tag den Antrag ö annimmt, mit dem sich jede Partei des Hauses befreunden kann. Gegen die Auffassung, daß der Antrag den Zweck hätte, dem Bundesrat das Mißfallen ber seine Stellung⸗ nahme zum §2 des , selbst auszusprechen, müßte ich ung aufs entschiedenste verwahren. Der Antrag Stockmann wird dadurch, daß man ihn in ähnlichem Sinne verwertet, nicht befonders empfohlen. Der Form nach halte ich diefes Amendement allerdings für eine Ver⸗ besserung. Ich verstehe nicht, daß das evangelische Empfinden gerade des Abg. Arendt durch die Aufhebung des 5 7 des Jesuitengesetzes perletzt worden ist. Kollege Stockmann beruft sich auf die Volksstimmung. Wenn er darauf so großes Gewicht legt, dann wird er hoffentlich auch einen Antrag wegen Abänderung der Verfassung dem Referendum des Volkes unterbreitet sehen wollen. Daß der Beschluß des Bundes⸗ rate den Wünschen des Volkes nicht entsprechen soll, berstehe ich nicht. nachdem wir wiederholt mit wachsender Mehrhest die Aufhebung des erwähnten § 2 beschlossen haben. Der Resolution des Abg. Müller⸗ Meiningen werden wir zustimmen unter der Voraugsetzung, daß sie sich auf alle Entschließungen des Reichstags bezieht, seien diese gefaßt in Form von Gesetzesbor agen, sei es in Form von Resolutionen. Daß etwas geschehen muß, geht schon daraus hervor, daß der Bundes⸗— rat eine . Anzahl von Beschlüssen des Reichstags bisher unberück—
sichtigt gelaffen hat.
Staatssekretär des Innern, Graf von Posadowsky⸗Wehner:
Meine Herren! Ich habe schon in einer der früheren Tagungen
ausgeführt, daß es dem Bundesrat durchaus fern liegt, das hohe Haus nicht mit derjenigen auch geschäftlichen Achtung zu behandeln, die allerdings der Bundesrat auch von dem hohen Hause erwartet. Wenn man die Klagen über die beschließende Tätigkeit des Bundesrats hört, so sollte man annehmen, daß im Deutschen Reiche die Gesetzgebung in den letzten zehn Jahren fast ge— stockt habe. Ich glaube aber ohne Uebertreibung sagen zu können, daß in keinem europäischen Staatswesen die Gesetzgebung in so viele Gebiete eingegriffen hat, sich über so viele wirtschaftliche, gewerbliche Fragen, über so viele Fragen des Privatrechts und Göffent⸗ lichen Rechts und Verfahrens erstreckt hat, wie gerade im Deutschen Reiche. Daß also der Bundesrat nicht alle Sorgfalt angewendet habe auf die großen Fragen, die aus der Mitte der Bevölkerung oder von einzelnen Regierungen oder aus dem hohen Hause an ihn herangetreten sind, das, glaube ich, kann man nicht behaupten. Im Gegenteil, meine Herren, habe ich in Organen der verschiedensten Parteien von der äußersten Rechten bis ziemlich zur äußersten Linken klagen gehört, daß wir zu viel Gesetze machten (Zuruf links), und ich möchte fast behaupten, diese Klagen haben eine gewisse Berechtigung. (Sehr richtig! rechts In der Tat, wenn die verbündeten Re⸗ gierungen allen den gesetzlichen Anregungen nachgeben sollten, die aus der Mitte dieses hohen Hauses alljährlich an sie herantreten — ich erinnere nur jetzt wieder an die große Anzahl der Resolutionen, die noch unerledigt sind — dann würden unsere staatlichen Organe gar nicht ausreichen, alle diese Gesetze zur Durchführung zu bringen. Ich halte es geradezu für einen beginnenden Fehler unserer Verwaltung, ich glaube, daß dadurch die Frische unserer Verwaltung aufs allerernsteste leidet, daß wir unsere örtlichen Beamten, unsere Regierungsbehörden, unsere Landratsämter, unsere Amtmänner, unsere Justizbehörden viel zu viel in Anspruch nehmen einerseits mit statistischen Arbeiten und anderer— seits mit der Ausführung fortgesetzter gesetzlicher Aenderungen. Ich glaube also, den Vorwurf kann man nicht erheben, daß der Bundesrat lässig gewesen wäre auf dem Wege der Gesetzgebung. Aber der Bundesrat muß sich auch fragen: verträgt der staatliche Apparat, mit dem wir arbeiten müssen, wirklich eine noch schnellere Förderung der Gesetzgebung? Denn es handelt sich nicht nur darum, hier Gesetze zu beschließen — Gesetze an und für sich haben gar keinen Wert 3 sondern es handelt sich darum, diese Gesetze in einer vernünftigen Weise ins Leben überzuführen; denn Gesetze, die schließlich nur auf dem Papier stehen, sind schädlicher als gar keine Gesetze. Nun hat der Herr Vorredner darüber Beschwerde sehr häufig der Bundesrat jahrelang hohen Hauses keine Entscheidung treffe. Meine Herren, sehr häufig liegt doch die Sache so, daß der Bundesrat in gewissen Fragen schon wiederholt eine ablehnende Entscheidung getroffen hat, und daß dieselben Anträge immer wiederholt werden, obgleich der Reichstag ganz genau weiß, wie die verbündeten Regie⸗ rungen zu jenen Fragen stehen. Aber häufiger sind es auch Fragen, die in der Tat, wenn man sie näher prüft, wenn man sich die gesetz⸗ liche Gestaltung einer solchen Anregung klar macht, so verwickelter Art sind, so viel Erhebungen verursachen, daß der Bundesrat, wenn er gewissenhaft beschließen soll, sich überhaupt nicht in Jahr und Tag über solche Fragen schlüssig machen kann. Meine Herren, wenn Sie aber Wert darauf legen, nur einen Bescheid zu haben, dann würde der Bundesrat in solchen Fällen einfach in der Lage sein, zu beschließen: zur Zeit wird dieser Anregung keine Folge gegeben. In vielen Fällen hält es aber der Bundesrat, wenn er glaubt, daß solchen Anregungen an sich ein berechtigter Gedanke zu Grunde liegt, für höflicher gegenüber dem hohen Hause, einen solchen Beschluß nicht zu fassen, sondern die Frage zurückzulegen, bis eine Einigung innerhalb der verbündeten Regierungen erfolgt ist. Aus den Anregungen des hohen Hauses — das ließe sich statistisch jeden Augenblick nachweisen — sind doch in der Tat eine große Anzahl von Gesetzentwürfen hervorgegangen, die der Bundesrat dem Hause vorgelegt, und die durch gegenseitigen Beschluß auch Gesetz geworden sind.
Meine Herren, da ich einmal das Wort habe, möchte ich noch auf eine Aeußerung zurückkommen, die gestern der Herr Abg. Stockmann gemacht hat, und die ich nicht ganz unwidersprochen lassen möchte. Der Herr Abgeordnete hat erklärt, nicht nach der Stimmung der Mehrheit des Reichstags sollte die Regierung entscheiden, sondern nach der Volks—⸗ stimmung. Zunächst, glaube ich, hat der Herr Abgeordnete dabei den Artikel 29 der Reichs verfassung übersehen, der vorschreibt, daß die Mit⸗ glieder des Reichstags Vertreter des gesamten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden sind. Das ist doch eben der Zweck einer gesetzgebenden Versammlung, daß ihre Mit⸗ glieder, ohne an Instruktionen und Aufträge ihrer Wähler gebunden zu sein, nach eigen er Ueberzeugung hier das vertreten sollen, was sie für recht halten. An dem Tage, wo man nicht mehr mit den Mehrheiten der gesetzgebenden Versammlungen rechnen wollte, sondern mit Volksstimmungen, wäre der Parlamentarismus überhaupt begraben (Sehr richtig! in der Mitte), da ist er vollkommen aus— geschaltet. (Sehr richtig) Ich möchte mir hierbei auch noch eine Bemerkung gestatten: Was ist denn überhaupt die Volks⸗ stimmung? Ich meine, das ist schwer zu ermitteln. Ist die Volkestimmung die Stimmung sämtlicher Leute, die deutsche Staatshürger sind, also auch der Damen, die jetzt das politische Wahlrecht erstreben? Oder ist die Volke stimmung nur die Stimmung
Staatsminister Dr.
geführt, daß
auf Anregungen des
der jetzigen Reichstags wähler? Die letztere Auffassung würde ich auch für recht bedenklich halten; denn bekanntlich haben bei der letzten Reichstagswahl die Sozialdemokraten das größte Kontingent der Wähler gestellt, und wenn wir nach der Stimmung dieser Wähler unsere Politik richten sollten, dann müßten wir sofort den Zukunfts— staat einrichten (Heiterkeit und Sehr guth, dann aber würde auch der sz 1 des Jesuitengesetzes verloren gehen und noch sehr vieles andere! (Sehr gut! in der Mitte. Heiterkeit.)
. Abg. Dr. MülLer⸗Meiningen (fr. olksp.): Nach dem Husaren⸗ ritt des Herrn von Oldenburg von neulich gegen mich hätte ich Ver⸗ anlassung, mich länger mit ihm zu beschäftigen; aber ich will angesichts der Geschäftslage nur glühende Kohlen auf sein Haupt sammeln. Er hat mit seinem Gegner, dem Grafen vbn Bülow, gemeint, daß er kein „Konsequenzmacher“ ist; er hat sich heute als, den poetischen Agrarler hingestellt. Wenn unterstellt wird, mein Antrag solle dem Bundesrat das Mißfallen über di Aufhebung deg 5 2 des Jefuitengefetzes ausdrücken, so bitte ich doch, die Stelle aus der Rede des Kollegen Payer anzuführen, die das beweisen soll. Für meine Parteigenossen muß ich diefe Unter⸗ stellung durchaus zurückweisen. Der Antrag hat mit der Materie des Jesuitengesetzes garnichts zu tun; es ist zufallig, daß gerade bei diesem Jesuitengesetz der Bundesrat eine ganz singuläre Praxis eingeschlagen hat. Es ist kein Fall vorhanden, wo mehr als ein Jahr Zwischen« raum zwischen den Beschlüfsen des Reichstags und des Bundesrats gelegen hätte; hier aber liegen mehr als fünf Jahre Zwischenraum vor. Den Antrag Stockmann nehmen wir an. Warum Herr Singer dem Kollegen so übelnimmt, wenn er auch einmal konstitutionell denkt, begreife ich nicht. Von rückwirkender Kraft kann gar keine Rede sein. (Unruhe bei den Sozialdemokraten; Zuruf: Unsinn! Präsident Fra. von Ballestrem rügt diesen Zwischenruß Bezüglich der Resolution besteht eine Gefahr wie gegenüber Gesetzentwürfen nicht. Eventuell hätten wir gegen eine derartige Ausdehnung nichts zu erinnern; vorläufig aber scheint mir das Bessere der Feind des Guten. Herr Bachem sieht eine Verkürzung der Reichstagsrechte durch den Antrag voraus. Das kann er nur, wenn er dem Bundesrat eine Fülle von mala sides zutraut. dem jetzigen Rechtszustande kann der Bundesrat auf Beschlüsse zurückgreifen, die vielleicht vor 10 oder 20 Jahren vom Reichstage gefaßt sind. Der von Herrn Bachem befürchtete Mangel ist alfo bereits vorhanden. Die Folgen einer solchen Praxis des Bundesrats sind doch höchst gefährlich; das sollte sich auch das Zentrum vergegenwärtigen. (Zwischenrufe im Zentrum; der Präsident bittet, die Unterbrechungen und Zwischenrufe zu unter⸗ lassen, Wir wollen nur eine Lücke der Verfassung ausfüllen, unfere Forderung ist durchweg konstitutionell, die in allen Verfassungsstaaten, auch in England, Rechtens ist.
Abg. Gröber (Zgentr): Diese Ausführungen haben mich nicht von der Haltlosigkeit der Ausstellungen meines Freundes Bachem überzeugt. Der Fall kann sehr wohl so liegen, daß der Bundesrat mit, vollem Recht erklärt, die Zeit für die ihm notwendig scheinenden Erhebungen sei zu kurz, alfo werde für jetzt die Sache abgelehnt. Wollen die Antragsteller einen f gut.
53 Bei
solchen Zustand, Die gestrige Erklärung des Staatssekretärs bon Köller ber die HSand⸗ babung der Ausweisungsbefugnis gegen aus Frankreich vertriebene Ordensangehörige stimmt nicht zu Zeitungsnachrichten aus dem vorigen September. Gestern hat der Herr Staakssekretär erklärt, ausgewiesen würden aus dem Elsaß nur solche Ordensbrüder und Schwestern, die im Elsaß nicht heimatberechtigt sind und waren, auch gegen alte Ordensmitglieder sei man tolerant. (Redner führt nach den Zeitungs— berichten zwei Spezialfälle an. Das ist eine Grausamkeit, für die es gar keinen treffenden Ausdruck gibt. Ich möchte den Herrn Staats sekretär bitten, solchen Fällen nachzugehen. Ünsere Freunde in Elsaß⸗Lothringen haben schwere Klagen über die Anwendung des dortigen Vereins, und Versammlungsrechts gegen ihre Versammlungen erhoben. Nun weiß ich recht wohl, daß das elsaß lothringische Versammlungsrecht zu den schlechtesten in Deutschland gehört, und das will etwas heißen. Man hat die Bestimmungen, die für die Bureaukratie bequem sind, beibehalten, Bestimmungen aus den Jahren 1834 und 1868. Bezüglich der Ueberlassung von Gemeindelokalen zu Versammlungszwecken bestehen im Elsaß eigenartige Verhältnisse. Man ift auf die sogenannten Gemeindelokale angewiesen. Diese werden aber dem katholischen Volksverein trotz der Genehmigung des Gemeinderats zu Ver— sammlungszwecken nicht freigegeben. Der Diktaturparagraph ist gefallen. Mit einem Male erscheint am 13. Februar 1903 eine Verfügung, auf Grund deren trotz der Erlaubnis des Gemeinderats die gedachten Lokale dem Volksverein nicht zu Versammlungszwecken überlassen werden. Die Verfügung scheint mir fehr seltsam zu sein, weil dieselben Lokale für Agitationspersammlungen des Flotten⸗ bereins ohne weiteres zur Verfügung gestellt werden. Selbst politische Versammlungen werden in solchen Gemeindelokalen zu gelassen, allerdings je nach der Partei, um die es sich handelt. So hat der Baron de Schmid bei den letzten Reichstagswahlen zu partei⸗ politischen Zwecken solche Säle zu Versammlungen benutzen können. Ich möchte deshalb die Frage stellen: Ist in der Verfügung allgemein vorgeschrieben, daß die Gemeindelokale überhaupt nicht zu sozial⸗ politischen und politischen Zwecken hergegeben werden dürfen, oder ist besonders bestimmt, daß die Hergabe für Versammlungen des katholischen Volksvereins verboten ist? Daruber, glaube ich, ist man uns eine Auskunft schuldig. Welche Schritte will eventuell die elsaß⸗ lothringische Regierung tun, um einer solchen ungerechten Behandlung in Zukunft entgegenzuktreten.
Kommissar der Landesverwaltung für Elsaß Lothringen, Wirk licher Geheimer Oberregierungsrat Hal ley:. Die beiden besonderen Fälle, die der Vorredner angeführt hat, sind mir nicht bekannt. Hätte er mich vorher davon benachrichtigt, daß er sie vorbringen würde, so wäre ich in der Lage gewesen, ihm die nötige Aufklärung zu geben. Die allgemeine Verfügung ist mir bekannt. Es sollen die Gemeindelokale für politische Vereine nicht zugängig sein, das liegt in der Natur der Sache. Die einzelnen Fälle sind mir selbstverständlich auch hier nicht bekannt. Sagen Sie es mir doch vorher, wir haben ja kein Geheimnis. Wir können natürlich nur für das aufkommen, was wir selbst getan haben, nicht für vereinzeltes Vorgehen unter⸗ geordneter Organe.
Abg. Schrader (fr. Vgg.): Wir wollen uns doch darüber nicht taͤuschen, daß die große Mehrheit des Bundesrats und des Volkes gegen die Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes war, und daß . die Stimmung im Reichstage sich allmählich geändert hat. Deshalb wäre es richtiger gewefen, die Sache unserer noch— maligen Beschlußfassung zu unterbreiten. Ob der Kuhhandel eine Rolle gespielt hat oder nicht, will ich nicht weiter untersuchen. Auf unbegrenzte Zeit Beschlüsse des Reichstags bereit zu legen, wie es der Bundesrat bisher getan hat, halte ich für unzulässig. Die Anregung der Resolutton Müller Meiningen halte ich ganz allgemein, auch abgesehen von dem Jesuitengesetz, für notwendig. In weiten Kreisen, auch liberalen, ist man der Meinung, daß es unzweck— mäßig war, den F 2 aufzuheben. In edangelischen Kreisen ist die Mißstimmung sehr groß, nicht aus Furcht vor den Jesuiten, sondern weil man glaubt, daß in immer wachsendem Maße die katholische Richtung bevorzugt wird vor anderen Richtungen, und daß unsere Kulturfortschritte gefährdet und immer westere Rückschritte ge⸗ macht werden. Mit dem, was geschehen ist, ist man im Zentrum noch nicht zufrieden. Es wird mehr gefordert werden. Ich bin gewiß kein Kulturkämpfer, ich bin fur vollständige Gewissen⸗ freiheit; aber ich meine, auch die katholische Kirche hat sich in das Staatswesen einzuordnen, und dieses muß das Recht haben, über das Unterrichtswesen vollständig frei zu bestimmen. Man hat der katholischen und der evangelischen Orthodoxie viel zu viel Konzessionen auf dem Gebiete der Schule gemacht. Leider Gottes ist in immer wachsendem Maße eine Trennung der katholischen und protestantischen Staatsbürger eingetreten. Daß ist ein großes Unglück. Die katholische Kirche muß sich dem modernen Staat unterordnen wie in England, wo sie frei und angefehen ist. Der Fall Fameck eröffnet sehr trübe Aussichten für die Erfüllung
dieses meines Wunsches. Ich bin für den konfessionellen Frieden
seiten der katholischen und n , Kirche. Der Reichs lan 6 glaubt vielleicht, mit der Aufhebung des § 2 des Ifsuiteng =. genug getan zu haben. Aber darin irrt er; da Zentrum ö. mehr. Er ist sehr entgegenkommend gewesen gegen Pie Agran
Welchen Dank er dafür geerntet hat, hat er ee früher erfat und heute insbesondere. Noch niemals, felbst unter Bismarck ua habe ich gehört, daß man den Reichskanzler in so rücksichtsloser it angegriffen hätte, wie es heute der Abg. von Oldenburg getan hat. ö Agrgrier sollten doch wohl zufrieden fein. Widerspruch recht. ö Reichskanzler ist Ihnen doch sehr weit entgegengekommen, unh, wäre dankbarer, wenn Sie ihn in seiner Politik unterstützien. 9.
will darauf nicht weiter eingehen, weil das nicht meine Sache
Die Regierung wird von einem Zugestandnis zum anderen getriehen und sie hat doch keinen Dank davon, weder beim Zentrum noch den Agrariern. Nur eine klare Politik kann der Regierung eine j Stellung verschaffen und uns weiter bringen. Wir werden den heiß kanzler unterstuͤtzen, wo er auf dem richtigen Wege ist. ;
Reichskanzler Graf von Bülow:
Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Schrader hat soeben — sagt, daß ich beim Zentrum wie bei den Agrariern Undank erntet Darauf erwidere ich, daß ich meine Politik unmöglich zuschneide kann auf Dank oder Undank — daß Undankbarkeit in der menshh lichen Natur liegt, ist auch mir bekannt — sondern ich kann led lich das tun, was nach meiner Ansicht das Interesse des Lands erfordert.
Ich bedauere, daß ich nicht selbst den Ausführungen Abg. von Oldenburg beigewohnt habe, die, wie ich höre, ihre personlih Spitze gegen mich richteten. Wenn aber der Herr Abg. Schrade diese persönlichen Wendungen eben, ich möchte sagen, so liebehol unterstrichen hat (Heiterkeit), so gefiel er sich dabei doch wohl etwa in der Rolle des tertius gaudens, von dem in diesen Tagen viel die Rede war.
Die Ausführungen des Herrn von Oldenburg sind mir nach dre Gesichtspunkten resumiert worden. Herr von Oldenburg hat eg ab Legende bezeichnet, daß ich etwas für die Landwirtschaft getan hate Er wünscht Taten von mir. Ohne meine beharrlichen Bemühungen würde der Zolltarif schon in den Vorstadien stecken geblieben senn, würde er schon bei den Vorarbeiten gescheitert und überhaupt nicht zustande gekommen sein. Wäre der Zolltarif nicht mehr gewesen az ein Versprechen in schönen Worten, so hätte ich mir nicht solch Mühe darum gegeben. Ich halte die Vorlage des Zolltarifs für eine der Landwirtschaft und dem Lande nützliche Tat. Oder glauben Sie, daß es sich bei den mühseligen Unterhandlungen, die wir jetzt auf Grund dieses Tarifs führen, nur um schöne Redensarten handelt Auf Grund dieses Zolltarifs hoffen wir, zu Handelsvertrãgen jn kommen, denen die Mehrheit dieses hohen Hauses wird zustimmen können. Und wenn wir auf dieser Basis des Zolltarifs Handelt, verträge zustande bringen, so würde ich das für eine weitere nützlich Tat halten.
Ich möchte übrigens hierbei bemerken, daß der Begriff der Tat ein relativer ist. Mancher hält für eine Tat, was sich bei näherem Zusehen und in seiner weiteren praktischen Entwicklung als eine Untat für das Land und die Landwirtschaft herausstellt.
Der Herr Abg. von Oldenburg hat mir auch einen Vorwuf daraus gemacht, daß ich mich gegen den Pessimismus gewandt hätze Wenn ich so pessimistisch wäre, wie sich der Herr Abg. von Oldenburg über die Lage ausgesprochen zu haben scheint, täte ich besser, mein Amt noch heute niederzulegen. Mit einem nervösen Reichskanzler würde dem Reiche in den gegenwärtigen Zeitläuften wirklich nicht ge= dient sein. Ich glaube aber, daß sich bei aller Schwarzseherei der Herr Abg. von Oldenburg die praktische Leitung der Geschäste leichter denkt, als sie in Wirklichkeit ist. So liegen die Dinge nicht, daß der Reichskanzler bloß auf den Knopf zu drücken braucht, und der gedeckte Tisch für die Landwirtschaft steht da! (Heiterkeit) Ich habe bei meinen Bemühungen für die Landwirtschaft Schwierigkeiten zu überwinden, die jeder mit Händen greifen kann, der nicht mit vor— gefaßter Meinung die Dinge beurteilt. In diesen meinen Bemühungen sollten mich die Freunde der Landwirtschaft unterstützen, statt mit an mich zu schießen.
Endlich hat der Herr Abg. von Oldenburg gemeint, daß sich R Schüler des Fürsten Bismarck nicht mit dem Meister vergleichen könnten. Das ist eine der richtigsten Bemerkungen, die ich je in meinem Leben gehört habe. Sich mit dem Fürsten Bismarck zu vet— gleichen, wäre nicht nur für jeden Schüler desselben, sondern für jeden lebenden Politiker einfach geschmacklos. Wenn sich aber niemand unterfangen wird, einen Staatsmann ersetzen zu wollen, wie er einem Volke in Jahrhunderten einmal geschenkt wird, so soll sich doch jeder bemühen, von ihm zu lernen. Eine Hauptregel, die uns Fürst Bie. marck hinterlassen hat, ist die, daß man nicht unerfüllbare Forderungen aufstellen und über dem Wünschenswerten das Erreichbare gefährden soll. (Lebhafter Beifall.)
Abg. von Normann (d. kons.): Der Wortlaut des Artikels s, Absatz 1, der Reichsverfassung hat eine gewisse Lücke, zu deren Aut füllung die Resolution Müller⸗Meiningen die erste Anregung geben will. Wir glauben auch, daß es nicht dem Sinne der Verfassung ent—⸗ spricht, daß der Bundesrat befugt sein soll, aus den ,,, denen der Reichstag in früheren Legislaturperioden seine ustimmung gegeben hat, belieblg die eine oder die andere herauszugrelfen und sie zum Gesetz werden zu lassen. Wir sind der Meinung, daß die Resolution Müller⸗Meiningen durch den Abänderungsantrag Dr. Stockmann eine Verbesserung erfahren hat. Das erkennt der Antragffeller selbst an, indem er ihn gutheißt. Wir hätten allerdings gewünscht, daß in diesem Zusatzantrag an Stelle der Worte: ‚vor dem Tage des Zu sammentritts eines neugewählten Reichstags“, gestanden hätte: spätestens bor dem Tage der allgemeinen Wahlen zu einem neuen Reichstage“ Wir würden diese Fassung dem Sinne der Verfassung für noch ent, sprechender gehalten haben. Wir sehen aber ein, daß wir im Augenblic diese Verbesserung in unserem Sinne nicht mehr erreichen können, und messen ihr eine solche Bedeutung nicht bei, daß wir bel ihr ftehen bleiben und dadurch die Sache welter aufhalten. Die Einwendungen des Abg. Dr. Bachem gegen diesen Antrag kann ich nicht als stsch— haltig anerkennen. Der Bundetzrgt wird guch den Vorlagen det Reichstags gegenüber lediglich gemäß seiner Pflicht handeln und seine Haltung danach einrichten. Wir werden somit für den abgeänderten Antrag Müller ⸗Meiningen stimmen.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
des Heim
DOrdnung.
villigt.
neuer Ansiedelungen in den
zum Deutschen Neichsanzei
3weite B
e i lage
ger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger
Mn 91. Berlin, Montag, den 18. April 1904. (Schluß aus der Ersten Beilage.) Häuser errichtet sind, eine durch übermäßige Preistreibung auch diese Deutschen dazu gedrängt
muß, auch wenn rings um das Grundsfück bereits Genehmigung zur Bebauung dieses Grundstücks nachgesucht werden. Hier
Abg. Blumenthal (d. Volksp. : Der Abg. Bachem hat mich in . heutigen Rede als einen Winkeladvokaten bezeichnet, der dem use den eigentlichen Rechtsboden in der Fameckfrage unkerschlagen i, Wie kann ein Rechtsgnwalt unter dem Schutze der parlamen⸗ tarlschen Immunität einen Kollegen derart verunglimpfen? Meint er damit seine Argumentation zu stuͤtzen? Es handelt sich hier gar nicht um Konkordat und Prairialdekret, sondern um rein humane, mensch⸗ liche Gefühle, von denen sehr zweifelhaft ist, ob gerade feine Partei sie in diesem Falle empfindet. Das Gesetz, das den appel eommo abus enthält ist die zechtliche Srundlage, guf der sich der Verkehr swischen Deutschland und dem Vatikan in kirchlichen elsaß· lothrin⸗ zischen, Dingen, zu bewegen hat. Die jurlstische Deduktion? des Dr. Bachem, wie sein Jammer über den Oberprãäsidialerlaß sind vollständig müßig. Ich habe an den Ausführungen des Herrn von Köller gestern nur auszusetzen, daß er versuchte, das Verhalten der Regierung dem mächtigen Zentrum gegenüber etwas weniger schroff erschelnen zu lassen, indem er eine klare Erklärung des Unterstaatssekretärs Petri in unklaren Worten aufrecht erhalten hat. Die Regierung hat, den Schritt des Bischofs Benzler mißbilligt, und daß sie ihn mißbilligen mußte, war ihr sehr unangenehm, weil sie fürchte le, daß die ausschlaggebende Partei in diesem Hause beunruhigt werden könnte. Vielleicht ist sie hereit, eine Kompensation zu geben. Ich erkläre Ihnen, daß die Argumentation des außerordentlich distingulerten Kollegen Bachem nicht in der Lage gewesen ist, mich auch nur im mindesten von der Unrichtigkeit der Argumentation des Herrn von Köller zu überzeugen. Wenn der Abg. Wetferls auf eine Rede hindeutete, die ich in Frankfurt a. M. gehalten habe und in der ich die Statthalterschaft unterdrückt wissen wollte, so halte ich auch heute aufrecht, daß bei einer Reform zunãchst die unnützen Stellen aufgehoben werden müssen, und zu den unnützen rechne ich die Statthalterschaft. Alle ihre Rechte können ebenso gut durch das Ministerium ausgeübt werden, und eigentliche landes herrliche Befugnisse hat auch der Statthalter nicht auszuüben. Alle Statthalter haben bis jetzt ihre Stellung mit der größten Distinktion ausgefüllt, aber ihre Stellung ist eben nichts, und da kommt es nicht darauf an, wie sie ausgefüllt wird. Große Schichten der Bevölkerung, vielleicht die erdrückende Mehrheit des Volkes, würde übrigens die Anschauung, daß Staatsraifon und Gerechtigkeit einmal in Widerspruch miteinander geraten könnten, nicht teilen; eine Aeußerung des Kanzlers war geeignet, die Ver— mutung aufkommen zu lassen, als ob eine solche Anschauung irgendwo bestehen könnte. ö . ͤ Präsident Graf von Ballestrem: Ich habe den Ausdruck „Winkeladbokat! in der Rede des Abg. Bachem nicht gehört; es ist aber möglich, daß ich ihn überhört habe; ich werde das amtliche Stenogramm einsehen und danach meine Entschließung treffen.
Abg. Gröber wendet sich gegen die Ausführungen des Regierungs⸗ vertreters von Elsaß⸗Lothringen und gegen diejenigen des Abg. Schrader. Dieser scheine vergessen zu haben, daß das Zentrum eine Minderheit bilde und allein gar nichts durchbringen könne. Was seine Partei noch nicht für erreicht halte, sei nur die volle Gleichberechtigung, die seine Partei niemandem im Reiche vorenthalte.
Nach einer kurzen Erwiderung des Kommissars der Landes— verwaltung für Elsaß⸗Lothringen, Wirklichen Geheimen Ober⸗ regierungsrats Halley schließt die Diskussion.
Es folgen persönliche Bemerkungen der Abgg. Dr. Stock— mann und Schrader.
Präsident Graf von Ballestrem: Nach dem Stenogramm hat der Abg. Bachem gesagt: „Das ist nicht Sache der Advokaten, fondern Sache der Winkeladvokaten, und wie ein richtiger Winkeladvokat hat der Herr Kollege Blumenthal in diesem Haufe die Sache vorgetragen.“ Ich erkläre daß diese Aeußerung vollständig unzulässig ist, befonders
venn der Kollege außerhalb diefes Haufes die Stellung eines Advo⸗
katen einnimmt, und ich rufe deshalb den Herrn Abg. Bachem zur Darauf wird das Gehalt des Reichskanzlers be—
Die Resolution Müller-Meiningen-Stockmann ge⸗ langt gegen die Stimmen des Zentrums, der Polen und Elsaͤsser zur Annahme.
Der Rest des Etats für den Reichskanzler und die Reichskanzlei wird ohne Debatte erledigt.
Gegen 65s. Uhr vertagt das Haus die Beratung der zu diesen Etat noch vorliegenden Resolutionen Auer und. Gröber
auf Montag 1 Uhr. Außerdem: Rechnungssachen, Etat des Auswärtigen Amts, Interpellationen Oriola und Auer)
Preusßischer Landtag. Herrenhaus.
10. Sitzung vom 16. April 1904, 12 Uhr. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Spezialheratung betreffend die Gründung Provinzen Ostpreußen, estpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sach fen und Westfaleh.
des Entwurfs eines Gesetzes,
Freiherr von Duürant beantragt, im § 17 die An⸗
sedlungsgenehmigung obligatorisch von der Sicherheits leistung für Ordnung der öffentlich⸗rechtlichen Verhältnisse abhängig zü
machen und 17a entsprechend zu ändern.
Herr von Buch beantragt, die durch S I7 ermöglichte Benachrichtigung der öffentlich⸗rechtlichen Organe obligatorisch
⸗ zu machen, damit sie binnen 21 Tagen gegen die Ansiedelungs⸗
Fnehmigung Einspruch einlegen können, falls infolge der An⸗ sedelung eine Aenderung oder Neuordnung der Gemeinde- irchen⸗ und Schulverhältnisse erforderlich werden sollte. Berichterstatter Graf zu Eulenburg: Der Bergbauliche Verein petitiontert, Westfalen von dem Geltungsgebiet des Gesetzes aus⸗ sunehmen, well durch dasselbe die Regelung der Arbeiterwohnungs⸗ r erschwert werde. Meiner Ansicht nach hat das vorliegende
Gesetz keineswegs eine solche Wirkung. Ich bitte daher, der Petition
ine Folge zu geben.
Zu § 132 bemerkt n rr Struckmann-⸗Hildesheim: Ich nehme an, daß dort, wo as luchtlin engesetz Anwendung findet, die , , ,, ,,, nicht erforderlich ii Ich bedaure, nicht für den Paragraphen flimmen us können, weil er zu weit geht. Denn im Westen ist eine sylianasẽ Verteidigung nicht nötig. Es sind durch das Gesetz n serschwerenden Bedingungen der Koloniegründung auf An⸗ hen überhaupt ausgedehnt. Wir dürfen aber die An— cdelungen nicht wesentlich erschweren. Unter den 5 132 fallen nun auch bebaule Ort chaften, in denen ein Wohnhaus gehaut wird. . dadurch ein zu der Orischast gehöriges ländliches Grundstück einer wird. Das ist für geschlossene Ortschaften ein Nonsens. Es
lich Dörfer in We
wirkt die ne n wie ein dinglicher Bann.
tfalen und Pommern.
der Anstedelung kann ich nicht justimmen.
1 Das trifft nament⸗ Einer solchen Erschwerung raglich ist mir auch,
oh dig Ansiedelungserschwerung, für die polnischen Landesteile richtig
ist. Auch hier muß in' geschlossenen Srif
chaften die Genehmigung zu
Parzellierungen gegeben seln. Nun ist boch nicht zu vermeiden, daß
dann Lort gebaute Häuser an Polen übergehen. vermeiden, so erreichen wir das Gegenteil von dem,
Wollen wir das aber was wir wollen;
wir verhindern nämlich die Ansiedelungsfreudigkeit und erschweren es,
daß sie
h ein guter Stock deutscher Änsiedler im Osten niederläͤßt.
Nur in seltenen eln, wird die Genehmigung erteilt werden können,
weil man nur sehr selten in der Lage
sein wird, mit Sicherheit zu
sagen, dieses Grundstück wird nicht in polnische Hand kommen. So
werden die Deutschen von dem Gesetz getroffen werden.
den Paragraphen zu streichen.
Ich bitte,
Graf Finck von Finckenstein-Schönberg: Das Gesetz
richtet sich nur gegen ungefunde Gründungen.
solcher ist der 5 132 notwendig.
Herr Becker ⸗Cöln: Der Kampf Schärfe angenommen, braucht. nach ihrer eigenen Erklärung abfolut nöt
Zur Verhinderung
im Osten hat eine solche
daß die Regierung zu ihm scharfe Waffen Die Bestimmungen der Vorlage find für die Regierung
ig. Ich mag es daher nicht
verantworten, ihr diese Waffen zu versagen. Die Regierungspräsidenten sind doch Leute von Entschluß und nicht zaghaft. Damit fallen die
Bedenken,
die sich Herr Struckmann konftruiert hat. Die Ver—
schärfung der Bestimmungen durch die Kommiffton, die die Genehmigung
nicht nur, wie die Regierung, für Aufteilung,
sondern auch für Um⸗
wandlung von Landgütern fordert, erscheint mir aber nicht als nötig. Ein Regierung skom misfar legt dar, daß die Kommissions⸗
fassung vorzuziehen sei,
weil sonst der Fall von Verpachtungen, wie
sie Graf Finckenstein geschildert habe, ausgenommen sei, und so das
ganze Gesetz umgangen werden könne. Nach einem Schlußwort des
Berichterstatters Grafen
zu Eulenburg wird 8 13a genehmigt.
Zu § 136 führt
Berichterstatter Graf zu Eulenburg aus: Weil es notwendig
war, die Genehmigung sinngemäß auf Ostpreußen, surt und Köslin auszudehnen, mußte man
. Schlesien, Frank⸗ die Genehmigung dem
Regierungspräsidenten übertragen und als Beschwerdeinstanz den Ober⸗
präsidenten bestellen.
Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:
Meine Herren!
Das vorliegende Gesetz ist ja wesentlich wirt⸗
schaftlicher Natur. Der Paragraph, der augenblicklich zur Beratung
steht, verdankt seine Entstehung neben w und nationalen Erwägungen, und deshal mit einigen Worten auf die Bedeutung
irtschaftlichen auch politischen b bitte ich, mir zu gestatten, des Paragraphen einzugehen.
Bereits in der ersten Lesung habe ich im einzelnen nachgewiesen, wie trotz aller Bestrebungen zur Stärkung des Deutschtums der Grundbesitz in der Provinz Posen und Westpreußen in deutscher Hand
nicht mehr zunimmt, sondern daß 40
O00 ha in einem Zeitraum
weniger Jahre mehr in polnische Hände gekommen sind als in deutsche. Ich möchte diese Mitteilungen über das Anwachsen der Polen heute noch durch einige Mitteilungen über die Bevölkerung Posens ergänzen.
Diese Mitteilungen entnehme ich nicht Chauvinismus angekränkelten deutschen
einer vielleicht von deutschem Zusammenstellung, sondern
einer polnischen Arbeit, die vor wenigen Monaten in Krakau erschienen
und dort veröffentlicht ist. Nach dieser Zusammenstellung hat di völkerung in der Provinz Posen in den l
e Zunahme der polnischen Be⸗ etzten zehn Jahren rund 9g
betragen, die Zunahme der deutschen Bevölkerung in derselben Zeit
aber nur 4.5 0½, also die Zunahme der nur halb so groß, wie die Zunahme Der Grund liegt neben der Abwanderun in der höheren Kinderzahl der Polen, ur
deutschen Bevölkerung war der polnischen Bevölkerung. g der deutschen Bevölkerung 1d es wird die Zuwanderung
der Polen aus den benachbarten polnischen Gebieten, die wir zwar zu verhindern suchen, aber nicht gänzlich abzuschneiden imstande sind, mit
dazu beigetragen haben.
Tatsächlich waren im Jahre 1890 von
1000 Personen in der Provinz Posen 579 Polen und 421 Deutsche,
im Jahre 1900 595 Polen und nur 405 je 1000 Einwohner ein Rückgang von ar
Deutsche. Es war also auf mähernd 20½ des deutschen
Elements zu verzeichnen. Daraus geht hervor, daß die Germani—
sierung der Provinz, die wir im deutscher aufgehalten wird durch die Fortschritte d verständlich nicht irgendwie eine Anklage
1 Interesse wünschen müssen, er Polen. Ich kann selbst⸗ gegen das polnische Element
auf diese Gründe aufbauen, ich muß vielmehr anerkennen, daß die
Polen gerade in den letzten Jahrzehnten
mit außerordentlichem Ge⸗
schick bestrebt gewesen sind, wirtschaftlicher, fleißiger und tüchtiger zu werden, als sie Jahrzehnte, ja Jahrhunderte vorher gewesen sind.
für uns Deutsche ergibt sich was nur möglich
Aber
zu tun,
ist, um das Deutschtum
nunmehr alles in unseren
notwendig,
polnischen Provinzen zu stärken, und das ist um so mehr nötig,
als leider aus den außerdeutschen, po immer mehr geistige und materielle Nahru
lnisch sprachlichen Gebieten ng unseren preußischen Polen
zugeführt wird, ein Borgang, den wir mit allen Mitteln nicht ver—
hindern können. die alten polnischen Provinzen weit hin
Die Ausbreitung des Polentums geht deshalb über
aus. Es ist hier in diesen
Tagen die Rede gewesen von dem Kampf, der nunmehr auch in Ober- schlesien entbrannt ist, wo vor 20 Jahren kaum jemand an national—
polnische Agitation dachte. Auch dorthin
wird sie getragen von der
Provinz Posen aus und von den benachbarten polnischen Landesteilen. Gestern haben wir in der Rede des Herrn von Koscielski das Zuge⸗ ständnis gehabt, daß über kurz oder lang auch in der Provinz Ost⸗ preußen, also auch unter den evangelischen Polen, derselbe polnische Gedanke, die polnische Agitation verbreitet werden würde, und auch
dort würde derselbe Kampf entbrennen.
Meine Herren, um in dem
Kampf gerüstet zu sein, bedarf die Regierung Waffen, die schneidig und wirksam sind, und deshalb hat sie den jetzigen 5 13b von Ihnen erbeten, der ihr die Möglichkeit geben soll, die polnische Uebermacht
einzudãmmen.
Ich betone aber ausdrücklich, daß dieser Paragraph auch wesentlich mit beabsichtigt, die Deutschen wirtschaftlich zu stärken, indem der durch die polnischen Banken hervorgerufenen Preisgtreiberei ein Ende gemacht
wird dadurch, daß der Grundbesitz, der si Deutschen in Posen befindet, ein deutscher
heute in den Händen von rundbesitz bleibt und nicht
werden, ihren Grundbesitz zu verkaufen. Insofern ist es ganz richtig, daß, wie ich schon in der ersten Lesung ausgeführt zu haben glaube, dieses Gesetz nicht lediglich ein Gesetz ist, das sich gegen die Polen richtet; es ist ein Gesetz für den gesamten Grundbesitz in den be—= treffenden Landesteilen, und dieses Gesetz wird angewendet werden ebenso gegen die polnischsprachlichen wie gegen die deutsch⸗sprachlichen Bewohner.
Der Zweck des Gesetzes ist aber auch nicht, nunmehr polnische Ansiedelungen im einzelnen absolut zu verbieten. Es kann Fälle geben, wo die Niederlassung einzelner Polen im deutschen Sprachgebiet vollständig unbedenklich ist. Wo diese Unbedenklichkeit vorliegt, wird ihrer Niederlassung gewiß nicht entgegengetreten werden. Dies wird auch häufig in Oberschlesien, worauf der Fürst von Hatz⸗ feldt zurückgekommen ist, der Fall sein. Es wird dieses Gesetz nicht angewendet werden, um die Seßhaftmachung einheimischer ober⸗ schlesischer Arbeiter in Oberschlesien selbst unnötig zu erschweren. Verhindert soll nur werden die planmäßige nationalpolnische Kolonisation und die Zurückdrängung des Deutschtums in unseren Grenzprovinzen.
Meine Herren, es ist das ein schneidiges Schwert, und ich für meine Person bin überzeugt, daß gerade diese Maßregel, die hier ge= troffen werden soll, schneller zum Vorteil des Deutschtums wirken wird, als alle anderen Maßregeln, die vorher ergriffen sind, und ich meine auch aus den Klagen, die gegen diese Gesetzesbestimmung aus polnischem Lager erhoben sind und in den polnischen Zeitungen täglich wiederkehren, entnehmen zu sollen, daß die Polen selbst die Bedeutung dieses Paragraphen erkannt haben. Ich will darüber niemand im ungewissen lassen; in der Tat ist es, wenn man so will, ein Kampfparagraph. Aber meine Herren, nach meinen Erfahrungen würde es eine Utopie sein, zu glauben, daß wir Deutschen die Polen durch Entgegenkommen gewinnen können. Es ist dies ein Kampf von Rassen, ein Kampf der germanischen gegen die slavische Rasse, ein Kampf der seit sechs Jahrhunderten unausgesetzt auf geistigem Gebiete, auf dem Gebiete des wirtschaftlichen Lebens und der Politik geführt wird und ausgefochten werden muß. Unsere Auf⸗ gabe ist es, unsere Waffen scharf zu erhalten und dafür zu sorgen, daß unsere Lande immer deutsch bleiben. Dem Herrn Marquis Hoens⸗ broech möchte ich auch erwidern, daß dieses Gesetz am allerwenigsten benutzt werden soll, irgendwie konfessionelle Liebhabereien zur Geltung zu bringen. Dieser ganze Kampf ist kein konfessioneller, sondern ein nationaler; leider haben wir die Erfahrung, daß in dem gegenwärtigen Augenblick wir in Posen auf die Stütze der katholischen Kirche, die wir gern in Anspruch nehmen würden, nicht zu rechnen haben. Den nationalen Kampf, der uns aufgedrungen ist, müssen wir durchführen und zum Ende bringen bis zum Siege. Da möchte ich an eine Aeußerung des Fürsten Bismarck erinnern, der einmal gesagt hat: wir deutschen Träumer, wir denken bei allen Dingen, die wir beginnen, erst daran, wie wird das unseren Nachbarn gefallen, was wird unser Nachbar dazu sagen? Notwendig ist für uns Deutsche ein gesunder nationaler Egoismus. Ich glaube, das waren die Worte des Fürsten Bismarck. Diesen gesunden nationalen Egoismus, bitte ich das hohe Haus, auch in diesem Gesetz zu betätigen und insbesondere diesem Paragraphen seine Zustimmung zu erteilen. (Lebhaftes Bravo h
Herr Knobloch-Bromberg: Wir freuen uns jeden ermutigenden Zurufs im Kampfe, aber wir müssen uns verwahren gegen einen Jensus der Minderwertigkeit, wie ihn die Kommission aufstellte, als sie uns
die Tüchtigkeit der Polen entgegenstellte. Das hat bedauerndes Staunen im Osten erregt. Der Zusammenschluß der Polen wird unendlich durch ihre religiöse Einheit gefördert. Dann ist die vorzüg⸗ liche Wirtschaftsverfassung. der Polen nicht zu unterschätzen. Ueberschätzt aber wird bielfach die Unterstützung der Regierung, die wir erfahren; die Regierung hat manches Talent, aber das Talent der parteiischen Regierung hat sie nicht. Der größte Teil der Deutschen in Posen ist zugewandert. Nur ein geringer Teil ist dort geboren; und dabei darf man nicht vergessen, daß Posen fast ein Jahr⸗= hundert von der Regierung vergessen worden ist. Der Deutsche mußte so in Posen von neuem anfangen, während der Pole wenigstens sich um den Grundbesitz kristallisieren konnte. Zur Bodenständigkeit der Deutschen aber gehört ein starkes spezielles Heimatgefühl. Durch den Vorwurf wirtschaftlicher Minderwertigkeit wird, das können Sie mir glauben, das Heimatgefühl nicht gestärkt. Der Vorwurf ist auch un⸗ begründet. Ich 9 Einspruch dagegen. Was dort eingepflanzt ist vom deutschen Stamm, ist gut. Geben Sie ihm Licht und Sonne, er wird gedeihen.
Herr von Diest: Blicken wir ein Jahrhundert zurück, und die Notwendigkeit des 8 13b wird in die Augen springen. 1806 bis 1812 hoffte das Polentum, wieder sich zu einem Staate zusammen · zuschließen. Die Hoffnung wurde nicht erfüllt. (Präsident Fürst zu Inn und Knyphausfen: Würden wir die Verhandlung nicht etwas abkürzen, wenn wir nicht die ganze Geschichte des Polentums vortrügen?) Wir müssen einen Damm aufrichten gegen die gitatoren, damit sie sich auf die Heilige Schrift besinnen: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist. — .
Freiherr von Dürant: Ich teile die Ansicht des Herrn Bericht / erstatters vollkommen. Für eine Verbesserung halte ich auch die Zulassung der Beschwerde bei dem Qberpräsidenten. Als Schlesier kann ich begreifen, warum man das Gesetz auch auf Ostpreußen ꝛc. ausdehnen will. Man will vorbeugen. In Schlesien aber sollen Polen von ihrem . vertrieben werden. as wird eine große Mißstimmung heivorrufen; und die negativen Folgen werden daher mindestens ebenso groß sein, wie die positiven. Es scheint mir auch nicht angebracht zu sein, in jedem Falle den Regierungspräsidenten mit der Entscheidung zu belasten. Die Kreisausschüsse scheinen mir eine 373 — Instanz zu sein. Eine Latifundienzerschlagung in Ghlesf?? cheint n fe nn fte, voll zu sein. Ziel der Kolonisation muß es fen lebensfähige Anwesen zu schaffen. An der jetzt der Erreichung dieses Zieles hinderlichen Preigz· treiberei scheinen mir nicht nur die polnischen Landbanken schuld zu sein. Darum glaube ich auch, es würde besser sein, die Regierung nähme die Do⸗ mänenko w . selbst vor, statt sie Banken zu übertragen. Die Haupt ·; sache aber ist, daß man die Landwirtschaft wieder lebensfähig macht. Es ist dann von der Unzuverlässigkeit des katholischen Klerus ge⸗ Prochen worden. Nun, einen Teil muß ich gegen den Vorwurf in 6 nehmen. Es gibt nicht nur polnischsprechende Katholiken in Oberschlesien, sondern auch polnischsprechende Cvangelische. Diese sollen ja besonders treu . aber auch sie werden von dem Gesetze getroffen. Wenn die Regierung nicht ohne dieses auskommen kann,
werde ich justimmen.