1904 / 133 p. 22 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Jun 1904 18:00:01 GMT) scan diff

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Deutscher Reichstag. 92. Sitzung vom 7. Juni 1904. 2 Uhr.

Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der Nummer d. Bl. berichtet.

Es fo die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, be— treffend die Bekämpfung der Reblaus, auf Grund des Berichts der 19. Kommission.

Referent ist der Abg. Wallenborn (Zentr..

Der § 1, nach welchem alle Rebpflanzungen und Reben⸗ schulen der amtlichen Beaufsichtigung und Untersuchung zum . der Bekämpfung der Reblaus unterliegen, wird ohne

. . a

gestrigen

2 der Kommissionsbeschlüsse liegt den zu⸗ ständigen Behörden ob, durch geeigneie Maßregeln der Ver— breitung der Reblaus vorzubeugen und festgestellte Ver— seuchungen schleunig und gründlich auszurotten uͤnd zu unter— drücken, Unter den Maßregeln, die hiernach raf sind, findet sich auch die, daß der Verkehr mit Reben, Rebenteilen und Erzeugnissen des Weinstockes, gebrauchten Rebpfählen ufw. verboten oder beschränkt werden kann.

Abg. Itschert (Zentr.: Die hessische Behörde hat den Wein— bauern der preußischen Gemeinde Ostheim untersagt, in Hochheim ihre Rebpflanzungen weiter zu betreten. Die Beteiligten sind dadurch schwer betroffen; sie meinen, eine solche Anordnung hätte nicht erfolgen dürfen ohne borherige Verständigung der beiden Bundesstaaten Preußen und Hessen untereinander.

Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Ich glaube, die Frage, welche der Herr Vor— redner angeregt hat, wird ihre natürliche Erledigung finden bei den

Ausführungsbestimmungen des 5 13. Ich halte den Anspruch für durchaus nützlich, daß, wenn solche Maßregeln zwei verschiedene Bundesstaaten betreffen, die Bundesstaaten sich vorher miteinander in Verbindung setzen. Ich hoffe, daß die vom Herrn Vorredner an— geregte Frage in einer auch ihm durchaus zusagenden Weise ihre Er⸗ ledigung finden wird.

Abg. Dr. Blankenhorn (nl): In Baden liegen ähnliche Fälle vor. Ich hatte einen bezüglichen Antrag gestellt, ihn aber zurückgezogen, weil von seiten der Regierung erklärt wurde, daß die Frage bei Auf⸗ stellung der Ausführungsgrundsätze zu prüfen sein würde.

Der 52 wird in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung angenommen.

Nach § 3 der Kommissionsbeschlüsse soll unter anderem verboten sein, Reben oder Rebenteile über die Grenze eines Weinbaubezirks zu versenden, einzuführen oder auszuführen.

Abg. Schellhorn (nl.) befürwortet einen Antrag Blankenhorn, den § 3, Absatz 3, wie folgt, zu fassen:

„Es ist verboten, bewurzelte Reben oder Blindreben über die Grenzen eines Weinbaubezirks zu versenden, einzuführen oder aus— zuführen. Ausnahmen für den Verkehr mit Wurjelreben, jedoch nur zwischen benachbarten Weinbaubezirken und zu Gunsten einer Person, welche in beiden Bezirken Rebpflanzungen besitzt, können durch die höhere Verwaltungsbehörde zugelassen werden. Die Be— , . sonstiger Ausnahmen bedarf der Zustimmung des Reichs— anzlers.“

Nachdem ein . des Bundesrats die An⸗ nahme des Antrags für unbedenklich erklärt hat, wird er an⸗ genommen.

Nach 8 6 ist derjenige, dessen Rebpflanzung von Maß⸗ regeln auf Grund dieses Gesetzes betroffen wird, 66. aus der Kasse des Bundesstaats, in dessen Gebiet das etreffende Grundstück gehört, den Ersatz des Wertes der vernichteten und des Minderwertes der bei der Untersuchung beschädigten ge⸗ sunden Reben zu verlangen.

Nach einem Antrage des Abg. Dr. Müller⸗-Sagan (fr. Volksp.) soll der Betroffene auch befugt sein, sofern er ge⸗ werbsmäßig Reben verkauft, im Falle eines Verkehrsverbots oder einer Verkehrsbeschränkung Ersatz des Wertes der unver— käuflich gewordenen Reben zu verlangen. Außerdem will er folgenden Zusatz machen:

»Im Falle eines Verkehrsberbots oder einer Verkehrs—

beschränkung ist nur derjenige Schaden zu ersetzen, welchen der von der Maßregel Betroffene in seinem regelmäßigen Gewerbebetriebe

erleidet. Abg. Gröber (Zentr) will die Entschädigungspflicht auf die

durch ein Veräußerungsverbot entwerteten Rebpflanzungen ausgedehnt wissen. Der Antrag Müller wolle auch jucrum cessans ersetzen, und das gehe zu weit.

Staatssekretär des Innern, von Posadowsky⸗-Wehner:

Meine Herren! Ich kann dem hohen Hause nicht verschweigen, daß durch die Beschlüsse zu 5 6 das Zustandekommen des Gesetzes wesentlich erschwert wird. Besonders die Königlich preußische Re⸗ gierung hat bisher gegen diese Aenderung einen durchaus ablehnenden Standpunkt eingenommen. Sie alle wissen, wie unendlich wichtig es ist, daß wir schärfere Waffen in die Hand bekommen zur Bekämpfung der Reblaus. Wenn aber noch weitergehende Anträge auf Entschädigung gestellt werden sollten, so muß ich das Gesetz für ernstlich gefährdet halten. Meine Herren, ich bemerke, daß nach dem Gesetz beispielsweise Weinbergsgutsbesitzer auch in dem Anbau und im Verkauf von Reben beschränkt werden; eine Entschädigung wird ihnen aber nicht gewährt; daß ferner Winzer, die in verseuchten Gegenden gearbeitet haben und dann in anderen Gegenden arbeiten wollen, hieran aber gehindert werden, ebenfalls eine Entschädigung nicht bekommen, ebensowenig die gewöhnlichen Handelsgärtner für Be⸗ schränkung des Pflanzenhandels. Es würde also meines Erachtens nicht zu vertreten sein, nur den Rebschulbesitzern eine derartige Ent⸗ schädigung zu gewähren.

Eine derartige Entschädigung würde aber auch den allgemeinen Grundsaͤtzen über Entschädigungspflicht nicht entsprechen. Ich erinnere nur an die schweren Verkehrsbeschränkungen, die den Viehbesitzern durch das Reichsviehseuchengesetz aufgelegt werden, die Verkehrsbeschränkungen, die den einzelnen Familien und Gewerbe— treibenden durch das Gesetz, betreffend die Bekämpfung gemeingefähr⸗ licher Krankheiten, auferlegt sind in allen diesen Fällen wird ebenfalls eine Entschädigung nicht gewährt. Alle die Herren, die selbst Landwirte sind, werden wissen, welche schweren Schädigungen verbunden sind mit den langwierigen Sperren von Gehöften im Fall von Viehseuchen. Ich glaube also, wenn man da von einer Ent— schädigung abgesehen hat, wird man sie hier den Rebschulbesitzern nicht gewähren können.

Ich kann nur dringend bitten, meine Herren, diese Bestimmung, die auch zu sehr bedenklichen Folgen auf anderen Gebieten führen

Staatsminister Dr. Graf

ihren Forstschaden entschädigen sollte, oder daß man die Be— kämpfung des Kiefernspinners von Amts wegen vornehmen solle. Wenn ein solcher Forst, auf dessen Einschlag vielleicht 3 bis 4 Ge— schlechter gewartet haben, durch den Kiefernspinner vernichtet wird, hat das Holz selbst nur geringen Brennwert, als Bauholz ist es kaum zu benutzen. Also, wenn man gegenüber den anderen Landwirtschafts⸗ klassen den Weinbergsbesitzern eine Entschädigung zugebilligt hat, ist das entschieden eine Bevorzugung, und diese Bevorzugung liegt viel⸗ leicht darin, daß man immerhin an den Weinbergen mehr Interesse hat als an den Kiefern. Ich kann deshalb nur dringend bitten, in den Forderungen nicht weiterzugehen; ich glaube, die verbündeten Regierungen würden vor weitergehenden Forderungen Halt machen und sich überlegen, ob sie nicht dann die bestehenden Zustände einfach fortbestehen lassen.

Abg. Dr. Müller-Sagan: Ich hätte nach den Worten des Abg. Gröber guf daz Work verzichten können, wenn nicht der Staats sekretär das schwerste Geschütz der Ablehnung aufgefahren hätte. Ich glaube aber, daß wir uns“ nach unseren früheren Erfahrungen nicht abhalten lassen sollten, an unferem Antrag festzuhalten. Mein Antrag geht nicht so welt wie der Antrag Gröber. Mein Äntrag will nur den Ketroffenen zu Hilfe kommen, die gewerbsmäßig Reben verkaufen.

bin einigermaßen erstaunt, daß die Rechte und diejenigen n,. die dem Bunde der Landwirte angehören, nicht einen gleichen ntrag gestellt haben. Etz handelt sich hier um eine Forderung der Gerechtig⸗ keit für diejenigen Gärtner, deren Rebenbestand entwertet ist. Ich bitte Sie, zunächst den Antrag Gröber anzunehmen, und falls Ihnen dieser zu weit geht, den meinigen.

Staatssekretär des Innern, von Posadowsky⸗Wehner:

Zunächst möchte ich doch bemerken, daß die Sache in der Tat nicht so gefährlich ist. Im allgemeinen wird ja, um den Handel mit Wurzelreben zu beschränken, der 3 des Gesetzes genügen. Inner halb dieses wird man den Rebschulhändlern volle Freiheit lassen können, namentlich, wenn die Vorschrift des 5 5. die Sicherheit der Kontrolle gewährleistet.

Der Herr Vorredner hat es so dargestellt, als ob, wenn die Regierung sich jetzt gegen die Annahme des Antrags ablehnend ver— hielte, bis zur dritten Lesung schon geeignete Schritte würden unter— nommen werden können, um sie umzustimmen. Für diese Be⸗ stimmung des Antrags Gröber gebe ich mich dieser Hoffnung, ehrlich gesagt, nicht hin. Ich finassiere niemals mit dem Reichstag, sondern sage immer offen und ehrlich, wie die Dinge stehen, und ich kann versichern: ich glaube nicht, daß, wenn dieser Antrag angenommen wird, ich den Widerstand der verbündeten Re— gierungen in der Lage bin zu überwinden. Dle Frage ist sehr ernst. Denken Sie sich z. B. einmal, wenn auf dem Lande ein Gehöft gesperrt wird wegen einer Schweineseuche, und ein Landwirt hat vielleicht 0 Stück fette Schweine stehen, die ihr Höchstgewicht schon erreicht haben, die nicht weiter mästungsfähig sind, und dieser Land⸗ wirt darf wegen der Sperre auch nicht ein einziges Schwein ver⸗ kaufen, so ist das ein sehr erheblicher Verlust für den Mann; aber er bekommt trotzdem keine Entschädiguug nach dem Viehseuchengesetz. Denken Sie ferner einmal, was für Beschränkungen bei der Be— kämpfung gemeingefährlicher Krankheiten auf Grund Gesetzes auf⸗ erlegt werden können, wie schwer diese Beschränkungen unter Um— ständen in das Erwerbsleben eingreifen. Aber keine Entschädigung wird gewährt! Und um noch einmal auf das Viehseuchengesetz zurückzukommen, so ist dort bei Maul. und Klauenseuche vorgesehen, daß auch der Verkauf der Milch verboten werden kann. Nun stellen Sie sich einen solchen gesperrten Viehbestand von 100 Stück und mehr vor bei einem Besitzer, der seine Milch sonst nach der Stadt berkauft! Welcher Verlust ist damit verbunden, und das Gesetz kennt dafür doch keine Entschädigungspflicht! Wenn man hier den Weg der Entschädigung gehen wollte, so würde man für die Entschädigungspflicht eigentlich einen ganz neuen Grundsatz aufstellen; und ich will mich hier nicht näher äußern Entschädigungsfragen können noch auf ganz anderen Gebieten erhoben werden, als auf dem, mit dem wir uns hier beschäftigen. Ich kann aus diesen weitergehenden Gründen nur dringend bitten, den Antrag abzulehnen. . Abg. Schulze (Soz.) erklärt sich gegen den § 6 in der Fassung

, und für Wiederherstellung der Regierungs— vorlage.

Abg. Vogt-Hall (wirtsch. Vgg): Müller- Sagan, obwohl wir bekennen, daß den Rebenbesitzern durch bessere Handeleperträge mehr geholfen würde. Der ganze Entwurf ist etwas mager ausgefallen, namentlich in bezug auf die Aufbringung der Kosten. Es heirscht hier eine gewisse Drückebergerei; das Reich schreibt zwar Gesetze vor, will aber nichts von den Kosten Übernehmen. Ich hätte es lieber gesehen, wenn wenigstens ein Teil der Kosten von der Reichskasse übernommen worden wäre.

Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Eine ganz kurze Bemerkung! Wenn ich jetzt so oft im Reichstag höre, daß das Reich den Einzelstaaten Lasten auf⸗ erlege, die es selber übernehmen sollte, so fällt mir immer ein bekanntes Wort aus der Kapuzinerpredigt in Wallensteins Lager ein, namentlich bei der jetzigen Finanzlage des Reich. Der Herr Abgeordnete stellte es so dar, als ob, wenn das Reich die Ent⸗ schädigungen übernähme, die Einzelstaaten nicht betroffen würden. Ach nein, Herr Abgeordneter, es wird ihnen dabei nichts geschenkt. Die Ausgabe geht nur durch ein zweites Sieb; schließlich bekommen Sie sie doch in Form von erhöhten Matrikularbeiträgen der Einzel⸗ staaten. Wer jemals in seinem Leben Entschädigungsforderungen geregelt hat, der weiß aus Erfahrung, daß, je weiter der Geldbeutel entfernt ist, aus dem die Entschädigung gezahlt wird, desto größer die Ansprüche auf Entschädigung werden. Der Eigennutz verblendet eben sehr häufig die Menschen über den gerechten Umfang ihrer Ansprüche, und wenn das Reich erst diese Entschädigung tragen sollte, so würden schließlich Ansprüche erhoben werden, über die Sie selbst erschrecken würden. .

Das ganze Gesetz zur Bekämpfung der Reblaus mit seiner Ent— schädigungsverpflichtung ist doch schon ein Privilegium zu Gunsten der Weinbergsbesitzer, mit denen ich die größten Sympathien habe. Erinnern Sie sich z. B. in der Landwirtschaft an die sehr gefährliche Plage des Kiefernspinners, durch den manchmal Tausende von Hektaren Forsten vernichtet wurden. Es ist noch niemals jemandem eingefallen, einen Gesetzentwurf einzubringen, wonach man die Waldbesitzer für

Staatsminister Dr. Graf

Wir sind für den Antrag

err

wordenen gesunden Reben gewährt werden soll.

Abg. Sartorius (fr. Volksp.) tritt den Ausführun Dr. Müller ⸗Sagan entgegen. Die Schließung einer Re

Das Gesetz habe ja gewisse Härten im Gefolge, es fei' aber den einzelnen Bundegregierungen borbehalten, eine Milderung herbei. zuführen, insbesondere für die Rebschulbesitzer. Man müffe an den Grundsätzen festhalten, daß diejenigen, Sache haͤtten, auch die Kosten zu tragen hätten. Meinung des sozialdemokratischen Redners, daß der F 6 nach dem wichtige Gesetz jedenfalls nicht an diesem Punkte

. in analogen Fällen erlangten, ebensowenig könnten dies die Weinbaubesitzer verlangen. einem Menschenalter der deutsche Weinbau bernichtet.

Abg. Rettich (8. kons.): Interesse des Zustandekommens des Gesetzes gegen die Anträge Gröber und Müller⸗Sagan stimmen. Der 56 in der Fassung der Kom— mission stellt ein Kompromiß dar, an dem wir festhalten wollten. Der Staatssekretär hat mit seinem Hinweise auf das Viehseuchengesetz durchaus recht. Durch militärische Requisitionen werden Gespanne ebenfalls der Landwirtschaft entzogen, und doch wird keine volle Ent— schädigung gewährt.

Abg. Dr. Blankenhorn wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Schulze und weist darauf hin, daß der 6 in der Kom- missionsfassung den jetzigen Zustand aufrecht erhalte und die Winzer sehr scharf heranziehe. Die Anträge entsprächen dem Wunsch des Handelsgärtnerverbandes Deutschlands. Sache doch zu schlimm vor, wenn es auch Fälle geben könne, wo eine Entschädigung gewährt werden könnte. Die Erklärungen des Staats. e , müßten ernst genommen und darum beide Anträge abgelehnt werden.

Abg. Vogt⸗Hall, verteidigt sich gegen den ihm in der Debatte gemachten Vorwurt, die Vorgeschichte des Entwurfs nicht studiert zu haben. Auch die Weinbergsbesitzer machten sich keine Hoffnung auf volle Entschaͤdigung; empfindlichen Schaden erlitten sie schon dadurch, daß sie für die wertvollen, in den Rebpflanzungen vorhandenen Obstbäume nicht entschädigt würden. Uebrigens müsse er wiederholen, daß gerade die württembergischen Weinbauern durch die Handelspolitik des Reichs⸗ kanzlers Grafen von Caprivi schwer geschädigt worden seien. Hoffent⸗ lich werde der Staatssekretär ihnen beim Abschluß der neuen Handels verträge dieselbe Fürsorge zuteil werden lassen, wie er sie ihm Redner) nachgerühmt habe. Redner erklärt, er wolle nicht etwa gegen irgend eine Landesregierung ein Mißtrauen äußern, aber es sei ihm doch manchmal so vorgekommen, als ob man bei den Untersuchungen ein Auge zugedrückt habe, um die Reblaus nicht zu finden.

Abg. Dr. Müller-⸗Sagan: Ich habe nicht gehört, daß der Staatssekrelär die eingebrachten Anträge als unannehmbar bezeichnet hat, wenn er auch starke Bedenken geltend machte. Es handelt sich hier um die Vernichtung auch solcher Rebpflanzungen, die noch nie bon einer Verseuchung betroffen oder auch nur seuchenverdächtig waren. Wir müssen diese Abänderungen annehmen, um zu verhindern, daß die Behörden in ihren Maßnahmen über das berechtigte Interesse des Weinbaues hinausgreifen. Es ist das ein gefundes Mißtrauen gegen die Behörden, die erst beweisen müssen, daß sie es nicht verdienen. Die Gärtner haben schwer in ihrem Gewerbe zu kämpfen, auch ihnen muß man Gerechtigkeit widerfahren lassen. Abg. Gröber; Der Hinweis auf das über den § 6 zustande ge⸗ kommene Kompromiß kann die Berechtigung meines Antrags nicht entkräften. Für das Kulturverbot ist eine Entschädigung überhaupt nicht vorgesehen. Es ist nur gerecht, dem Winzer für den entstehenden Schaden Entschädigung zu gewähren. Sehr merkwürdig ist die Stellungnahme der Sozialdemokraten. Der Redner dieser Partei kommt mit einer Erklärung, die den Weinbauern neue Lasten auf⸗ erlegt. Das ist die Sorge der Sozialdemokraten für die Interessen der kleinen Winzer.

Abg. Sartorius erklärt, er halte dafür, daß der Antrag Gröber keine große finanzielle Tragweite habe, da ein Veräußerungsverbot nur in den seltensten Fällen eintrete.

An der weiteren Debatte beteiligen sich noch die Abgg. Dr. Blankenhorn und Schulze. Letzterer entgegnet dem Abg. Gröber, daß die Reichstagsmitglieder nicht die Interessfen der deutschen Wein“ bauern, sondern des deutschen Weinbaues zu vertreten berufen seien; unter den sogegannten kleinen Winzern befänden sich auch sehr zahl⸗ reiche große Weinbergbesitzer. Staatssekretär des Innern, von Posadowsky⸗Wehner: Meine Herren! Ich kann nicht anerkennen, daß das Beispiel, das ich aus der Forstwirtschaft angeführt habe, nicht zutrifft; im Gegenteil, daß hier gegenüber der Reblaus ein staatliches Ent⸗ eignungsrecht eingeführt ist, daß die Einzelstaaten die Kosten für den Kampf gegen die Reblaus übernehmen, darin liegt schon ein Privi⸗ legium der Weinbergsbesitzer, während die Waldbesitzer namentlich im Osten ihrerseits den Kampf gegen den Kiefernspinner, der bisweilen ungeheure Verwüstungen anrichtet, großen Vermögensschaden verursacht, selbständig auf eigene Kosten führen müssen. Dem Herrn Abg. Gröber möchte ich raten, einmal durch einen seiner Freunde im preußischen Abgeordnetenhause ein Gesetz einbringen zu lassen, welches die Waldbesitzer in diesem Falle gleichstellt den Weinbergebesitzern. (Zuruf in der Mitte. Heiterkeit Er kann sich darauf verlassen, daß sich im Abgeordnetenhause eine ansehnliche Majorität für einen solchen Antrag finden würde.

Es ist hier gesprochen worden von einem Kompromiß bezüglich der 5 und 6. Ja, die Regierungen haben dieses Kompromiß nicht geschlossen; sie stehen außerhalb dieses Kompromisses, sie sind outsiders. Daß die Regierungen gegen diese Gestaltung des Gesetzes schwere Bedenken haben, können Sie ihnen auch nicht verdenken. Im Reichẽ⸗ viehseuchengesetz sind die allgemeinen Grundsätze für die Entschädigung festgelegt, aber den Einzelstaaten ist überlassen, wie die Kosten aufzubringen sind; in dem Gesetz zur Bekämpfung gemein⸗ gefährlicher Krankheiten heißt es nur, daß dle Kosten zur Be⸗ kämpfung dieser Krankheiten aus öffentlichen Mitteln aufzubringen sind. Also man hat es den Einzelstaaten auch hier überlassen, wie die Mittel zu beschaffen sind. Hier, meine Herren, möchte ich sagen, ist es der erste Fall, wo das Reich in die Finanzgebarung der Einzel⸗ staaten eingreift. Wenngleich dieser Paragraph schließlich nur festlegt, was bisher Rechtens in den Einzelstaaten gewesen ist, empfinden die Einzelstaaten es doch als einen Eingriff in ihr Gesetzgebungsrecht auf diesem Gebiete, als einen Eingriff in ihre Finanzgebarung, und des⸗ wegen habe ich auf die Gefahren dieses Paragraphen hinweisen müssen. Es ist auch eingewendet worden, ja, das wäre doch ganz etwas anderes mit der Reblaus, wo manchmal auf 60 Meilen der Verkehr gesperrt werde, während es sich bei Viehseuchen nur um Sperrung eines einzelnen Gehöftes oder Dorfes handle. O nein, beide Fälle decken sich ziemlich. Wenn die großen Viehmärkte z. B. in der Eifel gesperrt werden, haben die Viehhändler, kann ich Ihnen sagen, ganz denselben Schaden von der Sperrung des Viehmarktes und manch⸗ mal dauert die Sperre lange Zeit wie der Rebschulbesitzer, der unter Umständen seine Reben nicht verkaufen kann.

Staatsminister Dr. Graf

geändert, daß die Entschädigung für die unverkäuflich ge⸗

en des Abg. . schule sei in dielen Fällen wegen Uebertretung des Gesetzes notwendig gewesen.

die den Nutzen von einer ö Er sei durchaus der .

Wortlaut der Vorlage anzunehmen sei. Er möchte das ungemein . scheitern lassen. Ebensowenig wie andere landwirtschaftliche Berufskreife eine volle ö Geschehe jetzt nichts, dann sei binnen .

Meine politischen Freunde werden im .

Dieser Verband stelle sich die .

5 133.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, ich möchte schließlich noch auf eine wirtschaft⸗ liche Frage kommen, auf die Frage, ob wir uns darauf einrichten müssen, ähnlich wie in Frankreich: „mit der Reblaus zu leben (Heiterkeit) Ja, meine Herren, das ist der allgemein technische Ausdruck. Wenn in dieser Weise wie bisher die Reblaus sich weiter verbreitet, so kann ich mir allerdings wohl denken, daß die Kosten der Bekämpfung so ungeheure werden, daß man ähnlich, wie man es in Frankreich getan hat, sich mit der Reblaus vertragen muß; diese Epentualität hat aber immer— hin ihre großen Bedenken. Es ist noch nicht der Gegen— beweis geführt, daß amerikanische Reben, die als Grund⸗ lage für die Verjüngung dienen, nicht einen sehr ungünstigen Einfluß auf dle Qualität der Weine haben. (Sehr richtig) Sehr sach— verständige Personen behaupten mit der größten Entschtedenheit, daß auch die französischen Weine dadurch außerordentlich gelitten hätten. Eine neuere Bereisung soll angeblich andere Auffassungen gezeitigt haben; ich habe aber jenen Reisebericht noch nicht studiert. Aber ich wiederhole, es kann möglich sein, daß wir in die Zwangslage kommen, den Kampf gegen die Reblaus in der bisherigen Weise aufgeben zu müssen. Die verbündeten Regierungen haben sich deshalb auch schon darüber geeinigt, die Verwendung amerikanischer Reben eingehend zu studieren und unter strengster Staatskontrolle zunächst praktische Ver. suche zu machen, die man demnächst zu Gunsten der Winzer im großen

anwenden könnte.

Abg. Gröber: Der Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion hat . und klar erklärt, es sei nicht die Aufgabe der soztaldemo⸗ kratischen Fraktion, die Interessen der kleinen Bauern zu vertreten, und sie wolle einen Teil der Kosten auch auf die kleinen Bauern abwälzen. Das genügt vollkommen. Dem Herin Staats sekretär möchte ich erwidern, man kann mir doch nicht zumuten, daß ich an einem Kampf gegen die Nonnen teilnehmen soll.

Abg. Dreesbach (Soz); Mein Kollege Schulze hat gesagt, das Gesetz gegen die Reblaus sei nicht allein im Interesse der kleinen Grundbesitzer, der kleinen Leute geschaffen, sondern es sei ein Gesetz, um den deutschen Weinbau gegen die Plage der Reblaus zu schützen. Im Rahmen dieses Gesetzes haben wir durchaus nicht nur Ver⸗ anlassung, die kleinen Bauern zu schützen, sondern den deutschen

ĩ bau. ; . Gröber: Herr Dreesbach irrt sich, wenn er seinen Kollegen

Schulje aus seiner Verlegenheit ziehen will. Er möge sich das un—Q— e , Stenogramm vorlegen lassen; er hat gesagt; ‚wir Sozial⸗ demokraten haben nicht die Interessen der kleinen. Bauern zu ver⸗ treten. Des Verbrechens, einen Eingriff in die Finanzgebarung der Einzelstaaten gemacht zu haben, haben sich die verbündeten Regierungen schon schuldig gemacht im 8 5 des geltenden Gesetzes. Wir befinden uns alfo in guter Gesellschaft, wenn wir in diesem § 6 denselben

Weg beschreiten. Nach Ablehnung des , ,, wird der 8 6 in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung unver—

ändert angenommen. K Der 5 13 gibt, dem Bundesrat die Ermächtigung, Grund⸗

sätze für die Ausführung der 1 bis 3 und den 85 fest—

ustellen. . ;

uf Abg. Dr. Blankenhorn bittet dabei die Interessen der Baum⸗

ücksichtigen. bu r , e e f e ierungelommisar Freiherr von Stein sichert zu, daß die Ausführungsbestimmungen so gefaßt werden sollen, daß sie, unter Wahrung der Tendenz des Gesetzes, die Baumschulen⸗ besitzer möglichst wenig behelligen.

Der Paragraph wird angenommen, ebenso der Rest des Gesetzes ohne Debatte.

Es folgt die zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Aenderung des Münzgesetzes, der von der IX. Kommission vorberaten ist. Referent ist der Abg. Erzberger (Zentr.). Die Vorlage, die ein anderes Mischungsverhältnis für die Fünfzigpfennigstücke, nämlich 750 Teile Silber und 250 Teile Kupfer anstatt 900 bezw. 100 vorschlägt und außerdem dem Bundesrat die Befugnis erteilt, die zur Aufrechterhaltung eines geregelten Geldumlaufs er— forderlichen polizeilichen Vorschriften zu erlassen, ist von der Kommission dadurch erweitert worden, daß diese auch die Ausprägung von Dreimarkstücken mit großer Mehrheit ein⸗ gefügt hat.

Staatssekretär des Reichsschatzamts Freiherr von Stengel:

Meine Herren! Ich möchte zunächst dankend anerkennen, daß die Kommission, die zur Vorberatung dieses Gegenstandes niedergesetzt war, sich mit dem in der Vorlage vorgeschlagenen neuen Mischungs— verhältnis für die Fünfzigpfennigstücke einverstanden erklärt hat.

Weniger erbaut, meine Herren, war ich jedoch von dem Be— schlusse, der von der Kommission hinsichtlich des Dreimarkstücks gefaßt worden ist. Wenn auch der Bundesrat seinerseits zu diesem Beschlusse noch nicht definitive Stellung genommen hat, sondern abwarten wird, bis der Reichstag in zweiter Lesung Beschluß gefaßt hat, so habe ich doch den Eindruck gewonnen, daß man im Schoße der verbündeten Regierungen diesem Beschlusse der Kommission mit großen Bedenken gegenübersteht, und die Bedenken gegen diesen Kommissionsbeschluß sind noch wesentlich gewachsen und haben an Schärfe und Stärke zu⸗ genommen, seitdem der Kommissionsbeschluß in die Oeffentlichkeit ge⸗ langt ist.

Es darf uns das auch durchaus nicht wundernehmen, wenn er⸗ wogen wird, in welcher Welse in einem Teile der Presse Propaganda zu machen versucht worden ist für jenen Kommissionsbeschluß. Es liegt mir hier vor die ‚„Kreuzzeitung' vom 27. Mal d. J., in welcher ein Artikel enthalten ist mit der Ueberschrift „Ganze Arbeit“, ein Artikel, der, wie sich aus der Ueberschrift ergibt, von einem Parlamentarier herrührt, aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Parlamentarier, der auch mitgearbeitet hat an den Beschlüssen jener Kommission. In dlesem Artikel der „Kreuzzeitung“ wird auseinandergesetzt, daß jener Beschluß der Kommission sich einstweilen nur dar⸗ stelle als der erste Schritt zu ganz anderen, weit ausschauenden Plänen auf dem Gebiete unseres Münzgesetzes. (Hört, hört! links.) Es wird in jenem Artikel auseinandergesetzt, daß die Hälfte all der

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Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 8. Juni

Münzen, die sich in das Vezimalsystem einfügen, aus unserem Münz— system ausgeschieden werden soll und daß sie ersetzt werden soll durch andere Münzen, die nicht in das Dezimalsystem passen. Nicht nur dem Zwei und Fünfmarkstücke soll danach der Laufpaß gegeben werden, nein, es soll auch das Zwanzigmarkstück ersetzt werden durch das Dreißigmarkstück, es soll ersetzt werden das Fünfzigpfennigstück dutch das Dreißigpfennigstück, das Zweipfennigstück durch das Drei pfennigstück.

Und eine solche weittragende Aktion auf dem Gebiete des Münz⸗ wesens soll nun entriert werden ohne jede gründliche Vorbereitung, sie soll entriert werden ohne nähere Prüfung der Bedütfnisfrage, sie soll entriert werden, ohne daß die öffentlichen Organe, die doch berufen sind, in einem solchen Falle mit ihrem Gutachten gehört zu werden, einvernommen werden.

Meine Herren, man wird, wenn man jenen Artikel der ‚Kreuz— zeitung“ liest, unwillkürlich erinnert an eine bemerkenswerte Aeußerung Bambergers bei Beratung des Goldmünzgesetzes vom Jahre 1871. Der genannte Abgeordnete hat damals bemerkt, und zwar anknüpfend an den Vorschlag, eine Goldmünze zu dreißig Mark auszuprägen, man werde schließlich bei der Einführung der Silbermünzen noch vorschlagen, ein Dreimarkstück zu prägen, und damit wäre dann die Münzreform zwar zu der Tür hereingelassen, aber gleichzeitig auf der anderen Seite beim Fenster wieder hinausgeworfen. Das war die Auffassung Bam⸗ bergers.

; Ich habe nun in der Kommission des Reichstags die Gelegenheit wahrgenommen, eindringlich zu warnen vor dem Beschluß, den die Kommission dann hinterher gefaßt hat. Ich möchte auch hier im Plenum nochmals meine warnende Stimme gegenüber diesem Kom— missionsantra ge erheben.

Zur Begründung ist bei der Kommissionsberatung u. a. hervor⸗ gehoben worden, daß sich der Taler großer Beliebtheit bei der Be⸗ völkerung erfreue. (Sehr richtig! rechts.) Es ist zuzugeben, daß sich unter der Herrschaft einer früheren Münzgesetzgebung der Taler in weiten Schichten der Bevölkerung durchaus eingelebt hat; aber die geltende Münzgesetzgebung hat grundsätzlich mit dem Taler ebenso wie auch mit dem Gulden der rheinischen Währung gebrochen; sie hat den Taler auf den Aussterbeetat gesetzt, und die Erfahrung lehrt, daß die Reichssilbermünzen sich von Jahr zu Jahr gegenüber dem Taler größerer Beliebtheit erfreuen. Während fort und fort der Begehr nach Reichssilbermünzen wächst, fließen die Taler ungeachtet der ver—⸗ schiedenartig angewandten Mittel, welche dazu dienen sollen, sie in größerem Umfang wieder in den Verkehr zu bringen, in verstärktem Maße an die Reichsbank zurück. (Hört, hört! links.)

Herr Abg. Dr. Arendt hat bei der ersten Beratung hier in diesem hohen Hause geltend gemacht, es handle sich für ihn nicht um eine Prinzipien⸗, sondern lediglich um eine Zweckmäßigkeitsfrage. (Sehr richtig! rechts) Ganz einverstanden; auch ich stehe auf dem gleichen Standpunkte. Speziell gilt das für mich von dem Gebiete des Münzwesens. Für mich gilt auf diesem Gebiete vor allem als maß⸗ gebend das praktische Bedürfnis des täglichen Verkehrs, und ich erkenne ohne weiteres an, daß gegenüber diesem praktischen Bedürfnis theoretische und doktrinäre Bedenken zurücktreten müssen. (Sehr gut!) Wir prägen unsere Münzen nicht für die Mathematiker, sondern wir prägen unsere Münzen für das deutsche Volk. (Sehr wahr) Aber die Frage ist eben die, ob für die Einführung des Dreimarkstücks in der Tat ein solches praktisches Bedürfnis besteht, wie es von dem Herrn Abg. Dr. Arendt behauptet worden ist; und wenn zum Be⸗ weise eines solchen praktischen Bedürfnisses hinzuweisen versucht worden ist auf zahlreiche Schreiben, die an Mitglieder dieses hohen Hauses gerichtet worden seien aus weiten Kreisen der Bevölkerung, so setze ich dem die Behauptung entgegen, daß bisher weder an den Bundesrat, noch an den Reichstag, noch an den Reichkanzler, noch an irgend eine der verbündeten Re— gierungen ein Antrag gelangt ist auf Einführung des Drei— markstücks. Nicht einmal bei der Beratung der Münznovelle von 1900, wo es sich ja bekanntlich um die Erhöhung der Kopfquoten von Silbergeld handelt“, wo also vor allem Gelegenheit gewesen wäre, hinzuwirken auf die Einführung eines Dreimarkstücks, war von der Einführung eines solchen auch nur mit einem Wort die Rede!

Der Beschluß, der von der Kommission des Reichstags bezüglich dieser Münzsorte gefaßt worden ist, trifft daher die verbündeten Re⸗ gierungen durchaus unvorbereitet, und ich sollte denken, daß, bevor eine solche wichtige grundsätzliche Aenderung an unserem Münz⸗ wesen vorgenommen wird, doch zunächst den berufenen Sachverständigen⸗ organen des Reichs und der Bundesstaaten, insbesondere auch den sachverständigen Gremien, welche die Interessen des Handels⸗ standes, die Interessen des Gewerbestandes, die Interessen der Landwirtschaft zu vertreten haben, wenigstens eine Gelegenheit ge⸗ boten werden sollte, auch ihrerseits zum Worte zu kommen, und daß der Reichstag sich nicht begnügen sollte mit unkontrollierbaren Schreiben, die ihm aus den Kreisen der Bevölkerung zugehen. (Sehr richtig! links) So viel Recht, gehört zu werden, wie jene Brief⸗ schreiber, haben ohne Zweifel auch die offiziellen Sachverständigen—⸗ gremien. (Sehr gut! links.)

Deshalb glaube ich, daß auch die Freunde des Dreimarkstücks wenigstens das eine ihrerseits anerkennen sollten, daß für heute die Frage der Einführung eines Dreimarkstücks mindestens noch nicht spruchreif ist (sehr richtig! links), daß wir hier einem non liquet gegenüberstehen, und aus diesem Grunde wurde von seiten der Regie⸗ rungsvertreter auch in der Kommission wiederholt darauf hingewiesen, daß es sich eventuell doch nur empfehlen möchte, den Gedanken, der geäußert worden ist, bezüglich der Einführung des Dreimarkstücks, in die Form einer Resolution zu kleiden. Wir haben damals in der Kommission in Aussicht gestellt, daß, wenn die Mehrheit des Reichs⸗ tags es verlangen würde, wir unserseits gern bereit wären, eine ein⸗ gehende Enquete zu veranstalten, alle in Betracht kommenden sach⸗ kundigen Kreise einzuvernehmen und über die Ergebnisse dieser

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1904.

schrift an die gesetzgebenden Faktoren gelangen zu lassen. In dieser Denkschrift würde dann auch zugleich die heute noch völlig ungeklärte und doch für den Verkehr ungemein wichtige Frage haben klar⸗ gestellt werden können, ob, wenn man sich entschließen sollte, Drei⸗ markstücke zu prägen und in Verkehr zu bringen, neben dieser Münz sorte auch ferner das Zweimarkstück, das sich doch in der Bevölkerung sehr eingebürgert hat, noch würde beibehalten werden können. Ich für meinen Teil neige der Ansicht zu, daß in dem Augenblick, in dem wir das Dreimarkstück, das hier verlangt wird, in den Verkehr bringen, wir auch Vorsorge treffen müßten, das Zweimarkstück dem Verkehr zu entziehen, weil sonst fortgesetzt Verwechselungen dieser beiden Münzsorten unausbleiblich wären. (Widerspruch rechts) Die Kom⸗ mission hat jedoch eine Resolution nicht für ausreichend erachtet und hat eine sofortige Aenderung des Münzgesetzes in gedachter Richtung beim Reichstag zu beantragen beschlossen. Der Bundesrat kann ja, wie ich ja schon Eingangs bemerkt habe, formell zu den Be⸗ schlüssen der Kommission wohl erst Stellung nehmen, wenn ein Be⸗— schluß des Reichstags in zweiter Lesung vorliegt. Aber ich kann Ihnen schon heute erklären, daß nach der im Schoße der verbündeten Regierungen herrschenden Auffassung an eine Annahme der Vorlage in jetziger Fassung kaum zu denken ist. (Sehr gut! links.) Man würde in dem Fall, daß der Reichstag den Beschlüssen der Kommission in dieser Richtung seine Zustimmung erteilen sollte, auf die geplante Verbesserung des Fünfzigpfennigstücks lieber Verzicht leisten und sich bei der unaufschiebbar gewordenen Neuprägung der Fünfzigpfennigstücke eben bis auf weiteres mit der bisherigen, der alten Legierung be⸗ gnügen, wenn wir auch unsererseits anerkennen müssen, daß wir dann aus dem bisherigen Uebelstande nicht herauskommen. Ich würde diesen Ausgang der Sache im Interesse unseres Geldverkehrs auf das allerlebhafteste bedauern, und ich möchte daher nur dem hohen Vause meinerseits aufs dringendste nahelegen, ob dasselbe nicht den Weg beschreiten möchte, und zwar schon in zweiter Lesung, der ihm vor⸗ gezeichnet worden ift durch den vorliegenden Antrag Blell, und der darauf hinausgeht, die von der Kommission beschlossene Einschaltung aus dem vorliegenden Gesetzentwurf womöglich schon in iweiter Lesung wieder zu beseitigen. Damit kann ich schließen. (Bravo! linke) ; Abg. Dr. Arendt (Rö) Diese Ausführungen haben mich nicht dahin bringen können, von dem Beschluß der Kommission zurück⸗ zutreten. Ich bin erstaunt, daß der Staatssekretär das , . auf einen Artikel der Kreuzzeitung“ legt. Ich habe diesen Artikel nicht gesehen, noch geschrieben. Solange Anträge, wie die angedeuteten, hier nicht vorliegen, können solche Erörterungen in einer Tageszeitung uns nicht umstimmen. Was hat nicht alles in der Presse über den Dreimarkantrag gestanden! In der „Freien Deutschen Presse' wird den beiden Silbermännern der Kommission, Arendt und Raab, eine Ueberrumpelung der Kommission nachgesagt. Kein Wort davon ist wahr. Der Antrag kam von den vier Zentrumsmitgliedern der Kommission und lag schon vor dem Beginn der Verhandlungen gedruckt vor. Die Kommission hat auch rein sachlich mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des deutschen Münzumlaufs verhandelt; erst in der Presse ist der währunggpolitische Hintergrund aufgetaucht. Die Fragen für die deutsche Währungspolitik sind schon 1900 entschieden worden. Silber- einziehung findet danach nicht mehr statt; der Taler als solcher soll nicht dauernd im Umlauf bleiben. Wenn ein Antrag wegen der Ausprägung von Dreimarkstücken damals nicht gestellt wurde, so lagen damals die Verhältnisse ganz anders. Es wurde uns damals vom Freiherrn von Thielmann auch versichert, daß es sich nicht um die Beseitigung der Taler handle. Jetzt freilich lautet es anders; jetzt tut man verwundert, daß wir damals nicht gemerkt hätten, daß es sich um die Beseitigung handelte. Man hat in der Zwischenzeit die Umprägung in viel höherem Maße vorgenommen, als es nach jenen Versiche rungen geschehen sollte. Sel bstverständlich mußte die Nachfrage nach Silbermünzen steigen, wenn man die Taler in höherem Maße zurückhielt; mit den großen Zahlen der Bank kann man also uns nichts beweisen. Nun heißt es, das Volk gebe die Taler den Kassen zurück, es wolle sie nicht; aber im Volke ist die Auffassung durchaus die entgegengesetzte; in allen Parteien, in allen Klassen, in allen Städten will man die Taler nicht entbehren. Es handelt sich hier tatsächlich nur um das praktische Bedürfnis; im ganzen Verkehr ist ein großeä Unbehagen über die unhandlichen Fünfmarkstücke. Die Legierung der Münzen ist ganz gleichgültig; es handelt sich ja doch lediglich um ein Zeichengeld, soll diejenige, der Dreimarkstücke anders sein, so mag man uns einen bezüglichen Ent- wurf vorlegen. Der Antrag ist lediglich die Antwort darauf, daß die Regierungen viel zu früh an die Einziehung der Taler gegangen sind. Ich bleibe bei der Ueberzeugung, daß man einen Unter⸗ schied zwischen den Nickel, und Silbermünzen in irgend einem Prägungsunterschied nicht erzielen wird. Das Volk will greif⸗ bare Unterschiede; ich hatte aus diesem Grunde, die Herstellung vieleckiger, nicht viereckiger Münzen angeregt. Währungsprinzipien kommen hier gar nicht in Betracht, denn der Taler hatte unbeschränkte Zahlkraft, das neue Dreimarkstück wäre Scheide⸗ münze; als Bimetallisten müßten wir uns also der Aus—⸗ prägung des Talers in ein Dreimarkstück auf das entschiedenste wider⸗ setzen. Das Bedürfnis des täglichen Verkehrs ist erheblich wichtiger als das der Herren Kassierer, die dem Taler feindlich gegenüberstehen, weil sie aus den Talern keine Hundertmarkrollen machen können. Das Dezimalsystem ist auf dem Papier von der größten Bedeutung, hat aber gar keine Bedeutung für den pPraktischen Verkehr; die Aus—⸗ länder haben bis heute keine Dezimalmünze. Der Beschluß ist von der Kommission fast einstimmig gefaßt worden; wir können es wohl auf uns nehmen, ihn auch im Plenum aufrecht zu erhalten.

Abg. Blell (fr. Volksp): Ich habe beantragt, die Dreimark stücke aus dem Kommissionsbeschluß wieder zu entfernen. ; Ist das Dreimarkstück notwendig, wuͤnschentwert, jweckmäßig? Ich muß diese Fragen sämilich verneinen. Es handelt sich bier um eine alte, liebgewordene Gewohnheit der älteren Be⸗ völkerung. Die neue Generation rechnet nicht mehr nach Talern, sondern nach dem bequemeren Marksystem. Allerdings spielt der Taler vielleicht noch in der ländlichen Bevölkerung eine Rolle. In dem ersten Münzgesetzentwurf standen an Silbermünzen nur das 20, 50⸗ und 100⸗-Pfennigstück; das Zweimarkstück ist erst nach langen Beratungen vom Reichstage hinzugefügt worden, nachdem man auch für ein 27. Markstück von verschiedenen Seiten (ingetreten war. rägt man genügend Zweimarkstücke aus, dann ist der Taler für den

e ght nicht nokwendig. Daß der Taler ein willkommenes Trinkgeld ist, wird ihn nicht retten; ist der Taler zu diesem Zwecke willkommen, so wird das Fünfmarkstück noch viel willkommener sein. Die Aus—= prägung von Dreimarkstücken wäre eine unnütze Ausgabe. So 36. eingreifende Aenderungen des ganzen Münzwesens darf man doch au nicht so rasch vornehmen, wie es die Kommission will; hier bedarf es der allersorg ältigsten Prüfung.

Münzen, die wir gegenwärtig in unserem Münzsystem haben, all der

Enquete dann eine ausführliche, durchaus objektiv gehaltene Denk—

Abg. Kern (d. kons.): Die Ausführungen des Abg. Arendt er- lauben 3 nnch auch mit Rücksicht auf die vorgerückte Zeit, sehr

konnte, unter allen Umständen abzulehnen, wenn das hohe Saus

Inzwischen hat der Abg. Dr. Müller-Sagan den zweiten wünscht, das so notwendige Gesetz zustande zu bringen.

Teil seines Antrags zurückgezogen und den ersten dahin ab— (Schluß in der Zweiten Beilage)