Groshandelspreise von Getreide an außerdeutschen Börsenplãtzen
für die Woche vom 11. bis 16. April 1904 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche.
Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt.
1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)
Woche Da⸗
11/16. gegen April Vor⸗ 1904 woche
118,46 120,20 156, 80 159,42
98, 00 100,60 138,06 138,11
W Roggen, Pester Bode k Hafer, ungarischer 1... Gerste, slovakische Budapest. Roggen, Mittelware 108,66 Welzen, ö 138,91 8 ö 94,08 erste, Futter⸗ 99,71
109, 20 139,77 94,20 99, 74
Roggen, 71 bis 72 kg das hl....
Welzen, Ulka, 75 bis 76 kg das hl.. Riga.
Roggen, 71 bis 72 kg das hl 102,50
R 130, 10
Paris. ö. .
lieferbare Ware des laufenden Monats 3
182, 11 Antwerpen.
Varna. Donau, mittel
,, Weizen 5 Odessa
89, 58 116,96
91,89 119,81
102, 16 130, 34
120,15
Roggen 180, 06
Weizen
131,84 155.39 137, 9 1a6, 35 14s, 6 141, 00 140, 55
132,92 135,93 137,96 142,01 149, 15 142,50 142,01
Callsornier. , Bombay, Club weiß . Am ster dam. 10721 116 58 126,96 laz, 18
109,58 117,23 128,931 144,53
Roggen St. Petersburger
s ; Odessa⸗ Weizen ⸗ amerlkanischer Winter...
London. Produktenbörse (Mark Lane)
Weizen ö . eenglisches Getreide,
Mittelpreis aus 196 Marktorten (Gazette averages)
Liverpool.
russischer Californier k barter Kansas Nr. 2... Manitoba ! La Plata Kurrachee, w Kalkutta engl. weißer
143,05 137,47 130.26 117,95
126,73
143, 065 138,58 130 65 118, 55ᷣ 1265,57
afer
Weizen ] erste (
154,91 1659, 13 146,29 164, 54 144,11 141,29 145,57 131,45 123, 08
96,22
164,9 159, 13 14739 166,17 146,23 141,54 145,58 151,43 123. 0c 6 22
Weizen
Hafer ; Gerste, Mahl ⸗
143,19 133.70 156,16
145,99 133. 57 1234.33
Weizen, Lieferungsware ͤ
September Neu York.
roter Winter⸗ Nr. 2... Mai.. Lieferungsware I Juli ... — September Buenos Aires. Weizen, Durchschnittsware, ab Bord Rosario ..
164,06 14721 140, 56 13691
162,46 145.45 141.95
129, 96
Weizen
117,60
Bemerkungen.
1 Imperial Quarter ist für Weizen an der Londoner Pro⸗ duktenbörse — 504 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Umskͤtzen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittspreife für einheimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial Quarter Weizen — 489, Hafer — 312, Gerste — 400 Pfünd engl. angesetzt. 1 Bushel Weizen — 60 Pfund engl.; 1 Pfund engl. — 453,6 g; 1 Last Roggen — 2100, Weizen — 2460 kg.
Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagesangaben im ‚Reichsanzeiger ermittelten wöchentlichen Durchschnittswechselkurse an der Berliner Börfe zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurfe auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und Neu York die Kurse auf Neu Jork, für Odessa und Riga die Kurse auf St. Petersburg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze. Preise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der Goldprãmie.
Denutscher Reichstag. 70. Sitzung vom 19. April 1904. 1 Uhr.
Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Beratung des Reichshaushaltsetats für 1904 bei dem Etat für das Auswärtige Amt und dem zum ersten Ausgabetitel: „Ge— halt des Staatssekretärs“, gestellten, im Wortlaut bereits mit— geteilten Antrag des Abg. Münch-Ferber (nl.)
Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet. Nach dem Antragsteller nimmt das Wort der
Abg. Dove (fr. Vgg.): Mit der allgemeinen Tendenz des An— trages, unseren Export im Auslande zu fördern und dazu gute Informa—⸗ tionen zu benutzen, werden wir wohl alle einverstanden sein. Aber wat der Antrag will, steht mit dessen Wortlaut in einem sehr geringen Zusammenhange. Wenn der Antragsteller auf Amerika verweist, so würde das eher für die Errichtung einer Zentralstelle sprechen; und die Fragen der Handelsverträge wiederum liegen doch auf einem anderen Gebiete. Der Antrag nimmt in anderer Form den Ge⸗ danken der n, ,, im Auslande wieder auf. Sein Hinweis auf die gleichartige Einrichtung Englands und Nordamerikas sst nicht so zugkräftig wie er glaubt; denn die betreffenden Zahlen sind keines— wegs besondert imposant. Deutsche Handele kammern gibt es in Brüssel und Bukarest: was uns der Antragsteller von ihnen berichtet, spricht
118, 4ꝗ.
eigentlich nicht für seinen Antrag. Beide Organisationen stehen auf eigenen Füßen, sind frei von jeder amtlichen Bevormundung; eine staatliche Unterstützung würde diesen Chargkter durchaus verändern. Immerhin ist der Wunsch des Antragstellers durchaus berechtigt, unsere Konsuln in engere Verbindung mit den Handelskreisen zu bringen, um die Beschaffung von Informationen zu erleichtern und zu erweitern. Dem Handelstage hat der Antrag in der heutigen elastischeren Form nicht vorgelegen. Es ist gegen ihn nichts einzu— wenden, sowelt er die Bedürfnisfrage als Bedingung stellt; es bleibt nur die Unklarheit, wer über diese Bedürfnisfrage entscheiden soll. Verständigerweise würde das Bedürfniz zu bejahen sein nur von denjenigen, die im Auslande selbst tätig sind. Jedenfalls dürfte die Regierung nur zögernd auf diesem Gebiete vorgehen; ich kann mir auch nicht recht vorstellen, wie die Einstellung in den Etat geschehen soll. Unseren Export künstlich groß zu ziehen, ist auch nicht ersprießlich; wir 6 schon jetzt eine Menge Exporteure, die besser die Finger dabon ließen. Wenn der Antragsteller on dem Antrag auch eine Stärkung des Selbständigkeits— und, Unabhängigkeitsgefühls . Tetschen im Auslande erwartet, so habe ich auch da meine leifen weifel.
Abg. Blell (fr. J,, Ich stehe auf dem Standpunkt, daß deutsche Handelskammern im Ausland wünschenswert sind, daß man sie aber nicht künstlich hervorrufen, sondern fie aus der Initiatibe der beteiligten Kaufleute entstehen lassen soll. Für ein möglichst freund— liches Verhältnis zwischen ihnen und den beteiligten deutschen Be— hörden bin ich stets eingetreten; natürlich gehört dazu guter Wille auf beiden Seiten. Unsere Konsuln wenden sich selbstverftändlich an die ihnen bekannten deutschen Kaufleute an ihrem Amtssitz, wenn sie Informationen über Handel und Verkehr einziehen wollen, und bis jetzt haben sie in dieser Beziehung freie Wahl. Daß jeinals eine geforderte Auskunft verweigert worden wäre, ist mir nicht bekannt. Wie sollen nun diese Beiräte“ zustande kommen? Sollen sie ge— wählt werden, soll der Konsul sie selbständig zuziehen? Soll er auch nach wie vor sich an andere Informationsquellen wenden dürfen? Dann würden doch diese Beiräte eigentlich sofort wieder überflässig sein. Wie der mir spun te fe Grundgedanke des Antrages ver⸗ wirklicht werden soll, ist mir also nicht ganz deutlich.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Rich tho fen:
Ich möchte zunächst dem Herrn Abg. Dr. Dove Dank sagen für die Worte der Anerkennung, die er hier dem Konsularkorps des Deutschen Reichs gewidmet hat, und die im Gegensatz stehen zu einer Beurteilung, die dasselbe vor einigen Tagen in diesem hohen Hause, meines Erachtens, und wie der Herr Reichskanzler bereits ausgeführt hat, ohne ausreichende Begründung, erfahren hat. Wenn der Herr Abg. Münch-Ferber uns als besonderes Vorbild für konsularische Tätigkeit die amerikanischen Konsuln vorführte, so will ich gewiß in keiner Weise die Verdienste verkleinern, die die amerikanischen Konsuln für ihr eigenes Land haben. Aber er wird mir zugeben, daß sie in einem Punkt, den er selbst besonders hervorgehoben hat, den amerikanischen Vertretungen überlegen sind, d. h. in dem Punkte der Stabilität. Denn unsere Konsuln bleiben im großen Durchschnitt immer länger auf ihren Posten als die amerikanischen Konsuln, deren Wechsel oft durch die politischen Verhältnisse hervorgerufen ist.
Außerdem ist es merkwürdig, daß, wie uns hier der Herr Abg. Münch-⸗Ferber die amerikanischen Konsuln als besonderes Beispiel vorgeführt hat, gerade in der amerikanischen Presse wiederholt die deutschen Konsuln und die deutschen Konsulate als Muster vorgeführt worden sind. (Hört, hört! Sehr richtig! links Meine Herren, das ist kein vereinzeltes Urteil; auch in anderen Ländern werden das deutsche Konsulatssystem und die deutschen Konsuln als zu den besten in der ganzen konsularischen Vertretung gehörig bezeichnet. Ich habe hier ein französisches Blatt von diesem Jahre, L'Aurore, zur Hand, welches eine längere Abhandlung über das Konsularwesen mit fol⸗ genden Worten beginnt:
Es ist heute eine allgemein anerkannte Tatsache, die der fran zösische Kaufmann bereits seit langem zum eigenen Schaden beobachten mußte, daß das seit 25 Jahren stetig zunehmende Blühen des
deutschen Handels und Hand in Hand damit der deutschen Industrie
im Auslande auf die Tätigkeit der deutschen Konsuln zurückzuführen ist. Die deutschen Konsuln betrachten tatsächlich die kaufmännische Seite als die wichtigste ihres Berufs. Sie halten sich über die Gebräuche und Bedürfnisse des ihrem Einfluß zugänglichen Gebiets auf dem Laufenden und sind so imstande, ihren Landsleuten in allen Handelsfragen nutzbringende Auskunft zu erteilen.
Das ist die Beurteilung, die unsere Konsuln im Ausland erfahren. Aber auch im Inland stehen wir nicht ganz ohne Dank da, wie Sie aus einigen Aeußerungen auch in der Presse annehmen könnten. Ich habe hier z. B. einen Brief eines Fabrikanten aus einer mittleren Fa— brikstadt Deutschlands, welcher sagt:
Da der Inlandsmarkt seit vorigem Spätjahr sehr ruhig war in meiner Branche, so wandte ich mich in einem höflichen Schreiben an die hauptsächlichsten deutschen Konsulate des Auslands und der überseeischen Länder mit der Bitte um Auskunft über die jeweiligen Marktverhältnisse und um Aufgabe von kreditwürdigen Firmen der Juwelen⸗, Gold, und Silberwarenbranche, behufs Anknüpfung von Geschäftsverbindungen durch illustrierte Kataloge. In prompter und gefälliger Weise erhielt ich bereitwilligst von den 100 Konsulaten, an die ich mich gewandt hatte, jedmögliche Auskunft. Ich statte daher gerne an dieser Stelle den Herren Konsuln meinen herzlichen Dank ab.
Dies im allgemeinen.
Was die Frage betrifft, die hier augenblicklich den Gegenstand der Beratung bildet, so wissen Sie, daß vom Auswärtigen Amt Stellung gegen die Errichtung von deutschen Handelskammern im Ausland genommen worden ist. Dies beruhte nicht so sehr auf sach lichen, als auf formellen Motiven. Ein Staat hat das Recht, in anderen Staaten amtliche Behörden zu errichten, nur insoweit, als es sich um Gesandtschaften handelt, die also durch Uebergabe der Akkredi⸗ tive des Chefs die Anerkennung des Staats finden, oder auch durch Errichtung von Konsulaten, bei denen die Anerkennung durch das Exe—⸗ quatur erfolgt. Eine weitergehende Berechtigung hat ein fremder Staat nicht, es sei denn, daß besondere Verträge ihm dazu das Recht geben. Wenn also wirkliche Handelskammern im Auslande gebildet würden, so wäre das ein Eingriff in die Rechte des Staats, wo die Handels— kammern ihren Sitz haben. Der Name Handelskammer ist in vielen Ländern verknüpft mit einem amtlichen Charakter solcher Behörden, und es ist, wenn Handelskammern im Auslande mit nichtamtlicher Qualität gebildet werden, gewissermaßen eine falsche Flagge, unter der gesegelt wird, weil das Publikum denkt, daß es sich da um fremde Behörden im eigenen Lande handelt.
Das ist einer der Gründe, warum wir uns immer gegen die Errichtung von Handelskammern im Auslande ausgesprochen haben, weil damit in dem fremden Lande der Glaube erweckt würde, es sei da eine deutsche Behörde gebildet, und wir trügen die Verant—
wortung für alles, was von der Handelskammer geschieht. Wem in Deutschland selbst fremde sogenannte Handelskammern geh 2 haben, so haben wir darüber hinweggesehen, aber unsererseitz am Beziehungen zu ihnen nicht aufgenommen, vielmehr die Behzrden s in Verkehr mit ihnen treten lassen. i
Der zweite Grund ist auch formeller Natur. Aber er nn tief hinein in das Konsulatswesen. Das ist die Gefahr, daß nach ĩ Erfahrungen, die mit vielen Handelskammern im Auslande gem ö sind, sehr leicht ein Gegensatz geschaffen wird zwischen der Handelskammern und der amtlichen Konsularvertretung der hen staaten. Derartige Differenzen wachsen sich sehr leicht aus, und td lin uns daher sehr viel daran, die Möglichkeit solcher Differenzen 1. vornherein zu beseitigen. Daß diese Gefahren selbst bei den wen Handelskammern, die bisher von deutscher Seite errichtet nan sind, nicht ausgeblieben sind, zeigt Ihnen schon ein Blick auf i letzten Jahresbericht der Brüsseler Handelskammer, in welchem eine sehr scharfe und meiner Ansicht nach dort sehr unangehtnth Kritisierung der deutschen Konsuln befindet. Münch Ferber in wesentlich veränderter Gestalt vor. Die jn Hauptbedenken, welche wir gegen den früheren Antrag hatten, s beseitigt. Der Name „Handelskammer“ ist fallen gelassen,
jetzige Beirat“ soll dem Konsul beigegeben, also unterstellt .
(
damit ist die Möglichkeit von Differenhen zwischen Beirat und a . Bedenken gen Ich stimme i ständig überein mit den beiden letzten Rednern, den Herren Abgg. da; und Blell, daß man sich nicht allzuviel davon versprechen darf. was die Handelskammern bisher getan haben, das wird von einem nun .
beseitigt. Infolgedessen werden von uns wesentliche Bedenken diesen Antrag Münch-Ferber nicht mehr erhoben.
Konsul auch geleistet werden. Aber auf der anderen Seite möchte ich nz
dem nicht verschließen, daß der Wunsch in weiteren Kreisen dahin gef . unsere Insormatione quellen im Auslande möglichst zu stärken, und j - will in keiner Weise bestreiten, daß an einzelnen Orten geen n
Elemente sich finden werden, um in einem derartigen Beirat n
Konsul zur Seite zu stehen und dem Konsul vielleicht die Möglich .
zu geben, sich noch mehr Informationen zu verschaffen, als es bill der Fall war. Vom Standpunkte des Auswärtigen Amts würde nt gegen die Bereitstellung einer kleinen Summe kein Bedenken erhhn⸗
werden, um in geeigneten Fällen die Funktionen eines solchen Beittz ö zu erleichtern. Falls der Reichstag also den Wünschen zahlieih n
Handelskammern in dieser Beziehung ssich anschließen sollte, win wir versuchen, das Institut lebensfähig zu machen.
Amerika. ⸗ ö ( . Abg. Osel (entr): Die Tätigkeit unserer Konsuln un Handelsattachéz war bisher nicht zu verachten, und der Nachricht,
apparat darf nicht zu sehr kompliziert werden. Leider fehlt es oh
in unserer Handelsstatistik an Nachrichten über den indirekhn Warenaustausch zwischen Deutschland und dem Auslande. De Konsuln und Attachés sollten der Frage nachgehen, welche Wan indirekt durch den Zwischenhandel eingeführt werden. Wenn n darüber zuverlässige Nachrichten erhielten, könnten wir dieln Zwischenhandel ausschalten. Wie steht es eigentlich um die Rechtelan zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten? Eine Handch vertragsdebatte will ich nicht heraufbeschwören. boden ist eigentlich immer noch der alte preußisch⸗amerikanstz Vertrag vom Jahre 1828. Die Gültigkeit dieses Vertrages wiederholt von der Union bestritten worden. Grund, auf einen sicheren Rechtsboden zu kommen. seits wurde bestritten, daß der Vertrag Anwendung finde auf]
r . . J ; hin ö Deutschland. Die Artikel 5 und 9 sichern Deutschland nicht einm
die Meistbegünstigung. Ich frage den Staatssekretär, ob diese l sicherheit nicht in Zukunft beseitigt werden kann. Die Landwirsschet hat das größte Interesse, über die Getreidepreise möglichst umsmmz reiche und schnelle Auskunft zu erhalten, um danach ihren eigen Umsatz regeln zu können. Die bisherigen amtlichen Aulkänft reichen nicht aus, auch nicht die des Getreidemarktes. Viellethk
Siaatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. von Richthofen:
Der Herr Vorredner hat uns einige Aufgaben gestellt, von deln
ich sagen muß, daß sie nicht ganz leicht zu erfüllen sind. Zunätt
hat er den Wunsch geäußert, daß wir doch Ermittelungen über ng indirekten Export und Import anstellen sollen. Versuche in dien Richtung sind schon in weitem Umfang gemacht worden, zu eich greifbaren Resultat aber haben sie bisher nicht geführt, und fürchte, daß auch, wenn unsere Konsuln dazu noch mehr herangesoh werden, es doch nicht gelingt, den indirekten Export und Impeh genau festzustellen. Aber ich gebe dem Herrn Vorredner vollstin
recht darin, daß ohne den Mangel einer derartigen Statistih nn
Statistik für Import und Export im ganzen, besonders aber ah die jetzige Feststellung der Handelsbilanz noch bedeutend wertvelf sein würde.
Die zweite Aufgabe, die er uns gestellt hat, ist die Beit .
erstattung über Getreidepreise, die auch für die Zukunft gelten sollg Das, muß ich sagen, ist eine sehr schwere Aufgabe. Aber wenn t eine bessere Berichterstattung über die Getreidepreise der Verganhh heit meint, so werde ich nicht unterlassen, mich mit dem Herrn Stun sekretär des Innern und dem Herrn preußischen Landwirtschaftsminizh in Verbindung zu setzen.
Was die Rechtslage gegenüber Amerika betrifft, so mõchlt mich bloß auf die Erklärung beziehen, die der Herr Graf von Mo dowsky im vorigen Jahre an dieser Stelle abgegeben hat.
Abg. Kaempf (fr. Volksp.): Am 19. Januar d. J.
9 handelten wir hier die Interpellation wegen der Tätigkeit der Poll
agenten in Deutschland; damals wurde auch die Behandlung Sta, angehöriger jüdischen Glaubens in Rußland besprochen. Diese handlung hat in weiten Kreisen en und Erbitterung hen gerufen. So sehr vom Standpunkt der Menschlichkeit bedauerl] verurteilt werden muß, wie die russische Regierung ihre eigenen jüdistt Untertanen behandelt, wir können uns hier nicht darüber auelg⸗ weil der Staatssekretär sich sofort auf seine Inkompetenz zurüchiith könnte. Die Mangelhastigkeit der iu gn Juden gesetzgebij wird neuerdings a, von den russischen Behörden anerkannt, bis zur Beendigung des Krieges“ ist eine mildere Praxis empfol
Jetzt liegt der Amn
(Bravoh d es uns gelingen wird, kann ich allerdings nicht unbedingt versprch
Der jetzige Recht/!
Wir haben danach ala Amerilanisch ⸗
Freihnn
*
Aber die Behandlung deutscher Stagtsangehöriger in Ruß— ,,, auf einem anderen Blatte. Da kommen die Verfaffung und der Handelsvertrag mit Rußland in Betracht. Die deutsche Reichsverfassung gewährleistet allen Reichsangehörigen dem Auslande gegenüber den gleichen Schutz, und der Handelsvertrag kennt keinen Unterschled des Glaubeng,. Kommt aber ein Jude, der nach Rußland reisen will, auf das russische Konsulgt, um sich den Paß visieren zu saften, fo, wird auf diesen das russische Wert für Hebräer oder Jude geschrieben, und wehe dem deutschen. Juden, der sich mit solchem Paß der russischen Grenze nähert? Für ihn gilt das Wort, baz Dante über das Höllentor geschrieben hat; Las ciate ogni speranzat Der deutsche Jude muß dort für die Erlaubnis, kaufmännische Ge⸗ schäftsreisen zu machen, 800 statt 300 Rubel zahlen, und dabei ist ihm noch eine ganze Reihe russischer Probinzen verschlossen. So werden einfach die Bestimmungen des Handelsvertrages illusorisch gemacht. Jeder Unbill, jeder Schmach, jeder Demütigung ist er ausgesetzt pon dem Augenblick an, wo er die Grenze überschritten hat, bis er das gastliche Land wieder verläßt. In Kiem darf er nur in Hotels vierten Ranges logieren. Die schlimmsten Beispiele von Polizeischikanen werden aus Warschau und aus anderen xussischen Städten gemeldet. (Redner trägt einige dabon im Einzelnen vor.) Ganz besondere Verhältnisse bestehen in Südrußland im Gebiet der Don⸗-Kosaken; über die Behandlung, die dort dem deutschen Judeu zu teil wird, scheinen selbst unsere Konsularbehörden nicht ausreichend unterrichtet zu sein. Cin deutscher Großkaufmann aus München erkundigte sich beim deutschen Konsul in Rostow, ob er sich ohne Fährlichkeit zum Wolleinkauf nach Rostow begeben könne. Der Konsul antwortet aus⸗ weichend und verweist an das Generalkonsulat in St. Petersburg, das nach München erwidert, daß es nicht rätlich scheine, schon zu dem ange— gebenen Termin dorthin ju reisen; die Kosaken hätten zunächst ein Gutachten abzugeben und der Kriegsminister entscheide dann end⸗ gültig. Die Sache brachte noch weitere unglaubliche Scherereien mit sich. Wenn einer schließlich als einer der größten Wolleinkäufer die Aufenthaltserlaubnis erhält, so geht es denen, die das nicht von sich sagen können, weit schlimmer. Bekanntlich sind auch schon vielfach Fälle vorgekommen, wo nach Rußland engagierte Erzieherinnen ihre Stelle nicht antreten konnten. Selbst deutsche Gelehrte sind nicht in der Lage, nach Rußland zu reisen, weil ihnen das Paß⸗ visum nicht erteilt wird, wenn sie jüdischer Religion sind. Zu dem Aerjtekongreß in Moskau war ursprünglich nur nichtjüdischen Aerzten der Zutritt gestattet; erst auf Bruck vom Auslande wurde diese Regel durchbrochen. Nun wird man uns ent- gegenhalten, die deutschen Juden könnten nicht erwarten, in Rußland besser behandelt zu werden als die russischen Juden; man verwesst ja sogar auf eine analoge Bestimmung des Völkerrechts. Alle diese Einwürfe halte ich für unberechtigt nach der Verfassung und dem Handelsvertrag; wie Rußland seine Juden behandelt, mag seine Sache sein. Im Verhältnis zum Ausland gibt es bei uns nur Deutsche, nicht deutsche Christen und deutsche Juden. Ich hoffe, daß bei den
bevorstehenden Handelsvertragsverhandlungen der Staatssekretär diese
Grundsätze zur Geltung bringen wird, damit das stolze Wort von der Saalburg: Civis Germanus sum, nicht Halt zu machen brauche vor der Grenze des russischen Reichs.
Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin (d. kons.): Ein Angehöriger meines Wahlkreises ist im Burenkriege in Südafrika sechs . in englischer Haft gehalten worden, obwohl ihm nicht nachgewiesen werden konnte, daß er den Buren Hilfe geleistet hatte. Sein Schadensersatzanspruch ist abgewiesen worden, weil der betreffende Besitzer der Farm sich seiner nicht erinnerte. Das Auswärtige Amt wird hoffentlich in eine wohlwollende Prüfung der ihm von neuem unterbreiteten Sache eintreten; ich bitte, sich energisch der Interessen dieses Reichsangehörigen anzunehmen. .
Abg. Dr. Müller Meiningen (fr. Volksp.): Diese Ent schädigungsfrage ist seit drei Jahren nicht vom Fleck gerückt. Die deutschen Reichf angehörigen, die absolut neutral geblieben sind, können noch immer nicht zu ihrem Rechte kommen. Ein Artikel der ‚„Kölnischen Zeitung“ hat behauptet, daß diese Ansprüche vor einer Kommission zum Austrag gekommen und teilweise anerkannt worden sind; es scheint, daß diejenigen, die ihre Ansprüche be—⸗ weisen konnten, zufriedengestellt worden seien. Diese Zeitungs= nachricht ist nicht erwartet worden; ich behaupte ihr gegenüber, daß von 12 Millionen Ansprüchen nur 850 000 Ss oder 9 0½ oder noch weniger anerkannt worden sind, der Rest aber ist ohne Angabe von Gründen abgewiesen worden. Ein Rechtsanwalt Alfred Lach— mann aus Berlin war wegen schwerer Krankheit nach Südafrika ge—⸗ gangen und hatte sich dort als Rechtsanwalt niedergelassen. Er wurde gemein behandelt, von einem Offizier wegen seines Deutsch⸗ tums verhöhnt, in Kapstadt zwei Jahre interniert, kam um sein ganzes 11 900 66 betragendes Hab und Gut und hat durch das Generalkonsulat keinen roten Heller bekommen. Ich empfehle diesen Fall der besonderen Aufmerksamkeit des Staatssekretars. Wider alles Staats und Völkerrecht sind die Deutschen im Oranjestagt über⸗ haupt nicht entschädigt worden, und zwar in ihrer Eigenschaft als Drangeburen wie als Deutsche. Auch dagegen sollte das Auswärtige Amt eintreten. Ferner sind die Ansprüche der Evangelischen Missions⸗ gesellschaft Berlin J ohne irgend welche Angabe von Gründen abge— wiesen worden. Die streng loyale und neutrale Haltung unseres Auswärtigen Amts sollte die englische Regierung doch vor einer ein— seitigen Behandlung der Sache bewahren. Vielleicht schickt das Auswärtige Amt einen Spezial kommissar nach London, um die Ent— schädigungsansprüche unserer Landsleute zu vertreten, und zwar nicht allein in Südafrika. Wir sind Gegner eines krankhaften Chauvinismus, aber in Vertretung deutscher Interessen lassen wir uns von keiner Partei übertreffen.
Freiherr
Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr.
von Richthofen:
Meine Herren! Wenn ich zunächst die Frage wegen Samoa be— antworte, so ist es ja bekannt, daß Seine Majestät der König von Schweden und Norwegen, welcher das Schiedsrichteramt über diese zwischen Deutschland einerseits und England und Amerika ander⸗ seits schwebende Streitfrage übernommen hatte, die Frage in thesi zu Gunsten des Deutschen Reichs entschieden hat. Seine Majestät der König Oscar hat jedoch die einzelnen Schadensersatzansprüche nicht festgestellt, sondern diese Frage einer etwaigen zukünftigen Ent— scheidung vorbehalten. Es sind darauf Verhandlungen von uns mit den beiden anderen Mächten geführt worden, um, wenn möglich, zu einem Arrangement über die Höhe der uns von letzteren zu zahlenden Entschädigung zu gelangen. Die Gesamtsumme der deutschen Entschädigungsansprüche betrug 112 000 Dollars. Bisher haben sich die englische und die amerikanische Regierung auf Grund ihrer Berechnung bereit erklärt, zusammen die Summe von 26 000 Dollars zu zahlen. Dieses Angebot ist von unserer Seite als nicht ausreichend erachtet worden, und dies ist den beiden anderen Mächten mitgeteilt worden. Wenn wir auf diesem direkten Wege nicht zu einer Lösung der Frage kommen sollten, würden wir noch einmal Seine Majestät den König von Schweden und Norwegen anzugehen haben. Et hat sich übrigens hierbei wieder gezeigt, daß das Schiedsgerichtsberfahren zu einer schnellen Erledigung der Fälle nicht beiträgt; es ermöglicht zwar eine friedliche und schließlich auch zu allseitiger Beruhigung ausfallende Lösung, nicht aber eine schnelle Lösung.
Was nun Südafrika betrifft, so verstehe ich vollkommen die Schmerzen, die schon hier ausgesprochen worden sind. Ihr Urgrund liegt in der Auffassung der englischen Regierung von dem Rechts standxunkt, die wesentlich abweicht von der, die die Herren Redner hier vertreten haben. Die englische Regierung ist der Ansicht,
nicht zu irgend einer Ent⸗
daß sie völkerrechtlich überhaupt daß sie daher ihre Leistung
schädigung verpflichtet sei, und lediglich sx gratia erfolgen lasse. Dementsprechend hat sie eine Anzahl von Grundsätzen für die Bemessung der Ent— schädigungen festgestellt. Sie hat von der Entschädigung aus— geschlossen erstens alle diejenigen Fremden, die Bürger des Transvaal⸗ staates oder der Oranjerepublik gewesen sind, gleichviel, ob sie daneben eine andere Staatzangehörigkeit besessen haben oder nicht, zweitens alle, die sich nach Ansicht der englischen Regierung irgendwie eines Neutralitätsbruchs schuldig gemacht haben, und drittens alle Aktien⸗ gesellschaften und Gesellschaften überhaupt. Unter diese letzte Kategorie fallen die eben erwähnten Schäden, die den Missionsgesellschaften er⸗ wachsen sind; dagegen haben die einzelnen Missionare, wo die Sache danach lag, Entschädigungen erhalten.
Es sind im ganzen 532 deutsche Ansprüche angemeldet worden, wovon 283 durch die zuständige britische Kommission in Pretoria ab— gewiesen worden sind. Abgewiesen sind unter den 283 u. a. wegen Neutralitätsbruchs 66 und wegen nicht genügenden Nachweises der Reichsangehörigkeit 55. Andere Reklamanten sind wesentlich deshalb abgewiesen worden, weil sie den Burenstaaten als Bürger angehört haben. Der Geldwert der gesamten deutschen Forderungen belief sich auf 11 Millionen Mark. Hiervon sind einschließlich der auf die britischen Militärempfangsscheine gezahlten Beträge 1832 000 ½ zu⸗ gebilligt worden, also rund 1609/0. Hierauf sind bisher etwa z ange⸗ zahlt worden, das letzte Drittel steht noch aus.
Nun ist in einer der vorigen Sitzungen behauptet worden, daß die anderen Länder ganz andere Resultate erlangt hätten. Demgegen⸗ über möchte ich konstatieren, daß Italien 160½, Frankreich 9o / 9 Ruß⸗ land 2, Holland 8, die Türkei 11, die Schweiz etwas mehr, nämlich 20 0s0 — sie war durch unseren Bevollmächtigten mitvertreten —, erlangt hat. Wir haben selbstverständlich im Interesse der deutschen Reklamationen getan, was in unseren Kräften stand. Einer derjenigen Fälle, in denen es nicht möglich war, die Forderung durchzusetzen, ist einer von denen, die der Herr Abg. Graf Reventlow letzthin hier erwähnt hat, nämlich der Fall Diehl. Diehl war zunächst beschuldigt, einen Burendepeschenreiter beherbergt zu haben; er wurde verhaftet, aber gegen eine Kaution von 50 Pfund freigelassen; diese Kaution ist ihm nicht, wie Herr Graf Reventlow hier sagte, einbehalten, sondern durch Vermittelung des Kaiserlichen Generalkonsuls in Kapstadt zurück— gejahlt worden. Diehl ist von der Kommission, soweit sich hat fest⸗ stellen lassen, abgewiesen worden, weil er seit mehr als 10 Jahren Transvaalbürger gewesen ist. Nach ihrer vorhin erwähnten Rechts—⸗ auffassung hat die englische Regierung den Schadensersatz abgelehnt.
Etwas anders liegt der Fall Tilemann, den der Herr Graf Reventlow ebenfalls erwähnt hat. In diesem Falle behauptet die englische Regierung, Dr. Tilemann, der als Arzt bei der deutsch— belgischen Ambulanz tätig gewesen ist, habe sich eines Neutralitäts— bruchs dadurch schuldig gemacht, daß er bezahlter Burenarzt gewesen sei. Außerdem habe er eine Zeitlang zwei englische Ambulanzwagen geführt, die den Engländern von den Buren fortgenommen worden waren, und im allgemeinen ist vielleicht noch nachteilig für den Re—⸗ klamanten in die Wagschale gefallen, daß im südafrikanischen Kriege mit dem Roten Kreuz Mißbräuche getrieben worden sind, die bei den Engländern ein gewisses Vorurteil gegen einzelne Ambulanzen be— gründet haben. Jedenfalls glauben wir, daß, da Dr. Tilemann die tatsächlichen Vorgänge bestreitet, in diesem Fall noch nach Möglichkeit versucht werden muß, eine Abänderung der Entscheidung herbeizu— führen, welche die Central Judicial Commission in Pretoria ge⸗ fällt hat.
Ebenso liegt der Fall Radmann, der soeben vom Herrn Abg. von Böhlendorff erwähnt wurde. Auch da ist angenommen worden, daß Radmann sich eines Neutralitätsbruchs schuldig gemacht hat. Man hat ihn verhaftet und später auf Kosten der englischen Regierung nach Deutschland geschafft. Wir werden versuchen, auch diese An⸗ gelegenheit weiter zu betreiben.
Es ist ferner vor einigen Tagen hier gesagt worden, daß wir in der Wahl der Vertreter wenig glücklich gewesen wären. Wir haben zunächst einen recht tüchtigen Juristen nach Südafrika abgesandt, um die deutschen Ansprüche sowohl in tatsächlicher Beziehung als auch juristisch im einzelnen vorbereiten zu lassen. Nach allem, was wir gehört haben, ist diese sehr mühsame Arbeit gut und zweckentsprechend durchgeführt worden. Wir haben dann mit der Vertretung der Reklamationen den Vizekonsul Reimer beauftragt, und da möchte ich gerade für diesen außerordentlich fleißigen und tüchtigen Beamten noch besonders be⸗ merken, daß nach unserer Ansicht sein Auftreten vor der Kommission in Pretoria sehr geschickt und sachgemäß war. Wir haben auch von privater Seite Urteile darüber. So liegt mir hier ein Schreiben vor, das der Vertreter einer großen Kammgarnspinnerei, der sich lange in Südafrika aufgehalten hat und auch geschäftlich dort tätig war, dessen Reklamation übrigens nur zum Teil anerkannt worden ist, an uns gerichtet hat. In diesem Schreiben heißt es:
Ich habe Gelegenheit gehabt, den Herrn Konsul Reimer in Natal persönlich kennen zu lernen, und bin erstaunt gewesen, in welchem Grade besagter Herr — beim ersten zufälligen Zusammen⸗ treffen auf der Straße und Erwähnung meines Namens — mit meiner Angelegenheit und der von mir vertretenen Kammgarn spinnerei vertraut gewesen ist.
Herr Konsul Reimer hat mir seinerzeit die gewünschten Aus— künfte, soweit es in seiner Macht lag, in liebenswürdigster und sachlicher Weise gegeben und Rat erteilt, und glaube ich annehmen zu dürfen, daß die Bearbeitung der Schadensersatzansprüche momentan nicht in besseren Händen liegen könnte.
Das ist das Urteil eines Interessenten. Nach allem, was wir über die Tätigkeit des Konsuls Reimer gehört haben, glauben wir das als gut verbürgen zu können, was er getan hat. Im übrigen werden einzelne Fälle noch an Ort und Stelle aufzuklären und die von Reklamanten eingereichten Beschwerden gegebenen Falls vor die etwa zu schaffende Appellinstanz in Südafrika zu bringen sein. Diejenigen Fälle, die auch auf diesem Wege keine befriedigende Lösung finden, werden wir auch der Anregung des Herrn Vorredners entsprechend, diplomatisch in London weiter zu betreiben versuchen. Es ist zweifel⸗ los, daß in diesen Dingen die unmittelbar Betroffenen schwer zu leiden haben, aber eine schnelle Erledigung solcher Schadenersatzangelegen⸗ heiten hat sich leider fast niemals erzielen lassen, weder von unk, noch auch von anderen Staaten.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einen Punkt berühren, nämlich einen Vorwurf, den der Herr Abg. Graf Reventlow hier in Form einer persönlichen Bemerkung am Schlusse einer der letzten
Sitzungen ausgesprochen hat. Er hat von einem „traurigen Verhalten“ des Konsuls Nels gesprochen und gesagt, der Herr Reichskanzler würde wohl wissen, worum es sich dabei handle. Wir haben uns erst fragen müssen, welcher Vorfall wohl in Frage stehen könnte, und sind schließlich auf nichts anderes gestoßen, alg auf eine Verhandlung, die im De⸗ zember 1900 hier stattgefunden hat, und in der Konsul Nels beschuldigt wurde, daß er im Juli 1900 bei der Massenausweisung von Aus ländern aus Pretoria nicht genügend in Tätigkeit getreten wäre. Ich habe damals folgendes gesagt:
Die Massenausweisung hat am 13. Juli Abends stattgefunden; am 14. Juli früh hat der Konsul Nachricht erhalten; er hat sich sofort ins Gefängnis begeben, viele der Leute vernommen und alle Ermittelungen angestellt, damit die Bürgschaft, welche der Konsul übernehmen sollte, daß die Leute einwandsfrei und mit genügenden Existenzmitteln versehen seien, in möglichst vielen Fällen von ihm gegeben werden konnte. Am 15. Juli bekam er die Nachricht, daß der ganze Transport Nachmittags? Uhr abzugehen habe. Es haben ihm also nur 30 Stunden zu Gebote gestanden mit einem geringen Personal, und wenn Sie das in Betracht ziehen, werden Sie die Leistung des Konsuls nach den Ziffern, die ich Ihnen mitteilen werde, als besonders befriedigend betrachten.
Diese Ziffern sind folgende: Es sind freigegeben worden von 46 damals verhafteten Deutschen 26. Ferner hatte der Konsul Oesterreich⸗Ungarn, die Schweiz und Italien zu vertreten. Von 73 verhafteten Oesterreichern und Ungarn hat er 12 frei bekommen, von 2 Schweizern 1, von 75 Italienern 20, im ganzen von 196 Festgenommenen 59. Auf Veranlassung des französischen Konsuls waren von 6 verhafteten Franzosen 4, von 80 Russen 4, von 15 Griechen 5h· freigelassen, im ganzen von 101 Verhafteten 13. Auf Veranlassung des Konsuls der Vereinigten Staaten von Amerika wurden von 8 Verhafteten 2 freigelassen. Von 12 Niederländern wurde keiner freigelassen, weil der nieder⸗ ländische Konsul von der Militärbehörde nicht rechtzeitig benachrichtigt wurde. Abgesehen von dieser danach nicht in Betracht kommenden Ziffer sind durch die Bemühungen des deutschen Konsuls freigekommen ö oso der verhafteten Deutschen, 30 0 aller seiner Schutzbefohlenen, durch die des französischen 12 und des Konsuls der Vereinigten Staaten 25 0.
Daran möchte ich erinnern, andererseits aber auch bemerken, daß diese meine Aeußerungen aus Kreisen des Alldeutschen Verbandes selbst Zustimmung erhalten haben, von dem damals die Klagen aus—⸗ gegangen waren. Denn die Ortsgruppe Johannesburg hat dem Konsul Nels eine Ehrenerklärung ausgestellt, in der es ausdrück ich
heißt: Daß der Konsul in der Zeit vom 14. zum 15. Juli 1900 alles getan hat, was in seiner Macht stand, und daß es ihm ge— lungen sei, von allen dortigen Konsuln den höchsten Prozentsatz von Schutzbefohlenen vor der Ausweisung zu bewahren.
Das ist der Fall, den der Herr Abg. Graf zu Reventlow als ein trauriges Verhalten“ des Konsuls dargestellt hat.
Ich möchte bei diesem Anlasse folgendes herorheben: Das Ansehen der Konsuln draußen und unserer Vertreter im allgemeinen wirkt zurück auf die Stellung jedes einzelnen Deutschen im Auslande, und ich möchte auch diesem hohen Hause anheimgeben, die Stellung unserer ausländischen Landsleute nicht dadurch zu schädigen, daß grundlos ein Vertreter des Deutschen Reichs beschuldigt wird, seine Pflicht vernach⸗ lässigt zu haben.
Abg. Graf von Kanitz: Ich möchte Beschwerde führen über die Paßvorschriften für den Verkehr auf dem Niemen von Memel bis Kowno. Früher durfte eine ganze Schiffsmannschaft auf einen Paß die Grenze überschreiten. Im vorigen Jahre wurde verordnet, daß jeder Schiffer für sich allein einen Paß haben muß Diese Vor⸗ schrift ist um so beschwerlicher, als der Paß recht kostspielig ist, nämlich vier Rubel kostet. Bei der jetzigen Leutenot fällt diese Belästigung durch das Paßwesen sehr ins Gewicht. Es findet auch eine Differenzierung insofern statt, als die russischen Schiffer bei uns solcher Belaͤstigung nicht unterworfen sind. Viel leicht würde es wirken, wenn den Russen dieselbe Belästigung an- gekündigt würde, zumal da jährlich 40⸗ bis 42 000 russische Schiffer die Grenze passieren. Meine zweite Beschwerde bezieht sich auf die Erschwerung unserer Wareneinfuhr nach Rußland. Mit den Befug—= nissen der russischen Zollämter ist es außerordentlich verschieden best llt, es gibt sechs verschiedene Arten. In unseren Verhandlungen mit Rußland sollte dem Bedürfnis des Grenzverkehrs mehr ? echnung getragen werden. Für die deutschen Exporteure ist es sehr mißlich, daß sie ihre Waren nur an wenigen Punkten über die Grenze bringen können, während den Russen unsere ganze Grenze offen steht.
Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor im Auswärtigen Amt von Frantzius: Meine Herren! Ich erlaube mir, auf die süͤdafrikanische Angelegenheit noch einmal zurückjukommen, um auch den Fall Lachmann zu besprechen, den der Herr Staatssekretär zur Sprache zu bringen übersehen hat, und er hat mich beauftragt, ibn noch zu erwähnen. Der Fall Lachmann genießt unsere vollste Sympathie. Wir nehmen an, daß hier nicht bloß ex gratia, sondern auch völkerrechtlich die englische Regierung zu einem Ersatz verpflichtet ist, weil in diesem Fall die Festnahme und die Abführung des Herrn Lachmann in die Kriegsgefangenschaft ohne jede militäͤrische Notwendigkeit geschah. Wir haben der großbritannischen Regierung keinen Zweifel darüber gelassen, wie wir die Sache auffassen. Die Verhandlungen schweben indessen noch, und wir hoffen, daß, wenn wir ihr noch weiter die Umstände des Falles und wie die Sache liegt, auseinandersetzen, es uns gelingen wird, sie noch zu einer Anerkennung der Ansprüche zu bewegen. Sodann sind von einigen Herren russische Paßbeschwerden zur Sprache gebracht. Was zunächst die Paß beschwerde betrifft, die Herr Abg. Graf von Kanitz besprach, so ist mir diese neu; ich habe heute zum ersten Male von ihr gebört, und soweit ich im Augenblicke feststellen konnte, ist sie uns völlig un⸗ bekannt. Wir werden natürlich bemüht sein, sofort festzustellen, was ihr zu Grunde liegt, und Abhilfe zu schaffen, soweit es möglich ist, um diesen braven Schiffern den Verkehr und den Betrieb ihres Ge= werbes nach Möglichkeit zu erleichtern. Was die andere Paß angelegenheit betrifft, nämlich die Behandlung der Juden in Rußland, so kann ich nicht das Gleiche bebaupten, daß wir nichts von diesen Be- schwerden wüßten: sie sind sehr bäufig und regelmäßig eingegangen. Der Herr Abg. Kaempf hat mir die Erwiderung insofern erleichtert, als er bereits die Bestimmungen des Handelsvertrags verlesen bat, auf die es ankommt. Ich möchte von diesen Bestimmungen nur eine etwas mehr be- tonen als er; das ist Artikel l, Absatz?, des Vertrags, worin es beißt, daß durch die vertragsmäßigen Bestimmungen die besonderen G setze, Erlasse und Verordnungen auf dem Gebiete des Handels, der Gewerbe und der Polizei nicht berührt werden, die in jedem der beiden dertrag schließenden Länder gelten oder gelten werden und auf alle Ausländer Anwendung finden. Zu diesen Bestimmungen rechnet die russt Regierung auch die Gesetzgebung über Ne Juden. Der Herr geordnete hat bereits erwähnt, daß die Juden in Nußland nicht die gleichen Rechte genießen wie die Nichtjuden, und daß sie mannig ⸗ faltigen Aufent haltsbeschränkungen unterworfen sind. Diese Be⸗ schränkungen gelten in gleicher Weise für die ausländischen wie die inländischen Juden, und zwar für alle. Es ist gelegentlich wobl einmal behauptet worden, daß England oder Amerika sich solche schlechtere