utten⸗Czapski von einer Rückkehr zu den bewährten
hause hat Graf abinettsorder von 1820 gesprochen. Das bedeutet
Grundsätzen der
das Gegenteil von dem, was hier geschehen soll. Darum beherzigen Sie das 6 Eile mit Weile“ auch bei der Gesetzgebung.
Abg. Pallaske (kons.): Wenn der Abg. Gyßling die Kom⸗ missionsverhandlungen für ungenügend erklärt, . wird sein Urteil doch wohl, natürlich ihm selbst unbewußt, beeinflußt durch das Schicksal seiner Anträge in der Kommission. In der Ablehnung dieser An⸗ träge findet er den Prüfstein für die ungenügende Beratung; wir e., darin den Prüfstein dafür, daß die Vorlage gut vorbereitet und egründet war und durch die Kommission nicht verbessert werden konnte. Wir haben aus wirtschaftlichen und technischen Gründen gegen die von ihm gegebene Anregung der Einsetzung eines Aufsichtsausschuffes Stellung genommen. Das Bedenken, daß die vergrößerte Seehand⸗ lung den Privatbanken und besonders den kleinen Bankiers eine un⸗ erträgliche Konkurrenz bereiten würde, ist durch die bündige Erklärung der Regierungsvertreter in der Kommission zerstreut worden. Die Aus⸗ gabe der Seehandlung soll hauptsächlich sein, die Kurse der Staats— papiere vor Schwankungen, die nicht durch die wirtschaftlichen Ver⸗ hältnisse bedingt sind, zu bewahren. Wir werden für die Vorlage stimmen, die auf der aktiven Seite der Abrechnung über die Ergebniffe der Session einen wertvollen Posten bilden wird.
Abg. Dr. Sattler (ul.): Ich stimme mit dem Abg. Gyßling in den meisten Punkten überein. Von den Verhandlungen der Koinmission habe ich nichts gehört, und wir befinden uns daher in völliger Un⸗ kenntnis über die dort gepflogenen Erörterungen und gegebenen Aufschlüsse. Ich hätte also auch einen schriftlichen Bericht er— wartet, um so mehr, weil, wie die Dinge einmal hier im Hause liegen, es auch beim besten Willen dem Berichterstatter nicht möglich ist,
ch verständlich zu machen. Wenigstens müßte man also den tenographischen Bericht über dieses Referat vor sich haben. Das
Nichtigste wäre, die Zurückverweisung an die Kommission zur Erstattung eines schriftlichen Berichts zu beantragen. So weit will ich nicht gehen; ich ersuche aber, die dritte Lesung nicht eher anzusetzen, als bis dieses Referat vorliegt. Wir hören jetzt, daß heute einè Erklärung des Kommissars dem Hause zugänglich gemacht worden ist, aber diese Erklärung erfolgt ebenfalls viel zu spät.
Abg. Richter (fr. Volksp.): Von dem Abg. Pallaske, auf dessen sachliche Ausführungen ich sehr gespannt war, habe ich nichts weiter als allgemeine Redewendungen und Spitzen gegen meinen Freund Gyßling gehört; es konzentrierte sich diefe Rede in dem Gedanken: wir haben die Mehrheit, haltet uns nicht auf. Herr Pallaske hat das Vertrauen zu dem Berichterstatter bekundet; der Präsident der Seehandlung scheint dieses Vertrauen nicht gehabt zu haben, denn sonst hätte er nicht heute früh eine sechs Seiten lange Darlegung des Standpunktes der Regierung in der Kommission verteilen lassen. Diese Art des Vorgehens ist unerhört; es handelt sich doch um Ausführungen, die in der Kommission gemacht und von dieser gar nicht festgestellt worden sind, und die meines Erachtens gar nicht hätten verteilt werden dürfen. Man spricht hier von Verschleppung, während die Vorlage erst im Mai gekommen ist, und wir heute schon die zweite, morgen womöglich schon die dritte Lesung vor— nehmen sollen. Dg spricht man von Verschleppung! Im Senjoren— konvent ist ausdrücklich vereinbart worden, daß die Beratung dieser Vorlage erst nach der Vertagung stattfinden sollte. Herr von Zedlitz meinte, die Gründe gegen die Vorlage seien zu leicht befunden. Die Gründe, die Sie für die Vorlage vorbringen, widersprechen ? unter einander allesamt. Die Regierung macht zum
auptzweck der Vorlage die Bewahrung der Konsols vor Schwan⸗ kungen; Herr von Zedlitz, der Einpeitscher der Regierung, hat eine andere Meinung; auch über die Förderung des Depositenverkehrs denken die Freunde der Vorlage ganz verschieden. Die Gründe der
Herren heben sich also gegenseitig vollständig auf, und da wollen Sie
uns sagen, unsere Gründe seien zu leicht befunden. Es ist auch aus
finanziellen Gründen nicht gerechtfertigt, jetzt 60 Millionen auf den
Markt zu bringen, wo das Reich 2900 Millionen auflegt. Wozu 3.
Eile? Sie haben Eile, weil Sie Furcht haben vor der Presse, d. h.
vor der öffentlichen Meinung. Das hat der Minister selbst in der
Kommisston zugestanden.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Es ist sehr eigentümlich, daß von der linken Seite jetzt das Ergebnis der Kommissionsberatungen angefochten und ins— besondere Klage darüber erhoben wird, daß nicht ein schriftlicher Bericht erstattet worden sei. Meines Wissens ist auch von liberaler Seite eine schriftliche Berichterstattung in der Kommission gar nicht beantragt worden (hört, hört! rechts), und es kommt doch öfter vor, daß ein mündlicher Bericht erstattet wird, und ich kann wirklich darin etwas so Unerhörtes nicht finden, daß in diesem Falle der Weg der mündlichen Berichterstattung gewählt worden ist. Ich glaube, der Herr Abgeordnete Pallaske hat vollkommen recht, daß Herr Dr. Rewoldt einen ganz ausgezeichneten eingehenden Vortrag gehalten hat, dem ich allerdings vielleicht hier noch in höherem Maße zu folgen in der Lage gewesen bin als ein Teil der Mitglieder des hohen Hauses. Es wird aber der Bericht ja rechtzeitig gedruckt und den Herren zugeschickt werden.
Ich muß mich dagegen wenden, daß der Herr Abg. Richter es als etwas Unerhörtes oder Unerlaubtes hingestellt hat, daß der Präsident der Seehandlung seine Ausführungen habe drucken lassen. Meine Herren, es ist geschehen auf Wunsch des Herrn Vor⸗ sitzenden der Budgetkommission (sehr richtig!), wie es doch jeden Tag geschieht, daß den Vertretern der Regierung der Wunsch ausgesprochen wird, daß sie ihre Erklärungen zu Protokoll geben. Dem an uns ge⸗ richteten Wunsche ist entsprochen, und ich glaube, wir haben uns nicht nur nicht gegen die konstitutionellen Gepflogenheiten versündigt, sondern haben genau das getan, was toto die geschieht.
Im übrigen, meine Herren, hat der Herr Abg. Pallalske voll⸗ kommen recht. Die ganze Materie ist überaus einfach. Es handelt sich einfach darum: hält man ein Staatsinstitut für notwendig oder nicht notwendig. Bejaht man die erstere Frage, sagt man einmal A, dann, glaube ich, muß man auch B sagen, d. h. dann muß man das Institut so ausstatten, daß es wirklich seiner Aufgabe gerecht werden kann. Denn, daß die Seehandlung mit ihren 384 Millionen nicht mehr ihrer gchenwärtigen Aufgabe gerecht werden kann, das, glaube ich, ist luce clarius, wenn man sich die Entwickelung der übrigen großen Banken ansieht, wenn man die enorme Steigerung der Tätigkeit des Staats auf allen Gebieten betrachtet, wenn man sich vergegenwärtigt, daß wir jetzt einen Ausgabeetat von in diesem Jahre nahezu 3 Milliarden haben, eine finanzielle Großwirtschaft, bei der wir eines staatlichen Bankinstituts schlechterdings nicht entraten können.
Der Herr Abg. Richter sagte: als Hauptzweck wäre ven uns an— gegeben worden, die Kursschwankungen zu beseitigen. Das habe ich niemals als Hauptzweck angegeben, sondern als einen der Zwecke. Der Hauptzweck ist der, die Seehandlung so auszustasten, daß sie überhaupt ein wirksames Bankinstitut ist, daß sie auf allen Gebieten der soliden Barktätigkeit ihre Aufgabe erfüllen kann, daß sie eine achtunggebietende Stellung unter den übrigen Greß⸗ banken einnimmt und sich den Einfluß sichern kann, den wir im all— gemeinen staatlichen Interesse wünschen. Der Herr Abg. Richter sagte: ich hätte erklärt: aus Furcht vor der Presse wünschte ich nicht die Hinausschiebung des Gesetzes. Das habe ich niemals erklärt. Ich habe auch eine derartige Furcht nicht. Ich habe allerdings das ge—
sagt: es wäre baldige Verabschiedung wünschenswert, damit nicht eine Gegenagitation gegen diese Gesetzesvorlage sich erhebe. (Zuruf bei den Freisinnigen:; Das ist doch dasselbe!)
Dann sagt der Abg. Richter: wenn wir jetzt die 65 Millionen uns erbäten, so würde dadurch der Anleihemarkt gedrückt werden. Nun, meine Herren, wir werden selbstverständlich die 65 Millionen nicht an einem Tage an den Markt werfen, sondern wir werden die 65 Millionen allmählich an den Markt bringen, je nach den hervor⸗ tretenden Bedürfnissen. ;
Der Herr Abg. Gyßling ist wieder auf die verschiedenen Anträge zurückgekommen, die er in der Kommission gestellt hat. Er hat wiederum bemängelt, daß die Finamgeschäfte der Seehandlung nicht abgegrenzt worden sind. Meine Herren, ich kann nur erklären, was, glaube ich, auch der Herr Abg. Pallaske schon sagte, daß wir diese Frage, ob man die Geschäfte der Seehandlung abgrenzen könnte, ein⸗
gehend erwogen haben, daß wir aber zu dem Ergebnis gekommen sind,
daß sich wirklich eine zweckmäßige Abgrenzung nicht finden läßt. Ent⸗ weder müßte man die Geschäfte der Seehandlung bis in die letzten Details hinein abgrenzen — und dann würde man ihr die Hände in einer Weise binden, daß ihre Tätigkeit vielleicht da versagen würde, wo sie im allgemeinen Interesse am wünschenswertesten ist —, oder aber, wenn man zu einer solchen Spezialisierung nicht übergehen will und nicht übergehen kann, müßte man mit einer ganz allgemeinen Umgrenzung oder Umschreibung sich begnügen — und damit ist wiederum nichts gewonnen. Ich kann nur hier nochmals wiederholen, daß die Hauptsicherheit für das Land und für den Landtag in dem Verantwortlichkeitsgefühl der beteiligten Beamten besteht, darin besteht, daß die Seehandlung die Geschäfte, die über den gewöhnlichen Rahmen hinausgehen, überhaupt garnicht vornehmen darf ohne die Zustimmung des Finanzministers, und daß der Finanzminister dem Lande und dem Landtage für die Operationen der Seehandlung verantwortlich ist. Der Herr Abg. Gyßling sagte: „es könnten Maßregeln getroffen werden, die wir nicht billigen“. Ja, meine Herren, ich muß dann doch sagen: wenn immer dieses Mißtrauen gegen die Seehandlung geäußert wird, dann wäre es, glaube ich, angezeigt, uns nun zu sagen, was der Grund zu diesem Mißtrauen ist und in welcher Beziehung die Seehandlung bisher gegen irgend welche konstitutionellen Grundsätze verfehlt, irgendwie gerechten Grund zur Anklage gegeben hat. Weder der Herr Abg. Richter in der vorigen Beratung, noch heute der Abg. Gyßling haben einen einzigen Fall angeführt, wo man mit Recht der Seehandlung hätte einen Vorwurf machen können. Das gilt insbesondere von den konstitutionellen Bedenken. Die—⸗ selben konstitutionellen Bedenken, meine Herren, sind erhoben worden, als es sich um die Errichtung der Preußischen Zentral genossenschaftskasse handelte, und ich glaube, sie sind vollkommen un—⸗ begründet gewesen, und ich habe auch heute vergeblich nach einer Be⸗— weisführung gesucht, inwiefern die konstitutionellen Bedenken irgendwie zutreffend wären, inwiefern den konstitutionellen Rücksichten nicht ent— sprochen worden sei. Wenn nun gar hier das Gordon · Bennetrennen oder die Kieler Woche als konstitutionelle Rücksicht herangezogen worden ist, so fehlt mir die Brücke des Verständnisses für diese Argumentation. Ich glaube, die ganze Frage ist überaus einfach zu entscheiden: Will man ein Staattinstitut haben oder keins? Will man das letztere, so schaffe man die Seehandlung ab; will man aber — und ich glaube, das ist der Wille der überwiegenden Mehrheit des Hauses — das Staatsinstitut beibehalten, dann muß man es auch so ausstatten, daß es wirklich wirksam sein kann im allgemeinen Interesse. (Bravoh
Abg. Richte r: Die erste Beratung hat bekundet, daß unter gewissen Voraussetzungen eine Mehrheit für diese Vorlage vorhanden ist. Aber gerade diese Beratung hat von den verschiedensten Seiten Aenderungen der Praxis der Seehandlung angeregt. Besonders der Vertreter der Konservativen hat die Einsetzung eines Beirats der See⸗ handlung und die Zugrundelegung eines neuen Statuts angeregt. Von verschiedenen Seiten sind Forderungen an die Kommission gestellt worden. Uebrigens habe ich mich geirrt: nicht der Präsident der Seehandlung, sondern der Vorsitzende der Budgetkommission hat die Drucksache veranlaßt. Dies ist nicht damit in Vergleich zu stellen, daß in einer Kommission Regierungskommissarien oder Abgeordnete Er⸗ klärungen zu Protokoll geben. Solche Erklärungen sind allen Mit- gliedern zugänglich, und diese können dann ihre Gegenerklärungen zu , n geben. Hier handelt es sich um einen einseitigen Akt, der diejenigen, die nicht zur Annahme der Vorlage entschlossen waren, in eine ungünstigere Lage brachte. Ich möchte nicht, daß ein solcher Vorgang Wiederholung findet.
Abg. Freiherr von Erffa (kons ): Der Vorsitzende der Kom— mission handelt in deren Auftrag, nicht aus eigener Initiative. Die Behauptung des Abg. Richter, daß wir von unserer früheren Ansicht abgegangen seien, ist charakteristisch für Herrn Richter und den ge— samten Freisinn. Wir lassen uns eben überzeugen, während die Freisinnigen auf ihrem Standpunkt stehen bleiben, auch wenn sie sich vielleicht überzeugt haben, daß er unrichtig ist. Wir haben die Sache sehr gründlich geprüft. Es lag ja an a. Richter, in die Kom⸗ 3 . . Wir sind jedenfalls davon überzeugt, daß das
esetz gut ist.
gin Richter: Mich mit Herrn von Eiffa auseinanderzusetzen, halte ich nicht für möglich, wenn ich in den parlamentarischen Grenzen bleiben will. Man sollte doch auch bei jedem andern voraussetzen, daß er sich aus besseren Gründen überzeugt und nicht aus Staristnn, aus Eigensinn, wie es der Vorredner dDarzustellen beliebte, bei feiner als falsch erkannten Meinung beharrt. Wenigstens von dem Vorsitzenden der Kommission hätte man erwarten sollen, daß er eine unparteischere Stellung einnimmt. Er hat, soviel ich weiß, keinen Auftrag von der Kemmission erhalten, sondern beruft sich nur auf eine allge⸗ meine Vollmacht in diesem Sinne. Was das freie Spiel der Kräfte anlangt, so sind wir allerdings der Meinung, daß der Staat nur da einschreiten soll, wo sein Einschreiten nachweisbar von Nutzen ist, nicht aber soll sein Einschreiten ein Ausfluß der Staatsomnipotenz sein; denn im letzten Ende beruht die wirtschastliche Entwickelung nicht auf dem Staatteinfluß, sondern auf der freien Betätigung aller wirt⸗ schaftlichen Kräfte. . 3
Die Besprechung wird darauf geschlossen.
Der Zusatz der Kommission wird in der Fassung des An— trags von Zedlitz angenommen; 8 1 wird genehmigt, ebenso ohne Debatte der Rest des Gesetzes.
Es folgt die zweite Beratung des Antrages der Abgg. Dr. Arendt (freikonf) und Genossen auf Annahme eines Gesetzentwurfs, betreffend die Gewährung von Beihilfen an ehemalige Angehörige des preußischen Heeres und der Marine, die an dem Kriege gegen Däne— mark 1864 teilgenommen haben.
Die XVIII. Kommission hat 8 1 in folgender Fassung angenommen:
„Die ehemaligen Angehörigen des preußischen Heeres und der Marine vom Feldwebel abwärts, welche an dem Kriege gegen Dänemark 1864 Anteil genommen, erhalten eine jährliche Beihilfe von 120 M½, wenn sie unbescholten sind und einschließlich ber
lichen Mitteln weniger als oo ( Jahreseinkommen hahen.⸗ (Die gesperrten Worte hat die Kommission hinzugesetzt.; — Abg. Strosser berichtet über die Verhandlungen der Ron
on. Abg. Dr. Stockmann lfreikons.) beantragt, hinzuzufügen. „Diese Bestimmungen finden auch auf die Teilnehmer an ih en e, a en, sowie auf die früheren Angehörigen '. e ,, teinischen Armee Anwendung.“ z Geheimer Oberregierungsrat Dr. Lind ig: Ich kann die scho in der Kommission auf Grund eines Stgatsministerialbeschusses 4 gegebene Erklärung wiederholen, daß die Regierung nicht in der gan ist, dem Antrage Arendt zuzustimmen, und zwar schon auß ö. prinzipiellen Grunde, weil das Deutsche Reich die Fürforge für d Veteranen durch Reichsgesetz übernommen hat und es nicht angẽn ee . daß ein einzelner Bundesstaat in diese Reich mahnahn eingreift.
Abg. Dr. Arendt: Die Beihilfe des Reichs für die Veteranen kann als eine gesetzliche Fürsorge in keiner Weise betrachtet werden Diese Fürsorge hatte der Reichsinvalidenfonds übernommen. k man aher vielfach nicht unterscheiden konnte zwischen den Schäben die direkt durch die Kriege verursacht waren, und denjenigen, die i infolge der Strapazen bei den alten Kriegern später herausstellten so hat, das Reich mit dem Gesetz von 18565 17 Millionen Mart / sn Beihilfen für die hilfsbedürftigen und erwerbtunfähigen Kriege bewilligt. Das Reich hat so wenig eine gesetzl iche Versorgunj der. Veteranen darin gesehen, daß die Ausführung diese Gesetzes nicht von Reichs wegen geschieht, sondern Landeg, sache ist. Deshalb ist die Auffassung der Regterung durchau irrig. Das Reich hat nichts weiter getan, als die Beihilfe von 1 Millionen zu gewähren. Als sich herausstellte, daß diese Summe nicht ausreichte, wurde die Summe erhöht, aber an dem System ist nichts geändert worden, das Reich hat die Veteranen. fürsorge nicht organisiert. Reich nicht mehr über die gemachten Bewilligungen hinausgehen Die Frage, ob die 120 6, die das Reich jährlich dem Veteranen gibt, so reichlich sind, ist zu verneinen. Wenn kein anderes Gin, kommen vorhanden ist, sind die 120 „½ weiter nichts als ein Ersh der Armenunterstützung, und das soll diese Beihilfe nicht sein Sollen unsere Veteranen vor Not geschützt werden, so dürfen wir unz auf die Reichshilfe allein nicht verlassen. Deshalb muß Preußen eine Beihilfe seinerseits geben. Wenn Preußen nicht anders in die Reichskompetenz eingreift, wird sich das Reich sicherlich nicht h. schweren. Unsere alten Krieger werden es nicht verstehen, wenn man sich hier auf prinzipielle Bedenken zurückzieht. Es gibt keinen anderen Weg als den, daß auch Preußen eine Beihilfe leistet. Für die Kämpfer der Freiheitskriege von 1813 ist eine Aufwendung 50 Jahre nach den Kriegen gemacht. Für unsere Krieger von 1864 müssen wir endlich nach 40 Jahren sorgen. Keine Tat würde volkstümlicher sein. Wr können das Andenken an unsere großen Kriege nicht besser feiern, alß wenn wir für die alten Krieger sorgen und unseren Kindern zeigen, daß der Staat seine Pflichten gegen seine Söhne erfüllt. Ich binn Sie, dem Antrage möglichst einstimmig zuzustimmen.
Abg. Freiherr von Buddenbrock (kons.): Einem alten Soldaten wird es außerordentlich schwer, den Ausführungen des Referenten und des Vorredners entgegenzutreten. Ich halte es für meine Pflicht, in NVamen des größten Teils meiner Freunde zu erklären, daß wir Rie
mis
und uns davor hüten sollen, aus Sentimentalität auf den Boden dieses Antrages zu treten. Es ist jedes Soldaten Pflicht und Schuldigkeit, im Felde seinen Dienst zu tun. Ich kann als lang · jahriger Amtsvorsteher nur sagen, daß ich es immer durchgesetzt hab, daß die Veteranen zu ihrem Rechte kamen. Aber es ist bei der Prüfung der Veteranenansprüche Vorsicht geboten. Ich möchte bitten, den Antrag vorläufig ad acta zu legen und erst die Erfahrungen mit dem Antrage Oriolg im Reiche abjuwarten. Was soll dann werden, wenn nach zwei Jahren, 1906, der Antrag an uns gestellt wird, sir die Veteranen aus dem Kriege von 1866 Ü solche Beihilfen zu ge⸗ währen? Wo soll denn das Geld dafür herkommen?
Abg. Baensch-Schmidtlein (freikons): Wo ein Wille vor, handen ist, da kann auch ein Weg gefunden werden. Es werden manche Ausgaben von uns bewilligt, die nicht absolut notwendig sind, und die auf eine Reihe von Jahren hinausgeschoben werden koͤnnten, ohne daß das Vaterland leidet. Hier aber handelt es sich um eine Ehrenpflicht, darum, diejenigen vor den äußersten Entbehrungen zu schützen, die sich auf dem Schlachtfelde für das Vaterland eingeseht haben. Gehen wir hier vor, dann können und werden de anderen Einzelstaaten nicht zurückbleiben. Der vorliegende Antrag hat lediglich den Zweck, die bestehenden Ungleich. heiten zu beseitigen. In Tausenden von Fällen wird der betreffende Veteran nichts weiter bekommen als die 120 M vom Reich und jetzt hier von Preußen diese 120 ½ auf Grund des Antrags Arendt, also im ganzen 240 c Damit wird er gewiß keine großen Sprünge machen können. Wir dürfen nicht zugeben, daß wir pflichtvergessen sind gegenüber unseren lebenden Kriegern. Darum bitte ich Sie, ein, stimmig für den Antrag der Kommission zu stimmen.
Abg. Jung henn (ul.) Ich habe im Namen meiner Fraktion zu erklären, daß wir dem Antrage der Kommission auf das wohl— wollendste gegenüberstehen, und daß wir für diesen und den Anttag Stockmann stimmen werden.
Abg. Richter: Solche Fragen dürfen nicht allein mit dem Herzen erledigt werden. Der Antrag macht den Antragstellern ja alle Ehre; ich stehe hier aber auf dem Standpunkt der Mehrheit der konservativen Partei. Es war ein großer, nationaler Gedanke, dem das Reich 1895 Ausdruck gab; dieser Gedanke wird getrübt, wenn jetzt die Einzelstaaten in die Regelung der Sah? eingreifen; es wird das auch den Veteranen selbst nicht zum Vorteil ge— reichen. Der Reichsinvalidenfonds kommt gar nicht mehr für die Veteranen in Frage; die Veteranenbeihilfen werden vom Reiche ezahlt. Der Abg. Arendt hat die Achtundvierziger ganz vergessen, ein
Beweis dafür, wie wenig er in die Materie eingedrungen ist. Hen Arendt meint, das Reich sei außer stande, die Unterstützung u organisieren. Nicht auf die Organisierung, sondern auf das Geld kommt es an. Die Summen, die im ganzen zur Verteilung ge langen, werden immer auf bestimmte Distrikte kontingentien werden, und das ist auch der einzig mögliche Weg. Dem Mangll gerechter, individueller Fürsorge kann nur abgeholfen werden, wenn sich kleinere Verbände, Städte usw. zusammentun. Der Antra Oriola verlangt statt des Nachweises der Erwerbtzunfähigkeit nur den der Bedürftigkeit; der Antrag Arendt läßt auch den noch fallen. Unter den Kriegsteilnehmern von 1866 befinden sich mehr Bedürftige, als unter denen von 1864, weil im österreichischen Kriege viel meh Landwehr ins Feld ziehen mußte. Herr Arendt kündigt schon den neuen Antrag für die Teilnehmer von 1866 an; hat er sich die finanziellen Konsequenzen klargemacht? Es leben noch 60000 Veteranen; Tausende bon Millionen wären die Konsequenz dieses A. trags. Wieviel Hypotheken sollen denn noch auf die Einnahmen auß dem neuen Zolltarif genommen weiden? Und ist die Schablone bon 600 M überall zutreffend? Das hängt doch sehr davon ab, wo lt lebt, ob er allein lebt, ob er Witwer ist und Kinder hat. Der Au. trag Arendt ist ja ein Monolog des Haufes. Daz parlamentarisch Ansehen kann nicht gewinnen, wenn auf diese Weise einseitig von ge— wissen Parteien vorgegangen wird. Abg. Dr. Stockmann lfreikons) tritt für seinen oben mit— geteilten Unterantrag ein. Abg. Dr. Bachem (Sentr.: Auch ich könnte mich aufden Standpunkt stellen, daß die Versorgung der Kelegsveteranen Reicht, sache sei, aber nur, wenn man mit diesem Standpunkt zum Jil käme. Von dieser Feststellung aber werben die Veteranen nicht salk, ebensowenig wie von der Verweisung auf, den nationalen Gedanken. Herr Richter will die preußische Gesetzgebung nicht eingreifen lase⸗ aber die Kreise und Gemeinden sollen eingreifen und die Sache g nach den Besonderheiten der Fälle regeln. Ja, wenn das nur geschihel Aber einmal geschieht nichts, und dann würden diese Kreise und Ge meinden auch mit Recht geltend machen können, sie wollten m
Reichsbeihilfe und der sonstigen Bezüge aus öffent—
partikularistischer sein als die Einzelstaaten. Mit solchen staatzrecht·
Bei seiner ganzen Finanzlage kann dan
Einwendungen der Staatsregierung für durchaus berechtigt hallen
lichen Deduktionen kommt man nicht weiter. Gegen die Vermehrung der Matrikularbeiträge im Reiche sprechen die gewichtigsten Bedenken. Wir kommen also im Reiche bei dieser Frage nicht weiter; in Preußen aber ist zweifellos die Finanzlage außerordentlich viel besser als im Reiche, und hier wird man weiter kommen, wenn ein guter Wille vorhanden ist. Die Verschiedenheit der Verhältnisse in den ver⸗ schiedenen Gegenden ist ja tatsächlich zuzugeben; für meine Heimat imböchte ich an der Grenze von 660 M durchaus festhalten. Ich bitte nach alledem, über diese juristischen Zwirnsfäden nicht zu stolpern. Den Kriegsteilnehmern, die das ihrige getan haben, um dem Deutschen Reiche zu seiner jetzigen Blüte zu verhelfen, müssen wir auch einen bescheldenen Anteil dargn zubilligen, wenn sie sich in bedrängten Ver⸗ hältnissen befinden. Natürlich werden wir später auch für die Veteranen von 1866 und 1870 dasselbe machen müssen, was wir jetzt ür die Veteranen von 1864 machen wollen; aber ich scheue mich ar nicht vor dieser Konsequenz, und wir können nicht warten, bis im glich wieder geordnete und gute Finanzen vorhanden sind.
Abg. Pleß (Zentr.): Ich gehöre zu den Mitgliedern der Kom⸗ mission, die gegen den Antrag gestimmt haben. Nicht gegen seine Tendenz bin ich, denn ich erkenne die Ehrenpflicht des Reichs gegen— über den Veteranen durchaus an; aber die Stellungnahme der Staatzz⸗ regierung zwang mich dazu, den Antrag abzulehnen. Ich konnte nicht umhin, den Standpunkt der Regierung als den konsequenteren an- zuerkennen. Nachdem aber die Regierung zu dem Antrage Douglas eine entgegenkommende Stellung bekundet hat, nehme ich heute keinen Anstand, mein Votum zu ändern. Ich werde für den Antrag stimmen.
Unterstaatssekretär Do mb ois: In der Haltung der Regierung liegt kein Widerspruch vor. Das Staatsministerium hat überhaupt zu dem Antrage noch keine Stellung genommen. Der Antrgg sagt außerdem auch nicht, daß Staatsmittel für diesen Zweck ver⸗ wendet werden sollen, sondern nur; „die Regierung möge dafür Sorge tragen usw.“ Das läßt sich zuerst dahin inter— pretieren, daß die preußische Regierung beim Reiche dahin wirken mögen. Aus staatsrechtlichen Gründen können wir dem Antrage nicht zustimmen. Hier heißt es: principiis obsta! Wenn wir Ausgaben, die dem Reiche obliegen, auf Preußen übernehmen wollten, so würde das die weitgehendsten Konsequenzen für die Staat⸗ und Reichsfinanzen hahen. Für den einzelnen Abgeordneten ist es ja recht schön, in dieser Weise für die Veteranen einzutreten. Aber die Regierung trägt die Verantwortung und kann sich auf diesen Stand⸗ punkt nicht stellen.
Sz 1 wird mit dem Zusatzantrage Stockmann angenommen,
ebenso der Rest des Gesetzentwurfs.
Es folgt dann noch die Verlesung der Interpellation der Abgg. Trimborn (Zentr) und Genossen:
Ist die Königliche Staatsregierung gewillt, durch Einbringun einer entsprechenden Gesetzesvorlage dahin zu wirken, daß die 6 das zu erwartende Reichsgesetz, betreffend den Servistarif und die Klasseneinteilung der Orte, anderweit festgestellte Klassen—⸗ einteilung in Abweichung von § 2, letzter Absatz, des preußischen Gesetzes bom 12. Mai 1873 für die Bewilligung von Wohnungs— geldzuschüssen mit Wirkung vom 1. April 1904 ab in Kraft tritt?“
Auf die Frage des Präsidenten erklärt sich der Finanz— minister Freiherr von Rheinbaben zur sofortigen Beant— wortung der Interpellation bereit.
Abg. Dr. Bachem (Zentr.) begründet die Interpellation unter Hin⸗ weis auf die jüngst im Reichstage über diesen Gegenstand gepflogenen Verhandlungen. Wenn das im Reichstage beschlossene Gesetz noch vor dem 1. Juli publiziert würde, dann würden die Beamten den erhöhten Wohnungsgeldzuschuß vom 1. Juli an bekommen; fände die Publikation erst nach dem 1. Juli statt, so würden die Beamten erst am 1. Ok. tober diesen Vorteil genießen, da nach 5 2 des Gesetzes von 1873 der veränderte Wohnungsgeldzuschuß erst von dem auf die Publikation einer Veränderung der Klasseneinteilung der Orte folgenden Kalender⸗ quartal an gelte.
Finanzminister Freiherr von Rheinbaben:
Meine Herren! Ich möchte mich auf die von dem Herrn Ab⸗ geordneten auch gestreifte Frage, ob es angängig ist, eine besondere Klasseneinteilung für den Servistarif und eine besondere Behandlung des Wohnungsgeldzuschusses einzuführen, hier nicht näher einlassen; das ist eine überaus schwierige Frage, und wenn man dieser Frage näher tritt, dann wird man sehr bald dessen eingedenk werden, wie schwer es ist, zwei gesonderte Klasseneinteilungen herzustellen. Es ist schon schwer, für die eine Materie eine einigermaßen zutreffende Klasseneinteilung herzustellen; wenn man nun gar zwei durch die ganze Monarchie einführen will, wird man auf große Schwierigkeiten stoßen.
Der Hauptmangel hinsichtlich der gegenwärtigen Verbindung von Wohnungsgeldzuschuß und Servistarif besteht darin, daß die jetzige Erhöhung des Servistarifez den Zivilbeamten nur einmal zugute kommt, und den Militärpersonen zweimal, bei denen nicht nur der Wohnungsgeldzuschuß, sondern auch der Servis— tarif eine Erhöhung erfährt. Das ist wohl der Haupteinwand gegen die Verbindung; indessen glaube ich, namentlich bei der vor⸗ geschrittenen Stunde, auf diese schwierige Frage nicht näher eingehen zu sollen, zumal es Sache der Reichsressorts und des Reichstags ist, die Frage zu prüfen, ob man auf eine besondere Klasseneinteilung für Servistarif und Wohnungsgeldzuschuß das Streben richten will oder nicht.
Ich darf mich nun mit wenigen Worten zu der Interpellation des Herrn Abg. Trimborn wenden. Es liegt ein formeller Beschluß der Staatgregierung über die Interpellation bisher nicht vor; ich darf aber erklären, daß die Staate regierung, indem sie die wohlwollende Absicht der Interpellation für die Beamten durchaus teilt, voraus⸗ sichtlich bereit sein wird, eine gesetzliche Regelung vorzunehmen, wie sie die Interpellation wünscht.
Der Abg. Bachem hat den Sachverhalt vollkommen richtig dargestellt. Die Reichsregierung hatte kereits im vorigen Jahre einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach der Servistarif anders bemessen werden, namentlich eine Anzahl von Städten in eine höhere Klasse hinaufgerückt werden sollte. Man nahm an, daß diese Gesetzesvorlage vor dem 1. April Erledigung finden würde. Wäre das der Fall gewesen, dann wären auch die preußischen Beamten gleichzeitig am 1. April in den Genuß dieser Wohltat getreten, wie der Herr Abg. Bachem richtig ausgeführt hat. Im § 2 des Gesetzes vom 12. Mai 1873 über den Wohnungs—⸗ geldzuschuß ist bestimmt, daß, wenn die Klasseneinteilung für den Servistarif sich ändert, danach auch der Wohnungsgeldzuschuß ander⸗ weit bemessen wird von dem 1. des Kalenderquartals an, das auf die Publikation der neuen Klasseneinteilung folgt. Wäre also vor dem 1. April d. J. die neue Klasseneinteilung im Reich Gesetz geworden, so würden vom 1. des folgenden Quartals, also vom 1. April an, auch die preußischen Beamten den höheren Wohnungsgeldzuschuß be— kommen haben. Dadurch, daß sich die Verhandlungen im Reichetag so lange hingezogen haben, sind also die preußischen Beamten dieser Wohltat verlustig gegangen.
Wir gehen grundsätzlich von solchen Gesetzen, in denen die
auß, daß Pensionäre,
dem Standpunkt Bezüge der
ihre
. ö
der Relikten, Beamten usw. aufgebessert werden, eine rückwirkende Kraft nicht beigelegt werden kann; denn wir würden ein unabsehbares Gebiet betreten, wenn wir allen solchen Gesetzen rückwirkende Kraft beilegen wollten. Aber hier handelt es sich in der Tat gar nicht darum, dem Gesetz im eigentlichen Sinn eine rück⸗ wirkende Kraft beizulegen, sondern nur darum, den Termin sestzuhalten, den auch die Regierung von vornherein ins Auge gefaßt hatte, und dessen Festhaltung durch Momente, die ja außerhalb der Tätigkeit der Regierung lagen, nämlich durch die langsame Verabschiedung im Reichstag, unmöglich wurde. Wenn wir also so verfahren, wie der Herr Interpellant es wünscht, so würden wir nur den Statuts auf— recht erhalten, den wir als einen für die Beamten billigen unsererseits erachtet haben.
Ich habe schon einen entsprechenden Gesetzentwurf ausarbeiten lassen und ihn bei den anderen Mitgliedern des Staatsministeriums in Zirkulation gesetzt. Ich hoffe, daß die anderen Mitglieder des Staatsministeriums ihre Zustimmung erteilen, und werde die Sache dann nach Möglichkeit beschleunigen. Ob es nun möglich sein wird, noch vor der Vertagung den Gesetzentwurf an das hohe Haus zu bringen, das vermag ich mit Bestimmtheit nicht zu sagen; denn einmal müssen alle übrigen Mitglieder des Staatsministeriums zustimmen, und dann bedarf es auch der Allerhöchsten Ermächtigung um den Gesetzentwurf dem Landtag vorzulegen; schließlich wird es auch von der Beschlußfassung des hohen Hauses darüber abhängen, wie lange es noch zu tagen wünscht. Ich werde die Sache aber nach Möglichkeit beschleunigen, denn ich teile den Wunsch des Herrn Inter⸗ pellanten, den Beamten die Wohltaten des Reichsgesetzes so früh zu teil werden zu lassen, wie es ursprünglich in der Absicht lag.
Wenn wir nicht so vorgingen, so würde die eigentümliche Diskrepanz eintreten, daß die Reichsbeamten infolge der speziellen Bestimmung, die im Reichstag getroffen ist, die Wohltaten schon am 1. April genössen und die preußischen Beamten erst an einem späteren Termin in deren Genuß gelangten. Ich glaube, wir werden an eine Abänderung des Gesetzes herantreten müssen; denn der positive Inhalt des Gesetzes von 1873 steht dem entgegen, daß wir etwa aus freien Stücken den Beamten schon früher den Wohnungsgeldzuschuß zu teil werden lassen. Wir müssen infolge der eigentümlichen Lage des Falls eine Abänderung des Gesetzes von 1873 ad hoc vornehmen. Wie gesagt, der Gesetzentwurf ist aufgestellt, und ich hoffe, daß er zur Ver⸗ abschiedung so bald gelangt, wie es möglich ist.
Damit ist die Interpellation erledigt.
Schluß 146 Uhr. Nächste Sitzung: Dienstag, 11 Uhr (dritte Lesungen der beiden ersten wasserwirtschaftlichen Vor⸗ lagen und des Gesetzentwurfs über die Veteranenbeihilfen; kleinere Vorlagen; Interpellation Arendt⸗Labiau wegen der nochmaligen Untersuchung des Fleisches in den Städten).
Literatur.
Kunstformen der Natur. 109 Foliotgfeln in Farbendruck und Aetzung mit beschreibendem Text von Professor Dr. Ernst Haeckel. In zwei Sammelkasten 37 4 50 oder in 10 Lieferungen zu je 3 M, nebst 1 Supplement zu 1 S 50 5. Verlag des Biblio⸗ graphischen Instituts in Leipzig und Wien. — Mit der soehen er schienenen 10. Lieferung und dem Supplementheft ist das große, für Naturfreunde wie Künstler gleich wertvolle Werk zum Abschluß gelangt. In derselben wissenschaftlichen Genauigkeit und technischen Vollendung, die man den vorangegangenen Heften nachtühmen konnte, sieht man im zehnten aus niederen und höheren Tier⸗ klassen sehr reizvolle Formen dargestellt, die allerlei Motive für Arbeiten der Kunst und des Kunsthandwerks abgeben können: zierliche Fiederkronen von Laubfarnen, feingegliederte Schaumstrahlinge, Urnensterne mit wechselvoller geometrischer Zeichnung, schillernde Kolibris, farbenprächtige Borstenwürmer, schlanke Antilopen mit kühn geschwungenen Hörnern u. s. f. — Das Ergänzungsheft, das zum oben angegebenen Preise auch einzeln käuflich ist, enthält im ersten Abschnitt Erläuterungen über das Verhältnis von Kunstformen und Naturformen. Im zweiten Abschnitt bietet es eine allgemeine Uebersicht über die Grundformen der Organismen, über ihre geo⸗ metrische Bestimmung und ästhetische Bedeutung sowie über die Ursachen der Symmetriegesetze. Der dritte Abschnitt endlich gibt eine systematische Uebersicht 33. die Kunstformen der einzelnen Klassen der organischen Welt. Mehrere Tabellen am Schlusse gewähren über das vorher einzeln Erörterte einen geschlossenen Ueberblick. Das Ganze läßt die streng systematische Anordnung der hundert Bildertafeln erkennen.
— Im Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung Nachfolger ist der Roman „Vor dem Sturm“ von Theodor Fontane vor kurzem in sechster Auflage erschienen. Wenn es immer ein hoher literarischer Genuß ist, einen Fontaneschen Roman zu lesen, so gilt das ganz besonders von dem vorliegenden Werk, das die sonstigen Vorzüge der Erzählungskunst des berühmten Verfassers mit dem Vorzuge einer einheitlichen, reichausgestalteten Komposition ver⸗ bindet. Auch berührt die Zeit der Handlung, der Winter von 1812 auf 13, das Herz jedes Deutschen in ganz besonderer Weise. Wer das gehaltvolle Buch liest, wird es mit innerlicher Befriedigung aus der Hand legen. .
— Unter dem Namen „ Deva⸗Romansammlung“ gibt die Deutsche Verlagsganstalt eine lose erscheinende Folge von Roman⸗ bändchen heraus, deren billiger Preis — das Bändchen kostet geheftet 50 3, gebunden 75 5 — dem Unternehmen eine weite Verbreitung sichern dürfte. Unter den uns vorliegenden Erscheinungen heben wir den wirkungsvollen Koman „ Juliane“ von Richard Voß hervor, der es berests zu einer zweiten Auflage gebracht hat. Ferner Unter
oldenem Joch‘ von Agnes Harder, eine anmutig geschriebene e g nr, aus der Gesellschaft, Närrische Käuze“, Novelletten und Skizjen von Paul Oskar Höcker und ‚Seltsame Lieb⸗ sichaften“ von Henri Regnier. Die Sammlung bringt vorzugs- weise leichtere Unterhaltungslektüre und ist, wegen ihrer Handlichkeit und Billigkeit, gerade für die beginnende Reisezeit geeignet. Der Druck der Deva Romane ist, wenn man sie mit anderen, ähnlichen Erscheinungen vergleicht, hervorragend gut.
— Im Verlage der Gebrüder Borntraeger in Berlin 8W. 11 beginnt als Lieferungswerk in sechster Auflage Carus Sterne, Werden und Vergehen zu erscheinen. Wilhelm Bölsche, ein fen des im August vorigen Jahres plötzlich verstorbenen Ver—⸗ assers, hot die Bearbeitung der neuen Auflage übernommen.
— Unter den neuen Veröffentlichungen der Hendelschen Bibliothek der Gesamtliteratur ist ‚Don Juan. geh. 1ů75 , in Leinw. 2 , eleg. Geschenkband 3 6), Byrons Meister⸗ werk, das in einer Einzelausgabe bisher noch nicht im Buch⸗ bandel zu haben war, zu nennen. hm schließt sich Ludwig Tieck an, von dem drei seiner besten Leistungen (Des Lebens Ueberfluß — Liebeswerben — Waldeinsamkeit) in einem Bande gesammelt vor⸗ liegen (geh. 7I5 4, in Leinw. 1 ). Auch Drama und Komödie sind vertreten; zunächst der Pole Stanislaw Kozlowsi mit dem Drama »Ein Wettkampf“ (geh. 28 A, in Leinw., 59 ). Rudolf. Angelv⸗ Geyer mit der einaktigen Komödie, Mondaine“ (geh. 25 g, in Lelnw. 50 3) und Roderich Benedix mit einer Reihe leicht aufführbarer
Einakter und Soloszenen.
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Saatenstand in Oesterreich um Mitte Juni 1904.
Die verflossene Berichtsperiode charakteristerte sich durch sonnige, sehr warme Witterung, bei geringen Niederschlägen. In Nieder⸗ österreich Mähren, Schlesien und im nördlichen und östlichen Böhmen, wo fast keine Regen fielen, herischte in der letzten Zeit außerordent⸗ liche Trockenheit und Dürre, welche das Gedeihen der Feldfrüchte häufig stark. beeinträchtigte, wozu in Galizien und Nord⸗ böhmen auch die tiefen Nachttemperaturen wesentlich bei⸗ trugen. Dagegen war die Witterung im südlichen und west⸗ lichen und zum Teil auch im mittleren Böhmen, in Oberösterreich und dem angrenzenden Teil Niederösterreichs, vor allem aber in den Alpenländern, wo mäßige Regen mit sonnigen Tagen wechselten, dem Wachstum außerordentlich förderlich. Um den 16. Junk stellten sich in den Ländern südlich der Donau andauernde, in Oberösterreich, Südböhmen noch ausgiebige, sonst jedoch zur vollständigen Behebung der Trockenheit nicht genügende Regenfälle ein, während in Nord⸗ böhmen, Schlesien und Galizien gegenwärtig noch große Dürre herrscht. In einigen Gegenden Steiermarks, Kärntens und Salzburgs richteten starke Hagelschläge großen Schaden an.
Die im Vormonate fast allgemein günstigen Aussichten für die heurige Getreideernte haben sich in den Hauptproduktionsländern infolge verschiedener Schäden im allgemeinen verschlechtert. Dagegen erhielten sich die günstigen Erntehoffnungen in Oberösterreich, in den Alpenländern, im südlichen, westlichen und zum Teil auch im mittleren Böhmen und größtenteils auch in den Karst—⸗ ländern, wo die Getreidefrüchte gut gediehen und fast überall eine gute Ernte versprechen. 8 Niederösterreich, Mähren, Schlesien und in jenen Gebieten Böhmens, wo Regenmangel herrschte, haben die Wintersaaten dank ihres kräftigen Standes der Trockenheit meist ziemlich gut widerstanden und im allgemeinen trotz bedeutender Schäden in manchen Bezirken keinen solchen Schaden ge⸗ nommen, daß hierdurch die erwarteten günstigen Ernteresultate be= deutend beeinträchtigt würden. Der Rückgang im Stande der Wintersaaten ist der starken Ausbreitung des Rostes bei Weizen zuzuschreiben, welcher in Niederösterreich und Mähren in fast einem Viertel sämtlicher Bezirke auftritt. Die Größe des voraussichtlichen Schadeng läßt sich gegenwärtig, wo der Weizen erst in die Aehren schießt, noch nicht beurteilen Ebenso hat sich der Rost bei Weizen in vielen Be⸗ zirken Böhmens stark ausgebreitet und ist auch in anderen Ländern, allerdings nur sporadisch, vorhanden. Die gesunden Welzenbestände Niederösterreichs und der Sudetenländer werden voraussichtlich be⸗ friedigende Ernteergebnisse liefern. ;
Roggen hat zwar in ungünstigen Lagen Niederösterreichs und der Sudetenländer durch Trockenheit mehr gelitten als Weizen (mit- unter wird Notreife e läßt jedoch, da Krankheiten selten auf⸗ treten (bloß in einigen Gegenden. Niederösterreichs ist auch der Roggen mit Rost behaftet) und die Blütezeit in der Ebene fast überall außerordentlich günstig verlief, ein besseres Gesamtresultat erwarten als Weißen. In höheren Lagen steht die Frucht zumeist in voller Blüte. In Galizien,; wo die Dürre schon durch viele Wochen andauert, sind im Westen des Landes bei Roggen etwa der Hälfte, bei Weizen in einem Drittel der Bezirke und in Ostgalizien bei Roggen und Weizen in mehr als einem Drütel der Bezirke nur mittelmäßige Ergebnisse zu erwarten, während die Ernte in den übrigen Bezirken befriedigen dürfte. Der Schnitt der Wintersaaten wird mit Ausnahme der nördlichen Länderzone früher beginnen als in normalen Jahren. Die Stroherträge werden dort, wo in den letzten Wochen einige Bodenfeuchtigkeit vorhanden war, befri digen. .
Während sich die Wintersaaten in den von großer Trockenheit betroffenen Gebieten zumeist noch ziemlich normal entwickeln konnten, wurden Gerste⸗ und Hafer (Sommer) saaten durch die Dürre und die außerordentlich kalten Nächte in ihrer Entwickelung häufig stark beeinträchtigt und haben in ungünstigen Lagen oft derart gelitten, daß ihre Erholung kaum mehr möglich erscheint. In Niederösterreich und Mähren, wo der Stand der Saaten nur noch etwa in der Hälfte der Bezirke günstig war, haben die allerdings meist nur mäßigen Niederschläge der letzten Zeit Besserung gebracht, doch sind ausgiebige, warme Regen für die vollkommene Erholung der schwachen Saaten dringend notwendig. Dagegen sind in vielen Gegenden Nordböhmens, Schlesiens und Galiziens, wo auch in den letzten Tagen keine oder nur geringe Niederschläge zu verzeichnen waren, die Sommersaaten derart gefährdet, daß eine Mißernte zu befürchten ist, falls nicht bald Regen eintritt. Die Saaten leiden auch unter starker Verunkrautung, hauptsächlich durch den Hederich. In diesen Gebieten werden auch die Stroherträge der Sommerungen nicht befriedigen. .
Die Aussichten für Raps haben sich in der Berichtsperiode infolge der außerordentlich günstigen Blütezeit derart gebessert, daß zum großen Teile noch befriedigende Erträge erzielt werden dürften. Bloß in Galizien, wo die Blüte durch kalte Winde gestört wurde, sind in der knappen Mehrzahl der Bezirke nur nittel- mäßige Ergebnisse zu erwarten. — Der Mais ist größten teilß gut aufgegangen und hat sich in NiederösterreichM und in den Ländern südlich der Donau, wo er fast überall behackt und zum Teile auch bereits behäufelt ist, günstig und rasch ent⸗ wickelt. In Mähren, in der Bukowina und in trockenen Lagen Nieder⸗ österreichs, wo er schon durch den Mangel an Feuchtigkeit gelitten hat, kommen ihm die letzten Regenfälle sehr zu gute. Dagegen ist die 56 in Galizien infolge der häufigen, leichten Nachtfröste und der
rockenheit oft im Wachstum zurückgeblieben. — Infolge des feuchten Frühjahrs entwickelten sich Klee und Wiesen günstig, sodaß die im Zuge befindliche (teilweise bereits beendete) 24 und Kleemahd. größtenteils sehr günstige Erträge, liefert und auch in Niederösterreich und Mähren meist zufriedenstellt. In Galizien sind Klee und Wiesen noch nicht schnittreif, da die lange Dürre und die kalten Nächte die Entwickelung derselben stark be—⸗ einträchtigt haben. Die Ernteergebnisse werden hier, ebenso wie in Schlesien, größtenteils ziemlich schwach ausfallen. Im nördlichen und östlichen und zum Teile auch im mittleren Böhmen, wo der Nach- wuchs in letzter Zeit schwach war, dürfte man teils mittelmäßige, teils gutmittlere Fechsungen erzielen. In vielen Gegenden Oberöster⸗ reichs und der Alpenländer sind die Erträge so günstig mie seit Jahren nicht. Leider wurde dort die Einbringung in den letzten Tagen durch häufige Regenfälle sehr erschwert, und es wäre der Eintritt trockener Witterung für die gute Beendigung der Heuernte erwünscht. Auch die Alpenweiden sind sehr gut w
Der Kartoffelanbau konnte erst in der letzten Maiwoche überall beendet werden. Die Kartoffeln sind in den meisten Ländern gut aufgegangen und zeigen eine normale Entwickelung In Galizien, Schlesien, dem angrenzenden Teile Mähreng und in Nordböhmen ging die Keimung sehr langsam vor sich, und es haben auch Spätfröste die jungen Triebe nicht selten versengt. In diesen Gebieten sind Regen fälle für das Gedeihen der Kartoffeln dringend nötig. Die Kartoffeln werden jetzt zumeist behäufelt. Frühkartoffeln haben in den Küsten ländern infolge Trockenheit oft stark gelitten.
Die Zuckerrüben, deren Anbau erst in der letzten Maiwoche überall beendet wurde, haben in Niederösterreich, Mähren, Nord- böhmen, , . und Galizien durch Trockenheit und in den beiden letztgenannten Ländern und durch Kälte häufig gelitten und sind viel= fach bei ungleichmäßigem Stande in der Entwickelung zurückgeblieben. Die letzten Regenfälle in Niederösterreich und Mähren er- frischten die Kulturen, doch ist ein ausgiebiger warmer Regen in nächster Zeit behufs Ausgleichung der Schäden notwendig. Am ungünstigsten ist der Rübenstand in Galizien. Bedeutenden Schaden verursachten in einigen Rübendistrikten Wurzel= brand und Ungeziefer, und es mußte die Aussaat aus diesem Grunde nicht selten erneuert werden. Die Kulturarbeiten waren in den ge—⸗ nannten Ländern wegen der Härte des Bodens mit geen Schwierig ˖ keiten verbunden und sind deshalb — namentlich bel den Spaͤtsaaten — häufig noch im Rückstande. Vorläufig n der Stand der Zuckerrüben nur im westlichen, mittleren und südlichen Böhmen,
wo die Rübe in der Entwickelung vorgeschritten ist und den