landeg. Aber selbst wenn er das tun sollte, so9 würde seine ganze Politik Schiffbruch leiden, die Politik, die Geschäfte mit dem Zentrum allein zu führen. Dieses würde gar nicht in der Lage sein, im nächsten Jahre den Forderungen im Marineetat, wie sie von uns berlangt werden, zuzustimmen, wenn nicht die Lage für unsere wirt- schaftliche Entwickelung überhaupt geklärt ist. 3 Unmöglichkeit, die Etats zustande zu bringen, ist auch der Grund dagegen, daß uns in nächster Zeit irgend etwas vorgelegt werden wird. Die Viehzölle werden, glaube ich, nicht so gestaltet sein, daß sie zu einer wesent⸗
Großhandelspreise von Getreide für den Monat März ⸗ 1904
nebst entsprechenden Angaben für den Vormonat. Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt. 1000 kg in Mark.
Deutscher Reichstag. 68. Sitzung vom 16. April 1904. 1 Uhr.
Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Beratung des Reich shaushaltsetats für 1904 bei dem Etat für den
Reichskanzler und die Reichskanzlei. Ueber den Anfang der Sitzung wurde am Sonnabend
r — —— — — Qualitat Am vorigen Außerdem wurde mittel gut Verkaufte Verkaufs , . Markttage am Markttag
Menge für (Epalte i) Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner ö. 1 Iurpel. . ugch überschlagl
Schätzung verkan höchster höchster niedrigster höchster Dohppelzentner jentner preis dem Ho ppekzentn 1 . 16. 66 460
(Preis unbelann
1g gering Marktort
niedrigster niedrigster
* 2
— 3.
Bemerkungen.
k . Brandenburg a. H.. k Greifenhagen . Pyritz. . Stargard i. Pmm. . Kolberg . Stolp i. Póomm. .. Lauenburg i. Pomm. . k,, Brieg.
Jauer.
e era
eobschütz.
Neiße ö . halberstadt.
Eilenburg
Erfurt
,,,
Goslar
Fulda
Wesel ..
München.
Straubing
Regensburg .
Meißen
Pirna.
Plauen i. V. Heidenheim. Ravensburg,
Saulgau.
1
Offenburg
Bruchsal .
Rostock
Waren
Altenburg
Arnstadt.
Tilsit.
Hi er hur⸗
Elbing
Luckenwalde. ; 1 Brandenburg a. H.. Frankfurt a. O. . Demmin .
Anklam Greifenhagen ; Stargard i. Pomm. . Schievelbein.
Kolberg wn, Rummelsburg i. Pomm. Stolp i. PMꝗrzsä.. Lauenburg i. PoGwmFβꝙ Namslau. . Breslau.
Ohlau
Brieg .
Sagan
2 Goldberg i. Schl. Jauer ö Hoyerswerda Leobschütz k, Halberstadt. Eilenburg
Erfurt
Kiel
Goslar
Paderborn
Fulda.
Kleve.
Wesel .
Neuß.
München.
Straubing Regensburg . Meißen
Pirna.
Plauen i. V. Bautzen
Urach. ⸗ Heidenheim. Ravensburg. Saulgau.
ö
Bruchsal.
Rostock
Waren
Altenburg
Arnstadt.
11,50 12,60 12,80 10,70 10.60 11,80 12,85 11,60
13,30 14,56 15, 00
13,00 14,56 12566 15.66 15,72
14,40 12,50 13,20 12,80 12,00 12, 10 14,50
12,00 12, 80 13,20
12,60 12, 60
12,00
12,00 10,40 135, 00 12 40 12, 00 11, 10
l
8 d S O I
SN Dt DC DO
12040 15.56 15, 6 11,56 11,066 11.86 12356 11,57
14,35 14,50 14,00 13,40 14,00 12, 00 13,00 13, 84
14,70 12,50 13,20 12,80 13,20 1300 14,50
12,95 1440
1375 13,50 13,10 12, 80 12,00 12,50
1140 12,40 11,20
1200 1366 1220 11,56 1136 1266 1126
12,00 12,00 11,50 11,40
12,00 12, 80 12, 80
12,40 12,80 12, S0 13,30 13,00 13,00 11560 12,20
14,40
Ger ste.
14,20 13, 90 15, 16
13, 00 12.56 15.06 13.56 11,86 1256 15.25 12,46
15, 40 15,00 16, 00 14,00 14,50 12,50 15, 60 14,72 14,60 14, 40 16, 00 13,50 15, 50 14.00 15, 48 13,60 14, 06 15, 00 13,60 13,00
15,00
12, 00 12,00
12,80
12 80 15 60 15, 02 15, 36 1546 15.00 12600 17.76
14 10
14,20 13,50
12.30 12,20 12,090 13,50 13, 0
13,20 12, 20 13,60 13,25 12,67 11,80 16.16 15,50 16, 00 13,25 15,00 15,00 13,00 16,00 15,76
14,50 15.00 14.36 14, h
14,85 14,00 16,00 14,00 14,00 13,60 13, 00 12,80 12,20 12,20 12, 0 12, 70 13,40
12, 80 13,00 12,10 12,30 12,40 11,80 12, 40 11,60 12,20 12,50
2,50 12,00 11,40 12,60 14,25 43,75 13, 75 15,606 14,50 13,00 14,50 14,20 12,40 17, 00 15,90 14,50 13,00 13,20 13,00 12,20 13,80 16,00 13,60 14,00 14,00 1400 12, 60 13, 16 14,60
Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufs wert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Gin liegender Strich (— in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehl ˖.
1374 2870
360 18 104 716 659
841 705 1146 3681 485 5 435
16 108 4115
417
14 23 135 10 1223 1551
13065
— — R=. C — O —
22
x — — N d d dio. — .
2 — —
— — —
E C EEC C
S 8 2
5
Der Durchschnittspreig wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.
(Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)
Monat Da⸗ März gegen im
Vor⸗ 1804 monat
132, 109 132,30 167, 36 119, 56 118, g5
Königsberg. Roggen, guter, gesunder, 14 8 das!... . 6 hunter, 49 bis 754 g das 1... Hafer, guter, gesunder, 44 8 das!!! ...... Herste, Brenn⸗, 647 bis 6527 89 das Breslau.
120, 30 161,90 112, 10 122, 50
Roggen, Mittelware Weßzen, . Hafer, ? Gerste, — . Berlin. Roggen, guter, gesunder, mindestens 712 g das 1 Wesjen, guter, gesunder, mindestens 75h g das 1 Hafer, guter, gesunder, mindestens 450 g das 1. Mannheim. Roggen, Pfälzer, 6 bulgarischer, mittel Wehen, Pfälzer, russischer, amerik., rumän.,, mittel. Hafer, badischer, württembergischer, mittel Herste, badische, Pfälzer, mittel. ... München.
Faden, bayerischer, gut mittel ... Wetzen, * * *. Hafer, * . ꝰö. * ö n. * — * Gerste, ungarische, mährische, mittel .. bayerische, gut mittel.
- Wien. Roggen, Pester Boden Weizen, Theiß. Hafer, ungarischer 1 Gerste, slovakische
130,99 169,59 128,44
147,59 146, 10 135,09 182, 18 135,090 132,36 145,28
136,50 185,50 133,00 175,00 141,00
n
107,47 ö 138,17 Budapest. Roggen, Mittelware 113,22 Welzen, . JJ 2, 144,00 Hnfer, ; d ö Gerste, Futter⸗ , 97, 15 99,96
Ode ssa. , 92,33 91,46 ö 119,50
Riga. Roggen, 71 bis 72 kg das hl Weizen, 75 76
—
Roggen, 71 bis 72 kg Welzen, Ulka, 75 bis ? 100,57 104,14 129,24
. Paris. . lieferbare Ware des laufenden Monats ͤ Antwerpen. ,,, Donau, mittel
. Akiima . Weizen 3 Odessa. Californier. , Bombay, Club weiß . Am sterdam. Asow⸗ k St. Petersburger. Odessa⸗ d amerikanischer Winter⸗ London. ann, 453 (Mark Lane) .
Wen rot 6. Weizen Californier an der Küste (Baltic
La Plata . Weizen englisches Getreide, aft Mittelpreis aus 196 Marktorten Gerste (Gazette averages)
98 Roggen
Wei en
141,68 127,18 115,62 126,16
. do — , FK K K- EL ö . *
Liverpool.
russischer ; ne,, harter Kansas Nr. 2. Manitoba La Plata. ; . weiß.
fee engl. weißer dafer gelber. Gerste,
154,6 ,, 146, 50 14099 164. 54 1565,52 144,92 138,465 143,55 1372 131, 37 130 39 123, 95 123.70 57, 08 I4, 56
143556
Weizen
Chicago. . , . Weizen, Lieferungs ware Juli... . 137,59
September 129, 04 Neu York.
roter Winter⸗Nr. Z... 160, 80 Nord, Frühjahrs Nr. J... .... 164,70 nie,, , Lieferungsware I Juli ... 146,30 146,68 September 133,65 136,05
Buenos Aires. Weinen, Durchschnittsware, ab Bord Rosario. 17, 0 115,60.
Bemerkungen.
1 Imperial Quarter ist . die Weizennotiz von engl. Weiß und Rotweijen — 504, für Californier — 500, La Plata — 480 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Umsätzen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittspreise für einheimisches Getrejde (dazette avörages) ifi 1 Imperial Quarter Weizen — 480, Hafer — 312, Gerste — 400 Pfund englisch angesetzt. 1 Bushel Weijen — 60 pfund englisch; 1 Pfund engl. — 463,6 g; 1 Last Roggen — 2100, Weizen — 2400 kg. ;
Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagetzangaben im Reichsanzeiger' ermittelten monatlichen Durchschnittswechselkurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, ür London und Liperpool die Kurse auf London, fuͤr Chicago und
eu Jork die Kurse auf Neu Jork, für Odessa und Riga die . . St. Petersburg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze.
Goldpraͤmie.
152,44 139,42 131,B76
157,16 165,B70 Weizen
reife in Buenoz Atres unter Berücksichtigung der ⸗
berichtet. Nach dem Abg. Dr. Bach em (Zentr.) nimmt das Wort der
Abg. Dr. Wolff (wirtsch. Vgg.): Wir sind in der marokkani⸗ schen Frage wieder einmal beiseite geschoben worden. Rußland gegenüber müssen wir vorsichtig sein, weil wir in ihm einen mächtigen Freund, aber auch einen mächtlgen Gegner haben. Wie kommt die sozialdemokratisch? Partei denn dazu, so wenig Sympathie für Rußland zu haben? Bei ihr ist doch auch der Individualismus sehr wenig entwickelt. Der Unterschied zwischen dem nussischen Zaren und Bebel besteht darin: der Zar ist der Selbstherrscher aller Reußen, Bebel der Selbstherrscher aller Roten. Den japanisch— russischen Krieg sollte man dazu benutzen, einen möglichst günstigen Handelsvertrag mit Rußland abzuschließen. Der Reichskanzler hat gegenüber dem Grafen zu Reventlow die deutschen Konsuln warm in Schutz genommen und ihm vorgeworfen, daß er vage Be— hauptungen aufgestellt habe. Das ist durchaus nicht der Fall. Es sind substantüerte Beschwerden in der Presse und im Reichstag über die Tätigkeit der Konsuln vorgebracht worden. Und nun unser Vertreter in Nordamerika, Freiherr Speck von Sternburg! Der will ja nicht einmal seinen ehrlichen deutschen Namen tragen, es soll ein amerikanischer „Speckie“ sein. Herr Bebel kennt die Lage unserer Landwirtschaft durchaus nicht, wenn er behauptet, sie sei nie so glänzend gewesen wie jetzt. Noch nie haben wir in Württemberg so niedrige Getreide- und Viehpreise ge⸗ habt wie jetzt. Wenn im englischen Parlament über schwebende Ver— handlungen nichts mitgeteilt wird, dann werden da vorher auch nicht vage Versprechungen gemacht, das möchte ich dem Reichskanzler entgegen— halten. Der Staatssekretär des Aeußern hat uns gesagt, daß die Handelsverträge und die Meistbegünstigungsverträge nicht gekündigt seien. Das wußten wir schon lange. Was hat denn die „Arbeit“ unserer Unterhändler für einen Erfolg gehabt? Der italienische Handelsvertrag schädigt unseren heimischen Gemüse⸗ und Weinbau, insbesondere die Winzer meiner Heimat. Die Einfuhr von Trauben hat sich in den letzten drei Jahren ganz bedeutend erhöht. Die kleinen Leute bei uns sind genötigt, entweder aus dem Lande zu laufen oder in die Fabriken zu gehen. Dieser Zustand ist unhaltbar.
Abg. Dr. Krzyminski (Pole) tritt den vorgestrigen Aus— führungen des Staatssekretärs Grafen von Posadowsky über die Polenfrage entgegen und führt dabei etwa folgendes aus: An den Polen sind Verbrechen ohnegleichen begangen worden; das können alle offiziösen Beschönigungen nicht aus der Welt schaffen. Wo bleiben die Verheißungen der preußischen Könige, daß die Stammeseigentümlichkeiten, die Sprache, die Kultur der polnischen Landesteile geschont werden sollen? Die ganze Art, wie der preußische Staat gegen die Polen vorgeht, ist ein Schlag ins Gesicht der Kultur. Entspricht es etwa den Pflichten eines preußischen Ministers, Bürger eines und desselben Stagts zum Kampf gegeneinander aufzurufen? Die schweren Gewitterwolken, die am politischen Horizont auftauchen, werden immer dunkler, und in dieser Zeit wird das polnische Volk durch Ausnahmegesetze und Ver— ordnungen drangsaliert. Es ist das traurige Verdienst des Reichs⸗ kanzlers, daß unter seiner Amtszeit der Hakatismus seine moralische und politische Ver wirrung auf das Reich ausgedehnt hat. Offizieren ist der Besuch polnischer Lokale verboten worden. Offiziere suchen den polnischen Soldaten ihre Muttersprache zu verleiden. Die Reichspost drang⸗ saliert auch ihrerseits die polnische Bevölkerung, und die Standes⸗ ämter schließen sich dieser würdig an bei der Eintragung der polnischen Namen, die auf ki und ka endigen, indem sie sich in Gegensatz setzen zu den Beschlüssen des Hauses und den Kommissionsverhandlungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Wo bleibt der Reichskanzler mit seiner Aufsicht uͤber die Durchführung der Reichsgesetze? Es ist unerhört, daß Verordnungen an die Stelle der Gesetze treten, wie es namentlich in der Frage der Eintragung der polnischen Namen geschieht,
Abg. Wetterls (b. k. F.): Die radikalen Sozialisten sind nur, solange sie in der Minderheit sind, Gegner aller Ausnahme⸗ gesetze und Freunde der Duldung jedes religiösen Bekenntnisses; in Frankreich, wo sie mit an der Macht sind, sind sie mit den anderen Elementen der Mehrheit bereit, alles zu unterdrücken und hinauszuweisen, was sich ihnen nicht fügt. In Frankreich haben sie einem Gesetzvorschlag zugestimmt, nach welchem jeder Ver— einigung, die nicht auf republikanischem Boden steht, die Daseins—⸗ berechtigung abgesprochen wird. (Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten.) Das genügt, um die Freiheit, die das Regime gewährt, für das Herr Blumenthal eingetreten ist, zu kennzeichnen. Die Erklärung, die der Kanzler gegenüber der Forderung der Gewährung voller Gleich— berechtigung der Reichslande mit den übrigen deutschen Staaten ab⸗ gegeben hat, war nicht gerade eine Absage, aber auch kein positives Zugeständnis und hat mich insofern nicht ganz befriedigt. Jede politische . in Elsaß⸗Lothringen hatte das Verlangen der völligen Gleich zerechtigung mit den übrigen Bundesstaaten bei den Wahlen auf ihre Fahne geschrieben. Herr Blumenthal erklärt jetzt, daß er auf die Ausschaltung des Reichstags als gesetzgebenden Faktors für Elsaß— Lothringen keinen Wert lege, solange der Landesausschuß nicht aus dem allgemeinen, geheimen und direkten Wahlrecht hervorgehe. Ich bin stets ein eifriger Verfechter des allgemeinen Wahlrechts für den Landesausschuß gewesen, aber wir würden Ewigkeiten warten müssen, wenn dieses Wahlrecht als Vorbedingung für eine Aenderung in der staatsrechtlichen Stellung der Reichslande hingestellt würde. Den Fall Fameck hat Herr Bachem schon erschöpfend behandelt. Die Aufregung, die über diesen Fall eingetreten sein soll, ist wirklich nicht so groß. Der Fehler liegt in dem erwähnten Oberpräsidialerlaß, der aufgehoben werden muß. Ebenso dringend der Aufhebung bedürftig ist die seltsame gesetzliche Bestimmung, die in Städten, wo ein prote⸗ stantisches Konsistorlum vorhanden ist, dem katholischen Geistlichen im Ornat keine Amtshandlungen außerhalb seiner Kirche gestattet.
Abg. von Oldenburg (J. kons): Wir hatten die Hoffnung gehabt, etwas ausführlicher und großmüutiger vom Reichskanzler unter⸗ richtet zu werden. Die Geschäfistellung zwischen dem Reichskanzler und dem Staatssekretär des Auswärtigen wird sich auf die Dauer nicht durchführen lassen. Der Reichskanzler bezieht sich auf etwas, was der Staatssekretär sagen würde, und umgekehrt. Ich hoffe, daß sie bald in der Lage sein mögen, uns über die Kündigung der Handelsberträge positlve Mitteilungen zu machen. Der Reichskanzler hat den Staatssekretär des Innern in die Wüste geschickt; er hält es mit dem Zentrum, das zeigt die Aufhebung des 52 des Jesuitengesetzes. Die Sozialdemokraten haben allen Grund, ihm von den Wahlen her für das Klosettgesetz dankbar zu sein. Jetzt wird ihnen ja auch im Hintergrund die Arbeitslosenversicherung gezeigt, von der ich allerdings hoffe, daß sie hier im Hause mit Pauken und Trompeten abgelehnt wird, falls sie wirklich an uns gelangt; denn ich kann mir nicht denken, daß sich eine Mehrheit für dle Verstaatlichung der Ausstände finden wird. Was foll werden, wenn die Landwirtschaft sich nicht mehr so weiter durchhilft? Sogar die Reichstagsabgeordneten würden verhungern müssen, und der sozialistische Staat würde sehr viel näher gerückt. Die reinste
reude ist ja die Schadenfreude, und die finden Sie im reichsten Maße bei denen, zu deren Verdruß s. 3. der Antrag Kanitz an⸗ genommen ist. Bas erinnert mich an ein Lied, das in meiner Jugend die Mädchen in den Spinnstuben sangen: „Grün, grün Pfeffer kraut; ich habe meinem Schatz zu viel vertraut.“ Mit den n, , m. müssen auch die Meistbegünstigungsverträge ge ündigt werden. Man hat es dem Reichskanzler als Verdienst an⸗ gerechnet, daß er die Mindestzölle für Getreide nicht fallen läßt. Wie sollte er das wohl machen? Ein so kluger Mann wie er wird sich hüten, zum zweiten Male das zu tun, was die ganze Welt igt als einen schwerwiegenden Fehler erkannt hat, wenigstens alles die ein Verständnis haben für die produktive Arbeit unseres Vater.
lichen Preissteigerung führen. Wir werden allerdings anstatt der Stückzölle Gewichtszölle bekommen; aber wir müssen den absoluten Seuchenschutz verlangen. Das beweist ja die letzte Zeit, wo die Seuchengefahr vom Auslande abgehalten ist. Es ist überhaupt un⸗ verständlich, daß Landwirtschaft und Industrie sich die ganze Zoll⸗ geschichte so vorrechnen. Eines der größten Werke Bismarcks ist es, daß er uns zu der Einsicht erzogen hat, daß unsere Interessen durchaus identisch sind. Diese Gegensätze von Industrie und Landwirtschaft haben, solange Bismarck am Ruder war, nicht bestanden. Wir haben uns gegenseitig bewilligt, was wir glaubten, nötig zu haben; das deutsche Vaterland hat sich außerordentlich wohl dabei befunden. Vie Mehrheit des deutschen Volkes hat doch die Auffassung, daß die Zeit des Fürsten Bismarck nicht die schlechteste war. Wenn nicht die Kündigung der Meistbegünstigungsberträge zugleich erfolgt, dann kommt nach den großen Geburtswehen nichts heraus, als ein ridiculus mus. Vor allem möchte ich die Illusion zerstören, daß der Reichskanzler in den vier Jahren seiner Amtstätig⸗ keit wirklich etwas Reelles für die Landwirtschaft getan hat. Ich habe nicht die Befürchtung, daß diese Legende bei den Landwirten selbst besteht, wohl aber, daß sie beispielsweise bei den Herren Bebel und Gothein aufkommt, die den vollkommensten Beweis erbracht haben, wie vollständig fern sie den Interessen der Landwirtschaft stehen. Deshalb habe ich auch einen von meinen Arbeitern entlaͤssen, der den Abg. Gothein gewählt hat. Ich mache es wie die sozialdemokratische Parteileitung: auf den Grundstücken, die ich besitze, besorge ich die Politik allein. Ich möchte aber, daß die Legendenbildung sich nicht beim Reichskanzler selbst festsetzt. Er hat ja sehr viele schöne Reden gehalten, und — auch das erkenne ich dankbar an — er ist immer außerordentlich liebens⸗ würdig. Aber auf Reden kann man eigentlich einen großen Wert nicht legen. Ich habe einmal in einem Laden gelesen: „Geschäfts⸗ prinzip Reellithet! und wenn auch das Wort Reellität mit „thet“ geschrieben war, so ist mir dies Prinzip noch immer lieber, als ein rein platonisches Verhältnis. Reden nätzen nur, wenn man weiß, hinter ihnen steht der Entschluß zur Tat. Die Reden des Reichs—⸗ kanzlers sind ja gedruckt verteilt worden. Mein Wahlkreis hat 800 Exemplare bekommen. Sie wurden ausgeboten wie sauer Bier. Ich wurde sie nicht los. Ich finde, es geht uns hier mit den Reden, hinter denen ein wirklicher Effekt nicht steckt, wie mit der Ehe und mit der Zwiebel: „Sie ist ein unerträglich Joch, man weint dabei und frißt sie doch.“ Wenn man sieht, wie die Bauern sich abquälen und doch nicht vor⸗ wärts kommen, wenn sie das Jahr hindurch den Stein den Berg hinaufrollen und am Schluß des Jahres Gott danken, wenn er nicht tiefer niedersinkt, bei treuer Arbeit, dann bekommt man einen Begriff, warum der Pessimismus einreißt. Zu einem Führer, der schon häufig zum Siege geführt hat, hat man Vertrauen auch bei einem Rückzugsgefecht. Aber die Nachfolge des Fürsten Bismarck hat zu einem Zuge zum Siege überhaupt noch nicht geführt. Wenn es für die landwirtschaftliche Be⸗— völkerung stets nur ein Rückzugsgefecht gewesen ist, dann geht das Vertrauen zur Führung verloren, dann kommen die Nerven und der Pessimismus. Mit jeder Hypothek, die auf ein Grundstück aus Not aufgenommen wird, wird das Grundstück dem Begriff der Ware näher geführt, bröckelt ein Stein von dem Fundament ab, auf dem die Kaiserkrone ruht. Denn die Sicherheit der Krone beruht auf den Wünschen zahlreicher kleiner Kronenträger, mögen deren Herr⸗ schaften bestehen aus Staaten, aus Gütern, aus Bauernstellen, aus Handwerkerstuben oder aus Kaufmannsläden. Im Wunsche dieser Kronenträger liegt es, ihren Nachkommen diese ihre Reiche als aus⸗ kömmliche Nahrungsquelle zu hinterlassen unter dem Schutz der einen, großen Kaiserkrone. Darin beruht die Sicherheit der Krone, in den zahllosen selbständigen Existenzen des Vaterlandes. Es geht heute durch zahllose deutsche Herzen eine tiefe Sehnsucht nach dem riesenhaften Manne, dessen Denkmal in Erz vor unserem Deutschen Reichstage steht. Denken Sie, die Sie sich als Schüler Bismarcks bezeichnen, daran, daß seine größte Eigen⸗ schaft es war, keine Menschenfurcht zu kennen, sondern nur Gottes⸗ furcht, daß er rücksichtslos entschlossen war, Schäden zu bekämpfen im Innern des Vaterlandes, die er als solche erkannte, daß er vom Auslande nichts erkaufte mit Preisgabe wirtschaftlicher Werte, daß er dem Auslande gegenüber die Stellung des Deutschen Reichs wahrte, im geeigneten Augenblick durch den bekannten, selbst⸗ bewußten kalten Strahl. Schüler, die diese großen Eigenschaften nicht besitzen, wird das deutsche Volk als zünftig kaum anerkennen. Es wird von ihnen sagen: „Wie er räuspert und wie er spuckt, das habt ihr ihm glücklich abgeguckt'; aber sein Geist und sein Genie, das liegt nicht auf der Heerstraße. Ich möchte also dem Reichs⸗ kanzler von ganzem Herzen wünschen, daß er in die Lage kommt, solche Bismarckschen Eigenschaften betätigen zu können. Dann werden die deutschen Landwirte die ersten sein, die das dankbar anerkennen und ihn als Bismarckschüler betrachten, nicht nur dem Wort sondern auch dem Geiste nach. Das wird gut sein nicht nur für den Grafen von Bülow, sondern auch für unser heißgeliebtes deutsches Vaterland.
Abg. Singer (Soz.): Wenn der Fürst Bismarck nicht die agrarische Stellung eingenommen hätte, die derjenigen des Vorredners entsprach, so würde der letztere sich kaum zu diesem Lobeshymnus auf den Fürsten Bismarck bereit gefunden haben. Bei den Herren Agrariern scheint tatsächlich wieder einmal das Bedürfnis vorzuliegen, die Not der Landwirtschaft in einer Weise vorzuführen, wie es seinerzeit dem Grafen von Kanitz beliebte, als er von den geflickten Strohdächern“ sprach. Es ist eine gerechte, aber harte Strafe für den Grafen von Bülow, hier von dem Vorredner als einer, von dem die Landwirtschaft nichts zu hoffen hat, hingestellt zu werden. Wenn je ein Reichskanzler seine Stellungnahme zu Gunsten der Agrarier modi⸗ fiztert hat, so war es Graf von Bülow. Mit feierlichen Worten er⸗ klärte er, daß niemals ein Zolltarif über die Vorschläge der Regierung hinaus zustande kommen würde; und an diesen seinen eigenen Worten ist er wortbrüchig geworden. Einen Mann, der Ihnen Wohltaten über Wohltaten erwies, der Ihnen Millionen über Millionen zu—⸗ wendet, die aus den Taschen der Arbeiter gezogen werden, so dar⸗ zustellen, das kann allerdings nur der nimmersatte, habgierige Agrarier fertig bekommen. Herr von Oldenburg hätte uns die Verbreitung der Kanzlerreden gegen die Sozialdemokraten über- lassen sollen mit unserer Antwort darauf; er darf glauben, daß diese Reden in Millionen von Exemplaren verbreitet worden wären. Ohne die beliebte Scharfmacherei konnte natürlich auch die Rede des Herrn von Oldenburg nicht ausklingen, man kann ja gar nicht genug nach dem starken Mann schreien, der der Sozialdemokratie den Garaus machen soll. Ich rate Ihnen, schreiben Sie doch die Stelle aus. Herr Wetterls hat heute auf unsere französischen Partei- genossen nicht als Muster für uns, wie es soenst wobl geschieht, hingewiesen, sondern uns herausgestrichen als Gegner von Ausnahmegesetzen. Herr Wetterls solltö, uns doch dankbar sein dafür, daß wir das sind. Unsere Stellung zum Jesuitengesetz ist ganz folgerichtig von allem Anfang an dieselbe gewesen; das Jesuiten geseß hätte nach unserer Meinung vollständig aufgehoben werden müässen. Wenn wirklich durch die Aufhebung wieder Jesuiten ins Land kämen, so hätten wir auch keine Furcht, denn wir haben so viel Jesuiten im Lande, daß es auf diese Handvoll nicht ankommt. Was den Antrag Müller. Meiningen betrifft, so baben wir oft und oft Klage darüber führen müssen, daß der Bundesrat sich jur Stellung nahme zu Reichstagsbeschlüssen nicht bequemen wollte, daß es nötig wäre, solche Beschlüͤsse zweimal, dreimal, zehnmal ju wiederholen. sst unserer Meinung nach ein Gebot der Selbstachtung, wenn der Reichs.