1904 / 99 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 27 Apr 1904 18:00:01 GMT) scan diff

(Widerspruch im Zentrum.) Auch in dem einen Falle, den der Herr Vorredner genannt hat, im Kreise Bonn, ist geradeso verfahren worden; nur ist in diesem Falle, der von dem Herrn Oberpräsidenten ernannte Kommissar mit der Bitte hervorgetreten, ihn von dem Kommissorium zu entbinden, und dieser Bitte ist von dem Oberprãäsidenten stattgegeben worden. Ich kann also tatsächlich mich einverstanden erklaͤren mit der Geschichtserklärung, die der Herr Vorredner gegeben hat, leider aber in keinem Punkte mit den juristischen Auffassungen, mit der Würdigung der gesetzlichen Lage. Der Oberpräsident hat in diesem Falle wie in allen andern Fällen nur gehandelt, wie es nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Geist der Kreisordnung vor⸗ schreibt, und da kann ich den Herrn Vorredner nicht einer kleinen Unterlassung vollständig frei erklären. Er hat den Paragraphen, der von der Ernennung der Amtsborsteher handelt, nicht vollständig vor⸗ gelesen, sondern nur diejenigen 3 Punkte, die nach seiner Ansicht von besonderer Bedeutung sind. Ich glaube aber, für das richtige Ver⸗ stehen dieses Paragraphen wäre es notwendig gewesen, die sämtlichen Punkte und die Reihenfolge, in welcher sie im Gesetz stehen, ganz genau zu fixieren. S 24 des Gesetzes lautet:

1) Für jede Landbürgermeisterei wird von dem Oberpräsidenten ein Bürgermeister auf Lebenszeit ernannt.

Das hat der Herr Vorredner genau zitiert. Dann folgt der

zweite Absatz:

Zu dem Amte eines Bürgermeisters sollen an erster Stelle ange⸗ sehene Personen in dem Bürgermeistereibezirke, insbesondere größere Grundbesitzer berufen werden. Das Amt soll zunächst denjenigen übertragen werden, welche dasselbe als ein unentgeltlich zu verwaltendes Ehrenamt zu übernehmen in der Lage sind. Ein Bürgermeister mit Besoldung soll nur angestellt werden, wenn ein geeigneter Ehrenbürgermeister nicht zu gewinnen ist.

Diesen Satz hat der Herr Vorredner nicht mit zitiert.

Es folgt Absatz 3, welcher lautet:

Die Ernennung erfolgt auf Grund von Vorschlägen des Kreis⸗ ausschusses, welche dieser nach Anhörung der Bürgermeisterei⸗ versammlung zu machen hat.

Es folgt dann ein vierter Absatz, von dem der Herr Vorredner mit Recht angenommen hat, daß er speziell in diesem Falle ohne Bedeutung ist. Endlich kommt ein fünfter Absatz, welcher lautet:

Der definitiven Ernennung eines besoldeten Bürgermeisters soll in der Regel eine die Dauer eines Jahres nicht übersteigende kom— missarische Beschäftigung vorangehen. Die kommissarische Ver⸗ waltung der Bürgermeisterei wird im übrigen von dem Oberpräsidenten angeordnet.

Wenn ich das Gesetz nun recht verstehe, und wie auch die Uebung des Gesetzes ganz ausnahmslos ist, so tritt jedesmal, wenn der Fall einer Vakanz sich ergibt, der Oberpräsident in die Er— wägung ein: liegt hier in der Bürgermeisterei die Möglichkeit vor, einen Ehrenbürgermeister zu ernennen? Diese Erwägung muß unter allen Umständen allem vorangehen, und ist auch in diesem Falle voran⸗ gegangen. Es wurde durch Bericht festgestellt, daß in dieser Bürger⸗ meisterei eine Persönlichkeit, welche bereit und geeignet wäre, das Amt als Ehrenamt zu übernehmen, nicht vorhanden war. Nun würde ein Berufsbürgermeister zu ernennen sein, und da sagt das Gesetz allerdings ganz richtig: Die Ernennung erfolgt von dem Oberpräsidenten auf Grund der Vorschläge des Kreisausschusses. Aber nun kommt das Folgende, und da sagt das Gesetz ausdrücklich: Der definitiven Ernennung,“ um die es sich jetzt gehandelt hat und

für welche die Befragung des Kreisausschusses vorgeschrieben ist geht

vorher eine die Dauer eines Jahres nicht übersteigende kommissarische Beschäftigung. Die kommissarische Verwaltung wird im übrigen von dem Oberpräsidenten angeordnet.“ Ausdrücklich ist hier nicht gesagt: „nach Anhörung des Kreisausschusses“ sondern hier erfolgt, im Gegensatze zu der definitiven Ernennung, die kommissarische Verwaltung, ohne daß vorher die Selbstverwaltungs⸗

organe gehört werden. Diese kommissarische und demgemäß vorüber

gehende Amtsversehung hätte an und für sich recht wohl von dem Landrat oder dem Regierungspräsidenten geregelt werden können, das will aber das Gesetz nicht und macht deshalb den Zusatz, daß auch diese kommissarische Verwaltung von dem Oberpräsidenten angeordnet werden soll. Dieses Verfahren entspricht auch den Vorschriften der westfälischen Kreisordnung bei Besetzung der Amtmannsstellen und auch dem Verfahren in der ganzen Monarchie bei der Besetzung der Landratsstellen. Es wird zunächst festgestellt, ob in dem Landrats⸗ amte eine geeignete Person ist, die in dem Kreise wählbar und geeignet ist, das Landratsamt zu übernehmen. Wenn fest— gestellt ist, daß eine solche Persönlichkeit nicht vorhanden ist, so sendet hier nicht der Oberpräsident, sondern der Minister einen Beamten, den er für geeignet hält, dem- nächst Nachfolger zu werden, auf das betreffende Landratsamt, und nach einer mehr oder minder langen Pause wird dann der Kreistag gehört, ob er Vorschläge zu machen hat wegen der definitiven Er⸗ nennung. Genau dasselbe Verfahren findet in der Rheinprovinz und in Westfalen bezüglich der Bürgermeister und Amtmänner statt und bat stattgefunden seit dem Jahre 1887, meines Wissens ohne jede Ausnahme. Ich meine, daß dieses Gesetz nicht erst heute richtig vom Herrn Vorredner verstanden wird, sondern daß es von der Regierung und den Verwaltungebehörden, von sämtlichen Bürgermeisterei⸗ verwaltungen, von sämtlichen Selbstverwaltungskörpern in Rheinland und Westfalen bis heute immer so verstanden ist, wie es auch eigentlich dem Wortlaut entspricht: definitive Ernennung nicht ohne Anhörung des Kreisausschusses und die kommissarische Verwaltung nach Anordnung der Regierung.

Ich hätte gewänscht, daß der Herr Vorredner nicht mit gewissen kleinen Spitzen sich gegen den so hochverdienten obersten Ver⸗ waltungsbeamten in der Rheinprobinz gewandt hätte. Ich glaube, daß er damit seiner Sache nicht genützt, sondern vielleicht eher ge⸗ schadet hat.

Ich möchte auch annehmen, daß die großen schwierigen, prinzipiellen Grundsätze, deren Verletzung der Herr Vorredner annimmt, doch in diesem Falle gar nicht in Frage kommen. Es ist hier gehandelt worden nach dem Wortlaut und nach dem Geiste der Kreisordnung; es ist gehandelt worden, was ich mit meinem hochbedeutenden Vor⸗ gänger, dem Herrn Grafen zu Eulenburg als sehr beachtenswert an—⸗ erkenne, gerade so wie dag Gesetz seit 20 Jahren unbeanstandet aut—⸗ gelegt ist, und ich kann ihm allerdings nicht die Versicherung geben, daß ich bemüht sein werde, dieses Verfahren zu ändern. Ich glaube auch nicht, daß dieses Verfahren, wie der Herr Vorredner gemeint bat, geeignet ist, einen Konflikt jwischen den Organen der Selbst⸗

verwaltung und der Staatgreglerung hervorzurufen. Nein, diesen Konflikt suchen wir nicht, und dieser Konflikt liegt auch nicht in der Beobachtung eines 20 jährigen, auf das Gesetz gegründeten Verfahrengz. Der Konflikt würde zu meinem Bedauern hervorgerufen werden, wenn heute andere Anschauungen maßgebend würden, als wie sie seit 20 Jahren gewesen sind. (Bravo! rechts.)

Abg. Gamp ffreikons.) hält die Beschwerden des Abg. de Witt doch für einigermaßen begründet. Auch im Often habe vie Praxis bei der 66 . von Landratsämtern oft w, . und die Dezer⸗ nenten im ,,, hätten dabei oft e nen über das angemessene Maß hinausgehenden Einfluß. Die Gewährung von Veteranen⸗ beihilfen erfolge oft in kleinlicher, engherziger Wei e, insbesondere bei der Beurteilung der Bedürftigkeit; der Minister solle der Anregung Folge geben, daß die Beihilfe gewährt werden müsse, wenn ein ge— wisses Minimaleinkommen, etwa 660 „, nicht erreicht werde. In manchen Fällen sei die Ostmarkenzulage den damit Bedachten gar nicht zu gute gekommen, da sie auf die . angerechnet worden sei.

Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:

Meine Herren, wenn der Herr Vorredner beim Beginn seiner Worte dem Ministerium und dem Minister Vorwürfe gemacht hat wegen der Besetzung der Landratsämter im Osten, so möchte ich ihn doch bitten, mir diejenigen Fälle zu nennen, wo nun nach seiner An⸗ sicht ungeeignete Personen zu Landräten von mir ernannt sind. (Widerspruch des Abgeordneten Gamp.) Das haben Sie nicht ge⸗ sagt? Ich habe es so verstanden, und ich kann nur darauf antworten, daß gerade die Besetzung der Landratsämter eine so wichtige Sache ist, daß sie der Minister sich ganz gewiß nicht aus der Hand nehmen läßt, sondern in jedem einzelnen Falle sorgfältig prüft und erwägt, wer nun für dieses Landratsamt der geeignete Nachfolger des abgegangenen Landrats sei.

Was die Provinz Posen betrifft, so ist es gerade in dieser in den letzten Jahren mein Bestreben gewesen, dorthin ganz besonders tüchtige Landräte zu schicken, und ich habe dabei Rücksicht genommen einmal auf lange Arbeit und Bekanntschaft mit den polnischen Verhältnissen und zweitens auch darauf, daß sie womöglich auch in der Provinz Posen angesessen sind. Ich glaube, der Herr Vorredner wird mir den Beweis dafür, daß in irgend einem Falle da meinerseits nicht summa diligentia prästiert ist, schuldig bleiben.

Mit dem Herrn Vorredner stimme ich natürlich darin vollständig überein, daß die Invaliditätsrente, welche das Reich dankenswerter⸗ weise unseren alten Invaliden gewährt, eine Erleichterung für ihren Lebensabend sein soll, und daß dabei nun nicht mit absoluter Genauig⸗ keit herausgerechnet werden soll, ob der Mann, wenn er 18 Stunden am Tage arbeitet, auch noch ohne solche Rente auskommen könnte. In diesem Sinne werden denn auch alle Beschwerden, die an mich kommen, auf das wohlwollendste und mit dem wärmsten Interesse für unsere alten Vaterlandsverteidiger geprüft. (Bravo) Ich kann auch ver⸗ sichern, daß es nur in sehr wenigen Fällen notwendig gewesen ist, einzuschreiten, und daß auch die Regierungen jetzt seit einigen Jahren, nachdem die erste, etwas falsch aufgefaßte Instruktion geändert ist, sämtlich in diesem selben Geiste das Gesetz handhaben. Den Fall aber, daß ein Mann, der 200 oder 300 Mark jährlich Einkommen hat und damit noch eine Anzahl von Angehörigen zu unterhalten hat, von der Invalidenrente ausgeschlossen sein sollte, möchte ich den Herrn Vorredner doch speziell anzugeben bitten, damit ich gleich Remedur eintreten lassen kann.

Was die Ostmarkenzulage betrifft, so ist das eine Angelegenheit, die speziell im Finanzministerium bearbeitet wird: vielleicht wird der Herr Vertreter des Finanzministeriums darüber eine kurze Auskunft geben.

Wirklicher Geheimer Oberfinanzrat Bel ian: Das Recht auf den Bezug der Pension ruht, soweit der Pensionär ein Diensteinkommen bezieht; das ist bestehendes Recht. Die Ostmarkenzulagen sind als Diensteinkommen anzusehen und an der Pensfon zu kürzen. Dieses unangenehme Ergebnis hat zu dem Staatsministeralbeschlusse geführt, die Zulagen als einmalige Remunerationen zu gewähren und zwar mit rückwirkender Kraft.

Abg; Cassel (fr. Volksp.): Freiherr von Zedlitz hat gegen das parteipolitische Kommunalregiment, speziell in Berlin, unbegründete Angriffe gerichtet. Gewiß werden auch dort liberale Männer ihre Ueberzeugung vertreten, aber von einem Parteiregiment kann in der Berliner Verwaltung keine Rede sein. Ein Beweis dafür wird auch seitens des Herrn von Zedlitz nicht erbracht werden können. Kaiser Wilhelm J. hat bis zu seinem Ende der Verwaltung der Reichs⸗ hauptstadt und Residenz Berlin stets sein Wohlwollen bekundet, obwohl Virchow, Langerhans, Straßmann und Ludw. Löwe, also die Männer der entschiedenen Oppositlon, in dieser Verwaltung tätig waren. Die Angrsffe des Herrn von Zedlitz dürften kaum geeignet sein, die bürgerlichen Parteien in ihrem Kampfe gegen die Sozial⸗ demokratie zu unterstützen. Den Freisinnigen und der Berliner Stadtvertretung liegt nschts ferner, als parleipolitische Tendenzen zur Geltung zu bringen. .

Abg. Schiffer (nl) bittet ebenfalls den Minister, in bezug auf die kommissarische Verwaltung einer anderen Praxis die Wege ebnen zu wollen; die Aufhebung von Polizeiverordnun gen durch die Gerichte habe, wie schon Dr. Friedberg bei der zweiten Lesung ausgeführt, einen ganz außerordentlichen Umfang angenommen. In den Jahren 1561 und 1902 habe sich nach seinen (des Redners) pribaten Ermittelungen die Zahl der vom Kammergericht ganz oder teilweise aufgehobenen Verordnungen auf nicht weniger als 6 belaufen, dazu kämen 15 vom Oberverwaltungs⸗ gericht aufgehobene, die hier aber nicht ohne weiteres mit in Rechnung

estellt werden könnten. An den 60 aufgehobenen Polizeiverordnungen eien die verschiedenen Instanzen vom Oberpräsidenten bis zu ben Städten beteiligt, allein in den Jahren 1999 1991 feien 25 von diesen 60 Polijeiverordnungen erlassen worden. In allen diefen 660 Fällen sei also bon der Polijet gegen klare Bestimmungen des geltenden Rechts verstoßen worden. Da die Rechtsprechung des Kammergerichts wissenschaftlich durchaus anerkannt sei, auch die Rechtsprechung des Oberverwaltungs⸗ gerichts gerade auf dem Gebiete der Polizeiverordnungen die wenigsten Differenzen mit dem Kammergericht aufzuweisen habe, solle der Mi⸗ nister seinen Einfluß aufbieten, damit hier Wandel geschaffen werde. Es handle sich hier um die Grundlagen unseretz Staatslebens, um die Abgrenzung des Gebiets der allgemelnen Intereffen von dem Ge— biete der persönlichen Freiheit des Einzelnen. .

Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:

Meine Herren! Ich gebe zu, daß die große statistische Nachweisung, die der Herr Vorredner uns geliefert hat, mehr und größere Zahlen ergeben hat, als ich erwartet hatte, und daß ich ihm darin recht gebe, daß in der Tat die Zahl der Polizeiverordnungen, welche innerhalb zweier Jahre von dem höchsten Gericht für ungültig erklaͤrt worden ist, eine erschreckende ist. Es wird deshalb meine Pflicht sein, auf Mittel und Wege zu sinnen, wie derartige Uebelstände beseitigt werden können.

Aher ich meine doch, meine Herren, daß so schlimm, wie der Herr Vorredner die Sache dargestellt hat, sie in Wahrheit nicht ist. Die Statistik, die ja in den Osterferien, also in einer kurzen Zeit aufgestellt ist, leidet doch an einem erheblichen Mangel: wie groß ist

die Zahl derjenigen Polizeiverordnungen, welche nun durch die höchsten Gerichtshöfe für zu Recht bestehend anerkannt sind? (Unruhe und Zurufe im Zentrum) Erst durch diese Verhältniszahl der ungültigen zu den gültigen Verordnungen ergibt sich, ob in der Tat ein wirkliches Ver⸗ schulden der Verwaltung im allgemeinen vorliegt. Ich möchte das einstweilen noch bestreiten. Und namentlich muß ich die Aeußerung des Herrn Vorredners bestreiten, daß er annimmt allerdings nur hypothetisch als ob es die Praxis der Verwaltung sei, sich über die Rechtsgrundsätze hinwegzusetzen. Das ist die Praxis der Verwaltung nicht. Die Verwaltung sucht auch auf dem weiten Gebiete, welche nun einmal durch Polizeiverordnungen geregelt werden muß, nach konstanten bestehenden Rechtsgrundsätzen auch ihre Polizeiverordnungen einzurichten. Ich erkenne an, daß irgendwo doch ein Fehler stecken muß, daß die Zahl derjenigen Polizeiverordnungen, welche für ungültig erklärt sind, viel zu groß ist. Aber daß diese Polizeiverordnungen ich will mal sagen mutwillig, mit Kenntnis des Unrechts (Zuruf des Abgeordneten Schiffer: das habe ich nicht gesagt!), von der Verwaltung gemacht seien, das muß ich zurückweisen; Sie haben gesagt, es sei Praxis der Polizei, sich über die Rechtsgrundsätze hinwegzusetzen. Das ist nicht der Fall.

Meine Herren, das Gebiet der Materien, welche durch Polizei⸗ verordnungen zu regeln sind und häufig sehr rasch zu regeln sind, ist unendlich groß. Denken Sie nur an die jeden Tag stattfindende Ver= mehrung unseres Verkehrs, denken Sie an die Fahrräder, an die Automobile, an die Polizeiverordnungen, die nötig sind zum Schutze des Verkehrs. Da mitzukommen und zur rechten Zeit mit der Polizei⸗ verordnung fertig zu sein, ist nicht immer ganz leicht.

Es mag sein, daß in der Art der Aufstellung der Polizeiverord— nungen noch eine größere Sorgfalt nötig ist als bisher, und ich werde versuchen, dahin zu wirken. Aber auf der anderen Seite möchte ich doch annehmen, daß die Urteile des höchsten Gerichtshofs nicht immer so ausschlaggebend sind, wie der Herr Vorredner meinte. (Hört! hört im Zentrum.) Denn er hat selbst zugeben müssen, daß auch das höchste Gericht in seiner juristischen Anschauung von der Rechtmäßigkeit von Polizeiverordnungen vielfach geschwankt hat. (Zuruf.)

Es liegt Ihnen augenblicklich ein Gesetzentwurf vor, daß durch Polizeiverordnung die Hilfe im Feuerlöschwesen geregelt werden darf, weil das höchste Gericht nunmehr anerkannt hat, daß eine Polizei— verordnung in diesem Sinne ungültig sei, während derselbe Gerichts- hof in einer Praxis von 30 Jahren früher die Rechtsbestãndigkeit dieser Polizeiverordnungen anerkannt hatte. Ja, meine Herren, es ist bekannt und es gehört auch zu der Selbständigkeit unserer Gerichte, daß dieselben jeden Augenblick, wenn es ihre ehrliche Ueberzeugung ist, daß sie sich früher geirrt haben, nun nicht an den alten Irrtum ge⸗ bunden sind, sondern daß sie ein neues Urteil fällen können. Deshalb glaube ich, kann man nicht von einer im Punkte der Polizeiverord— nungen absolut ständigen Judikatur sprechen. Und selbst wenn das höchste Gericht in den letzten zwei Jahren auch nur zweimal seinen Standpunkt gewechselt hat, so ist das eben ein Beweis dafür, daß eine ständige Judikatur da noch nicht vorgelegen hat.

Meine Herren, ich habe das alles nur gesagt, um darzustellen, daß auf seiten derjenigen Behörden, welche die Polizeiverordnungen zu erlassen haben, doch nicht so leichtfertig verfahren wird, wie nach den Worten des Herrn Vorredners angenommen werden könnte; ich füge aber hinzu, daß ich mich bemühen werde, auch hier noch eine Remedur zu schaffen. Dagegen glaube ich nicht, daß das Mittel, welches der Herr Vorredner angegeben hat, eine Zentralstelle zu schaffen, die nunmehr jede Polizeiverordnung auf ihre Rechtsbeständig⸗ keit materiell und formell erst zu prüfen hat, helfen würde. (Sehr richtig) Es müßte dann ein Gesetz hinzugefügt werden, daß jede Polizeiverordnung, welche von dieser Kom mission anerkannt wird, nun auch von allen Gerichten Preußens materiell und formell unter allen Umständen als gültig zu betrachten wäre. Aber diese Sicherheit können wir und wollen wir auch gar nicht geben; denn es ist das gute Recht der Gerichte, darüber zu urteilen, und wenn diese tat— sächlich in konstanter Praxis geurteilt haben, fo wird auch die Ver— waltung dem immer folgen.

Abg. Werner (Deutsche Reformp.) weist auf die fortschreitende Verarmung der Landgemeinden in Hessen⸗Nassau hin und regt in Verbindung damit eine Aenderung der Kreis. und Provinzialverfassung der Provinz an. Außerdem bespricht er verschiedene, auf dem Gebiete des privaten Versicherungswesens hervorgetretene Mängel und nimmt sich schließlich einiger Beamtenkategorien aus dem Ressort des Innern besonders an.

Gegen 10“ Uhr wird die Fortsetzung der dritten Be⸗ ratung des Etats bis Dienstag 11 Uhr vertagt.

61. Sitzung vom 26. April 1904, 11 Uhr.

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt die dritte Beratung des Staatshaus— haltsetats für das Rechnungsjahr 1904 beim Etat des

Ministeriums des Innern fort. .

Abg. Dr. von Savigny (Sentr) kommt auf die Reform des Sparkassenwesens zurück und bittet, im nächsten Jahre die in Aussicht stehende Novelle über die Sparkassen vorzulegen.

Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:

Meine Herren! Ueber die Gendarmen und die Gestaltung ihrer Gehalts! und Wohnungsverhältnisse habe ich schon in früheren Lesungen so ausführliche Auskunft gegeben, daß ich dem, glaube ich, nichts hinzuzusetzen habe. Selbstverständlich werden wir fortfahren in dem Bestreben, möglichst viel Dienstwohn ungen für Gendarmen zu schaffen und selbstverständlich diese Dienstwohnungen auch so ein—⸗ zurichten, daß sie den Bedürfnissen genügen.

Der Herr Vorredner ist dann auf einen Gesetzentwurf ein⸗ gegangen, der dem hohen Hause noch gar nicht vorliegt, auf einen Gesetzentwurf, der im Finanzministerium in Vereinbarung mit mir vorbereitet ist, über dessen Inhalt aber die letzten Verhandlungen noch gar nicht stattgefunden haben. Ich muß es mir deshalb versagen, auf den Inhalt dieses Gesetzentwurfs näher einzugehen. Ich kann aber nur so viel sagen, daß es mein Bestreben sein wird, die Sparkassen als das zu erhalten, was sie sein sollen, eine öffentlich; rechtliche Einrichtung, wonach auch dem kleinen Manne ermöglicht wird, seine Ersparnisse unter der denkbar absolutesten Sicherheit gegen mäßige Zinsen zu deponieren. Daß die Sparkassen nebenbei für sich noch einen Gewinn abwerfen, das ist erfreulich, und selbst⸗ verständlich auch erfreulich, daß die Garantieverbände in einem ge⸗ wissen Maße an diesen Zingerträgen, an den Ueberschüssen teilnehmen können. Bestreiten möchte ich aber die Behauptung des Herrn Vor⸗

n.

fehlt es sich rr zahentss der

wners, daß die Garantieverbände die Garantie nur zu dem Zwecke enommen hätten, oder, wie er sich ausdrückte, das Opfer wacht hätten, die Garantie zu übernehmen, um daraus für sich Bere Ueberschüsse zu erzielen. Nein, meine Herren, ich glaube, die arantie ist auch von den Verbaͤnden in öffentlichrechtlichem Sinne ernommen worden zu dem Zwecke, um dem kleinen Sparer eben die solute Garantie für sein Depositum zu gewähren, und ich glaube, Falle Maßnahmen bezüglich der Sparkassen dahin gehen müssen, diesen ken ursprünglichen Charakter zu erhalten, nicht aber dieselben zu nkgeschäften auszudehnen, die mit wechselndem Gewinn und Verlust beiten. Das würde der Ruin der ganzen Sparkasseneinrichtung Und selbst, wenn zur Erzielung einer möglichst großen scherheit die Ueberschüsse, welche heute die Garantieverbände be— hen, einmal für kurze Zeit etwas geringer sein würden, so würde B Uebel ein sehr viel geringeres sein als das Uebel, daß wir die jparkassen nicht so ausgeslalten, daß sie auch in schwierigster Zeit immer ker ersten und Hauptaufgabe gerecht werden. In diesem Sinne d auch der Gesetzentwurf, der vorbereitet ist, ausgearbeitet, und kann dem Herrn Vorredner zusichern, daß dleser Gesetzentwurf st an den Landtag gelangen wird, ohne daß zunächst die zunaͤchst

tteressierten, das sind die Sparkassen selbst, der Sparkassenverband,

rüber gehört sein werden. Wenn ich nicht irre, wird gerade in sen Tagen darüber hier eine Verhandlung in Berlin mit den Ver— tern des Sparkassenverbandes stattfinden.

Abg. Broem el (fr. Vgg.): Bei der Geschäftelage des Hauses nicht, auf diese Frage näher einzugehen. Schutzmannschaft in Berlin habe ich sederholt besprochen. In der letzten Zeit sind in der iese, Klagen über einen Mangel an Grfatz der Schutz pnnschaft hervorgetreten. Nach den bestehenden Vorschriften sten 4047 Schutzmänner den Straßendienst versehen. Dadon fehlten ö Zeit 1191, mehr als ein Viertel. 00 Mann seien durch Krank⸗ it jur Zeit dem Dienst entzogen. Ich bitte den Minister um Aus—= mnst darüber, ob diese Angaben richtig find.

Minister des Innern Freiherr von Hammerstein:

Meine Herren! Es gereicht mir zur Genugtuung, zu konstatieren, ß die alarmierenden Nachrichten, welche über den großen Mangel der Berliner Schutzmannschaft durch die Presse gingen, unbegründet . Die Zahl der Schutzmänner in Berlin und seinen Vororten tigt: 18 Abteilungswachtmeister, 635 Wachtmeister der Schutz mann⸗ ht, 6418 Schutzmänner. Von dieser großen Zahl sind zur Zeit Iz Stellen unbesetzt, während in den Zeitungen von annähernd 0 Stellen die Rede war. Das ist also eine sehr große Uebertreibung. nnen will ich nicht, daß es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, 1 Echutzmannschaften auf ihrem vollzähligen Stande zu erhalten, mnal wegen der an und für sich notwendigen jährlichen Vermehrung rSchutzmannschaft, dann aber auch, weil es immer schwieriger wird, lbersorgungsberechtigte Unteroffiziere in die Schutzmannschaft ein⸗ fell. Es hat sich deshalb schon seit mehreren Jahren die Not— ndihkeit ergeben und ist alljährlich durch Kaiserliche Verordnung nehmigt worden, auch jüngere Unteroffiziere, die noch nicht den silbersorgungsschein haben, in die Schutzmannschaft aufzunehmen. f hat aber wiederum Nachteile für die Armee, weil dadurch der so ätige Stand der Unteroffiziere in der Armee in seiner Anzahl sntlich geschwächt wird. Es wird in jedem Jahre in langen Ver— mälungen zwischen dem Kriegsministerlum und meinem Ministerium modus vivendi geschaffen, der eben noch ausreicht, um den meinen Bedürfnissen tunlichst nachzukommen.

Wie gesagt, ich glaube, daß an und für sich bei einer Anzahl von Mann ein Fehlen von 278 Mann nicht gerade welterschütternd

md auch nicht gerade geeignet, den Dienstbetrieb im einzelnen zu

üitden. Allerdings ist das Publikum in Berlin etwas verwöhnt. haben hier auf etwa 300 Personen einen Schutzmann, während

mim übrigen Lande auf 700 bis 1000 Personen einen Schutzmann tue. Ueberall, wo nun zufällig ein Unfall passiert, erscheint säher in den Zeitungen eine Notiz: warum hat an dieser Stelle n Schutzmann gestanden? (Heiterkeit) Neuerdings ist in den kungen der Wunsch aufgetaucht, überall da, wo eine Weiche der sißenbahn liege, müsse auch ein Schutzmann stehen. (Heiterkeit) h glaube, dazu sind die Schutzleute doch nicht da; die sollen den nleht überwachen und erleichtern, und zu meiner Freude kann ich piatieren, und ich bin auch gewiß, daß die Herren das [i schöon erfahren haben, daß überall, wo durch den leb— sin Verkehr auf den Straßen, in der Leipziger Straße, auf dem

kdamer Platz, auf dem Hackeschen Markt, am Königsplatz, wo es

h sen mag, das Publikum Gefahr läuft und diese Gefahr ist der tatsächlich vorhanden durch diesen Verkehr zu Schaden zu men, Schutzmänner in genügender Anzahl bemüht sind, den Ver

taff einfache Weise durch Handaufheben und Weisung zu regeln

ö gleichzeitig solchen Personen, welche ihrer persönlichen Hilfe

ürftig erscheinen, diese Hilfe auch zuteil werden zu lassen. Ich wle daß sich gerade auf diesem Gebiet in den letzten Jahren in alin in der Handhabung des Dienstes der Schutzmannschaft eine mndlung vollzogen hat, die nunmehr auch die Anerkennung des lluns finden sollte. Das Publikum sollte nicht mehr bei jedem

ll der in einer Stadt von 2 bis z Millionen undermeidlich ist ih den Schutzmann verantwortlich machen. Ich darf aber hinzu⸗ en, daß selbstverständlich, wenn dem Polizeipräsidenten oder mir sichliche Uebelstände mitgeteilt werden, auf das sorgfältigste geprüft . wird, ob und wie denselben abgeholfen werden kann.

abo!

Der Etat des Ministeriums des Innern wird bewilligt.

Et folgt dann die Beratung des Etats des Minisste⸗

mo der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗

gelegen heiten.

u diesem liegen folgende Anträge vor:

bie Abgg. Kreth (kons) und Genossen beantragen, die söche von einer Million Mark eingestellte Ostmarken⸗

a. für die Volksschullehrer in der Provinz Posen

n gemischtsprachigen Kreisen der Provinz Westpreußen sauf die gemischtsprachigen Kreise der rovinzen Sst⸗ hen und Schlesien auszudehnen. eng e bern, dan

oe er zweiten L

6

u Remune besonderer F

ö den A

n zulehnen und di

Erwägungen anzustellen,

dem Bedarfe genügt, und nötigenfalls in den nächsten Etat einen höheren Betrag einzustellen. ;

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch beantragt nunmehr, den 6 auf 50 00 i zu erhöhen und die Re—⸗ gierung . ordern, den Fonds durch Nachtragsetat, spätestens aber durch den nächstjährigen Staatshaushaltsetat aul hden dem wirklichen Bedarf entsprechenden Betrag zu erhöhen.

Berichterstatter Abg. Winckler empfiehlt die Anträge der Kom— mission und beantragt ferner, eine Reihe von Petitionen von Lehrern bezuglich der Ostmarkenzulage für erledigt zu erklären.

Abg., von Heykin (kons) erklärt sich im Sinne des Antrags Kreth dafür, daß die Ile e ,, auch den Lehrern in Schlesien und stpreußen gegeben werden.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch hefürwortet seinen Antrag. Er habe sich beß der dritten Lefung darauf beschränkt, eine Erhöhung des Fonds um 0 O90 M, zu beantragen, um dem dringendsten Zedürfais abzuhelfen, weil zwischen' der zweiten und dritten . die Regierung eingehendes Materidl zur Prüfung des Bedürfnsffeg nicht hätte beibringen können. Da nun der Landtag wahrscheinlich noch recht lange tagen werde, so sei die Staatsregierung in der Lage diese Prüfung noch vorzunehmen und dem Haufe einen Nachtragtetat für 1904 vorzulegen, sodaß noch im laufenden Jahre das Bedürfnis werde befriedigt werden können. Sei dies aber nicht möglich, so solle wenigstens im nächsten Etat der Fonds erhöht werden.

Abg. Dr. Dit trich (Zentr) spricht sich dafür aus, daß alle Lehrer in den gemischtsprachigen Bezirken eine unwiderrufliche Zulage halten. Gegen die Form' ber. Fegierungsforderung hätten sess Freunde erhebliche Bedenken. Es müsse Unzufriedenheit, Bitterkeit , n. entstehen, wenn die Lehrer differentiell behandelt würden.

Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗ angelegenheiten Dr. Studt:

Namens der Staatzregierung habe ich die Bitte an Sie zu richten, in Uebereinstimmung mit den Ausführungen Ihrer Budget— kommission die vorliegenden Anträge auf Nr. 202 und 147 abzulehnen. Die verfassungsrechtliche Seite der Etatsfrage und namentlich die Befugnis des Abgeordnetenhauses, einzelne Positionen zu erhöhen, wird nachher der Herr Finanzminister einer näheren Erörterung unterziehen.

Ich möchte vom Standpunkt meines Ressorts aus wiederholen, daß der Betrag, der in Kap. 121 Tit. 37 in Höhe von 1 Million vorgesehen ist, lediglich für das dort bezeichnete räumliche Gebiet, also für die Provinz Posen und für die gemischtsprachigen Kreise der Provinz Westpreußen, bestimmt ist. Eine so beträchtliche Ausdehnung des Gebiets, innerhalb dessen die Lehrerschaft mit sogenannten Ost— markenzulagen bedacht werden soll, wie sie der vorliegende Antrag vor⸗ sieht, würde die Zwecke der Gewährung derartiger Zulagen beein⸗ trächtigen; denn sie würde die Königliche Staatsregierung außerstand setzen, gerade in den wichtigsten Teilen, also in den ehemals

polnischen Landesteilen, Posen und Westpreußen, Zulagen an die dort einer besonders mühevollen Arbeit ausgesetzten Lehrer in angemessenem Umfange zu gewähren. Es ist selbstverständlich, daß, wenn eine der— artige ausdehnende Zweckbestimmung erfolgt, denjenigen Lehrern, für die ursprünglich dieser Titel vorgesehen war und das ist im vorigen Jahre in gleicher Weise geschehen nicht mehr in ausreichender Weise Zulagen gewährt werden können.

Nun sieht Titel 372 das ist auch von dem Herrn Referenten und vom Herrn Vorredner erwähnt zu Unterstützungen und Re⸗ munerationen für Elementarlehrer und Lehrerinnen einen Betrag in Höhe von 200 000 M behufs besonderer Förderung des deutschen Volks⸗ schulwesens in den gemischtsprachigen Landesteilen vor. Ich bemerke hierzu, daß in besonderen Fällen auch der Titel 35 a herangezogen werden kann. Namens der Unterrichtsverwaltung habe ich bei der zweiten Etatt⸗ beratung bereits erklärt, daß dieser Fonds in der Tat etwas knapp bemessen ist, und daß die Königliche Staatsregierung darauf Bedacht zu nehmen haben würde, den Fonds für spätere Zeit zu erhöhen, habe aber gleichzeitig das hohe Haus gebeten, doch zur Zeit eine solche Er⸗ höhung nicht in Betracht zu nehmen. Wir werden versuchen, mit diesen Zulagen auszukommen. Im übrigen habe ich zu den Lehrern der betreffenden Landesteile das Vertrauen, daß sie sich nicht allein in der treuen Erfüllung ihrer eigentlichen Berufspflichten, sondern auch in der Erfüllung ihrer staatsbürgerlichen Pflichten dadurch, das ihnen vielleicht in dem einen oder anderen Falle eine angemessene Vergũtung für die Erschwernisse ihres Berufs nicht gewährt werden könnte, nicht beirren lassen werden.

Meine Herren, das Urteil, welches hier von verschiedenen Seiten, namentlich von den Herren von Heyking und Dietrich dahin gefällt ist, daß die Lehrer in gewohnter Pflichttreue sich den Aufgaben ihrer Stellung unterziehen, dieses Urteil unterschreibe ich durchaus. Ich habe bei wiederholten Gelegenheiten schon Anlaß genommen, meine vollste Anerkennung darüber auszusprechen, und habe in früheren Jahren bei wiederholten Gelegenheiten auch hervorgehoben, wie groß die Schwierigkeiten sind, denen die Lehrer in der Ausübung ihres Berufs in den gemischtsprachigen Landesteilen gegenüberstehen. Meine Herren, es sind nicht allein allgemelne berufliche Schwierigkeiten, es sind auch persönliche Anfeindungen, denen diese Lehrer von staatsfeind⸗ licher Seite ausgesetzt sind, namentlich wenn es bekannt ist, daß sie ihre staatsbürgerlichen Pflichten loyal und treu erfüllen. Die Unter⸗ richtsverwaltung hat deshalb volle Veranlassung, diesen Lehrern eine ausreichende Entschädigung zu teil werden zu lassen. Die Summen haben bisher, wie angenommen wurde, für diese Zwecke auch ausgereicht; es tritt aber im Laufe der Zeit natürlich, besonders mit der sich vermehrenden Zahl der Lehrer, ein verstärktes Bedürfnis hervor, und diesem zu entsprechen, wird auch die Unterrichts verwaltung für die Zukunft bestrebt sein.

Meine Ausführungen schließe ich mit der Bitte, für den vor— liegenden Fall, abgesehen von den budgetrechtlichen Bedenken, schon aus dem Grunde von der Berücksichtigung der vorliegenden Antrãge Abstand zu nehmen, weil in der Tat, namentlich durch den Antrag der Herren Kreth und Genossen, der Zweck, zu welchen die Ostmarken⸗ zulagen innerhalb der ehemals polnischen Landesteile den Lehrern ge⸗ währt werden soll, eine wesentliche Beeinträchtigung durch Schmãlerung der verfügbaren Summe erfahren würde.

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Ich möchte mich zu dem Antrage der Herren Kreth und Genossen nicht weiter eingehend äußern; ich kann den Bedenken, die der Herr Kultusminister ausgesprochen hat, mich nur voll anschließen, Bedenken, die auch zu einer vollen Würdigung in der Budgetkommission geführt haben. Ich halte mich aber für ver⸗ pflichtet, auf die Aeußerungen des Herrn Freiherrn von Zedlitz mit einem Worte einzugehen; denn er hat zunächst budgetrechtliche Fragen

gestreift, die junächst die Finanzverwaltung berühren, und dann hat

er ausdrücklich eine Erklarung nicht nur seitens des Herrn Kultus= ministers, sondern auch von dem Finanzminister gewünscht Über die Ausgestaltung des Fonds in der Zukunft.

Was zunächst die budgetrechtliche Frage betrifft, so hat der Herr Abg. von Zedlitz ausgeführt, daß der Landtag das Recht habe, Positionen selbständig einzustellen und zu erhöhen. Ich muß meiner abweichenden Rechtsauffassung Ausdruck geben, will aber auf die rechtliche Lage nicht näher eingehen, darf aber jedenfalls betonen, daß es der Uebung dieses Hauses entspricht, solche Einstellungen oder Erhöhungen nur vorzunehmen mit Zustimmung der Regierung, und diese Zustimmung zur Erhöhung des Fonds um 00 000 M auszusprechen, mußten wir Bedenken tragen aus dem Grunde, den Herr Freiherr von Zedlitz schon selber angedeutet hat, weil es an allen Ermittelungen fehlte, ob in der Tat ein Bedürfnis vorhanden war, den Fonds um den sehr bedeutenden Betrag von 00 000 S zu erhöhen. Ich will indes hierauf nicht näher eingehen nachdem Herr Freiherr von Zedliz diesen Antrag für heute nicht wieder aufgenommen hat; er hat einen anderweitigen Antrag gestellt zunächst dahin, den Fonds auf 50 000 M schon für das laufende Etatsjahr zu er= höhen. Ich bin in der Lage, in Uebeinstimmung mit dem Herrn Kultusminister meine Zustimmung zu diesem Antrage auszusprechen; denn wie Herr Freiherr von Zedlitz schon ausgesprochen hat, ist ein Teil dieses Mehrbetrages von 50 000 S gedeckt durch Abstriche, die das hohe Haus an anderen Positionen vorgenommen hat, und der kleine fehlende Restbetrag wird aus einem im Etat zur Verfügung stehenden geeigneten Fonds gedeckt werden können, sodaß es also an Deckungsmitteln für die ho 000 M nicht gebricht.

Was die Erhöhung dieses Fonds für die Zukunft betrifft, so sind wir uns, meine Herren, darüber klar gewesen, daß die Einstellung dieses Fonds mit 200 000 ƽ dem Bedürfnis voraussichtlich nicht für alle Zukunft genügen würde. Aber es fehlte zunächst an Erfahrungen, wie hoch der Fonds bemessen werden muß. Ich halte nun zwar die Rechnung, die hier aufgemacht worden ist, nicht für richtig, das man sagt: es entfallen auf den Kopf des Lehrers so und so viel; denn der Fonds war für besonders verdienstliche Leistungen be⸗ stimmt, nicht aber gedacht als eine Zuwendung an jeden der beteiligten Lehrer. Immerhin sind wir uns, wie ich schon sagte, darüber klar gewesen, daß der Fonds voraussichtlich in der Zukunft eine Verstärkung erfahren muß. Der Herr Kultusminister hat bereits am 253. März 1904 hier ausgeführt, daß die Ermittelungen darüber im Gange sind, um wieviel der Fonds erhöht werden muß, und daß wir uns vorbehalten, dem hohen Hause nach Abschluß dieser Er⸗ mittelungen eine Vorlage zu machen, beziehentlich in den Etat für das Jahr 1905 erhöhte Mittel einzustellen. Ich glaube, ein Nach⸗ tragsetat kann wohl kaum in Frage kommen, da überhaupt die Be—⸗ schreitung dieses Weges wenig erwünscht erscheint, und insofern halte ich den Antrag der Budgetkommission, wie er Ihnen unter III vor- gelegt ist, für den glücklicheren, obgleich sehr wesentliche Differenzen zwischen ihm und dem Antrage des Herrn Freiherrn von Zedlitz nicht vorliegen.

Ich möchte also mich dahin resümieren, daß ich namens der Staatsregierung meine Zustimmung dafür ausspreche, daß der Fond Kap. 121 Tit. 37a schon im Etat für 1904 um Bo 000 erhöht wird, daß ich in Aussicht stelle, eine weitere Erhöhung für das Jahr 1905 vorzunehmen, wenn die angestellten Ermittelungen ein Bedürfnis zur Erhöhung des Fonds ergeben sollten, und daß ich bitte, hinsichtlich dieser Mehreinstellung von Mitteln für die Zukunft den Antrag der Budgetkommission an Stelle des Antrags des Abg. Freiherrn von Zedlitz anzunehmen.

Abg. Dr. Friedberg (nl): Wenn sich ein Bedürfnis nicht ergibt, wird daz Haus die Interessen der Steuerzahler wahren und nicht höhere Mittel bewilligen. Die Erhöhung der Position läßt sich nur mit Zustimmung der Regierung vornehmen. Nachdem diese er⸗ folgt ist, stimmen wir dem Antrag Zedlitz zu.

Abg. von Klitzing (kons. ): Bie Lehrer in Ostpreußen haben es schwerer als die in Posen; denn sie haben nicht nur deutsche und polnische, sondern auch noch masurische Kinder zu unterrichten. Sie dürfen also auf keinen Fall unberücksichtigt bleiben. Ich bitte Sie dringend, den Antrag Zedlitz anzunehmen. Ich behalte mir eventuell den Antrag vor, in einem Nachtrageetat die Summe zu erhöhen.

Abg. von Kardorff ffreikonf); Ich schließe mich den Gründen, die Freiherr von Zedlitz für seinen Antrag vorgebracht hat, vollkommen an. Daß die Lage der Lehrer in Qberschlesien nicht anders ist als diejenige der Lehrer in der Provinz Posen, das zeigen uns die Ver⸗ hältnisse im Kreise Wartenberg. Ich bitte, wenigstens für Sber= schlesien die Zulage zu bewilligen, bezlehungsweise dem Antrage Zedlitz zuzustimmen. ; .

Abg. Ernst (fr. Vgg): Ich sehe nicht ein, warum die Aus—= dehnung der Ostmarkenzulage auf die beiden Provinzen die Erreichung der Zwecke, welche die Regierung mit der Gewährung der Ostmarken⸗ zulage verfolgt, illusorisch machen soll. Die eine Million Mehrkosten dürften für den preußischen Staat doch nicht unerschwinglich sein. Wie der Abg. Dittrich, bin auch ich für die Unwiderruflichkeit der Ostmarkenzulage. Ich bitte, dem Antrage Kreth und nicht dem An= trage a zuzustimmen, weil die Gewährung von Remunerationen die Uebelstände nur noch vermehren wird. .

Abg. Ro senow (fr. Volksp.): Wir sind von Anfang an gegen diese Politik gewesen und werden auch gegen diesen Antrag stimmen. Für die Besserstellung der Lehrer sind wir immer eingetreten, wir stimmen aber grundsaͤtzlich gegen diesen Antrag, weil einerseits dadurch die Tätigkeit der Lehrer nach einer bestimmten Richtung hin beeinflußt wird und andererseits bald auch entsprechende Anträge aus anderen Kreisen kommen werden. ;

363 Korfgnty (Pole) erklärt namens seiner Freunde, daß sie gegen alle diese Anträge stimmen werden. Die Ostmarkenzulagen ver= führten die Lehrer, ihr e n in sehr vielen Fällen zu über- schreiten, und unter diesen Umstaͤnden könne es zu keinem Frieden in den Ostmarken kommen. Die Lehrer ergriffen die jzweifelhaftesten Mittel, um die Kinder zum Gebrauch der deutschen Sprache ju pingen. In Oberschlesien seien die Verbältnise der Lehrer, wie Herr Voltz neulich gesagt habe, geradezu glänzend. Den Herren aus dem Kreise Wartenberg besonders sei es gar nicht um die Förderung des Deutschtums zu tun, sondern darum, mehr zu bekommen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Ich würde auf die Ausführungen des BVerrn Abg. Korfanty nicht das Wort ergriffen haben, wenn es sich nicht darum handelte, mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen geradezu unerhörte Angriffe, die gegen die Ehrenhaftigkeit des Lehrerstandes im allgemeinen und ing— besondere gegen die in Oberschlesien erhoben worden sind. (Bravo rechts) Mir fehlen die Worte oder ich bin vielmehr genötigt, mir eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen; sonst würde ich mir noch eine ganz andere Kritik erlaubt haben. Meine Herren, es liegt System in diesen Anschuldigungen. Ce sind Reden, die zum Fenster hinaus gebalten werden, um die gane Polenpolitik der Regierung zu diskreditieren und vor allem die Ehren⸗

baftigkeit der Lebrer, die die Weisungen der ihnen dorgesetzten Be-