zu Königsberg — der an jener Stelle ehedem die Gemüter der Künstlerjugend verdarb, hat man ruhig wirken lassen; aber dieses Gift eines, wenn auch nur bedingten Impressionismus (Herr Dettmann ist ja von den zahmsten einer) muß beseitigt werden.
Da die Königsberger Hartung'sche Zeitung gern etwas wissen wollte, erklärte ich dem Vertreter, daß an der ganzen Meldung kein wahres Wort sei. (Hört! Hört! rechts)
Meine Herren, das war der Kasus Dettmann.
Nun, meine Herren, ich bitte, mir nur einen von denjenigen Käünstlern zu nennen, die an die Staatskrippe gelegt worden sind, um den Beweis zu führen, daß die Kunstverwaltung eine einseitige Richtung verfolge. Es ist aber weiter der Vorwurf gegen die mir unterstellte Verwaltung seitens des Herrn Abg. Traeger gerichtet worden, daß die Heftigkeit der Kampfesweise gegen die Sezession diese Beunruhigung hervorgerufen habe. Meine Herren, zeigen Sie mir einen einzigen von der Regierung beeinflußten Artikel der öffentlichen Blätter, in welchem gegen die Sezession in einer heftigen Kampfes— weise zu Felde gezogen worden ist; ich weiß keinen. Ich habe auch die feste Ueberzeugung, daß die Herren nicht in der Lage sein werden, hier irgend einen Nachweis in der Beziehung zu führen. Ich glaube im Gegenteil, die Heftigkeit liegt auf der anderen Seite und nicht auf der der Königlichen Staatsregierung, welche sich der vollsten Zurückhaltung auf diesem Gebiete befleißigt hat. Ich bin dem Herrn bg. Dr. Rewoldt dafür dankbar, daß er diese Art der Kampfesweise gegen die Regierung auf ihren richtigen Wert zurückgeführt hat.
Der Herr Abg. Traeger mag nun mit dem Bewußtsein, es dem Kultus⸗ minister gründlich gegeben und die preußische Kunstverwaltung gerettet iu haben (Heiterkeit), auf seinen Platz sich begeben haben; aber, meine herren, ich kann es nur im höchsten Maße bedauern, daß die Kunst⸗ berwaltung mit solchen Mitteln angegriffen worden ist. Und was die Presse anbetrifft, so verstehe ich den Lärm, der sich geradezu in einer wüsten Form in verschiedenen Blättern und in einer Flut von Zeit⸗— schriften geltend gemacht hat, absolut nicht. Ich stehe diesen Angriffen mit Ruhe und mit gutem Gewissen gegenüber in der Ueberzeugung, daß ich nicht allein das Beste gewollt, sondern daß die mir unterstellte Verwaltung auch viel Gutes erreicht hat.
Die vermeintlich wohlwollenden Vorschläge, die nun noch i mich gerichtet worden sind, will ich Sei ku Guus gern erwägen; aber das Gefühl kann ich allerdings nicht unterdrücken und muß es hier zum Ausdruck bringen, daß die Unterrichts verwaltung chweren und ungerechten Angriffen ausgesetzt worden ist, die, wie ich
welcher
glaube, zum Teil lediglich auf gewisse Preßäußerungen hin gegen die Unterrichts verwaltung geschleudert worden sind und die der tatsäch⸗ lichen Grundlage gänzlich entbehren. Ich stehe zur Beantwortung welterer an mich zu richtenden Anfragen gern zur Verfügung und bitte nur, die Schwierigkeit der Aufgabe, die der Unterrichtsverwaltung auf diesem Gebiete erwächst, doch auch in Betracht zu ziehen. Es ist hier schon hervorgehoben worden, daß in bezug auf Kunst und Kunst⸗ fragen ungefähr der Zustand besteht: quot capita tot opiniones. Da ist es nun eben Aufgabe der Kunstverwaltung, ihren ruhigen geraden Weg zu gehen und sich nicht irritieren zu lassen durch Unter—⸗ stellungen, die schließlich dazu führen, daß ein ganzer Wall von Vor— urteilen und von Angriffen gegen die mir unterstellte Verwaltung aufgerichtet wird. Nun, meine Herren, habe ich mich noch mit dem Herrn Abg. Dr. Beumer zu beschäftigen. So sehr wie ich seine Aeußerungen über die Verurteilung der radikalen und zynischen Auswüchse billige, die sich in manchen modernen und allermodernsten, in neusten und allerneusten Kunstrichtungen geltend machen, so kann ich es auf der anderen Seite nur auf das Lebhafteste bedauern, daß er in einen Fehler verfallen ist, der im Reichstag und auch bei den heutigen Debatten wiederum her⸗ vorgetreten ist. Meine Herren, wenn Sie Kritik üben wollen an Kunsterscheinungen, so, glaube ich, ist es unbedingt notwendig, zu unterscheiden zwischen denjenigen Erwerbungen und Aufträgen, die von seiten des Staats auf Staatskosten erfolgen, und denjenigen Werken, die aus eigenen Mitteln der Krone beschafft worden sind. Wenn Sie auch diese in den Bereich Ihrer Beurteilung ziehen, so kann ich es nur bedauern, daß hier in einer Weise Krittk geübt worden ist, deren innere Nichtberechtigung schon darin besteht, daß der Staat bei diesen Sachen nicht beteiligt ist. Ich kann den Herren nur dringend ans Herz legen, diese Unterscheidung ihrerseits zu machen und dabei in Betracht zu ziehen, aus welchen edlen und idealen Motiven gerade solche Anlagen hervorgegangen sind. (Bravo! rechts und im Zentrum.) Abg. Münsterberg (fr. Vgg.): Es ist erfreulich, daß der Minister Klarheit über den Fall Dettmann geschaffen hat; denn man konnte sich gar nicht denken, daß an einen Akademiedirektor eine solche Zumutung gestellt sein konnte, wie in diesem Falle behauptet war. Dem Urtesl der Landeskunstkommiffion muß? der Minister folgen, aber er darf die Stimmen nicht bloß zählen, sondern muß sie auch wägen. Der Redner bespricht sodann die geplante neue. Organisation des Museums für Völkerkunde in Berlin und hefürchtet von der Anstellung von zwei neuen Direktoren und der Schaffung von vier einzelnen Ressorts eine Verzettelung der Mittel. Ein größerer Wert müsse auf die asiatische Abteilung gelegt werden, da die Völker des Ostens immer größere Bedeutung für uns ge— wönnen. Die asiatische Abteilung müsse mindestens geteilt werden in eine solche für Ostasien und eine andere für die übrigen Teile, denn die jetzige Abteilung lasse sich gar nicht mehr Überschen.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:
Ich bin dem hohen Hause ein Aufklärung schuldig, die ich vorhin aus Versehen unterlassen habe.
Es ist gegen mich der Vorwurf erhoben worden, daß ich den An— kauf eines Leistikowschen Bildes trotz des einstimmigen Beschlusses der Landeskunstkommission abgelehnt habe. Meine Herren, die Tatsache ist unrichtig insofern, als bei der ersten Absticamung die Landeskunst⸗ kommission sich nur mit 8 gegen 7 Stimmen für den Ankauf erklärt hat, bei der zweiten Besichtigung des Bildes mit 10 gegen 5 — da war die Majorität allerdings eine größere geworden. Also von einem einstimmigen Beschluß ist gar nicht die Rede.
Ferner handelt es sich um ein verhältnismäßig kleines Gemälde, eine Gouachezeichnung, zu deren Erwerbung ich mich nachher nicht entschlossen habe, aus dem einfachen Grunde, weil das Bild für die Nationalgalerie, deren Raumverhältnisse zu besonderer Vorsicht mahnen, nicht bedeutend genug erschien, und weil wir ein sehr schönes Gemälde von Leistikow, der übrigens als ein vortrefflicher Künstler anerkannt wird, schon besitzen. (Hört! hört! rechts.)
Ich erwähnte vorhin, daß die Zahl der Fälle, in denen dem Antrage der Landeskunstkommission nicht entsprochen worden ist, außer⸗ ordentlich gering ist und im ganzen vielleicht fünf Bilder betrifft. Das Leistikowsche Bild wäre das eine. Das zweite Bild war das von Arthur Kampf, welches ja auf der Ausstellung seinerzeit eine all⸗
seitige Anerkennung gefunden hat und von der Landeskunstkommission
auch als ankaufswürdig und empfehlenswert vorgeschlagen worden ist. Meine Herren, ich habe aber mit Rücksicht auf den — es ist nicht angenehm, über den Preis zu sprechen — bedeutenden Preis des Bildes und mit Rücksicht auf den Umstand, daß mir eine gewisse Be— schränkung in der Disposition über den Landeskunstfonds gerade zu jener Zeit auferlegt war, und endlich mit Rücksicht darauf, daß das Sujet dieses Bildes bei aller Anerkennung seiner Vortrefflichkeit denn doch für die Nationalgalerie nicht ganz geeignet erschien, von dem Ankauf Abstand genommen.
Dann handelte es sich noch um drei weitere Bilder ich habe das vorhin erwähnt. Von Böcklin ist ein Bild zum Ankauf ab— gelehnt worden, über dessen Wert man sehr zweifelhaft sein kann. Wir haben bereits 8 oder 9 Böcklins in unserem Besitz, und es handelte sich um eine sehr große Summe — wenn ich nicht irre, um Ho⸗ bis 60 000 M —, die ich zu diesem Zwecke nicht zur Verfügung stellen konnte, zumal es ein Bild von etwas ausschweifender Phantasie war, das ich für die Nationalgalerie als nicht geeignet erachtete.
Dann ist endlich ein Leibl abgelehnt worden, von dem wir schon eine Anzahl besitzen, sodaß auch hier der sehr bedeutende Preis für das Bild für die ablehnende Entschließung der Kunstverwaltung schließlich maßgebend sein mußte.
Endlich handelt es sich um einen Landschaftszyklus aus Klingers Jugendzeit, von dem mit Räcksicht auf pekuniäre Gründe nur die Hälfte angekauft worden ist.
Das ist das ganze Sündenregister, das mir zum Vorwurf gemacht worden ist. ( Heiterkeit.)
Abg. von Neumann Großenborau (kons.): Nicht die Kunst, sondern das Christentum ist die Grundlage unferes Volkstums und soll es auch bleiben. Die Kunst kann nicht frei sein, sie ist ab⸗ hängig vom Augustus und vom Mäcenag. Die Kunst muß die Grenze innehalten, daß ft veredelnd auf das Volk wirkt. Der Redner schildert die künftlerische Entwickelung Manets, des Vaters des Pleinairismus und des Impressionismus; seine ersten Bilder seien vom Salon zurückgewiesen worden; er habe eben Landschaften darstellen wollen, wie er sie mit seinen Augen sehe, und Männer wie Leistikow und Liebermann seien der Richtung gefolgt. Wenn man von der Sezession spreche, denke man immer an die realistischen, unsittlichen Werke; das sei aber nur ein Teil der Sezession, diese selbst sei daran nicht schuld. Der Re= gierung müsse man jedoch dankbar sein, wenn F nicht vergesse, daß wir ein christliches Volk sind. In unseren Galerien finde sich vieles, was sittlich tief betrübend wirke. Es müsse eine größere Sorg—
falt hei der Wahl der Bilder geübt werden. Das Volk müsse in der Galerie so Gutes sehen, daß es sich voll Scham abwende bon dem, was es auf der Straße sehe. Im Alten? kuseum finde man so viel Schönes und Gutes, daß man dem langjährigen Leiter, Geheimen Rat Schöne nur herzlich danken könne. In der National galerie sei auch die Sezession vertreten, sowohl französische wie deutsche Maler. In -der Kritik über die modernen Werke spreche man immer von dem, was nicht schön sei; warum spreche man denn nicht von der Kaiser Wilhelm⸗Gedächtniskirche, einem der herr⸗ lichsten Bauwerke, das wir hätten? An dem geschmacklosen Reichs tags⸗ gebäude seien nicht Wallot und die Regierung schuld, sondern der Reichstag selbst, dessen Kunstautoritaͤt Reichensperger gewesen fel. Die Siegesallee sei allerdings etwas eintönig, aber immerhin, wo sollten bei unserer historischen Entwickelung mit einem Male die Künstler herkommen? Man müsse überhaupt zufrieden sein, daß wir Künstler haben, die das schaffen konnten. Bie Gestaltung des neuen Doms sei durch die Raumverhältnisse beeinflußt, aber immerhin hätte wohl niemand diese Aufgabe besser erfüllen können als Professor Raschdorf. Die Regierung ssei auf richtigem Wege trotz allen Skandals und allen Zeitungsgeschrels.
Abg. Dr. Lotichius (n.) weist darauf hin, daß die Samm⸗ lungen der Berliner Museen in den letzten Jahren eine so reiche Ver— mehrung erfahren hätten, daß wir ung anderen Großstädten wie Paris und London an die Seite stellen könnten. Der Abg. Dr. Beumer habe nur sein Recht wahrgenommen, wenn er an manchen Werken in Berlin seine Kritik geübt; verletzend sei diese aber nicht gewesen. Auch der Augustus müsse der Kunst e gel, gewähren. Man müsse damst rechnen daß es berschiedene Kunstrichtungen gebe.
Wirklicher Geheimer Rat Sr. Schöne glaubt die Frage des Vorredners, oh das Kaiser Friedrich⸗Museum (in diesem Jahre werde fertig werden, bejahen zu können; die Eröffnung sei für den 18. Ok- tober in Aussicht genommen. In der Organssation des Museums für Völkerkunde sei das letzte Wort noch nicht gesprochen; die Haupt⸗ ,, aber getrennt, und an der Spitze einer jeden Abteilung tehe ein hervorragender Fachmann. Eine mechanische Verteilung der Mittel finde jedoch nicht statt.
Abg. Traeger (fr. Volksp.) stimmt dem Abg. Dr. Beumer darin bei, daß in der Kunst ein nationales Element sein müsse. Die Nationalgalerie solle allerdings eine Stätte für die deutsche Kunst sein, aber es gebe auch im Auslande fo hervorragende Werke, die man zu haben wünsche. Der Minister habe von einer Lüge , davon könne aber gar keine Rede fein, denn die Presse abe immer nur von Gerüchten gesyrochen. Nach den Worten des Ministers müsse auch der betreffende Geheime Rat für gerechtfertigt erklärt werden. Der Minister sehne eine Auskunft über die Veränderung im Dezernat ab, das fei sein Recht, aber eine Be— ruhigung schaffe er dadurch nicht, man werde sich deshalb in seinen Vermutungen darüber nur bestärkt finden. Was Herrn Dr. Rewoldt betreffe, so wäre es gut gewesen, wenn er seine Rede unmittelbar nach seinem Fraktionsgenossen Kardorff im Reichstage gehalten hätte, der dort einen wahren Hymnus über die Sezession angestimmt habe. Wenn Herr Rewoldt nach den Zahlen der Sezessionisten und der anderen urteile, so könne man ihm darin nicht folgen; es frage sich zunächst, ob die 2000 anderen alle Künstler seien. Der Akademie direltor von Werner, der eine eigentümliche Rolle in dieser Frage gespielt habe, müsse sich der Kritik des Parlaments ebenso unter⸗ werfen wie jede andere Stelle. Mit dem Ausdruck daß sezessionistische Werke nur über Hintertreppen in die Nationalgalerie kommen könnten, habe er, der Redner, nichts Staatsgefährliches sagen wollen; er habe nur gemeint, was ihm mitgeteilt sei: daß solche Werke ganz im stillen angekauft würden.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:
Meine Herren! Der Herr Abg. Traeger hat in seinen Aus-⸗ führungen eine Erklärung von mir bezüglich der Stellung der Landes- kunstkommission zur Sezession vermißt. Ich habe die Tatsache er⸗ wähnt, daß eine Reihe von sogenannten sezessionistischen Bildern unter den neuen Erwerbungen in der Nationalgalerie sich befinden, und kann ferner noch erklären, daß es jedem Mitgliede der Kunst— kommission unbenommen bleibt, die Sezession zu besuchen und sich dort diejenigen Bilder auszuwählen, die zum Ankauf vorgeschlagen werden können. Ich glaube, das genügt vollständig für den Zweck
Was dann die entschiedene Ablehnung betrifft, zu der ich den Angriffen des Herrn Abg. Traeger gegenüber genötigt war, so gründete sich dieselbe auf die Voraussetzung, daß derjenige, der Anschuldigungen erhebt, diese auch zu beweisen hat. Daß der Herr Abgeordnete diesen Nachweis schuldig geblieben ist, ist eine Tatsache, die ich von neuem hier konstatieren muß. (Bravo! rechts.)
Abg. Sittart (Zentr) befürwortet eine Förderung des Ver⸗ ständnisses für die Meteorologie; die Wetterkunde und die Wetter- regeln seien für weite Kreise der Bevölkerung, namentlich der Land— wirtschaft, von großer Bedeutung. Das meteorologische OSbservatorium in Aachen, das seine Entstehung privater Initiatide berdanke, bedürfe der staatlichen Unterstützung, damit es auf eine sichere Grundlage ge⸗ stellt werden könne.
Geheimer Oberregierungsrat Dr. gegen die Erfüllung dieses Wunsches.
Nach 4 Uhr wird die Fortsetzung der Beratung bis 7i/ Uhr Abends vertagt.
Schmidt äußert Bedenken
Abendsitzung vom 14. April, ,, Uhr.
Es wird die Diskussion über das Kapitel „Kunst und Wissenschaft“ im Etat des Ministeriums der geist⸗ lichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten fortgesetzt.
Abg. Graf Moltke (freikons.) spricht mit so leiser Stimme, daß von seinen Ausführungen über moderne und klafsische Kunst nur Bruchstücke zur Tribüne hinaufdringen. Die Amerikaner bezögen ihren Kunstbedarf vorwiegend aus Paris, weil es dort einen einheitlichen Kunstmarkt gebe, während Deutschland in ungefähr 11 Kunst— zentren zersplittert sei. Wenn der Abg. Dr. Beumer eine Kunst auf nationaler Grundlage gefordert habe, so habe das seinen Beifall, weniger aber, wenn er fremde Kunstwerke in der Nationalgalerie nicht unterbringen wolle. Die Wagnersche Sammlung, die den Grundstock der Nationalgalerie bilde, enthalte auch fremde Meister. Die, Nationalgalerie sei keine Bilderkaserne, auch kein künstserischer Juliusturm mit preußischer oder deutscher Prägung. Er vertrete einen anderen Standpunkt als der Abg. von Kardorff, der mit der Sezession durch dick und dünn gehe. Die Kunst müsse frei sein und eine Grenze nur finden in der künstlerischen Empfindung des Känstlers; man müsse für ihn die Freiheit der Selbstbestimmung und der Indi vidualität in Anspruch nehmen. Die bildende Kunst in Deutschland sei allgemein im Niedergang begriffen.
Abg. Metger (ul.) tritt dieser Auffassung entgegen und erinnert an Künstler wie Böcklin, Thoma und Klinger. Zu wünschen sei die Wiedereinführung einer Fachklasse für Schrist⸗ zeichnen in der Kunstgewerbeschule, um der Verschnörkelung und Ver= wilderung der Schriftzeichen entgegenzuarbeiten. Weitere Forde rungen zur Unterstützung der Ausgrabungen in Milet werde das Saus jedenfalls gern bewilligen. In der Debatte über die Kunst babe die Re⸗ gierung leider die Wißbegierde des Hauses nicht in allen Punkten befrie gt Namentlich seien nähere Angaben über die Verwendun der Summen zu Ankäufen für die Nationalgalerie nicht 1 — worden mit der Begründung, daß die Künstler selbst dies ni wünschten. In der Sache selbst sei man bier wie im Reichstag darin einig, daß die Organe der Staatggewalt weder die Kompeten! noch die Sachkenntnis hätten, um ju den schwebenden Fragen der Kunst Stellung nehmen ju können. Die Kunst könne man nicht