den Verhandlungen den Richtern gegenüber verlauten lassen, welche Strafe sie in dem betreffenden Falle erwarten. Dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn das bißchen Unabhängigkeit, das jene Richter noch haben, in die Brüche geht. Handelt es sich um Majestäts— beleidigungen, so wird auf die höchsten Strafen erkannt, gleich⸗ gültig, aus welchen Motiven jene Beleidigungen begangen werden. In der zweiten Lesung hatte ich mitgeteilt, daß Anfang dieses Jahres eine Kabinettsordre ergangen sei, in der den inaktiven 2ffizieren bedeutet worden sei, daß sie sich in ihrer journalistischen Tätigkeit eine große Reserve aufzuerlegen hätten, sonst würden sie die Uniform verlieren. Der Kriegsminister hat darauf erwidert, daß ihm ein derartiger Erlaß nicht bekannt sei. Er hat wohl das Gewicht auf die Worte legen wollen: daß die Offiziere sonst ihre Uniform verlieren würden. Tatsächlich ist der erwähnte Erlaß am 1. Ja nuar ergangen und z. B. hier im Bezirkskommando in Schöneberg den Offlzieren vorgelesen und zur Unterschrift vorgelegt worden. Diese Verordnung hat dann auch die entsprechende Wirkung gehabt, denn seitdem ist eine offenbare Stille im Blätterwald eingetreten. Erscheint einmal ein Artikel, so beschäftigt er sich nicht mit Dingen, die hier in der zweiten Lesung erörtert wurden. Ich hatte ferner am 4. März über die Vorgänge vor dem Heidelberger bezw. Karls⸗ ruher Kriegsgericht gesprochen. Es handelte sich um den Ueberfall von Unteroffizieren durch gemeine Soldaten, die zu sehr schweren Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Der Generalleutnant von Boguslaweki hatte den Vorgang auf sozialdemokratische Ver⸗ hetzung zurückgeführt, ohne den Beweis für eine solche Ver— dächtigung zu führen. Der Kriegsminister behauptet, ich hätte dem General Verleumdungen vorgeworfen. Das war nicht der Fall. Der Kriegsminister behauptet dann noch, daß einer der braven Burschen ein mehrfach bestrafter Mann und überwiesener Sozial— demokrat sei. Ich habe mich inzwischen in Mannheim erkundigt und von einem Verteidiger erfahren, daß nach dem Gang der Verhand— lungen vor dem Kriegsgericht nichts vorgekommen sei, was auf die Zugehörigkeit der vier Ängeklagten zu einer politischen Partei hätte schließen lassen. Der Kriegsminister stützte sich vielleicht auf Polizei⸗ akten. Für die Polizei genügt ja die Zugehörigkeit eines Mannes zu einer Arbeiterorganisation, um ihn zum Sozialdemokraten zu stempeln, wie es bei dem Feinhauer der Fall gewesen ist. Ich habe dann noch darauf hinzuweisen, daß bei der Verhängung von ÄUrrest im Manöver die Arresträume oft nicht ausreichen und die Be⸗ straften warten müssen, bis sie eingesperrt werden können. Da sind Leute darunter, deren Dienstzeit inzwischen zu Ende läuft, und die dann aus diesem Grunde allein über ihre Dienstzeit hinaus zurück— gehalten werden. Ein solches Vorgehen halte ich für durchaus un— zulässig; die Militärbehörde hat kein Recht, aus solchem Grunde die Leute noch wochenlang über ihre Verpflichtung hinaus bei der Fahne zurückzuhalten und ihre Dienstzeit zu verlängern; ein solches Verfahren könnte höchstens bei wirklicher Untersuchungshaft Platz greifen.
Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, General leutnant Gallwitz. Meine Herren, vom Herrn Obersten des Barres ist vorhin bereits auf die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Gradnauer dahin erwidert worden, daß der spezielle Fall, be⸗ treffend einen Korpsbefehl, der von ihm vorgebracht wurde, uns bisher unbekannt gewesen ist und eine ausgiebige Antwort darauf nicht gegeben werden konnte. Es ist auch die Zusicherung erfolgt, daß der Fall weiter eingesehen werden solle. Gleichwohl hat daraufhin und auf eine ebenso unbeglaubigte Kombingtion über einen Vorgang in Metz hin der Vorredner, der Herr Abg. Bebel, er⸗ neut ernste Zweifel an der Unabhängigkeit des militärischen Richter⸗ standes ausgesprochen und Befürchtungen geäußert, daß unter der Herr⸗ schaft des neuen Militärstrafrechts die Rechtsprechung Zweifeln aus—⸗ gesetzt wäre. Ich möchte demgegenüber hervorheben, daß, ganz ab— gesehen von den Fällen, die Anlaß zu diesen Erörterungen gegeben haben, der Herr Vorredner den Charakter und die Mannhaftigkeit des preußischen Offiziers damit unterschätzt. Wer von unseren Offizieren zu der Ehre berufen wird, als Richter zu wirken, weiß, daß er nur feinem Gewissen dabei Rechenschaft schuldig ist, und läßt sich durch derartige Sachen, wie sie hier vorgebracht werden, nicht abhalten, seine Pflicht zu tun. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Ich muß ernsthaft Verwahrung dagegen einlegen, daß durch derartige Vorkommnisse und Erörterungen unsere Offiziere irgendwie beeinflußt werden und sich verleiten lassen könnten, wider ihr Gewissen und ihre Ueberzeugung Recht zu sprechen. Der Herr Abg. Bebel ist dann auf den Vorfall gekommen, der in zweiter Lesung gespielt hat. Er hatte damals erwähnt, es sei ein Erlaß ergangen, in welchem den Offizieren von der Beteiligung an publtzistischer Tätig keit abgeraten sei unter Hinweis darauf, daß sie im Weigerungsfalle mit dem Verlust der Uniform bestraft werden würden. Der Herr Kriegsminister hat damals das Vorhandensein eines solchen Erlasses bestritten. Der Herr Abg. Bebel hat heute erwähnt, es sei doch ein solcher Erlaß vorhanden, und hat näher aus—⸗ geführt, welchen Inhalt dieser gehabt haben soll. Er hat dabei aber unerwähnt gelassen, daß die Pointe, gegen welche der Herr Kriegsminister sich bei der zweiten Lesung gewandt hat, nämlich die Drohung, die in dem Erlaß ergangen sein sollte, insbesondere die Drohung, daß die Offiziere ihre Uniform verlieren sollten, das einzige gewesen ist, was der Herr Kriegsminister in der zweiten Lesung dementiert hat. (Widerspruch bei den Sozial— demokraten. Ich möchte dem gegenüber feststellen, daß der Herr Kriegsminister mit diesem Dementi vollkommen recht gehabt hat und vollkommen recht gehabt haben muß; denn wenn auch ein solcher Erlaß bestände, könnte in ihm die Drohung, daß die Offiziere ihre Uniform verlieren sollten, nicht ausgesprochen sein; denn der Verlust der Uniform hängt nicht von der Verwaltung und auch nicht von einer Entschließung des obersten Kriegßherrn ab, sondern unter— liegt dem ehrengerichtlichen Spruch und kann nur auf dem Wege eines ehrengerichtlichen Verfahrens eintreten. Wenn der Herr Abg. Bebel zum Schluß das Ersuchen an die Militärverwaltung gestellt hat, dem entgegen zu wirken, daß Reservisten über ihre gesetzliche Dienstzeit hinaus behufs Verbüßung von Strafen zurück— gehalten würden, und wenn er ein derartiges Verfahren als un— gesetzlich hingestellt hat, so hat er einesteils recht, einesteils unrecht. Es wäre allerdings ungesetzlich, wenn die Reservisten über den letzten Tag der gesetzlichen Dienstpflicht hinaus zurückbehalten würden, um noch eine Strafverbüßung anzutreten. Dieses Verfahren besteht aber nicht mehr, und insofern ist er nicht richtig unterrichtet gewesen. Es ist bereits vor längerer Zeit die Verordnung getroffen, daß Leute, die nach dem Manöver noch Strafen zu verbüßen haben, nur so lange bei der Truppe zurückbehalten werden dürfen, bis ihre Dienstpflicht erlischt; das ist im allgemeinen der 30. September des betreffenden Jahres. Sind dann noch keine Arrestzellen frei geworden, so müssen die Leute entlassen werden und verbüßen ihre Strafe im Beurlaubten— stande. Wenn sie allerdings vor dem 30. September ihre Strafe an— treten, so läuft die Verbüßung der Strafe in den Oktober hinein. Das ist aber gesetzlich. Es wird also hier vollkommen korrekt ver— fahren, eine Ungesetzlichkeit nicht begangen.
Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.): Auch ich möchte dem Befremden darüber Ausdruck geben, daß die im Bilse⸗Prozeß tätig gewesenen Militärrichter eventuell aus Anlaß dieses Prozesses ihren Abschied bekommen haben. Wir müssen darauf halten, daß nicht ein⸗ mal ein Verdacht derart entsteht. Auch in der bürgerlichen Presse, so in der „Vossischen Zeitung“, ist dieser Standpunkt energisch vertreten worden. Der Vertreter der Heeresberwaltung hat nur erklärt, die Entlassungen wären Sache des obersten Kriegsherrn und gingen die Verwaltung nichts an. Ich kann mein lebhaftes Bedauern darüber nicht verhehlen, daß die Heeresverwaltung nicht erklären kann, daß die Verabschiedung dieser Militärrichter nicht mit ihrer damaligen richterlichen Funktion in Zusammenhang steht. Schon durch diesen Glauben, wenn er im Volke Wurzel faßt, wird die Militäjustiz stark in ihrem Ansehen geschädigt, und sie muß auf die Stufe einer Kabinetts⸗ justiz herabsinken, wenn die Vermutung zutrifft. Ich bin auch davon durchdrungen, daß die Offiziere nur nach ihrem Gewissen urteilen; aber darf man dann den Offizier vor die Möglichkeit stellen, daß er, wenn er seinem Gewissen folgt, seine Stellung aufs Spiel setzt? Das brächte die Militärjustiz vollends um ihren Kredit. Es muß also auf
einen Ausweg gesonnen werden, es muß erwogen werden, ob nicht die Richter inaktlve Offiziere sein müßten, oder ob man nicht unabsetzbare Richter schaffen kann.
Abg. Schrader (fr. Vgg.): Wir sind noch heute der Ueber zeugung, daß die neue Militarstrafgerichtsordnung ein Fortschritt war; aber ob das Verfahren und die Zusammensetzung der Gerichte über allem Zweifel erhaben war, haben wir damals schon bezweifelt. Vor allem bedenklich waren wir gegen das Institut des Gerichts herrn. Daß die Rechtsprechung durch das Eingreifen des Gerichtsherrn ihre Unab— hängigkeit verliert, ist durch mehr als eine Tatsache erwiesen. Von jedem Richter hat man erwartet, daß er nur der Stimme seines Ge— wissens folgen wird; trotzdem hat man sich im Zivilverfahren nicht mit selbständigen Richtern begnügen zu dürfen geglaubt, sondern hat sie unabsetzbar gemacht. Die Milltärrichter aber können ohne weiteres von dem obersten Kriegsherrn verabschiedet werden; darin liegt eine Schwächung ihrer Stellung. Die fortdauernden zahlreichen Be⸗ schwerden über die Militärjustiz im Reichstage müssen auch der Ver⸗ waltung die Ueberzeugung beibringen, daß sie im Zusammenwirken mit uns die hervorgetretenen Unvollkommenheiten zu beseitigen mit aller Kraft sich bestreben sollte.
Abg. Bebel: Ich soll den Mat der Offiziere unterschätzt haben, meint der Regierungsvertreter. Aber die Offiziere sind doch auch Menschen. Wenn in ganz kurzer Zeit, wie im Falle Bilse, der Gerichtsherr und zwei andere Richter entlassen werden, so ist das ein bedeutsamer Wink mit dem Zaunpfahl für die anderen Richter. Die Existenz des Erlasses gegen die inaktiven Offiziere bestätigt heute der Vertreter des Kriegsministers. In der Tat hat dieser meine Be— merkung darüber, daß diese Offiziete eventuell die Uniform würden ausziehen müssen, wenn sie sich in oben mißliebiger Weise jour— nalistisch betätigten, herausgegriffen, um das Vorhandensein jenes Erlasses abzuleugnen.
Die Besoldungen werden bewilligt.
Bei den Ausgaben für die Geldverpflegung der Truppen befürwortet der
Abg. Fritzen-Düsseldorf (Zentr) die Beseitigung der bestehenden Ungleichheit in den Besoldungsverhältnissen der Militärärzte. Der Reichstag habe sich seinerzeit für eine Hebung der Sanitätsoffiziere und für ihre Gleichstellung mit den Frontoffizieren ausgesprochen. Die große Bedeutung der Hygiene für das Heer lasse hoffen, daß die Aufbesserung der Gehälter im nächsten Jahre stattfinden werde, um so mehr, als erhebliche Mehrausgaben damit nicht verbunden sein würden. .
Abg. von Kardor ff (Rp.): nur anschließen.
Bei den Ausgaben für die Verwaltung der Remonte— depots kommt der
Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.) auf die Rede zurück, die der Abg. von Treuenfels in zweiter Lesung über den Remontekauf gehalten hat. Dieser habe nach einer liberalen Zeitung aus einer Wählerversamm— lung berichtet, er, Redner, habe gesagt, auf den großen Gütern würden Remonten gekauft, weil dort gut gefrühstückt werde. Diese Angaben seien objektiv unrichtig. In der liberalen Parchimer Zeitung“ sei allgemein vom Pferdekauf die Rede gewesen, wobei die Leistung des Großgrundbesitzes anerkannt worden sei; von Frühstücken und einer Pflichtwidrigkeit sei keine Rede. Er, Redner, habe auch andere liberale Zeitungen durchgesehen, aber nichts derartiges gefunden. Der Verleger der „Parchimer Zeitung“ habe ihm noch besonders mit. geteilt, daß sie nie und nirgends den Offizieren eine Unredlichkeit vorgeworfen habe. Angriffe solcher Art, wie sie der Abg. von Treuen⸗ fels erhoben habe, richteten sich von selbst. Er verzichte darauf, sie zu charakterisieren.
Abg. von Treuenfels (8. kons.) erklärt, er bleibe bei seinen früheren Behauptungen stehen und berufe sich auf ein Schreiben eines Teilnehmers an jener Versammlung. Dieser habe unter Bezugnahme auf weitere Zeugen ihm, Redner, geschrieben, daß der Abg. Dr. Pach⸗ nicke tatsächlich gesagt habe, ein gutes Frühstück sei bei Standes⸗ genossen eine nicht zu unterschätzende Sache, wenn es sich um Re⸗ monteankäufe handle. (Abg. Dr. Pachnicke: Dreiste Unwahrheit! Er müsse den Vorwurf, daß er die Unwahrheit gesagt habe, zurückweisen.
Abg. Dr. Pachnicke: Herr von Treuenfels hatte sich auf die „Parchimer Zeitung“ bezogen. Ich fordere ihn auf, mir nach⸗ zuweisen, daß jene Aeußerung in dieser Zeitung gestanden hat. Er hat wörtlich gesagt: die „Parchimer Zeitung“ liegt mir vor. Er hat sich aber lediglich auf einen Privatbrief beziehen können, der eine dreiste Unwahrheit enthält. Ich habe in jener Wählerversammlung nur gesagt, daß die Großgrundbesitzer wegen ihrer größeren Leistungen auch mehr verkaufen.
Abg. von Treuenfels: Ich habe mich auf die „Parchimer Zeitung“ berufen in bezug auf die Agitationsweise des Abg. Pachnicke, der den Klein gegen den Großgrundbesitz aufhetzte. Die Aeußerungen bezüglich des ll slich habe ich allerdings aas einem Privatbriefe. Wenn Herr Pachnicke alle die Leute, die diese Aeußerung gehört haben wollen, als Lügner hinstellt, so möge er seine Behauptungen in der Oeffentlichkeit wiederholen, damit die Sache gerichtlich festgestellt werden kann. Die Herren haben mir unaufgefordert ihr Zeugnis zur Verfügung gestellt.
Abg. Dr. Pachnicke: Ich hätte von der Loyalität meines Gegners erwartet, daß er seine Aeußerungen zurückgezogen hätte, er sucht vielmehr dem Kernpunkte auszuweichen.
Abg. Gothein (fr. Vgg.): Herr von Treuenfels hatte aus— dräcklich gesagt, daß er sich nicht auf gegnerische Blätter, sondern auf die liberale „Parchimer Zeitung“ beziehe, und er hat nicht nach ewiesen, daß diese nur das geringste darüber gebracht hat, daß Herr Fre , den Offizieren einen solchen Vorwurf gemacht habe. Daß dieser erregt par, ist begreiflich, nachdem so unerhörte Angriffe auf ihn gemacht norden sind. Leider hat Herr von Treuenfels nicht den Mut, seinen Irrtum einfach einzugestehen; das erforderte ein Gebot einfacher Kollegialität. Falsche Informationen können bei jedem vor kommen, aber dann nimmt man sie zurück. Oder kann er nicht lesen? Vorteilhaft für sein Ansehen ist seine Handlungsweise nicht.
Abg. von Treuenfels: Die Herren gehen um die Sache herum wie die Katze um den heißen Brei. Ich habe Beweise beige⸗ bracht durch Berufung auf einwandfreie Zeugen. Auf die „Parchimer Zeitung“ habe ich nur insofern Bezug genommen, als Herr Pachnicke die Agitation zu einer Verhetzung des Großgrundbesitzes benutzt hat. Ich kann nur bitten: bringen Sie die Sache vor Gexicht, dann wird sich zeigen, wer recht hat, wer loyal gewesen ist und Mut gehabt hat oder nicht.
Nach einer weiteren kurzen Auseinandersetzung zwischen den Abgg. Dr. Pachnicke und von Treuenfels schließt diese Debatte.
Bei den Ausgaben für die technischen Institute der Artillerie tritt der .
Abg. Dr. Lucas (nl) den schweren Verdächtigungen entgegen, die der Abg. Zubeil in der zweiten Lesung gegen mehrere Beamte der Pulverfabrik in Hanau gerichtet hat. Zwei Meister hätten von Arbeitern geborgt und auf Mahnungen gedroht, sie würden die Leute maßregeln. Diese Behauptung sei als unbegründet erwiesen worden durch die angestelten Erhebungen. Der eine der beiden Meister habe allerdings einmal 200 S6 von einem Arbeiter gehorgt aber sie mit Hog verzinst und ohne Mahnung zurückgezahlt. Ein Obermeister habe sich von einem Meister Apfelwein besorgen lassen, aber es sei auch dabei nichts Belastendes vorgekommen. Herr Zubeil habe den Ruf makel-⸗ und tadelloser Leute schwer geschädigt.
Abg. Zubeil (Soz,) erklärt, er könne von dem, was er in zweiter Lesung ausgefüihrt habe, nichts zurücknehmen. Der Abg. Dr. Lucas hätte sich lieber etwas mehr um die Interessen der Arbeiter, nicht nur der Meister in der Pulverfabrik in Hanau kümmern sollen. Im Oktober vorigen Jahreß seien 30 bis 490 Handwerker aus ihrem erlernten Beruf heraus enommen und in ihnen fremden Berufen
Ich kann mich diesem Wunsche
untergebracht worden; an die Stelle der gelernten Arbeiter aber seien
aus der Bäckerei ungelernte Arbeiter genommen und in die Werk stätten der r f. Sattler, Schmiede usw. gesteckt worden. Ganz besonders tadelnswert sei das Mitgeben von Arbeit aus der Pulver- fabrik nach Hause; dadurch würden große Gefahren für die Familien heraufbeschworen.
Stellpertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, General⸗ leutnant Sixt von Armin: Meine Herren! Ich kann dem Herrn Abg. Lucas nur sehr dankbar sein, daß er für die Beamten der tech⸗ nischen Institute so warm eingetreten ist. Ich halte es für besonders wertvoll, daß die Anklagen, die von einem Mitgliede dieses hohen Hauses gegen diese Männer erhoben worden sind, auch aus der Mitte des hohen Hauses heraus ihre Widerlegung gefunden haben. Ich bin es dem Herrn Abg. Dr. Lucas schuldig, auszusprechen, daß die amtliche Untersuchung, die stattgefunden hat, das durchaus bestätigt, was der Herr Abgeordnete hier ausgeführt hat. Es hat sich die vollständige Unschuld der Meister in Hanau herausgestellt. Der Meister, der 200 66 von einem Arbeiter geliehen hat, hat unrecht gehandelt, ein Verbrechen kann ich aber darin nicht finden; er hat unrecht gehandelt, es gehört sich nicht, und er ist disziplinarisch bestraft worden, und damit ist die Sache erledigt. Ich muß aber noch auf einen weiteren Fall zurückkommen, der sich auf Spandau bezieht, auf Meister Jäger. Diesem ist von dem Herrn Abg. Zubeil in der zweiten Lesung vor— geworfen worden, daß er durch Atteste, die er sich veischafft habe, sich eine Unterstützung von 150 M erschwindelt habe. Die Tatsache ist, daß diesem ganz besonders tüchtigen und bewährten Beamten vor jetzt — ich glaube nicht zu irren — 5 Jahren, im Jahre 1899, bei einer schweren, mit einer Operation verbundenen Krankheit seiner Frau eine einmalige Unterstützung von 100 S6 zuteil geworden ist, eine Unterstützung, die jedem anderen Mann in Lerselben Lage ebenso gewährt werden würde. Ich möchte doch die Hoffnung aussprechen, daß der Herr Abg. Zubeil in den Anschuldigungen, die er vor diesem hohen Hause erhebt, nach den Erfahrungen des heutigen Tages im Jnteresse des guten Rufes unserer Beamten etwas vorsichtiger ver— fahren möchte.
Abg. Dr. Lucas: Ich habe nicht selbst Erhebungen angestellt, wie ich Herrn Zubeil bemerke, sondern die Leute sind zu mir gekommen, Meister wie Arbeiter, und haben mich aufgeklärt.
Abg. Zu beil: Herr Lucas ist doch jedenfalls sehr beteiligt bei diesen Erhebungen gewesen. Daß einer von den Meistern diszipli— narisch bestraft werden mußte, zeigt doch die Richtigkeit meiner Be⸗ hauptungen. Auch bezüglich des Spandauer Meisters Jäger kann ich nichts zurücknehmen; bei solchen Untersuchungen nach der Art, wie der General Gallwitz in Straßburg sie im letzten April vorgenommen hat, wo seine Ankunft vorher angezeigt wird, sämtliche Räume vor— her gescheuert werden, und der Inspekteur dann in einer Stunde 5 Werkstätten inspiziert und sich mit keinem einzigen Arbeiter, auch nicht mit einem Mitgliede des Arbeiterausschusses mit einem Worte unterhält, ist es erklärlich, daß da niemals etwas für die Arbeiter⸗ schaft herauskommen und auch nichts Ordnungswidriges ans Tageslicht kommen kann. In Spandau sind neuerdings wieder außerordentliche Abzüge vom Akkordlohn gemacht worden. Zum Schluß kommt Redner auf die Angelegenheit der Kranzniederlegung auf dem Friedrichs⸗ hainkirchhof am 18. Marz mit der Widmung: „von Arbeitern der Militar⸗ werkstätten in Spandau“, zurück, wo man sich an die Arbeiterausschüsse gewendet habe, um Unterschriften zu einer Beleidigungsklage zu er— langen. Man habe endlich einen Ausschuß ermittelt, der sich dazu hergegeben habe, auch ein Rechtsanwalt habe sich gefunden, den Prozeß zu führen; dieser Rechtzanwalt sei Herr Lüdicke. Die Sozialdemokratie sei gespannt auf den Ausgang des Prozesses; die Wahlen von 1903 und. 1898 hätten doch auch der Militärverwaltung bewiesen, daß in militärischen Werkstätten Tausende von Sozialdemokraten vorhanden seien; man sei gespannt, ob sich ein Gerichtshof in Preußen finden werde, der den Arbeitern auch dieses Recht der Kranzspende für die Anerkennung der Freiheitskämpfer zu nehmen den Mut habe.
Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, General⸗ leutnant Sirt von Armin: Meine Herren! Ich will die Ge⸗ duld des hohen Hauses nicht lange in Anspruch nehmen, muß aber dem vorbeugen, daß meinen Worten eine Auslegung gegeben wird, wie es seitens des Herrn Abg. Zubeil geschehen ist. Ich habe ausdrücklich betont, daß ich in dem Verhalten des Meisters Püschel ein Verbrechen nicht erblicken kann, daß ich es aber ungehörig finde, daß er von einem Arbeiter Geld geborgt hat, und deshalb ist er bestraft worden. Wie der Herr Abgeordnete daraus folgern kann, ich hätte einen großen Teil seiner Ausführungen zugegeben, ist mir unverständlich. Auf die einzelnen Klagen, die hier vorgebracht sind, einzugehen, muß ich mir versagen. Ich bin über die einzelnen Fälle nicht unterrichtet, glaube auch, mir den Dank des Hauses zu verdienen, wenn ich mich darauf nicht weiter einlasse. Das aber kann ich aussprechen: nach dem Er— gebnis der Erhebungen, die ich nach den Reden der Herren Abgg. Pauli und Zubeil in der zweiten Lesung angestellt habe, hin ich 3 rechtigt, die Vorwürfe, die heute hier vorgetragen sind, mit einer ge— wissen Zurückhaltung und Vorsicht aufzunehmen
Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, General⸗ leutnant Gallwitz: Meine Herren! Auch ich möchte bei der dritten Lesung die Debatte nicht weiter ausspinnen, als im Interesse der Ver⸗ handlungen liegt, und deshalb nur kurz feststellen, daß bei meiner neulichen Besichtigzung des Bekleidungzamts in Straßburg sich aller⸗ dings herausgestellt hat, daß die sämtlichen kürzlich von dem Herrn Abg. Zubeil vorgebrachten Anklagen und Verdächtigungen vollkommen haltloß sind. Auf Einzelheiten möchte ich heute nicht eingehen, sondern behalte mir das Weitere für das nächste Jahr vor, zu welcher Zeit der Herr Abg. Zubeil ja nicht unterlassen wird, mit einem neuen Bukett von Klagen hier zu erscheinen.
Damit schließt die Erörterung beim Militäretat.
Es folgt der Etat der Marineverwaltung.
Dazu liegt folgende, vom Abg. Gröber Gentr.) bean⸗ tragte Resolution vor:
„Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstag in der Uebersicht über die Arbeiterverhältnisse in den Betrieben der Marineverwaltung eine eingehendere Nachweisung zugehen zu lassen, in welcher die Arbeitszeit und der Arbeitslohn im AÄnschluß an die bestehende Lohnklassentabelle für die einzelnen Arbeitszweige unter Hervorhebung der Uberstunden und des Akkord⸗ und Ueberstunden⸗ verdienstes dargelegt und die gewährte Sonntagsruhe ersichtlich gemacht wird.“
Abg. von Kardorff (Rp.): Ich möchte an die Marine— verwaltung eine Anfrage richten wegen der Unterseeboote. Unsere Marine ist, glaube ich, die einzige, die sich auf den Bau der Unter⸗ seeboote nicht eingelassen hat. Ich weiß nicht, welche Gründe sie dazu veranlaßt haben. Im Publikum macht man sich darüber seine Gedanken. Ich glaube, es läge im allgemeinen Interesse, wenn die Marineverwaltung einmal, darüber Auskunft geben wollte. Eine andere Frage bezieht sich auf die Flotte überhaupt. Herr Bebel meinte, wir könnten auf unsere Kolonien verzichten. Ich bin nun allerdings anderer Meinung. Im Publikum sagt man, wenn wir die Kolonien nicht hätten, dann würde es möglich sein, viel größere Forderungen für die Flotte durchzusetzen. Ich hin ganz entgegengesetzter Meinung. Wenn heute ein Interesse für die Flotte vorhanden ist, so beruht es auf dem Interesse für unsere Kolonien. Fürst Bismarck hat sich seinerzeit sehr behutsam und bedächtig auf die Kolonien eingelassen. Wir stehen heute vor einer gewissen Entscheidung: Der xussisch— japanische Krieg muß uns mahnen, daß unsere heutige Flotte lange nicht dem entspricht, was Deutschland von seiner Flotte fordern muß. Unsere Flotte muß sehr viel stärker werden. Stillstand gibt es nicht. Wir stehen heute vor einer Entscheidung: entweder wir treiben eine Festlandspolitik, wie sie Herr Richter wünscht, oder wir treiben eine ertensioe Weltpolitik. Wollen wir diese nicht, so müssen wir die Kolonien verkaufen. Die große Mehrheit des Volkes will das nicht. Die englische Flotte wird uns gefährlich, darum ist es die höchste Zeit.
(Schluß in der Zweiten Beilage)
zum Deutschen Reichsanzei
Mn 112
Zweite Beilage
Berlin, Freitag, den 13. Mai
ger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
1904.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Daß in England eine große Strömung vorhanden ist gegen unsere Flotte, ist 6 ö . beg englische Flotte hat seinerzeit auch die daͤnische Flotte vernichtet und die japanische jetzt, wie es scheint, einen Teil der russischen. Daraus müssen wir eine Lehre ziehen. Wir könnten in einem schnelleren Tempo unsere Flotte bauen als bisher. Ich möchte dringend wünschen, daß das geschihe. Man sagt nun: was heißt das? es müßten neue Steuern kommen, die Getränke, das Bier, der Tabak des armen Mannes müßten besteuert werden. Ach nein, es giht noch ganz andere Steuerobjekte. Der Schatzsekretär wird schon folche Produkte finden. Deutschland produziert 150 Millionen Tonnen Kohlen; der Kohlenpreis wurde durch den Trust in die Höhe geschnellt. Wenn mon nur einen Teil der Schwankungen des Preises als Steuer
—
Fon den Kohlenbergwerken erheben wollte, so käme schon eine hübsche Summe heraus. Die Landwirtschaft braucht man ja nicht immer bei der Brennerei, Brauerei usw. anzufassen. Sie sehen, die armen Leute werden es merken, ja sie werden es vielleicht merken, wenn sie von sozialdemokratischen Genossenschaften Kohlen. kaufen. Ez gibt noch andere Steuern. Ich denke an, die Ziegeleien Ist es ungerecht, eine ganz kleine Quote der Preisschwankungen auf die Bausteine zu legen? Es wäre auch möglich, vom Roheisen einen Bruchteil der Preisschwankungen als Steuer zu erheben. Ferner denke ich an die Perfonentarife. Weshalb soll das Reich nicht 100,0 auf die erste, 5 auf die zweite, 1 auf die dritte Klasse erheben und die vierte Klasse frei lassen? Daneben könnte man eine gestaffelte Reichelizenzabgabe für den Verkauf von Tahak und Spirituosen ein⸗ führen. Die Regierung müß den Mut haben, höhere Forderungen für die Flotte zu stellen und dann gleich die Deckungsmittel mit⸗ bringen. Es handelt sich hier um eine ernste Frage. Wir müssen ein schnelleres Tempo einschlagen und ich wünsche nur, daß die Regierung die nötige Energie hätte. Wir werden ja der englischen Flotte nicht nachkommen können. Wir haben alle den Krieg der Engländer gegen die Buren bedauert. Aber ich wünsche, daß Deutschland dem Beispiel Englands folge, das die Steuern und Lasten rücksichtslos auf sich ge⸗ nommen hat. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Reichzeinkommen⸗ steuer! Davor würde ich für Flottenzwecke nicht zurückschrecken. Die HFeichzeinkommensteuer würde allerdings zu einer Art Mediatisierung der einzelnen Staaten führen. Diese führen jetzt nach und nach das allgemeine Wahlrecht ein, und das muß auch zur Reichseinkommen⸗ steüer führen. Im preußischen Abgeordneten hause steht jetzt die Kanal ⸗ vorlage zur Debatte. Diese würde wesentlich eber durchgehen, wenn die Regierung sich entschlösse, den Kanal von der Elbe bis zur Weser, alfo die Linie Hamburg — Bremen, auszubauen, und diesem eine Tiefe zu geben, daß ihn große Kriegsschiffe befahren könnten. Ich halte mich für verpflichtet, diese Sachen hier vorzubringen, weil ich nicht weiß, wann ich zur großen Armee abberufen werde.
Staatssekretär des Reichsmarineamts, Staatsminister, Admiral von Tirpitz:
Meine Herren! Der Herr Abgz. von Kardorff hat an die Marine⸗ verwaltung die Frage gerichtet, weshalb wir die Unterseebote bisher nicht in größerem Maßstab in Angriff genommen haben. Ich möchte in Beantwortung dieser Frage zunächst hervorheben, daß sich die Marizeberwaltung in dieser Beziehung keineswegs ablehnend ver⸗ halten hat, sondern sie hat die Entwickelung dieser Waffe mit größter Aufmerksamkeit verfolgt, so viel Nachrichten darüber gesammelt, als zu erlangen waren, und hat auch selbst kleinere Versuche in dieser Richtung angestellt. Aber, meine Herren, die Marineverwaltung hat in den letzten Jahren vor allen Dingen die Aufgabe gehabt, das Flottengesetz durchzuführen und mußte ihre Kräfte auf diese schwierige Aufgabe konzentrieren. Das hat die Marine⸗ verwaltung vor allem auch in dem Gedanken getan, daß die Unter⸗ seeboote in den letzten Jahren eine größere Bedeutung noch nicht ge— habt haben, daß sie bisher zur Seegeltung einer Macht noch nicht wesent⸗ lich beigetragen haben. Nun sind ja zweifellos erhebliche technische Fort⸗ schritte in der Entwickelung des Unterseeboots gemacht worden. Das ist gar nicht zu leugnen, und ich bin ferne davon, das technische Geschick der betreffenden Konstrukteure in anderen Ländern nach dieser Richtung hin nicht anerkennen zu wollen. Aber der springende Punkt der Unter⸗ seebootfrage, das Problematische derselben liegt in der Schwierigkeit, unter Wasser sehen zu können sowohl für die Navigierung als für den Angriff, und gerade in diesem problematischen Punkt ist die Ent— wicklung bisher nur außerordentlich langsam vor sich gegangen. Ich persönlich glaube, daß jeder, der unsere Nordsee und unsere Nordsee—⸗ küste kennt, sich sagen wird, daß die bisherigen Einrichtungen zum Sehen, und gerade die sind es, die wir speziell untersucht haben, die Unterseeboote in unserer Nordsee nicht sehr befähigen, Hervorragendes zu leisten. Ich will mit diesen Ausführungen keineswegs ablehnen, daß man Versuche macht. Durchaus nicht. Man muß sogar Ver⸗ suche machen, um selbst einmal festzustellen, was denn an der Sache eigentlich dran ist. Ich möchte auch betonen, daß das mit der Frage des Flottengesetzes gar nicht zusammenhängt. Die Marineverwaltung hat ausdrücklich und mit sorgsamer Ueberlegung die Torpedoboote — und dazu gehören ja auch die Unterseeboste — aus dem Flottengesetz herausgelassen. Also es ist gar keine Veranlassung, daß die Marine⸗ verwaltung mit Rücksicht auf die sonstigen Verhältnisse keine Ver⸗ suche in dieser Richtung machen sollte. Derartige Versuche werden schon länger erwogen und auch noch weiter erwogen werden. Daß die Unterseeboote an der ganzen maritimen Situation viel ändern werden, im besenderen an der Frage, welches das Wichtigste ist, um einer Flotte oder Marine Seegeltung zu schaffen, das glaube ich nicht. Ich glaube, wenn auch die Versuche mit den Unterseebooten günstig ausfallen, daß sie wohl zu gewissen lokalen und sekundären Zwecken dienen können; eine große Umwälzung aber werden sie niemals hervorbringen, wenn nicht noch große technische Mankos beseitigt werden und speziell die Frage des Sehens unter Wasser in weit höherem Maße gelöst wird, als es bisher der Fall gewesen ist.
Abg. Molkenbuhr (Soz.) kommt auf die Lohnfrage in Danzig, Wilhelmshaven usw. zurück.
Zu den Ausgaben für die Geldverpflegung der Mantneteile liegt ein Antrag der Abgg. von Kar⸗ dorff (Rp.), von Normann (d. kons), Graf von Oriol a(nl.) und Dr. Spahn (Zentr.) vor: anstatt der in zweiter Lesung be⸗ willigten 3 Admirale. 6 Vizeadmirale, 130 Fregaiten⸗ und
Korvettenkapitäne, 150 Kapitänleutnants J. Klasse, 110 Kapitän⸗
140 Stellen nur auf ein halbes Jahr. Dagegen soll die Zahl der Fähnriche zur See von 433 auf 378 herabgesetzt werden. Abg. Dr. Spahn befürwortet den Antrag mit der Ausführung, daß die Darlegungen des Chefs, des Reicht marineamts seine ,. inzwischen von der Notwendigkeit überzeugt hätten, die im Ftatsentwurf geforderten Offizierspvermehrungen wenigstens annähernd zu bewilligen. Dadurch, daß für 140 Leutnants zur See Stellen nur auf ein halbes Jahr bewilligt woꝛden seien, sei es möglich, das finanzielle Gleichgewicht im Marineetat herbeizuführen. Staatssekretä⸗ des Reichsmarineamts, Staatsminister, Admiral von Tirpitz:
Meine Herten! Die Wünsche der Marineverwaltung werden ja durch diesen Antrag nicht vollständig erfüllt sein; aber immerhin muß ich anerkennen, daß in dankenswerter Weise bei Annahme dieses An⸗ trags die Schwierigkeit erleichtert wird, über die Offiziere zu dis⸗ ponieren und die Stellen richtig zu besetzen.
Ich möchte daher seitens der Marineverwaltung empfehlen, den Antrag, wie er gestellt ist, anzunehmen.
Abg. Graf von Oriola: Meine politischen Freunde hätten es lieber gesehen, daß die Regierungsvorlage wiederhergestellt würde. Da aber dafür eine Mehrheit nicht zu erwarten gewesen wäre, so haben sie sich dem Antrage angeschlossen. . ; Abg. von Rormann: Wir hoffen, daß die Marineverwaltung auch mit dem, was ihr hier geboten wird, ihre Aufgabe erfüllen kann. Der Antrag von Kardorff und Genossen wird angenommen.
Zu den Ausgaben für die Instandhaltung der Flotte und der Werften wird die oben mitgeteilte Resolution. Gröber nach einer kurzen Empfehlung durch den Antragsteller mit großer Mehrheit angenommen, . Im übrigen wird der Marineetat ohne Debatte erledigt. Auf eine Anregung des Abg. Singer (Soz) wird der Etat der Reichsjustizuerwaltung, zu dem ein sozialdemo⸗ kratischer Antrag, betreffend den Strafvollzug, vorliegt, für heute von der Beratung ausgeschieden.
Der Etat des Reichsschatzamts wird ohne Debatte erledigt.
Beim Etat des Reichseisenbahnamts weist der
Abz. Stolle (Soz) auf die zunehmende Zahl der Eisenbahn- unfälle auf deutschen Cifenbahnen hin, die zum großen Teil auf die überfpannte Dienstleistung der Eisenbahnbeamten zurüchkuführen sei, wie mehrere Gerichtserkenntnisse bewiesen. Die Betriebe perhältnisse bei der Stadtbahn seien für die Arbeiter w ungünstig, daß schon ein bürgerliches Blatt fie keitisiert habe. Die Sparsamkeit der Ver— waltung trage an den Unglücksfällen die Dauptschuld. Darauf seien auch die beiden letzten großen Unglücksfälle in Buchhol; und Kirchberg zurückzuführen. . ; 2 ! Sitellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Präsident dez Reichseisenbahnamts Dr. Schulz: Die gan en Deduktionen des Vorredners fallen in sich zusammen, da sein Vordersatz unrichtig ist. Er behauptete, daß die Betriebzunsicherheit zugenginmen hat, tatsãchl ich nimmt fie slets ab. Das ist ein schörer Beweis für die Sorgfalt, mit der die Cisenbahnen fortdauernd bedacht sind, die Betriebssicherbeit zu steigern. Der Vorredner hat auf die Ausführungen des Weckrufes der Eisenbahner' Bezug genommen. Die dort vorgetragenen Klagen werden gar nicht felten von uns untersucht, aber in den seltensten Fällen haben sie sich als begründet erwiesen. Seine Angaben sind alfo mit sehr großer Vorsicht aufzunehmen. Die Unfälle in Buchholz und Kirchberg waren allerdings sehr schwer, aber sie hängen anders zusammen, als der Vorredner meint. Wenn man sich darüber beschwert hat, daß bei Berlin noch eine größere Zahl von Niveauübergängen vorhanden ist, fo ist die Verwaltung bemüht gewesen, sie zu beseitigen. Aber das geht nur allmählich. Wenn behauptet ist, daß ein Arbeiter auf dem Lehrter Bahnhof 29 Stunden hintereinander mit nur drei⸗ ftündiger Unterbrechung gearbeitet habe, so möchte ich den Fall, ohne ihn unterfucht ju haben, für gänzlich ausgeschlossen erklären;
Abg. Stolle behauptet, daß auf den preußischen Eisenbahnen viel mehr Unglücksfälle vorkämen als auf anderen deutschen Eisen— bahnen. . Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Präs Reichseisenbabnamts Dr. Schu! z: Dieser Behauptung mu Grund der Statistik ganz entschieden widersprechen.
Die Etats der Reichsschuld, des Rechnungshofes, des allgemeinen Pensionsfonds und des allgemeinen Invalidenfonds werden ohne Debatte erledigt.
Beim Etat der Reichsposte⸗ und Telegraphen— verwaltung bringt der . .
Abg. von Gerlach (fr. Vgg.) einen Erlaß der Oherpostdirektion in Magdeburg zur Sprache, in welchem den Beamten der Beitritt zu dem Konsumverein in Reustadt. Magdeburg verboten werde, weil dieser Verein ein sozialdemokratischer sel. Nicht allein den Postbeamten. sondern auch den Postarbeitern sei die Zugehörigkeit verboten. Tieser Eingriff in die Pribatperhãltnisse sei um so weniger zu rechtfertigen, als er die betreffenden Beamten und Arbeiter wirt⸗ schaftlich schaͤdige, da sie ohnehin sehr schlecht besoldet s ien. Wie wolle der Staate sekretär jene Verfügung guf Grund der besteßenden Gesetze rechtfertigen? Von seiten der Postverwaltung werde Propa⸗ ganda gemacht für die von Unwahrheiten und Schwindel strotzende Schrift des Professors Westphal über Wesen und Bedeutung der deutschen Kriegervereine. Die Verwaltung mache sich mit der Pro— paganda dieser Schrift mitschuldig an der Verbreitung einer einseitig politischen Tendenzschrift gegen die Sozialdemokratie.
Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:
Ich kann mich sehr kurz fassen. Bezüglich der ersten Frage er— widere ich dem Herrn Fragesteller, daß die Verfügung der Ober⸗ postdirektion in Magdeburg von mir in vollem Umfange gebilligt wird. Vorstand und Aufsichtsrat, d. . die Cesamte Leitung diesed Konsumvereins, gehören der Sozialdemokratie an, und es wird, wie hier vom Regierungstisch häufig des längeren schon ausgeführt ist, für unvereinbar mit der Stellung eines Beamten gehalten, einem solchen Verein anzugehören (3wischenrufs — und auch der Arbeiter. (Bravo!)
Bezüglich der zweiten Frage glaube ich, ist der Standpunkt der Reichßrtegierung von dem des Herrn Abg. von Gerlach so verschieden, daß eine lange Auseinandersetzung darüber, was verwerfliche Bildungs mittel und was gute Mittel sind, zum Ziele nicht führen würde. (Sehr richtig! rechts) Ich kann nur erwidern, daß die Reichspost⸗ verwaltung seit jeher Bildungsmittel für ihre Beamten und Unter⸗ beamten bereitgehalten hat, ihre Bibliotheken damit ausstattet, und
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daß sie sich auch das Recht zuerkennt, derartige Schriften, die sie für
Abg. Kopsch (fr. Volksp) kommt auf eine Beschwerde zurück, die schon vor einer Reihe von Jahren über den Postdirektor in Zittau geführt worden sei, weil dieser ein vollständiges System der Ueberwachung des Privatlebens der Beamten eingerichtet habe. Wenn auf die Beschwerde Remedur eingetreten sei, so müsse diese nur kurze Dauer gehabt haben, denn heute herrschten dort dieselben Zustände. Weitere Beschwerden des Redners betreffen die Handhabung der Urlaubserteilung durch denselben Direktor. Einem Beamten sei gesagt worden: ‚Und wenn Ihre Frau im Sterben liegt, zum Dienst müssen Sie pünktlich kommen.‘ Die Beamten würden vielfach als Simu⸗ lanten angesehen, und die Gutachten der Aerzte abfällig beurteilt. Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke: Das hohe Haus wird, wie ich glaube, nicht den Eindruck ge⸗ wonnen haben, als ob seitens der Vertreter der Reichspost, und Telegraphenverwaltung hier jemals die Absicht obgewaltet hätte, Ausschreitungen einzelner Beamten zu verdecken. Ich glaube daher, daß der Herr Vorredner die Erledigung erleichtert hätte, wenn er diese Beschwerden, die er vorgebracht hat, schriftlich zu meiner Kenntnis gebracht hätte. Er kann sicherlich nicht verlangen, daß ich oder einer meiner Herren Kollegen hier in der Lage wäre, so⸗ fort zu antworten und zu untersuchen, ob überhaupt und wie viel Wahres an der Sache ist. Sollte sich bei der Untersuchung, die ich einleiten werde, herausstellen, daß seitens eines Einzelnen zu weit ge— gangen ist, so können Sie überzeugt sein, daß ich das Entsprechende veranlassen werde. Abg. von Gersdorff (kons. ; Die Nichtbewilligung der Ost— markenzulage an die Postbeamten in den gemischtsprachigen Landes⸗ teilen kat in diesen Kreisen die größte Mißstimmung hervorgerufen. Herrn von Staudv und mir sind darüber zuschriften ; 6 Me z 56 3 zugegangen. Die Gründe der Mehrheit für die ng können diese Beamten durchaus nicht begreifen. Vieser mung der Beamten hier Ausdruck zu geben, hielt ich mich flichtet. Abg. Graf zu Revent low Gwirtschaftl. Vgg):; Die Postbeten 24 ö 35 =. 5 . ö 1. wünschen eine praktischere Kopfbedeckung, als sie sie haben. (Redner hat ein Exemplar davon auf den Tisch nieder⸗ gelegt) Die jetzige Kopfbedeckung schützt nament nicht gegen die Ünbilden der Winterzeit. Ich bitte ferner den Staatzsekretär, zu erwägen, ob nicht mit der Zeit auch Inhaber von Postagen turen pensionsfähig gemacht werden können Ich bitte sodann den Staatssekretaͤr des Reichspostamts, Frage zu beantworten, die der Reichskanzler ibe et gelassen hat, nämlich über die Beziehungen de egierung zum „Wolffschen Telegraphenbureau'. Es bedeuten
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die unentgeltlichen Zuwendungen, die dem , Wolffschen Telegraphenbureau“ gemacht werden, direkt eine Schmälerung der Reichsfinanzen, und ich halte die Frage für sehr labil, ob damit die Etatisierung ganz im Sinne der Ver— fassung behandelt wird, wenn solche Zuwendungen gemacht werden, die nicht vom Reichstage ausdrücklich genehmigt worden sind. Schließlich bitte ich den Staatssekretär, mir die Frage zu beantworten, ob vielleicht auf dem Gebiete des Reichspostamts irgendwelche Be⸗ denken gegen das bevorstehende Militärpensionsgesetz liegen können. Sollte eine negative Antwort erfolgen, so würde das ganze Haus fest— stellen, daß keine Gründe für eine Verzögerung der Einbringung diefes hochwichtigen, allseits verlangten Gesetzentwurfs vorhanden find. Endlich möchte ich mir die Berührung der marolkanischen Frage gestatten, die mit dem Etat der Reichspostverwaltung im Zusammen⸗ hang steht. Soweit ich unterrichtet bin, liegt Marolko innerhalb des Weltpostvereins, dem auch wir angehören, und wir haben ein Intereffe daran, daß unsere Interessen auf, diesem Gebiet in genügender Weise berücksichtigt werden. Ich möchte den Staate sekretãr bitten, falls der Reichskanzler auch an ihn die Frage stellen sollte, ob wir dann wegen Marokko vom Leder ziehen wollen, dieses vom postalischen Standpunkte aus zu beantworten. Es stehen auch hier Tebensintereffen des deutschen Volkes auf dem Spiel, die kurz dahin zusammengefaßt werden können; ein stetig sich vermehrendes Volk muß sich neue Geblete erschließen und kann nicht warten, bis die Welt voll⸗ standig aufgeteilt ist. Der leitende Staatsmann muß auch den Mut besitzen, die Hand an den Schwertgriff. zu legen, das Schwert zu ziehen und nötigenfalls mit aller Entschiedenheit davon Gebrauch zu machen, wie es einer Großmacht geziemt.
Abg. Werner (Reformp.) pflichtet den Ausführungen des Abg. von Gersdorff bei und bringt dann verschiedene Beschwerden vor, die ihm erst in der Zeit zwischen der zweiten und dritten Lesung de Etats zur Kenntnis gekommen seien. Die Beschwerden bezößen sich auf übermäßige Heranziehung zum Nachtdienste, auf. gewisse Be⸗ nachteiligung der Militäranwärter in den Gehaltsbezügen und auf Verbesserung der Anstellungsverhältnisse einiger Postbeamtenkategorien. Wolle man ein tüchtiges Unteroffizierkorps haben, dann müsse man auch dafür sorgen, daß die Militäranwärter nachher entsprechende Stellungen bekämen. .
Abg. von Elm (Sez): Woher hat der Staatssekretär die Kennt. nis davon, daß der Vorstand des Magdeburg Neustädter Konsumpereins aus Sozialdemokraten besteht? Ich bin selbst dort gewesen, es ist mir aber nicht bekannt geworden, daß die Mitglieder unserer Partei an⸗ gehören. Bei der Wahl wird nicht nach der Partei gefragt, sondern der Tüchtigste und Beste wird bineingewählt. An der Spitze der Vereins⸗ bibliothek standen Lehrer, die unter keinen Umständen zur Partei ge⸗ hörten; diese sind veranlaßt worden, ihre Posten als Bibliothek⸗ verwalter niederzulegen. Der Verein hat 17009 Mitglieder und einen Umfatz ron 37 Mill. Mark jährlich, er verteilt eine Rück— vergütung von Frl. Dacaus kann man ermessen, was das Vorgehen gegen den Verein für den einzelnen Postbeamten und Arbeiter be⸗ deutet. Es kommt eine Schädigung von mindestens 40 bis 50 6 im Jahr für das einzelne Mitglied heraus. Nun ließe sich ja darüber reden, wenn gleichzeitig den Leuten so viel an Gehalt zugelegt werden würde; aber davon ist keine Rede; man hat die Beamten und Arbeiter durch die Maßregelungen schwer geschädigt. Diese Schädigung trißt auch den Ort, denn der Verein zahlte im letzten Jahre O 00 α Steuern. Der Buͤrgermeister Fischer von Magdeburg hat das Vorgehen der Behörden als einen unberechtigten Eingriff in Die persönliche Freiheit des Einzelnen bezeichnet; ein anderes Mitglied der Stadtverwaltung hat das Vorgehen einen Akt des schärfsten Terrorismus der Staats⸗ behörden genannt. Vereine auf rein wirtschaftlicher Basis, wie dieser, erfreuen sich der Mitgliedschaft und Sympathie auch solcher Kreise, die durchaus nichts mit der Sozialdemokratie zu tun haben.
Abg. von Treuenfels unterbreitet abermals dem Staats⸗ sekretär die angelegentliche Bitte, die Besserstellung der Postagenten im Auge zu behalten, und regt die Beschaffung von Geldbehãltern an, in denen die Postagenten ihre Bestände sicher aufbewahren könnten. Zum Schluß verliest Redner ein Gedicht, das die prekäre Situation der PVostagenten di istisch schildert.
Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:
Ich kann auf diesen warmen Appell des Herrn Vorredners nur erwidern: die Frage der Postagenten findet volle Würdigung bei uns, wir sind damit beschäftigt, deren Lage, wenn möglich, zu bessern.
'r, meine Herren, ich glaube, Sie gehen in Ihren Wünschen etwas
leutnants Jf. Klasse und 346 Leutnants zur See zu bewilligen; bezw. 4, 5, 136, 1656, 113 und 395. Von den letzteren
21. 5 5 Igor 19 . gut hält, an ihr Personal zu verabfolgen. (Bravo!)
fassen die Lage der Postagenten unrichtig auf. Hier
weit und