1904 / 95 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Apr 1904 18:00:01 GMT) scan diff

die Mittel der Sparkassen liuider gehalten werden müssen, aber wir haben doch Bedenken gegen einen derartigen Eingriff in die Selbst⸗ verwaltung. Die Sparkassen wurden die Paplere doch wieder auf den Markt werfen müssen. Außerdem würden die Sparkassen, wenn ihnen solche . aufgezwungen werden könnten, unter ÜUmständen den Zinsfuß herabsetzen müssen; es würde also das Publikum geschãdigt; und das will man zu derselben Zeit in die Wege leiten, wo man laubt, durch günstigere Bedingungen den Sparfinn des Publikums 66 zu sollen.

Abg. Dr. Friedberg (nl): Unter den Gründen für die Heranziehung der Sparkassen bei Begebung von Staatzanseihen steht der obenan, daß in den Vepositenverkehr bei uns noch ein mehr fluktuierendes Element hineinkommen muß. Der dreiprozentige Typus ist etwas ungewöhnlich, die Leute rechnen nicht, sie glauben, sie be⸗ kämen nur 3 Go, und das ist ihnen zu wenig. Ich stelle anheim, einen anderen Typus der Emission zu wählen. Daß die Sparkassen ihre Reserven in Hypotheken anlegen, und zwar in solchen, die weit außerhalb ihres Gesichtskreises liegen, ist bedenklich. Der vom Finanz⸗ minister angekündigten Ausgabe von Schatzscheinen können wir nur zustimmen. Ueber die Erhöhung des Kapitals der Seehandlung kann man verschiedener Ansicht sein, aber wir werden nach den bisherigen Erfahrungen gut tun, die Leistungsfähigkeit der Seehandlung zu er⸗ halten. Mit der Verlegung des Oberpräsidiums von Schleswig nach Kiel wird man doch sehr vorsichtig sein müssen, denn es kommt' dabet auch die Organisation in Frage. Was die Polenpolitik betrifft, so habe ich nur immer gehört, daß der Boykott von Polen ausgegangen ist. Der Redner der polnischen Fraktion stellte die Oslmarken— zulage als eine Belohnung hin. Das ist eine Beleidigung des Freußischen Beamtentums, die wir uns aufs schärfste verbitten müssen. Die Scherze über Aeußerungen von Beamten fallen, wenn sie ernst zu nehmen sind, auch unter die Beamtenbeleidigungen. Der er— wähnte Postbeamte hat sich mit vollem Recht beleidigt gefühlt, denn es liegt darin eine schwere Verdächtigung seiner Pflichterfüllung als Beamter. Wenn der polnische Redner die Ostmarkenzulage und den Bau eines Theaters in Thorn gewissermaßen auf den Satz zuspitzt: panem et circenses, so ist das eine aufhetzende Manier. (Praͤsident von Kröcher untersagt diesen Ausdruck) Wenn gefagt wird, seit 1863 seien die Polen von der Revolution zur Evolution ũher⸗ gegangen, so bedeutet das nichts anderes als bei den Sozial demokraten: die von Revolution sprechen, wollen die Sache fofort machen; die von Epolution sprechen, sagen: wartet nur, in ein paar Jahren wird die Sache schon gemacht werden. Es ist eines der größten Verdienste des Fürsten Bismarck, daß er uns klare, realistische Ziele steckte; er hat uns gesagt, daß wir durch die

örderung des Polentums unsere Gegner fördern. Der polnische Bauer hat das Bild des Fürsten Bismarck wohl nur aufgehängt, nicht um ihn zu ehren, sondern weil das Nationalgefühl durch sein Beispiel gestärkt ist. Wir hängen das Bild Bismarcks auf, weil es unser nationaler Heros ist und namentlich weil er in der Polenpolitik uns richtige Wege gezeigt hat. Wir verlangen, daß die Polen gute Staatsbürger werden und sich in unsere Verhältnisse einleben, anstatt einen Staat im Staate bilden zu wollen. Eine Sonderstellung, wie sie die Polen in Galizien haben, werden wir ihnen nicht einräumen. Und wenn sie sich nicht darein finden, werden wir ihnen begreiflich machen, daß sie preußische Staatsbürger sind.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Ich wollte nur eine Antwort geben zu einer etatrechtlichen Frage, welche der Herr Abg. Dr. Friedberg an uns gerichtet hat hinsichtlich der eventuellen Verlegung des Oberpräsidiums nach Kiel. Die Königliche Staatsregierung ist mit dieser Frage überhaupt noch nicht befaßt gewesen, und es kann daher eine Erklä⸗ rung weder pro noch contra gegenüber dieser Eingabe der Stadt Schleswig beziehentlich dem Beschlusse des Provinziallandtags ab⸗ gegeben werden. Das aber darf ich zusagen, daß, wenn eine Ver- legung überhaupt in Betracht kommt, sie jedenfalls nur in Gemein— schaft mit diesem hohen Hause erfolgen würde, da die Verlegung ja notwendig finanzielle Konsequenzen haben müßte, wenn auch nicht im ersten Jahr, so doch in den folgenden Jahren.

Abg. von Klitzing (koens): Meine Partei Polenpolitik der Regierung. Ich weise es. zurück, markenzulage das Tageslicht zu scheuen habe. Man hatte ge⸗ hofft, daß die Polen sich allmählich mit dem Gedanken abfinden wurden, daß sie preußische Staatsbürger sein müssen; aber nach der heutigen Rede des polnischen Vertreters ist diese Hoffnung wieder geschwunden. Die Hand des Grafen Caprivi haben dse Polen abgelehnt, weil es nicht die ganze Hand war. Die Polen wollen also nur einen Frieden, bei dem alle ihre Forderungen erfüllt sind, das heißt, wenn ihr Gegner vollständig zu Boden geschlagen ist. Der Finanzminister hat uns in seiner Etatsrede ein glänzendes Bild gegeben, aber in weiten Kreisen unseres Landes ist diefe Rede doch mit einem bitteren Beigeschmack gelesen worden. Es muß eine allmähliche Entschuldung des Landes eintreten; die Amortisations⸗ beiträge müssen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer in Abzug gebracht werden können. Die Belastung in den Kreisen und Kommunen bat im Osten eine besorgniserregende Höhe erreicht. Wir im Osten haben einen armen Boden zu bearbeiten. Niemals hat es mit mehr Recht zu spaͤt‘ ge⸗ heißen als jetzt bei ung im Osten. Für den Westen sst recht⸗ jeitig gesorgt durch Eisenbahnen, Chausseen usw. Dle kleinen Städte im Westen haben sich den modernen Anforderungen allmählich an— passen können, die Städte im Osten sollen alles dies und die damit verbundenen Lasten mit einem Male nachholen. Die sozialpolitischen Lasten für die Arbeiterversicherung haben im Ssten einen Umfang an⸗ genemmen, der allen vorherigen Berechnungen Hohn spricht. Dazu kommt der Arbeitermangel im Osten. Die Provinz Ostpreußen hat in 20 Jahren einen Verlust von 440 000 Köpfen durch Abwanderung gehabt. In den letzten fünf Jahren sind 146 608 Köpfe abgewandert. Von den 440 006 find nur 36 000 nach über⸗ seeischen Ländern ausgewandert; es handelt sich also haupt⸗ sächlich um die Abwanderung innerhalb unseres Landes. Während 1900 30 000 zum Militär gestellt werden konnten, waren es 1901 nur noch 23 000 Mann. Dagegen hat sich die Zahl der Schulkinder um 8.3 0 vermehrt, also stärker als in anderen Provinzen. Die Folge dieser Verhältnisse ist eine enorme Zunahme der Ver schuldung und Steigerung der Abgaben. Kommunalsteuern von 300 der Staatesteuern sind nicht selten. Man hat darauf hingewiefen, daß die Grundsteuer aufgehoben ist; aber für die Arbeiterbersiche⸗ rung muß der doppelte Betrag der früheren Grundsteuer auf⸗ gebracht werden. Geholfen werden kann uns nur dadurch, daß uns HVandelsverträge gegeben werden, bel denen die Landwirtschaft prospe⸗ rieren kann. Als Preußen am schlimmften darniederlag, war es Ost⸗ preußen, das sein Gut und Blut für das Vaterland opferte. Ost⸗ Preußen ist zweimal die Wiege des Preußentums gewesen, einmal bei der Gründung und dann bei der Wiedererhebung von der Herrschaft Napoleons. Der Staat gibt allerdings für Meliorationszwecke alljährlich Summen aus; aber es ist gerade vom Standpunkt des Staats bedenklich, daß die Ausgaben für diese Zwecke im Westen fast ebenso hoch sind wie im Osten; denn das ist geradezu eine Strafe für die armen Provinzen. Die Beamten, die sich mit den wirtschaftlichen Maßnahmen zu beschäftigen haben, sollten einen Kurfus in kanfmännischen Geschaͤften durchmachen, damit sie das praktische Leben kennen lernen! Der Redner geht dann auf die Tätigkeit der Generalkommissionen und die innere Kolonisation ein, wird aber vom Präsidenten von Kröcher ersucht, sich mehr an den Etat des Finanzministerlums zu hallen. Der Redner schließt mit dem n he daß die Regierung für die Provinz Ostpreußen die Mittel übrig haben möge, um sie lebengfähig zu erhalten. ͤ

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Meine Herren! Die Rede meines alten Freundes, des Herrn von Klitzing, entsprach, alaube ich, mehr seinem guten Herzen als

unterstützt die daß die Ost⸗

hat, Schleswig⸗Holstein 6, Hannover 33,

der Geschäftslage dieses hohen Hauses. (Große Heiterkeit) Und wenn er unseren Beamten den Vorwurf gemacht hat, daß sie vielfach nicht wüßten, daß Zeit Geld ist, so will er mir in aller Bescheiden⸗ heit gestatten, ihm den Vorwurf wiederzugeben. (Große Heiterkeit.) Im übrigen, meine Herren, kann ich, um zur Sache zu kommen, Herrn von Klitzing es durchaus nicht verdenken, daß er mit Ernst die Entwickelung seiner Heimatprovinz, der Provinz Ostpreußen, ver⸗ folgt; denn in der Tat ist namentlich die Abwanderung, die in Ost—⸗ preußen stattgefunden hat, ein Gegenstand, der jeden Staatsmann und Vaterlandsfreund mit ernster Besorgnis erfüllt. (Sehr richtig!) Herr von Klitzing hat dann ausgeführt, daß unsere preußischen Könige stets rois des gueux gewesen seien, daß sie sich stets der notleidenden Personen wie der notleidenden Landesteile in besonderem Maße angenommen haben, und ich halte es für meine Pflicht, gegen⸗ über den beweglichen Klagen, die Herr von Klitzing ausgesprochen hat, darauf hinzuweisen, daß die preußischen Könige und die ihnen unter— stellte Regierung auch im vorliegenden Falle dieser Pflicht nachkommen. Wir sind in der Tat, meine Herren, in außerordentlichem Maße mit staatlichen Mitteln für die Provinz Ostpreußen eingetreten. Darf ich z. B. allein auf dem Gebiete des Volkeschulwesens erwähnen, daß wir in den fünf Jahren von 1898 bis 1902 nicht weniger wie 30 Millionen Mark für das Elementarunterrichtswesen in Ostpreußen ausgegeben haben. (Hört, hört! links.) Das macht über 6 Millionen Mark im Jahre. (Hört, hört! links Meine Herren, nun bringt die ganze Provinz Ostpreußen noch nicht 5 Millionen Mark an Ein⸗ kommen- und Ergänzungssteuern auf. (Hört, hört! links) Allein auf dem Gebiete des Volkosschulwesens leistet also der Staat schon erheblich mehr als er seinerseits von der Provinz erhält. Im Re⸗ gierungsbezirk Gumbinnen bildet beispielsweise im Jahre 1901 die Leistung des Staats für die Vollsschule auf je 100 S ς der Ein⸗ kommensteuer 2657 und in Königsberg auf 100 „s Einkommen⸗ steuer 124 4 Meine Herren, das sind sehr erhebliche Leistungen.

Meine Herren, ich gehe über zu der Frage der Landesmeliorationen. Dort haben, wie Herr von Klitzing auch schon ausgesprochen hat, in immer steigendem Maße Staatsmittel bereit gestanden; obwohl es sich nur um provinzielle Meliorationen im allgemeinen handelt, für die also die Mittel von der Provinz selber aufzubringen sind, hat der Staat sich in immer steigendem Maße daran beteiligt, und wie der Herr Vorredner schon ausführte, ist es dahin gekommen, daß wir uns jetzt an Meliorationen mit 5h beteiligen, während die Provinz sich nur mit 3 beteiligt. In den letzten 19 Jahren haben wir für Landes— meliorationen für nahezu 5. Millionen Mark Staatsbeiträge an Ost— preußen gegeben. (Hört! hört! links) Ostpreußen steht an der Tete des ganzen sogenannten Ostfonds, aus dem Ostpreußen immer den größten Teil empfängt. (Hört! hört! links.)

Und, meine Herren, wie verhält es sich denn mit den Eisen⸗ bahnen? Von den Aufwendungen, die der Staat in den letzten 10 Jahren für Eisenbahnen gemacht hat, steht Ostpreußen durchaus an der Spitze. Wir haben von 1893 bis 1903 zum Bau von 4500 Km staatlicher Nebeneisenbahnen 485 Millionen Mark auf⸗ gewandt. Davon entfallen auf die Provinz Ostpreußen 671 km gleich beinahe 15 0 mit einem Baukapital von 67 Millionen Mark gleich beinahe 14 o. Auf die einzelnen Provinzen entfallen: Ostpreußen 67 Millionen, Westpreußen 58 Millionen, Pommern 29, Posen 34, Schlesien bb, Brandenburg 19 Millionen, in Summa die 6 Ostprovinzen zusammen 265 Millionen. (Rufe rechts: Die andern hatten sie schöon! Rufe links: und der Westen! ?) Im Westen stellt es sich so, daß Sachsen 11 Millionen bekommen Westfalen 45, Hessen— Nassau 37 und die Rheinprovinz 565 Millionen, in Summa der Westen 190 Millionen gegen 265 im Osten. Jedenfalls, glaube ich, meine Herren, kann man sagen, daß wir in sehr erheblichem Maße die Provinz Ostpreußen bedacht haben.

Es kommt dazu das Dotationsgesetz, das ganz absichtlich so ein⸗ gerichtet worden ist, um die östlichen Landesteile ihrer geschwächten Leistungsfähigkeit entsprechend höher zu dotieren, und daß aus diesem Dotationsgesetz die Probinz Ostpreußen 1 200 000 M alljährlich erhält.

Nun, meine Herren, über die einzelnen Punkte, die der Herr Abg. von Klitzing hier erörtert hat, mich hier auszusprechen, das, glaube ich, muß ich mir versagen, weil sie auch zum großen Teil in den Geschäftebereich anderer Ministerien entfallen. Wollte ich für die Provinz Ostpreußen eine bestimmte Zusage machen, so bin ich überzeugt, daß am nächsten Tage die Herren Landesdirektoren von Westpreußen, Posen und allen übrigen Provinzen mit ihren gesamten Provinzen bei mir erscheinen (sehr richtige, und bei Gefahr des Kopfes oder des Geld⸗ beutels wahrscheinlich würde ihnen der letztere lieber sein mich bitten würden (Heiterkeit), genau dasselbe zu tun wie für Ostpreußen. Aber, meine Herren, ich mache für meine Person doch eine Ausnahme ju Gunsten von Ostpreußen, und zwar in der Frage der inneren Kolonisation. Ich bin in der Tat, wie ich eingangs sagte, der An— sicht, daß dieser ständige Rückgang der Bevölkerung in Ostpreußen, einer unserer besten Provinzen, doch zu sehr ernstlichen Besorgnissen Anlaß gibt. (Sehr richtig! rechts) Bei der vorvorigen Volkszählung wurde der Rückgang der ländlichen Bevölkerung noch aufgewogen durch eine gewisse Zunahme der städtischen Bevölkerung in Ostpreußen. Auch das ist bei der letzten Volkszählung nicht mehr eingetreten. Bei der letzten Volkszählung hat Ostpreußen in toto, Städte und Landgemeinde eingeschlossen, Stadt und Land abgenommen. Ich habe aus diesen Erwägungen im vorigen Sommer mich an den Herrn Minister für Landwirtschaft gewandt und ihm geschrieben, ju erwägen, ob wir nicht für Ostpreußen einen Versuch mit der Kolonisation machen wollen. Meine Herren, diese Frage der Kolonisation ist ja hier von verschiedenen Seiten angeregt worden. Ich würde es für einen Fehler halten, die Sache nun auf einmal an allen Enden anzugreifen. Wir würden eine Provinz gegen die andere ausspielen, die Ansiedler, die für eine Provinz bestimmt sind, der anderen wegnehmen, und vor allem, wir würden Westpreußen und Posen, die in erster Reihe berücksichtigt werden müssen, das An⸗ siedelungsmaterial entziehen, das wir jetzt gerne dorthin dirigiert haben möchten. Aber die Dinge in Ostpreußen sind doch, glaube ich, auf einen Punkt getrieben, daß man dort vielleicht in erster Linie die Kolonisation wieder in Angriff wird nehmen können. Ob man sie staatlich, ob durch eine geeignete Privatgesellschaft, die eine staatliche Förderung erfährt, ausführen läßt, ist ja eine Sache der näheren Erwägung. Ich möchte für meine Person beinahe den zweiten Weg für richtiger erachten. Ich habe, wie gesagt, mich im Juni vorigen Jahres an den Herrn Minister für Landwirtschaft gewandt, habe

allerdings keine Mittel in den Etat einstellen können, weil die An · forderungen von allen Seiten so kolossal waren, daß sich das nicht mehr machen ließ. Ich bin aber gern bereit, diese Anregung, die ich damal gegeben habe, erneut aufzunehmen und werde mich mit dem Herrn Ministe für Landwirtschaft abermals in Verbindung setzen nach der Richtum ob wir nicht wegen dieser gefahrdrohenden Abwanderung von On. preußen eine innere Kolonisation dort in Angriff nehmen.

Meine Herren, ich warne nur vor dem Glauben, als oh de Staat elnen Zauberstab hätte, der die ganzen Dinge auf einmal ändern kann. (Sehr richtig! links.) Ostpreußen leidet zu meinem tie fsten Bedauern unter der ganzen Ungunst der wirtschaftlichen Verhaͤltniss unter dem Aufblühen der Industrie im Westen, unter dem Nieder gang der Landwirtschaft im Osten. Das sind wirtschaftliche Mãchte die stärker sind wie wir selber; aber wie wir alles bisher getan haßen was wir tun konnten in Osspreußen, so werden wir auch ferner tun, was wir tun können, und wenn möglich auch die Kolonisation . Ostpreußen in Angriff nehmen. (ELebhaftes Bravo!)

Um 41 Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung hie 7! Uhr Abends.

Abendsitzung vom 21. April 1904, 71, Uhr.

Es wird die Beratung des Etats des Finanz ministeriums fortgesetzt.

. Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.: Sich mit den Polen noch weiter zu beschäftigen, hieße wahrhaftig unser⸗ Zeit vergeuden. Ich freue mich über die Stellung des Miniflers fur inneren Kolonisation und hitte ihn, seine Pläne sobald als möglich in die Tat umzusetzen. Ich komme nun zu den Sparkassen. Pies⸗ werden als kommunale Einnahmequellen immer nur einen geringen Teil ihrer Einlagen in Staats papieren anlegen können. Die Zeit. hat zudem gezeigt, daß die Konversion unsere⸗ Staatsanleihen ein schwerer Fehler war. Die dreipro entige Ver, zinsung ist dem größten Teil der Bevölkerung nicht lockend genug, größere Summen darin anzulegen. Ferner glaube ich, daß der Hen Abg. Oeser recht hat, wenn er sagt, daß seit Einführung des Umsatz, stempels so gut wie keine vorübergehenden Anlagen in Konsols un Reichsanleihen gemacht sind. Sie haben beträchtlich ihre Flüssigken einge hüß! Ferner hat die Aufgabe des Vorzugs der Lom bardierung in Reichs und Staatsanleihen dazu bei getragen, den Mart dieser Papiere zu verringern. Die großen Banken legen seitdem nicht mehr große Summen, in ihnen an. Schließlich ist heute die Kontermine durch die Großbanken völlig ausgeschaltet, sodaß Kursstürze eintreten, die in den tatsächlichen Verhältnissen' kein Begründung haben. Diesen kann die Seehandlung entgegentreten, sofern sie das genügende Kapital erhält. Wenn sie die Diskontpoliti der Reichsbank kreuzte, so müßte deren Präsident pflicht gemäß dagegen Einspruch erheben. Er hat es aber nie getan. Ueber diesen Vorwurf könnte man endlich zur Tage?ordnung übergehen Beseitigt man die Ursachen der von mir angegebenen Be— schwerden, so wird man den Kurs zeitweise heben, dauernd aber, glaube ich, nur dann, wenn man den 3 olo igen Typus aufgibt. Ich komme nun zu den Regierungsbezirken. Es wäre falsch, diese jetzt einfach zu vermehren, nachdem die Entwickelung die Grundlagen auf, denen sie ruhen, verräckt hat. Das wäre keine organische Ent. wickelung, und die Regierung würde sich ein arges Armutszeugnis aus— stellen. Dezentralisation bis in die unterste Instanz ist notwendig.

. Abg. Wäinckler (kons. : Wir begrüßen die Aufhebung der' Ge bühren für die Eintragung ins Stagtsschuldbuch mit Freuden. Alles, was zur Unterbringung der Konsols bei kleinen Leuten geschehen kann wird unsere wärmste Unterstützung finden. Alles, was mit den Spar— kassen geschehen soll, wollen wir einzig und allein unter dem Gesichts punkt des Wohles der Sparkassen betrachtet wissen. Es ist ein un— gesunder Zustand, wenn die Sparkassen ihre Bestände zum größten Teil in Hypotheken festlegen; es würde gut sein, wenn, eventuel durch Gesetz, bestimmt würde, daß nur ein gewisser Teil i Hypotheken angelegt werden dürfe und ein anderer be⸗ stimmter Teil in Inhaherpapieren angelegt werden müsse. Aber damit dürfe die segensreiche Tätigkeit der Sparkassen, dem mittleren und kleinen Grundbesitz Darlehen zu geben, nicht beeinträchtigt werden. Gut wäre es auch, wenn die Sparkassen eine gewisse räumliche Ab⸗ grenzung erhielten. Falls ein Gesetz über die Sparkassen erlassen wird, müssen auch manche berechtigte Klagen der Sparkassenverwal— tungen berücksichtigt werden. Auf Grund des veralteten Reglemente von 1838 wird ein unangenehmer bureaukratischer Einfluß auf die Verwaltung in bezug auf, die Anlegung der Bestände geübt Es entsteht immer ein Streit darüber, zu welchem Zinsfuß die In haberpapiere eingestellt werden sollen, und bei allen diesen Schikanie— rungen kann man es den Sparkassenverwaltungen nicht verdenken, wenn sie viel in Hypotheken anlegen. Bei der gesetzlichen Reform möge sich die Regierung allein von den Interessen der Sparkassen leiten lassen.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: Meine Herren! Ich werde mich auf wenige Worte beschränken.

Ich bin mit dem Herrn Abg. Winckler vollkommen darin einverstanden daß die Maßnahmen für die Spakkassen allein diktiert werden können durch die Bedürfnisse der Sparkassen selber und insbesondere durch die Bedürfnisse der Sparer. Von diesem Gesichtspunkt bin ich auch heute morgen ausgegangen und habe mir erlaubt, darzulegen, daß die erste Rücksicht hinsichtlich einer zweckmäßigen Sparkassenverwaltung dahin gehen muß, daß der kleine Sparer unter allen Umständen sicher ist, sein Geld wieder zurückjubekommen, das er zu fordern hat, und daß hinter dieser primären Rücksicht die anderen Gesichtspunkte auf Er— zielung eines hohen Gewinns, auf möglichste Befriedigung des Real kredits nur in zweiter Linie kommen. Gerade aus diesem Gesichtt⸗ punkte der absoluten Sicherheit des Sparers heraus habe ich mir darzulegen erlaubt, daß meines Erachtens der jetzige Zustand bei vielen Sparkassen ein solcher ist, der dieser Rücksicht nicht entspricht. Ich habe dargelegt, daß nicht weniger als 30 unserer ganzen Sparkassen noch nicht 10060 ihrer Bestände in Inhaberpapieren angelegt haben, und daß sie also vollkommen außer stande sind, die Anforderungen der kleinen Sparer zu befriedigen, sowie mal ein Run, eine Panik, eintritt, und die Sparer an die Sparkasse kommen. Es ist von dem Abg. Rewoldt und der Abg. Winckler hat das auch erwähnt darauf hingewiesen worden, daß naturgemäß, wenn ein solcher Run eintritt, auch die Inhaberpapiere im Kurse sinken. Das ist vollkommen richtig, aber es besteht im allgemeinen die Möglichkeit, die Papiere zu lombardieren, wenn man sie nicht zu ver⸗ kaufen braucht; aber selbst, wenn man sie verkauft, und mit Schaden verkauft, so werden die Ansprüche der Sparer befriedigt, während, wenn eine Sparkasse ihren ganzen Bestand oder fast ihren ganzer Bestand in Hypotheken angelegt hat, die Sparer nicht einen Sechser bekommen, sondern sehen müssen, wo sie mit ihren Forderungen bleiben, das heißt, sie sind in Perioden der Krisen nicht imstande, dat Geld wieder zu bekommen, welches sie der Sparkasse anvertraut haben.

Der Abg. Winckler sagte ganz mit Recht, er glaube, daß sich die Interessen des Staates und der Sparkassen decken. Ich halte diest Auffassung für vollkommen richtig. Vom Standpunkte der Spar—

kassen ist es nötig, den höheren Bestand an Inhaberpapleren vor

zuschreiben, und in derselben Richtung liegt das Interesse des Staates an der Erhöhung des Kurses der Staatspapiere. Die beiden Rück. sichten decken sich vollkommen.

Der Abg. Winckler hat darauf hingewiesen, daß wir unser Sparkassenreglement von 1838 ändern und ein Sparkassengesetz vorlegen sollten. Ich habe mich als Minister des Innern mit einem solchen Sparkassengesetzentwurf eingehend befaßt und kann nur sagen, daß ich, je länger je mehr, Bedenken getragen habe, ein solches Sparkassengesetz vorzulegen, und zwar aus Rück⸗ sichten, die heute schon mehrfach angedeutet worden sind. Machen wir einen solchen Sparkassengesetzentwurf, so müssen wir allgemein bindende Vorschriften treffen, und diese Vorschriften werden vielfach die Bewegungsfreiheit der Sparkassen mehr einengen, als wünschens— wert ist. Die Verhältnisse der Sparkassen sind so außerordentlich verschieden in unserem Vaterlande, daß es kaum möglich ist, in einem Gesetze, das strikte Vorschriften enthält, alle diese verschiedenen Ver—⸗ häͤltnisse zu berücksichtigen.

Der Abg. Winckler ist dann noch auf zwei spezielle Punkte ein— gegangen, zunächst auf die Frage der Verwendung der Ueberschässe. Ich glaube, daß darin zum Teil etwas zu streng von den Aufsichtsbehörden verfahren wird. Allerdings suchen viele Sparkassenverwaltungen, nament- lich in den Städten, die Sparkassenüberschüsse dazu zu verwenden, ihren Steuerbedarf zu ermäßigen, anstatt sie für gemeinnützige Zwecke, die namentlich den unteren Klassen zugute kommen, zu verwenden. Der Gesichtspunkt ist doch der richtige, daß, wenn die Ueberschüsse der Sparkassen aus den Anlagen der kleinen Leute resultieren, die Ueber— schüsse auch dem kleinen Manne wieder zugute kommen sollen (sehr richtig), daß aber nicht die wohlhabenden Klassen dadurch entlastet werden. Das ist ein Gesichtspunkt ich erinnere mich dessen aus meiner Tätigkeit als Regierungspräsident —, daß die Sparkassen— überschüsse lediglich zur Entlastung des städtischen Säckels und zur Deckung der allgemeinen ordentlichen Ausgaben der Kommunen ver— wandt werden.

Das Zweite ist die Berechnung des Kurses der Staatspapiere. Das ist in der Tat ein Punkt, der sehr diskutabel ist. Ich gebe voll— kommen zu, daß es für Sparkassen sehr schmerzlich ist, daß sie, obgleich sie günstig gewirtschaftet haben, in einzelnen Jahren doch scheinbar keinen Ueberschuß erzielen, weil zufällig der Kurs der Staatspapiere und der anderen Inhaberpapiere gefallen ist, und sie eine ungünstige Bilanz aufstellen müssen. Andererseits so ohne weiteres abzuweichen von der Einstellung des Kurses in die Bilanz, hat auch seine Bedenken, denn man kommt, wie schon der Herr Abg. Oeser hervor⸗ gehoben hat, zu einer den augenblicklichen Verhältnissen nicht ganz entsprechenden Bilanz. Ich habe wegen dieser beiden Punkte, die der Abg. Winckler schon in der Budgetkommission zu erwähnen die Güte hatte, mich an den Herrn Minister des Innern gewandt, um zu er— wägen, wieweit man den Wänschen Rechnung tragen könnte. Jeden— falls glaube ich, daß man das tun könnte, ohne eine Gesetzesvorlage zu machen; ich glaube, eine Abänderung der Verwaltungspraxis würde nach dieser Richtung genügen.

Weshalb ich mich aber hauptsächlich zum Wort gemeldet habe, das ist das, um einen vollkommen irrigen Bericht über die heutige Sitzung in sämtlichen Zeitungen zu berichtigen. In dem Berichte steht, daß ich gesagt hätte, daß die Berliner Spar, kasse bei einer Gesamteinlage von 330 Millionen Mark nur 5! Millionen Mark in Staatspapieren angelegt habe. (Heiterkeit) Meine Herren, ich habe justement daz Gegenteil gesagt. Es wird ja sehr oft in den Zeitungen absolut falsch wiedergegeben, was wir hier berhandeln; aber etwas mehr Verständnis für das, was man sagt, müßte man doch erwarten. Ich habe genau das Gegenteil gesagt; ich habe ausgeführt, daß insgesamt die Steigerung der Bestände 345 Millionen im Jahre betrage und daß davon nur 9,5 Millionen in Staatsanleihen angelegt seien, daß die Stadt Berlin aber ein höheres und günstigeres Verhältnis der Anlagen in Staats, und Reichspapieren hat, sodaß, wenn man die Stadt Berlin außer Betracht läßt, dann der jährliche Zuwachs 330 Millionen beträgt, und von diesen 330 Millionen nur 54 Millionen in preußischen Staatsanleihen an— gelegt sind. Ich habe also die Verwaltung der Stadt Berlin nicht nur nicht getadelt, sondern in hohem Maße gelobt hinsichtlich der hohen Anlage ihres Bestandes in preußischen Staatspapieren, und ich halte es für meine Pflicht, gegenüber dieser Zeitungsdarstellung, die einen schweren Vorwurf gegen die Stadt Berlin enthält, dies richtig zu stellen.

Die Debatte wird hierauf geschlossen. des Ministers“ wird bewilligt.

Bei dem Titel „Oberpräsidenten“ weist

Abg. Macco (ul.) darauf hin, daß in Breslau eine neue Ober- regierungsratsstelle für einen Beamten geschaffen werde, der bei den behorstehenden Wasserbauarbeiten den Oberpräsidenten vertreten soll. Diese Stelle habe bei den technischen Beamten Erregung hervor— gerufen, weil im Widerspruch mit den früheren Erklärungen der Regierung ein Verwaltungsbeamter den Technikern vorgesetzt werde. Die Oderstrombauverwaltung sei eine rein technische Behörde, hier werde eine Zwischeninstanz zwischen dem Oberpräsidenten und dem Strombaudirektor geschaffen. ;

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Nach der Verordnung von 1889 ist die Strombauverwaltung keine selb— ständige Behörde, sondern dem Oberpräsidialrat unterstellt. Ich nehme an, daß der neue Oberregierungsrat in Breslau die Arbeiten zu erledigen . die nicht in die Tätigkeit des Strombaudirektors eingreifen, und daß dessen Selbständigkeit nicht berührt wird.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:;

Ich kann nur bestätigen, daß die Rechtsauffassung des Herrn Freiherrn von Zedlitz durchaus zutreffend ist. Der Oberpräsident von Schlesien hat dringend gebeten, ihm diesen administrativen Ober— regierungsrat beizuordnen. Ich brauche den Herren nicht mehr aus⸗ einanderzusetzen, in welchem Maße der Oberpräsident einer so großen Provinz, der so und so viele außerordentliche Aufgaben hat wie jetzt: die Regulierung der schlesischen Hochwasserflüsse, die Regulierung der Oder, seiner Nebenflüsse usw. in Anspruch genommen hat. Ich glaube, es liegt auf der Hand, daß er und der Oberpräsidialrat die Geschäfte nicht allein bewältigen können, und er wünscht gerade für die Ge— schäfte der Regulierung der Nebenflüsse, wie für die Regulierung der sonstigen Kulturfragen einen Stellvertreter, der ihn entlasten und ver⸗ treten kann. An der Tätigkeit, an der Stellung des Strombaudirektors wird gar nichts geändert; er bleibt selbständig in technischen Dingen. Insofern dieser neue Oberregierungsrat auch in den Geschäften der Strombauverwaltung beschäftigt werden sollte, was noch gar nicht feststeht, würde er einfach dem Strombaudirektor koordiniert sein,

aber nicht übergeordnet.

Der Titel „Gehalt

wesen, und sie wird auch den Polen gegenüber gewahrt.

Ich glaube also, daß die Befürchtung der Techniker, es würde durch diese Ordnung die Stellung der technischen Beamten herab gedrückt werden, unbegründet ist. Abg. Dr. Heisi ) bespricht die Erhebung der Kirchen⸗ steuern . bee g f, en 9 seiner Heimat, ohne im einzelnen verständlich zu werden. . . Bei den Dispositionsfonds der Oberpräsidenten zur Förde⸗ rung des Deutschtumz in den, Provinzen Posen, Ost- und Westpreußen, im Regierungsbezirk Oppeln und in den nörd⸗ lichen Kreisen der Provinz Schlesien wendet sich

Abg. Rosenow (fr. Volksp.,) gegen die Polenpolitik der Regie⸗ rung, die nicht den Frieden mit den Palen bringe, sondern die nationalen Gegensaͤtze verschärfe. Auch die Dänen müßten freundlich behandelt werden.

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole) bemerkt, die Polen würden gern im Frieden leben, aber die Hand dazu müsse ihnen geboten werden. Bis jetzt seien die Polen nur gereizt worden und hätten nur Grund zur lhre n e.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Einen merkwürdigeren Widerspruch zwischen dem Eingang der Worte und dem Ausgang habe ich selten gehört als in den Ausführungen des Herrn Abg. von Jazdjewski. Er sagt, er wäre bereit, die Hand zum Frieden zu bieten, und was führt er nachher aus? Er macht uns Vorwürfe, die Aufreizung der Bürger geschähe von Staats wegen! (Zurufe bei den Polen: Gewiß!) Ich meine, wenn einer die Hand zum Frieden bieten will, dann darf er der Staatsregierung nicht derartige Vorwürfe machen.

Im übrigen habe ich nicht die Absicht, bei der vorgerückten Stunde mich über die ganze Sache noch auszulassen. Die Sache ist so oft schon erörtert worden; es ist immer wieder die Behauptung ausgesprochen worden, daß wir die Auf— reizenden wären; und der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski hat sie auch wieder ausgesprochen. Ich möchte nur wissen, was für ein Interesse wir daran haben sollten, den Unfrieden ; im Osten andauern zu lassen. Aber wo der Unfriede gesät wird, das geht jedem luce clarius hervor, der die ganzen Aeußerungen der polnischen Volksseele betrachtet, der ihre Zeitungen liest und die Ver— sammlungen kontrolliert, kurzum, der sieht, wie auf allen Gebieten eine grundsätzliche Abschließung gegen alles Deutsche stattfindet, wie der Haß gegen alles Deutsche immer mehr zunimmt, die großpolnische Agitation von Posen nach Oberschlesien überschlägt, wie Sie jetzt schon Masuren mobil zu machen suchen, kurz, wie auf allen Ge— bieten die systematische Abneigung gegen alles Deutsche geschürt wird. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Abg. Dr. von Jazdzewski: Unsere Sprache ist uns, entgegen den Königlichen Versprechungen, genommen worden. Da kann man sich nicht über unsere Haltung wundern. Friede kann nur auf Grund der Gerechtigkeit geschlossen werden.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Herr von Jazdzeweki hätte sich seiner Behauptung, daß Sie An— spruch auf Schutz Ihrer nationalen Erinnerungen und Sprache haben, durchaus nicht allein auf König Friedrich Wilhelm III. zu berufen brauchen. Unseres jetzigen regierenden Kaisers und Königs Majestät hat diesen Schutz Ihrer nationalen Erinnerungen und Ihrer Sprache noch vor zwei Jahren in Posen autdrücklich ausgesprochen, und ez versteht sich von selbst, daß die Polen sich darauf berufen können. Kein Mensch denkt daran, den polnisch redenden Mitgliedern unseres Vaterlandes zu verdenken, wenn sie an ihrer Sprache festhalten und ihre nationalen Erinnerungen pflegen. Ich glaube, es war eine schiefe Darstellung des Herrn von Jazdzewski, wenn er behauptet hat, daß eine solche Ver— letzung der gewordenen Zusage darin liegt, daß ein Teil des Religions⸗ unterrichts in deutscher Sprache erteilt wird. Ich glaube, die Mit- glieder polnischer Zunge werden nur dankbar sein, wenn ihnen in der Schule beide Sprachen beigebracht werden (sehr richtig! rechts), ein Moment, das das Fortkommen der polnischen Bevölkorung auf ihrem ferneren Lebenswege erleichtert. Ich glaube, es ist eine starke Uebertreibung, wenn er aus dieser Regelung des Religionsunterrichts eine Verletzung der Zusage herleitet, die die preußischen Könige den polnisch redenden Untertanen erteilt haben.

Herr von Jazdzewski schloß damit, Friede ist jederzeit möglich auf der Grundlage der Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit, das suum cuiqueè ist jederzeit der Wahlspruch der preußischen Monarchen ge— Wenn das liest und sieht, was polnischerseits den Deutschen ins Gesicht ge—

Preußen hin und beteiligen sich, wie an der Versammlung in Lemberg —, wenn das einer großen Nation geboten wird, dann gehört eine Engelsgeduld dazu, wie nur wir sie haben, um sich das gefallen zu lassen. Ich verweise die Polen auf ihr Vorgehen den Ruthenen gegenüber, diesen harmlosen Ruthenen, Aspiration widersprechen. Wie werden sie von den Polen Galiziens behandelt! (Sehr richtig! rechts) Dann beklagen sich die Polen, die uns doch immer entgegentreten, daß uns endlich mal die Galle überläuft. (Bravo! rechts) Der Friede ist jederzeit auf der Grund⸗ lage der Gerechtigkeit möglich sagt Herr von Jazdzeweki —, ich stimme ihm bei; aber nicht allein auf der Grundlage der Gerechtig⸗ keit, sondern auf der Grundlage unserer nationalen Existenzbedingungen, und erst wenn sie die Grundlage unserer nationalen Existenj⸗ bedingungen anerkennen, offen und nicht nur mit Worten, ist der Friede möglich. (Beifall rechts.)

Nach einer kurzen ern, des Abg. Dr. von Jazdzewski wird der Titel gegen die Stimmen der Polen, des Zentrums und der freisinnigen Volkspartei bewilligt.

Bei dem Fonds für Ostmarkenzulagen, der in Höhe von 1450000 6 d. s. 100 000 M mehr als im Vorjahre eingestellt ist, erklärt . .

Abg. Rosen ow. ffr. Volksp.), daß seine Freunde, wie im vorigen Jahre, nicht für diese Forderung stimmen könnten, weil sie eine Spitze gegen die Polen habe und die Widerruflichkeit der Zulagen nicht gut geheißen werden könne, sondern Unzufriedenheit errege. Nationale Pflichten habe jeder Beamte zu erfüllen. Man solle den Polen freundlicher entgegenkommen und sie zur Gesellschaft und Ver— waltung heranziehen. Freilich an fg auch die Polen über die Stränge, und machten den Friedens i sehr schwer. In einer Generation werde es sich allerdings nicht erreichen lassen, daß die 1 gute . würden. Von einer . der polnischen

andesteile von Preußen könne natürlich keine Rede sein.

von Oldenburg (kons.): Die Polen müssen der Situation,

Ab in der z sich seit hundert Jahren befinden, Rechnung tragen, und

diese Situation ist gar nicht schlecht, viel besser als in Rußland. Die

olen müssen der preußischen Staatsidee Rechnung tragen und

eutsch lernen; sie haben nun einmal mit ihrem eigenen Vaterland Unglück gehabt. Die Ostmarkenzulage hat Unzufriedenheit erzeugt, da sie nicht auch den Reichsbeamten gewährt wird. Ferner ist die Zulage auch nichtdeutschen Personen zugefallen, die nichts für das Deutschtum tun; ich kenne elnen solchen Fall. Ganz ver— kehrt ist es, daß fünf Kreeise von Westpreußen überhaupt von der Gewährung der Osimarkenzulage ausgenommen sind. Se werden diese fünf Kreise geradezu zu einer Kolonie für weniger tüchtige Beamte. Die Verhältnisse in diesen Krelfen sind dieselben wie in den andern, die mit der Zulage bedacht sind. Ich bitte den Minister dringend, eine Aenderung in Erwägung zu ziehen.

Finanzminister Freiherr von Rhein baben:

Meine Herren! Um in der Diktion des Herrn Abg. von Olden⸗ burg zu bleiben, erwidere ich „ganz gehorsamst“ folgendes. (Heiter⸗ keit Ich kann mich dem Eindruck nicht ganz entziehen, daß die Zu⸗ friedenheit mit der Ostmarkenzulage, über deren Mangel der Herr Abg. von Oldenburg geklagt hat, plötzlich einkehren würde, wenn nur die fünf von ihm berührten Kreise mit berücksichtigt würden. (Zuruf des Abg. von Oldenburg: Aber doch besser! Heiterkeit) Er hat in dieser Beziehung von einer allgemeinen Unzufriedenheit gesprochen, Ich habe meinerseits von einer solchen allgemeinen Unzufriedenheit nichts bemerkt. Im Gegenteil, die Beamten und Lehrer sind dankbar für die Zulagen, die ihnen geworden sind. (Zuruf des Abg. von Oldenburg: In den fünf Kreisen) Auf die komme ich noch. Der Herr Abg. von Oldenburg hat allerdings darauf hingewiesen, daß die Reichsbeamten infolge des Beschlusses des Reichstags die Zulage nicht erhielten. Meine Herren, ich halte es für ganz ausgeschlossen, nun etwa die Zulagen auf die preußische Staatskasse zu über—⸗ nehmen. Das würde ein äußerst bedenklicher Schritt sein, Aufgaben, die man im Reiche nicht mehr lösen kann, auf die Bundesstaaten abjuwälzen. (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube, einem solchen Vorgehen muß man sich von vornherein widersetzen, und die Staatsregierung, in deren Namen ich spreche beabsichtigt auch durchaus nicht, eine derartige Vorlage zu machen. (Bravo) Wenn dann Herr von Oldenburg gesagt hat, es wären auch an einzelne Polen Zulagen gegeben worden, die also ihre deutsche Gesinnung nicht betätigt haben, so will ich dem nicht nachgehen, aber es bestätigt, was ich vorhin schon ausgeführt habe, daß man bei Aus⸗ führung des Gesetzes durchaus lange wohlwollend vorgegangen ist und keineswegs eine Politik betrieben hat, nur Beamte zu berücksichtigen, die der Staatsregierung in besonderem Maße angenehm sind.

Dann ist Herr von Oldenburg auf den eigentlichen Grund seines Schmerzes gekommen, nämlich auf den Ausschluß der fünf deutschen Kreise. Ich verdenke es ihm als Vertreter dieser Kreise nicht, glaube aber doch, daß es sehr unrätlich sein würde, durch anderweitige Regelung dieses Punktes die ganze Frage der Ostmarken⸗ zulage hier in diesem Hause von neuem aufjurollen; denn schneidet man diese eine Frage erst an, so wird natürlich von allen Seiten die Frage der Abgrenzung des Zulagegebiets und des Kreises der zu be—Q denkenden Beamten wieder aufgegriffen, und wir kommen wieder zur ganzen großen Diskussion, die wir im vorigen Jahre gehabt haben. Ich kann auch nicht anerkennen, daß die Gründe, die Herr von Oldenburg angeführt hat, in der Tat dafür sprechen, diese fünf ganz deutschen Kreise mit in den Kreis der Ostmarkenzulage hineinzu ziehen.

Meine Herren, was ist denn die ratio dafür, daß wir den Beamten in den gemischtsprachigen Landesteilen die Zulage gewähren? Die ratio ist doch die, den Beamten, die infolge der Anfechtungen, der Anfeindungen, denen sie von polnischer Seite ausgesetzt sind, in— folge der widrigen Umstände, in denen sie dort zu leben gezwungen sind, vielfach danach streben, ihren Posten im Osten zu verlassen und nach dem Westen abzuwandern, einigermaßen eine materielle Entschädigung zu geben. Dazu ist die Ostmarkenzulage be— stimmt. Diese ratio fällt doch bei den fünf ganz deutschen Kreisen vollkommen fort; von irgend einer Anfechtung von polnischer Seite, von unangenehmen Lebensbedingungen inmitten einer

polnischen Bevölkerung ist gar keine Rede, denn es sind eben rein

deutsche Kreise. Und ich frage das hohe Haus, was für einen Grund man dazu hat, beispielsweise den Sekretären der Regierung oder der

man sagt wird ich will nicht auf die Zeitungäartikel zurückkommen

aber wenn man die Berichte über Sokolfeste liest, wo der Hochverrat gepredigt wird (sehr richtig! rechts und da gehen Mitglieder aus

bloß weil sie der polnischen

Provinzialsteuerdirektion in Danzig, einer rein deutschen Stadt, eine solche Zulage zu geben. Tun wir das, so kommen Klagen aus allen

anderen Landesteilen darüber, daß wir den dortigen Beamten die Zu⸗

lage nicht gönnen, und es ist nicht zu verkennen, daß Unzufriedenheit in den benachbarten Kreisen eine gewisse Berechtigung haben würde. Wenn man den Beamten der reindeutschen Stadt Danzig die Zulage gibt wie will man sich wundern, wenn die Beamten in Königsberg oder Köslin usw. äußerst erbittert sind, wenn sie sie nicht bekommen! Ich glaube also, die ratio des Gesetzes spricht dafür, diese fünf rein deutschen Kreise nicht zu berücksichtigen und den gegenwärtigen Zustand aufrecht zu erhalten, und ich glaube, Herr von Oldenburg wird seinen Wunsch wohl noch etwas vertagen müssen.

Der Fonds wird hierauf mit großer Mehrheit bewilligt.

Im Extraordingrium ist als 1. Rate zur er ttellung eines Königlichen Residenzschlosses in der Stadt Posen eine Million Mark eingestellt.

Die Budgetkommission beantragt die Bewilligung des Titels in folgender Form!. .

»Zur Herstellung eines Königlichen Residenzschloffes in der Stadt Posen fester, nicht überschreisbarer Beitrag von 3 9009 9000 M an die Krone, welche den Bau für eigene Rechnung als Bauherr ausführt, erste Rate 1 000 000 *

Abg. Graf zu Limburg ⸗Stirum (ons.) erklärt, daß seine Freunde zu einer Nachprüfung der Sache bereit sein, und beantragt die Zurückverweisung des Titels an die Budgetkommission.

Das Haus beschließt nach diesem Antrage.

Zur Forderung von 50 000 MS für Vorarbeiten zur n, ,. eines Neubaues des Königlichen Opernhauses in Berlin bemerken

die Abgg. Dr. Fervers Zentr.),. Dr. Friedberg (ul.) und von Pappenheim fkons) daß sie sich für die Forderung nur mit dem Vorbehalt entscheiden könnten, daß sie sich dadurch für die spätere Bewilligung des Projekts nicht präjudtzieren.

Die Forderung wird bewilligt.

Schluß 1054 Uhr. Nächste Sitzung: Sonnabend, 11 Uhr (Etatstitel „Residenzschloß in Posen“; Etatsgesetz; dritte Lesung des Etats). ]