z 67
An Stelle des am 1. April d. J. in den Ruhestand ge⸗ tretenen Senatspräsidenten des Oberverwaltungsgerichts, Wirk⸗ lichen , Rats D. von Meyeren ist der vortragende Rat im Ministerium des Innern, Geheime Regierungsrat Heinrichs vom 1. Juni d. J. ab zum Mitgliede des Ge⸗ e, . zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte ernannt worden.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. Flußkanonen⸗ boot „Vaterland“ am 7. Juni von Nanking abgegangen.
S. M. Torpedoboote „S 90“ und „Taku“ sind an demselben Tage von Tsingtau nach Schanghai in See ge⸗ gangen.
Sachsen.
Seine Majestät der König hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, einige Stunden außer Bett zugebracht und während der Nacht mit Unterbrechungen geschlafen. Der Appetit ist rege, aber der Kräftezustand läßt noch viel zu wünschen übrig; auch eine Besserung der katarrhalischen Erscheinungen ist bis jetzt nicht eingetreten.
Württemberg.
Die Kammer der Standesherren nahm gestern, wie W. T. B.“ berichtet, entgegen einem Beschlusse der Kammer der Äbgeordneten vom 5. Februar vorigen Jahres, nach dem die Bezirks— schulaufsicht in der Regel als Hauptamt ausgeübt werden soll und als Bezirksschulaufseher im Hauptamt Schul männer oder Geistliche angestellt werden sollen, mit 13 gegen 11 Stimmen einen Antrag des Fürsten Qua dt an, der die. Bezirks- schulaufsicht im Hauptamt; zuläßt, als Bezirksschulaufseher aber ausschließlich Geistliche beider Konßfessionen ange— stellt wiffen will. Der Ministerpräsident von Breitling jog hierauf die Volksschulnovelle zurück und Lab im Namen der gesamten Regierung folgende Erklärung ab: Die Königliche Staatsregierung ist überzeugt, daß der du rch die Rücksicht auf die gedeihliche Entwickelung der Volksschule gebotene Regierungsentwurf berechtigten kirchlichen Intereffen in keiner Weise zu nahe tritt, und erachtet sich für verpflichtet, darauf hinzuwelsen, daß eine in der Kammer der Standesherren erfolgte Ablehnung des Entwurfs über dessen nnmittelbaren Bereich hinaus die vorhandenen Gegensätze auf dem Gebiet des Verhältnisses von Staat und Kirche zur Schule in ernstem Maße verschärfen und die auf einen Ausgleich dieser Gegensätze ge⸗ richtete Politik der Regierung erschweren müsse, Nach Zurückziehung des Gesetzentwurfs, betreffend die Volksschule, brachte der Erbprinz von Lözwenstein⸗Wertheim⸗Rosenberg einen Initigtiv⸗ gefetzentwurf ein, auäß dem der Art. 4 des bisherigen Gesetz= entwuͤrfs, an dem dieser gescheitert ist, ausgeschieden ist. Dieser Entwurf wird heute in der Kammer der Standesherren zur Ver— handlung kommen.
Baden.
In der gestrigen Sitzung der Ersten Kammer eiklärte, dem . W. T. B. zufolge, der Skaatsminister von Brauer bei der Be- ralung des Cifenbahnbetriebsbudgets, er bedaure, daß der Zeitpunkt für die Schaffung von Reichteisenbahnen verpaßt sei. Baden denke nicht daran, mit Preußen in eine Eisenbahngemeinschaft zu treten, wie dies Hessen getan habe. Eine Betriebsmittelgemeinschaft sei geboten, und in dieser Beziehung habe in Frankfurt eine vertrauliche Besprechung stattgefunden, der Minister von Budde und er selbst beigewohnt habe. Weitere Schritte würden geprüft werden. Auch die Personentariffrage sei be⸗ spröchen worden; bier lägen die Schwierigkeiten bei Baden, das ungern das Kilameterheft aufheben wolle und die Einführung der vierten Wagenklasse zurůckweise.
Mecklenburg⸗Strelitz. Gestern mittag um 12 Uhr fand in Mirow die Beisetzung
der Leiche weiland Seiner Königlichen Hoheit des Groß⸗ herzogs von Mecklenburg-Skrelitz statt. Die Groß⸗ herzogliche Familie war gegen 11 Uhr mittels Sonder⸗ zuges dort eingetroffen. Während Ihre Königlichen Hoheiten die Großherzogin-Witwe und die Groß⸗ herzogin sowie Ihre Hoheiten die Herzoginnen Marie und Jutta sich zunächst nach dem Schlosse und von da nach der Kirche begaben, hatten sich Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und der Erbgroßherzog sowie Ihre Hoheiten die Herzoge dem Leichenzug an dem Tor der Stadt angeschlossen. Der Hofprediger Horn hielt die Leichenrede. Nach der Einsegnung wurde die Leiche in der in der Kirche befindlichen Gruft beigesetzt.
Oesterreich⸗ Ungarn.
In Gmunden fand gestern abend, wie „W. T. B.“ meldet, in aller Stille die Ueberführung der Leiche der Prinzessin Marie von Hannover in die Schloß⸗ kapelle statt.
Die Session der Delegationen ist gestern in Budapest unter begeisterten Hochrufen auf den Kaiser und König geschlossen worden. In Beantwortung einer Interyellation, betreffend eine angeb⸗ liche Zusicherung von 8 . für die Einfuhr von italienischen Weinen, bemerkte der Minister des Auswärtigen Graf von Go— lIuchows ki, er könne kurz und bündig erklären, daß bei seiner Be— gegnung mit dem Minister des Auswärtigen Tittoni in Abbazia in bezug auf die Weinzollfragen keinerlei Vereinbarungen getroffen seien.
Großbritannien und Irland.
Der Erzherzog Friedrich von Oesterreich, der dem König Eduard den ihm vom Kaiser von Oesterreich verliehenen Feldmarschallstab überbringt, ist, wie . meldet, gestern nachmittag in London eingetroffen.
Im Unterhause fragte David Morgan gestern an, ob die Re. gierung eine Information bezüglich eines Abkommens oder eines Handelsvertrags zwischen Deutschland und Rußland habe. Der Unterstaatssekretär des Aeußern Earl Percy erwiderte, er wisse, daß eine derartige Meldung in auswärtigen Blättern erschienen sei, sie sei aber unbegründet. Auf eine weitere Anfrage erklärte Earl Percy, daß kein formeller Meinungsaustausch zwischen England und Marokko, das englisch - französische Abkommen betreffend, statrgefunden habe.
Das „Reutersche Bureau“ berichtet, aus einer über die Verwaltung des Congostaats veröffentlichten Korre— spondenz gehe hervor, daß die Regierung des Congo— staats um die Namen der Zeugen gebeten habe, die die in dem Bericht des englischen Konsuls Casement enthaltenen Angaben gemacht hätten. Der Minister des Aeußern Marquis of Lansdowne habe hierauf, für den Fall, daß die Namen angegeben würden, Garantien für den Schutz der in Frage kommenden Personen verlangt. Die Congo⸗ regierung habe jedoch in ihrer Antwort keine Garantien egeben, die Lord Lansdowne als befriedigend habe ansehen
die Vornahme einer strengen und unparteiischen Untersuchung r er, ie die Congoregierung bereits zugesagt habe, aber inzugefüͤgt, daß unter den besonderen, nunmehr eingetretenen Verhältnissen eine von den Beamten des Congostaats oder von An⸗ gestellten der konzessionierten Gesellschaften vorgenommene Unter⸗ suchung weder unparteiisch noch überzeugend sein würde. Er habe daher die Einsetzung einer besonderen Kommission vor⸗ geschlagen, die damit beauftragt werden solle, die Untersuchung anzustellen. Dieser Kommission sollten Personen von aner⸗ kanntem Rufe, die in feiner Verbindung mit dem Congostaat ständen, angehören, und es sollten ihnen Vollmachten gegeben werden, Zeügen zu vernehmen. Die englische Regierung werde der Kommisston jede Mitteilung zur Verfügung stellen, die
sie besitze. NRußland.
Die von einer besonderen Konferenz für die Bedürf⸗ nisse der Landwirtschaft angeregte Beschränkung der übermäßig großen Zahl von Feiertagen hat, wie die „Gesetzsammlung“ meldet, ihre Erledigung durch, das sanktionierfe Gutachten des Reichsrats gefunden, nach dem die Obrigkeit der freiwillig verrichteten Arbeit an Sonn— und Festtagen fortan keinerlei Hindernisse in den Weg legen darf.
Türkei.
Die Pforte hat den Botschaftern der Entente— mächte, wie das Wiener „Telegr.Korresp.Bureau“ berichtet, offiziell mitgeteilt, daß das Arrangement zwischen dem Finanz⸗ ministerium und der Ottomanischen Bank bezüglich der Gargntierung des Jahresbudgets für die Reform der maze— donischen Gendarmerie am 5. d. M. unterzeichnet worden sei.
Die Botschafter der Ententemächte haben bei der Pforte Schritte getan, um zu bewirken, daß die seit der Annahme des Fehrugrreformprogramms bestehende, auf die Durchführung der Reformen bezügliche Intervention ihrer mazedonischen Konsuln, die sich sehr bewährt habe, in vollem Um— fange bestehen bleibe. In letzter Zeit hätten nämlich die Wilgjets— behörden diese Intervention umgehen wollen, wobei sie sich auf eine von der Pforte erteilte Dienstinstruktion stützten, der zufolge die Intervention nur durch die Zivilagenten zu erfolgen habe. Ferner verlangen die Botschafter eine schriftliche Kopie des mit der Banque ottomané abgeschlossenen Abkommens be— züglich des Jahreshudgets der mazedonischen Gendarmerie.
Die Pforte hat das von Griechenland angestrebte Schiedsgericht der Großmächtze in der Frage der Ge⸗ werbesteuerstreitigkeiten abgelehnt. Die Pforte erklärte, die Gewerbesteuerabgaben der griechischen Untertanen betrügen etwa 150 000 Pfund, auf die sie, abgesehen von ihrem Recht, angesichts der gegenwärtigen großen, durch die Reformen ver— ursachten Ausgaben nicht verzichten könne.
Serbien. Der König wird sich, dem „W. T. B.“ zufolge, am 27. d. M. nach Kruschewatz zur Enthüllung des Denkmals für die in der Schlacht auf dem Amselfelde Gefallenen begeben.
Bulgarien.
Wie das Wiener „Telegr⸗Korr⸗Bureau“ aus Sofia be— richtet, überreichte geftern eine Abordnung von Flücht— lingen aus dem Wilajet Adrianopel den Vertretern der Großmächte ein Memorandum, worin die trostlose Lage der Flüchtlinge geschildert und Schutz und Hilfe erbeten wird. Ein wirklicher Schutz für die Zurückkehrenden, heißt es in der Bittschrift, und die einzig mogliche Garantie gegen Gewalt— taten könne nur von christlichen Kontrollorganen, die von den Mächten einzusetzen seien, erwartet werden. Die Abordnung wurde auch von dem Ministerpräsidenten und dem Minister des In nern empfangen, die Unterstützung und Abhilfe zu— sagten.
Tatarscheff stellt die Nachricht von der Vorbereitung von Dynamitanschlägen entschieden in Abrede; der Insurgent, der solche Geständnisse abgelegt habe, sei ein Montenegr iner, der, von den türkischen Behörden eingeschüchtert, falsche Aus⸗ sagen gemacht habe. Die türkisch⸗bulgarische Grenze sei derart bewacht, daß eine Ueberschreitung in Gruppen von 15 bis 20 Mann undenkbar sei; übrigens habe die Sache der inneren Organisation eine Unterstützung aus dem Fürstentum weder jemals angestrebt noch auch erhalten.
Amerika.
Der frühere Staatssekreiär Foster hat, wie „W. T. B.“ erfährt, im Namen der amerikanischen Missions— gesellschaften den Staatssekretär Hay gebeten, auf die Pforte einen Druck auszuüben zur Regelung der Ansprüche der Missionen an die Türkei wegen der Vernichtung von Eigen— tum und wegen der Beraubungen während der letzten 10 Jahre. Der Staatssekretär Hay versprach, der Angelegenheit unver⸗ züglich seine Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Ein Gesetzentwurf, betreffend die Reorganisation der Marine, ist gestern in der brasilianischen Kammer der Ab geordneten eingebracht worden. Der Entwurf sieht den Ankauf von 28 Schiffen vor, darunter drei Schlachtschiffe und drei Panzer- kreuzer. Beim Bau der Schiffe sollen englische Werften bevorzugt werden. Der Entwurf dürfte die Zustimmung der Regierung finden.
Asien.
Die „Russische Telegraphen⸗Agentur“ hat, wie W. T. B.“ aus St. Petersburg meldet, nachstehende Meldung aus Liaujang vom gestrigen Tage erhalten: Chinesen be— richteten, am 6. d. M. hätten mehrere sehr energische Angriffe auf Port Arthur gleichzeitig zu Lande und zu Wasser stattgefunden. Die Angriffe seien mit großen Ver— lusten und unter Vernichtung eines Drittels der japanischen Armee zurückgeschlagen worden. Die Stellung der Japaner bei Kwantung s i sehr schwierig. Dieselben Quellen meldeten ein Gerücht von der Vereinigung der beiden russischen Geschwader vor Port Arthur, ebenso, daß eine Seeschlacht stattgefunden habe, in der vier große japanische Schiffe zu Grunde gegangen seien.
Der „Russischen Telegraphen⸗Agentur“ wird aus Mukden vom gestrigen Tage gemeldet, daß nach den dort eingetroffenen Nachrichten ein aus 9 Schiffen bestehendes ja panisches Geschwader seit dem 7. d. M. die Küste zwischen Sse— niutschen und Kaitschou beschieße.
Aus Tokio meldet das „Reutersche Bureau“, vier Kanonenboote hätten am Montag um Mitternacht eine genaue Rekognoszierung bei Port Arthur zwecks Untersuchung der Einfahrt unternommen. Sie seien einer scharfen Be⸗ schießung ausgesetzt gewesen, wobei das Kanonenboot Nr. 4 achtmal getroffen worden sei und einige Havarie erlitten
5nnen. Letzterer habe darauf am 6. d. M. in einem Schreiben
habe. Ein Matrose sei getötet, zwei seien verwundet worden.
Der britische Gesandte in Peking hat es ab⸗— gelehnt, den vorgeschlagenen J für die Anwerbung von Arbeitern aus Nordchina für den Randdistrikt in Südafrika zu sanktionieren. Der Ge⸗ sandte erwäge eine Abänderung des Vertragsentwurfes.
Afrika.
Dem „Standard“ wird aus Pretoria gemeldet, nach einer dort eingegangenen amtlichen Depesche seien im Bezirk Zoutpansberg unzweifelhaft Weiße von Einge— borenen ermordet worden. Da die Buren gedroht hätten, die Gegend zu . wenn ihnen nicht hin— reichender Schutz gewährleistet werde, sei eine Abteilung der südafrikanischen Polizeitruppe an die Grenze entsandt worden. Der General Beyers sei in der letzten Nacht mit Wissen der Regierung nach Norden abgereist, um zur Bewaffnung der Buren an der Grenze 500 Feuerwaffen zu verteilen.
Der Admiral Chadwick hat, wie „W. T. B.“ be— richtet, aus Tanger folgende Depesche an das Marine— departement in Washington gesandt: Ich habe auf das Ersuchen unseres hiesigen Generalkonsuls in der belgischen Gesandtschaft eine Wache aufgestellt. ö
Gestern wurde, einer Meldung der „Agence Havas“ zu⸗ folge, in der Moschee zu Tanger ein Brief des Sultans verlesen, wonach der bisherige Gouverneur von Tanger abge⸗ setz und Elhafid Barzada zum Gouverneur ernannt wird; damit ist eine der Bedingungen Raisulis für die Freilassung Perdicagris erfüllt worden.
Nach einer nach Paris gelangten Meldung ist es nicht der Thronprätendent Bu Hamara, sondern der Häuptling Bu Amama, der sich dem Sultan von Marokko unter— worfen hat.
Parlamentarische Nachrichten.
. Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten be— finden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (94) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner beiwohnte, stand zunächst der Gesetzentwurf, betreffend die Bekämpfung der Reblaus, zur dritten Beratung.
In der Generaldiskussion führt der
Abg. Schulze (Soz) aus, daß seit 1881 bis heute von einer Einschränkung der durch die Reblaus angerichteten Ver⸗ wüstungen in den Weinbergen nicht gesprochen werden könne. In Elsaß Lothringen habe man den Kampf als aussichtslos be⸗ reits fast ganz aufgegeben. Abwehr sei überhaupt nicht möglich, Erfolg verspreche nur die Vorbeugung. Aber bei jeder Vieh⸗ euche sei die Durchführung von Vorbeugungsmaßregeln bei weitem leichter als gegenüber der Reblausgefahr. Um zu retten, was zu retten sei, müsse das Ausrottungsverfahren so streng wie möglich durchgefübrt werden. Notwendig sei dazu die eifrigste und energischste Mitwirkung der Weinbergbesitzer; daran habe es aber bisher mehrfach gemangelt. Es liege hier nicht eine Finanz⸗ frage, sondern eine hervorragende Kulturfrage vor; an den Kosten dürfe man also keinen Anstoß nehmen, und es sei selbstverständlich, daß auch die Hesitzer selbst, zu diesen Kosten herangezogen werden müßten. Die Fürsorge für die kleinen Winzer stelle sich seine Partei nicht so vor, daß diefe Kosten unter allen Unständen von der All⸗ gemeinheit getragen werden müßten. Redner beziebt sich zum Schluß auf einen von ihm gestellten Antrag, der besagt, daß die Be⸗ stimmungen über die Grundsätze der Eimittelung der Entschädigung und darüber, von wem sie zu gewähren ist, von den Bundesstaaten zu treffen sind. Weiter wird darin gesagt: „Werden Interessenten- verbände zur Aufbringung Ter, Entschädigung oder eines Teiles der⸗ selben gebildet, so sind die Beitrogssätze progressiv nach dem Ertrag des dem Weinbau dienenden Besitzes zu gestal ten.“
Abg. Erzberger (Sentr): Wir werden die len Antrag natürlich
ablehnen. Es scheint mir eine Intonsequenz zu sein, wenn man das Ausrotiunge verfahren streng durchführen will, ohne die Mittel anzugeben, wie das gemacht werden soll und wie die kleinen Weinbauern finanziell dabei fahren sollen. Es ist nicht richtig. daß den Weinbauern voller Erjatz gewährt werden soll; für das Kulturverbot wird teine Entschädigung gewährt. Wenn der Vorredner plötzlich ein warmes Herz für die Ginzelstaaten bekundet, denen er freie Hand lassen will, muß das bei den Sozialdemokraten wirklich überraschen. Da⸗ gegen wundert es mich nicht, daß Herr Schulze heute seinen faux-pas von neulich in Bergessenheit zu bringen und seinen Standpunkt den kleinen Wigzern schmackhaft zu machen sucht. . Abg. Dr. Blankenhorn (ul.): Der Kampf gegen die Reblaus ist nicht ergebnislos gewesen, das wird in der Begründung zur Vor— lage nachgewiesen; Herr Schulze scheint diese nicht gelesen zu haben. Auch wir werden den Antrag der Sozialdemokraten ablehnen. Der erste Teil des Antrags enthält nichts Neues, sondern die ursprüngliche Vorlage, gegen die sich die ganze Kommission schließlich erklärte. Der letzte Satz richtet sich gegen die größeren Weinberabesitzer, wülde aber in Wirklichkeit gerade auch den kleinen Winzer treffen. Zu den vielen Feinden des Winzers und des Weins, zu den Läusen, Würmern und Spinnen, gesellt sich nun auch die Sozialdemokratie. Ich hoffe, das Haus wird die Sozial⸗ demokraten mit ihrem Antrag allein lassen.
Abg. Dr. David (Sz); Auch Herr Erzberger machte heute wieder den Versuch, die Darstellung, welche Herr Gröber von den Ausführungen meines Parteifreundes Schulze in der zweiten Lesung gegeben hat, zu retfen. Herr Gröber meinte, unser Vertreter habe ausgeführt, es sei nicht die Aufgabe der sozial demokiatischen Fraktion, die Interessen der Kleinbauern wahrzunehmen, während Schulze sagte, es käme uns in erster Linie darauf an, ein Gesetz zum Schutz des deutschen Weinbaues zu machen. Aus dieser Erklärung ist das dirckte Gegenteil gemacht worden. Man hätte von dem Abg. Gröber erwartet, daß er loyal genug ist, zuzugestehen, daß er die Rede meines Parteifreundes Schulze unrichtig cufgefaßt hat. Der Abg. Schul ze hat auch nicht etwa nach⸗ träglich sein Stenogramm geändert. Wir möchten nicht, daß sich im polstischen Leben der Grundsatz festsetze, daß man wider seine nächsten Freunde Zeugnis ablegen dürfe. Der springende Punkt in dieser ganzen Sache liegt darin, die Gleichgültigkeit der Winzer in der Bekämpfung der Seuche zu beseitigen. Die Mittel für das Aus—= rottungoverfahren wollen wir keineswegs verweigern, denn wir haben ja für den betreffenden Gesetzesparagraphen gestimmt. Wir wollen nur nicht den Gedanken aufkommen lassen, daß man Lurch die Ent⸗ schädigung ein gutes Geschäft machen kann. DViesen Zweck verfolgt unser Antrag. Dadurch, daß man die Reicheren schärfer heranzieht, kann man die Kleinen entlasten oder eventuell vollständig frei lassen. Wenn man uns Sozialdemokraten als Feinde des Winzer⸗ standes bezeichnet, so befinden wir uns in guter Gesellschaft mit der Regierung, denn wir haben uns auf den Boden der Regierungsvorlage gestellt in diesem Punkte. Wir vertreten damit die Interessen der kleinen Winzer.
(Schluß des Blattes)
SEtatistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiter bewegung.
Die Bureauangestellten der Berliner Rechtsanwälte faßten in einer am Dienstag abgehaltenen öffentlichen Versammlung, ber „Deutschen Warte zufolge, folgende Resolution; Die Ver⸗ fammlung der Bureauangestellten der Berliner Rechtsgnwälte und Rotare nimmt mit Bedauern von dem Beschluß des Berliner Anwaltsverein, wonach der Abschluß eines korporativen AÄrbeitervertragsz abgelehnt wird, Kenntnis. Die Versammelten erklären, an den in dem Regulativ niedergelegten Forderungen festzu⸗ halten, und beauftragen die gemeinsame Kommission, weiterhin die geeigneten Schritte zu unternehmen, um geregelte Arbeits bedingungen herbeizuführen. Die Versammelten halten es für eine unahweis bare Pflicht der Regierung, durch gesetzliche Maßnahmen der Willkür der Inwaltschaft, insbesondere der übermäßigen Ausnutzung jugendlicher Arbeitskraft, einen Damm zu setzen.“
Unter den Schiff slot sen (Hauptern) der Elbe macht sich, wie die Magdeb. Zig.“ mitteilt, eine Bewegung zur. Erreichung höheren Haupterlohnes geltend. Die einzelnen Vereine in den verschiedenen Elborten haben sich gegen den jetzt bestebenden neuen Lohntarif ausgesprochen; sie gestehen eine Herab⸗ setzung des niedrigsten Satzes zu, wünschen aber auch eine wesenkliche Erhöhung des Höchstsatzes. Während einzelne Vereine für sofortiges Vorgehen zur Erzielung höherer Sätze sind, hahen andere beschlossen, den Ablauf des Geschäftes jahres der Privatschiffer⸗Trans⸗ porfgenossenschaft abzuwarten und dann ihre Entschließungen zu treffen.
Die Lohnbewegung der Federmefferschlägerei arbeiter in Solingen (vgl. Nr. 133 8. Bl.) ist, wie die Rh. Westf. Ztg.“ erfährt, jetzt durch den Abschluß eines Lohn, urd Arbeitstarifs be⸗ endet worden. In einer zahlreich besuchten Versammlung der Messer⸗ schläger wurde der Tarif, der bereits die Zustimmung der Messer· schlägereibesitzer gefunden hat, angenommen. Nach ihm tritt eine Erhöhung der Wochenlöhne ein; die Akkordlöhne, die gleichfalls teilweise erhöht werden, sind durch Preisverzeichnis festgelegt. Die gewöhnliche Arbeitszeit beträgt wöchentlich 58 Stunden; der Lohn wird waͤhrend der Arbeitszeit gezahst. Der Tarif bestimmt ferner, daß junge Leute unter 17 Jahren nicht als Messerschläger beschäftigt werden dürfen. Die erhöhten Lohnsätze sollen für Akkordarbeiter vom J. Februar und für Lohnarbeiter vom 1. Mai ab nachgezahlt werden.
Gine Lohnbewegung der Maurer in Bielefeld hat, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, zu keiner Verständigung mit den Arbeitgebern geführt. Diese haben angesichts der geringen Bautätigkeit die Forderung eines Stundenlohns von 5 und einer kürzern Arbeitszeit am Sonnabend abgelehnt. Daraufhin traten die Maurer zum Teil in den Ausstand. Ber den besser bezahlenden Meistern wurde weiter gearbeitet. bei den andern die Arbeit eingestellt. Die Arbeitgeber beschlossen nun, sämtliche Maurer auf die Dauer von sechs Monaten augzusperren, wenn bis Montag⸗ abend die Arbeit nicht wieder auf allen Baustellen bedingungslos aufge⸗ nommen sein würde. Der Bürgermeister Dr. Stabenhorst suchte zu vermitteln. Er empfing am Montag den Vorsitzenden des Maurer⸗ verbandes, der in der Lage war, ein Entgegenkommen der Gehilfen mitteilen zu können. Diese verzichteten auf den frühern Arbeitsschluß am Sonnabend und erklärten sich mit einem Lohne von 48 3 zu—⸗ frieden. Die Arbeitgeber lehnten indes weitere Verhandlungen ab, worauf die Maurer die allgemeine Arbeitseinstellung und das Fest⸗ halten an den ersten Forderungen beschlossen. Am Dienstag ruhte die Arbeit auf allen Bauten. ;
Der Schiedsfpruch des Einigungsamts in, dem Ausstand der Brauer in Hamburg (gl. Nr. 131 d. Bl.) ist, dem . W. T. B. zufolge, geftern veröffentlicht worden. In dem Spruche wird bemerkt, daß für die Arbeiter kein genügender Grund vorgelegen habe. in den Ausstand zu treten. Der von den Arbeitgebern angebotene Tarif ent⸗ halte gegen früher mehrfache Verbesserungen. Es könne den Arbeit⸗ gebern nicht zugemutet werden, sämtliche ausständigen Arbeiter sofort wieder einzustellen. Die Arbeitgeber versprechen jedoch, die Arbeiter nach und nach ohne Maßregelungen nach Bedarf wieder einzustellen. Die Parteien müssen sich bis zum 13. d. M. erklären, oh sie sich dem Schiedsspruch unterwerfen wollen. Von seiten der Brauereien ist dies bereits gestern gescheben. ö . . .
Infolge von Verhandlungen, die der Präfekt eingeleitet hatte, ist, wie W T. B.“ meldet, der Konflikt mit den Dockarbeitern in Marseille gelöst. Die Arbeit wird demnächst wieder aufgenommen werden. Die Frage des Ausstands der Offiziere der Handels⸗ marine ailt als beseitigt. (vgl Nr. 13 d. Bl.)
In Barcelona haben, nach einem Telegramm des W. T. B.“ die Gärtnereiarbeiter die Arbeit niedergelegt. Die Aue ständigen drangen in mehrere Gärtnereien ein, verwüsteten die Anlagen und griffen die Besitzer tätlich an; von der Gendarmerie, welche die Ord⸗ nung wiederherstellte, wurden mehrere Verhaftungen vorgenommen.
Kunst und Wissenschaft.
Der wissenschaftliche Beirat für das von der Carnegie⸗Stiftung begründete Internationale erdmagnetische Institut Gergl. den Artikel in Rr. 129 d. Bl.) ist nunmehr ernannt und setzt sich aus folgenden Herren zusammen: Professor Arthur Rücker in London; Professor E. Masegrt, Direktor des Meteorologischen Zentralbureaus von Frankreich, in Paris; Professor Ad. Schmidt, Vorsteher der magnetischen Abteilung des Preußischen Metereologischen Instituts, in . Professor Arthur Schuster, Direktor des physikalischen Instituts am Owens College in Manchester; und, speziell für die Probleme der Luftelektrizität, den Herren Professor J. El ster und H. Geitel in Wolfenbüttel.
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Das ländliche Kleinkreditwesen in Aegypten und die Agricultural Bank of Egypt. Vom landwirtschaftlichen Sachverständigen bei dem Kaiserlichen Generalkonfulat in Kairo, Gutsbesitzer Dr. A. Preyer.
In der richtigen Erkenntnis, daß dem überaus verderblichen Treiben der Wucherer mit gerichtlichen und landesgesetzlichen Maß⸗ regeln sehr schwer beizukommen wäre, und daß außerdem eine leichte und einfache Kreditgewährung an die Bauern ein unabweisbares Bedürfnis ist, hat die Regierung im Verein mit Kairiner Financiers vor kurzem ein Institut geschaffen, welches bestimmt ist, das länd⸗ fiche Kleinkreditwefen in ganz Aegypten umzugestalten. Am 17. Mai 1992 wurde durch Dekret des Khediven die Agricultural Bank of Egypt (als Soꝑiété angnyme Sgꝶyptienne) gegründet.
Das autorisierte Aktienkapital beträgt 3 500 9000 Pfd. Sterl., wovon 1250 000 Pfd. Sterl. vierprozentige eum. Vorzugsaktien Gur Hälfte eingezahlt), 1 240 000 Pfd. Sterl. gewöhnliche Aktien (voll ge⸗ zahlt) und K 606 Pfd. Sterl. eingezahlte Gründeraktien (Def-Shares); ferner 2 500 000 Pfd. Sterl. Obligationen, welche im laufenden Jahre, zu 35 — 40,9 verzinst bar, begeben werden sollen. Aus den Statuten der Bank ist folgendes hervorzuheben:
Die Gesellschast steht unter der Leitung eines Verwaltungsrats, in welchem der Gouverneur der National Bank of Egypt den Vorsitz fübrt und in dem sich 7 Mitglieder befinden, wovon 3 Ver⸗ waltungsräte der National Bank of Rgybpt. Die Regierungs⸗ kommissare, welche vom Finanzministerium zur Kontrolle der National Bank of Egypt deleglert sind, werden damit beauftragt, gleichzeitig die Statuten und die Tätigkeit der Agricultural Bank of Egypt zu beaufsichtigen.
Die Bauer des Gesellschaftsvertrags ist auf 50 Jahre festgesetzt, beginnend mit dem 1. Juni 1902. :
Die Agricultural Bank of Egypt hat den (inzigen Zweck, Geldsummen an die Kleinbauern auszuleihen zu den folgenden Be— dingungen:
1) Darlehen im Betrage von nicht über Soo, 1. E., rück- zahlbar in spätestens 109 Jabren. Ein Darlehen dieser Art ist sicherjustellen durch eine erfte Hypothek auf Ländereien im tatsãchlichen Wert mindestens von dessen doppelten Betrage.
lichen Steuereinnehmer Sarraft),
2) Darlehen im Betrage von nicht Über ie L. H. 20, rüchzahlbar in a , 8 Monaten. (Die einzige Sicherheit hierfür bildet die ju erwartende Ernte des Schuldner .
Ber Zinzfuß darf nicht d öo jährlich üherschriten und hat sich in jedem Falle in den Grenzen beg geseßlichen Maximalzinsfußes zu halten. Pie Ginkaffierung der fälligen Summen, Zinsen sowohl als Kapitalien, geschieht am Fälligkeitstermin durch Vermittelung der länd⸗
welche für ihre Bemühungen pon der Bank Foso der einkassierten Beträge als Kommission erhalten. Die in Rückstand geratenen Darlehensrückzahlungen sind von eignen Agenten der Bank einzutreiben. Die Bank bezahlt außerdem dem Finanzministerium die diesem durch die Anstellung besonderer Be⸗ amten' für vorstehende Dienstleistungen entstandenen Kosten.
Die Einnahmen der Bank bestehen:
FH in den jährlich effeftio einkassierten Darlehenszinsen, J in den aus früheren Jahrgängen rückständigen und jetzt effektiv zurückgezahlten Darlehen. .
Hiervon sind in Abzug zu bringen,
H) alle laufenden Ausgaben der Bank, .
2 der Betrag aller in dem Geschäftsjahr fälligen und nicht zurückerhaltenen (also in Rückstand geratenen) Darlehen.
Die Differenz zwischen beiden bildet den Reingewinn.
Von demselben werden vorweg genommen: ö
I die zur Verzinfung der Obligationen nötigen Beträge. Im Falle die von der Bank zu zahlenden Obligationszinsen, auf den Emissionsbetrag der Obligationen gerechnet, einen geringeren Zinsfuß als 46g autzmachen, sst die Differenz bis zu effektix 40,0 jührlich dem Reservefonds zuzuführen; dies gilt fuͤr eine etwaige Emission unter pari;
2D) 8 oo der gesamten eingezahlten Darlehenszinsen sind dem Reserbefonds zu überweisen; wenn diese eingekommenen Darlehens jinsen den Gesamtbetrag von 223 900 Pfd. Sterl. überschreiten, so sind von dem Ueberschuß 7 o/o der Reserve zu überweisen. Vorstehende Summe ist auf einen Zinsfuß von 8o/g berechnet und ist bei ginem etwaigen Sinken dieses Zinéfußes später in entsprechender Weise herabzusetzen. . . .
Die dem Reservefonds überwiesenen Summen sind in von der Regierung zu bezeichnenden Wertpapieren anzulegen; die Zinsen der letzeren sind dem Reservefonds beizufügen.
Der Rest des Reingewinns ist in folgender Reihenfolge zu verteilen: ö
1) Vorzugsaktien 4 0ͤj0 Zinsen;
2) H oso des Gewinns an die. National Bank of Egypt als Re⸗ munctratlon der bel der Gründung und dem Betrieb der Agricultural Bank geleisteten Dienste; . ö. ⸗ ; ö.
3) Ho o auf die gewöhnlichen Aktien. Vom Rest des Rein⸗ gewinns erhalten die gewöhnlichen Aktien 50 o/ o, die Gründeraktien ebenfalls 50 0, . U .
], während der 50 jährigen Dauer des Gesellschaftsvertrags die oben bezeichneten Einnahmen der Bank nicht hinreichen, um
1) die oben (unter 1 und 2) angeführten buchmäßigen Ausgaben bezw. Verluste des Geschäftsjahres zu decken und
2) einen Reingewinn im Betrage von 3510 des gesamten aus⸗ geliehenen Kapitals zu erübrigen, so ist der fehlende Betrag dem Re— serpefonds zu entnehmen. Wenn dieser nicht ausreicht, so verpflichtet sich die ägyptische Regierung, den dann noch fehlenden Betrag der Bank als Subvention bis spätestens zum 15. Februar eines jeden Jahres ju überweisen. Die in den folgenden Geschäftsjahren von den Fellahen einkaffierten, im vergangenen Jahre in Rückstand geratenen Darlehen, fließen dann in die Regierungekasse bis zur Begleichung des gezahlten Zubventionsbetrages. Die Regierungssubpvention erstreckt sich in der hier bezeichneten Art auch guf die Darlehen, welche aug dem im laufenden Jahre erst zu begebenden Obligationskapital der Gesellschaft auszuleihen sind. . ͤ
Für die Zeit vom 1. Juni 1902 bis 31. Dezember 1903 verteilte die Gesellschaft auf die gewöhnlichen Aktien 40;0 Dividende hei einer Ueberweisung an den Reservefonds von 7729, 3, — Pfd. Sterl. und einem Vortrag von 188,56,3 Pfd. Sterl. Der Gesamtbetrag der ein⸗ gekommenen Darlehen zinsen war 154 582, 19.7 Pfd. Sterl., wozu noch weitere 39 286,19, 11 Pf, Sterl. Darlehenszinsen fällig sind, welche dem laufenden Geschiftsjahr zugute kommen. Es wurden in dieser Zeit 55 Ol4 Darlehen im Gesammlbetrag von 1970 307 L. E. mit hypothekarischer Sicherstellung und 59 697 Darlehen im Gesamtbetrag von 380 8690 L. R. ohne solche ausgegeben. Am 31. Dezember 1903 betrug die Gesamtanzahl der bestehenden Darlehen 78 911, wovon 65 755 Darlehen im Betrage von 269I 157 L. E. mit hypothekarischer Sicherstellung und 13156 Dar⸗ lehen im Betrage von 104 684 L. H ohne solche. In den 66 755 hypothekarisch sichergestellten Darlehen sind die bei der Gründung der Agricultural Bank of Egypt, von der National Bank of Egypt zedierten Hyvothekendarlehen mit enthalten. Die Gesamtsumme der bestehenden Darlehen war ultimo 19093 2196 841 L. Hs dies entspricht efneim mittleren Betrage von 27 820 L. E. Millièmes auf ein Dar— lehn. Folgende Uebersicht gibt Aufschluß über die Verteilung und Höhe der verschiedenen Darlehn:
1) mit hypothekarischer Sicherstellung:
Darlehen von 20— 80 L E.. 660 — 100 L. H..
1o0— 150 L. RI ö. x 165 6, s7 65 766, 2) ohne hypothekarische Sicherstellung: . Darlehen von 1 L. E. u. darunter. 757 1—5 L NK. 596963 5 —20 L. H.. 6 434 13156 78911. In Verbindung mit der Kleinkreditgewährung nehmen die Agenten
26
der Agricultural Bank af Egypt Anträge auf Lieferung von Baum⸗ wollsaafgut entgegen. Dem Antragsteller wird zur Bezahlung des Saatgutes ein mäßiges Darlehen ohne hypothekarische Sicherstellung gewährt und gleich eitig übermittelt die Bank den Wunsch des Fellahen an die Khedivial Agrieultural Society welche schon seit einigen Jahren Baumwollsaatgut bester Beschaffenheit an bie Kleinkultidatbren siefert. Die letztere besorgt das benötigte Saatgut, welches alsdann durch die Steuereinnehmer des Gouvernements verteilt wird. Man verspricht sich von dieser Ein⸗ richtung sehr viel An bejug auf eine allgemeine Verbesserung der ägyptischen Baumwollparietäten, wie dies bisher schon in dem kleineren
irkungskreifse der Khedivia! Agricultural Soxriety bemerkbar war. — Ez besteht die Absicht, zunächst in zwei Distrikten auch einen Versuch mit einer entsprechenen Kombination von Kleinkredit⸗ gewährung und Verteilung von Düngemitteln zu machen.
leber die voraussichtliche spätere Vergrößerung und Ent⸗ wickelung der Agricultaral Bank of. Eęgpt geben einige kürzlich von der Direktion veröffentlichte Müteilungen Auf schluß. Um den Zweck der Bank, die n ng des ganzen länd- lichen Kreditwesens in Aegypten, durchzufũhren. bedarf es mindestens eines Kapitals von z0 606 000 Pfd. Ster. Ohne Zweifel wird eine lange Zeit nötig sein, um das gesteckte Ziel zu erreichen, aber die Unterstützung der Regierung, welche wohl auch in. Zukunft neue Obliaationgemissionen durch Zinsgarantie fördern wird, läßt das allmähliche Anwachsen des Gesellschaftskapitals möglich erscheinen. Ver Gewinn der Aktionäre soll aus der Differenz des Zinsfußes des gewalsigen Obligationskapitals (etwa 3h olo— 40) und dem landes⸗ üblichen Zinsfuß für die Darlehen, (gegenwärtig go / ) entspringen Der Fellah, welcher durch die Hilfe der Bank den Händen der Wucherer entgeht, soll die Vorteile eines ausreichenden Kredits bei mäßigem Zinsfuß zu seinem eigenen Nutzen genießen.
Die DOrganisation und Latigkeit der Agricultural Bank of Egypt ist in vorstehendem ausführlich dargelegt worden, da es sich daßei um eine Institumion handelt, welche, mit vorhandenen sehr komplizierten Verhältnissen rechnend in verschiedener Beziehung ganz neue Prinzipien für das landwirtschaftliche Kreditwesen praktisch an= wendet. Bei der bisher nur kurzen Wirkungsdauer der Bank ist es erflärlicherweise noch nicht möglich, sich ein abschließendes Urteil über shre Tätigkeit zu bilden. Nach den Meinungsäußerungen ägyptischer
, *
Großgrundbesitzer und einflußreicher Eingeborener lassen sich jedoch bereits einige Vorzüge und Nachteil. des neuen, Systems erkennen. Die enge Verbindung der Bank mit den Regierungs. organen, wie z. B. die Einkassierung der fälligen Geldsummen durch“ die Sarrass, dann die gerichtliche Registrierung der bei größeren Dar— lehen aufjunehmenden Hypotheken machen von vornherein die ganze Einrichtung bei den Fellahen unbeliebt. Der Steuereinnehmer ist, wie alcch in vielen europälschen Dörfern, der bestgehaßte Mann auf dem Lande, und mancher Kleinbauer geht noch lieber zu dem Geld⸗ verleiher, der ihn mit katzenfreundlicher Höflichkeit empfängt und der ihm scheinbar gern Zugeständnisse macht, als daß er dem Sarraf außer den Steuern noch Darlehengzinsen und Kapitallen zahlte. Allerdings wird im Taufe der Jahre diese Scheu vor dem Einkassierungs ystem der Bank wohl allmählich weichen. Gin großer Nachteil in den Augen des Fellahen ist auch die unerbittliche Notwendigkeit, das Darlehen am Fälligkeitstermin zurückzuzahlen. Die Bank rechnet allerdings damit, daß viele Darlehen in Rückstand geraten, d. h., daß die Schuloner am Fälligkeitztermin noch nicht zahlungsfähig sind; die Verzinsung der Darlehen geschieht dann im zweiten Jahre wie, im ersten zu LYso; dies sind aber keine von der Bank freiwillig gewährten Pro⸗ longationen, fondern stets Schuldversäumnisse, und die Bank wendet gegebenen Falls alle gesetzlichen Zwangsmittel an, um schließlich zu ihrem Rechte zu kommen. Daß die Bank eine Prolongation tatsächlich niemals konzediert, geht schon daraus hervor, daß sie alle rückständigen Darlehenssummen als Verluste bucht, Uebrigens ließe sich hierin z. B. durch Schaffung eines Prolongationsreserve⸗ fonds eine Aenderung einführen, welche den Wünschen der Fellahen mehr entgegen käme. Die bisherigen Erfolge der Bank, welche sich an der Zahl der bereits ausgegebenen Darlehen ermessen lassen, sind gewiß befriedigende und berechtigen für die Zulunft zu günstigen Er⸗ wartungen. Die amtlich festgestellte Zahl der Steuerpflichtigen be⸗ trägt in ganz Aegypten 1 636081; hiervon sind g60½ im Besitz von 20 Feddan (u je 9,29 a) Land oder weniger und 850 insgesamt besitzen 5 Feddan oder weniger. Danach kann man sich einen Begriff machen von der Wichtigkeit des ländlichen Kleinkreditwesens. Wenn die Bank bisher, wie oben angegeben, 114711 Darlehen gewährt hat (55 04 mit und 59 697 ohne hypothekarische Sicherstellung,, so ist dies im Vergleich zu der obigen Zahl der Steuerpflichtigen gewiß noch sehr gering, aber immerhin wird die Zahl der Kreditnehmer schnell anwachsen. Die Kreditgewährung der Bank erstreckt fich selbstverständlich nur auf Steuerpflichtige; die ärmeren und die ganz Besitzlosen bleiben außer Betracht. — Die Lieferung von Baumwollsaafgut durch Vermittelung der Bank ist eine Maßregel von weittragender Bedeutung, da sie das einzige Mittel ift, die Fellahen zur Kultivierung ertragreicher, hoch⸗ wertiger Baumwollsorten zu, bringen. Die beabsichtigte Dünge⸗ mittelvertellung ist weniger wichtig. Sehr ratsam wäre dagegen eine Kombination der Kleinkreditgewährung mit der Vermittelung von Viehankäufen sowie Viehversicherung. Auch die Versicherung der Ernte (Getreide, Baumwolle, Zuckerrohr) gegen Feuer wäre vielleicht in irgend einer Form mit der Tatigkeit der Bank zu vereinigen. Der Begriff der Versicherung ist zwar aus religiösen Gründen noch mehr als der Begriff der Verzinsung dem mohammedanischen Fellahen fremd, könnte aber in einer Art obligatorischer Gegen⸗ seitigkeitsversicherung ohne speziellen Wunsch des letzteren eingerichtet werden. Die Einrichtung eines solchen Versicherungsfonds für die Ernte würde auch das Risiko der ohne hypothekarische Sicher⸗ stellung auf die Ernte hin gewährten Darlehen wesentlich vermindern. Wie ersichtlich, ist das künftige Arbeitsfeld der Agriqultural Bank of Egypt noch ein sehr großes. Neben der, wenn auch später gewaltig ausgedehnten Tätigkeit der Agricultural Bank of Egypt wird aber auch in Zukunft, nach wie vor, das private ländliche Kredit⸗ wesen einen breiten Raum im ägvptischen wirtschaftlichen Leben ein⸗ nehmen. Landesgesetzliche oder polizeiliche Maßregeln gegen den Wucher werden dabei wohl weniger wirksam sein, als eine möglichst weitgehende Ausdehnung privater Kreditgewährung seitens der Groß— grundbesitzer und rechtlich, gesinnter Großkapitalisten. Dies wäre in' der Art zu denken, daß ein solcher Kreditgeber zu— verlässige Beamte in den Dörfern hätte, welche ganz in der Art der Bakals die Gewährung von Darlehen, die Einziehung der Zinsen und der Kapitalsummen sowie nötige ,,,, von Dar⸗ ehen beforgen würden. Der Zinsfuß wäre hierbei mit Rücksicht auf das etwas größere Risiko etwa 2 bis 30½ höher zu nehmen als der⸗ jenige der Agricultural Bank of Egyꝑt, und im eigenen finanziellen Interesse müßte bei der Ausgabe von Darlehen mit größter Vorsicht derfahren werden. Die Aboukir Gompany, hat, wie ich kürzlich er⸗ fuhr, eine derartige Fleinkreditgewährung an ihre Landarbeiter, Pächter und die mit ihr sonst in Geschäftsverbindung stehenden Fellahen cin⸗ geführt, und die Erfolge sind, soweit sich übersehen läßt, ausgezeich- nete. Da einem jeden Landarbeiter, wie in der Regel in Aegypten üblich, ein Stückchen Pachtland zur eigenen Be⸗ wirtschaftung überwiesen wird, so ist hierbei der Arbeiter und Pächter! als ein zusammengefaßter Begriff zu pverstehen. Die böukir Gompany übernimmt auch den Verkauf der geernteten Produkte für ihre Pächter und gibt ihnen auf. Verlangen Vorschüsfe auf dieselben franko Provision und frei von Zinsen. Die Buchfähtung wird möglichst einfach gehandhabt und ist keineswegs schwierig. Bisher werden etwa 240 Konten geführt. Das Risito eines privaten Kreditsystems, wie des hier gezeichneten, ist kaum größer als das der Agricultural Bank of Egypt, insoweit sich dasselbe, wie im Falle der Aboukir Company, nur auf die mit dem eigenen Großbetrieb in gewisser Beziehung stehenden Fellahen erstreckt. Die mittelbaren Vorteile einer durch die Kreditgewährung geförderten Hebung der wirtschaftlichen Lage der eigenen Arbeiter und Pächter sind gerade für die Großkulturunternehmer in Aegypten sehr hoch zu veranschlagen.
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.
Hinterindien.
Die für Herkünfte von Mauritius angeordneten Quaran⸗ tänemaßregeln sind wieder aufgehoben. (Vergl. ‚Reichsanz.“ vom 15. Januar v. J, Nr 12)
Kon stantinopel, 7. Juni. (Meldung des Wiener Telegr. Koresp⸗Bureaus?.) Im Lazarett von Bassora ist die Cholera
ausgebrochen. Bisher sind 25 Erkrankungen vorgekommen.
BVerdingungen im Auslande. Belgien.
Bis zum 14. Juni 1904. Minister des Fingnges et des PTravaux publies, 5 Rue Beyaert, in Brüssel: Lieferung von 10 000 kg Bindfaden, 3200 kg Siegellack, 31 500 kg Blei für den Douanedienst. .
15. Zuni 1904, 1 Uhr. Börse in Brüssel:; Lieferung von Gegenständen zur elektrischen Beleuchtung der Eisenbahnzüge. Cahier des charges spécial Nr. 530. 5 Lose.
I5. Juni 190, 11 Uhr. Hötel de ville in Gent: Lieferung und Aufstellung von 10 Gaßreintgungskasten aus Gußeisen mit Blech- deckeln. Sicherheitsleistung 3000 Fr. Eingeschr. Angebote zum 13. Juni. ;
35. Juni 1904, 9 Uhr. Maison eommunals in Marche lez⸗ Dames (Namur): Bau einer Wasserleitung. 77 362 Fr. Einge⸗
schriebene Angebote zum 17. Juni. 25. Jun 1904, 11 Uhr. Direction des ponts et chauss és,
28, Rue Traverstsre in Brügge: Lieferung von 600 t Steinkohle. Sicherheitsleistung 700 Fr. Cahier des charges Nr. 63. 20 Centimes in Brüssel, Rue des Augustins 16. Eingeschr. Angebote zum 21. Juni.
27. Juni 1904, 109 Uhr. Bureau du chef de Section principal des voies et travan in Term ende: Lieferung guß=— eiserner Röhren, Bolzen und Verhindungsst cke aus Blei auf der Station Tockeren. 3663 Fr. Sicherheitsleistung 360 Fr. Oahier des charges spécial Nr. 130 kostenfrei. Eingeschriebene Angebote
zum 23. Juni.