1904 / 116 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 May 1904 18:00:01 GMT) scan diff

zugeben, daß unter Umständen dabei die Ansichten abweichen können: ob eine Bahn vom verkehrspolitischen Standpunkt bauwürdig ist, ob sie wirtschaftlich ist, ob sie jetzt gebaut werden muß oder man den Bau noch etwas hinausschieben soll. Meine Herren, ich glaube, in dieser Beurteilung im Einzelfalle liegt eigentlich die ganze Differenz, die zwischen der Königlichen Staatsregierung und den einzelnen Herren Abgeordneten besteht. Ich kann mich aber voll⸗ ständig in den Standpunkt jedes Abgeordneten hineindenken, indem ich mit ihm der Ansicht bin, daß seine Bahn, die er für seinen Wahlkreis vorträgt, die wichtigste für ihn ist, (Heiterkeit) die aller—⸗ wichtigste. (Bravo!) Und, meine Herren, insofern muß ich es mir ja gefallen lassen, daß im Hinblick auf diesen Gesichtspunkt, den ich für jeden Abgeordneten als richtig anerkenne, der Staatsregierung der Vorwurf gemacht wird, daß sie so unbegreiflich töricht ist, nicht diese Bahn vor allen anderen zu beantragen und zu bauen. (Heiterkeit.) Das lasse ich mir also gern gefallen, und insofern haben die Herren im einzelnen alle vollständig recht. (Heiterkeit)

Meine Herren, nun ist aber die mangelnde Rentabilität der Eisenbahnen durchaus nicht immer, oder in den meisten Fällen nicht, der rund, daß die Ausführung für jetzt abgelehnt wird. Maßgebend ist vielmehr:

1) ob das Verkehrsbedürfnis vorhanden ist und

2) ob das Verkehrsbedürfnis auch durch Betätigung von Interessenten bewiesen wird.

Meine Herren, wodurch kann denn das Verkehrsbedürfnis fest⸗ gestellt werden? Nicht dadurch, daß ein initiativer Mann mit guter Redegabe, mit flotter Feder ein Komitee bildet und plötzlich ein Eisenbahnprojekt in die Landkarte hineinmalt und dann die nötigen Petitionen aufstellt. Meine Herren, dadurch ist das Verkehrsbedürfnis noch lange nicht bewiesen. Ich glaube, die Herren werden der Königlichen Staatseisenbahnverwaltung nicht den Vorwurf machen, daß die fleißigen Arbeiter, die ein solches Verkehrsprojekt untersuchen, nicht in alle Einzelheiten hineinsteigen, daß sie nicht prüfen: wo sind Schätze des Bodens, der Wälder, landwirtschaftlichen Produkte bis jetzt noch un— verwendbar, wie kann die Gegend erschlossen werden? Es wird das alles auf das eingebendste untersucht mit den Gemeinden, mit den Interessenten, mit den zuständigen Staatsbehörden; es werden Statistiken darüber aufgestellt, und dann kommt schließlich die Entscheidung: ob ein öffentliches Verkehrsbedürfnis vorliegt? Das Verkehrsbedürfnis kann natürlich verschieden beurteilt werden, und es ist mir häufig

passiert, daß Deputationen bei mir waren, die mir gesagt haben: sie verständen die Staatseisenbahnverwaltung und den Minister nicht, daß er nicht sofort zugriffe; er sollte sich doch eine solche Einnahme nicht entgehen lassen; das wäre unwirtschaftlich; er wäre ja ein schlechter Kaufmann. Ja, meine Herren, da habe ich geantwortet: der Staat muß doch nicht alles an sich reißen, sondern, wenn so viel Rentabilität in dem Projekt steckt, bitte, dann führen Sie es aus. Dann sah ich plötzlich lange Gesichter, und dann wurde mir gesagt: nein, so ist das nicht gemeint, wir wollten nur eine Nebenbahn gebaut haben und höchstens den Grund und Boden frei hergeben. Also ich meine, bei der Ausführung des Grundsatzes können viele verschiedene Gesichts— punkte zur Beurteilung kommen. Wenn ich nun das Verkehrsbedürfnis prüfe, so drückt sich das auch bei einer Wahrscheinlichkeits berechnung über die Rentabilität aus, und insofern kommt die Aussicht der Rentabilität bei der Prüfung des allgemeinen Verkehrsbedürfnisses mit in Frage. Ich glaube nun, d war, bei der Prüfung des Verkehrsbedäürfnisses gleich zu fordern, daß

die Interessenten sich an der Ausführung solcher Projekte, die als

Nebenbahnprojekte sich kennzeichnen, beteiligen, un

auch die d näßige Maßregel, daß für solche Projekte der Grund ur e en Interessenten hergegeben werden muß. In anderen Staaten, wo man das früher nicht getan hat, ist man zu schlecht h gekommen, und man hat in allerneuester Zeit anerkannt, daß P eine durchaus weise und richtige Maßregel getroffen hatte. Meine Herren, es bestätigt sich dies auch, wenn wir Grund und Boden für Eisenbahnen erwerben. Mit dem Moment, wo ein Eisenbahnstrich sich auf der Landkarte zeigt, wo man erfährt,

daß eine Eisenbahn gebaut werden soll, mit dem Moment steigen die

Bodenpreise, und n nn den Boden erwerben wollen, dann k ü K 1. ; iufig, daß die Herren Interessenten sehr viel

3 a 2 9 erfahren wir nur zu h . . höhere Pre a

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ate verlangen, als bei der ersten Untersuchung e auf Grund der Mitteilungen der Interessenten

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selbst. Meine Herren, dadurch ist doch bewiesen, daß die betreffenden Gegenden einen außerordentlichen Vorteil von einer Bahn haben.

1 dem Herrn Abg. von Woyna, der vorgeworfen

6ae * cger 25 . Bahn 1 ö kf, M s wãre k n taatsbahnen und in diesen Vor⸗ ; ; . . eine ich, daß kaum ein Staat der Entwickelung seines Eisen— . KJ n

ö 1 11 83. x 8 22 2 sich dadurch kennzeichnen,

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gesteigerten Verkehr zu bewältigen. Zu dieser uptbahnen geben die

Anlieger den Grund und Boden nicht frei aber dieser Vorzug

ergibt sich nicht wegen der Betriebsart, s weil das Gesamt⸗ interesse des Staats die Herstellung dieser Hauptbahnen erheischt und diese also nicht von der Bereitwilligkeit der Beteiligten zur freien Hergabe des Grund und Bodens abhängig gemacht werden kann Wir haben dann in unserem Eisenbahnsystem eine zweite Kategorie, das sind die Nebenbahnen, an denen nur gemisse Landesteile ein

Interesse haben und die als winder wichtige Verbindungsglieder und ubringer de vtbahnen dienen. Zu ihnen tragen die Interessenten ibahn chaftlich gefrderten Landesteilen bei.

ommen die Kleinbahnen, die den rein örtlichen Ver—⸗

kehr zwischen benachbarten Orten befriedigen sollen, deren Herstellung deshalb auch in erster Linie diefen örtlichen Verbänden obliegt, wobei

allerdings die Provinz und der Staat vielfach Beihilfe leisten. Wenn

wir die Kleinbahnen nach dem Vorschlage des Herrn von Woyna über⸗ nehmen wollten, so würden wir beispielsweise auch die Verpflichtung übernehmen, in Berlin für den örtlichen Verkehr der Vororte mit der Hauptstadt zu sorgen. Ich möchte dazu erwähnen auch als Zeichen, daß die Staatsbahnverwaltung nicht lediglich fiskalisch arbeitet daß der Vorortverkehr von Berlin, der Verbindung der Vororte unter— einander und mit der Stadt Berlin durchaus unrentabel ist. Ich habe darüber neuerdings eine Berechnung anstellen lassen, die ergeben

hat, daß von einer Rentabilität in diesem Verkehr absolut keine Rede sein kann, wenngleich die Abteile zu gewissen Zeiten überfüllt sein mögen. Aber wir haben uns der Sache nicht entziehen können, den Verkehr nach Möglichkeit zu entwickeln. Meine Behauptung soll aber nicht zu dem Schlusse verleiten, daß wir den Vorortverkehr nicht weiter fördern wollen, soweit das Interesse des Staates es zuläßt und wir die Möglichkeit dazu haben. Aber die Veinpflichtung, für den örtlichen Verkehr zu sorgen, für die Verbindung der benachbarten Orte, liegt nicht dem Staate, sondern an erster Stelle den Gemeinden und den interessierten Kreisen ob.

Es ist richtig, daß viele Kleinbahnen auf Wunsch der Inter— essenten gebaut worden sind, von denen aber der Staat von vorn— herein gesagt hat: sie sind unrentabel, es liegt kein Verkehrsbedürfnis vor. Es fällt also die Verantwortung auf die betreffenden Verbände, die damals, als die Kleinbahnen aufkamen, nicht schnell genug solche bekommen konnten. Davor ist von vielen Leuten, die dem Eisenbahn⸗ wesen nahe stehen, gewarnt worden; man hat mit Sorge beobachtet, daß jede Gegend ihre Kleinbahn haben wollte, weil man sah, daß für die Kleinbahn kein Verkehrsbedürfnis vorlag. Und das zeigt sich auch in der Rentabilität, denn wenn die Rentabilität eine größere wäre, so würde natürlich das Verlehrsbedürfnis damit bewiesen sein. Da aber die Kleinbahnen vielfach so nicht existieren können, so ist das ein Zeichen, daß die Eisenbahnbehörden recht hatten, wenn sie be— haupteten, daß ein öffentliches Verkehrsbedürfnis für diese Bahnen nicht vorlag. Ich will andererseits gern zugestehen, daß in dem einen oder anderen Falle, wenn der Verkehr sich weiter entwickelt, es dazu kommen kann, daß die eine oder andere Kleinbahn in das Neben— bahnnetz eingefügt wird.

Aus meinen Ausführungen ist doch klar erkennbar, daß wir ein Spstem in der Entwickelung unseres Eisenbahnnetzes haben, und zwar ein System, welches wohl durchdacht, durchgliedert und dem Verkehrsbedürfnisse des Landes zu entsprechen geeignet ist. Aber die Wünsche aus allen Wahlkreisen, den sofortigen Ausbau der dort ersebnten Bahnen nach einem anderen System durchzuführen, bin ich nicht in der Lage.

Beiläufig sei hinsichtlich der Stationsvermehrungen bemerkt, daß die Staatseisenbahnverwaltung auch hierbei nicht still gestanden hat. Das möchte aus folgenden Zahlen hervorgehen. Die Streckenvermeh— rung hat in einem gewissen Zeitraum 27 0, betragen; demgegenüber betrug aber die Stationsvermehrung in demselben Zeitraum 45,1 0. Also dieser Gesichtspunkt, den Herr von Woyna sehr richtig angeführt hat, ist auch von der Staatseisenbahnverwaltung nicht unbeachtet ge—⸗ blieber .

Meine Herren, ich bin aber ferner der Ansicht, daß das System, das wir haben, durchaus nicht abgeschlossen ist; es ist vielmehr entwickelungsfähig. Ich glaube auch nicht, daß unsere Bahnen so, wie sie jetzt betrieben werden, als Hauptbahnen, Nebenbahnen und Klein⸗ bahnen, in technischer Beziehung abgeschlossen sind, sondern es stehen uns vielleicht bald große Veränderungen bevor, die sich zur Zeit bei der Staatseisenbahnverwaltung in Untersuchung befinden. Ich erinnere nur an das Ihnen bekannte Problem der elckirischen Schnellbahnen. Dann aber ist in jüngster Zeit eine ganz neue Art von Bahnen an— geregt worden; das sind sogenannte interurbane Bahnen, die den Zweck haben sollen, zwischen verkehrsreichen Städten ich will einmal nur eine Linie herausnehmen, ohne daß daraus gleich ein Projekt

es im Jahre 1880 eine weise Maßregel

ö daher stammt ja

konstruiert werden möchte: Halle Leipzig oder Frankfurt a. M. Wiesbaden eine besondere Verbindung zu schaffen. Man hat die Absicht, elektrische Bahnen zu bauen, mit Motorwagen von 60 bis S0 km Geschwindigkeit, auf gesondertem Bahnkörper, nur mit einem Anfangs- und Endpunkt innerhalb der betreffenden Städte. Die Bahnen sollen in das Straßenbahnnetz verlaufen; es soll auf solche Weise die Möglichkeit gegeben werden, zwischen den Städten unmittelbar vom städtischen Straßenbahnnetz aus mit Schnelligkeit hin und herzufahren, ohne daß unterwegs gehalten wird. Von den Interessenten ist der

brpreis viel billiger berechnet worden, als der Normaltarif der Staatseisenbahnverwaltung, und es wird behauptet, daß für solche nen Bahnen ein Verkehrssbedürfnis vorhanden sei. Meine

nicht sagen, was aus den Plänen wird; jedenfalls aber verdienen sie eine eingehende Prüfung, die natürlich auch von dem Gesichtspunkte aus erfolgen muß, welchen Einfluß diese Bahnen auf unsere Staatseisen⸗ b

Meine Herren, ich darf dann noch eins anführen wegen unseres Nebenbahnenverkehrs. Ich bin auch der Ansicht, die Herr Macco berührt hat, daß die Nebenbahnen, wie der Verkehr jetzt ist, auf die Dauer dem Verkehrsbedürfnis in vielen Gegenden nicht mehr genügen werden. Es ist ja auch an verschiedenen Stellen schon angeregt worden. Nebenbahnen in Hauptbahnen umzuwandeln. Meine Herren, das ist eine sehr teuere Sache. Dagegen ist es mir gelungen, die Zustimmung des Reichseisenbahnamts und der sämtlichen Techniker unserer deutschen Bahnverwaltungen zu gewinnen, daß wir die Züge auf den Nebenbahnen beschleunigen dürfen, bis zu einer Ge⸗ schwindigkeit von 50 Em unter gewissen Vorbedingungen. Genehmigt der Bundesrat diesen Vorschlag, dann werden wir auf vielen Neben— bahnen einen flotteren Verkehr einrichten können, der dem früheren Hauptbahnverkebr, den wir vor 20 bis 30 Jahren für ausreichend hielten, ähnlicher wird. Wir dürfen auch auf diesem Gebiet nicht still stehen.

Nun ist gestern gesagt worden, an einer Stelle, wo eine Bahn verlangt

es klänge wie Hohn, wenn man wird, darauf hinweise,

daß unter Umständen auch ein Motorwagenbetrieb eingerichtet werden könnte, weil er rielleicht dem Verkehrsbedürfnis ge⸗ nüge. Ja, meine Herren, ich muß solche Aeußerung darauf

zurückführen, daß die betreffenden Herren vielleicht nicht ganz unter— richtet sind über die Entwickelung, in der wir uns augenblicklich be—⸗ finden. Ich glaube, es werden eine ganze Menge Gemeinden später froh sein, wenn auf ihren Nebenbahnen leichte Motorwagen fahren, statt des schwerfälligen Betriebes, den wir jetzt haben. Wir haben an mehreren Stellen auch schienenlose Kleinbahnen, die sich dort durch- aus bewähren und dem Verkehrsbedürfnis genügen. Wir haben auch Vorschläge, daß man mit Flachschienen auf der Chaussee bei elek⸗ trischem Betriebe ebenfalls in der Lage ist, den Verkehr bedienen zu können. Also, meine Herren, ich möchte doch wirklich glauben, daß das Wort „Hohn“ nicht ganz am Platze war, und ich möchte generell die Bitte aussprechen: kein Schema ju verlangen, sondern damit ein⸗ verstanden zu sein, daß die Staatseisenbahnverwaltung, in dem Be—⸗ streben dem Lande zu dienen, die Augen offen hält und allen Ver⸗ kehrsbedürfnissen zu genügen sucht in der Form, die dem jeweiligen

Verkehrsbedürfnis angepaßt ist. Ebensowenig, wie ich auf den Neben⸗ bahnen und auf kleinen Stichbahnen D- Züge einrichten kann, ist es richtig, überall, wo es gewünscht wird, Nebenbahnen zu bauen. Die Kleinbahn hat durchaus noch ihren Wert, und die Königliche Staatsregierung ist ja auch in der Lage, aus den Mitteln, die durch Sie bewilligt werden, bei dem Bau von Kleinbahnen Beihilfe zu leisten.

Ich meine also, meine Herren, wir sollten nicht alles über einen Leisten schlagen wollen, sondern wirklich dem Verkehrsbedürfnis ent- sprechend den Verkehr zu befriedigen suchen. (Bravo!)

Auch ist es nicht ganz zutreffend, trotzdem der Herr Abg. Macco so freundlich war, die Staatseisenbahnverwaltung darüber zu loben, daß wir das erste Mal bei Hannover eine Umgehungsbahn bauen. Das ist an vielen anderen Stellen schon früher geschehen; ich erinnere nur an Saarbrücken —-Bous, an Osterfelde —-⸗Hamm, Gleiwitz Emanuelsegen, Mombach = Bischofsheim, Courl —= Nette, Duisburg Weddau, Brockau—Mochbern, an die Güterbahn bei Leipzig. Wir haben seit 1889 etwa 800 km Vollbahnen gebaut, die zum großen Teil ähnlichen Zwecken dienen wie die jetzige Umgehungsbahn bei Hannover. Die Verwaltung hat also bereits seit Jahren in dem angedeuteten Sinne vorgesorgt.

Ich möchte sodann noch mit einigen Worten auf den Antrag Herold eingehen. Der Antrag ist gewiß gut gemeint, und er hat für den ersten Anblick etwas Bestechendes. Er hat nur, von vielen kleinen Bedenken abgesehen, die ich mir vorbehalten werde, in der Kommission näher auszuführen, zwei schwerwiegende Bedenken: Das erste ist, daß nicht diejenigen die Hilfe bekom men, die sie eigentlich am notwendigsten hätten, und das zweite Bedenken ist, daß der ganze Antrag unausführbar ist. (Heiterkeit) Meine Herren, ich will Ihnen das kurz beweisen. Wenn Sie ver— langen, daß zu gewisser Zeit, also wenn die Bahnen eine Rentabilität von 5oso haben, die Beiträge zurückgezahlt werden sollen, so ist es doch selbstverständlich, daß die reicheren Gegenden früher in dieses Stadium kommen und die ärmeren Gegenden später oder nie. Dann würde das also eine Prämie gerade für diejenigen Gegenden sein, die der Prämie nicht so bedürfen, und die ärmeren Gegenden würden leer ausgeben. Weiter will ich diesen Punkt jetzt nicht ausführen; aber ich möchte Sie vor allem darum bitten, von der Forderung Abstand zu nehmen, daß wir die Rentabilität jeder Bahnstrecke, deren wir jetzt ungefähr 370 haben, und die sich bald auf 400 vermehrt haben werden, be⸗ rechnen. Meine Herren, wir sind ja in der glücklichen Lage, ein großes Staatseisenbahnnetz zu haben, in welchem der Verkehr sich ausgleicht, die Einnahmen und Ausgaben sich ausgleichen, bei dem wir nur große Berechnungen haben. Wir arbeiten von großen Gesichts⸗ punkten aus, und ich meine, die Rentabilitätsziffer von 7,3 o o hätte Ihnen auch gezeigt, daß wir auf dem richtigen Wege sind, und daß wir als Großkaufmann arbeiten. Mit dem Moment aber, wo Sie ver⸗ langen, daß wir die Babnstrecken im einzelnen berechnen, würden Sie uns zu einer Bureaukratie verurteilen, die wir in solchem Umfange nie gehabt haben. Wir würden für das erforderliche Schreibwerk so viele Millionen ausgeben müssen, daß wir, wie Herr von Tiede—⸗ mann, der lange Jahre Berichterstatter in Eisenbahnangelegen« heiten in diesem hohen Hause gewesen ist, unterm 18. Februar 1892 ausgeführt hat, für die Unkosten der Berechnungen mehrere Sekundärbahnen bauen könnten. Meine Herren, ich kann das bestätigen; er hat das damals auf Grund der Erklärung meines Herrn Amtsvorgängers gesagt; wenn wir die Rentabilität der einzelnen Strecken berechnen wollten, so würden wir uns einen Apparat an⸗ schaffen müssen, der Millionen kostete. Außerdem aber würde dieser Apparat richtige Berechnungen nicht ergeben können. Denn, meine Herren, wie soll man die Rentabilität einer Bahnstrecke berechnen? Wenn jemand sich hier eine Fahrkarte löst von Berlin nach Cöln, so wird der Station Berlin diese Fahrkarte als Einnahme gutgeschrieben; aber die Einnahme liegt doch nicht bei der Stadt Berlin, sondern sie kilometert sich doch in ihrer Summe fort bis nach Cöln hin. (Heiter⸗ keit Zuruf.) Ja, meine Herren, pro Kilometer wird die Fahr⸗ karte berechnet. (Sehr richtig! Es ist ferner nicht richtig, wenn eine Station, an der irgendwie ein größeres industrielles Etablissement liegt, sagt: ich habe jährlich eine Million Einnahme, folglich rentiert die Station oder die unmittelbar angeschlossene Strecke um diesen Betrag. Meine Herren, das ist ganz falsch! Ebenso gut kann ich die Rentabilität der Empfangestation dem Konsumenten anrechnen wie dem Produzenten; denn der Konsument hat ein viel größeres Ver— dienst an den Rentabilität der Eisenbahn als der Produzent. Wenn der Produzent auf seiner Produktion sitzen bleibt, hat die Einsenbahnverwaltung nichts davon. Ebenso ist es unmöglich, die Unkosten für die einzelne Strecke zu berechnen. Das Bahnnetz wird als ein einheitliches Unternehmen verwaltet. Heute werden die Güter über diese Bahn, morgen werden sie vielleicht über einen anderen Weg geführt, weil dieser durch besondere Umstände zweck⸗ mäßiger oder wirtschaftlicher erscheint. Es würde also ein ständiges Schwanken hinsichtlich der Einnahmen und Unkosten sein; denn wir können doch nicht wegen der Rentabilität einer Eisenbahn den Ver— kehr ungünstig leiten. Wir können nicht unseren Verkehr über eine bestimmte Linie leiten, damit bestimmten Verbänden ihre Beisteuer zum Bahnbau zurückerstattet wird. Und welche Masse von Re— klamationen würden sich ergeben, sobald der Verkehr aus eisenbahn⸗ lichen Gründen über eine andere Bahnlinie geleitet wird, wodurch dann die Rentabilität der Bahnlinien schwanken muß. Wir würden zu unglaublichen Verhältnissen kommen.

Ich kann also nur wiederholen, was ich vorhin schon gesagt habe, der wohlgemeinte Antrag hat zwei Hauptbedenken: die Verbände, denen die Hilfe in erster Linie zuteil werden soll, bekommen sie am wenigsten oder gar nicht, und zweitens ist die Berechnung unaus— führbar, was ich aber des näheren noch in der Kommission aus— führen werde.

Meine Herren, ich will Ihre Geduld nicht länger in Anspruch nehmen. Ich möchte nur noch bitten, daß aus den vielen Wünschen um Bahnen, die vorgetragen sind, im Lande nicht der Schluß gezogen wird, daß die Staatseisenbahnverwaltung eine verknöcherte Verwaltung wäre, die nicht dem Verkehre diene, für das wirtschaftliche Leben im Lande nicht volles Verständnis hätte und sich nicht den Ausbau des Bahnnetzes so angelegen sein ließe, wie es für das wirtschaftliche Leben im Lande erforderlich ist. Meine Herren, ich glaube den Beweis geführt zu haben, daß solche Vorwürfe ungerechtfertigt sein würden. (Allgemeiner lebhafter Beifall.)

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

M 1HI6.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Heye (nl) tritt wieder für den Bau der Linie Minden Nienburg und der Linie Verden Rotenburg als kürzester Verbindung * , , . Westfalen mit Harburg, Hamburg, Kiel und Lübeck ein.

Abg. Pleß (Zentr.) findet an der Vorlage das am interessantesten, was sie nicht enthält. Wenn man irgend etwas von System darin finden wolle, dann höchstens das, daß sie den Notstand einzelner Landes⸗ teile völlig hintansetze. Unter der Befolgung des neuen Prinzips, daß die Bahnlinien, die Private zu uen geneigt sind, nicht konzessioniert würden, weil die Staatsbahnverwaltung erkläre, sie be⸗ absichtige, diese oder jene Linie selbst zu bauen, hätten große Gebiete schwer zu leiden. Mit diesem Prinzip müsse gebrochen werden. Die Regierung könne sich ja dadurch sichern, daß sie sich das Ankaufsrecht nach einer gewissen Frist ausbedinge.

Abg. Kaute (Zentr.) wünscht den Bau von Linien zur besseren Aufschließung der Rhöngegend, die den Kreisen Hersfeld und Hünfeld zu gute kommen würden, insbesondere auch die Inangriffnahme der , n,. Fulda Meiningen.

Abg. de Witt (Zentr.) spricht sein lebhaftes Bedauern darüber aus, daß die vor mehreren Jahrjehnten gebaute Bahn Deutz Berg.“ Gladbach Bensberg noch immer wie vor Zeiten in Immekeppel endige, während sie nach der Verlängerung bis Lindlar geradezu schreie.

Abg. Herbers (ul.) bittet um den Bau einer Linie Iserlohn Lössel zur Verbindung des ersteren Ortes mit dem Kohlenzechengebiet und verbreitet sich auch über die Rätlichkeit einer Verbindung Iser⸗ lohn = Schwerte.

Abg. Faltin (Zentr.) spricht seine Freude darüber aus, daß die Vorlage diesmal seine Heimatprovinz Schlesien besser bedacht habe, als ihre Vorgängerinnen, besonders daß als Hauptbahn die Linie Sosnitza— Preiswitz -Egersfeld ausgebaut werden solle. Es seien dort mächtige Kohlenflöze erbohrt worden. In bezug auf die Entwickelung des Eisenbahnnetzes sei Schlesien bisher einigermaßen stiefmütterlich behandelt worden, wenn auch im allgemeinen der Eisenbahnminister recht haben möge. Ganz besonders err, sei sein Wahlkreis PleßRybnik weg⸗ gekommen. Seit langen Jahren petitioniere die Stadt Nicolai um den Bau einer Bahn von Gleiwitz oder Antonienhütte über Nicolai nach Alt⸗ und Neu⸗Berun, aber es sei bisher nichts erreicht worden. Ein Konsortium habe den Bau geplant; da sei der Staat gekommen und habe selbst bauen wollen, aber der Kreis Ile einer der ärmsten des Landes, habe 100 000 S Zuschuß nicht zahlen können, und daran sei die ganze Sache gescheitert.

Abg. Holtz freikons.) spricht dem Minister den Dank für die Aufnahme der Linie Vandesburg Terespol mit der Abzweigung von Prust nach Crone a. d. Brahe in die Vorlage aus. Die Linie müsse aber noch über die Weichsel nach Osten über Schwetz später verlängert werden; hoffentlich sei mit der Entscheidung darüber, daß die Weichsel bei Marienwerder fest überbrückt werden solle, dieser Verlängerung noch nicht das Urteil gesprochen. Schwetz habe eine betriebsame Bevölkerung, entbehre aber des Verkehrs mit dem Lande links der Weichsel, weil keine Stromüberbrückung da sei. Es sei schon eine Kleinbahn Terespol— Schwetz vorhanden; die Stadt bittet darum, die Linie Vandsburg —erespol so in diese Kleinbahn einzuführen, daß letztere als die Verlängerung der ersteren angesehen werden könne. Dazu gehöre die Erbauung einer Weichselbrücke in der Nähe von

Schwetz.

33 Reck (kons.) dankt der Königlichen Staatsregierung dafür, daß die Bahn Kruglanken -Marggrabowa in die Vorlage aufgenommen ist, bedauert aber sehr, daß der Kreis Oletzko keine Beihilfe zu den Grunderwerbskosten erhält. Er bittet ferner, daß Mittel für den Bau der Bahn Sensburg Nicolaiken Arys Lyck in die nächste Vor⸗ lage eingestellt würden, und spricht seine Verwunderung darüber aus, daß mit dem Bau der Linie Johannisburg —Lötzen noch nicht be⸗ gonnen sei. 1.

Abg. Puttfarken (nl.) bittet, die vergessene Gegend des Kreises Dannenberg in Hannover nicht ganz und gar aus den Augen zu ver⸗ e. und empfiehlt eine Verbindung der Stadt Dannenberg mit

eljen. Abg. Dr. Hauptmann Gentr.) äußert sich im Sinne der Aus= führungen des Abg. Pleß. Seit Jahren hoffe man auf den Bau einer Bahn Bedburg Liblar und auf die Verbindung Bonn Euskirchen; die Regierung gebe aber weder die Konzession dazu, noch gehe sie selbst mit dem Bau vor. Schließlich empfiehlt der Redner noch das System der intraurbanen Bahnen.

Abg. von Bockelberg (kons.) bittet die Regierung, sich an dem Kleinbahnunternehmen Küstrin Sonnenberg —Kriescht zu beteil igen.

Abg. Eberhard (kons.) stattet dem Minister seinen Dank für die Beruͤcksichtigung Schlesiens ab und wünscht, recht oft die gleiche Gelegenbeit in Zukunft noch zu haben. Sein Dank beziehe sich auf die bewilligte Linie Guhrau— Glogau. Nach der Ansicht seines Wahl kreises Guhrau-Steinau⸗Wohlau seien damit aber die Wünsche noch keineswegs befriedigt; es feble immer noch die Nebenbahn Maltsch— Wohlau —Trachenberg oder Pakuswitz. . ö

Abg. Kopsch (fr. Voltsp.) empfiehlt dringend die Herstellung einer Verbindung von Flinsberg mit Schreiberhau. Ferner tritt der Redner für die Berücksichtigung der Interessen von Friedrichstadt in Schleswig ⸗Holstein bei der Fuͤhrung der neu vorgeschlagenen Linie Rendsburg —Husum ein. 39 ö.

Abg. Freiherr von Wolff⸗Metternich (Zentr) begrüßt dank bar die in der Vorlage enthaltene Bahnlinie Wittlich Daun und empfiehlt den Bau einer Querbahn zwischen Mosel und Nahe.

Abg. von Bieberstein (kons. ): Mein Freund Reck hat bereits auf die Wünsche unseresz gemeinschaftlichen Wahlkreises hingewiesen. Den masurischen Kanal bekommen wir nicht; Ostpreußen geht bei der Kanalvorlage wieder leer aus. Da der Minister soeben die Not- wendigkeit von Stichbahnen für Kanäle anerkannt hat, so mache ich ihn darauf aufmerksam, daß die von mir seit 9 Jahren gewünschte Bahn Sensburg Arys Lyck eine Stichbahn für den in unserem Kreise vorhandenen Kanal ist.,. ö

Abg. Werner (Deutsche Reformp.): In der Vorlage findet sich keine Bahn für Hessen. Noch immer sind die Verbindungen Nieder— aula = Alsfeld und Niederaula —-Schlitz nicht zur Ausführung in Aussicht genommen, obwohl die mannigfachen Interessen, auch die militärischer Natur, für diese Linien in die Augen springen. Auch die Linie Hersfeld omberg ist dringend notwendig. . .

Abg. von Heyking (kons.) empfiehlt den Bau einer Linie von Sohrau bis zur Landesgrenze nach Oesterreich und einer Linie von Sohrau nach Pleß, aber in einer Linienführung, durch die der Kreis Pleß wirklich aufgeschlossen werde. Für eine Bahn jwischen Sohrau und Rybnik seien Vorarbeiten gemacht worden, aber die geplante Linien führung berücksichtige nicht den südlichen Teil des Kreises Rybnik. Um den deutschen Grundbesitz zu erhalten, sei der Aufschluß der Gegend durch eine Bahn notwendig, sonst werde ein Gut nach dem andern dem deutschen Einfluß verloren gehen. ; .

Abg. Graf zu Limburg Stirum (kon): Ich finde es durchaus richtig, daß die Einzelinteressen energisch vertreten werden; wenn auch mitunter schwer erfüllbare Forderungen an die Regierung gestellt werden und mancher unberechtigte Tadel gegen sie aus⸗ gesprochen wird, so wird doch wenigstens erreicht. daß das Mögliche geleistet wird. In der Ausgleichung der Interessen, der finanziellen

Berlin, Mittwoch, den 18. Mai

wird noch ,. geleistet werden. Wenn in jedem Jahre etwa 400 km Nebenbahnen gebaut werden, die zum Teil unrentabel sind, so kann man nicht sagen, daß sehr wenig geschehen ist. Ich habe mich nur zum Worte gemeldet, weil es mir angenehm ist, daß ich, der ich sehr oft in der Lage bin, gegen die Regierung aufzutreten und ibre Politik zu tadeln, einmal sagen kann: auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens wird das geleistet, was nur geleistet werden kann. Diejenigen, die etwas erreichen wollen, tun aber gut daran, scharfe Forderungen zu stellen. So kann zwischen den verschiedenen Differenzen des Verkehrs, und des öffentlichen Interesses eine Mittelstraße ge— funden werden.

Abg. Dr. Irmer (kons.) richtet die Aufmerksamkeit der Re⸗ gierung auf die Eisenbahnverhältnisse in Kalkberge⸗Rüdersdorf; die Bevölkerung wünsche die Verlängerung der Bahn J dorf bis zur früheren Niederschlesisch⸗Märkischen Bahn zur Verbindung mit Rüdersdorf und Erkner.

Abg. Prietze (ul.) bittet, recht bald die bewilligte linke Saar⸗ uferbahn zu bauen.

Abg. Tourneau (Sentr.) wünscht die Herstellung der Linien Mühlhausen eiligenstadt und Mühlhausen Treffurt; die erstere müsse als Notstandsbahn vom Staat allein gebaut werden.

Abg. Pallaske (kons.) wünscht den Bau der Linie Bojanowo Punitz, die nur 7 km lang sei, zwei wichtige Eisenbahnlinien mit einander verbinde und wichtige Kreise wirtschaftlich erschließe.

Abg. von Baumbach (kons.) bittet den Minister, durch Ein— führung einer Haltestelle an der Linie Hersfeld Treysa bei Ober— aula zu ermöglichen, daß eine Kleinbahn in sie einmünden könne, und wünscht ferner den baldigen Bau der Linie Alsfeld Breitenbach Niederaula, einer Linie von Hersfeld nach Homburg bezw. nach Wabern und einer Bahn von Zimmersrode nach Frankenberg.

Abg. Freiherr von Buddenbrock (kons.) empfiehlt eine Ver—⸗ bindung der Linie Lissa—-Glogau von Glogischdorf aus mit der Bentschen⸗Posener Bahn. Durch den Bau dieser Bahn würde die Erwerbstätigkeit der Kreiseingesessenen vermehrt werden, was im Interesse der Ostmarkenpolitik liege.

Abg. Köl le (b. k. P.) beschwert sich darüber, daß der Bahnhof Andreasberg zu weit von der Stadt entfernt sei Es müsse ein neuer, näher gelegener Bahnhof gebaut werden, auch wenn die Stadt er⸗ klären sollte, daß sie außerstande sei, zu den Kosten beizutragen. Im übrigen sollten auch solche Gebiete durch Bahnen erschlossen werden, die jetzt wirtschaftlich noch nicht ergiebig seien. Dazu gehöre auch der Harz. In diesem Sinne könne er den Bau einer Bahn von Oker nach Altenau im Interesse der Erzhütten in diesem Ort empfehlen. Der Redner wünscht ferner die Wiedereinführung der alten Sommer— ferienkarten nach dem Harz.

Abg. Ernst (fr. Vgg.) befürwortet den Bau einer Linie Schneide— mühl = Usch - Czarnikau —Wronke Pinne nach Bentschen.

Abg. Dr. Görck (ul.) wendet sich gegen die geplante Fäührun derg in der Vorlage enthaltenen Verbindung Rendsburg —usum.

Abg. Jürgensen (ul.) meint im Gegenteil, daß diese Linie die einzig richtige sei.

Nachdem noch die Abgg. Voß (nl) und Klemm lr. kons.) einige Lokalwünsche geäußert haben, bemerkt der

Minister der öffentlichen Arbeiten von Budde:

Meine Herren! Ich glaube mich mit dem hohen Hause einig, wenn ich nicht auf die sämtlichen Wünsche, die gestern und heute hier vorgetragen sind, mit Gründen und Gegengründen eingehend ant— worte. Selbstverständlich werde ich ich kann die Wiederholung gegenüber meiner Erklärung vom vorigen Jahre nicht vermeiden alle diese Wünsche in eingehende Untersuchung und Prüfung nehmen!

Bemerken möchte ich nur allgemein noch, daß ich dem Herrn Abg. von Bockelberg darin voll zustimme, daß die beklagte langsame Durchführung der Projekte und nachher der Bauten in der Regel durch die Interessenten selbst veranlaßt wird; denn bis ein Projekt schließlich die Gestalt eines Gesetzes bekommt, spielt sich ein Interessenkampf ab, dessen ; letzten

Nachklänge wir ja in den Reden hier noch gehört haben. Es kommt mir manchmal so vor, als ob in

den Terminkalendern gewisser örtlicher Ver— bände notiert ist, daß sie alle 8 bis 14 Tage nach Berlin reisen müssen, um beim Minister vorstellig zu werden, namentlich wenn die andere Partei laut Zeitung kurz vorhet bei mir gewesen ist. Ich höre selbstverständlich sämtliche Abgesandte an; aber ich wundere mich oft, daß die Termine so kurz hintereinander liegen. (Heiterkeit.)

Ich stimme übrigens darin mit verschiedenen Herren Borrednern überein, daß die Projektbearbeitung und die Ausführung der Bauten zu langsam vor sich geht. Nun habe ich aber, da ich gerade von der Beschleunigung der Ausbauten rede, die Bitte an das hohe Haus zu richten, den vorliegenden Gesetzentwurf möglichst bald zu verabschie den, weil in ihm zwei Vorschläge enthalten sind, die unbedingt bis zum 1. Juli abgeschlossen sein müssen; das ist der Ankauf der Breslau⸗Warschauer Bahn, weil das Ueberein— kommen mit dieser Bahn nur bis zum 1. Juli d J. Gültigkeit hat, und die Uebernahme der oberschlesischen Schmalspurbahn die auch zum 1. Juli erfolgen muß, weil der Vertrag mit dem Unternehmer mit dem 30. Juni d. J. abläuft. Für mich ist also jeder Tag wertvoll. Wenn das Gesetz bis zum 1. Juli publiziert sein soll, muß selbstverständlich von allen Beteiligten schnell gearbeitet werden, und ich möchte deshalb die Bitte aussprechen, daß die Budgetkommission in die Beratungen eintrete, bevor das Haus am 14. Juni voraussichtlich wieder zusammentritt. (Zurufe: Am 7. Juni)) Dann bin ich falsch unterrichtet; ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn ich schon am 7. Juni Gelegenheit hätte, mit Ihnen wieder zusammen zu arbeiten.

Zum Schluß will ich noch folgendes bemerken. Ich habe wie im Vorjahre eine überschlägliche Statistik über Ihre Wünsche führen lassen, nach der ohne die Projekte, die nicht erwähnt sind und sich schon in Bearbeitung befinden, ungefähr 2600 bis 2800 km Bahn ge— fordert worden mit einem Kostenaufwand von rund 300 Millionen Mark. (Heiterkeit)

Damit schließt die Diskussion.

Die Vorlage wird mit dem Antrag Herold und der Denk— schrift an die Budgetkommission verwiesen.

Ueber den Vorschlag des Präsidenten, die nächste Sitzung am 7. Juni abzuhalten, entspinnt sich eine lange Geschäfts—⸗

ordnungsdebatte.

Präͤsident von Kröcher bemerkt, daß er ursprünglich den Wiederzusammentritt am 31. Mat habe vorschlagen wollen, nunmehr jedoch, um den Kommissionen, namentlich der Kanalkommission und

1904.

am 7. Juni vorschlage. Hoffentlich würden auch noch einige andere Kommissionen zwischen dem 31. Mai und dem 7. Juni tagen.

. Abg. Fischbeck (fr. Volksp.) macht darauf aufmerksam, daß der Seniorenkonvent den 14. Juni für den Wiederbeginn in Aussicht genommen habe, und bittet, daran festzuhalten. Die Sekundärbahn⸗ vorlage könne auch dann noch schnell genug zum Abschluß gebracht werden. ; Abg. Dr. von Savigny (Zentr) bemerkt, daß außer für die Kanalkommission für keine andere Kommission der Wiederjusammen⸗ tritt vor dem des Plenums angeregt sei.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons) wünscht, daß das Haus am 7. Juni die Verhandlungen wieder beginne, dann aber wieder einige Tage für die Kommisstonsberatungen frei lassen solle, sonst würden die Kommissionen nicht vor dem Plenum zu⸗ sammentreten.

Abg. Graf zu Limburg Stirum (kons): Unter normalen zerhältnissen würden wir ja am 31. Mai anfangen können. Am 7. Juni müssen wir aber beginnen, sonst ist Gefahr vorhanden, daß das Herrenhaus bis Ende Juni nicht fertig wird. Wir haben alle ein lebhaftes Interesse daran, am 1. Juli mit unseren Arbeiten fertig zu sein.

Abg. Broemel (fr. Vgg.): zusammentreten, ist keine politische Frage.

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Ob wir am 7. oder 14. Juni Wir wollen aber auch

keine Vogelstraußpolitik treiben. Ich babe keinen Grund dafür gehört, von der Vereinbarung des Seniorenkonvents abzuweichen. Soll diese Institution noch irgend welche Bedeutung haben,

so. muß man ihre einstimmig gefaßten Beschlässe auch durchführen. Eigentlich müßte der Seniorenkondent sich noch einmal mit dieser Frage befassen. Die Entscheidung darüber, wie wir nach Pfingsten unsere Geschäfte fördern, hängt wesentlich von der Stellung der Re⸗ gierung zur Erledigung der Verlagen ab. Leider wissen wir immer noch nicht, wie die Regierung sich die Erledigung der wasserwirtschaft⸗ lichen Vorlagen denkt.

Auf eine Bemerkung des Abg. Dr. von Savignv erklärt der Präsident von Kröcher, daß die Kommission in ihrer Geschäfts— führung ebenso souverän sei wie das Haus.

Abg. Dr. Arendt (freikons): Ein Wiederbeginn am 7. Juni empfiehlt sich auch schon deshalb, weil der Reichstag an demselhen Tage seine Verbandlungen wieder aufnimmt. Wie können ohnehin erst im Herbst in die zweite Beratung der wasserwirtschaftlichen Vor⸗ lagen eintreten. . K . -

Abg. Dr. Fr rg (nl) erklärt sich für den Wiederzusammen⸗ tritt am 14. Juni, da eine große Anzahl von Mitgliedern mit Rück⸗ sicht auf den Beschluß des Seniorenkonvents sich auf den 14. ein⸗ gerichtet habe. . ;

Abg.. Dr. Bachem (Sentr.) macht darauf aufmerksam, daß lediglich in Aussicht genommen sei, daß die Kanalkommission mit ihren Sitzungen beginne, ehe das Parlament zusammentrete, nicht auch die anderen Kommissionen. Diese könnten also nicht arbeiten, bevor das Plenum am 7. beginne. Werde der Landtag bis zum Herbste vertagt, so würde die Sommerpause in unerwünschter Weise verkürzt werden, wenn man erst am 14. beginne und die verlorenen sieben Tag nachholen müsse.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch; Der Senioren⸗ konventsbeschluß beruhte auf der Voraussetzung, daß sämtliche Kom⸗ missionen die Zeit bis zum 14. Juni zur Erledigung ihrer Geschäfte benutzen würden. Da dies nicht der Fall ist, handeln wir nur im Sinne des Seniorenkonvents, wenn wir am 7. wieder die Ver⸗ handlungen beginnen. . .

Abg. Broemel ffrs. Vgg.): Der Hinweis auf, eine Ver— tagung bis zum Herbst läßt es um so mehr bedauern, daß die Regierung nicht die geringsten Schritte getan hat, um eine Klärung der Lage herbeizuführen; sie läßt die Zügel am Boden schleifen, und ich muß sagen: diese politische Passivität kann auch zu einem politischen Laster werden.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Budde:

Meine Herren! Der Herr Vorredner veranlaßt mich, gegen den Vorwurf Stellung zu nehmen, weshalb ich in ihrer Geschäftsordnungs⸗ debatte bis jetzt das Wort nicht ergriffen habe. Es ist selbstverständ⸗ lich, daß die Königliche Staatsregierung auf die baldige Verabschiedung der sämtlichen Vorlagen, die Ihnen zugegangen sind, den größten Wert legt (sehr richtig! rechts, und daß sie wie ich bereits er⸗ wähnte ganz besonderen Wert darauf legen muß, daß die Neben⸗ bahnvorlage vor dem 1. Juli nicht nur verabschiedet, sondern auch publiziert wird.

Auf weitere Erklärungen mich hier einzulassen, habe ich weder Veranlassung, noch auch die Möglichkeit; denn wir haben in der sogenannten „Kanalkommission“ erst zwei Gesetze, die den Hoch— wasserschutz betreffen, in der ersten Lesung durchgearbeitet. Die Be— ratung der übrigen Gesetzentwürfe hat noch garnicht begonnen; ich weiß also nicht, wie lange sie dauern wird. Es ist ja möglich, daß am 7. oder am 10. Juni, bis zu welchem Tage vorläufig Sitzungen in Aussicht genommen sind, sämtliche wasserwirtschaftliche Gesetzentwürfe die Billigung der Kommission ge⸗ funden haben werden (Heiterkeit) Es würde mich das außerordent⸗ lich freuen. Es ist aber auch möglich, daß das nicht der Fall ist. Wie können Sie das als Passivität der Regierung oder als Schleifen lassen der Zügel bezeichnen, wenn ich zunächst abwarte, wie die Kom

missionsverhandlungen verlaufen! Ein anderes Verbalten würde ich für einen Eingriff in die Verhandlungen balten, den ich zar nicht verantworten könnte. Ich meine, der Borwurf, der gegen mich be⸗ ziehungsweise gegen die Königliche Staatsregierung gerichtet worden ist, war daher durchaus nicht am Platze. (Sehr richtig! rechts.) Abg. Dr. Bachem: Nicht nur politische Passivität, auch volitischer Uebereifer kann ein Laster sein. Mir scheint, die Linke will nur acht Tage länger Ferien haben, und ich kann nicht einseben, wie dadurch die Geschäfte gefördert werden. Zweifellos ist der Vorschlag des Präsidenten der jetzigen Lage besser angepaßt, als der

Seniorenkonventsbeschluß. Da es aber ein Mißstand ist, daß der Vorschlag des Präsidenten nicht in Uebereinstimmung steht mit einer Regelung der Geschäfte, die der Seniorenkonvent in Aussicht ge⸗ nommen hat, so möchte ich anheimgeben, den Seniorenkonvent so zu modifizieren, daß der Präsident auf den Geschäftsgang einwirken kann, daß er ihn zusammenberuft, wie es im Reichstage geschieht.

Abg. Graf zu Lim burg Stirum: Der Seniorenkonvent ist keine offizielle Körperschaft. Die Verhältnisse haben sich seit seiner letzten Besprechung geändert. Von einer Herbstsession ist nur auf Grund von Vermutungen die Rede gewesen; wir können ja darüber gar nicht selbständig entscheiden.

Abg. Fischbeck: Mit der Beratung der Kanalvorlage wird doch die Kommission bis zum 1. Juli nicht fertig; es ist daher sehr wünschenswert, daß die Regierung sagt, ob sie den Landtag ver⸗ tagen will oder nicht. Wir wollen arbeiten und den Fortgang der Arbeiten fördern, gerade deswegen sind wir für den 14. Juni. Mit

und der Verkehrsinteressen, ist das Mögliche geleistet worden und

der Budgetkommission Zeit zur Arbeit zu lassen, den Wiederbeginn

Hiersitzen und Redenhalten allein werden die Geschäfte des Hauses