1904 / 133 p. 23 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Jun 1904 18:00:01 GMT) scan diff

kurz zu fassen.

ich dahingestellt. Ein Teil meiner Freunde Durchlochung für das beste Auskunftsmittel angesehen.

Münzsystem aufgenommen werden soll.

rechnet im großen und ganzen immer noch nach dem Taler, und wenn der Vorredner selber von einer liebgewordenen Gewohnheit gesprochen hat, so sehe ich nicht ein, warum wir damit brechen sollen. Ich bitte Sie, den Antrag Blell abzulehnen.

Darauf wird um 6 Uhr die weitere Beratung der Münz— gesetznovelle auf Mittwoch 1 Uhr vertagt. (Außerdem zweite Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Kaufmannsgerichte.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 77. Sitzung vom 7. Juni 1904, 11 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Beratung von

Anträgen aus dem Hause.

Die Abgg. Oeser und Kopsch (fr. Volksp.) beantragen: „die Negierung aufzufordern, dem Landtage möglichst bald eine Vorlage zugehen zu lassen, welche im Verhältnis zu den seit 1873 erhöhten Mietspreisen eine Erhöhung des Wohnungs⸗

geldzuschusses der Beamten vorsieht.“

Die Abgg. Dr. Hitze und Schmedding (Sentr.) be⸗

antragen, dem vorstehenden Antrage hinzuzufügen: 2) insbesondere darüber in Erwägung einzutreten, ob und in—

wieweit eine Abstufung des Wohnungsgeldzuschusses je nach Zahl der unterhaltsberechtigten Familienangehörigen der Beamten

zweckmäßig einzuführen sein möchte.“

Nach der Begründung dieser Anträge durch die Abgg. Oeser und Schmedding, über die bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, nimmt das Wort der

Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:

Meine Herren! Nachdem die beiden Herren Vorredner sich zur Sache geäußert und vorgeschlagen haben, die beiden Anträge der Budgetkommifsion zu überweisen, gestatten Sie mir, auch meinerseits kurz zur Sache Stellung zu nehmen. Vorweg darf ich bemerken, daß ich durchaus damit einverstanden bin, die beiden Anträge in der Budgetkommission ganz eingehend zu prüfen.

Was zunächst den Antrag der Herren Abgg. Oeser und Kopsch betrifft, so hat der Herr Abg. Oeser diesen Antrag auf Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses wesentlich damit begründet, daß es nicht möglich sei, für den Betrag des Wohnungsgeldzuschusses sich eine angemessene Wohnung zu beschaffen, daß die Kosten der Wohnungen erheblich gestiegen seien, und daß infolgedessen die Disparität zwischen dem Wohnungsgeldzuschuß und den effektiven Aufwendungen für die Wohnungen immer größer geworden sei. In dieser Beziehung darf ich bemerken, daß der Wohnungsgeldzuschuß niemals die Tendenz verfolgt hat, eine volle Deckung für die Kosten der Wohnung zu gewähren, sondern er ist, wie es auch der Namen schon besagt, nur ein Zuschuß; er hat einen variablen Faktor in den gesamten Dienstbezügen der Beamt en darstellen sollen. Ich halte einen solchen variablen Faktor, wie er sich in der Bemessung des Wohnungsgeldzuschusses ausdrückt, für eine durchaus richtige Maßregel. Das Gehalt, an sich gleich bemessen für alle Städte, für alle Orte der Monarchie, wirkt total verschieden. Ein Gehalt kann an billigen Orten mit einfachen Ver⸗ hältnissen ausreichend sein, während es in einer Großstadt oder in industriell entwickelten Orten unzureichend ist, und deshalb halte ich es für richtig, daß man einen Ausgleich in Gestalt des verschieden bemessenen Wohnungsgeldzuschusses geschaffen hat. Es ist den Herren bekannt, daß wir das Institut der Stellenzulagen geschaffen haben, die namentlich da gewährt werden, wo das Leben sich besonders teuer gestaltet. Ich halte den letzteren Weg nicht für glücklich. Eine solche Individualfestsetzung der einzelnen Orte ist sehr schwierig. Es ist richtig, sich an die gegebenen Sätze des Seivis— tarifs anzuschließen; wenn sie auch wie alle menschlichen Ein— richtungen unvollkommen sind, so sind sie doch die besten Maßstäbe, die wir haben, und infolgedessen halte ich die verschiedene Be⸗ messung des Wohnungsgeldzuschusses nach den Servisklassen für richtig. Aber, wie gesagt, der Wohnungsgeldzuschuß stellt nur einen variablen Teil des Gehalts dar.

Wenn Sie erwägen wollen, wie sich die Gehaltsbezüge seit dem Jahre 1873 gestaltet haben, seit dem Jahre, von dem die Herren Abgeordneten Oeser und Kopsch ausgehen, so müssen Sie dabei be⸗ rücksichtigen, wie sich die gesamten Bezüge der Beamten seit dieser Zeit verbessert haben. Ich halte es für meine Pflicht, vor dem hohen Hause darauf hinzuweisen, wie außerordentliche Mittel der Staat auf⸗ gewendet hat, um die gesamten Dienstbezüge der Beamten aufzubessern. Wir haben es getan aus pflichtmäßiger Fürsorge für unsere Beamten, ohne Rücksicht auf Dank oder Undank. Wir beanspruchen auch heute keinen Dank; aber es würde sehr nützlich sein, wenn die Fachblätter der einzelnen Beamtenkategorien einmal darauf hinweisen wollten, was der Staat schon für die Beamten getan hat,

und ihre Tätigkeit nicht fortwährend darin sähen, Vergleiche zwischen den einzelnen Beamtenkategorien anzustellen und zu zeigen, daß der eine 100 M mehr hat als der andere, und daraus Unzufriedenheit zu schüren.

Seit dem Jahre 1873, von dem der Herr Abg. Oeser ausgeht, oder genauer seit dem Jahre 1874 bis 1890, haben wir danach eine Aufbesserung der Dienstbezüge der Beamten bewirkt, die mit einem Gesamtaufwande von 19 Millionen Mark jährlich verbunden waren. Es wird den Herren erinnerlich sein, daß wir die Aufhebung der Witwen und Waisenbeiträge bewirkt haben; auch sonst sind erheb⸗ liche Mehrbewilligungen erfolgt. Eine generelle Aufbesserung der Bezüge der Beamten hat 1890,91 eingesetzt und ist bis 1899 fort⸗ gesetzt worden. Diese gesamten Aufbesserungen der Bezüge der Beamten, Lehrer und Geistlichen haben das Staatsbudget mit nicht weniger als 91 Millionen Mark jährlich als dauernden Ausgaben belastet. 91 Millionen Mark! In der Tat eine erhebliche Leistung für die Beamten! Ziehen Sie davon die Bezüge der Lehrer und Geistlichen mit 20,7 Millionen Mark jährlich ab und erwägen Sie, daß wir eine erhebliche Anzahl neuer etatsmäßiger Stellen er⸗ richtet haben, um die Lage der Diätare zu verbessen, und ziehen Sie auch diesen Betrag mit 18 Millionen Mark ab, so ergibt sich, daß seit dem Jahre 1890,91 reine Gehaltsaufbesserungen für Beamte im Betrag von 52,3 Millionen gewährt worden sind. Setzen Sie die von mir vorher erwähnte Summe von 19 Millionen bis zum Jahre 1890 hinzu, so ergibt sich, daß für die Aufbesserung der Be⸗

Wir werden für die Kommissionsbeschlüsse stimmen. Die Hauptsache bei den Münzen ist ihre praktische Brauchbarkeit. Ob diese Bedingung bei den neuen Fünfzigpfennigstücken zutrifft, lasse

f hätte mit mir eine l Meine Freunde haben es begrüßt, daß der Taler als Dreimarkstück wieder in unser Die jetzige Generation

amtengehälter nicht weniger als 71 Millionen Mark jährlich durch den Etat mehr bereit gestellt werden als im Jahre 1874.

Dazu kommt, daß diese Summe lediglich gerechnet ist nach dem Satze zur Zeit der Gehaltserhöhung; inzwischen haben wir die Anzahl der Beamten bedeutend vermehrt, und bei den neugeschaffenen Stellen tritt naturgemäß die Erhöhung der Bezüge abermals in die Er— scheinung.

Es ist den Herren auch bekannt., in wie großem Maße die Gehaltserhöhung ihre Folgen zeigt bei den Pensions⸗ und Relikten⸗ bezügen. Wir haben uns fast in jedem Etatsjahr damit beschäftigen müssen, diese Fonds zu erhöhen, und sehr vielfach hat die Er— höhung nicht ausgereicht, wir haben die Fonds überschreiten müssen. 1890s91 wurden insgesamt an Pensionen gezahlt 24,5 Millionen, an Reliktengeld 6.5 Millionen, zusammen 31 Millionen, im Jahre 1904 dagegen 54 Millionen an Pensionen und 20,4 Millionen an Reliktengeldern, insgesamt also 74,4 Millionen. Seit dem Jahre 1890/91 ist also die Aufwendung des Staates für die Pensionäre und die Relikten von 31 Millionen auf 74 Millionen gestiegen, hat also eine Erhöhung von 43 Millionen erfahren.

Der Herr Vorredner erwähnte ferner, daß der Staat auch dazu übergegangen ist, in immer steigendem Maße Mittel bereit zu stellen, um die Wohnungsverhältnisse der Beamten zu verbessern, eigene Staatswohnungen zu erbauen, die den Beamten überlassen werden, bezw. die Wohnungstätigkeit der Beamten anzuregen. Meine Herren, ich bringe dieser Seite der Sache ein ganz besonderes Interesse ent⸗ gegen und werde mich durch die Angriffe, die ich durch einzelne Ka— tegöͤrien von Hausbesitzern erfahren habe, in keiner Welse müde machen lassen. Ich halte die Schaffung der Beamtenwohnungen für eins der wichtigsten Mittel, die Situation namentlich der unteren Beamten zu verbessern. An sich sind die Wohnungen billiger, als sie sie auf dem freien Markte bekommen können. Sie sind zum großen Teile besser, und vor allem wird dem Beamten die Unsicherheit genommen: er wird nicht mehr der Gefahr der Kündigung ausgesetzt, hat ein festes Dach über dem Haupte und fühlt sich in der Wohnung dauernd sicherer als in einer Privatwohnung, die jeden Tag gekündigt werden kann. Da es sich nicht um ein Geschenk handelt, sondern eine mäßige Verzinsung unserer Aufwendung erzielt wird, sind die Angriffe gegen diese Tätigkeit der Staats regierung nicht begründet. Wir haben seit 1895, in dem das Gesetz dem hohen Hause vorgelegt wurde und dessen Zustimmung fand, bis

von Wohnungen für Arbeiter und minder besoldete Beamte der Staatsverwaltung. Dazu kommt, daß wir außer diesen extraordinären

von 1896/97 bis 1904 nicht weniger als 44 Millionen aus etatt— mäßigen Mitteln zur Errichtung bzw. Anmietung von Dienstwohnungen bereit gestellt haben.

Meine Herren, wenn ich nun zu dem Wohnungsgeldzuschuß zurückkehre, so beträgt er nach dem Etat für 1904 nicht weniger als 48 Millionen jährlich. Dem Reichstage ist bekanntlich eine anderweite Klasseneinteilung der Orte vorgeschlagen; wird diese perfekt, so ergibt

sodaß wir jährlich 50 Millionen an Wohnungsgeldzuschüssen zu leisten haben. Speziell für die Unterbeamten eine ganz genaue Berechnung kann man nicht aufstellen; aber ungefähr kann man es berechnen stellt sich der Aufwand an Wohnungsgeldzuschuß auf 15 Millionen jährlich.

Nun, wie gesagt, meine Herren, der Wohnungsgeldzuschuß stellt einen Teil der gesamten Gehaltsbezüge der Beamten, stellt den variablen Teil dieser Bezüge dar, und in NUeber⸗ einstimmung mit diesem hohen Hause ist der Grundsatz fest— gestellt worden, daß die Gehaltsregelung als abgeschlossen gelten muß und daran nicht gerüttelt werden kann, wenn nicht die ganze Frage der Gehaltsausbesserung wieder aufgerollt werden soll. Ich kann deshalb ich spreche nur für meine Person nicht in Aussicht stellen, daß wir an eine anderweite Bemessung des Wohnungsgeld— zuschusses für die oberen und mittleren Beamten gehen, kann auch ein dringendes Bedürfnis nach dieser Richtung nicht anerkennen.

Anders stehe ich allerdings persönlich zu der Frage und diese ist ja auch in den Reden der Herren Vorredner hauptsächlich berührt worden der anderweiten Bemessung des Wohnungsgeldzuschusses für die unteren Beamten. Es kann nach meiner Ansicht kein Zweifel sein, daß die Kreise der Bevölkerung, mit denen die unteren Beamten in Parallele zu stellen sind, sich in den letzten Jahren einer aufsteigenden wirtschaftlichen Lage zu erfreuen haben, daß namentlich die Löhne sehr erheblich gestiegen sind, und wir müssen wünschen, daß auch unsere unteren Beamten dieser allge⸗ meinen Steigerung in der Lebenshaltung dieser Kreise teilhaftig werden. Dazu kommt, daß ganz unzweifelhaft, namentlich in den großen Städten, der Wohnungsgeldzuschuß darin stimme ich den beiden Herten Vorrednern bei in immer steigendem Maße unzu⸗ länglich geworden ist gegenüber der wirklichen Aufwendung für die Wohnung. Wer diesen Dingen näher steht und jeder wohk— wollende Vorgesetzte muß das —, der weiß, wie außerordentliche Aufwendungen die unteren Beamten in den großen Städten, nament⸗ lich in Berlin, für ihre Wohnung zu leisten haben, und wie diese Aufwendungen für die Wohnung sie in der Tat dazu nötigen, die Auf⸗— wendungen für die anderen Bedürfnisse des Lebens in hohem Maße einzuschränken. Ich würde daher in Anerkennung dieser Tatsache mich sehr freuen, wenn es möglich wäre, den unteren Beamten eine Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses zuteil werden zu lassen. Das dringendste Bedürfniß liegt, wie ich mir eben zu bemerken er— laubt habe, in den großen Städten vor; aber ich glaube. wir würden uns kaum auf die großen Städte beschränken können; wir würden den immer schon vorhandenen Zudrang zu den großen Städten noch befördern, wenn wir an eine Aufbesserung des Wohnungsgeldzuschusses für die unteren Beamten allein für die großen Städte herangingen; wir müßten dann es allen unteren Beamten zuteil werden lassen, nicht bloß den in den großen Städten allein.

Das ist eine Maßregel, die sehr viel Geld kosten würde. 15 Millionen wenden wir jetzt für die unteren Beamten auf; wenn wir nur um 30 0½o erhöhen würden, wären es 435 Millionen, wenn wir um 50 0eι erhöhen, 79 Millionen jährlich mehr. Ich würde mich freuen, wenn es möglich wäre, zu dieser Maßregel zu schreiten, weil ich in der Tat ein großes sozialpolitisches Interesse darin erblicke, wenn ich sie finanziell verantworten könnte. In diesem Augenblick ist

e

immer über unseren Häuptern geschwebt hat, daß die große Erhöhung der Matrikularbeiträge nicht beseitigt, sondern nur um Jahre hinaus⸗ geschoben ist; und dazu kommen die Mittel, die die Durch⸗ führung des Volksschullehrergesetzes erfordern würde. Und, meine Herren, auch die Parallele mit dem Reich selber! Ich glaube, man kann darüber nicht zweifelhaft sein, daß, wenn wir in Preußen mit der Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses für die unteren Beamten vorgehen, das Reich pari passu dasselbe tun müßte; denn es ist, glaube ich, unmöglich, den preußischen Beamten diese Wohltat zuteil werden zu lassen und den Reicht beamten nicht. Ob aber im Reiche bei der überaus mißlichen Finanzlage eine solche Maßregel jetzt möglich ist, ist mindestens fraglich.

Also, meine Herren, ich stehe dem Grundgedanken, für die unteren Beamten eine solche Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses in mäßigen Grenzen eintreten zu lassen, durchaus wohlwollend gegenüber, kann aber andererseits das Bedürfnis nicht anerkennen, eine generelle Erhöhung für alle Beamten eintreten zu lassen. Ich komme zu dem Antrage Hitze und Schmedding, die den Wohnungs⸗ geldzuschuß abstufen wollen je nach der Zahl der unterhaltungs⸗ berechtigten Familienmitglieder. Meine Herren, der Grundgedanke ist ja unzweifelhaft ein richtiger, daß der Beamte, der unterhaltungs⸗ berechtigte Familienangehörige zu versorgen hat, der vor allen Dingen eine erhebliche Anzahl von Kindern hat, viel mehr auf seine Wohnung aufzuwenden hat und viel mehr des höheren Wohnungsgeldzuschusses bedürftig ist als der Beamte, bei dem solche Verpflichtungen nicht vorliegen und der namentlich keine erhebliche Anzahl von Kindern hat.

Meine Herren, die Durchführung des Antrages in der vor— liegenden Fassung halte ich für unmöglich. Es soll der Wohnungs⸗ geldzuschuß abgestuft werden nach der Zahl der unterhaltungsberechtigten Familien. Erstensmal ist der Ausdruck unterhaltungsberechtigt“ höchst vieldeutig. Wer unterhaltungsberechtigt ist, regelt sich nach dem Bürger⸗ lichen Gesetzbuch, und es ist meines Erachtens nicht möglich, nach diesen schwierigen zivilrechtlichen Fragen zu bemessen, wer den erhöhten Wohnungsgeldzuschuß bekommt, und wer nicht.

Ebenso halte ich es nicht für durchführbar, die Zahl der unter—

phaltungsberechtigten Familienangehörigen maßgebend

einschließlich 1904 59 Millionen Mark ausgegeben für die Errichtung

ursachen. Mitteln auch noch ständig etatsmäßige Mittel dafür verwenden und

sich für Preußen daraus ein Mehraufwand von ungefähr 2 Millionen,

die Sache aber, wie ich glaube, noch sehr dunkel, namentlich im Hin⸗ blick auf das Reich. Sie wissen ja alle, daß die Zuschußanleihe noch

sein zu lassen. Meine Herren, das ist eine lex Pappia et Poppaea. Je nach der Anzahl der Kinder würde der Wohnungsgeldzuschuß steigen. Und nun bitte ich, sich mal die praktische Durchführung solcher Maßregel zu vergegenwärtigen: sowie ein neues Kind erscheint, würde der Wohnungs⸗ geldzuschuß erhöht werden müssen. Das würde eine außerordentliche Komplikation hervorrufen und ein außerordentliches Schreibwerk ver⸗— Ich würde dann schon bitten, einen automatischen Storch zu erfinden, der den Wohnungegeldzuschuß automatisch in die Höhe setzt, damit die Behörden nicht soviel Arbeit haben. (Heiterkeit) Aber es kommt auf die Form der Fassung nicht alles an, und

ich glaube, daß die Antragsteller nicht so großen Wert auf die Fassung

legen. Vielleicht könnte man sich anlehnen an den Gedanken, der im Umzugkkostengesetz enthalten ist. In dem Gesetz über die Umzugskosten der Staatsbeamten ist das Prinzip anerkannt, daß die Beamten, die eine Familie haben es ist näher erläutert: die einen eigenen Haus—⸗ stand haben höhere Umzugskosten bekommen als diejenigen Be⸗ amten, die ohne Hausstand sind. Der Gedanke ist der, daß nicht nur derjenige Beamte, der verheiratet ist oder Kinder hat, einen gemein schaftlichen Hausstand hat, sondern auch derjenige, der mit seinen An⸗= gehörigen, Schwestern usw., einen gemeinschaftlichen Hausstand hat, die höheren Umzugskosten bekommt als derjenige, der keinen eigenen Hausstand hat und infolgedessen seine Versetzung mit sehr viel geringeren Umständen und Kosten bewirken kann als der Beamte, der Möbel und alles Hausgerät von Ort zu Ort transportieren muß. Ob man diesen Gedanken hierher übertragen kann, das in der Kommission zu prüfen, bin ich durchaus bereit.

Schwierigkeiten hat die Sache auch, das wollen Sie nicht ver— kennen; denn, meine Herren, wenn Sie den Beamten, der nicht verheiratet ist, keinen Haushalt hat, ganz von den Wohltaten des höheren Wohnungsgeldzuschusses ausschließen, können Sie in einzelnen Fällen dem Beamten bitter Unrecht tun. Es gibt Beamte, die nur deshalb nicht geheiratet haben, weil sie in treuer Erfüllung ihrer Pflichten als Sohn und Bruder für eine alte Mutter oder Schwester gesorgt haben (sehr richtig); und die würden nun für diese ihre Erfüllung ihrer verwandtschaftlichen Pflichten dadurch gestraft werben, daß man sie von dem Bezuge eines höheren Wohnungsgeldzuschusses ausschließt. Und es ist mir auch fraglich, ob man mit einer solchen Unterscheidung zwischen Beamten mit und ohne Hausstand volles Verständnis in den Beamtenkreisen finden wird; denn die Beamten haben doch zunächst den richtigen Ge⸗ danken, daß sie das Gehalt und den Wohnungsgeldzuschuß als dienst⸗ liche Emolumente für ihre Leistungen dem Staate gegenüber erhalten, daß die Leistungen der Grund ihrer Bezüge sind, nicht aber die zufälligen Umstände, ob sie verheiratet sind oder nicht.

Ich bin aber, weil ein gewisser guter Grundgedanke in dem Antrage liegt, durchaus nicht abgeneigt, in der Budgetkommission in nähere Prüfungen der Anträge der Herren Abgg. Hitze und Schmedding einzutreten und hoffe, daß sich da ein greif⸗ bares Resultat ergeben wird, mit einem Worte darf ich mich dahin rekapitulieren: wir müssen daran festhalten, daß die Frage der Gehaltsregelung abgeschlossen ist. Zu der Frage der Gehaltsregelung gehört im allgemeinen auch die des Wohnungsgeldzuschusses, und ich

glaube nicht, daß wir einstweilen dazu übergehen können, für obere

und mittlere Beamte diese Frage wieder aufzurollen; aber für die unteren Beamten liegen in der Tat namentlich wegen der Parallele mit anderen in Betracht kommenden Klassen unserer Bevölkerung be⸗— sondere Umstände vor, und wenn die Finanzlage das gestattet, würden wir in der Tat ein gutes Werk tun, hier eine Aufbesserung des Wohnungsgeldzuschusses eintreten zu lassen. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Lotichius (n.): Schon vor mehreren Jahren hat mein Parteifreund Dr. Schultz⸗Bochum dieselbe Frage in diesem Hause zum Gegenstand der Erörterung gemacht,. Leider ist er heute durch Krankheit an der Teilnahme bei der Verhandlung verhindert. Selbstverständlich sind wir für die Erhöhung des Wohnungsgeld⸗ zuschusses der unteren Beamten; aber wir ge, wenn es irgend eht, auch den mittleren Beamten diese Wohltat zugewendet zu . Ebenso hoffen wir, daß auf dem Wege der Abänderung der Klasseneinteilung der Orte im Seryistarif einem Teil der be wen 6 abgeholfen wird. Wir stehen im ganzen den Anträgen er, ,. gegenüber und eiwarten von den Kommissionsberatungen ein praktisches Resultat.

Ahg. Broemel (fr. Vgg.); Der Minister hat an die Spitze seiner Erklärungen den Satz gestellt, daß der Wohnungsgeldzuschuß von Anfang an nicht als ein Ersatz für die Wohnungsmiete gedacht gewesen sei. Damit hat er vollkommen recht; aber er wird doch auch

nicht übersehen, daß die Veränderung in den Verhältnissen, die in 6. 30 Ee en, fhr hin wiederholte Erhöhung der Beamtengehäster maßgebend gewesen sind, ganz, ebenso auf das Verhältnis zwischen Wohnungsgeldzuschuß und Miete zutrifft, daß die Mieten seit 18973 um einen ganz enormen Prozentsatz gestiegen sind. Die gewisser⸗ maßen blendenden Ziffern der Besoldungserhöhungen für die Beamten müssen immer unter dem Gesichtspunkte beurteilt werden, wie stark die Zahl der Beamten in derselben Zeit gestiegen ist. Im einzelnen ist von einem Fortschritt oft nur in ganz geringem Umfange die Rede; zahlreiche Beamtenkategorien haben eine Er—⸗ höhung ihres Anfangsgehalts kaum oder gar nicht zu verzeichnen. Der Hinweis auf die Erhöhung der Reliktengelder fordert direkt dazu berauß, sich daran zu erinnern, was alles in diesem Punkte früher ver⸗ fäumt worden ist. Ich erinnere mich sehr gut daran, wie sür die hinter⸗ lassene Witwe eines sehr hohen Beamten erst durch ein besonderes Gefetz eine hinlängliche Pension bewilligt werden mußte. Immerhin hat der Minister heute die Notwendigkeit der Erhöhung des Zuschusses für die unteren Beamten etwas weniger verllausuliert zugegeben. Mit dem Notbehelf der , ist die Beam tenschaft durchaus unzufrieden es würde sehr erfreulich sein, wenn die Finanz verwaltung dieses System nicht weiter ausbaute, sondern auf eine gleichmäßigere Erhöhung des Zuschussez Bedacht nehmen wollte. Als Kern der Gründe für die Anträge hat der Minister mit Recht die allgemeine Hebung der Lebenshaltung der Bevölkerung angeführt; Es hat in einem großen Teil der breiten Volksschichten ein Aufsteigen stattgefunden, welches die unteren Beamten ohne Steigerung des Woh nungsgeldzuschusses nicht mitmachen können. Mit einer Summe von 5 biz 7 Millionen jährlich müßte sich eine wirksame Er⸗ höhung des Zuschusses für die Unterbegmten herbeiführen lassen, und eine solche Summe sollte bei einem Etat wie dem preußischen nicht eine fo große Rolle spielen, daß die Reform auch nur noch um ein Jahr hinausgeschoben wird. Aber der Minister wird sich nicht auf die unteren Beamten beschränken können, er wird seine Reformplãäne auch auf die mittleren Beamten ausdehnen müssen; denn er übersieht sicher nicht., daß dieselben Faktoren, welche für die unteren Beamten in diefer Richtung wirksam werden, auch für die mittleren wirksam geworden sind. Die Materie, die der Antrag Schmedding behandelt, wird sich besser in der Kommission erörtern lassen. Es würde für unsere Beamten eine schwere Enttäuschung sein , wenn nach der fympathischen. Aufnahme der Anträge die Erledigung hingezogen wurde und in der gegenwärtigen Tagung vielleicht nichts mehr zu⸗ stande käm ;. . ; .

Abg. Winckler (kons): Nach der umfangreichen Begründung durch die Antragsteller kann ich mich im wesentlichen dem anschließen, was der Finanzminister ausgeführt hat. Besonders freudig begrůße ich, daß er die Gelegenheit benutzt hat, ziffernmäßig nachzuweisen, was von Skaats wegen für die Beamten in den letzten Jahren getan worden if. Diesen Ausführungen des Ministers wünsche ich die allerweiteste Verbreitung. Der Antrag Oeser Kopsch geht uns zu weit; es würde durch dessen Annahme die allgemeine Frage der Besoldungsverbesserung wieder gufgerollt werden. Wir sind aber bereit zu prüfen, an welchen Stellen gehelfen werden muß und geholfen werden kann. Da sind auch wir der Meinung, daß es sehr erfreulich sein würde, den Unter⸗ bheamten in dem gekennzeichneten Rahmen entgegenzukommen, Der Zusatzantrag Hitze wird von uns ebenso sympathisch gewürdigt wie Fom WMeinister, vielleicht noch etwas sympathischer. Wir sehen in diesem Antrage ein bedeutsames sozialpolitisches Moment. Auch wir haben uns allerdings gefragt, wohin es führen soll, wenn in die Ver⸗ häͤltnisse der einzelnen Beamten bei jeder einzelnen Gehaltsfrage ein— gedrungen werden soll; aber dieses Bedenken trifft nur die Ausführung, nicht den Kern der Sache. ö J

Abg. Kopfch (fr. Volksp): Tatsächlich finden sich weite Kreise der Beamten in recht gedräckten Verhältnissen, ein Teil von, ihnen befindet sich sogar in einem Notstande; das beweist die immer steigende Zahl der Petitionen fast aller Beamtenkategorien, Besonders schlimm liegen die Verhältnisse in Berlin, wo in den letzten Jahren eine sehr erhebliche Mietssteigerung stattgefunden hat. Früher wurden die Ungleichheiten in Berlin durch eine Stellenjulage von 300 6 für bie unteren und mittleren Beamten ausgeglichen; 1897 ist diese aber fei der Gehaltsaufbesserung in Wegfall gekommen, sodaß für viele Beamte nicht nur keine Besserung, sondern unter Umständen sogar eine Verschlechterung eingetreten ist. Der Wohnungsgeld⸗ zuschuß vertritt doch die Stelle der Miete in dem Falle, wo eine Dienstwohnung gewährt wird; er ist also nicht nur ein Zuschuß schlechthin. In den letzten Dezennien hat auch eine wesentliche Ent⸗ wertung des Geldes stattgefunden. Der Minister von Miquel hat den Wert einer guten Wohnung für die Dienstleistung der Beamten hervorgehoben. Da die jetzigen Wohnungen der Beamten ihrer sozialen Stellung nicht mehr entsprechen, so müssen wir eine Aende⸗ rung eintreten lassen. Die Beamten wohnen schlechter, als die Re gierung es im Interesse des Dienstes wünschen kann. Zur Zeit gibt es allerdings keinen, besseren Maßstab für die Bemessung des Wohnungsgeldzuschussss als den Servistarif; aber man'hat nach besseren Maßstäben überhaupt noch nicht gesucht. Im Reichstage haben schon im Jahre 1999 die Abg. Richter, Gamp und Müller ausgeführt, daß dieser Maßstab des seinerzeit in aller Eile zustande gekommenen ,, die Beamten in größeren Städten und in den Industriezentren benachteilige. Der. Antrag Hitze wird gesetzgeberische Schwierigkeiten finden. Schon Fürst Bismarck war eln Gegner dieses Gedankens. Nach der Leistung des Beamten kann nicht verfahren werden, die Dienstalterszulagen widersprechen eigentlich schon dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Der Beamte stellt sein ganzes Wissen und Können in den Dienst des Staates und muß deshalb vom Staate in rechter Weise versorgt werden. Von diesem Standpunkt aus hat der Antrag Hitze etwas für sich. Die Abstufung nach der Zahl der Familienangehörigen könnte manchen Beamken zur Gründung einer Familie be⸗ stimmen. Das ist sozialpolitisch von Bedeutung. Einig sind alle Beamten darin, daß zwischen der vierten und fünften Stufe des Wohnungsgeldzuschusses eine neue Stufe eingeschoben werden müßte. Dies würde namentlich unseren Eisenbahnbeamten zu gute kommen. Ich freue mich über daz Wohlwollen des Finanz ministers für die unteren Beamten, ich bedaure nur, daß er es nicht gleich auf die mittleren Beamten erstreckt hat. Eine Luxus⸗ wohnung hat keiner unserer mittleren Beamten. Fast die Hälfte des Wohnungspreises muß der Beamte aus seinem Gehalt statt aus dem Wohnungsgeldzuschuß nehmen; das ist namentlich in meiner Heimat, in Breslau, der Fall. Wir wollen es nicht zu solchen Zuständen unter unferen Beamten kommen lassen wie in Ungarn und Belgien. Unfere Beamten blicken mit Vertrauen auf die Regierung und wir wünschen, daß dieses Vertrauen nicht erschüttert wird. Preußen in Deutschland voran!⸗ Wenn irgendwo Preußen vorangehen könnte, o wäre es in der Gebaltsregelung. Die Schaffung eines zufriedenen Beamtenstandes ist auch eine Kulturaufgabe des Staats. .

Abg. Pleß (Zentr.: Aus der Beratung geht hoffentlich ein Werk hervor, das das ganze Land befriedigt. Wir erkennen die . sorge des Finanzministers für die Beamten im ganzen an. Dem einzelnen Beamten kommt es nur 4 an, was er für seine Familie erhält. Die Höhe des Wohnungsgeldzuschußses war zur Zeit seiner Festlegung gerechtfertigt, bei den heutigen Mietspreisen aber ist seine Bedeutung zusammengeschrumpft. Die Hausbesitzer beschweren sich darüber, daß der Staat den Baugenossenschaften Geld so billig gibt, wie sie es niemals bekommen können, .

Abg. Sch me dding (Zentr): Ich danke für die wohlwollende Aufnahme des Antrags im Hause und auch beim Finanzminister, muß aber einigen Ausführungen des letzteren widersprechen. Von den Wohnungen, die der Staat den Beamten geschaffen hat, können doch nur verhältnismäßig wenige Begmte Gebrauch machen. Wenn der Minister den Gedanken unferes Antrags für richtig hält, wundert es mich, daß er an der Möglichkeit n,, ,, zweifelt. Das Prinzip von Leistung und Gegenleistung ist. bei der Besoldung längst derlaffen worden. Es kommt uns nicht auf die Fassung unsereß An trages an, sondern nur . den Grundgedanken. Auf die Zahl der Unterhaltzberechtigten ist bereits in verschiedenen anderen Gesetzen Rücksicht genommen worden. Möge der Finanzminister die Frage

( . * . r . . e me.

* *.

nicht nur von der finanziellen, sondern auch von der sozialen Seite

ansehen. .

Mit weiteren Bemerkungen des Abg. Wolff⸗Biebrich (nl) ließt die Besprechung. .

3 cke . ö der Budgetkommission überwiesen.

Es folgt dann der Antrag des Abg. Faltin (Zentr): die Regierung zu ersuchen, dem Landtage möglichst bald eine Vorlage zugehen zu lassen, durch welche die Rang- und. Ge haltsberhältnisse der, Land und Amtsgerichts⸗ sekretäre mit denen der gleichartigen Verwaltungsbeamten gleich⸗

gestellt werden.“ .

Abg. Faltin: Es handelt sich um eine Forderung, der aus⸗ gleichenden Gerechtigkeit, die schon bei der Justizreorganisation von 1879 gestellt worden ist. Das Haus hat damals einen entsprechenden Antrag geftellt, die Finanzkraft, des Staates gestattete damals aber nur die Besserstellung der Oberlandesgerichtssekretäre, die ein Gehalt von 2100 = 3600 „6 erhielten, während die Lande und Amtsgerichts⸗ sekretäre nur 2100 2300 Mu erhalten. Nach der Gehalts— regelung von 1897, bei der die Sekretäre und Assistenten in eine Gehaltsklasse gebracht wurden, erhalten die Oberlandesgerichtssekretäre ein Gehalt von 1800 4200 ½, die Land und Amtsgerichtssekretäre pon 1560 = 3600 S6 Manche der zu Sekretären beförderten Assistenten erhalten heute noch nicht das frühere Anfangsgehalt von 2106 , die Regierung hat also mit der anderen Hand wieder genommen, was sie mit' der einen durch die Vermehrung der Stellen gegeben hatte, Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Gerichtssekretäre liegt nicht bei den Oberlandesgerichten, sondern bei den Land⸗ und Amtsgerichten. Vie Sekretäre der letzteren müssen deshalb mit den Sekretären der Sberlandesgerichte aleichgestellt werden. Die mit pävda— gogischen Prinzipien begründete Unterscheidung zwischen der lokalen und der propinzialen Instanz ist ganz ungerechtfertigt. Der Redner vergleicht dann die Stellung der Land und Amtsgerschtssekretäre mit der Stellung der Sekretäre in den verschiedenen Verwaltungszweigen, um zu beweisen, daß die ersteren schlechter gestellt seien. Diese He⸗ nachteiligung sei um so unberechtigter, als die Tätigkeit dieser Sekretäre schwieriger sei als diejenige der Verwaltungèsekretäre. Der geringe finanzielle Effekt der Gleichstellung für die Staatskasse dürfe nicht ins Gewicht fallen angesichts des Umstandes, daß durch sie die Zu— friedenheit der Beamten gefördert werde.

Abg von Bülow. Homburg (nl) erklärt, daß seine Freunde ein⸗ mütig für den Antrag eintreten. Bedauerlich sei, daß der Justiz⸗ minister oder einer seiner Kommissare nicht anwesend sei, sodaß man nicht erfahren könne, ob dem Antrag im nächsten Jahre von der Re⸗ gierung werde entsprochen werden. Geschäftsordnungsmäßig müsse der Antrag von einer Kommission beraten werden; deshalb beantrage er die Ucberweisung an die Budgetkommission. .

Abg. Krause Waldenburg (freikons. ); Auch ich bedauere, leb= haft die Abwesenheit des Justijministers. Meine Freunde unterstützen den Antrag und werden für ihn stimmen. Ich beantrage aber, den Antrag nicht der Budgetkommission, sondern der WV; Kommission zu überweisen, die zur Beratung des Gesetzentwurfs über die Dienst— aufsicht bei den Amtsgerichten eingesetzt worden ist. Die Stellung der Land. und Amtsgerichtssekretäre, welche dieselbe Vorbildung haben wie die Oberlandesgerichtssekretäre und die Verwaltungssekretäre, ist ebenso wichtig, und ihre Arbeit ist ebenfo schwer und verantwortungsvoll, wie die der letzteren, Die Diensttätigkeit ist sogar für die Land⸗ und Amtẽgerichtssekretäre viel⸗ fach erheblich schwieriger als die der Sekretäre bei den Oberlandes⸗ gerichten, namentlich bei der Bearbeitung der Grundbuch, und der Zwangsverstesgerungssachen. Namentlich da ist Die Verantwortung eine erhebliche größere. Die Justizverwaltung hat allerdings ein— gewendet, daß die Oberlandeggerichtssekretäre eine selbständigere Stellung hätten; aber es gibt keinen Sekretär des Oberlandet⸗ gerichts, deffen Tätigkeit so schwer wäre wie die in Grundbuch und

wangẽeversteigerungssachen und einigen anderen Zweigen bei den and⸗ und Amtsgerichten. Jeder Sekretär eines Landgerichts könnte sofort die Geschäfte eines Oberlandesgerichtssekretärs versehen; umgekehrt würde dieser aber in Verlegenheit kommen. Die Justiz= verwaltung will ferner einen Unterschied zwischen der lokalen und der provinzialen Verwaltung machen. Ein solcher Unterschied besteht bei allen übrigen Verwaltung zweigen nicht mehr. Sie will ferner auf ihre Beamten erziehliche Wirkung ausüben, indem jüngere Kräfte zunächst bei den Oberlandesgerichten eingestellt werden. Die Oberlandesgerichtspräsidenten werden 63 gern Sekretäre aus den Stellen der Land, und Amtsgerichtssekretäͤre entnehmen. Der Finanzminister hat für einen Teil seiner Beamten in den letzten Etat eine Erhöhung eingestellt, namentlich für die Hauptsteueramts⸗ afsistenten. Ebenso kann auch hier die Gehaltsregelung noch nicht für erledigt gelten. - ö

Abg. Kölle (Hosp. d. Natl.); Das Haus ist voll, aber der Regierungstisch ist leer; das ist eine Rücksichtslosigkeit gegen das hohe Haus und zeugt von Mangel an Interesse. für die Beamten. Auch vom Finanzministerium ist nicht ein einziger Kommissar hier. Das Gehalt der Gerichtssekretäre betrug im Durch⸗ schnitt früher 2709 „, heute beträgt es nur 2650 M; es ist also nicht eine Verbesserung, sondern eine Verschlechtꝛerung eingetreten. Auch die Assistentenzeit sollte bei ihnen hier angerechnet werden, wie es bei anderen Beamtenkategorien geschieht. Gegen die Gleichstellung der Land⸗ und Amtsgerichtssekretäre mit den Oberlandesgerichts⸗ sekretären ist von der ger lern nicht der geringste sachliche Grund vorgebracht worden. Der Dienst der Sekretäre bei den Amtsgerichten sst aber fast in jeder Beziehung bedeutend schwieriger. Stellen Sie die Sekretäre der Land- und Amtsgerichte gleich mit den Oberlandes⸗ gerichtssekretären und den gleichartigen Verwaltungsbeamten, es wird dadurch viel Unzufriedenheit erspart werden. Ich wundere mich, daß dieses Haus für die Beseitigung der Ungleichheiten eintreten muß, während der Staat von hoher Warte die Ungleichheiten am besten sollte übersehen können. . .

Abg. Cassel (frf. Volksp.): Aus meiner 30 jährigen Tätigkeit bei den Gerichten kann ich die Darstellungen der schwierigen Arbeit der Land- und Amtsgerichtssekretäre nur bestätigen. Es ist ein alter Zopf, daß die Oberlandesgerichtssekretäre mehr Gehalt haben müssen als die anderen; Gründe hat man dafür nicht. Die heutige Debatte unterscheidet sich von anderen vorteilhaft dadurch, daß auf allen Seiten des Haufes Zustimmung herrscht, und daß wir uns ganz unter uns befinden. Ich möchte aber die abwesende Regierung darauf auf⸗ merksam machen, daß die bestehende Ungleichheit auf die Dauer eine Gefahr für die Rechtspflege bedeutet, da gerade die besten und intelligentesten Kräfte der Gerichtssekretäre zu einer Privatgesellschaft gehen werden, wo sie weit mehr verdienen. .

Abg. Werner (Reformp.) bedauert gleichfalls die Abwesenheit der Regierungsvertreter. Er befürwortet, den. Antrag Faltin und wünscht ferner, daß die Bezeichnung „Gerichtsschreiber“ durch die Be⸗ zeichnung „Gerichtssekretäre“ ersetzt werde. .

Äbg. Mathis (nl. will auf weitere Ausführungen zu Gunsten des Antrags verzichten, da der Antrag doch einer Kommission über⸗ wiesen werde. . J .

Abg. Peltasohn (frs. Vgg) erklärt gleichfalls die Ansprüche der Gerichtssekretäre auf Gleichstellung mit den Verwaltungssekretären für berechligt. Kein Verwaltungssekretär habe dieselbe Selbstãändigleit und Verantwortlichkeit wie der Gerichtssekretär. Wenn immer wieder darauf hingewiesen werde, daß die Gehaltsregelung 1897 abgeschlossen worden sei, so müsse daran erinnert werden, daß gerade damals die Land., und Ämtsgerichtssekretäre ungerecht behandelt worden seien. Sie seien damals durch den Fortfall der Nebeneinnahmen in ihrem Einkommen verkürzt worden, anderseits sei ihre Tätigkeit seit 1900 erschwert. 9.

Abg. Dr. Eckel s (nl) spricht für den Antrag. .

Abg. Pallaske (kon): Wir werden in der Kommission den Antrag pruͤfen mit der Gewissenhaftigkeit, welche die Lage unserer Finanzen erfordert, aber auch mit dem Wohlwollen, auf das die Be⸗ amten berechtigten Anspruch haben.

Abg. Felisch (kons.) schließt aus der Abwesenheit der Vertreter der Jusfizverwaltung, daß diese keine Einwendungen gegen den Antrag

zu erheben habe, und erklärt im Namen vieler seiner Freunde, daß diese ganz und gar auf dem Boden des Antrags . tehen. Bie Abgg. Hamm er (kons.) und von Eichel (kons.) erklären sich ebenfalls für den Antrag Faltin. Der Antrag Faltin wird der XV. Kommission überwiesen.

Es folgt der Antrag der Abgg. Graf von Strachwitz⸗ Bertelsdorf und Busch (Zentr)

„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, im Bundesrat dahin zu wirken, daß die durch den Beschluß des Reichstags vom g. März d. J. beantragte Vergünstigung für die Mann⸗ schaften des stehenden Heeres und der Kaiserlichen Marine durch die Einstellung der dafür erforderlichen Mittel in den nächsten Reichshaushaltsetat verwirklicht werde.“

Der Reichstagsbeschluß lautet:

„die verbündeten Regierungen zu ersuchen, den Mannschaften des stehenden Heeres und der Katserlichen Marine im Falle der Urlaubserteilung alljährlich für eine Reise in die inet und für eine entsprechende Rückreise in die Garnison freie Fahrt auf den deutschen Gisenbahnen zu ermöglichen.“

Die Abgg. Fischb eck (fr. Volksp.) und Genossen bean⸗ tragen,

den Antrag auch auf den zweiten Reichztagsbeschluß vom 9. März 1904 zu erstrecken, nach dem die Vergünstigang der freien Eisenbahn⸗ fahrt im Falle der Urlaubterteilung alljährlich oder doch mindestens einmal während der Dienstzeit gewährt werden und dabei tunlichst die Benutzung der Schnellzüge gestattet sein soll.

Abg. Fischbeck erklärt, daß seine Freunde für den Antrag des Grafen Strachwitz stimmen werden. Nach den augführlichen Debatten im Reichstage über diesen Gegenstand wolle er nicht weiter darüber sprechen. Im Reichstage seien zwei Anträge angenommen worden, ein Antrag des Abg. Dr. Beumer und ein Antrag der Frei⸗ sinnigen, welcher letztere wünsche, daß auch die Benutzung der Schnell⸗ züge den beurkaubten Soldaten gestattet werde. Jetzt sei diese nur bei sehr großen Entfernungen oder bei einem Urlaub von weniger als acht Tagen gestattet; über dieses Maß könne man sehr wohl hinausgehen, soweit es die Dauer des Urlaubs betreffe. Von einem Mißbrauch könne keine Rede sein, da in dem Antrage selbst tunlichst' gesagt sei. Der Redner beantragt, beide Anträge der Budgetkommission zu überweisen. .

Abg. Jun ghenn (ul.) bemerkt, daß seine Freunde dieser An- gelegenheit dieselbe Sympathie entgegenbringen, wie die Fraktion im Reichstage. Wenn der Antrag im Bundesrat zur Sprache komme, werde hoffentlich der Eisenbahnminister in Erinnerung an seine mili⸗ tärische Laufbahn das fiskalische Bedenken zu unterdrücken versuchen.

Abg. Felifch (kons.) spricht die Sympathie seiner Freunde für den Antrag aus, wenn fie auch nicht verkennen wollten, daß die Eisen⸗ bahnverwaltung dadurch eine Einbuße erlitte. Es empfehle sich die NUeberweisung an die Budgelkommission. /

Abg. Br. Dahlem GZentr.) stellt sich ebenfalls auf den Boden des Antrages; es sei in sozialer und wirtschaftlicher Beziehung von Bedeutung, daß dem Soldaten die Verbindung mit der Heimat er= möglicht werde. . .

Beide Anträge werden darauf der Budgetkommission über⸗ wiesen.

Es folgt dann noch die Beratung von Petitionen.

Eine Petition des Magistrats und der Stadtverordneten zu Westerburg wird, soweit die Errichtung eines Amtsgerichts in Westerburg beantragt wird, durch Uebergang zur Tagesordnung er⸗ sedigt, soweit die Einrichtung von Gerichtstagen beantragt wird, der Regierung zur Erwägung überwiesen, nachdem sich Abg. Dr. Dahlem (Zentr.) zu Gunsten der Stadt Westerburg ausgesprochen und ein Regierungskommissar erklärt hat, daß die Sache mit Wohl⸗ wollen werde geprüft werden. . ;

Außerdem werden einige Petitionen persönlichen Inhalts erledigt.

Schluß nach / Uhr. Nächste Sitzung: Mittwoch, 11 Uhr. (Gesetzentwurf über die Erweiterung des Hafens in Ruhrort; Gesetzentwurf zur Erschwerung des Vertragsbruchs landwirtschaftlicher Arbeiter) . ;

Auf eine Anfrage des Abg. Kirsch (Zentr.) über die ge⸗ schäftliche Disposition erwidert der Praͤsident von Kröcher, daß der ganze Donnerstag und der Freitagvormittag für Kommissionsarbeiten frei bleiben sollen.

Literatur.

Der soeben erschienene XXVI. Jahrgang der Veröffent⸗ lichungen aus dem Archip der Deutschen Seewarte hat fol⸗ genden Inhalt: Ueber die Berechnung von Monddistanzen mit Hilfe der Mercatorschen Funktionen. Von Professor Dr. C. Börgen. Mit einer im Texte gegebenen Figur; Bestimmung der Pol höhe der Stern⸗ warte zu Heidelberg und ihrer Variation. Von Br. August Caspar. Mit 3 im Terte gegebenen Figuren; Die tägliche Variation der magnetischen Deklinatlon, eine Untersuchung über die physikalische Be⸗ deutung der harmonischen Analyse. Von Dr. A. Nippoldt jr; Die Drehung der Winde an der deutschen Küste im täglichen und jähr⸗ ichen Gang. Von Dr. L. Großmann. Mit 3 im Texte gegebenen Figuren und einer Tafel mit Diagrammen als Anhang; Ueber die Gänge der Normaluhren der Deutschen Seewarte. Von K. Heuer; Definitire Bahnbestimmung des Kometen 18337 II (Brooks)

Nr. 5 des 21. Jahrgangs der Zeitschriit Das Wetter“, Monatsschrift für Witterung Ccande g frauen en von Professor Dr. Aßmann 66 von Otto Salle, Berlin), hat folgenden Inbalt? Ber Zuftand der Atmosphäre an Nebeltagen. Von Dr. B. Elias. Uebersicht über die Witterung in Zentraleuropa im März 1904. Die Temperaturverhältnisse im Mär 1904 unter etwa ho N. Br. Die Schneeverhältnisse im Gebiet des Fichtel berges am 9g. und 10. März 1904. Von Professor P. Schreiber. Ein Wetterjahr auf dem Gotthard-Hospiz. Zum Klima von Lüdenscheid. Dreijährige Temperaturmessungen in Erdtiefen von 20, 40 und 100 Zentimeter in Lüdenscheid. Referate. Meteoro⸗ logische Notizen. Wetterdienst. Kartenbeilage: Monats Isobaren und ⸗Isothermen von Europa sowie Tire n ff, in Zentral europa. Gang der Temperatur in den höheren Lu tschichten über Berlin. w ;

Das im amtlichen Auftrage vom Kaiserlichen Rechnungsrat im Reichseisenbahnamt Stto Schmidt herausgegebene, nunmehr mit dem ‚Pferdekursbuch! der Militärverwaltung verschmolzene Kurs⸗ buch i die Bez rderung von Vieh und Pferden auf den' deutschen Eisenbahnen (E. S. Mittler u. Sohn in Berlin SW. 12) ist soeben in 4, die diesjährigen Sommer⸗ sahrpläne enthältender Ausgabe, erschienen (Preis 2 4). Dle vorliegende Sommerausgabe, in der die von den Eisenbahn⸗ verwaltungen für die Beförderung von Militãrpferden festgesetzten Zugverbindungen besonders gekennzeichnet sind. umfaßt 33 Druckbogen im Format des Reichskursbuches und enthält die ann n. aller Vieh und Eilgüterzüge, der gemischten Züge, der für den Vieh⸗ sernderkehr in Betracht kommenden Güterzüge und der zur Viehbeförderung freigegebenen Personenzüge auf den Haupt⸗ eisenbahnen; ferner eine Zusammenstellung der wichtigeren Be⸗ stimmungen für den Viehverkehr, Befoͤrderungsvorschriften der Gifenbabhnen, die Verkehrsbeschränkungen infolge veterinär⸗ polizeilicher Anordnungen und die Beförderungspreise der Staatsesfenbahnen; endlich ein Verzeichnis der wichtigeren zwischen den Eisenbahnverwaltungen vereinbarten Zugverbindungen für die Beförderung von Vieh in Wagenladungen und für die Beförderung von Milttärpferden, ein Verjeichnis sämtlicher Nebenbahnen, ein

alphabetisches Stationsverzeichnis und eine Uebersichtskarte der deutschen Eisenbahnen.