günstige Moment nicht mehr hervorgetreten, sondern Land und Stadt haben beide eine Abnahme der Bevölkerung ergeben. Und dieser Umstand muß in einer Provinz wie Ostpreußen, die sich unvergeßliche
Verdienste um die Geschichte des preußischen Staats erworben hat
Erscheinung betrachtet werden.
Ich möchte noch anführen, daß die Königliche Staatsregierung sehr viel für Ostpreußen getan hat. Herr Graf von Mirbach erwahnte zunächst die Staffeltarife. Ich würde mit Vergnügen die Staffeltarife wieder einführen, wenn mir die Möglichkeit dazu verschafft würde. Die Staffeltarife haben meines Erachtens dem Osten wesentlichen Nutzen gebracht und die Staatskasse nicht geschädigt. Die Notlage der Land⸗ wirtschaft dort rührt daher, daß sie zu weit von den großen Konsumtions⸗ plätzen entfernt ist (sehr richtig) und daß dabei ju viel an der Achse Die Staffeltarife waren geeignet, die großen Ent⸗ fernungen auszugleichen, sie halfen wesentlich der Landwirtschaft des
hängen hleibt.
Ostens, sie führten ihnen neuen Verkehr zu, schädigten aber nicht etwa die Staatseisenbahnverwaltung, im Gegenteil, sie erhöhten ibre Finnahmen. Die Staffeltarife sind aber gescheitert an dem un berechtigten Widerspruch des Westens und Suͤdwestens der Monarchie und Deutschlands; sie sind nicht aus fiskalischem Interesse gefallen, sondern infolge des Widerspruchs des Westens und Südwestens. Dagegen würde ich Bedenken tragen, dem anderen Vorschlage des Herrn Grafen von Mirbach zuzustimmen, nämlich der Verstaatlichung der Volksschule. Ich würde es geradezu für ein Unglück halten, meine Herren, für die Monarchie und für die Schule selber. (Sehr richtig! Denn es würde ein sehr wesentliches Moment für die Erhaltung der Schule fortfallen, nämlich das Interesse der einzelnen Gemeinden an der Fortentwickelung der Schule. Ich möchte einmal sehen, wer in Preußen noch die Steuerlasten tragen könnte, wenn der Staat die Unterhaltspflicht für die Schulen hätte. Die Ansprüche, die dann an die Schulen gestellt werden würden, würden so ungeheuerliche sein, daß wir, glaube ich, die Steuerlasten verdoppeln müßten. Dagegen sind wir in der Unterstützung der Schulen in Ostpreußen sehr reichlich ge⸗ wesen. Im Jahre 1901 hat Ostpreußen an Einkommen steuer aufge⸗ bracht 4 Millionen und an Ergänzungssteuer 0,89 Millionen, also zu⸗ sammen an Einkommen- und Ergänzungssteuer noch nicht ganz 5 Millionen Mark. Demgegenüber hat die Provinz Ostpreußen durchschnittlich im Laufe der letzten Jahre allein für Zwecke der Elementarschulen 6 126 000 60 bezogen. (Hört, hört h
Ich brauche nur noch daran zu erinnern, daß ja nebenher noch gehen die Aufwendungen des Staates für jene Provinz im öffentlichen Interesse, so für Wegebauten, Meliorationen und Eisenbahnen, um daraus zu entnehmen, in wie hohem Maße der Staat, wenn ich den Ausdruck brauchen darf, im Vorschuß ist, er hat mehr geleistet, als er von der Provinz bekommen hat. Es ist das ja ein bedauerliches Zeichen für die dortige wirtschaftliche Lage.
Ich möchte nun kurz eingehen auf die Frage, in welchem Maße die Eisenbahnen in Ostpreußen gefördert sind: Wir haben in den zehn Jahren von 1893 bis 1903 in Ostpreußen für 67 Millionen Nebenbahnen gebaut, und auch in dieser Beziehung steht es an der Spitze der Provinzen; denn für Westpreußen haben wir in dem gleichen Zeitraum 58 Millionen aufgewandt, für Pommern 29, für Posen 34, für Schlesien 56, für Brandenburg 19 Millionen, insgesamt für die sechs östlichen Provinzen 264 Millionen in zehn Jahren aufgewandt. Dagegen sind für den Bahnbau ausgegeben für Sachsen nur 11 Millionen, für Schleswig ⸗Holstein 6, für Han— nover 33, Westfalen 45, Hessen⸗Nassau 37 und Rheinprovinz 56, alles in allem für die sechs westlichen Provinzen 190 Millionen Mark ausgegeben.
Die Herren ersehen also, daß die Regierung bestrebt gewesen ist, entsprechend der minderen Leistungsfähigkeit der östlichen Provinzen in ihnen die Nebenbahnen stärker zu entwickeln wie in den günstiger situierten westlichen Provinzen. Ich möchte das bei der vorgerückten Stunde nicht weiter ausführen, sondern nur kurz wiederholen, daß wir uns der Pflicht, der Provinz Ostpreußen angesichts des Rückgangs ihrer Bevölkerung und Leistungsfähigkeit erhöhte Staatsbeihilfen zu gewähren, wohl bewußt gewesen sind.
Ich habe auch schon angedeutet, daß ich mit dem Herrn Minister für Landwirtschaft bereits in Verbindung getreten bin, um zu er— wägen, ob man nicht der Abnahme der Bevölkerung in Ostpreußen dadurch entgegentreten kann, daß man die innere Kolonisation dort fördere. Dieser Wunsch ist im Abgeordnetenhause von Vertretern verschiedener Provinzen angeregt worden. Meiner Ansicht nach darf man aber diese gewichtige Frage nicht zugleich an allen Zipfeln auf einmal angreifen. Wir müssen in erster Linie suchen, die große kolonisatorische Aufgabe in Posen und Westpreußen durchzuführen, denn wenn wir sie in allen Provinzen auf einmal in Angriff nehmen, so würden wir wahrscheinlich Posen und Westpreußen unsere Fürsorge zum Teil entziehen müssen. Aber in Hinsicht auf die Abnahme der Bevölkerung in Ostpreußen kann man immerhin erwägen, ob man nicht wenigstens jetzt schon einen Anfang macht, die innere Kolonisation in Ostpreußen in Angriff zu nehmen. Vielleicht läßt sich auch der Meliorationsfonds, der für Ostpreußen von ganz besonderer Wichtigkeit ist, erhöhen; kurzum, ich glaube, die wenigen Daten, die ich vorgetragen habe, werden beweisen, daß ich in dieser Beziehung nicht engherzig gewesen bin. Wir müssen aber Rücksicht auf die anderen Provinjen nehmen, denn leider ist es ja einmal deutsche Art, wenn der eine etwas bekommt, kommen alle anderen und schreien: Du hast dem einen etwas gegeben, ich will dasselbe auch haben. Propter in vidiam ist leider der Wahlspruch, der im staat⸗ lichen Leben ein lebhaft entwickelter Grundsatz ist. Wie gesagt, ich glaube, daß wir dieser wichtigen Frage durchaus Beachtung geschenkt haben, und wir werden auch ferner bemüht sein, innerhalb der für uns gezeichneten Grenjen der Provinz Ostpreußen so weit zu Hilfe zu kommen, wie es möglich ist.
Graf von Hutten⸗Czapski: Der Grund des niedrigen Kurs⸗= standes der Staatsanleihen ist in der allgemeinen Bewertung unseret Bargeldes zu suchen. Sehr gefreut hat mich die Anweisung des Herrn Ministers, daß die Staatskaffen Aufträge jum Ankauf von Konfols annehmen sollen. Aber weder dies noch die Erhöhung des Kapitals der Seehandlung kann auf die Dauer die Anleihen hoch im Kurse halten. Dies wird man eher erreichen, wenn man die Regierung in die Lage setzt, langfristige Schatzanweisungen auszugeben. In dieser Hinsicht sollten unsere Kreditgesetze geändert werden. Für einen Zwang für die Sparkassen, einen Teil ihrer Bestände in , , an⸗ zulegen, kann ich mich nicht erwärmen. Denn ich befürchte, daß die Sparkassen, wenn sie einen großen Teil ihrer Bestände auf den Markt
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
der sich die Entwicklung des Kurses unserer Staatspapiere und über⸗ haupt unserer Staatsftnanjen im letzten Jahre und namentlich in den letzten Monaten angesehen hat, muß diese Entwicklung zu sehr ernsten Besorgnissen Anlaß geben. Es ist von Herrn Grafen Hutten ⸗Ciapski wie vom Herrn Referenten vollkommen mit Recht hervorgehoben worden, daß es an sich gar kein besseres Papier auf der Erde gibt als unsere Staatspapiere; denn nicht bloß steht der — Gott sei dankt — unerschütterte Kredit unseres Staats dahinter, sondern auch das reale Substrat, der außer⸗ ordentliche Besitz unseres Staats an Domaͤnen, Forsten, Bergwerken und namentlich auch an Eisenbahnen. Die preußischen Konsols sind deshalb in einer Weise fundiert wie kein anderes Papier auf der Erde, und trotzdem stehen sie in ihrer Kursentwickelung weit hinter den Papieren der anderen Großstaaten zurück. Das beruht einmal auf dem größeren Reichtum der anderen Kulturstaaten, namentlich Eng⸗ lands und Frankreichs — der Franzose und der Engländer ist ge⸗ wöhnt, sich mit einem viel niedrigeren Zinsfuße zu begnügen als wir — dann aber auch darauf, daß auch andere Staaten viel mehr als wir darauf bedacht gewesen sind, den Kurs ihrer Staatspapiere zu er⸗ halten und ju steigern. Wir haben uns in dieser Beziehung bisher einer wirklich naiven Harmlosigkeit erfreut, wir haben die Papiere ihrem Schicksal überlassen und uns gar nicht darum ge— kümmert. Wir haben die Anleihen berausgebracht, wenn wir sie brauchten, wenn es nötig war, ohne dafür zu sorgen, was daraus wurde, meines Erachtens sehr zu Unrecht. Denn ich halte es für die Pflicht des preußischen Staats, dafür zu sorgen, daß der kleine Kapitalist, die Beamtenwitwe, der kleine Mann, der seine Ersparnisse in preußischen Konsols anlegt, nicht in ihrer Zuversicht betrogen werden, daß sie nicht, wie es vorgekommen ist, sehr erhebliche Verluste erleiden, weil keiner um die Gestaltung der Kurse der Staatspapiere sich gekümmert hat. Und ganz in derselben Richtung müssen wir, wie für die Interessen der kleinen Kapitalisten, für die der Staats finanz⸗ verwaltung selber Vorsorge treffen. Wir haben ein vitales Interesse daran, auch schon im Frieden die Kurse unserer Staats— papiere angemessen hoch zu halten, weil es nur in diesem Falle möglich sein wird, im Ernstfalle unsere Staatspapiere in geeigneter Weise zu placieren. Kümmern wir uns in Friedenszeiten nicht um den Stand unserer Staatspapiere, wie sollen wir in Krieg! ⸗ jeiten in der Lage sein, eine große Anleihe zu placieren und auf ein aufnahmewilliges Publikum ju rechnen. Nun, meine Herren, hat Herr Graf von Hutten-Czapski verschiedene Mittel erwähnt, die auch ich im Abgeordnetenhause als notwendig bezeichnet habe, um nach dieser Richtung Wandel zu schaffen. Ein großer Teil dieser Mittel hat den Beifall des Herrn Grafen von Hutten Czapski gefunden; die Anlage der Ueberschüsse der Sparkassen in Konsols dagegen nicht. Herr Graf von Hutten⸗Czapski hat andererseits die Mängel ver⸗ schiedener dieser Mittel erwähnt und ausgeführt, er glaube, daß diese so⸗ genannten kleinen Mittel nichts nützen würden. Ich darf zunächst erwähnen, daß der dem Reichstage vorgelegte Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Reichsstempelgesetzes, eine Ermãaßigung des Stempels für Konsols enthält. Ich boffe, daß in dieser Beziebung keine Schwierigkeiten sich ergeben werden. Dann sieht ein Gesetzentwurf, der jetzt im Abgeordnetenhause die zweite Lesung passiert hat, vor, daß Eintragungen von Konsols in das Staatsschuldbuch gebührenfrei erfolgen sollen. Herr Graf von Hutten Czapski versprach sich hiervon keine große Tragweite, weil nur ein sehr geringfügiger Betrag in Frage käme. Ich bin anderer Ansicht. Gerade an diesen, wenn auch kleinen Gebühren stoßen sich vielfach die Leute. Sie haben nicht Lust, eine Einrichtung, die schon an und für sich etwas Unbequemes an sich hat, zu benutzen, wenn sie dafür Gebühren zahlen sollen, und ich halte es für richtig, diese Gebübren ganzlich aufjuheben. Das wird einen stärkeren Anreiz zur Benutzung des Staatsschuldbuchs geben. Die Entwickelung der Staatsschuldbuchverwaltung ist eine erfreuliche. Mehr als 19 Milliarden sind in das Staatsschuldbuch bereit eingetragen. Das ist ein Viertel des gesamten Staatsschuldenbetrages. Von ins⸗ gesamt 7 Milliarden sind 1600 Millionen ins Staatsschuldbuch ein⸗ getragen. Wir haben also alle Veranlassung, diese Entwickelung weiter zu fördern. Denn das ist auch einer der Gründe der unlieb⸗ samen Entwickelung unserer Papiere, daß wir zu viel flottantes Material am Markte gehabt haben. Wie Herr Graf von Hutten Czapski schon erwähnt hat, werde ich Anordnungen treffen — Ver⸗ handlungen sind bereits im Gange — daß die Regierungshauptkassen und die Kreiskassen ihrerseits Barmittel annehmen, um durch Ver— mittlung der Seehandlung Konsols zu kaufen und diese Konsols der Staatsschuldbuchverwaltung überweisen zu lassen. Durch diese Eröffnung kleiner Kanäle ohne bureaukratische Schwierigkeiten ist der kleine Mann in der Lage, seine Mittel den Regierungskassen zuzuführen, dafür Konsols zu kaufen und diese Konsols ohne alle Kosten an die Staatsschulden⸗ verwaltung gelangen zu lassen. Diese Eröffnung kleiner Kanäle halte ich für sehr erheblich. Der Herr Referent und Herr Graf von Hutten⸗Czapski sind sodann auf die Erhöhung des Kapitals der Seehandlung eingegangen. Es wird den Herren bekannt sein, daß ein Gesetzentwurf, wonach das Kapital auf 100 Millionen erhoht werden soll, dem Abgeordneten⸗ hause zugegangen ist; die Gründe dafür habe ich im Abgeordneten hause kurz dargelegt. Meine Herren, als die Seehandlung früher mit 34 Millionen Mark fundiert wurde, befand sie sich ungefähr in einer Lage adäquat derjenigen der andern in Betracht kommenden großen Privatbanken. Wollen Sie die Entwickelung dieser Privat⸗ banken in den letzten 30 biz 40 Jahren sich vergegenwärtigen, so wird Ihnen klar sein, daß die Seehandlung mit dem damals großen Kapital von 34 Millionen Mark jetzt nicht mehr imstande ist, die Aufgaben zu er⸗ füllen, die ihr als einer staatlichen finanziellen Organisation zukommen. Sie wissen ja alle, in welchem Maße das Grnndkapital und die Reserven unserer großen Privatbanken letzthin erhöht worden sind, daß z. B. die Deutsche Bank mit 180 Millionen Mark Kapital und 78 Millionen Mark Reserpen himmelhoch an sinanzieller Leistungsfähigkeit über der Seehandlung mit ihren 34 Millionen steht. Gz ist meines Er⸗ achteng ganz unerläßlich, diese Disparitat einigermaßen auszugleichen und infolge dessen das Grundkapital der Seehandlung ju erhohen. Ich habe nach dieser Richtung im Abgeordnetenhause ausgesprochen, daß es nicht meine Absicht ist, eine Kampfstellung, eine Kon— kurrenjstellung mwischen der Seehandlung und den großen, wohl
werfen inüssen, den Kurs der Konsols wefentlich brücken werden.
Meine Herren! Ich kann dem Herrn Referenten wie dem Herrn Grafen Hutten, Czapeki nur dankbar sein, daß sie diese in der Tat
überaus wichtigen Fragen hier berührt haben. Ich glaube für jeden indem sie den Anstoß zu den Befreiungskriegen gab, als bedenkliche
höhung des Kapitals der Seehandlung bejweckt lediglich, ihr den gleichen Rang wie den anderen großen sinanziellen Organisationen iu schaffen, wie ich dies für unerläßlich balte. Ich hoffe, daß diese Vorlage sowohl im Abgeordnetenhause, wie später hier in diesem hohen Hause Annahme sinden wird. Meine Herren, wenn vom Herrn Grafen von Hutten. Czapski bemaͤngelt wurde, daß der Betrag nicht boch genug sei, so darf ich erwähnen, daß die Seehandlung insofern eine wesentliche Hilfe erfaͤhrt, als ihr alle momentan disponiblen Mittel der Staatskassen jugeführt werden. Sobald wir erhebliche Barbestaͤnde bei der Generalstaatskasse haben, lassen wir sie nicht zinslos liegen, sondern machen sie nutzbar im wirtschaftlichen Leben durch Vermittlung der Seehandlung, und dadurch fließen ihr erheblich. Mittel zu.
Was Herr Graf von Hutten⸗Ciapski mit der Einrãumung größerer Selbständigkeit der See handlung meinte, ist mir nicht absolut klar gewesen. Wir haben die Seehandlung in bezug auf ihre Selbst. staͤndigkeit in keiner Weise beeintraͤchtigt und haben auch kein Be— dürfnis, in dieser Beziehung eine Aenderung eintreten zu lassen.
Ich freue mich der Zustimmung des Herrn Grafen von Hutten Czapski ju der ferneren Maßregel der Ein⸗ führung von Schatzanweisungen. Es war in der Tat eine Situativn, die für die preußische Finanzverwaltung sehr unerquicklich war, daß wir nur die Möglichkeit hatten, für die Ver⸗ stärkung der Betriebsmittel Schatzanweisungen auszugeben und diese nur auf die Dauer von eindreiviertel Jahren im außersten Falle. Wir waren dagegen nicht in der Lage, auch für die übrigen großen Zwecke, nämlich für Anleihezwecke, für Gisenbahnbauten, für Melio— rationszwecke, für Zwecke der Ansiedlungekommission usw., Schatz. anweisungen auszugeben. Wir mußten, sobald wir Geld brauchten, mit einer Anleihe an den Markt kommen; wir waren also ge— nötigt, unter Umständen im ungünstigsten Moment an den Markt ju gehen. Hat die Finanzverwaltung die Möglichkeit, entweder Schatzanweisungen oder eine Anleihe auszugeben, so kann sie den Zeit⸗ punkt, wo sie die Anleihe ausgeben will, besser wählen als es gegen⸗ wärtig der Fall ist. Sie kann, wenn der Markt ungünstig ist, sich vorübergehend mit Schatzanweisungen aushelfen und an den Markt gehen, wenn sich die Situation gebessert hat. Es ist infolgedessen in allen neueren Gesetzen diese doppelte Ermächtigung für die Finanz= verwaltung vorgesehen, und ich darf Herrn Grafen von Hutten · Czapzkłi gegenüber erwähnen, daß in der Nebenbahnvorlage diese Ermãchtigung sogar mit rückwirkender Kraft ausgestattet ist. In den letzten Tagen haben wir auch in der wasserwirtschaftlichen Vorlage eine Ergänzung in dieser Beziehung vorgenommen. Wir werden bei allen Kredit gesetzen künftig diese doppelte Ermächtigung erbitten.
Nicht den Beifall des Herrn Grafen von Hutten Czapski hat meine Anregung im Abgeordnetenhause gefunden, die Sparkassen dazu anzuhalten, einen Teil ihrer Ueberschüsse in preußischen Konsolt beziehungsweise in Reichsanleihe anzulegen. Meine Herren, die Sache ist noch nicht vollkommen zu Ende geführt. Es hat noch in den letzten Wochen die Anhörung von Sparkasseninteressenten stattgefunden. Aber ich halte diesen Grundgedanken nach wie vor für richtig. Auch in dieser Beziehung sind ja die Verhältnisse in anderen Staaten unendlich viel bessere als bei uns. Erstens haben dort die großen Banken, die Versicherungs⸗ gesellschaften, unendlich viel mehr ihre Bestände in Anleihen angelegt in englischen, französischen und amerikanischen Papieren. Dann sind speziell in bezug auf die Sparkassen in anderen Ländern in der Be— ziehung viel weitergehende Kautelen getroffen worden als bei uns. Namentlich müssen die gesamten Ueberschüsse der Sparkassen in Frankreich in französischer Rente angelegt werden, sodaß infolgedessen nicht weniger alz 37 Milliarden französische Rente in den französischen Sparkassen liegt. Dazu kommt, daß die franzõsische Postsparkasse auch etwa 1 Milliarde in französischer Rente angelegt hat. Es sind also zusammen 43 Milliarden Franes Ueberschüsse in französischen Sparkassen angelegt. So weit zu gehen, würde ich für einen großen Fehler halten; denn naturgemäß ist eine so große Verquickung der Sparkassen mit den Staatsfinanzen in Zeiten großer Krisen, namentlich eines Krieges sehr bedenklich. In England müssen bekanntlich die Ueberschüsse der Sparkassen auch in englischen Titeln angelegt werden, und die am weitesten gehende Einrichtung besteht in Amerika, wo die großen National⸗Banks den vollen Wert ihrer Notenemissionen durch Hinter⸗ legung amerikanischer Bonds decken müssen. Trotzdem haben die 243 0½oigen amerikanischen Papiere einen höheren Kurs als unsere 3 ͤ igen. Wir haben in Preußen von allem nichts getan; wir haben uns um das Schicksal preußischer Papiere gar nicht gekümmert. Ich halte es für notwendig, daß wenigstens die Sparkassen ihrerseits einen Teil der Bestände in Papieren des preußischen Staats beziehungsweise des Reichs anlegen. Im allgemeinen ist die Entwickelung unserer Spar⸗ kassen eine durchaus glückliche gewesen. Wir haben jetzt etwa 6 Milliarden in Sparkassen angelegt; es entfällt auf den vierten Mann der Bevölkerung, also auf jedes Familienoberbaupt, ein Spar⸗ kassenbuch. Kurz, im allgemeinen ist gegen die Entwickelung nichts zu sagen, dagegen halte ich die Art der Anlegung der Bestände der Sparkassen nach mancher Richtung hin für bedenklich. Wir haben erlebt, daß sich die Sparkassen in steigendem Maße, in höherem Maße als es wünschenswert erscheint, auf das Gebiet der Hypotheken geworfen haben, und iwar nicht etwa der ländlichen, sondern der staͤdtischen Hypotheken. Dabei handelte es sich um Hypotheken in Städten, die von dem Sitze der betreffenden laͤndlichen Sparkassen sehr weit entfernt lagen, um Hypotheken, von deren Bonität die ländlichen Gemeinden keine Ahnung hatten und haben konnten, da sie gar nicht kontrollieren können, in welchem Maße sie ihren Wert behalten oder verlieren. Ich darf mir gestatten, in dieser Beziehung einige wenige Daten anzugeben. Im Jahre 1891 waren auf städtische Hypotheken ausgeliehen 28,76 0/9. Das stieg im
Jahre 1901 auf 3400. Auf ländliche Hvpotheken waren im Jahre
1891 ausgeliehen 27,28 0/9. Daz fiel im Jahre 1901 auf 240 / o. Also bei
den staͤdtischen Hypotheken eine erhebliche Zunahme, bei den ländlichen
eine erhebliche Abnahme. Wenn die Sparkassen in hervorragendem
Maße die Befriedigung des laͤndlichen Realkredits sich zur Aufgabe
gesetzt hätten, hatten mehr laͤndliche als staͤdtische Hypotheken beliehen
werden müssen. Im Abgeordnetenhause wurde bon einem Herrn mit⸗
geteilt, daß in seiner engeren Heimat, in Sachsen, Agenten herum⸗
reisten, um sich städtische Hypotheken zu beschaffen und sie den Spar⸗
kassen zu überweisen. (Sehr richtig ) t
(Schluß in der Zwelten Beilage)
renommierten Privatbanken hervorzurufen, sondern die Ge.
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
M 114.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Was die Anlage der Sparkassenbestände in zinsbaren Papieren betrifft, so betrug im Jahre 1901 dieselbe nur 26 0o gegen 30 00 im Jahre 1891 und in Reichs, und Staatsanleihen sind überhaupt nur 10,90 angelegt worden. Wenn man nun davon ausgeht, daß sich die Sparkassen doch jederzeit in der Lage halten müssen, bei einem Run die Ansprüche ihrer Einlieger zu befriedigen und dem kleinen Mann seine Groschen, die er eingelegt hat, wieder zurückuerstatten, so kann . wohl sagen, daß eine vorsichtige Spar kassenderwaltung etwa 30 0 / ihrer Bestände in jeder Zeit realisierbaren Inhaberpapieren angelegt haben muß. Und wenn das als Norm aufgestellt wird, so entsprechen 7760/9 der gesamten Sparkassen dieser Rücksichtnahme nicht. 770 haben noch nicht 30 0/0 ihrer Bestände in lombardfähigen Inhaber · papieren angelegt und 30 0½ haben überhaupt davon noch nicht ein · mal 10010. Alle diese 30 0/9 haben ihre Gesamtbestände festgelegt in Hypotheken bis auf 100.
Nun denken Sie sich die Situation dieser Sparkassen, wenn der kleine Mann auf die Sparkasse kommt, wenn eine wirtschaftliche Not eintritt, und sein Geld zurückverlangt. Dann können, mit Verlaub zu sagen, die Sparkassen die Bude zumachen, denn sie sind außerstande, die Ansprüche der Sparkasseneinleger zu befriedigen, weil naturgemãß die Hypotheken erst in einer Frist von Wochen und Monaten realisiert werden konnen. Das halte ich für eine sehr ernste Situation, diese vollständige Bindung der Bestände der Sparkassen, und ich halte es im Interesse der Sicherheit der Sparkasseneinleger — da ist doch die erste Anforderung, die man an eine Sparkasse stellt — für wünschens⸗ wert, daß sie sich wieder mehr den Inhaberpapieren iuwenden. .
Von letzteren haben, wie ich schon eben kurz gestreist habe, die Sparkassen sehr wenig. Von den Inhaberpapieren lind wiederum nur sehr wenig preußische und Reichspapiere. Die Sparkassen besaßen 1896 insgesamt 4200 Millionen und davon preußische und. Reichs papiere 600 Millionen, also von 4200 Millionen nur ob Millionen. Diese Gesamtanlage stieg 1901 auf 5970 Millionen, also nahezu auf 6 Milliarden. Dagegen hob sich das Verhältnis der preußischen und Reichsanleihen nur von 600 auf rund 640 Millionen, also bei einer Gesamtsteigerung der Bestände von 4 Milliarden auf nahezu 6 Milliarden nur eine Steigerung des Besitzes an Reichanleihen und preußischen Staatsanleihen von 600 Millionen auf rund 640 Millionen
Mark. Wir haben im Durchschnitt der letzten Jahre ö das letzte Jahr ist noch günstiger — eine Zunahme der Einlagen bei den Spar. kassen von rund 345 Millionen jährlich gehabt. Wenn ich in dieser Beziehung von der Stadt Berlin, die in sehr richtiger und verständiger Weise einen erheblichen Teil ihrer Sestande in Staats papieren angelegt hat, absehe, ergibt sich ein jährlicher Zuwachs bei den Sparkassen von rund 330 Millionen. Von diesen 330 Millionen werden im Durchschnitt, sage und schreibe, 55 Millionen in Reichs · und preußischen Staatsanleihen angelegt, — also von 330 Millionen 54. Millionen gleich 1,67 0/0. (Zuruf: Konvertierung) Ja, meine Herren, wie kann man sich dann wundern, daß unsere Staatspapiere so außerordentlichen Schwankungen ausgesetzt sind? Es fehlt eben einmal an einem Institut, das den Kurs unserer Staate papiere ge nügend halten kann, und zweitens fehlt es an einem gleichmãßigen und sicheren Abnehmer für unsere Staatspapiere. Aus diesen beiden Rücksichten halte ich auch die schon vorher berührte Erhöhung des Kapitals der Seehandlung für notwendig. Nicht als ob ich glaubte, daß die Seehandlung allen Kursschwankungen ein Ende machen könne. Die Schwankungen der Kurse richten sich nach allgemeinen wirtschaftlichen Räcksichten; sie hängen mit Angebot und Nach frage zusammen, sie hängen davon ab, ob bei ansteigender wirtschaftlicher Konjunktur auch der kleine Kapitalist sein Geld lieber in industriellen Werten anlegt. Aber eine wirklich kräftige und mit dem nötigen Rückgrat persehene Seehandlung kann wenigstens willkürlichen Schwankungen, wie sie oft genug vorgekommen sind, einigermaßen Einhalt tun. Die Ent⸗· wicklung, wie wir sie nach Ausbruch des russisch- japanischen Krieges erlebt haben, war doch eine überaus bedauerliche. Ob— gleich wir doch wenigstens einigermaßen sicher waren, daß Preußen und Deutschland in allerletzter Linie in diese Ver— wickelungen hineingezogen werden würden, obgleich man annehmen mußte, daß unsere Papiere steigen würden, ist das Umgekehrte ein⸗ getreten: sie haben einen Kursfall erlitten, der sachlich in keiner Weise berechtigt war, weil es eben an jeder Instanz fehlte, die diesem will⸗ kürlichen Kurssturz Einhalt tun konnte. Deshalb ist es auch not— wendig, ihnen nach anderer Richtung einen regelmãßigen Abnehmer ju schaffen, wie er in der Belegung eines Teiles der Bestände der Spar— kassen gewonnen sein würde. , Herr Graf von Hutten-⸗Czapski wandte gegen diese letztere Maß— nahme ein — wenn ich ihn richtig verstanden hake —, daß die Papiere des Staats auf diese Weise eine günstigere Notierung erfahren würden als die Papiere der Gemeinden und der Kreise; es würde eine Differenzierung herbeigeführt werden zwischen den Kursen der Staatspapiere und den Kursen der Papiere der Gemeinden und der Kreise. (Graf von Hutten-Czapski: Eine Spannungh Ich habe ihn also in Summa richtig verstanden. Ich habe nun garnicht die Idee, diese höhere Fürsorge für den Kurs der Staat ⸗ papiere allein auf diese zu beschränken; denn in einer ganz ähnlichen Lage wie der Staat befinden sich die Landschaften und Kommunen: auch sie klagen — meiner Ansicht nach mit Recht — darüber, daß es an einem regelmäßigen Abnehmer für ihre Papiere fehlt. Ist das ein gesunder Zustand, daß, wie gesagt, die Sparlassen statt sich um ihre heimischen Papiere zu kümmern, ihre Bestãnde in Hypotheken auf städtischen Grundstücken anlegen, die wer weiß wie weit entfernt sind? Ich halte das nicht für einen richtigen Standpunl ; ich bin der Meinung, daß das Gefühl der Zugehörigkeit zur Heimatgemeinde, zum Heimatkreis und zum Heimatstaat gestärkt werden muß. Des wegen war es meine Idee, die Sparkassen anzuhalten, einen Teil ihrer Neberschüsse nicht allein in Staatspapieren anzulegen,
Zweite Beilage
Berlin, Montag, den 16. Mai
schaftlichen Kreditinstitute. Es würde fehlerhaft sein, in diese Ent⸗ wickelung mit rauher Hand einzugreifen und etwa die Sparkassen zu nötigen, die Hypotheken aufzugeben und dafür Staatspapiere oder Kommunalpapiere zu kaufen. Der Gedanke war lediglich der, von dem neuen Zuwachs an Spareinlagen einen Teil in Inhaberpapieren anzu⸗ legen und von diesen gewisse Prozentsätze auf die Staatepapiere entfallen
landschaftlichen Papiere. Wie gesagt, diese ganze Frage ist noch nicht bis zum letzten Ende durchgeführt; aber an der Ueberzeugung muß ich in der Tat festhalten, daß auf diesem Gebiet etwas geschehen muß und daß die großen Organisationen in erster Linie dazu berufen sind. Wir sind im deutschen Lande überhaupt gewöhnt, von der All. gemeinheit, von der Gemeinde, der Provinj und dem Staat sehr viel zu verlangen, und die Anforderungen: — die derren Oberbůrgermeister werden mir das bestätigen — die an die Gemeinden und den Staat gestellt werden, wachsen von Tag zu Tag. Aber wir sind nicht gewöhnt, gegenüber diesen ständigen Anforderungen auch entsprechende Verpflichtungen zu übernehmen. In ö dieser Beziehung fühlt sich unser Publikum der Verpflichtung gegen Gemeinde und Staat in viel höherem Maße ledig, als es in anderen Staaten der Fall ist, und ich meine, wenn man so viel von den großen Verbänden verlangt, muß man sich auch bemühen, sie in ihrer Leistungsfähigkeit zu stärken, sich bemühen, ihre finanzielle Situation so weit zu heben, wie es notwendig ist, damit sie ihre große erfüllen können. 2 . daß ich damit die wesentlichsten Punkte besprochen habe, die Herr Graf Hutten ⸗Czapski und der derr Referent anzuführen die Gute hatten. Ich kann nur nochmals meinen Dank aussprechen, daß die überaus wichtigen Fragen in so eingehender und sachlicher Weise erörtert worden sind, und darf damit schließen, daß ich selbst· verständlich die Augen vor diesen wichtigen Erscheinungen nicht ver⸗ schlossen habe und tun werde, was meinerseits mõglich ist, um unseren Staatspapieren den Kurs und das Ansehen der Welt zu verschaffen, das sie nach ihrem inneren Wert in jeder Beziehung verdienen.
J n Mendelssohn⸗Bartboldy: Der zur Emissien en, , war bei der Begebung der letzten . . vorüber. Im Mai hatte sich der Geldmalkt schon erheblich bersteift. Vas war der Grund für den niedrigen Emisfionsfurs,; Hie Regierung hatte keine Kredite mehr, und der Reir Stag hatte si im Stiche gesassen, indem er, statt den Etat fertigzustellen, die Zeit mit anderen schönen Dingen vertrödelte, wie es ja auch in anderen Parlamenten vorkommen soll. Dazu kam die ungũnstige Konjunktur, die auch in England ein Weichen der Kurse von 114. auf 90 zur Folge batte. Das mag uns zum Trost gereichen, Wenig verspr h sch mir von der Erleichterung der Eintragung ins Schuldbuch. . Dit der Erhöhung des Kapitals der Seehandlung bin ich nicht einper; standen. Es kommt nicht nur auf das Geld, sondern auf den op an; dieser ist jetzt da; ich wünsche, daß er immer da ist. Ich 3. als Präsident der Seehandlung an der Aufgabe, die Kurse hoch⸗ zuhalten, verzweifeln. Sehr schlimm ist es für die Kurse, daß 3. die Börse durch die ,, hat, und ich fürchte, die ; Reichstagsvorlage bringt nicht genug,. ; ; .
ier e g ö . 2. habe das Hefühl einer brüclen Zur ick. weisung. Ich muß daher nochmals betonen, der Eigenart der Jer hältnisse bei uns entspräche es, daß der Stazt die Schulen übernähme, damit wir höhere Löhne zahlen und so die Leute halten können. Die Sekundärbahnen sind kein Geschenk, sondern Zubringer für den Ver⸗ kehr der großen Bahnen. Bezüglich der Kolonisation bin ich ein großer Skeptiker Das heutige Rentengut halte ich für ein tot e horen s Kind. Ich habe es in meiner unmittelbaren Nähe beoba hiet, wie immer eins nach dem andern bankrott wurde. Unsene klimatischen
und Bodenverhältnisse sind dazu nicht angebracht. Ich lch , nit der Bitte: unsere , Lage erfordert eine gewissenhafte
ürsorge ine genaue Prüfung. . .
, Daß die Sparkassen keine Konsols mehr baben wollen, kommt daher, daß sie viel Geld, an diesen verloren haben. Das hat die Kuratorien abgeschreckt. Gelingt es, einen gleichmäßizen Kurs zu halten, so wird es anders. Und an der Sg want is der Staat selbst schuld, wenn er 30/0 ige Konsols zum Kurse von 96 Kusgiht, Er muß ein Papier ausg ben, das annähernd pari steht. Indessen erkenne ich die Bestrebungen des Herrn Ministers an. J
Berichterstatter Herr Dr. Giese berichtet sodann gibex eine Petition des Verbandes der Gemeindebeamten Der Provin Westpreußen un Gewährung der den unmittelbaren Staatsöbeamten in den chemale polnischen Landesteilen zugenendeten, Zulagen auch an die betreffen den Gemeindebeamten und nr h Uebergang zur Tagesordnung. Das
itt dem Antrage bei. . ( ö
k we, Die Erörterungen üund Ver bandlungen über, den Neubau beim Umbau Des Königlichen Qpern— und des Schauspielhauses haben in weiten Kreisen lebhaftes Jater⸗ esse erregt. Es ist der dringende Wunsch laut geworden, daß man über das, was beabsichtigt wird, nähere Aufflärung. erhält, die im Abgeordnetenhause nicht gegeben worden ist. Man ist bis jezt bei dem von Schinkel erbauten Schauspielbause mit größter Pietãt geen den Künstler verfahren und hat bei Aenderungen stets das Au. sehen des Gebäudes gewahrt. Jett heißt es, man wolle den Stil ändern usw. Da Authentisches nicht feststeht und solche Vermutungen vielleicht irrig sind, wäre eine beruhigende Erllaãrung sehr am Platze In Künstlerkreisen bestebt der Wunsch, daß die derstelluns des Schauspielhauses in das Bestebende schonender ¶Weise vorgenommen und der Schinkelsche Stil, die Harmonie zwischen Aleußerem und Innerem des Gebäudes gewahrt werden möge. Was das r haus betrifft, so hat das Gebäude ia jetzt ein Aussehen, W unmöaglich so bleiben kann und wohl auch nicht so bleiben soll. Die Gerüste, die den Bau umgeben, scheinen ihm gewissermaßen con Lein Urteil gesprochen zu haben. Schon die Namen der Architelten Schinkel und Knobelsdorff genützen zum Beweis der Berechtigung dei Wunsches, daß das Opernhaus, eine der schönsten Reliquien, die . der große König hinterlassen hat und die ihn von einer Seite geigt⸗ von der ihn * wenigsten kennen, und das Schau spiel haus. durch dessen Verschwinden die Kunstgeschichte ärmer werden würde, daß diese beiden heiligen Vermächtnisse der Kunst erhalten bleiben.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Ich nehme an, daß es Ihnen erwünscht ist. daß ich um 5 Uhr? Minuten nur ganz kurz spreche, um dem Herrn Vor— redner auf seine an mich gerichtete Anfrage Auskunft zu geben. e
Was zunaͤchst das Schauspielhaus betrifft, so sind, wie ich mich personlich überzeugt habe, sehr schwere Mißstände vorhanden, Miß— stände, die in erster Linie nicht den Zuschauerraum, sondern den Bühnenraum betreffen. Das Bühnenhaus ist viel ju
sondern auch in Papieren der heimischen Kommunen und der land
eng. Der Bühnenraum ist durch Requisiten usw., für
Anforderungen entspricht, mit sehr erheblichen
1904.
die es an einem besonderen Raum fehlt, verstellt, sodaß die dort auf der Bühne tätigen Personen und Arbeiter keinen genügenden Ausgang haben. Aufenthaltsräumen für die Zuschauer, es fehlt an einem ausreichenden Ausgange, kurzum, es ist allen feuerpolizeil ichen Rcksichten — das kann man wohl nahezu sagen — widersprochen in diesem .
i ĩ ü ᷣ ĩ ĩ das Zuschauerh itspricht durchaus nicht den polizeilichen Rücksichten. zu lassen, und gewisse Prozentsätze auf die Fommunalpapiere beziehentlich 3. V 3 ö ö. n, das wird den meisten Herren ja auch bekannt sein — sind die Gãnge sehr eng, die Korridore nicht genügend breit, und es ist ein großer Mangel, daß man, um in die Logen zu kommen, erst einige Stufen
Dann fehlt es da nahezu an allen geeigneten Garderobe⸗ und
hinauf, und dann einige Stufen hinabgehen muß, ein Umstand, der
eine schnelle Entleerung des Hauses in außerordentlichem Maße er⸗
schwert. Es muß also notwendigerweise, um den polizeilichen An⸗ forderungen nach der Richtung zu genügen, ein Wandel geschaffen werden. Ich kann Herrn Oberbürgermeister Struckmann aber voll⸗ kommen beruhigen und ihm die Versicherung geben, daß an dem klassischen Aeußeren des Hauses nicht das geringste geändert werden wird. Es handelt sich nur um innere Umbauten, nicht um äußere Umbauten; daran wird nichts geändert. Es ist eine gemischte Kommission eingesetzt, bestehend aus Vertretern der Hofverwaltung, der Theaterverwaltung und der beteiligten preußischen Ministerien. Ich hoffe also, daß nach dieser Richtung hin alles geschehen ist, was gescheben konnte. .
Was das Opernhaus betrifft, so liegt die Sache ähnlich. Auch hier liegen schwere polizeiliche Mißstände im Bühnenhause vor, und seitens des Polizeipräsidiums ist seit Jahren dahin gedrãngt worden, daß endlich diesen Mißständen Abhilfe geschehen solle, Mißstãnden, die wesentlich aus derselben Ursache entspringen. Der Raum ist viel uu eng für das große Personal, das jetzt dort amtieren muß, die Treppen sind vollständig unzulanglich, und die Ent⸗ leerungsmöglichkeit entspricht auch nicht entfernt den polizei⸗ lichen Vorschriften. Ich habe mir selbst die Mühe genommen und bin stundenlang durch die beiden Bühnenhäuser — ich kann wobl sagen — durchgeklettert, und habe die Auffassung der Polizeiverwaltung nur durchaus bestätigen können. ;
Was die äußere architektonische Bewertung des Dyrernhauses seitens des Herrn Oberbürgermeisters betrifft, so kann ich ihm darin nicht felgen. Wenn man seine Ausführungen hört, so könnte man denken, daß der Bestand des preußischen Staats von der Er⸗ haltung des Opernhauses abhängt. Ganz so weit möchte ich doch nicht gehen. Es kommt hinzu, daß das Werk Friedrichs des Großen doch in wesentlicher Beziehung umgeändert ist, daß das Opernhaus im Jahre 1843 so gut wie ganz neu erbaut worden ist. Außerdem ist doch bei dem Opernhause nicht bloß die Fassade ent⸗ scheidend, sondern die Akustik im Innern und die polizeilichen Zu⸗ stände im Innern; das scheint mir doch sür die Benutzung des Opernhauses wichtiger zu sein als die Frage der Architektur. (Sehr richtig) Was aber in dieser Beziehung geschehen wird, steht einstweilen noch gar nicht fest. . Dazu sind ja gerade die 50 000 S6 Vorarbeitkosten erbeten. Die Pro; jekte werden einstweilen aufgestellt, und nachher wird man erst über sehen können, ob sich an der jetzigen Stelle oder an anderer Stelle ein Neubau schaffen läßt. Jedenfalls erfordern die polizeilichen Zustãnde im Bühnenraum dringend eine Abänderung, und die Einengung des Bühnen⸗ raums durch die drei Straßen wird wahrscheinlich auch das Haus in Mit⸗ leidenschaft ziehen, weil eben ein genügend großer Bühnenraum gar nicht geschaffen werden kann, und weil ein Bühnenraum, der den modernen Substruktionen für szenische Einrichtungen verseben sein muß. Dadurch würde das Bühnenhaus wahrscheinlich mehrere Meter böher zu liegen kommen als das Zuschauerhaus. Das wäre ein Zustand, der nicht ertrãglich sein würde. Aber, wie gesagt, spezielle Projekte liegen noch nicht vor, und ich bin daher außer stande, Ihnen in dieser Frage eine weitere Auskunft zu geben. ö
Beim Etat der direkten Steuern beschwert sich
Freiherr von der Goltz darüber, daß den Zensiten in Stettin allzu umfangreiche Fragebogen von der Steuerveranlagungskommission zugestellt seien.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben: -
Meine Herren! Ich wäre dankbar gewesen, wenn der Herr Vor⸗ redner einige Tage vorher Gelegenheit genommen htte, die Sache mir mitzuteilen, dann wäre sie erledigt worden, und ich glaube, ed wäre auch der Erledigung der Geschäfte sörderlicher gewesen. Ich könnte dann Auskunft geben auf Grund genauer Informationen, die ich eingezogen hätte, während ich jetzt nicht weiß, um was es 44 handelt. Ich vermute aber, daß es sich um eine Angelegenheit handelt, die von dem Vorsitzenden der Berufungskommission in Stettin aud⸗ gegangen ist. Von diesem war den Vorsitzenden der Veranlagungs⸗ kommissionen im Regierungsbezirk Stettin anempfoblen worden, der Aufforderung zur Deklaration einen derartigen Fragebogen beizufügen, nicht um Schlingen und Fallen zu legen, wie der Herr Vorredner sich ausdrückt, sondern in der Absicht, den Steuerpflichtigen die Angabe ihres Einkommens zu erleichtern, indem man biuwies, auf welche Fragen es ankäme. Die Sache kam zu meiner Kenntnis, und. ich habe das Vorgehen des genannten Vorsizenden nicht für richtig gehalten, well es so aufzufassen war, als ob die Zensiten ver⸗ pflichtet wären, die Auskunft zu geben, während meiner Ansicht nach eine derartige Verpflichtung nicht besteht. Ich habe damals hiervon den Vorsitzenden der Berufungskommission in Stettin verstẽndigt und derselbe hat seine Anordnung zurückgezogen. Ich glaube also, daß die Sache, wenn es die ist, von der ich preche, inzwischen schon erledigt ist. Ich kann nur bitten, daß Herr Freiherr von der Goltz die Güte hat, mir die Sache zu geben. Sollte es sich um etwas anderes handeln, so werde ich sofort Prüfung und Remedur eintreten lassen.
Ohne Debatte wird sodann noch eine Reihe kleinerer Etats 1 5i½ Uhr vertagt das Haus die Fortsetzung der Be⸗ ratung bis Montag, 12 Uhr.